5129/J XX.GP

 

DRINGLICHE ANFRAGE

gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR

 

der Abg. Mag. Trattner

und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Bankenaufsicht und Rieger - Bank

 

Österreichs Banken sind einer spezifischen Aufsicht und Kontrolle unterworfen, und

zwar vor allem durch die Bankenaufsicht im Bundesministerium für Finanzen. Bei der

Bewältigung dieser Aufgabe wird die Bankenaufsicht durch die Oesterreichische

Nationalbank unterstützt.

 

Hauptaufgabe der Bankenaufsicht ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit des

Bankwesens und insbesondere auch der Gläubigerschutz. Die Bankenaufsicht ist daher

zum Eingreifen verpflichtet, falls für die Erfüllung der Verpflichtungen einer Bank

gegenüber ihren Gläubigern Gefahr bestünde. Das Bankwesengesetz stellt der

Bankenaufsicht neben der Konzessionserteilung, Maßnahmen gegenüber sogenannter

Problembanken zur Abwendung möglicher Insolvenzen und u.a. auch die Möglichkeit

der Rücknahme der Konzession als Aufsichtsmittel zur Verfügung. Organe der

Bankenaufsicht sind das Bundesministerium für Finanzen als Bankaufsichtsbehörde,

Staatskommissär, Regierungskommissär, Bankprüfer, die OeNB und Sonderprüfer. Im

Finanzministerium sind derzeit in der Gruppe Bankenaufsicht zwischen 25 und 30

Personen mit der Bankenaufsicht betraut. Darüber hinaus sind weitere rund 200

Bedienstete als Staatskommissäre bestellt, wobei die Bestellung nicht aufgrund

fachspezifischer Vorkenntnisse erfolgt.

 

Bei einer Prüfung der Bankenaufsicht durch den Rechnungshof im Jahre 1993 wird

heftige Kritik an der Bankenaufsicht geübt:

“Die im Vergleich zum Aufgabengebiet sparsame Personalausstattung zwang dazu,

nach einer Prioritätenreihung in erster Linie Problemfälle eingehend zu besichtigen

Eingehende Kontrollschritte setzten spät, häufig erst nach Eintritt einer Gefährdung ein.

Für aufsichtsbehördliche Gegenmaßnahmen vor Ausbruch der Gefährdung fehlte auch

ein einsatzbereites und aussagekräftiges Frühwarnsystem, an dessen Entwicklung das

BMF allerdings arbeitete. Der Rechnungshof bemängelte, daß eingehende

Kontrollhandlungen häufig verhältnismäßig spät einsetzten und weiterhin auf dem

Zufallsprinzip beruhten. Die Kontrolle auf der Grundlage des Dritten Quartalsberichtes

erfolge etwa im November, so daß drohender Schaden nicht mehr rechtzeitig

erkannt und bekämpft werden könne. Der Rechnungshof drängte daher auf die

Fertigstellung eines funktionsfähigen Früherkennungssystems auf der Grundlage

aussagefähiger Kennzahlen als wertvolles Hilfsmittel der Mißstandskontrolle..... Der

Rechnungshof bemängelte die zögernde und wenig zielstrebige Bearbeitung durch die

Aufsichtsbehörde...... Insbesondere beanstandete der Rechnungshof das Fehlen

energischer Aufsichtsmaßnahmen, weil die überwiegend gehandhabte Einholung von

Auskünften kaum erfolgversprechend war.”

 

Quasi als Bestätigung der Rechnungshofkritik spielte die Bankenaufsicht im

Zusammenhang mit der Insolvenz der Bank für Handel und Industrie (BHI) im Jahr 1995

eine unrühmliche Rolle. Schon in den Jahren zuvor stand das Verhalten der

Bankenaufsicht regelmäßig im Schußfeld öffentlicher Kritik, wie z.B. 1992 beim

Bankhaus Rössler in Wien, 1993 bei der Effectinvest, der heutigen Diskont - Bank, und

1994 bei den sogenannten “Karibik - Geschäften” der BAWAG.

 

Trotz der deutlichen Kritik durch den Rechnungshof und trotz oben angeführter

Problemfälle hielt es der Bundesminister für Finanzen nicht notwendig, die

Bankenaufsicht zu einem durchschlagskräftigen Kontrollorgan umzugestalten.

