56/JPR XX.GP
der Abgeordneten Apfelbeck, Scheibner
und Kollegen
an den Präsidenten des Nationalrates
betreffend Infragestellung des Interpellationsrechtes
Der Ständige Unterausschuß des Rechnungshofausschusses beantragte im Rahmen der
Prüfung der Verwendung der Bundesförderungen durch World Vision die Übermittlung
einer Aufstellung über die Vorstandsmitglieder von WVÖ (alter und neuer Verein sowie
Privatstiftung) seit Gründung dieser Vereine aus dem Vereinsregister.
Wegen der mangelhaften Auskunftserteilung wurde der Bundesminister für Inneres um
Aufklärung ersucht. Dabei zeigte sich, daß dem Bundesminister für Inneres angeblich
eine Auskunftserteilung über die im § 12 Abs. 2 des Vereinsgesetzes erwähnten
Vereinsdaten hinaus nicht erlaubt ist. Das Bundeskanzleramt (Verfassungsdienst) wurde
vom Bundesminister für Inneres zu einer Stellungnahme ersucht und führte zu Fragen
der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes u.a. folgendes aus:
„Wann sind Eingriffe in die Amtsverschwiegenheit und in das Grundrecht auf
Datenschutz zulässig?
1. Gemäß Art. 20 Abs. 3 B - VG sind alle mit Angelegenheiten des Bundes -,
Landes - und Gemeindeverwaltung betrauten Organe zur Amtsverschwiegenheit
verpflichtet, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist.
Die Zulässigkeit des Abgehens von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit
bedürfte daher einer speziellen gesetzlichen Regelung, die überdies - da es sich
um eine Ausnahmeregelung von einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung
handelt - eine ausdrückliche Ermächtigung oder Verpflichtung sein müßte. So
bewirkt
etwa Art. 52 Abs. 1 B - VG nach herrschender Lage mangels
Ausdrücklichkeit keine Ermächtigung oder Verpflichtung zur Durchbrechung der
Amtsverschwiegenheit durch die Mitglieder der Bundesregierung im Falle der
Interpellation durch den Nationalrat (vgl. etwa H. Mayer, B - VG, 1994, Punkt II.3
zu Art. 52 B - VG, 5 1 77).
Die Durchbrechung des Amtsgeheimnisses im Zuge der Beantwortung eines
Auskunftsverlangens des ständigen Unterausschusses des
Rechnungshofausschusses (stUARH) wäre daher nur in jenem Umfang zulässig,
als dies durch besondere gesetzliche Vorschriften ausdrücklich vorgesehen ist.
2. Zum gleichen Ergebnis gelangt eine Untersuchung der Voraussetzungen
für die Zulässigkeit eines Eingriffes in das Grundrecht auf Datenschutz:
Im Verfolg des Art. 8 MRK sind gemäß § 1 Abs. 2 DSG Eingriffe staatlicher
Behörden nur aufgrund von Gesetzen zulässig; auch aus datenschutzrechtlicher
Sicht bedürfte es daher einer eigenen eingriffsgestattenden Norm, um
zulässigerweise die in § 12 Abs. 2 Vereinsgesetz nicht genannten Vereinsdaten
übermitteln zu dürfen (die Erteilung einer Auskunft ist datenschutzrechtlich eine
„Übermittlung“).
Gibt es eine gesetzliche Bestimmung, die dem Bundesminister für Inneres die
Auskunftserteilung über die in § 12 Abs. 2 Vereinsgesetz nicht erwähnten Vereinsdaten
an den stUARH gebietet oder zumindest erlaubt?
1. Gemäß Art. 52b B - VG sind die näheren Befugnisse des stUARH aus der
Geschäftsordnung des Nationalrates zu entnehmen.
Aus dem Geschäftsordnungsgesetz 1975 (in der Folge GOG) (§ 32e Abs. 5)
ergibt sich ausdrücklich, daß auf den stUARH nicht die Bestimmungen über
Untersuchungsausschüsse anzuwenden sind, sondern jene über „Organisation
und Verfahren der Unterausschüsse sowie die Bestimmungen des § 32b Abs. 2“
(§ 32 Abs. 2 ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Interesse).
Verfahren und Organisation der Unterausschüsse sind generell in § 35 geregelt.
Darin findet sich keine Regelung über besondere Auskunftspflichten der
staatlichen Verwaltung gegenüber einem Unterausschuß. Solche
Sonderbestimmungen
gibt es nur für Untersuchungsausschüsse in § 33 (Abs. 4
und 5), der aber in § 32e Abs. 5 nicht erwähnt wird, woraus geschlossen
werden muß, daß er für Unterausschüsse nicht gilt.
Dem kann wohl auch nicht entgegengehalten werden, daß der stUARH angesichts
seiner Aufgaben aufgrund teleologischer Interpretation quasi als Unterausschuß zu
einem Untersuchungsausschuß angesehen werden müßte und daher § 33 Abs. 4 und 5
GOG sinngemäß anzuwenden sei. Dies ist bereits durch den Text des GOG selbst
ausgeschlossen, da Untersuchungsausschüsse gemäß § 35 Abs. 1, zweiter Satz,
"Unterausschüsse lediglich zur Abfassung des Berichtsentwurfes einsetzen“ dürfen, also
für eine Art von Tätigkeit, die wesentlich enger wäre als die Kompetenz des stUARH.
