6372/J XX.GP

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Povysil, Dr. Pumberger, Mag. Haupt, Dr. Salzl, Dr. Kurzmann

und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales

 

betreffend: statt unzeitgemäßer Chefarztpflicht bald „Drug Utilization Review“?

 

„Ist die Chefarztpflicht zeitgemäß?" fragte sich eine Expertenrunde bei den Gesundheitsgesprächen

der Wiener Arbeiterkammer. Aus der Sicht vieler Ärzte wären Chefärzte absolut entbehrlich.

 

Viele Patienten ärgert der mit einer chefärztlichen Bewilligung verbundene Zeitaufwand. Deshalb bot

auch die Diskussion der Experten runde ein Für und Wider, ohne eine klare Antwort auf die Frage „Ist

die Chefarztpflicht zeitgemäß?“ zu geben. „Die Chefarztpflicht ist eine Methode, um die Balance

zwischen vorhandenen Mitteln und erforderlichen Ausgaben zu halten und daher unter ökonomischen

Gesichtspunkten zu sehen“, sagte OMR Dr. Helmut Hammer, Medikamentenreferat der

Österreichischen Ärztekammer. „Das Problem damit: Es ist ein Eingriff in die ärztliche

Behandlungstätigkeit, denn laut Ärztegesetz ist die Beziehung Arzt - Patient eine zweiseitige, in die sich

niemand einzumischen hat. Dem Grunde nach steht der Arzt daher der Chefarztpflicht mit einer

gewissen Reserve gegenüber.“ Sein Kollege, Dr. Reinhard Marek, Chefarzt der Wiener

Gebietskrankenkasse, meint, daß „der Kontrollarzt in erster Linie eine Plausibilitätsprüfung der Ver -

schreibung durchführen soll, eine medizinische Prüfung des Leistungsanspruchs im Kontext zur

Zweckmäßigkeit und ökonomischen Grundsätzen.“

 

Es gebe zwar Überlegungen, die Bewilligungsverantwortung zum Teil auf Fachärzte, z.B. die

Dermatologen, zu übertragen. Dies führe aber zu Spannungen innerhalb der Kollegenschaft, gab Marek

zu bedenken. „Das Instrument der Chefarztpflicht ist keine österreichische Besonderheit, man findet das

bis hinüber in die Vereinigten Staaten unter der Bezeichnung prior authorization oder second opinion“,

argumentierte Dr. Josef Probst, Stv. Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungs -

träger. Außerdem beträfe die chefärztliche Bewilligung nur sieben Prozent der Medikamente.

 

Für Versicherte bedeutet der Besuch beim Chefarzt dennoch einen Zeitaufwand, „der für den einzelnen

auch mühevoll sein kann, sei es aus Gebrechlichkeit oder Zeitmangel wegen Erwerbstätigkeit“,

kritisierte Mag. Christa Marischka von der Arbeiterkammer Wien, „Viele Versicherte, die zum Chefarzt

kommen, erwarten, daß sie noch einmal untersucht werden oder wenigstens ein paar Worte mit ihm

wechseln können. Das passiert aber nicht, was der Patient nicht versteht.“ Ihr Kollege Walter Dobner

plädierte für eine Verringerung des bürokratischen Aufwandes, z.B. sollten Bewilligungen telefonisch

oder per Fax durch den verschreibenden Arzt oder die Ordinationshilfe eingeholt werden dürfen.

„Auch die Apotheken könnten das machen“, schlug Dobner vor. „Dadurch käme es zu keiner

Mehrbelastung: Bei gleichbleibender Verschreibungszahl würden die Vorsprachen bei den

Krankenversicherungen zurückgehen.“ „Wir Apotheker bieten jedenfalls unsere Zusammenarbeit an“,

signalisierte Dr. Herbert Cabana, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer. „Aus unserer

Praxis von sieben Millionen Kundengesprächen im Monat wissen wir, daß die Chefarztpflicht für einige

Hunderttausend eine Rolle spielt. Dabei kommt es genau zu den beschriebenen Problemen. Es besteht

enormer Erklärungsbedarf zu den Hintergründen der Chefarztpflicht in der Apotheke. Und sollte der

Apotheker die Chefarztpflicht dennoch einmal übersehen, wird das Heilmittel nicht honoriert.“

 

Ob eine Verteilung des Aufwandes das „Problem Chefarzt“ für Ärzte erträglicher machen würde, wäre

zu diskutieren. Überraschenderweise denkt die Sozialversicherung eher an daran, sie zu ersetzen.