Entsprechende Anträge der Freiheitlichen wurden immer mit den Stimmen der

Regierungsparteien abgelehnt.

Als vorläufigen Höhepunkt für die Unfähigkeit der Bankenaufsicht muß nunmehr das

Beispiel "Rieger - Bank” angesehen werden.

Bei der Vielzahl von Prüfungen - die Rieger - Bank wurde als die bestgeprüfte Bank

bezeichnet fiel keinem der Organe der Bankenaufsicht und auch nicht dem

Aufsichtsrat auf, daß möglicherweise bereits seit 10 Jahren Bilanzen verfälscht,

Außenstände falsch dargestellt, Bankguthaben praktisch erfunden oder nach oben

revidiert wurden. Ebenso unbeachtet blieb die Tatsache, daß die Rieger - Bank wiederholt

gegen das gesetzlich vorgeschriebene “Vier - Augen - Prinzip” verstoßen hat. Ohne den

Argwohn der Bankenaufsicht zu wecken, wies die Rieger - Bank bei relativ geringem

Geschäftsvolumen stets beträchtliche Ergebnisse aus der ordentlichen Geschäftstätigkeit

aus. Dies, obwohl die Rieger - Bank in allen ihren Wechselstuben extrem hohe Bestände

an Valuten hielt und somit dafür keine Erträgnisse abwerfen konnte.

 

Da der Masseverwalter Klemens Dallinger die Buchhaltung der Rieger - Bank nunmehr als

ein einziges Chaos bezeichnet, erscheint es um so verwunderlicher, daß in den letzten

Jahren kein Aufsichtsorgan mißtrauisch geworden ist. Auch für den Leiter des

Alpenländischen Kreditorenverbandes, Otmar Koren bleibt es “schleierhaft”, daß die

Malversationen die längste Zeit niemandem aufgefallen seien. “Unter einer

gewissenhaften Prüfung muß man verstehen, daß auch Belege angeschaut werden”

(Die Presse, 4.11.98). Anerkannt von den Organen der Bankenaufsicht wurden jedoch

gefälschte Saldenbestätigungen von Geschäftsbanken, bei denen die Originalvermerke

ausgelackt und mittels Schreibmaschine Zahlen, die nicht der Realität entsprachen,

eingesetzt worden sind (Format 3/98). Auch kreative Aktivposten in der Bilanz der

Rieger - Bank, wie z.B. “Gelder unterwegs”, wurden von den Prüforganen nicht

hinterfragt.

 

Obwohl die Bankenaufsicht im Frühjahr 1998 erstmals eine Anzeige wegen

Bilanzfälschung erstattete, genehmigte sie den Verkauf der “Rieger - Anleihen” ohne

Zweckbindung. Die hohe Verzinsung von 7,5 %, eine kurze Laufzeit, ein

Verkaufsprospekt mit einer Vielzahl von falschen Angaben und eine Vertriebsprovision

von 1 5 % für die Diskontbank hätten in der Bankenaufsicht oder der Wertpapieraufsicht

die Alarmglocken schrillen lassen müssen. Die Tatsache, daß die Rieger - Bank eine

riskante, nicht - fundierte Anleihe zum Verkauf angeboten hat, hätte aus

Gläubigerschutzinteressen zu einer unmittelbaren Überprüfung durch die

Bankenaufsicht und zu einer freiwilligen Überprüfung durch die Wertpapieraufsicht

führen müssen. Vor diesem Hintergrund erscheinen diverse Aussagen, wonach jeder

Anleihezeichner über das enorme Risiko beim Kauf einer Rieger - Bank - Anleihe Bescheid

hätte wissen müssen, mehr als eigenartig.

 

Die Tatsache, daß die bestellten Bankprüfer an der Rieger - Bank in einer solchen

Größenordnung beteiligt waren, daß beinahe ein Ausschließungsgrund vorgelegen war,

veranlaßte weder die restliche Bankenaufsicht noch den Aufsichtsrat zu einer

sorgfältigeren Prüfung der durch die Bankprüfer vorgelegten Unterlagen.

Trotz dieser Vielzahl von Ungereimtheiten, die im Zuge einer ordnungsgemäßen

Überprüfung zumindest ansatzweise hätten auffallen und zu Gegenmaßnahmen, wie

z.B. Einsetzen eines Regierungskommissärs, führen hätte müssen, lehnen die Organe der

Bankaufsicht sowie die Aufsichtsräte jede Verantwortung für die Insolvenz der Rieger -

Bank ab. Dabei stellte nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen gerade das

Erkennen wirtschaftlicher Abläufe in ihrem Zusammenhang eine taugliche Grundlage

für die Krisenfrüherkennung dar (Punkt 6.3 des Rechnungshofberichtes aus 1993).

Außerdem verwies bereits 1993 das BMF auf die laufenden intensiven Arbeiten an

einem Früherkennungssystem, mit dessen Einsatz in einigen Monaten gerechnet werden

könne (Punkt 5.3 des Rechnungshofberichtes aus 1993).

 

Nach bisher bekannt gewordenen Informationen beträgt die Schadenshöhe bereits

mehr als eine Milliarde Schilling, wovon auch über 1.000 private Anleihezeichner

betroffen sind.

Dennoch beteuert die Bankenaufsicht im Bundesministerium für Finanzen, daß sie

“immer richtig gehandelt habe und daß es für das offenbar gigantische Verbrechen

keine Indizien gegeben habe”. Auch die Nationalbank vertritt die Meinung, daß aus

ihrer Sicht nichts schiefgelaufen sei.

 

Nach vorliegendem Sachverhalt ist eindeutig erwiesen, daß alle Aufsichtsorgane ihre

gesetzmäßigen Aufgaben nicht erfüllt und daher versagt haben, wodurch sie wiederum

zu einer Schädigung von Gläubigern beigetragen haben. Die Verantwortung dafür liegt

bei der Untätigkeit des Bundesministers für Finanzen.

Aus gegebenem Anlaß stellen daher die unterzeichneten Abgeordneten gem. § 93

Abs.1 GOG - NR an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

Dringliche Anfrage:

 

1. Halten Sie das derzeitige System der Bankenaufsicht für ausreichend?

    Wenn nein, warum hat das Bundesministerium für Finanzen trotz der Kritik des

    Rechnungshofes und dem Versagen der Bankenaufsicht bei der 8H1-Insolvenz nicht

    spätestens 1 995 geeignete Reformen in die Wege geleitet?

 

2. Inwieweit ist das Bundesministerium für Finanzen den Empfehlungen des

    Rechnungshofes aus dem Jahre 1993 nachgekommen, und inwieweit hat das

    Bundesministerium für Finanzen die eigenen Ankündigungen umgesetzt?

 

3. Unterstützen Sie die Einrichtung einer “einheitlichen Kapitalmarktaufsicht”, welche

    sich auf Banken, Versicherungen und freie Wertpapierdienstleistungsunternehmen

    erstreckt?

    Wenn ja, wie und wann werden Sie diesbezügliche Maßnahmen ergreifen?

    Wenn nein, welche sonstigen Reformen werden Sie setzen?

4. Um die Gewährung welcher Konzession hat Herr Rieger seinerzeit angesucht und

    welche Konzessionen wurden schließlich erteilt?

 

5. Hat Herr Rieger die jeweils dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt?

 

6. Welche Rolle hat der frühere Klubobmann der SPÖ Dr. Fuhrmann bei der Erteilung

    der Konzession gespielt?

 

7. in welcher Form ist der ehemalige Klubobmann der SPÖ Dr. Fuhrmann bzw. sind

    sonstige der SPÖ nahestehende Personen in die Affäre Rieger verstrickt?

 

8. Hat die Bankenaufsicht dafür Sorge getragen, daß in der Rieger - Bank eine interne

    Revisionsabteilung aufgebaut wurde?

    Wenn ja, wann und in welcher Art und Weise?

 

9. Wurde das im Rechnungshofbericht 1993 angekündigte computerisierte Frühwarn -

     system im Falle Rieger angewendet?

     Wenn nein, warum nicht?

 

10.Wer war bei der Rieger - Bank in den letzten fünf Jahren als Bankprüfer tätig?

 

11. Waren bzw. sind Bankprüfer an der Rieger - Bank beteiligt?

      Wenn ja, zu wieviel Prozent und weshalb hat das Bundesministerium für Finanzen

      gegen die Bestellung dieser Bankprüfer keinen Widerruf erhoben?

 

12. Haben die Bankaufsicht bzw. die Bankprüfer die von der Rieger - Bank behaupteten

      Aktiva, insbesondere Guthaben bei anderen Kreditinstituten, überprüft?

