6020/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Brauneder, Dr. Grollitsch und Kollegen
an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten
betreffend gesetzliche Verankerung der deutschen Rechtschreibreform.
Die Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung mit 1. August 1998 beruht auf einer
politischen Absichtserklärung der bundesdeutschen Kultusminister, der österreichischen
Unterrichtsministerin und anderer Repräsentanten des deutschen Sprachraumes; sie ist -
zumindest in Österreich - gesetzlich nicht verankert. Nach dem im Art 18 B-VG festgelegten
"Legalitätsprinzip" darf die „gesamte staatliche Verwaltung... nur aufgrund der Gesetze
ausgeübt werden“. Die Rechtsverbindlichkeit des neuen Regelwerkes im Bereich der
staatlichen Verwaltung beruht aber ausschließlich auf Verordnungen einzelner Ministerien in
und für deren Wirkungsbereich. Es erhebt sich somit die Frage, welches Gesetz mit diesen
Verordnungen vollzogen werden soll.
Die neue Rechtschreibung ist zudem höchst umstritten - die angesehene Deutsche Akademie
für Sprache und Dichtung in Darmstadt etwa ortet „unnötige Widersprüchlichkeiten“ und
„evidente Dummheiten“ im neuen Regelwerk. Es gibt, je nach Verlag, verschiedene
Auslegungen des Reformwerkes. Entsprechend groß ist die Verunsicherung nicht nur
innerhalb der Bevölkerung, sondern auch unter Lehrenden und Lernenden der deutschen
Sprache im Ausland. Die mangelnde Akzeptanz und der Widerstand sind so groß, daß in
einigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland - z.B. in Schleswig Holstein - erfolgreiche
Volksentscheide die Reform außer Kraft gesetzt haben.
Die deutsche Sprache ist in Österreich nach Art 8 B-VG verfassungsrechtlich bundesweit als
Staatssprache und somit als Amtssprache festgelegt. Aufgrund der zitierten
Auslegungsunterschiede herrscht seit der Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung
Unklarheit bzw. keine Einigung darüber, was denn nun die deutsche Sprache sei. Der Vollzug
des neuen Regelwerkes ist somit nicht gleichbedeutend mit der deutschen Sprache, so daß die
Frage im Raum steht, ob die entsprechenden Verordnungen verfassungskonform sind gemäß
Art 8 B-VG.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für auswärtige
Angelegenheiten folgende
Anfrage
1. Gibt es Verordnungen zur rechtsverbindlichen Einführung der neuen Rechtschreibung?
Wenn ja, welche?
2. Welches Gesetz wird gemäß Art. 18 B - VG ("Legalitätsprinzip") durch diese vollzogen?
3. Was bedeutet „deutsche
Sprache“ im Sinne des Art. 8 B - VG?
4. Ist „deutsche Sprache“ im Sinne des Art. 8 B - VG mit der neuen Rechtschreibung
vereinbar?
5. Sehen Sie im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung der Rechtschreibreform per
Verordnung für den amtlichen Verkehr eine Mißachtung des „Legalitätsprinzips“ im Sinne
des Art 18 B - VG?
Wenn ja, gedenken Sie diesen rechtswidrigen Zustand zu beenden?
Wenn nein, welche Rechtsmeinung vertreten Sie?
6. Läßt sich das neue Regelwerk mit der "in der Sprachgemeinschaft gewachsenen und von
der Bevölkerung allgemein anerkannten traditionellen Rechtschreibung“ vereinbaren?
Wenn ja, inwiefern?
7. Es gibt, je nach Verlag, verschiedene Auslegungen des Reformwerkes.
Welche Auslegung durch welchen Verlag ist für den amtlichen Verkehr rechtsverbindlich?
8. Sind Sie bereit, die Rechtschreibreform gesetzlich zu verankern?
Wenn ja, mit oder ohne Berücksichtigung der umfassenden Kritik am Regelwerk?
Wenn nein, warum nicht?
9. Gibt es statistische Untersuchungen über die Akzeptanz der neuen Rechtschreibreform
innerhalb der österreichischen Bevölkerung?
Wenn ja, wie sind sie ausgefallen?
10. Sind Ihrem Ressort schriftliche oder mündliche Beschwerden betreffend die Anwendung
der Rechtschreibreform im amtlichen Schriftverkehr bekannt?
Wenn ja, welchen Inhalt haben sie?
11. Ist Ihnen die Kritik der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt an
„unnötigen Widersprüchlichkeiten“ und „evidenten Dummheiten“ der Rechtschreibreform
bekannt?
Wenn ja, wie stehen Sie zu diesen?
12. Besagte Akademie für Sprache und Dichtung spricht auch von „brauchbaren Ansätzen“ in
der neuen Rechtschreibung.
Sind Sie bereit, mit den Kritikern und Experten in einen konstruktiven Dialog zu treten
und eine neuerliche Diskussion über sinnvolle Änderungen bzw. Adaptionen zu führen?
Wenn ja, mit wem und in welcher Weise?
Wenn nein, warum nicht?
13. Sind Sie bereit, vor einer gesetzlichen Verankerung der Rechtschreibreform solche
Änderungen bzw. Anpassungen zu berücksichtigen?