Probst: „Die Perspektive für die Sozialversicherung ist, daß die chefärztliche Bewilligung durchaus

einmal wegfallen und durch nachträgliche Kontrollmechanismen ersetzt werden kann. Hier bietet die

neue Kommunikationstechnologie Möglichkeiten, die in Zukunft verstärkt genutzt werden sollen.“ Die

Sozialversicherung denke bereits über eine Einrichtung namens DUR nach, der Drug Utilization Review.

Damit würden dem Vertragspartner unmittelbar Informationen zur Verfügung stehen, wie im einzelnen

sinnvoll medizinisch und ökonomisch vorgegangen werden kann. Derartige elektronische Installationen

gibt es in den Vereinigten Staaten bereits auf der Apothekenebene, im Experimentalstadium auch

schon bis hinein in die Arztpraxen: Geprüft wird die Zulassung, eventuelle Kontraindikationen bis zur

Frage, ob es sich um die kostengünstigste, gleichwertige Alternative handelt. Eine Idee, die in die von

Hammer gewünschte Richtung geht?

 

„Alles, was die Chefarztpflichtigkeit zurückdrängt, ist aus unserer Sicht wünschenswert“, so der

Medikamentenreferent. „Für uns wäre die freie Beziehung zwischen Vertragsarzt und Patient das Ideal.“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten

an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales

nachstehende

 

ANFRAGE

 

1. Welche Möglichkeiten sieht Ihr Ressorts für eine fernmündliche oder ferntelegraphische

    Plausibilitätsprüfung (medizinische Prüfung des Leistungsanspruches im Kontext der

    Zweckmäßigkeit und ökonomischen Grundsätzen) der Verschreibung seitens des Hauptverbandes

    der Sozialversicherungsträger? Welche Argumente sprechen dagegen und welche dafür?

 

2. Welche Möglichkeiten sieht ihr Ressort die Bewilligungsverantwortung zum Teil auf Fachärzte zu

    übertragen? Welche Einwände bestehen? Welche Argumente sprechen dafür?

 

3. Um welche Medikamentengruppen und Patientengruppen handelt es sich bei den sieben Prozent

    der chefärztlichen bewilligungspflichtigen Medikamente? Welche Altersgruppen der Patientenschaft

    ist am meisten betroffen? Welche Langzeittherapiepräparate sind von diesen bewilligungs -

    pflichtigen Medikamenten betroffen?

 

4. Könnte seitens Ihres Ressorts eine „Second Opinion“ von einem anderen Arzt die

    Bewilligungspflicht im Sinne einer „prior authorization“ überflüssig machen?

 

5. Was spricht konkret gegen eine Bewilligungseinholung durch Arzt, Ordinationshilfe oder Apotheker?

 

6. Welche nachträglichen Kontrollmechanismen kann sich Ihr Ressort vorstellen um die für den

    Patienten lästige Chefarztpflicht zu ersetzen? Wie rasch und in welcher Form gedenken Sie solche

    nachträglichen Kontrollmechanismen einzuführen?

 

7. In wie weit ist das System „Drug Utilization Review“ (DUR) bereits beim Hauptverband der

    Sozialversicherungsträger in Erprobung? Welche anderen Länder der EU wenden ein ähnliches

    System an?

 

8. Gedenken Sie mittels einer Arbeitsgruppe Ärzte - Apotheker - Hauptverband der

    Sozialversicherungsträger - Pharmaindustrie und Gesundheitsressort raschest ein Vorwegsystem

    zu implementieren welches zumindestens teilweise die Chefarztpflicht verringern kann? Wenn nein,

    warum nicht? Wenn ja, in welcher Form und in welcher Zeitspanne?