6217/J XX.GP

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

der Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend den Tod des Flüchtlings Marcus Omofuma

 

 

 

Das Komitee zur Vermeidung von Folter und unmenschlicher Behandlung hat in seinem

Bericht vom 28.3.1995 festgestellt, dass „angesichts aller vorliegenden Informationen

(...) die von der Polizei festgenommenen Personen ernsthaft Gefahr laufen, misshandelt

zu werden. Diese Schlussfolgerung gilt insbesonders für Gefangene, die Gegenstand

von Ermittlungen von Beamten des Wiener Sicherheitsbüros sind.“

 

Aufgrund der zuletzt bekannt gewordenen Ereignisse muss diese Schlussfolgerung

dahingehend ergänzt werden, dass insbesondere Flüchtlinge auf dem Schubtransport

mit Klebefolter, die auch zum Tod führen kann, rechnen müssen.

 

Marcus Omofuma versuchte sich insbesondere aus Angst vor Verfolgung in seinem

Heimatland der Abschiebung zu widersetzen. Die Beamten der Sicherheitspolizei

legten ihm daher an Händen und Füßen einen Klettverschluss an und klebten den Mund

mit einem Leukoplast (rund um den Hinterkopf) zu. Er wurde dann noch mittels eines

Klebebandes im Brustbereich um den Flugzeugsitz fixiert. (Siehe News vom 6.5.1999

und andere Medien). Laut Aussage des Cheffunkers der Balkan - Air habe sich Marcus

Omofuma wild bewegt und immer wieder verzweifelt nach Luft geschnappt. Er habe

daher die Beamten aufgefordert, den Leukoplast am Kopf zu entfernen. Die Beamten

haben jedoch lediglich den Puls gefühlt und festgestellt, dass alles in Ordnung sei.

Schließlich wurde Marcus Omofuma immer ruhiger, fiel in einen ohnmachtsähnlichen

Zustand und starb. Der Flughafenarzt konnte nur mehr den Tod feststellen. (Siehe News

vom 6.5.1999) Offenbar haben die drei Beamten den Todeskampf des Marcus

Omofuma mit körperlicher Aktivität verwechselt. So der Wiener Polizeipräsident Dr.

Peter Stiedl laut Salzburger Nachrichten vom 5.5.1999. Im von der Krone am 5.5.1999

und vom News am 6.5.1999 zitierten Polizeibericht ist keine Rede davon, dass Marcus

Omofuma die Beamten gebissen habe.

.   „Zu der umstrittenen Knebelung mit dem Leukoplast wird im Polizeibericht

    angegeben: Die Vorgangsweise wurde in letzter Zeit immer wieder erfolgreich

    angewendet bzw. von der Flugzeug - Crew ausdrücklich gewünscht.

    Selbstverständlich wurde penibelst darauf Bedacht genommen, dass die

    Nasenlöcher während der gesamten Flugdauer eindeutig frei waren, sodass ein

    problemloses Atmen möglich war.“ (Krone vom 5.5.1999)

 

•   „Die Leukoplast - Knebel kamen bisher ausschließlich bei Schwarzafrikanern zum

    Einsatz. Stortecky: ‚Wir hatten im Vorjahr neun Nigerianer zur Abschiebung, und

    alle neun haben sich massiv gewehrt.‘ Bei den restlichen 1.120 Asylanten, die per

    Flugzeug ausgewiesen wurden, war dieses Mittel nicht notwendig.“ (News vom

    6.5.1999, Seite 11)

 

•   „Abteilungsleiter Wilfried Kovarnik, dem auch die Wiener Fremdenpolizei

    unterstellt ist, hält die Verwendung von Klebebändern als ‚gelinderes Mittel‘ im

    Sinne des Waffengebrauchgesetzes für gerechtfertigt.“ (Standard vom 5.5.1999)

 

•   „Die drei Beamten haben gegen keine österreichische Gesetze verstoßen. ... eine

    unübliche Maßnahme, die nur ganz selten angewendet wird.“ (Generaldirektor für

    öffentliche Sicherheit im ORF - Interview für Zeit im Bild am 2.5.1999)

 

•   „Die Beamten hätten eigenständig entschieden, als sie dem Mann den Mund

    verklebten. Sika räumte aber ein, das eine solche Maßnahme bereits mehrmals

    angewandt wurde.“ (Standard vom 4.5.1999)

 

•   „Weniger überrascht schien der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Michael