§ 32e Abs. 5 GOG ist daher als eine abschließende Regelung anzusehen, die einer
ausdehnenden Interpretation nicht zugänglich ist. Daran ändert auch das Recht der
Ausschüsse nichts, gemäß § 40 Abs. 1 „die Mitglieder der Bundesregierung um die
Einleitung von Erhebungen zu ersuchen“: Wenn nämlich schon aus § 40 Abs. 1 GOG
die Verpflichtung der Mitglieder der Bundesregierung zur Durchbrechung der
Amtsverschwiegenheit abzuleiten wäre, wären die besonderen Bestimmungen des § 33
Abs. 4 und 5, die sich nur bei Untersuchungsausschüssen und bei keiner anderen
Kategorie von Ausschüssen finden, überflüssig.
Dafür, daß der Gesetzgeber in § 33 Abs. 4 und 5 GOG etwas Überflüssiges statuieren
wolle, gibt es aber keinen plausiblen Hinweis. Es ist vielmehr durchaus sachlogisch, bei
Untersuchungsausschüssen wesentlich strengere Auskunftsverpflichtungen vorzusehen
als bei anderen parlamentarischen Ausschüssen.“
Dies veranlaßte den Bundesminister für Inneres zur folgenden lapidaren Bemerkung:
„Zusammenfassend darf ich daher feststellen, daß es auch nach Auffassung des
Bundeskanzleramtes - Verfassungsdienst dem Bundesminister für Inneres angesichts des §
32 Abs. 5 GOG und angesichts seiner Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit und zur
Einhaltung des Grundrechts auf Datenschutz verwehrt ist, die vom stUARH verlangten
zusätzlichen Auskünfte zu erteilen. Eine Ausnahme von dieser Verschwiegenheitspflicht
besteht nur für (zulässigerweise) veröffentlichte Daten, was aber bedeutet, daß eine
Auskunft nur mit dem Inhalt gegeben werden dürfte, der aus den Zeitungsberichten im
Gegenstand ohnehin
bereits bekannt ist.“
Die wiedergegebene Stellungnahme des Bundeskanzlers und die Bemerkung des
Bundesministers für Inneres stellen im Ergebnis eine Verhöhnung des Nationalrates dar.
Die Oberflächlichkeit der Auslassungen des Bundeskanzleramtes wird schon allein durch
den bezeichnenden Umstand dokumentiert, daß darin Bestimmungen des
Geschäftsordnungsgesetzes zitiert werden, die bereits seit geraumer Zeit nicht mehr
dem Rechtsbestand angehören.
Die vom Bundeskanzleramt vertretene Rechtsauffassung degradiert das
Interpellationsrecht weitgehend zum toten Recht.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Präsidenten des Nationalrates die
nachstehende
ANFRAGE
1. Ist Ihnen der Inhalt der an die Vorsitzende des Ständigen Unterausschusses des
Rechnungshofausschusses gerichteten Note des Bundesministers für Inneres vom 26.
April 1999, Zl. 24.017/10 - BM/99, bekannt?
Wenn ja, seit wann?
2. Wie beurteilen Sie die darin wiedergegebenen Ausführungen des
Bundeskanzleramtes (Verfassungsdienst) zum Amtsgeheimnis und zum Grundrecht
auf Datenschutz?
3. Werden Sie das Bundeskanzleramt darauf hinweisen, daß § 33 Abs. 4 und 5 GOG -
NR nicht mehr dem Rechtsbestand angehören?
4. Teilen Sie insbesondere die Aussage, daß Art. 52 Abs. 1 B - VG keine Ermächtigung
oder Verpflichtung zur Durchbrechung der Amtsverschwiegenheit durch die
Mitglieder der Bundesregierung im Falle der Interpellation bewirke?
Wenn ja, auf Grund welcher Erwägungen?
Wenn nein, welche Veranlassungen werden Sie treffen?
5. Welche grundsätzlichen Konsequenzen leiten Sie aus den Ausführungen des
Bundeskanzleramtes im Hinblick auf das Interpellationsrecht ab?
6. Teilen Sie die Auffassung, daß das Interpellationsrecht ein unverzichtbares
parlamentarisches Kontrollinstrument darstellt?
Wenn ja. welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die Einschränkungen dieses
Rechts zu verhindern?
Wenn nein, warum nicht?
7. Teilen Sie die Auffassung, daß das Interpellationsrecht im Verhältnis zur
Amtsverschwiegenheit eine lex specialis darstellt?
Wenn ja, welche Schlußfolgerungen ziehen Sie daraus?
Wenn nein, warum nicht und welche Auffassung vertreten Sie im Zusammenhang
mit dem Verhältnis vom Interpellationsrecht zur Amtsverschwiegenheit?
8. Teilen Sie die Auffassung, daß die derzeitige Geschäftsordnungsbestimmungen für
das Verfahren des Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses nicht
ausreichen?
Wenn ja, inwieweit?
Wenn nein, warum nicht?
9. Werden Sie dafür eintreten, die Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend
zu ändern?
Wenn ja, welche konkreten Änderungen halten Sie für wünschenswert?
Wenn nein, warum nicht?
10. Teilen Sie die Auffassung, daß dieser Ständige Unterausschuß seine Aufgaben
wirklich erfüllen kann, obwohl er - nach der von Ihnen bisher vertretenen
Auffassung die Mitglieder der Bundesregierung nur um die Einleitung von
Erhebungen ersuchen oder Sachverständige oder andere Auskunftspersonen zur
mündlichen oder schriftlichen Äußerung einladen darf?
Wenn ja, auf Grund welcher Erwägungen kommen Sie nach den bisherigen
Erfahrungen zu dieser Auffassung?
Wenn nein, welche Schlüsse ziehen Sie daraus?