5251/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Petrovic, Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr
betreffend alarmierende Beantwortung der Anfrage 4466/J (Verfall der Ghega - Bahn über den
Semmering)
In Beantwortung der parlamentarischen Anfrage der Grünen 4466/J hat der Bundesminister
für Wissenschaft und Verkehr unter anderem mitgeteilt (zu Frage 17): “Die Ghega - Bahn wird
von den ÖBB derzeit in betriebssicherem Zustand erhalten. Die betriebssichere Erhaltung der
Strecke wird jedoch zunehmend schwieriger und kostenaufwendiger. Die Eigenschaft der
Trasse als Kulturdenkmal steht allerdings im Widerspruch zu der in der gegenständlichen
Anfrage geforderten Modernisierung der Bahnstrecke. Außerdem zeigen alle bisherigen
Untersuchungen, dass eine zeitgemäße Modernisierung unwirtschaftlicher als die Errichtung
des Basistunnels wäre.” Diese Antworten widersprechen in mehrfacher Hinsicht bislang
bekannt gewordenen Sachverhalten und Expertengutachten.
Ferner wird in Beantwortung der Fragen 12 und 13 ausgeführt, dass der Einsatz des Systems
der Wagenkastenneigung (System Pendolino) keine Verkürzung der Reisezeit brächte, da die
Vorteile dieses Systems erst ab Geschwindigkeiten von über 70 km/h zum Tragen kommen.
Auch diese Antwort widerspricht bekannten Sachverhalten. Auch die Expertenkommission in
Sachen Semmering - Basistunnel vertritt hier offenbar eine andere Überzeugung.
Im Rahmen der Anfragebeantwortung gibt der Verkehrsminister bekannt, dass auch er die
Schäden an der Trasse für beträchtlich hält und dass in Zukunft mit höheren Sanierungs - bzw
Erhaltungskosten zu rechnen sei. Diese höheren Sanierungs - und Erhaltungskosten sind
offenbar jedoch Ergebnis der jahrelangen Vernachlässigung der Ghega - Bahn aufgrund der
Tunnelbaupläne.
Besonders alarmierend empfinden es die Abgeordneten des Grünen Klubs, dass der Minister
einerseits von steigenden Erhaltungskosten spricht, andererseits von der seiner Meinung nach
größeren Wirtschaftlichkeit des Basistunnels. Offenbar war (oder ist?) für den Fall der
Errichtung des Basistunnels mit einer Preisgabe der Ghega - Strecke zu rechnen, denn sonst
dürften diese beiden Streckenvarianten nicht als Entweder - oder - Lösung in der Beantwortung
aufscheinen. Es wäre im höchsten Maße bedauerlich, wenn hervorragende Kulturdenkmäler
der industriellen Gründerzeit im Kulturland Österreich aus Kostengründen nicht mehr in ihrer
eigentlichen Funktion als Transportweg, sondern allenfalls als museales Bauwerk erhalten
werden könnten. Ohne Zweifel erfordert eine Sanierung, die den Wandel der Technik ebenso
berücksichtigt, wie die Anliegen des Denkmalschutzes höhere Aufwendungen; diese scheinen
jedoch mit Sicherheit gerechtfertigt. Es ist davon auszugehen, dass denkmalschützerische
Anliegen und die bestmögliche Erhaltung
des Ensembles der Semmering - Bahntrasse unter
Einbeziehung moderner Erkenntnisse der Sicherheits und Betriebstechnik unter einem Hut zu
bringen sind.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wann genau fand zuletzt eine umfassende Sicherheitsüberprüfung sämtlicher Abschnitte
der Ghega - Bahntrasse, insbesondere der Brücken und Viadukte statt (bitte exaktes
Datum und Dauer der Überprüfung angeben)?
2. a) Halten Sie angesichts der Sanierungserfordernisse einen Überprüfungszeitraum
von vier Jahren für ausreichend?
b) Wenn ja, wie begründen Sie dies?
c) Wenn nein, welche (kürzeren) Zeiträume schlagen Sie vor?
3. a) Hat die Eisenbahnaufsichtsbehörde die letzten Prüfberichte betreffend den
Zustand der Ghega - Bahntrasse angefordert und erhalten?
b) Wenn ja, wie lautet der letzte Prüfbericht vollinhaltlich?
c) Wenn nein, warum nicht?
4. a) Falls die Eisenbahnaufsichtsbehörde die Prüfberichte noch nicht verlangt hat,
wann wird sie dies tun?
b) Wann erfolgt eine Weiterleitung an das Parlament?
5. a) Wer hat die letzten Überprüfungen durchgeführt (bitte Angabe der Unterneh -
mung/Organisation/Institution)?
b) Wann werden diese Gutachten (Ingenieurbüro Pauser, DI Waibl, Geoconsult, u.a.)
veröffentlicht?
6. Wieviele Personen waren an der Überprüfung beteiligt und welche Kosten hat die
Überprüfung verursacht?
7. Wie erfolgte die Beauftragung der überprüfenden Organe?
8. Welcher Leistungskatalog war von den Prüforganen zu erfüllen und wer wird die
nächsten Überprüfungen durchführen?
9. Nach welchen Vorschriften bzw Richtlinien bzw Normen bzw internen Erlässen erfolgt
die Überprüfung
(bitte die jeweilige Quelle exakt anführen)?
c) Wenn nein, warum nicht?
16. a) Welche Steigerungen des Straßentransitverkehrs über den Semmering erwarten
Sie in den nächsten Jahren, insbesondere im Falle des autobahnmäßigen Ausbaus
der S 6?
b) Gibt es dazu Gutachten? Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt?
17. Glauben Sie, dass der zu befürchtenden Steigerung des Straßentransitverkehrs durch
Tunnelbauten ohne sonstige Verbesserungen der Betriebstechnik, der Serviceorientie -
rung, des Wagenmaterials entgegenzuwirken ist?
18. Welche Verlagerungen von der Straße auf die Schiene halten Sie in den verschiedenen
Varianten für möglich?
19. Welche Alternative zum eigenen PKW bleibt der Bevölkerung am Semmering, wenn
eine Sanierung der Ghega - Bahn nicht einmal mehr angestrebt wird?
20. Für das ÖBB - Projekt "Umbau Bahnhof Gloggnitz” wurden im Jahr 1993 Unterlagen
vorgelegt bzw Verhandlungen mit den Anrainer/innen geführt und Verträge abge -
schlossen. Seither wurde die Bevölkerung nicht informiert, was angesichts der offenen
Entscheidung betreffend Basistunnels nunmehr weiter geplant ist. Es wurden Grund -
stücke enteignet und Zusicherungen (Lärmschutzfenster, Unterführung Stuppach) ge -
macht. Private Investitionen werden aufgeschoben, da die weiteren öffentlichen Ent -
scheidungen völlig unklar sind.
a) Was werden Sie tun, um dieses Informationsdefizit rasch zu beheben und der
betroffenen Bevölkerung endlich Klarheit zu verschaffen?
b) Werden zur Beschleunigung von sicherem Güterverkehr über den Semmering
auch andere Varianten geprüft?
c) Wenn ja, welche?
21. Dem Vernehmen nach wird die Möglichkeit einer Abzweigung von der Bestandstrecke
bei Pottschach sowie eine Tunnelführung der Trasse mit kontinuierlichem, flacheren
Anstieg diskutiert.
a) Könnte eine derartige Variante einen Ausweg aus der momentanen politischen
Pattsituation darstellen?
b) Wenn ja, in welchem Zeitraum könnten diese Varianten konkretisiert werden?
c) Wenn nein, wann ist wenigstens mit klaren und definitiven Entscheidungen im
Interesse der betroffenen Bevölkerung zu rechnen?
22. In der Anfragebeantwortung 4203/J wird keine Konkretisierung der Aufwendungen für
die letzten Jahre aufgegliedert nach Investitionsprojekten vorgenommen. Daher
neuerlich die Frage: Wieviel wurde in den einzelnen Jahren zwischen 1980 und 1997
jeweils aufgewendet (auf
Preisbasis des jeweiligen Jahres der Tätigung der Ausgaben)?
10. Das in den Medien jüngst breit diskutierte negative Expertengutachten zum Semmering -
Basistunnel schlägt zur Verkürzung der Reisezeiten den Einsatz des sogenannten
Pendolino - Systems vor.
a) Wieso wurde gerade dieses System in Beantwortung der Anfrage 4466/J als “nicht
zielführend” dargestellt?
b) Gehen die Experten oder geht das Ministerium von falschen Annahmen aus (bitte
genau begründen)?
11. In unseren Nachbarländern Schweiz, Deutschland, Italien und Slowenien werden Nei -
gezüge bereits seit einiger Zeit mit großem Erfolg eingesetzt:
a) Wann ist für Österreich eine eingehende Untersuchung der Einsatzmöglichkeiten
und Vorteile der Neigezugtechnik geplant?
b) Bis wann werden diese Untersuchungsergebnisse der Öffentlichkeit vorliegen?
12. In der erwähnten Anfragebeantwortung geht der Verkehrsminister davon aus, dass “eine
Modernisierung unwirtschaftlicher als die Errichtung des Basistunnels wäre”.
a) Ist daher davon auszugehen, dass für den Fall der Errichtung des Basistunnels eine
Sanierung der Ghega - Trasse überhaupt nicht angestrebt würde?
b) Widerspricht diese Entweder - oder - Haltung nicht dem Abkommen aus dem Jahr
1991?
c) Ist beabsichtigt, die Ghega - Bahn im Fall der Errichtung des Basistunnels als bloße
Museumsbahn und nicht als attraktives öffentliches Verkehrsangebot zu führen?
d) Wenn ja, wie begründen Sie das?
13. a) Wie haben Sie als Verkehrsminister zum Projekt des Ausbaus der S 6 über den
Semmering bzw zur Anlage eines Straßentunnels Stellung genommen?
b) Befürworten Sie persönlich dieses Projekt?
c) Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?
14. Der Bau des Semmering - Straßentunnels wirft erhebliche ökologische Probleme auf, die
von der Grünen Fraktion im niederösterreichischen Landtag thematisiert wurden. Sind
Ihnen diese ökologischen, insbesonders wasserrechtlichen Bedenken bekannt und
welche Schritte haben Sie diesbezüglich als Mitglied des Ministerrates gesetzt?
15. a) Halten Sie es für denkbar, zur Entlastung der Ortschaften am Semmering kleine
und nicht kapazitätssteigernde Umfahrungsstraßen als Alternative für die lärm -
geplagte Bevölkerung anzubieten?
b) Wenn ja, werden Sie dies
tun?
23. Was waren in den einzelnen Jahren die hauptsächlichen Investitionsprojekte (jeweils
nach Jahren gegliedert aufschlüsseln)?
24. In der Anfragebeantwortung beziffern Sie den künftig zu erwartenden Mehraufwand mit
ca 50 Millionen Schilling pro Jahr.
a) Ist in den kommenden Budgets dafür Vorsorge getroffen?
b) Wenn ja, unter welchem Ansatz?
c) Wenn nein, warum nicht bzw woher soll dann das Geld kommen?
d) Wie rechtfertigen Sie den jährlichen Mehraufwand von 500 Millionen Schilling
für die Kostentilgung des Semmering - Basistunnels gegenüber den Erhaltungs -
und Betriebskosten der Ghega - Strecke?
e) Ist der von Ihnen angeführte Mehraufwand zum Teil auf die geringen Investitio -
nen der vergangenen Jahre zurückzuführen?