    Sika. Selten, aber doch immer wieder, wehrten sich abgewiesene Asylwerber

    derart gegen ihre Abschiebung, dass den Beamten gar nichts anderes übrig bliebe,

    als sie zu fesseln und zu knebeln. Vor allem mit Schwarzafrikanern gäbe es

    Probleme.“ (Salzburger Nachrichen vom 4.5.1999)

 

•   „‚Dieses Klebeband ist seit Jahren verwendet worden.‘ Diese Aussage stammt von

    Josef Kleindienst. Der Polizist und freiheitliche Gewerkschafter erklärte im

    Gespräch mit der Presse, dass der Fall des Nigerianers Marcus Omofuma kein

    Ausnahmefall war.“ (Presse vom 5.5.1999)

 

•   In einer Pressekonferenz am 1.10.1998 machte SOS Mitmensch Oberösterreich

    auf diese Foltermethoden aufmerksam: „Um 15.00 Uhr, etwa auf der Höhe von

    Tunis am Flug nach Accra verlangt A.P. die Toilette zu besuchen. Die Verrichtung

    der großen Notdurft wurde ihm verweigert (keine Abnahme der Fesselung, Gefahr

    der Verschmutzung). A.P. trat trotz Hand -  und Fußfesselung gegen die Vordersitze;

    er wurde daraufhin am Sitzgestell fixiert. Als A.P. sich durch Schreie zur Wehr

    setzt, wird ihm der Mund mit Leukoplast verklebt, obwohl die Lippe durch einen

    Schlag bereits blutete.“

 

•   Auch Innenminister Dr. Franz Löschnak rechtfertigt in der Anfragebeantwortung

    (4790/AB zu 4861/J) im Jahre 1993 das Verwenden von Klebebändern zum

    Verschließen des Mundes mit der Verletzungsgefahr für den Fremden sowie das

    Sicherheitsorgan.

Gemäß Art 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darf niemand der Folter oder

unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Das

Fesseln und Knebeln von Schubhäftlingen, wie es in den letzten Jahren immer wieder

praktiziert wurde, ist organisierte Klebefolter.

 

Der Innenminister beteuerte in den letzten Tagen immer wieder von den

Misshandlungen auf dem Schubtransport nichts gewusst zu haben. Er fühle sich keiner

persönlichen Schuld bewusst. Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Innenminister

zumindest ein „Organisationsverschulden“ anzulasten ist. Der Innenminister hat für das

Funktionieren seiner Organe und ihr rechtmäßiges Handeln zu sorgen.

 

Dem Innenminister kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, sein Ministerium nicht im

Griff zu haben, wenn er behauptet, dass er von diesen Vorgängen nichts gewusst habe.

Er ist offensichtlich nur mehr Erfüllungsgehilfe von mächtigen Beamten. Wer diesen

Beamten zuwider handelt und an den bestehenden Strukturen kratzt, wird abgesetzt.

Überlebenschance hat offensichtlich nur ein willfähriger Minister, als der sich

inzwischen Karl Schlögl erweist. Die Zeitungsberichte belegen, dass es sich bei dem

Tod von Marcus Omofuma nicht um einen tragischen Einzelfall handelt. Fesseln und

Knebeln war offensichtlich gängige Praxis, von der nur der Minister nichts wusste.

Verletzungen im Zuge der Misshandlungen werden in Kauf genommen und mit

"Widerstand gegen Staatsgewalt" gerechtfertigt.

 

So besteht auch kein Bedürfnis an einer wirklichen Aufklärung polizeilicher Übergriffe.

Rechtswidriges Verhalten wird bis in die höchste Ebene gedeckt. Der Minister wird nur

halb oder gar nicht informiert. Zeugen und Betroffene werden mit Anzeigen wegen

Widerstand gegen die Staatsgewalt bzw Verleumdung mundtot gemacht. Die Justiz

spielt in der Regel mit.

 

Aber selbst bei einer strafrechtlichen Verurteilung ist durch das bestehende

Disziplinarrecht sichergestellt, dass den Beamten nichts passiert; allenfalls müssen sie

mit einer kurzfristigen Versetzung in den Innendienst rechnen. Eine (auch nur

vorübergehende) Suspendierung wegen Misshandlungen kommt so gut wie nicht vor.