      Wenn ja, wie?

      Wenn nein, warum nicht?

13.Wann sind der Bankenaufsicht erstmals Unregelmäßigkeiten in der Gebarung der

     Rieger - Bank aufgefallen und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

 

14. Hat die Bankenaufsicht aufgrund vorliegender Verdachtsmomente Anzeigen bei der

      Staatsanwaltschaft oder anderen Behörden erstattet?

      Wenn ja, wann, an wen, mit welchem Inhalt und mit welchem Ergebnis?

 

15. Hat das Bundesministerium für Finanzen Sonderprüfungen nach dem BWG

      beantragt?

      Wenn ja, aufgrund welcher vorliegender Verdachtsmomente, wann, wer wurde

       damit beauftragt und welche Ergebnisse wurden hiebei erzielt?

 

16.Wann und aufgrund welcher Erwägungen wurde die Kanzlei Dr. Staribacher mit der

     Prüfung beauftragt?

 

17.Wie erklären Sie sich den Umstand, daß die Kanzlei Dr. Staribacher keinen Anlaß zur

     Beanstandung fand, obwohl laut Masseverwalter die Buchhaltung der Rieger - Bank

     “ein einziges Chaos” sei?

 

18.Welche Prüfungsaufträge hat die Kanzlei Dr. Staribacher in den letzten fünf Jahren

vom Bund erhalten und welche Erwägungen waren dafür maßgebend?

 

19.Welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen, daß die Kanzlei Dr. Staribacher

      offensichtlich bei der Prüfung der Rieger-Bank überfordert war?

 

20.Haben Sie aufgrund der Kritik des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Androsch wegen

     des Vorliegens offensichtlicher Unregelmäßigkeiten einen Regierungskommissär

     gemäß BWG bestellt?

     Wenn ja, wen?

      Wenn nein, warum nicht?

 

21. In welchem Verhältnis steht bzw. stand die Rieger - Bank zur Effectinvest/Diskont

      Bank?

 

22.Wer sind die Hauptaktionäre der Effectinvest/Diskont Bank und der Rieger - Bank?

 

23. In welcher Form hat die Bankenaufsicht und die Wertpapieraufsicht bei der

      Begebung der Rieger – Bank - Anleihe mitgewirkt?

 

24. Weshalb hat die Aufsichtsbehörde gegen die Begebung der Anleihe keinen Einwand

      erhoben, obwohl ein Provisionssatz von 15 % für die Diskont Bank und eine

      Verzinsung von 715 % vorgesehen war?

25. Ist es richtig, daß die Rieger - Bank, ohne die entsprechende Konzession dafür zu

      besitzen, eine Tranche im Volumen von 250 Mio. öS selbst plaziert hat?

      Wenn ja, wann hat die Bankenaufsicht erstmals davon erfahren und welche

      Konsequenzen wurden daraus gezogen?

 

26. Ist es richtig, daß der Vorstand der Diskont Bank - Anleihen der Rieger - Bank zum

      Nominalwert von rund 81 Mio. öS um ,1unter einer Million Schilling11 an die Euro -

      Invest Bank, welche 1991 Aktien der Effectinvest - der jetzigen Diskont Bank - an

      der Wiener Börse plaziert hat, verkauft hat?

     Wenn ja, zu welchen Konsequenzen wird dies für den Vorstand der Diskont Bank

     führen?

 

27.Sind oder waren die Euro-lnvest Bank oder deren Eigentümer an der Reger-Bank

     bzw. der Diskont Bank beteiligt?

28. Welche Konsequenzen werden Sie aus dem offensichtlichen Fehlverhalten der

       Bankenaufsicht und Wertpapieraufsicht ziehen?

 

29. In welcher Form und wann werden Sie die, durch das offensichtliche Versagen der

      Aufsichtsbehörden mitverursachte Schädigung der Kleinanleger wiedergutmachen?

 

30. Beabsichtigen Sie1 zur Sicherung des Bankplatzes Österreich den Schutz der

      Kleinanleger sowohl der Höhe nach als auch  auf andere Anlageformen

      auszuweiten?

      Wenn ja, in welcher Form?

      Wenn nein, warum nicht?

 

31. Wie beurteilen Sie Ihre politische Verantwortung aufgrund des Versagens der

      Aufsichtsbehörden, und welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG - NR vor

Eingang in die Tagesordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln.