5102/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Haider, Mag. Stadler
und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Geschäftsführung der Bundesregierung
Mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes gemäß Art. 69 Abs. 1 B -VG,
soweit diese nicht den Bundespräsidenten übertragen sind, der Bundeskanzler, der
Vizekanzler und die übrigen Bundesminister betraut. Sie bilden in ihrer Gesamtheit unter
dem Vorsitz des Bundeskanzlers die Bundesregierung.
Art. 69 Abs. 2 B -VG regelt die Vertretung des Bundeskanzlers und Art. 73 B -VG die
Vertretung im Falle der zeitweiligen Verhinderung eines Bundesministers.
Das B -VG geht somit davon aus, daß sämtliche vom Bundespräsidenten ernannten
Mitglieder der Bundesregierung stets entweder selbst oder durch verfassungsmäßig
bestellte Vertreter ihre Amtsgeschäfte wahrnehmen können und somit auch das
Kollegialorgan Bundesregierung stets vollständig und handlungsfähig bleibt. Nähere
Bestimmungen über die Beschlußfassung der Bundesregierung finden sich weder im B -
VG noch in anderen Rechtsvorschriften.
Es entspricht der einhelligen Lehre und Rechtsprechung, daß eine Kollegialbehörde im
Falle des Fehlens anderslautender Bestimmungen über die Beschlußfassung nur bei
Anwesenheit aller ihrer Mitglieder beschlußfähig ist und andernfalls das
verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren von dem gesetzlichen
Richter nach Art. 83 Abs. 2 B -VG verletzt würde.
Im Hinblick auf die Bedeutung der Bundesregierung als oberstes verfassungsmäßiges
Organ der Vollziehung und speziell auch seiner im Art. 41 B - VG festgeschriebenen
Stellung im Gesetzgebungsprozeß ist es geboten, daß die verfassungsgesetzlich
vorgesehenen Regelungen für die
Vertretung der Mitglieder der Bundesregierung genau
beachtet werden und keinesfalls ein schlampiger Umgang mit der Verfassung
stattfindet.
Es ist daher selbstverständlich, daß die Sitzungen des Ministerrates, die anwesenden
Regierungsmitglieder, die Gründe einer Verhinderung sowie die bei den einzelnen
Sitzungen gefaßten Beschlüsse dokumentiert werden müssen. Sollte dies aber nicht
geschehen sein, könnte dies nur als äußerst eigenartig bezeichnet werden.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler die nachstehende
ANFRAGE
1. An welchen Sitzungen des Ministerrates der gegenwärtigen XX.
Gesetzgebungsperiode haben einzelne Mitglieder der Bundesregierung
(Bundeskanzler, Vizekanzler, Bundesminister) nicht teilgenommen, ohne daß für eine
verfassungsmäßige Vertretung im Sinne des Art. 73 Abs. 1 oder Abs. 3 B -VG gesorgt
wurde?
2. Welche Mitglieder der Bundesregierung waren davon im einzelnen betroffen?
3. Welche Gründe waren im einzelnen für die Verhinderung der Mitglieder der
Bundesregierung maßgebend?
4. Weshalb wurde es in diesen Fällen unterlassen, für eine entsprechende
verfassungsmäßige Vertretung zu sorgen?
5. Welche Gesetzesvorlagen wurden bei diesen Ministerratssitzungen von der
Bundesregierung beschlossen?
6. Erblicken Sie in dem Umstand, daß Regierungsmitglieder Ministerratssitzungen
fernbleiben, ohne vertreten zu sein, eine rechtliche Problematik und wenn ja,
welche?
7. Wurde der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes in der letzten Zeit mit dieser
Problematik befaßt und wenn ja, welche Stellungnahme hat er erstattet?
8. Welche Vorkehrungen werden Sie treffen, um in Zukunft bei Ministerratssitzungen
die Anwesenheit sämtlicher Mitglieder der Bundesregierung oder zumindest die
ordnungsgemäße verfassungsrechtlich vorgesehene Vertretung abwesender
Regierungsmitglieder zu gewährleisten?