Der gegenwärtige Fall belegt dies deutlich. Hingegen müssen die Betroffenen und

Zeugen mit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Widerstand gegen die

Staatsgewalt bzw Verleumdung rechnen. Diese Praxis hat dazu geführt, dass die

Polizeiübergriffe in den letzten Jahren nicht abgenommen, sondern kontinuierlich

zugenommen haben. Insbesondere Personen schwarzer Hautfarbe waren in Wien in

letzter Zeit mehrmals Opfer von Polizeiübergriffen, wie die folgenden Fälle belegen:

 

                April 1997

                Frau V. J. und ihr Mann N. beide Roma werden in ihrer Wohnung durch Polizeibeamte

                geschlagen, die gekommen waren, um Herrn J. zu verhaften. Die Beamten fangen sie zu

                schlagen an, als sie die Beamten fragte, was ihr Mann getan hätte. Beide werden rassistisch

                beschimpft und gefragt, wann sie denn "endlich“ nach Hause fahren würden (das Ehepaar

                lebt seit 16 Jahren in Österreich). Die ärztliche Untersuchung ergibt bei ihr Blutergüsse an

                beiden Ellenbogen, dem linken Handgelenk, der rechten Hand, dem rechten Schenkel, der

                linken Fessel, sowie Schwellungen an Kopf, Oberkiefer und Oberlippe. Die Frau wird

                schließlich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt.

                Juli 1997

                Herr B. - österreichischer Staatsbürger afrikanischer Herkunft - wird im Wiener AKH wegen

                Knochentuberkulose Stationär behandelt. Er verläßt das Spital nur für ein paar Stunden, um

                dringende Einkäufe zu erledigen und fährt mit der U - Bahnlinie 6. Er passiert ohne Probleme

                eine Polizei - Kontrolle in der U6 - Station AKH, doch an der U6 - Station Thalia - Straße begegnet

                er der nächsten. Die Beamten vermuten einen Drogendealer. Die AKH - Papiere lassen sie

                kalt. Er protestiert und wird beschimpft, geschlagen, und schließlich verhaftet. Es werden ihm

                Handfesseln angelegt; er wird wegen Erregung ungebührlichen Lärms angezeigt; Herr B.

                schrie, da ihm u.a. die Handfesseln sehr starke Schmerzen wegen seiner schweren

                Knochenerkrankung bereiteten

 

                Winter 1997

                Herr R. - österreichischer Staatsbürger aus Tunesien - wird vor dem Generali - Center von zwei

                Beamten perlustriert. Nach Überprüfung seiner Papiere wird von ihm verlangt, daß er die

                Hose auszieht. Er weigert sich, wird beschimpft und beleidigt, zwei vorbeikommende

                Freunde, die fragen, was los ist, werden ebenfalls festgenommen. Sie werden ins

                Kommissariat gebracht, müssen sich ausziehen, werden rassistisch beschimpft und beleidigt.

                Nach mehreren Stunden dürfen sie unter Drohungen gehen. Doch es bleibt nicht bei diesem

                einen Mal. Herr R. wandte sich im April 1997 an die Grünen mit der Bitte um Rat und

                Unterstützung, da er alle paar Wochen perlustriert wurde und im Kommissariat landete. Er

                klagte über die unmenschliche Behandlung, da er offenbar allein aufgrund des Aussehens als

                Drogendealer gelte.

 

                Anfang 1998

                D. A. - Professor an einem Wiener Gymnasium; österreichischer Staatsbürger - wird auf einer

                Fahrt zum Westbahnhof von sieben Cobra - Beamten angehalten. Er zeigt seinen

                österreichischen Paß; sie verlangen nach seinem alten Paß. Er hat ihn (selbstverständlich)

                nicht mehr und möchte deren Dienstnummern wissen. Daraufhin wird er rassistisch be -

                schimpft und beleidigt, er wird verhaftet und zur Polizeistation zwecks Überprüfung seiner

                Daten geführt. Ein Beamter sagt zu ihm, er solle "kuschen", und er könne mit ihm "ohnehin

                alles machen, was ich will". Er wird wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt.

 

                März 1998

                Herr K. A. P. - Diplomat aus dem Sudan - wurde im Rahmen einer Identitätsüberprüfung im

                Stadtzentrum ins Kommissariat gebracht. Dort wurde er von Beamten mit Fäusten ins Gesicht

                geschlagen und an seiner Krawatte in einen Raum gezerrt. Er mußte sich entkleiden. Man

                verweigerte ihm einen Anruf an die Botschaft Sudans. Als er daraufhin das Kommissariat

                verlassen wollte, um ein öffentliches Telefon zu finden, wurde er von mehreren Beamten

                zurückgeschleppt und dabei an Rücken und Armen mehrmals geschlagen. Die ärztliche

                Untersuchung ergab Blutergüsse an der rechten Schulter sowie Blutergüsse und einen "Cut"

                an der Unterlippe.

 

                März 1998

                Ein Fahrradbote - bulgarischer Staatsbürger, Psychologiestudent - fährt bei Rot über die

                Kreuzung und wird mit ÖS 500, bestraft. Da er lediglich seinen Studenten(Lichtbild)ausweis

                bei sich hat, wird er festgenommen und aufs Kommissariat gebracht. Man beanstandet unter

                anderem die mangelnde Funktion seiner Fahrradglocke, er wird beschimpft, beleidigt und

                bekommt einen Tritt gegen das Schienbein. Beim Verlassen des Kommissariats stellt er fest,

                daß der Reifen seines Rads aufgeschlitzt wurde. Er kehrt zurück, möchte Anzeige erstatten,

                doch sie wird nicht entgegengenommen. Er besteht darauf und wird schließlich in eine Zelle

                eingesperrt. Er muß sich völlig entkleiden, derselbe Beamte möchte ihm auch Brille und

                Ohrring abnehmen. Er weigert sich; es kommt zu einem Handgemenge; man legt ihm

                Handfesseln an und sperrt ihn für mehrere Stunden in die Gummizelle ein.

 

                Sommer 1998

                Herr G. - Taxifahrer; ägyptischer Staatsbürger - "schneidet" mit seinem Wagen einen

                Polizisten, der gerade eine private Fahrt unternimmt. Der Beamte stellt ihn, schlägt ihn mit

                den Fäusten ins Gesicht und beschimpft ihn. Herr G. glaubt ihm nicht, daß er Polizist ist und

                wehrt sich. Daraufhin setzt ihm der Beamte vor Zeugen eine Glock - Pistole an den Kopf mit

                den Worten "Wenn Du das noch einmal machst, brenn‘ ich Dir eine auf, Du Sautschusch!“

                Anschließend zeigt er Herrn G. wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt an.

 

                Juli 1998

                Drei Fremdenpolizisten besuchen nach einem "anonymen Hinweis" das chinesische

                Restaurant "Schöne Perle". Dort, so die Beamten, wollten sie die Ausweise des Personals

                kontrollieren. Frau H., die Besitzerin des Lokals zeigt ihren österreichischen Paß, die

                Schwester ihren chinesischen. Da die Beamten annahmen, daß der Paß gefälscht war - was

                sich später als Irrtum herausstellte - wurde die Chinesin festgenommen. Die Amtshandlung

                eskalierte, als der Koch, der keinen Ausweis bei sich hatte, in die Küche ging. Die

                Chinesinnen gaben an, von den Beamten mißhandelt worden zu sein: Faustschläge und

                Fußtritte hinterließen Verletzungen, die im Wiener AKH bestätigt wurden.

 

                Die beiden Chinesinnen und der Koch wurden wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt

                angeklagt. Im Dezember wurden die Chinesinnen schließlich verurteilt: Sieben und drei

                Monate Haft bedingt. Richterin Klothilde Eckbrecht läßt keinen Zweifel, wer ihr Vertrauen

                hat - die Polizisten. Gegen die Beamten wird kein Verfahren eingeleitet.

 

                November 1998

                Das wohl prominenteste Opfer in diesem Jahres: Dr. C. - österreichischer Staatsbürger

                afrikanischer Herkunft - wird nach einem Verkehrsvergehen von mehreren Polizisten

                beschimpft und derart geschlagen, daß er neun (!)Tage im Spital behandelt werden muß. Die

                behandelnden Ärzte stellen Gehirnerschütterung, Genitalprellungen u.v.m fest. Die

                amtshandelnden Beamten begründen den Übergriff damit, daß er sich gewehrt, gebissen und

                gespuckt hätte. Der Fall wird noch untersucht, die Beamten versehen weiterhin ihren Dienst.

 

                19. Jänner 1999

                Im Zuge der Festnahme kam der Schwarzafrikaner A. F. unter ungeklärten Umständen zu

                Tode. Die Beamten der niederösterreichischen Kriminalabteilung geben an, der Mann habe

                bei der Festnahme massiven Widerstand geleistet und versucht das im Mund versteckte

                Suchtgift zu verschlucken.

 

                Zeugen der Amtshandlung geben an, der am Boden liegende Mann sei von mehreren

                Beamten mißhandelt worden. Gegen die Beamten der Polizei wurden keine Erhebungen

                durchgeführt. Für die Polizei ist der Fall abgeschlossen.

 

                3. März 1999

                Der Schwarzafrikaner Mohammed S. wird von Beamten der Wiener Polizei angehalten und

                in einen Raum der Wiener Linien in der U - Bahnstation Schottentor gebracht. Dort, so die

                Beamten, leistete der Schwarzafrikaner massiven Widerstand, verletzte sich und die

                Beamten.

