5995/J XX.GP
der Abgeordneten Alexander Van der Bellen, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend: Wo bleibt die Steuerreform?
Finanzminister Edlinger verkündete am 23.3.1999, daß die drei grundsätzlichen
Zielsetzungen der Steuerreform - eine spürbare Tarifsenkung, eine großzügige
Familienförderung sowie Maßnahmen für Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort
„in aller Klarheit erreicht worden seien“ (OTSO187, 23.3.1999). Offensichtlich will sich
keiner der Verhandlungspartner an die seit Jahren angekündigten Zielvorgaben für die
große Steuerreform 2000 erinnern. Versprochen wurde tatsächlich eine Strukturreform
wie die nachfolgenden Zitate bestätigen.
Zum Thema Steuerreform meinte der damalige Finanzminister Klima am 15.11.1996:
"Schwerpunkte liegen bei einer Ökologisierung des Steuersystems und bei einer
Verbreiterung der Steuerbasis, etwa durch die Beseitigung von Ausnahmen und
Schlupflöchern nach dem Motto Steuern einheben statt anheben .„ (OTS
0072,15.11.1996)
Finanzminister Edlinger wollte bei der für 1999 geplanten Steuerreform Maßnahmen zur
Entlastung der Arbeit und dafür zur Belastung von Energie und Wertschöpfung setzen.
„Der Faktor Arbeit muß steuerlich entlastet werden, aber das Steueraufkommen
insgesamt darf nicht kleiner werden, sonst degeneriert der Staat zum
Nachtwächterstaat.“ Die Steuereinnahmen müßten vor allem in die Bereiche Energie,
Wertschöpfung und Kapital umgeschichtet werden. Der steuerliche Faktor trifft die
Arbeit mehr als das Kapital. „Das ist weder dogmatisch noch klassenkämpferisch,“ so
Edlinger am 13.2.1997 (APA0652)
Als Zielsetzung für die Steuerreform nannte Edlinger, den Faktor Arbeit billiger zu
machen und den Ausfall durch eine Ökologisierung wettzumachen. Diskutieren müsse
man auch über die höhere Besteuerung der arbeitslosen Kapitalgewinne, die nicht
investiert werden - so Edlinger in der
Pressestunde vom 2. März 1997 (APAO156)
Wir müssen den Faktor Arbeit von Steuer, Lohnnebenkosten entlasten, um international
konkurrenzfähig zu sein. Auf der anderen Seite gilt es, im Bereich der Ökologisierung des
Steuersystems Einnahmen zu erschließen.“ so Edlinger in der ZIB 2 im Juli 1997
(APA0578, 11.7.1997)
Sein Gewicht als Finanzminister wollte Edlinger jedenfalls auch für die Umwelt einsetzen:
Die Steuerreformkommission werde die Ökologisierung des Systems mitbeachten. Der
Faktor Arbeit sei in den letzten zehn Jahren um zehn Prozentpunkte teurer geworden,
während sich die Belastung des Kapitals um sieben Prozentpunkte vermindert habe. Die
Steuerreformkommission habe das konkrete Ziel, ein in allen Facetten neues
Steuermodell zu entwickeln - so Edlinger bei der Tagung „Umweltaktivitäten der
Weltbank“ im Dezember 1997 CAPA 0257, 15.12.1997)
Finanzminister Edlinger will die Steuerreform 2000 nicht ausschließlich danach bewertet
wissen, in welchem Maß sie Tarifsenkungen bringt, sondern in welchem Maß sie
Strukturen vereinfacht, Ungerechtigkeiten beseitigt, den Standort Österreich fördert und
zur sozialen Ausgewogenheit beiträgt. (APA0584, 4.5.1998)
Generell sei es für ihn wichtig klarzustellen, daß der Ertrag aus einem ersten Schritt der
Ökologisierung der Steuern dazu verwendet werden müsse, um im Bereich der
Lohnnebenkosten Verbilligungen zu machen. Edlinger in der Pressestunde vom
11.10.1998 (APA0118)
Finanzminister Edlinger am 15.11.1998 in einer Erklärung gegenüber der APA: „Mein Ziel
für eine Steuerreform 2000 heißt nicht im besonderen Entlastung. Ich strebe an:
1. eine steuerliche Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen
2. eine Entlastung des Faktors Arbeit und damit die Sicherung und Schaffung von
Arbeitsplätzen
3. die Entlastung der Dienstgeber von Sozialversicherungsbeiträgen bei kleineren und
mittleren Einkommen
4. erste Schritte in Richtung Ökologisierung des Steuersystem
5. eine gerechtere Besteuerung von Kapital“
(APA0173)
Entsprechend der von Finanzminister Edlinger formulierten Aufträge kommt die
Steuerreformkommission in ihrem Bericht zu folgender wesentlichen Schlußfolgerung:
„Ein Vergleich der Steuerstrukturen der wichtigsten Industriestaaten zeigt, daß
Österreich bei den
lohnsummenabhängigen Abgaben deutlich an der Spitze liegt. Der
Anteil dieser Steuern beträgt gegenwärtig 2,8% des BIP und ist damit um fast 2,5
Prozentpunkte höher als der Durchschnitt der EU - Länder. Diese Steuern wirken
unmittelbar auf die Arbeitskosten und damit auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Es ist eine weit verbreitete Auffassung in Europa, diese Steuern abzubauen und die
Arbeitskosten zu entlasten, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Beschäftigung
zu stimulieren. Dies vor dem Hintergrund eines Berichtes des Wirtschafts - und
Sozialausschusses des Europäischen Parlaments, wonach zwischen 1980 und 1996 die
kalkulatorische steuerliche Belastung des Faktors Arbeit im europäischen Durchschnitt
von 34,9% auf 42,60,0 gestiegen ist, während sie bei den übrigen Produktionsfaktoren
(Kapital, selbständige Arbeit. Energie, natürliche Ressourcen) von 42,1 % auf 35,6%
gesunken ist. Auch für Österreich ist eine Lösung in diesem Bereich aufgrund seiner
Steuerstruktur besonders dringend. Daher ist auch die Entlastung der Steuern auf
Arbeitskosten und damit der lohnsummenabhängigen Abgaben ein Schwerpunkt der
Steuerreform 2000. (Bericht der Steuerreformkommission an den Bundesminister für
Finanzen Edlinger, S.10/11, November 1998)
Im „Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung“, der im April letzten Jahres an die EU -
Kommission übermittelt wurde, wird unter dem Titel „Reduktion der Steuer - und
Abgabenbelastung auf den Faktor Arbeit“ C - eine wesentliche Vorgabe von Seiten der EU)
festgehalten, daß der implizite Steuersatz auf unselbständige Arbeit in Österreich
44,5%, in der EU durchschnittlich 42,1% beträgt. Die Arbeitskosten werden in
Österreich zu 24,8% durch die indirekten Kosten bestimmt, in der EU liegt dieser Wert
bei 22,9% Als nationales Ziel wird eine steuerrechtliche und abgabenrechtliche
Entlastung des Faktors Arbeit bei Aufrechterhaltung des sozialen Schutzniveaus
angestrebt. Für die Steuerreform 2000 wird konkret die steuerliche Entlastung des
Faktors Arbeit sowie Maßnahmen im Bereich der Ressourcen - und Ökosteuern in
Aussicht gestellt.
Nun liegt das von der Bundesregierung ausverhandelte Steuerpaket vor, das die
Antworten auf die wesentlichen steuerpolitischen Herausforderungen schuldig bleibt,
nämlich:
1) Ökologisierung auch im Interesse der uns nachfolgenden Generationen,
2) Verschiebung der Steuerlast von Arbeit zu Energie, Kapital und Vermögen im Sinne
einer tatsächlichen Verteilungsgerechtigkeit,
3) internationale Harmonisierung.
Dieses Steuerpaket wird nicht einmal den von der Bundesregierung selbst formulierten
Zielsetzungen gerecht und verdient deshalb
den Titel Reform nicht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie beurteilen Sie die nun vereinbarten Steuerkorrekturmaßnahmen gemessen an
Ihren eigenen ambitionierten Ankündigungen und Vorgaben?
a) in Hinblick auf die Ökologisierung des Steuersystems?
b) in Hinblick auf die zugesagte steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit?
c) in Hinblick auf eine Verschiebung der Steuerlast von der Arbeit zum Kapital?
d) in Hinblick auf die versprochene Steuervereinfachung?
2. Sind Sie der Ansicht, daß das nun vorgelegte Papier zur „Steuerreform“ den
Ergebnissen der jahrelangen Arbeit der Steuerreformkommission entspricht?
3. Der Präsident der Arbeiterkammer Tumpel meinte in einer Aussendung vom
17.3.1999 zu Recht: „Wenn sich die Steuerreform wirklich Reform nennen wolle,
müsse sie auch strukturelle Änderungen bringen, die beschäftigungswirksam
werden. Dringend sei die Entlastung der Arbeit von Abgaben. Vorschläge dazu
liegen auf dem Tisch, alle haben sich dazu bekannt, daher muß das auch
Bestandteil der Steuerreform werden.“(Pressedienst der AK, PAK 71, 17.3.1999)
Warum haben Sie diese grundsätzlich richtige Forderung von Präsident Tumpel
nicht erfüllt?
4. Der Anteil der lohnsummenabhängigen Abgaben beträgt gegenwärtig 2,8% des BIP
und ist damit um fast 2,5 Prozentpunkte höher als der Durchschnitt der EU - Länder.
Daran werden die vorgeschlagenen Maßnahmen nichts ändern.
Meinen Sie nicht, daß sich Österreich mit dieser steuerlichen Belastung der
Arbeitskraft schon längst außerhalb des vielbemühten europäischen Gleichklangs
bewegt?
5. Durch welche steuerlichen Maßnahmen werden Sie den Vorgaben der EU nach
Reduktion der Steuer - und Abgabenbelastung auf den Faktor Arbeit im Rahmen des
Nationalen
Beschäftigungsplans nachkommen?
