5344/J XX.GP
der Abgeordneten Dr. Kostelka, Schieder, Dr. Hlavac, Dr. Gusenbauer, Dr. Cap
und Genossen
an den Bundeskanzler
betreffend Österreichs EU - Präsidentschaft und den Europäischen Rat vom
11. und 12. Dezember 1998 in Wien
Die Europäische Union ist mit dem Ziel, ein stärkeres und geeintes Europa zu
schaffen, in mehrfacher Hinsicht gefordert. Einerseits geht es darum, den
Integrationsprozeß durch die Vollendung der Wirtschafts - und Währungsunion, durch
die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, durch ein Paket interner Reformmaßnahmen
und durch die Entwicklung einer Gemeinsamen Außen - und Sicherheitspolitik zu
festigen und zu vertiefen. Andererseits muß der Prozeß der Erweiterung der
Europäischen Union vorangetrieben werden, ohne dabei den bestehenden
Zusammenhalt der Mitgliedsstaaten zu gefährden.
Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen hat die Europäische Union auch
während der österreichischen Präsidentschaft in vielen Bereichen wichtige Erfolge
erzielt: So stellen die Beschlüsse über die Wirtschafts - und Währungsunion und die
bevorstehende Einführung des Euro - für die ein Großteil der Vorbereitungsarbeiten
während der letzten sechs Monate erfolgte - einen Meilenstein in der europäischen
Integration dar. Auch der Prozeß der Erweiterung der Union wurde im selben
Zeitraum erfolgreich eingeleitet. Während der österreichischen Präsidentschaft
wurde beispielsweise der erste sämtliche Beitrittskandidaten betreffende
Fortschrittsbericht von der EU - Kommission vorgelegt und mit der fortgeschrittensten
Gruppe der Beitrittskandidaten wurden die Beitrittsverhandlungen eröffnet.
Aus österreichischer Sicht besonders erfreulich ist dabei, daß die Europäische Union
hinsichtlich der Sicherheit der nuklearen Kernkraftwerke in Osteuropa nun unzweifel -
haft klargestellt hat, daß die mittel - und osteuropäischen Staaten ihre Regelungen
und Technologien in diesem Bereich an die EU - Standards anpassen müssen.
Während der österreichischen Präsidentschaft konnte in diesem Zusammenhang
auch eine Einigung über die Beibehaltung der bestehenden Gemeinschaftsinitiative
INTERREG erzielt
werden. Diese Einigung ermöglicht auch in Zukunft die von
Österreich im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union geforderte
intensive Förderung der Grenzregionen.
Zu den wichtigsten Erfolgen der letzten Jahre gehört das Umdenken der
Europäischen Union im Bereich der Beschäftigungspolitik. Ein Prozeß der von
Österreich besonders forciert wurde. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer
strukturellen Ursachen soll künftig - so die Einschätzung aller Mitgliedsstaaten - im
Mittelpunkt der europäischen Politik stehen.
Der Auftakt dazu wurde mit dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg im November
1997 gesetzt. Der sogenannte “Luxemburger Prozeß" sieht die jährliche Erarbeitung
beschäftigungspolitischer Leitlinien sowie die Ausarbeitung nationaler
Aktionsprogramme zur Schaffung von Arbeitsplätzen, die jährlich zur Überprüfung
auf EU - Ebene vorzulegen sind, vor. Während der österreichischen Präsidentschaft
wurde nun erstmals ein gemeinsamer Beschäftigungsbericht erstellt, der die
tatsächliche Umsetzung der in den Nationalen Aktionsplänen gesetzten Ziele durch
die EU - Mitgliedstaaten und damit die konkret erzielten Fortschritte im Vergleich zum
Vorjahr einer Überprüfung unterzieht.
Gleichzeitig wurden auch die ,,Beschäftigungspolitischen Leitlinien" für 1999
beschlossen. Die zur Vorbereitung dieser Leitlinien erstellte Bilanz zeigt für 1998
eine erste positive Entwicklung. Demnach erfährt die EU 1998 ein starkes und - aus
österreichischer Sicht besonders wichtig - beschäftigungsschaffendes Wachstum des
Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 2,9%. Als Konsequenz daraus konnten in
den vergangenen Monaten in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union etwa 1,7
Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die EU - Arbeitslosenquote liegt
damit zum ersten Mal seit 1992 unter 10 Prozent.
Die Debatte über die internen Reformen der EU wurde durch die ,,Agenda 2000", in
der die Europäische Kommission u. a. Reformvorschläge für den Bereich der
Struktur - und Agrarpolitik und den Finanzrahmen der EU nach dem Jahr 2000
präsentierte, eingeleitet. Unter den Mitgliedstaaten der EU konnte in diesen
Bereichen zwar noch kein Konsens erzielt werden, eine Annäherung der
Auffassungen ist aber beispielsweise in Bereichen wie der Strukturpolitik bereits
erkennbar.
Im Vorfeld des Wiener EU - Gipfels wurden - vor allem was den künftigen
Finanzrahmen der
Union und die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten betrifft -
unterschiedlichen Interessenslagen der einzelnen Mitgliedstaaten und Auffassungs-
unterschiede über die erforderlichen Reformen sichtbar. Der von den ,,Nettozahlern"
eingebrachte Vorschlag zur “realen Stabilisierung" der Ausgaben der Europäische
Union auf Basis des Budgetentwurfes für 1999 und die von Deutschland mit
Nachdruck eingebrachte Forderung nach Reduzierung seiner Beitragszahlungen an
die Europäische Union konnte demgemäß nicht abschließend beraten werden, der
Wille zur raschen Problemlösung wurde jedoch unterstrichen.