 

                Fünf Zeugen der Amtshandlung geben unabhängig voneinander an, der Schwarzafrikaner sei

                von den Beamten beschimpft und mißhandelt werden. Auszug aus einem der

                Gedächtnisprotokolle: „‚...Am Boden in seitlicher Lage der Schwarze, sein Hinterkopf, den er

                zu heben versucht, ist in meine Richtung gewandt, der große stämmige Polizist, auf ihm

                kniend und sitzend, ihm die Hände haltend und ihn niederringend schreit: „du dreckige

                Negersau, di mach i fertig‘, währendessen hatte er Unterstützung von seinem kleineren

                Kollegen, der auf den direkt vor ihm liegenden Schwarzen mit einem Gummiknüppel auf

                dessen Gesicht, das ihm zugewandt ist, und Kopf eindrischt, mit den Schuhen auf seinen

                Körper einstößt und dem Verhafteten ins Gesicht steigt...“‘

                Fazit der Amtshandlung: eine gebrochene Fensterscheibe und ein schwer verletzter

                Schwarzafrikaner, der ins Lorenz Böhler Krankenhaus eingeliefert werden muß.

 

                Alle fünf Zeugen werden wegen Verleumdung angeklagt.

 

Dem Minister ist aber nicht nur vorzuwerfen diese Praxis in Kauf genommen zu haben,

ihm muß angelastet werden selbst Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung

insbesondere von BürgerInnen schwarzafrikanischer Herkunft gefördert zu haben, wie

folgende Beispiele belegen.

 

Wesentlich dazu beigetragen hat offensichtlich, dass in Graz 1038 Schwarzafrikaner

leben.“ Solche Aussagen eines Innenministers zu dem Wahlergebnis der SPÖ in Graz

(Kleine Zeitung vom 30.1.1998), wonach die Zuwanderung von Schwarzafrikanern

auch als eine der Ursachen für die Wahlniederlage herhalten mußte, tragen eher zur

Verunsicherung der Bevölkerung bei, als die 1038 Schwarzen bei mehr als 300.000

Eniwohnern (in den meisten Fußballmannschaften der Bundesliga ist der Anteil der

Schwarzen größer).

 

Die zuletzt veröffentlichten Papiere des Innenministeriums (Strategiepapier zur

Migrations -  und Flüchtlingspolitik im Rahmen der EU - Ratspräsidentschaft oder der letzte

Änderungsvorschlag zum Asylgesetz von Sektionschef Manfred Matzka) belegen in

erschreckender Weise, dass vom Innenministerium MigrantInnen und Flüchtlinge als

Feinde und Bedrohung des Staates angesehen werden und so ein Klima der Ablehnung

geschaffen wird, wobei positive Aktivitäten zugunsten der Betroffenen eher die

Ausnahme bilden. So ist es auch heute noch keine Ausnahme, dass Personen während

des laufenden Asylverfahrens abgeschoben werden. Häufig kommt es vor Einbringung

einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zum Wettlauf mit den Behörden um

eine aufschiebende Wirkung, bevor die Abschiebung durchgeführt wird. Dass Marcus

Omofuma noch während seiner Stellungnahmefrist abgeschoben wurde, ist leider keine

Ausnahme.

 

Opfer sind aber nicht nur die betroffenen Personen sondern auch die ausführenden

Beamten. Sie werden bei ihrer Tätigkeit kläglich im Stich gelassen. Sie erhalten keine

Anleitung, und sie sind auch nicht dafür ausgebildet worden Flüchtlinge gegen ihren

Willen abzuschieben, sondern Bankräuber und andere Verbrecher festzunehmen und

zu überführen. Sie erhalten keine Unterstüztung und werden mit ihren Problemen

vollkommen allein gelassen. Es gibt auch keine nachgeordnete Kontrolle. Es kümmert

sich von den Vorgesetzten niemand, wie die Beamten ihren Job bewältigen können.

Während sich aber die ausführenden Sicherheitskräfte vor dem Richter verantworten

müssen, bleiben die Verantwortlichen am Schreibtisch, die diese Strukturen stützen,

ungeschoren.

 

Dem Innenminister ist vorzuwerfen, dass er mit seiner Politik diese untragbaren

Strukturen der Polizei, die zu solchen Vorfällen führen, nicht nur nicht bekämpft,

sondern sie sogar gefördert hat. Der Innenminister ist verantwortlich für dieses System.

Wenn er nicht in der Lage ist, diese Strukturen grundlegend zu ändern, bleibt ihm nur

der Rücktritt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1. Wer ist für die Versetzung der Beamten, die Marcus Omofuma auf dem Flug nach

     Sofia begleiteten, in den Innendienst der Fremdenpolizei verantwortlich und

     welche konkreten Aufgaben sind ihnen nun zugewiesen?

2.  Warum sind die drei Beamten nicht vom Dienst suspendiert worden?

 

3.  Wie rechtfertigen Sie die Tatsache, dass diese drei Beamten weiterhin im

      fremdenpolizeilichen Bereich tätig sind?

 

4. Die zuletzt ständig wechselnde Verantwortung der drei begleitenden Beamten

     lässt eine organisierte Verabredung vermuten. Was haben Sie unternommen, um

     die Verabredung zur Verdunkelungsgefahr zu verhindern?

 

5. Erfolgte die Versetzung in den Innendienst, um eine bessere Absprache mit den

     Vorgesetzten, den Spitzenbeamten Ihres Ministeriums, wie Sika, Stiedl, Stortecky

     und Kovarnik, zu gewährleisten?

 

6. Welche und wieviele vergleichbare Fälle sind Ihnen in der Zwischenzeit bekannt

     geworden? Wie lauten die genauen Berichte dieser Vorfälle? Wer hat diese

     Berichte verfasst? Wem wurden diese Berichte vorgelegt?

 

7. In wievielen Fällen wurden Spritzen bzw andere Beruhigungsmittel zwangsweise

     angewandt?

 

8. Seit 1997 fällt Schwechat in die Gerichtszuständigkeit des Landesgerichtes

     Korneuburg. In wievielen Fällen wurde seit diesem Zeitpunkt von Organen der

     Fremdenpolizei Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt im Zuge von

     Abschiebungen erstattet?

 

9. In wievielen Fällen wurden vor 1997 an die Staatsanwaltschaft Wien Anzeigen

     wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt im Zuge von Abschiebungen erstattet?

 

10. Wie lauten die jeweiligen Protokolle dazu? Wie wurden die

       Ruhigstellungshandlungen beschrieben? In wievielen Fällen wurde die

       Verwendung von Klebebänder zum Verschließen des Mundes erwähnt?

 

11. Welcher Tatbestand wird Ihrer Sachverhaltsdarstellung betreffend die

       Abschiebung Marcus Omofuma‘s zugrundegelegt? Wie lautet die

       Sachverhaltsdarstellung konkret?

 

12. Wie lautet die Disziplinaranzeige konkret?

 

13. Wurden die Klebebänder, die die Beamten zum Verkleben des Mundes verwendet

       haben, von den Behörden beschafft? Wenn ja, in welcher Zahl?

 

14. Zu welchem Zweck werden Klebebänder von der Behörde sonst noch verwendet?

 

15. Wieviele Klebebänder wurden in den letzten Jahren angeschafft?

 

16. Zum Wissen über die Knebelpraxis sagten Sie: „Mir haben meine Spitzenbeamten

       Sika und Stiedl versichert, dass sie wie ich nichts davon wussten.“ (News Nr

       18/99) Wie erklären Sie sich, dass GD Sika in den Salzburger Nachrichten vom

       4.5.1999 mit dem Ausspruch zitiert wird, dass bei Abschiebungsproblemen den

       Beamten gar nichts anderes übrig bliebe, als die Abzuschiebenden zu fesseln und

       zu knebeln? Ist das kein eklatanter Widerspruch zur Aussage Ihnen gegenüber?

 

17. Wie erklären Sie, dass der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl Ihnen sagte, von

       der Knebelpraxis so wie Sie nichts gewusst zu haben, dem Format (Nr 19/99)

       hingegen sagte: "Der Beißschutz wird ganz selten angelegt. Das bestreiten wir

       auch nicht.“?

 

18. Wie erklären Sie, dass Ihre Spitzenbeamten Sika und Stiedl von der Knebelpraxis

       nichts gewusst zu haben versichern, während im Bericht der drei Polizisten, die

       Omofuma abschoben, steht: „Diese Vorgangsweise wurde in letzter Zeit immer

       wieder erfolgreich angewendet ..."?

 

19. Ist Ihnen bekannt, dass ein weiterer Spitzenbeamter Ihres Hauses, der Chef der

       Wiener Fremdenpolizei, in „News“ (Nr 18/99) mit dem Satz zitiert wird: „Es ist ein

       ganz normaler Vorgang, dass renitent schreienden Asylanten der Mund mit

       Leukoplast verklebt wird.“?

 

20. „Dieses Klebeband ist seit Jahren verwendet worden“, so Josef Kleindienst, Polizist

       und freiheitlicher Gewerkschafter (Die Presse, 5.5.1999). Sagt J.K. die Unwahrheit?

 

21. Ist Ihnen die - ua im Rechtsinformationssystem des Kanzleramtes dokumentierte -

       Entscheidung des Steirischen Unabhängigen Verwaltungsssenats vom 19.3.1997

       bekannt? Wenn ja, ist auch Ihren Spitzenbeamten - Sika, Stiedl, Stortecky und

       Kovarnik - diese UVS - Entscheidung bekannt? (Siehe Format Nr 19/99)

 

22. Welche Maßnahmen wurden zu welchem Zeitpunkt im Innenministerium

       getroffen, alle betroffenen Beamten von der Entscheidung des Steirischen UVS

       vom 19.3.1997 zu informieren und die Beachtung dieser Entscheidung zu

       gewährleisten?

 

23. Ist Ihnen und Ihren Spitzenbeamten die Anfragebeantwortung 4790/J (vom

       8.7.1993) des Bundesministers für Inneres bekannt?

 

24. Ist Ihnen und Ihren Spitzenbeamten die Anfragebeantwortung 1463/1 (vom

       14.1.1997) des Bundesministers für Inneres bekannt?

 

25. Gab es Erlässe, Weisungen von den Spitzenbeamten aufgrund der Anfragen

       4790/J, und 1463/J betreffend die Verwendung von Klebebändern zum

       Verschließen des Mundes? Wenn ja, wie lauten diese Weisungen? Wenn nein,

       warum nicht?

 

26. Kennen Sie den Bericht an die Österreichische Bundesregierung über den

       Österreichbesuch des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und

       unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 17.3.1995?

       Kennen die Spitzenbeamten des BMI den Bericht?

 

27. Werden Sie von Berichten in den Medien über Misshandlungen durch

       Sicherheitsorgane informiert?

28. War der für Fremdenangelegenheiten zuständige Sektionschef Dr. Manfred Matzka

       über die Fesselung und Knebelung von Schubhäftlingen informiert?

 

29. Die Innenminister Löschnak und Einem sowie die Spitzenbeamten Sika, Stiedl,

       Stortecky und Kovarnik waren über die Verwendung von Klebebändern zur

       Ruhigstellung von Schubhäftlingen informiert. Bleiben Sie dabei, dass Sie als

       einziger von dieser Praxis nichts wussten?

 

30. Wie war es möglich, dass diese Praxis jahrelang zur Anwendung kam, ohne dass

       Sie davon Kenntnis erlangten?

 

31. Wenn es Ihren oben angeführten Spitzenbeamten tatsächlich möglich war, die

       angeführte rechtswidrige Praxis vor Ihnen geheimzuhalten, welche disziplinäre

       Konsequenzen wird dies für die Betroffenen haben?

 

32. Die angeführten Spitzenbeamten haben die Anwendung von Klebefolter und somit

       Folterhandlungen im Sinne des Art 3 EMRK gerechtfertigt. Welche Konsequenzen

       hat dies für die betroffenen Beamten?

 

33. Sollen die drei begleitenden Beamten stellvertretend für alle verantwortlich

       gemacht werden oder werden die Spitzenbeamten Ihres Ministeriums wie Sika,

       Stiedl, Stortecky und Kovarnik mit gleichen Maßstäben gemessen?

 

34. Laut „News“ (Nr 18/99) war schon im Polizeigefängnis vom Amtsarzt festgestellt

       worden, dass Marcus Omofuma an Asthma litt. Ist diese Meldung korrekt? Wenn

       ja, waren die die Abschiebung durchführenden Beamten davon informiert? Hätten

       sie aufgrund des Verfahrens bei Abschiebungen davon informiert sein müssen?

 

35. Haben Sie dafür gesorgt, dass ein unabhängiges Organ mit der regelmäßigen

       Inspektion der Haftbedingungen in den Gefangenenhäusern betraut wird?

 

36. Werden Sie dafür sorgen, dass in Hinkunft vor Ende aller Verfahren (also auch

       außerordentlicher Rechtsmittel) keine Abschiebungen durchgeführt werden?

 

37. Dem Schubhaftsozialdienst wird in Wien eine Besuchszeit von lediglich 7 Stunden

       eingeräumt. Dieser beschränkter Zugang reicht nicht aus um die Betreuungszeiten 

       ordnungsgemäß zu erfüllen. Werden Sie daher dafür sorgen, dass den

       Mitarbeiterinnen der Schuhaftsozialdienste unbeschränkt Zugang zu den

       Schubhäftlingen eingeräumt wird?

 

38. Werden Sie dafür sorgen, dass Personen, die abgeschoben werden sollen,

       ausreichend psychologisch betreut, ärztlich untersucht und rechtlich beraten

       werden?

 

39. Wieso gibt es nach Jahren legaler und illegaler Abschiebepraxis offenbar keine

       ausreichende psychologsiche Schulung (incl Supervision) für die betroffenen

       Beamten, insbesondere in den unteren und mittleren Rängen?

40. In der Vergangenheit wurden (insbesondere in die Türkei) Personen abgeschoben,

       die mit ihrer Verhaftung bei der Ankunft rechnen mussten. Werden Sie dafür

       sorgen, dass Personen nur dann abgeschoben werden, wenn bekannt ist, was mit

       ihnen in ihrem Heimatland passiert?

 

41. Werden sie dafür sorgen, dass Personen die behaupten von Sicherheitsbeamten

       verletzt worden zu sein oder die sich in Polizeigewahrsam befinden über ihren

       Wunsch auch von einem Arzt ihrer Wahl untersucht werden?

 

42. Was haben Sie unternommen, dass bei polizeilichen Übergriffen die betroffenen

       Personen und Zeugen nicht wie auch vom Komitee zur Vermeidung von Folter

       und unmenschlicher Behandlung kritisiert durch Gegenanzeigen wegen

       angeblichen Widerstandes gegen die Staatsgewalt bzw Verleumdung mundtot

       gemacht werden?

 

43. Das derzeitige Disziplinarrecht dient in erster Linie dem Mobbing. Haben Sie

       versucht, dass wie vom Komitee zur Vermeidung von Folter und unmenschlicher

       Behandlung empfohlen, das geltende Disziplinarrecht durch ein eigenes

       Disziplinarrecht für die Exekutive ersetzt wird, sodass die Beamten wegen

       dienstrechtlicher Vergehen auch belangt werden können? Wenn nein, warum

       nicht?

 

44. In letzter Zeit häufen sich die Beschwerden über Übergriffe bzw Diskriminierung

       Personen schwarzer Hautfarbe durch Sicherheitsbeamte insbesondere in Wien.

       Sind Ihnen diese Beschwerden bekannt? Was haben Sie unternommmen, um diese

       Missstände abzustellen?

 

45. Personen, die in Österreich kein Asyl erhalten, aber aus welchen Gründen auch

       immer nicht abgeschoben werden können, werden zwar geduldet, erhalten aber

       keinen legalen Aufenthaltsstatus, dürfen nicht arbeiten und bekommen auch keine

       Unterstützung (wenn nicht von NGOs). Was haben Sie unternommen um diesen

       untragbaren Zustand zu ändern?

 

46. Im Format 19/99 werden Sie mit folgender Aussage zur Abschiebepraxis zitiert:

       „Ja, natürlich soll man sich informieren, aber wahrscheinlich hätte ich nicht

       erfahren, dass es diese Missstände gibt.“ Bitte erklären Sie, was der Innenminister

       der Republik Österreich mit dieser Aussage meint?

 

47. Auf die Frage „Wie kommen Ihre Beamten auf solche Ideen?“ - gemeint ist die

       Knebelpraxis - antworten Sie im Format 19/99: „Sie wurden offensichtlich mit ihrer

       Aufgabe alleingelassen.“ Sind Sie der Ansicht, dass die Spitzenbeamten Ihres

       Hauses, die ihre Untergebenen bei enorm schwierigen Situationen alleinlassen,

       sich ihren Aufgaben gewachsen gezeigt haben?

 

48. Im Format 19/99 werden Sie mit folgender Aussage zitiert: „Manches, was die FPÖ

       zur Lösung der Problematik der Schubhäftlinge gesagt hat, ist richtig.

       Beispielsweise, dass man nicht nur über Linienflüge abschiebt, sondern

       gemeinsam im EU - Verbund in Chartermaschinen.“ Der Generaldirektor Sika hat

       sich inzwischen dagegen ausgesprochen. Welche Position haben Sie zu solchen

       fliegenden Hafträumen?

 

49. Haben Sie ein Interesse daran, dass zur Aufklärung und Untersuchung der

       politischen und behördlichen Verantwortung des Todes von Marcus Omofuma ein

       parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt wird? Wenn nein, warum

       nicht?

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage gemäß § 93 Abs 2

GOG verlangt.