6. Wie begründen Sie den sozialen Bedarf einer jährlichen Steuerentlastung bei
Bruttomonatseinkommen von S 100.000,- im Ausmaß von S 7000,--, während
Monatseinkommen von S 1 5.000,-- mit nur S 4075,-- entlastet werden und für die
längst notwendige Erhöhung des Karenzgeldes offenbar keine finanziellen Mittel zur
Verfügung stehen?
7. Wie hoch ist die steuerliche Entlastung bei einem Ministergehalt, verglichen mit der
Entlastung bei einem Einkommen von S 20.000,-- monatlich, und wie begründen
Sie die Differenz?
8. Seit der Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1994 ist Österreich bei der
Vermögensbesteuerung endgültig Schlußlicht unter den OECD - Staaten geworden.
Nach Schätzungen der Arbeiterkammer Wien ist das private Vermögen der
Haushalte mit rund 6.000 Milliarden Schilling etwa doppelt so hoch wie das
Bruttoinlandsprodukt.
Halten Sie es für verteilungspolitisch vertretbar, daß Österreich mit dem nun
vorgelegten Steuerpaket an der Schlußlichtposition innerhalb der OECD festhält?
9. In Zusammenhang mit der Abschaffung der Vermögenssteuer meinte der
Vorsitzende des Finanzausschusses Prof. Nowotny am 13.9.1993 in der „Presse
Es ist für uns völlig klar, daß im Parlament die Steuerreform nicht beschlossen
werden kann ohne eine politisch verbindliche Erklärung was mit der Erbschaftssteuer
geschieht.“
Hat sich die SPÖ von dieser Forderung nun endgültig verabschiedet?
10. Die Ergebnisse der Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung
„Makroökonomische und sektorale Auswirkungen einer umweltorientierten
Energiebesteuerung in Österreich“ (1995) bestätigen, daß die Einführung einer
Energiebesteuerung bei sorgsam ausgestalteten Kompensationsmaßnahmen auch
bei einem nationalen Alleingang sinnvoll ist und darüber hinaus 11.000 bis 34.000
neue Arbeitsplätze schaffen kann.
a) Warum wurden die Vorschläge der Steuerreformkommission zum Thema
aufkommensneutrale Energiesteuer nicht aufgegriffen und damit die Chance auf
eine echte Strukturreform vertan?
b) Wie läßt sich die Verweigerung der Einführung einer aufkommensneutralen
Energiesteuer mit der im Koalitionsübereinkommen zwischen ÖVP und SPÖ
festgehaltenen Bekenntnis vereinbaren, daß „Umweltpolitik an der
Schwelle zum
nächsten Jahrtausend im Sinne einer ökologischen Strukturoffensive gestaltet
werden muß, wobei auf höchstmögliche beschäftigungspolitische Effekte zu
achten ist“?
11. Die Börsenumsatzsteuer bewirkt eine geringfügige Behinderung kurzfristiger
Finanzspekulationen.
Wie begründen Sie die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer in Zusammenhang mit
den internationalen Bestrebungen einer effizienteren Regulierung der Finanzmärkte?
12. Die Steuerreformkommission hat eine Totalreform des Gebührenrechts
vorgeschlagen: „Die Kommission räumt dem Ziel der gänzlichen Abschaffung des
Gebührengesetzes (...) absoluten Vorrang ein.“ (Bericht der
Steuerreformkommission, S. 83) - warum finden sich dazu keine Vorschläge in dem
vorgelegten Steuerpaket?
13. Das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung geht davon aus, daß das
Budgetdefizit des Gesamtstaates von 1999 (2%) auf 1,7% im Jahr 2000 sinkt;
nicht miteinberechnet sind die nunmehr fixierten 17 Mrd. Schilling Entlastung bei
der Lohn - und Einkommensteuer, sowie die von Ihnen zusätzlich genannten 2,5
Mrd. Schilling sonstiger Steuerentlastungen.
Die OECD geht im Economic Outlook vom Dezember 1998 von einem Defizit von
2,1% für das Jahr 2000 aus; die Steuerreform nicht miteinberechnet.
Das WIFO hat in seiner Dezemberprognose das Maastricht - Defizit für 2000
Inklusive einer Steuerreform - allerdings nur im Ausmaß von 10 Mrd. Schilling - mit
2,3% festgelegt. Inzwischen scheinen rund 3% durchaus realistisch - d.h., ein
Konsolidierungsbedarf von mindestens 40 Mrd. Schilling zeichnet sich ab, wenn die
Bundesregierung ihr eigenes Stabilitätsprogramm einhalten will.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Steuerpaket tatsächlich auf die Entwicklung
des Budgetdefizits des Bundes und des Staates insgesamt auswirken?
14. Welche konkreten Vorschläge zur Gegenfinanzierung des
Steueraufkommensentfalls liegen vor?
15. Eine alte politische Regel besagt: „Sei großzügig vor den Wahlen und grausam
unmittelbar nach den Wahlen!“ Befolgen Sie diese Regel?
Welche Garantien können Sie abgeben, daß im Jahr 2000 nicht die Grausamkeit III
droht und worin
begründet sich Ihr Optimismus?
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf
§ 93 Abs. 1 GOG verlangt.