Von der österreichischen Präsidentschaft wurde nach Abschluß des Prozesses der
technischen Prüfung der Rechtstexte und Identifizierung der politischen
Schlüsselfragen ein Bericht erarbeitet, der die Optionen für die internen Reformen
aufzeigt. Damit wurde eine gute Ausgangsbasis für einen zeitgerechten Abschluß
des Gesamtpaketes ,,Agenda 2000” bis März nächsten Jahres geschaffen. Einer
raschen Einigung der Mitgliedsstaaten der EU über die internen Reformen mit dem
Ziel einer effizienten Europäischen Union aber auch im Lichte der geplanten
Erweiterung der Union wurde damit der Weg bereitet.
Die Aufgabe der österreichischen EU - Präsidentschaft war es, die beim Europäischen
Rat von Cardiff begonnene Debatte über die Zukunft Europas weiterzuentwickeln
und den Prozeß der Konsolidierung, Vertiefung und Erweiterung der Europäischen
Integration ein weiteres Stück voran zu bringen. Besondere Priorität aus
österreichischer Sicht hatte dabei der Bereich der Beschäftigungspolitik und in
diesem Zusammenhang die Verstärkung der gemeinsamen Beschäftigungsstrategie
in der Europäischen Union.
Beim Europäischen Rat am 11. und 12. Dezember in Wien wurden wichtige Weichen
für die künftige Entwicklung der Europäischen Union gestellt. Im Mittelpunkt der
Beratungen standen Fragen der Wirtschafts -, Währungs - und Beschäftigungspolitik
in Europa, die “Agenda 2000”, die Erweiterung aber auch Fragen der Gemeinsamen
Außen - und Sicherheitspolitik. Im Rahmen der “Wiener Strategie für Europa” wurden
für die Politik der Europäischen Union vier Themenbereiche festgelegt, die künftig
Priorität haben sollen. Es sind dies:
- Förderung der Beschäftigung, des Wirtschaftswachstums und der Stabilität
- Verbesserung der Sicherheit und der Lebensqualität
- Reform der Politiken und Institutionen der Union
-
Förderung von Stabilität und Wohlstand in Europa und weltweit
Zur weiteren Forcierung der Beschäftigungspolitik in Europa wird während der
deutschen Präsidentschaft in Ergänzung des Stabilitätspaktes ein ,,Beschäftigungs -
pakt” erarbeitet werden. Damit soll die Priorität einer Politik, die offensiv Arbeitsplätze
schafft, unterstrichen werden. Beschäftigungspolitik soll künftig Bestandteil eines
umfassenden Konzeptes sein, das eine auf Wachstum und Stabilität ausgerichtete
makroökonomische Politik, eine die Wettbewerbsfähigkeit fördernde Wirtschafts -
reform und eine umfassende Arbeitsmarktpolitik umfaßt. Ziel ist es, die
Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern, Chancengleichheit zu erreichen und damit
mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Mit genanntem Beschäftigungspakt sollen
zusätzliche, nachprüfbare Zielvorgaben und Fristen, sowohl auf europäischer als
auch auf nationaler Ebene verankert und ein Dialog zwischen allen betroffenen
Akteuren etabliert werden. Die Einbeziehung der Sozialpartner wird dabei eine
wichtige Komponente darstellen.
Die internen Reformen der Europäischen Union betreffend bekräftigten alle
Mitgliedsstaaten beim Europäischen Rat in Wien ihre Entschlossenheit, bis März
nächsten Jahres eine umfassende Einigung über die "Agenda 2000" zu erzielen. Die
Mitgliedstaaten verständigten sich darauf, Solidarität, strenge Haushaltsdisziplin,
Reformwillen und Gerechtigkeit als Leitlinien für die "Agenda 2000" anzuwenden.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler
nachstehende
Anfrage:
1. Was konnte beim Europäischen Rat von Wien am 11. und 12. Dezember 1998
in Wien erreicht werden, wie bewerten Sie die Ergebnisse und welche weiteren
Schritte ergeben sich daraus für die nächste Präsidentschaft?
2. Inwiefern sehen Sie das Ziel der österreichischen EU - Präsidentschaft, den
Bereich der Beschäftigungspolitik besonders zu forcieren und die
Beschäftigungsstrategie der EU weiter zu verstärken, durch die Ergebnisse des
Europäischen Rates in Wien erreicht?
3. Die österreichische EU - Präsidentschaft wurde mit großem Einsatz angegangen.
Welche Bilanz können Sie nunmehr knapp vor Ende dieses Halbjahres ziehen?
Gem. § 93 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 GOG verlangen die unterzeichneten
Abgeordneten, dass diese Anfrage dringlich behandelt wird, also vom Fragesteller
nach Erledigung der Tagesordnung, spätestens jedoch 15.00 Uhr, frühestens aber
drei Stunden nach Eingang in die Tagesordnung mündlich begründet werde und
hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfinde.