Stenographisches Protokoll

51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 11. Dezember 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 11. Dezember 1996

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 11. Dezember 1996: 10.02 – 22.40 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Abgabenänderungsgesetz 1996

2. Punkt: EU-Abgabenänderungsgesetz

3. Punkt: BFG-Novelle 1996

4. Punkt: 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996

5. Punkt: Bericht über den Antrag 324/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des BGBl. Nr. 368/1925 geändert werden und das Gesetz über die Mitwirkung der Nationalversammlung an der Regelung von Postgebühren und Preisen der Monopolgegenstände sowie von Bezügen der in staatlichen Betrieben Beschäftigten aufgehoben wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 343/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geltungs-dauer der Bestimmungen des Bezügegesetzes und des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 über die Nichterhöhung von Bezügen verlängert wird

7. Punkt: Staatsdruckereigesetz 1996

8. Punkt: Bundesgesetz über die Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung

9. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend Wahl der Vorsitzenden der Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten beim Bundesministerium für Landesverteidigung für die ab 1. Jänner 1997 beginnende (neue sechsjährige) Funktionsperiode

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11


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51. Sitzung / Seite 2

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1335/AB gemäß § 92 der Geschäftsordnung 29

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 124

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 124

Dr. Alfred Gusenbauer 127

Dr. Michael Spindelegger 127

Dr. Jörg Haider 128

Mag. Helmut Peter 130

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 131

Antrag der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen gemäß § 92 Abs. 3 der Geschäftsordnung, die Anfragebeantwortung 1335/AB nicht zur Kenntnis zu nehmen – Ablehnung 133, 133

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 29

Unterbrechung der Sitzung 77

Einwendungen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic gegen die Tagesordnung der nächsten Sitzung gemäß § 50 der Geschäftsordnung 185

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung 185

Redner:

Dr. Peter Kostelka 185

Herbert Scheibner 186

Paul Kiss 187

Andreas Wabl 187

Wolfgang Jung 188

Theresia Haidlmayr 189

Dr. Peter Kostelka (tatsächliche Berichtigung) 190


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51. Sitzung / Seite 3

Dr. Helene Partik-Pablé 191

Mag. Doris Kammerlander 192

Robert Elmecker 193

Theresia Haidlmayr (tatsächliche Berichtigung) 194

Einwendungen finden keine Mehrheit 194

Aktuelle Stunde (9.)

Thema: "Sektenaufklärung in Österreich"

Redner:

Mag. Dr. Josef Höchtl 11

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 13

Werner Amon 15

Dr. Ilse Mertel 16

Ute Apfelbeck 17

Mag. Dr. Heide Schmidt 18

Karl Öllinger 20

Rosemarie Bauer 21

Brigitte Tegischer 22

Dr. Helene Partik-Pablé 23

Dr. Volker Kier 25

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 26

Bundesregierung

Vetretungsschreiben 11

Ausschüsse

Zuweisungen 28

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Armut in Österreich (1603/J) 77

Begründung: Karl Öllinger 90

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 94

Debatte:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 98

Eleonora Hostasch 101

Katharina Horngacher 103

Edith Haller 105

Dr. Volker Kier 107

Dr. Alexander Van der Bellen 109

Dr. Josef Cap 111

Wolfgang Großruck 112

Klara Motter 114

Heidrun Silhavy 116

Elfriede Madl 117

Mag. Doris Kammerlander 118

Karl Gerfried Müller 120

Anna Elisabeth Aumayr 122

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend jährlichen Armuts- und Reichtumsbericht – Ablehnung 99, 123

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Forschungsschwerpunkt Armut für das Jahr 1997 – Ablehnung 100, 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend 7,5 Sozialmilliarden statt Panzerfinanzierung – Ablehnung 120, 124

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (497 d. B.): Abgabenänderungsgesetz 1996 (552 d. B.) 29

2. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (498 d. B.): EU-Abgabenänderungsgesetz (553 d. B.)29

Redner:

Peter Rosenstingl 29

Dr. Ewald Nowotny 31

Dr. Hans Peter Haselsteiner 32


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51. Sitzung / Seite 4

Bundesminister Mag. Viktor Klima 36, 49

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 38

Dr. Alexander Van der Bellen 40

Kurt Eder 43

Dr. Jörg Haider 45

Mag. Dr. Josef Höchtl 50

Mag. Helmut Peter 51

Karl Gerfried Müller 53

Jakob Auer 54

Mag. Reinhard Firlinger 55

Mag. Herbert Kaufmann 57

Hermann Böhacker 58

Ernst Fink 60

Rudolf Anschober 61

Dkfm. DDr. Friedrich König 63

Annahme der Gesetzentwürfe in 552 und 553 d. B. 64

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Gleichstellung der mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Anstalten mit Körperschaften öffentlichen Rechts in § 6 Abs. 1 Z. 18 UStG – Ablehnung 60, 65


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51. Sitzung / Seite 5

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (459 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1996 geändert wird (BFG-Novelle 1996) (519 d. B.) 65

4. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (460 d. B.): 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996 – 2. BÜG 1996 (518 d. B.) 65

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 66

Ing. Kurt Gartlehner 68

Dr. Hans Peter Haselsteiner 69

Mag. Franz Steindl 69

Dr. Alexander Van der Bellen 71

Robert Sigl 74

Mag. Erich L. Schreiner 75

Johann Kurzbauer 77

Mag. Helmut Peter 133

Rudolf Parnigoni 135

Peter Rosenstingl (tatsächliche Berichtigung) 137

Mag. Doris Kammerlander 137

Josef Edler 138

Peter Rosenstingl 139

Annahme der Gesetzentwürfe in 519 und 518 d. B. 141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander , Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Realisierung der Budgetüberschreitungsermächtigung für die bilaterale Entwicklungshilfe – Ablehnung 138, 142

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung von Geldverschwendung und Umweltzerstörung durch sinnlose Prestigeprojekte (Semmeringtunnel) – Ablehnung 141, 142

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 324/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des BGBl. Nr. 368/1925 geändert werden und das Gesetz über die Mitwirkung der Nationalversammlung an der Regelung von Postgebühren und Preisen der Monopolgegenstände sowie von Bezügen der in staatlichen Betrieben Beschäftigten aufgehoben wird (520 d. B.) 142

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 343/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geltungsdauer der Bestimmungen des Bezügegesetzes und des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 über die Nichterhöhung von Bezügen verlängert wird (521 d. B.)142

7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (502 d. B.): Staatsdruckereigesetz 1996 (522 d. B.) 142

Redner:

Dr. Volker Kier 142

Dr. Günther Kräuter 143

Peter Rosenstingl 145

Karl Donabauer 146

Dr. Hans Peter Haselsteiner 148

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 148

Mag. Johann Ewald Stadler 151

Peter Schieder 152

Mag. Cordula Frieser 154

Andreas Wabl 155

Dr. Irmtraut Karlsson 157

Dr. Franz Löschnak 157

Dr. Walter Schwimmer 159

Andreas Wabl 160

Annahme der Gesetzentwürfe in 520, 521 und 522 d. B. 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend die Rettung der Post und Verhinderung einer Tarifexplosion – Ablehnung 146, 162

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (423 d. B.): Bundesgesetz über die Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung (523 d. B.) 163

Redner:

Dr. Martin Graf 163

DDr. Erwin Niederwieser 166


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51. Sitzung / Seite 6

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 168, 173

Dr. Volker Kier 168

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 171

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 174

Dr. Johann Stippel 175

Dipl.- Ing. Leopold Schöggl 176

Dr. Gertrude Brinek 177

Mag. Dr. Udo Grollitsch 178

Dr. Wolfgang Riedler 179

Dr. Michael Spindelegger 181

Annahme des Gesetzentwurfes in 523 d. B. 182

9. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend Wahl der Vorsitzenden der Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten beim Bundesministerium für Landesverteidigung für die ab 1. Jänner 1997 beginnende (neue sechsjährige) Funktionsperiode (516 d. B.) 182

Redner:

Dr. Harald Ofner 183

Annahme des Ausschußantrages 185

Eingebracht wurden

Petition 28

Petition betreffend "Initiative 96 Entschuldung" (Ordnungsnummer 20) (überreicht vom Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer )

Regierungsvorlagen 27

365: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen

426: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die rechtliche Stellung der österreichischen Bediensteten der Europol-Drogenstelle

504: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

Zurückgezogen wurde die Regierungsvorlage

399: Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG 1993) geändert wird

Berichte 28

III-64: Erster Bericht gemäß dem Katastrophenfondsgesetz 1996 betreffend die Fondsgebarung im Jahr 1995; BM f. Finanzen

III-65: Förderungsbericht 1995; Bundesregierung

III-66: Kunstbericht 1995; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Karl Öllinger und Genossen betreffend jährlicher Armuts- und Reichtumsbericht (345/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Forschungsschwerpunkt Armut für das Jahr 1997 (346/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die strategische Prüfung der Umweltauswirkungen neuer rechtssetzender Maßnahmen (347/A)


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51. Sitzung / Seite 7

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit auf heimischen Straßen (348/A) (E)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Möglichkeit des Stimmensplittings bei Landtagswahlen (349/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Vergabe von Schulleiterposten an Wirtschaftsfachleute (1597/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die ÖH-Resolution vom 24. 11. 1996 gegen Rechtsextremismus (1598/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Vergabe einer 3. Mobilfunk-Lizenz nach dem DCS-1800 Standard (Umsetzung der EU-Richtlinie 96/388/EWG) (1599/J)

Ing. Gerald Tychtl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend den weiteren Ausbau der B 72 im Gemeindegebiet Thannhausen, Ortsteil Peesen (1600/J)

Ing. Gerald Tychtl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Baumaßnahmen im Straßen- und Hochbau des Bundes für den Bezirk Weiz (1601/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Publizistikförderung für linksradikale und linksalternative Zeitschriften (1602/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Armut in Österreich (1603/J)

Mag. Brigitte Ederer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Weihnachtseinkäufe in den USA des Klubvorsitzenden Dr. Jörg Haider (1604/J)

Georg Wurmitzer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Verzögerung der Auftragsvergabe im Bereich der Bahnstrecke Klagenfurt – St. Veit (1605/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend EU-Fluglärmrichtlinie (1606/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend soziale Herkunft der ErstinskribentInnen (1607/J)

Gabriele Binder und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Verfahren gemäß § 29 AWG in Kematen an der Ybbs (1608/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend ESF-Förderungen (1609/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Lehrlingsausbildung an Universitäten (1610/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Prüfung der verfassungsrechtlichen Grundlagen für Altenbetreuungsgesetze (1611/J)


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51. Sitzung / Seite 8

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Wagenmaterial der ÖBB II (1612/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend gesundheitliche Probleme durch "Piercing" (1613/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend illegale Weitergabe von Meldezetteln an die FPÖ in Wiener Neustadt (1614/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend gesundheitliche Probleme durch "Piercing" (1615/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Energieabgaben (1616/J)

Hermann Böhacker und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Apotheke Obertrum (Zu 1539/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1300/AB zu 1302/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1301/AB zu 1292/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (1302/AB zu 1301/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1303/AB zu 1346/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1304/AB zu 1349/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1305/AB zu 1293/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (1306/AB zu 1316/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Meisinger und Genossen (1307/AB zu 1336/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1308/AB zu 1348/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1309/AB zu 1359/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1310/AB zu 1288/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Horngacher und Genossen (1311/AB zu 1287/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1312/AB zu 1327/J)


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51. Sitzung / Seite 9

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1313/AB zu 1331/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1314/AB zu 1295/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Horngacher und Genossen (1315/AB zu 1285/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1316/AB zu 1347/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1317/AB zu 1289/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1318/AB zu 1290/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1319/AB zu 1291/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (1320/AB zu 1305/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1321/AB zu 1325/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (1322/AB zu 1304/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1323/AB zu 1321/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1324/AB zu 1322/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1325/AB zu 1345/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1326/AB zu 1350/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Franz Steindl und Genossen (1327/AB zu 1356/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen (1328/AB zu 1307/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen (1329/AB zu 1308/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1330/AB zu 1330/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1331/AB zu 1340/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1332/AB zu 1344/J)


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51. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen (1333/AB zu 1360/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (1334/AB zu 1361/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (1335/AB zu 1306/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen (1336/AB zu 1317/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1337/AB zu 1323/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1338/AB zu 1378/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1339/AB zu 1455/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen (1340/AB zu 1392/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen (1341/AB zu 1445/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (1342/AB zu 1403/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (1343/AB zu 1407/J)

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des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage des Abgeordneten Anton Gaál (1/ABM zu 49/M)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage des Abgeordneten Anton Leikam (2/ABM zu 50/M)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage des Abgeordneten Paul Kiss (3/ABM zu 51/M)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage des Abgeordneten Günther Platter (4/ABM zu 52/M)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits (5/ABM zu 53/M)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage des Abgeordneten Hans Helmut Moser (6/ABM zu 54/M)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé (7/ABM zu 56/M)


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51. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 10.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen, bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 51. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 48. sowie der 49. und 50. Sitzung sind aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben. Sie gelten damit als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für den heutigen Sitzungstag sind die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Preisinger, Mag. Stoisits und Dkfm. Holger Bauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung eines Mitglieds der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel wird durch Frau Staatssekretärin Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner vertreten.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde. Als Thema ist vorgeschlagen:

"Sektenaufklärung in Österreich"

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten.

10.03

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns in der heutigen Aktuellen Stunde mit dem Thema "Sektenaufklärung in Österreich". Sekten sind eine Materie, die von den Österreichern als gefährlich betrachtet wird.

Wenn ich sage, daß sie von den Österreichern als gefährlich betrachtet wird, beziehe ich mich nicht ausschließlich auf jene Begebenheiten, die viele von uns mit verschiedenen Opfern erleben mußten, sondern vielmehr auf die Tatsache, daß das Phänomen Sekten im heurigen Jahr umfassend untersucht wurde. Nach dieser umfassenden, repräsentativen Untersuchung stufen 65 Prozent der Österreicher Sekten als sehr gefährlich, 23 Prozent als etwas gefährlich ein, und nur 9 Prozent meinen, Sekten seien eher harmlos.

Wir sehen also, daß damit insgesamt 88 Prozent, also fast neun von zehn Österreicherinnen und Österreichern, das Phänomen Sekten als gefährlich oder sehr gefährlich bezeichnen. Es ist daher für das Hohe Haus eine Pflicht, eine Notwendigkeit, sich über dieses Phänomen intensiv und seriös zu unterhalten und auch die entsprechenden Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das nicht etwas, was irgendein singuläres Phänomen wäre, wovon nur einige wenige betroffen sind. Die derzeitige Situation in Österreich ist so, daß rund 50 000 Personen zum sogenannten harten Kern der verschiedenen Sekten gehö


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51. Sitzung / Seite 12

ren. Und weitere rund 200 000 Personen haben sich als Mitglieder, als Spender, als Nahestehende diesen verschiedenen Gruppierungen angeschlossen. Das bedeutet, es handelt sich bereits um eine beachtliche Zahl von Personen, die von diesen verschiedenen Gruppierungen angesprochen, geworben wurde.

Man kann natürlich sagen, einige davon sind harmlos – viele sind aber nicht harmlos! Und deshalb wollen wir uns schützend vor allem vor die Jugend, die verführt werden könnte, stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nach einer spezifischen Jugenduntersuchung, bei der 1 200 Jugendliche repräsentativ befragt wurden, werden rund 36,5 Prozent der Jugendlichen in Großstädten als sehr gefährdet bezeichnet und 30,5 Prozent der Jugendlichen in ländlichen Gebieten als gefährdet betrachtet. Das ist etwas, was Verantwortliche in der Politik mit Sorge erfüllen muß, und deshalb ist es so wichtig, daß wir diese Aktuelle Stunde dem Problem Sekten widmen.

Ich muß wirklich dem Herrn Bundesminister zu seinem Mut gratulieren. Herr Bundesminister Dr. Bartenstein hat vor wenigen Wochen die Aufklärungsbroschüre "Sekten – Wissen schützt" veröffentlicht. (Der Redner zeigt die Broschüre.) Es erfolgten in den ersten Tagen jeweils 2 000 Anrufe allein über die Hotline im Ministerium, und schon in den wenigen Wochen danach waren die vorhandenen Auflagen einige Male vergriffen. Es sind, glaube ich, schon fast 180 000 Exemplare an den Mann, an die Frau, an den Jugendlichen gekommen. Daran sieht man, daß das kein zu vernachlässigendes, sondern ein ernstes Phänomen ist, mit dem wir uns rigoros auseinandersetzen müssen.

Folgendes darf nämlich nicht sein: daß man glaubt, unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Menschen auseinanderbringen, gegeneinander aufhussen, trennen und in Schwierigkeiten bringen zu können. Wir sind dafür verantwortlich, daß das nicht passiert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Um welche Gruppen handelt es sich? – Es ist fast unübersichtlich geworden, wie sich die Entwicklung in den einzelnen Klein- und manchmal größeren Gruppen abgespielt hat. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, daß in Österreich derzeit rund 600 Sekten existieren, teilweise konfliktgeladene, pseudoreligiöse Organisationen, destruktive Kulte – alles mögliche summiert sich unter dem Sammelbegriff "Sekten".

Ich glaube, es ist wichtig, das Signal gesetzt zu haben, daß die Regierung und wir als Nationalrat diesem Phänomen nicht tatenlos gegenüberstehen, sondern mit allen Mitteln Aufklärung betreiben, damit viele, die vielleicht unmittelbar vor der Situation stehen, angesprochen, in eine solche Gruppe integriert zu werden, wissen, worum es geht, und dann rechtzeitig nein sagen. Das ist die Aufgabe, die wir zu erfüllen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich mache nur einige Bemerkungen dazu, wie Personen zu Sekten kommen können. Ich möchte gewisse Gruppen nicht pauschal verurteilen, aber einer Person – das ist ein Fall, der mir selbst vor wenigen Jahren untergekommen ist; ich habe dann in Form einer Pressekonferenz mit dieser Person deren Schicksal dargestellt – wurden innerhalb von 18 Monaten über Scientology 4,3 Millionen Schilling an Kursbeiträgen für alles mögliche – Seminare, Tests et cetera – entlockt. Daran sieht man, was das alles mit sich bringen kann.

Die Personen werden dadurch angelockt, daß sie zu einem kostenlosen Persönlichkeitstest eingeladen werden – und dann geht es Schritt um Schritt. Die Kursbeiträge werden immer höher.

Ich habe mir von dieser Person eine Aufstellung darüber geben lassen, was sie in diesen eineinhalb Jahren "freiwillig" – unter Anführungszeichen – an Beträgen zu überweisen hatte: 4,3 Millionen Schilling. Es war mühsam, einiges wieder zurückzubekommen.

Es gibt auch viele kleinere Organisationen, die sich in der Größe nicht mit Scientology messen können, die für Kinder und Jugendliche sehr gefährlich sind. Nehmen wir nur die Holosophische Gesellschaft, wo Kleinkinder für das Ziel angehalten werden, mit verbundenen Augen und


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Silikonstöpseln in den Ohren fünf Stunden am Tag zu meditieren. – Das sind doch Dinge, die man sehen muß, vor denen man warnen muß!

Oder – ich nehme jetzt eine große Gruppe –: Die Zeugen Jehovas beispielsweise umfassen in Österreich offiziell rund 21 000 Personen und sprechen sich gegen das Feiern von Geburtstagen, von Muttertagen sowie gegen das Betreiben einzelner Sportarten aus. Sie lehnen die Mitgliedschaft in politischen Organisationen, die Ausübung des Wahlrechtes, die Ableistung des Wehrdienstes, beispielsweise auch Bluttransfusionen und so weiter ab.

Wir müssen daher den Menschen mit allen Möglichkeiten, die existieren – im Strafrecht, im Zivilrecht, im Familienbereich und im Pflegschaftsrecht –, mit Information und Beratung zur Seite stehen und dürfen nicht zulassen, daß in Österreich Gruppen existieren, die sich gegen wesentliche Grundsätze unserer Gesellschaft aussprechen. Das hat mit Religionsfreiheit nichts zu tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir müssen Aufklärung betreiben, den Menschen wirklich helfen, ihnen Rat geben dahin gehend, wie sie aus diesen Fängen wieder herauskommen, vor allem aber, wie sie nicht hineinkommen. Wir müssen aber auch das Vereinsrecht überdenken, denn die derzeitigen Möglichkeiten reichen nicht aus. Wir müssen schauen, wie wir das in den Griff bekommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (fortsetzend): Denn uns geht es um die Jugend, um die Menschen, die verführt werden können. Man soll die Menschen nicht im Namen von Religionsfreiheit in Abhängigkeit bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält der Herr Bundesminister. – Bitte sehr.

10.13

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Als Familien- und Jugendminister bin ich dem Hohen Haus sehr dankbar dafür, daß diese Aktuelle Stunde zum Thema Gefahren durch Sekten durchgeführt wird.

Herr Abgeordneter Höchtl hat bereits festgestellt, daß fast 90 Prozent der Österreicher im Phänomen Sekten eine Gefahr sehen. Ich erachte es daher für mehr als nur gerechtfertigt, daß sich das Hohe Haus und auch die Bundesregierung dieses Themas in angemessener Weise annehmen.

Meine Damen und Herren! Sie haben das ja schon gemacht, und es war ein Entschließungsantrag des Hohen Hauses vom 14. Juli 1994, der dazu geführt hat, daß wir uns im Familienressort an die Ausarbeitung dieser Sektenbroschüre "Sekten – Wissen schützt" (der Redner zeigt diese) gemacht haben.

Es war nicht einfach, ein Autorenkollektiv zusammenzustellen, das da Kompetenz beweist. Es war nicht einfach, die Autoren zu motivieren, sehr offen zu argumentieren. Es war auch nicht einfach, die Absicht durchzubringen, Sekten auch beim Namen zu nennen; zumindest 23, sehr geehrter Herr Abgeordneter Höchtl, denn alle 600 hätten darin nicht Platz gehabt. Wir erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, aber jene 23 Sekten, die uns für Österreich am relevantesten erscheinen, sind angeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch nie in meiner politischen Laufbahn, die immerhin schon fünf Jahre währt, ist mir ähnlich großes Interesse entgegengekommen wie beim Thema Sekten: Fast 200 000 Exemplare dieser Broschüre wurden bereits versandt – man kann hier nicht von einem Bestseller sprechen, da sie nicht verkauft wird. Wir haben noch 100 000 Exemplare nachgedruckt, sodaß die Broschüre mittlerweile eine Auflage von 250 000 Stück erreicht hat.


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In den ersten Tagen haben sich unter der Hotline-Telefon-Nr. 0660/1799 fast 2 000 Anrufer gemeldet und ihre Sorge zum Ausdruck gebracht. Es sind heute, mehr als einen Monat nach dem ersten Tag, noch immer täglich an die 300 Anrufer, die uns kontaktieren, die besorgt sind.

Es soll hier nicht pauschaliert werden, es sind nicht alle Sekten in jeder Beziehung gefährlich – das will ich auch gar nicht behaupten –, aber es gibt im Umfeld von Sekten zweifellos eine Häufung von Phänomenen, die wir ablehnen und die tatsächlich gefährlich sind.

Sei es, wie es auch sei: Es hat die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte offensichtlich dazu geführt, daß diesbezüglich ein Markt entstanden ist – nicht nur in Österreich –, daß weltweit ein echter Sektenboom eingesetzt hat. Auch die moderne Kommunikationstechnologie macht es fernöstlichen Gurus oder auch amerikanischen Heilsverkündern leichter, nach Europa, nach Österreich zu kommen. Diesem Phänomen müssen wir uns eben stellen, und diesem Phänomen haben sich nicht nur die Kirchen in diesem Land, sondern hat sich auch der Staat zu stellen.

Es muß unbestritten bleiben, daß Religionsfreiheit, Glaubensfreiheit in unserem Land selbstverständlich auch weiterhin uneingeschränkt gilt, aber es muß gleichzeitig auch klar sein, daß wir Phänomene wie die Einschränkung und den Verlust von Persönlichkeit, die erzwungene Trennung von der Familie und Verschuldung nicht zur Kenntnis nehmen können, wenn sie einzelne Bürger betreffen.

Ich als Jugendminister sage auch ganz klar dazu: Selbstverständlich ist es so, daß junge Menschen in ihrer noch nicht ausgegorenen Reife anfälliger sind für das Sektenphänomen und wir daher bei ihnen besonders wachsam zu sein haben. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Dr. Mertel. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angeblich werden junge Menschen von Scientology, wie mir von der Vertreterin von Scientology in der Fernsehsendung "Zur Sache" gesagt wurde, nicht kontaktiert. Aber allein während der Sendung sind fast ein Dutzend Kontakte zu Herrn Chefredakteur Rabl gekommen, bei denen es ausschließlich um die Ansprache junger Menschen durch Scientology gegangen ist. – Das nur zur Glaubwürdigkeit mancher Vertreter mancher dieser pseudo- oder neureligiösen Gruppen.

Es handelt sich dabei, wie ich schon gesagt habe, um ein internationales Phänomen. Man geht damit in Amerika anders um als in Deutschland. Man hat in Amerika ein anderes Demokratieverständnis als in Deutschland durch die Erfahrungen mit der Weimarer Republik. In Amerika gibt es ehemalige Präsidenten wie etwa Herrn Bush, der nach Buenos Aires geht und dort einem Herrn Mun, dem Gründer der gleichnamigen Mun-Sekte – im übrigen in Verbindung mit einem Honorar von nicht weniger als 100 000 Dollar –, testimonisiert und zuerkennt, daß er ein Visionär sei. – Es ist Sache des Herrn Bush, Herrn Mun als Visionär zu bezeichnen, ich aber tue das ganz sicher nicht. Ich finde das befremdlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist auch nicht so, daß wir in Österreich ähnliche Sorgen haben – zumindest bis jetzt nicht – wie die Deutschen. Dort ist man der Meinung, daß Scientology nicht nur weit über eine neureligiöse Gemeinschaft hinausgeht, nicht nur auch schon ein Wirtschaftsunternehmen ist, sondern in Wirklichkeit bereits staats- und verfassungsgefährdend wirkt.

Ich darf Ihnen aus einem Gutachten des Professor Abel für die Schleswig-Holsteinsche Landesregierung zitieren. Herr Abel stellt fest, daß Scientology sogar eine neue Form des politischen Extremismus sei und daß sein Gutachten ergeben habe, daß diese Sekte, also Scientology, ein nationalsozialistisches Rechtsverständnis habe und die Bekenntnis- und Meinungsfreiheit faktisch kriminalisiere. – Das jedenfalls ist in Österreich noch kein Thema. Wir werden diesbezüglich wachsam sein. Deutsche Zustände, Probleme wie in Deutschland durch Sekten sehe ich für Österreich noch nicht.

Ich darf kurz von Frankreich berichten. Am 24. November ist in Lyon ein richtungweisendes Urteil gegen nicht weniger als 14 Mitglieder von Scientology gefällt worden. Deren Führer, ein


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sogenannter Herr Mazier, wurde zu immerhin drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Warum? – Weil im Jahre 1988 ein 31jähriger Franzose namens Vic aus dem Fenster gesprungen ist, weil er nicht mehr mit der Belastung fertig wurde, entweder einen weiteren 30 000-Francs-Kredit für ein Scientology-Seminar aufzunehmen oder eine andere Art des Unglücks zu erfahren.

Oder: Rechtskräftige Verurteilung eines Herrn Hubard, des Gründers von Scientology – auch in Frankreich passiert, vor mehr als einem Jahrzehnt –, zu vier Jahren unbedingter Haftstrafe.

Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten, denen wir uns zu stellen haben. Es mag vielleicht so ausschauen, als sei Österreich in mancher Hinsicht vom Phänomen Sekten bis jetzt noch verschont geblieben, aber ich befürchte – auch die Zahlen des Abgeordneten Höchtl bestätigen das, nämlich daß 50 000 Österreicher direkt und wahrscheinlich 200 000 Österreicher indirekt von Sekten betroffen sind; das sind immerhin 3 Prozent der Bevölkerung! –, daß wir es schon heute mit einem Eisberg zu tun haben, von dem wir nur die Spitze sehen, während die Basis unter der Oberfläche schlummert.

Wir sind daher dringend aufgerufen, unser Wissen bezüglich des Phänomens Sekten gemeinsam zu vertiefen, darüber, wie weit es in Österreich schon gekommen ist, wo Scientology und andere schon vertreten sind, wo sie ihre Finger im Spiel haben, ob nur in religiösen Bereichen oder auch in wirtschaftlichen Bereichen oder auch in Bereichen, die den Staat an und für sich schon angehen, was dann zu neuen Fragestellungen führen würde, zu Fragen, die in Deutschland bereits auf dem Tapet sind.

Meine Damen und Herren! Die Herausgabe dieser Sektenbroschüre war ein erster und, wie ich glaube, guter und wichtiger Schritt, aber eben nur ein erster Schritt. Wir planen für den 27. Jänner eine umfassende Enquete zu diesem Thema. Wir werden auf diesem Gebiet wachsam sein. Es muß den in Österreich agierenden Sekten klar sein, daß die Bundesregierung und auch das Hohe Haus nicht gewillt sind, dieses Phänomen tatenlos zur Kenntnis zu nehmen, sondern notfalls alle Mittel des Rechtsstaates in Anspruch nehmen werden, um im Falle des Falles zum Schutz unserer Bürger und zum Schutz unserer Jugend auch konkret gegen Sekten vorzugehen. – Ich danke sehr. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Die Redezeit für die weiteren Diskussionsbeiträge beträgt 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

10.23

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns in der heutigen Aktuellen Stunde mit dem Thema der Sekten und sogenannten Psychogruppen. Es wird dabei, denke ich zumindest, breiten Konsens in diesem Haus dahin gehend geben, daß von solchen Gruppen unbestrittenermaßen große Gefahren ausgehen, Gefahren für die Gesellschaft, Gefahren vor allem aber – das ist schon angesprochen worden – für junge Menschen.

Daß eine der wesentlichsten Maßnahmen in diesem Zusammenhang ist, Aufklärung zu betreiben, Information zu geben, ist ebenso unbestritten. Die Ausführungen des Herrn Bundesministers – ihm ist in besonderer Weise dafür zu danken, daß es nunmehr diese wirklich ausgezeichnete Broschüre gibt – haben gezeigt, daß enormer Informationsbedarf gegeben war und gegeben ist. Das zeigt sich ja daran, daß mittlerweile 250 000 Broschüren verteilt wurden und es in den ersten Wochen Tausende Anrufe gegeben hat und nach wie vor täglich mehrere hundert Anrufe gibt, um diese Broschüre zu erhalten.

Das Problem, das wir im Zusammenhang mit Sekten und solchen Psychogruppen haben, ist natürlich auch, daß es so etwas wie eine mangelnde Greifbarkeit dieser Gruppen gibt, und das, obwohl wir mehr oder weniger nachweisen können, daß es eine quantitative Steigerung, eine


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Zunahme solcher Gruppierungen gibt, die in Österreich ihr Unwesen treiben; Unwesen im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich glaube, daß man diesen Gruppen mit aller Entschiedenheit entgegentreten muß; Gruppen, die auf der einen Seite wirtschaftliche Ansprüche gegenüber ihren Mitgliedern, Sympathisanten stellen, wo es auch zu wirtschaftlicher Ausbeutung kommt, auf der anderen Seite aber auch totalitäre Ansprüche, denen man entgegentreten muß.

Der Punkt, von dem ich denke, daß er sehr wichtig ist, und hinsichtlich dessen das Hohe Haus gemeinsame Initiativen setzen sollte, ist die Frage des Handlings dieser Gruppen. Wie gehen wir mit solchen Sekten und Psychogruppen tatsächlich um, mit Gruppen, die um eine rechtliche Anerkennung als Glaubensgemeinschaft ansuchen? – Wir wollen ja das Menschenrecht auf Glaubensfreiheit nicht untergraben, wir treten natürlich für Glaubensfreiheit ein, müssen jedoch in Wahrheit sehenden Auges erleben, daß es Psychogruppen und Sekten gibt, die Menschenleben zerstören, die – ich habe es schon gesagt – finanziell ausbeuten, in denen es sexuellen Mißbrauch und ähnliches gibt.

Das heißt, es geht um die Frage: Welche Maßnahmen finden wir, um auf der einen Seite echten Glaubensgemeinschaften, echten Religionsgemeinschaften nicht das Menschenrecht auf Glaubensfreiheit zu verwehren, auf der anderen Seite aber entschieden gegen den Mißbrauch von Menschen aufzutreten?

Es stellt sich daher an alle Fraktionen die Frage, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es in diesem Bereich geben kann. Es erscheint mir breite Zusammenarbeit als ganz besonders wichtig, denn es haben zwar auf der einen Seite Information und Aufklärung, wie eben mit dieser ausgezeichneten Broschüre des Jugendministeriums, als richtiger Ansatz stattgefunden, aber wir müssen auf der anderen Seite gemeinsam auch rechtliche Maßnahmen überlegen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Auch Sie, Herr Wabl, könnten sich darüber einige Gedanken machen, rechtliche Maßnahmen überlegen, wie wir dem Phänomen der Sekten entgegentreten können; diesem Phänomen, das auch schon sehr viele Menschenleben in diesem Land zerstört hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

10.28

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Der langjährige Kenner und Beobachter der Sektenszene, Hugo Stamm, übrigens auch Redakteur des "Zürcher Tages Anzeiger", meint in seinem jüngsten Buch "Sekten im Bann von Sucht und Macht" zur Gefahr von Sekten und ähnlichen Gruppierungen – lieber hören sie ja den Namen "Weltanschauungsgruppen" – folgendes – wörtliches Zitat –: "Läßt sich dieser Zeiterscheinung nicht die Spitze brechen, werden Sekten und totalitäre Gruppen als modernes Suchtphänomen zum sozial-psychiatrisch relevanten Problem, welches das Gesundheitswesen schon bald belasten könnte. Vielleicht können dann die Politiker und Behörden nicht mehr umhin, sich ernsthaft mit der unheilvollen Entwicklung auseinanderzusetzen."

Wir wissen, daß das Phänomen der Sekten und totalitären Gruppen beinahe so alt ist wie die religiösen und politischen Sehnsüchte der Menschen – das führt Stamm auch aus. Aber die Aktivitäten, die diese einzelnen Gruppierungen mit vereinnahmenden Tendenzen entfalten, grassieren heute mit einer noch nie dagewesenen Virulenz.

Deshalb ist es wichtig und richtig, daß sich der Nationalrat heute in der Aktuellen Stunde mit diesen Gefahren auseinandersetzt. Er macht dies nicht zum ersten Mal – das hat auch der Herr Minister schon ausgeführt –: Wir haben dieses Thema bereits 1993 in einem Hearing mit Experten ausreichend und ausführlich analysiert. Wir haben uns in einem Unterausschuß des Familienausschusses mit diesen Problemen umfassend auseinandergesetzt und in der Folge am 14. Juli 1994 im Nationalrat einstimmig den Entschließungsantrag gefaßt, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine eigene Arbeitsgruppe einzurichten, eine neue Sektenbroschüre aufzulegen und Info- und Beratungsstellen einzurichten.


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Unterrichtsministerin Gehrer hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet und Familienminister Bartenstein eine doch beachtliche Sektenbroschüre, deren Zustandekommen alles andere als einfach war, herausgebracht und aufgelegt.

Wir wissen, wie wichtig geeignete Maßnahmen gegen die Gefahren dieser Gruppierungen sind, und werden auch immer wieder und immer häufiger mit dramatischen Einzelschicksalen in der Bevölkerung konfrontiert.

Die Kennzeichen für ein derartiges Schicksal sind meist: psychische Abhängigkeit, psychischer Druck, Einschränkung der persönlichen Freiheit und Selbständigkeit, Identitätsveränderungen, wirtschaftliche Ausbeutung, materielle Not, Existenzängste, soziale Ausgrenzung. Das ist der fatale Kreislauf, in den viele Menschen, insbesondere Jugendliche, aber auch Erwachsene, zunehmend geraten.

Die Konsequenzen sind tiefgreifende familiäre Konflikte, die sich auf Kinder und Partner auswirken, zerrüttete Ehen und Familien, denn im Vordergrund steht immer der Nutzen der jeweiligen Organisation.

Es kann also nicht genug an Informationen, Aufklärung und konkreter Hilfestellung geben. Wir müssen die Menschen noch mehr sensibilisieren, noch kritikfähiger gegenüber diesen Entwicklungen machen und ihnen klarmachen, daß prinzipiell jeder einzelne anfällig ist. Daher müssen die Menschen über die Methoden dieser Gruppierungen aufgeklärt werden, über die Ziele, über die wahren Gründe – diese sind meist wirtschaftlicher Natur –, aber auch über die Folgen, die mit einem solchen Beitritt verbunden sind. Sie müssen Bescheid wissen über die Absichten dieser Sinn- und Heilsanbieter. – Über die Babys und Kleinkinder, die stundenlang meditieren müssen, hat ja Abgeordneter Höchtl schon berichtet.

Selbstverständlich stehen wir zum Recht auf Religions-, Glaubens- und Gedankenfreiheit. Das ist ein Grundrecht! Aber es gibt bei vielen Gruppierungen Eingriffe in Persönlichkeitsrechte, die nicht hingenommen werden können, denn wer sich auf ein Grundrecht beruft, darf nicht ein anderes verletzen oder vergessen.

Wir von der SPÖ sind daher der Auffassung, daß diese gefährlichen Entwicklungen sehr ernst genommen werden müssen und wir alles tun müssen, um prophylaktisch aufzuklären, aber auch jenen zu helfen, die bereits in solche Fänge geraten sind. Wir müssen daher Ausstiegshilfen anbieten.

Das bedeutet: Wir müssen ein Netzwerk errichten, das alle derzeit bestehenden Beratungsstellen, Service- und Infozentren einzelner Ministerien miteinander verbindet, sowie eine bessere Koordination und Kooperation untereinander ermöglichen, um österreichweit effizient helfen zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. )

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Apfelbeck. Ich erteile es ihr.

10.33

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, stellen sich hier ans Rednerpult und beklagen, wie schlimm Sekten seien. Sie haben anscheinend vergessen, daß Sie in der Regierung sind, also da längst Abhilfe hätten schaffen können. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

In Österreich hat man die Gefahr, die von Sekten ausgeht, einfach unterschätzt – und dies, obwohl immer mehr persönliche und finanzielle Tragödien ans Tageslicht gelangen. Viele dieser Gruppierungen bringen ihre Mitglieder in eine Abhängigkeit, der sie einfach nicht mehr entrinnen können. Leider gibt es bis jetzt nur die Broschüre "Sekten – Wissen schützt", welche sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung ist, aber es wurden von seiten der Regierenden bis jetzt noch keine anderen Maßnahmen gegen diese bedrohliche Entwicklung gesetzt.


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Was sind Sekten? – Es handelt sich zum Teil um Organisationen, die ihre Anhänger fanatisieren, die wirtschaftliche Ziele verfolgen – auch wenn sie sich manchmal "Kirche" nennen – und die die Familie ruinieren.

Wenn Sekten Kinder zum Fasten bringen, ihnen den Schlaf entziehen, ihr Bewußtsein durch Atemübungen trüben, beginnt die Gefährdung der Gesundheit, die Manipulation der Psyche. Und wenn die Beeinflussung dadurch erfolgt, daß eine neue Persönlichkeitsbildung entsteht, darf die Gesellschaft einfach nicht wegschauen. Da hat die Politik Hilfsmöglichkeiten zu schaffen.

Warum geht jemand zu einer Sekte? Wo und wie gerät jemand in eine Sekte? Was kann man gegen eine Sekte tun? Wie wird geworben? Wie gehen Sekten vor? – All das sind Fragen an die Politik.

Warum sind Sekten so gefährlich für den Staat? – Nicht nur, weil sie die Menschen finanziell ruinieren und damit als Steuerzahler vernichten, sondern auch, weil sie Seelenkranke hinterlassen, deren Arbeitsunfähigkeit durch die Gemeinschaft kompensiert werden muß.

Warum sind Sekten aus soziologischen Gründen so gefährlich? – Weil sie bewußt Familienstrukturen aufbrechen, damit in die Keimzelle unserer Gemeinschaft eindringen und diese – einem Krebs gleich – vernichten. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Denn das Ziel der Sekten ist es – Scientology gibt das offen zu –, ihre Mitglieder zu willenlosem Werkzeug zu degradieren.

Warum haben die Sekten Erfolg? – Weil sie scheinbare Beheimatung, Zuwendung, vorfabrizierte, einfache Antworten auf alle Probleme parat haben.

Ein Ausstieg ist fast unmöglich. Dazu benötigt man Beratung, Hilfe und gesetzlichen Beistand gegen Sekten. Ein Aufzählen der Beratungsstellen gegen Sekten ist schön, ist auch medienwirksam, hilft aber den Betroffenen nicht. Sie von der großen Koalition haben jahrelang tatenlos zugesehen, mit Ihrem Nichthandeln haben Sie den Sekten den Boden geebnet, sodaß sie ihre Ideologien verbreiten können. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Für jene, die einmal in die Fänge einer Sekte geraten sind, gibt es kaum ein Entrinnen. Daher ist die Politik sehr wohl gefordert, in diesem Bereich sehr energische Schritte zu setzen. Staatsbürgern, die Familienangehörige an Sekten verloren haben, die ihre Kinder in Gefahr sehen, ist mit einer Broschüre nicht geholfen. Sie brauchen etwas Handfestes, einen Wegweiser, Gesetze – diese fehlen jedoch, weil unsere Bundesregierung den Mut verloren hat, Farbe zu bekennen, Risiko auf sich zu nehmen und entschieden vorzugehen, wie das in Frankreich, in Bayern und zum Teil auch im Deutschen Bundestag geschehen ist.

In diesem Bereich haben Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, Handlungsbedarf! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

10.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

10.38

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht recht, wovon hier eigentlich gesprochen wird. Abgeordneter Höchtl hat zehn Minuten lang davon geredet, daß man nicht tatenlos einem Phänomen zuschauen dürfe, daß man den Menschen sagen müsse, womit sie es zu tun haben. Herr Minister Bartenstein hat gesagt, man könne nicht zulassen, daß Familien erzwungenermaßen getrennt werden. Frau Kollegin Apfelbeck hat gemeint, es gehören Gesetze her, und die Koalition war säumig, weil sie bis heute die Sekten nicht abgeschafft hat. – Ich frage mich: Über wen reden Sie hier eigentlich?

Kollege Amon hat einen kurzen Ansatz versucht – aber wirklich nur einen kurzen Ansatz –, um sich damit auseinanderzusetzen, was eine Sekte eigentlich ausmacht. Bevor man sich hier


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nämlich verbrüdert und davon redet, daß wir alle gegen etwas auftreten müssen, sollten wir darüber nachdenken, wogegen wir eigentlich auftreten wollen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. ) – Sie wissen es? Ich gratuliere Ihnen, das verbindet Sie mit manch anderem. Herr Bischof Krenn fällt mir dabei ein. Auch er weiß genau, was wahr ist. Sie wissen offenbar auch, was wahr ist.

In dieser Broschüre wird versucht, einen Kriterienkatalog aufzustellen, nach dem man Sekten einordnen könne. Ich frage mich, ob Sie über diesen Kriterienkatalog wirklich nachgedacht haben, wenn Sie finden, daß er so klar ist. Da steht nämlich, es müssen hier verschiedene Kriterien zusammentreffen: "die Geschlossenheit der Gemeinschaft, die klaren Grenzen zwischen Anhängern und Außenstehenden, die normierte Lebenspraxis im Inneren". – Da fällt mir vieles ein, da fällt mir nicht nur die eine oder andere Partei ein, da fallen mir vor allem auch anerkannte Religionsgemeinschaften ein. (Abg. Großruck: Da haben Sie ein gestörtes Verhältnis!)

Als nächstes: "die abseitigen und/oder kulturell fremden Ideen" – allein dieser Zusammenhang, der hier ausgedrückt wird, ist bemerkenswert –, "die nicht vermittelbaren Glaubenswelten und Lebensorientierungen, die fanatisch vertreten werden".

Abgesehen davon, daß es natürlich eine Frage der Begriffsdefinition ist, wann etwas fanatisch vertreten wird, frage ich mich wirklich, wer hier entscheidet, was nicht vermittelbar ist. Was ist denn "abseitig" an kulturell fremden Ideen? – Ich gebe schon zu, da steht ein "Und" und ein "Oder", dennoch sind diese Begriffe bewußt in einem Zusammenhang gebraucht. Man darf sich daher nicht wundern, daß zum Beispiel die Buddhisten, eine uralte Religion, in Österreich erst seit kurzem als Religionsgemeinschaft überhaupt anerkannt wurden. Bis dahin waren sie offensichtlich als eine Sekte abqualifiziert.

Dann: "Gemeinschaften, die Konflikte mit der Umwelt, vor allem persönliche Konflikte mit Angehörigen von Mitgliedern, und juristische Konflikte mit Behörden haben". – Das soll ein Kriterium für eine Sekte sein? Ist das Ihr Ernst? – Da kommt also heraus, daß jemand, der aufbegehrt, in unserem Land schon verdächtig ist.

"Die Abhängigkeit der Mitglieder von einer charismatischen Führungsfigur beziehungsweise von einer Hierarchie, die Lehre und Praxis autoritär bestimmen." – Das ist ein gutes Kriterium. Nur trifft es leider nicht nur auf Sekten zu, sondern auch auf andere Organisationen.

Was ich damit sagen will, ist: Sekten sind ein wesentliches Phänomen, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben und gegen das man sozusagen Impfungen erfinden muß. Ich glaube, daß es eine Notwendigkeit für Politiker ist, sich damit auseinanderzusetzen. Nur: Mit solchen Broschüren werden wir es wirklich nicht schaffen, aber auch mit Gesetzen werden wir es nicht schaffen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, wir werden es auch nicht mit einer Religionspolizei, wie sie Kollege Öllinger einmal gefordert hat, schaffen. Das sind Reflexe in die Richtung: Der Staat kann alles richten. – Da seid ihr euch interessanterweise alle einig!

Ich glaube, daß es wohl darum geht, einmal an die Ursachen heranzugehen, warum denn Menschen, insbesondere auch junge Menschen, nach derartigen Haltegriffen, nach derartigen Orientierungszielen suchen. Frau Kollegin Mertel hat gesagt, wir müßten den Menschen etwas zur Hand geben, woran sie sich orientieren können. Glauben Sie nicht, daß es viel sinnvoller ist, kritikfähige Menschen zu erziehen, den Menschen auch das Denken beizubringen, das Hinterfragen beizubringen und die Auseinandersetzung mit Werten zuzulassen? Den Menschen nicht alles vorgekaut hinzulegen, sei das nun in einem konfessionellen Unterricht oder sei das in sonstigen Paketen, und sie dann gerade nur darüber entscheiden zu lassen, ob sie es nehmen oder nicht?

Eine inhaltliche Auseinandersetzung findet überhaupt nicht statt. Und dann glauben Sie, Sie können etwas bewirken, wenn Sie im nachhinein aufklären. Mit der späteren Aufklärung wird es nicht getan sein, wenn man nicht von vornherein selbst in der Lage ist, sich seinen Weg zu suchen.


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Zu dieser Kritikfähigkeit, dieser Denkfähigkeit, dieser Auseinandersetzungsfähigkeit die Menschen zu erziehen, das sollte dieses Parlament beschließen, aber nicht ominöse Aufklärungsbroschüren herausgeben, deren Kriterien mehr als zu hinterfragen sind (Beifall beim Liberalen Forum) und die überdies von einer Selbstgerechtigkeit der christlichen Kultur getragen sind. Das wird spürbar, wenn man sagt, daß es verdächtig ist, wenn etwas von draußen kommt, also fremd ist und daher nicht vermittelbar. Hier kommt zum Ausdruck, wie man jahrhundertelang auch mit christlichen Religionen umgegangen ist. Vergessen Sie nicht, daß auch diese 300 Jahre lang oder länger als Sekten bezeichnet wurden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte sehr.

10.43

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann der Frau Abgeordneten Schmidt schon beipflichten, wenn sie Unbehagen über diese Debatte äußert. Bisher waren viele der Debattenbeiträge tatsächlich dazu angetan, dieses Unbehagen zu verstärken. Ich glaube auch, daß es nicht dienlich ist, sich in einer Auseinandersetzung über Sekten und destruktive Kulte nur deswegen auf die Schulter zu klopfen, weil man eine Broschüre herausgegeben hat. Sie haben eine Broschüre herausgegeben, in der – worauf Sie, Frau Dr. Schmidt, auch hingewiesen haben – nachweislich auch Kriterien enthalten sind, die selbstverständlich nicht nur auf Sekten und destruktive Kulte anwendbar sind, sondern auch auf sehr viele andere Gruppierungen in dieser Gesellschaft. Wir müßten uns also fragen, welch ein Kriterienkatalog das ist. Man wird aber auch fragen müssen, worauf es bei der Auseinandersetzung mit Sekten ankommt.

Wenn Sie mir, Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, vorwerfen, daß ich die Religionspolizei eingefordert habe, dann kann ich Ihnen nur sagen, das war in einer ganz konkreten Auseinandersetzung, in einer ganz konkreten Situation, und dazu stehe ich auch. Es geht nicht darum, eine Religionspolizei in Österreich zu erhalten, mit der allen Sekten und destruktiven Kulten nachgeschnüffelt wird. Es geht nicht darum, sozusagen über Kriterien diese Sekten und destruktiven Kulte zu erfassen, aber es geht sehr wohl in der Auseinandersetzung über Sekten und destruktive Kulte, vor allem über letztere, auch darum, sich klarzumachen, daß es bestimmte Gruppierungen gibt, die in ihrer Einflußnahme auf staatliche, auf gesellschaftliche Institutionen und Gruppierungen schon sehr weit gehen.

Es geht nicht nur darum, daß es das Recht auf Religionsfreiheit gibt und auch weiterhin geben soll, sondern es geht auch darum, den einzelnen vor Übergriffen bestimmter Kulte zu schützen, vor Übergriffen, die dann in der Folge, wenn Menschen zu Opfern geworden sind, dem Staat Beschäftigung geben. Das heißt, den Personen, die dann aus diesen Religionsgemeinschaften, aus diesen Kulten herausfallen, die von ihnen verfolgt werden, auch eine entsprechende Stütze zu bieten, dazu ist der Staat mehr als bisher aufgerufen. Es geht darum, tatsächlich Hilfen zu entwickeln, nicht nur mit einigen hunderttausend oder Millionen Schilling eine Sektenberatungsstelle für ganz Österreich zu finanzieren, die natürlich mit dem Aufwand, den sie treiben kann, völlig überfordert ist.

Ich glaube, der Staat ist tatsächlich gefordert, aber nicht in dem Sinn, Schnüffelpolizei zu spielen. Es gibt Religionsgesetze hier in Österreich, die aus dem 19. Jahrhundert stammen, aus einem Jahrhundert, in dem es das Phänomen dieser modernen destruktiven Kulte und Sekten noch gar nicht gab. Daher wären wir eigentlich aufgefordert, auch unsere Gesetze, unser Verhältnis zu Religionen zu überprüfen. Es haben alle Angst, daß unter Umständen dabei etwas herauskommen könnte, das auch Unruhe und Ärger schaffen könnte, nicht nur bei den kleinen Gruppierungen, sondern auch bei größeren Gruppierungen, daß eine Auseinandersetzung über Religionen auftauchen könnte, die uns herausfordern müßte und eigentlich sollte. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es kann nicht angehen – sosehr ich die Arbeit der kirchlichen Sektenberatungsstellen schätze –, daß der Staat diese Aufgabe an die Großkirchen abgibt. Ich habe das schon einmal dargestellt. Das wäre so, als überprüfte Coca-Cola die Re


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zeptur von Almdudler. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren! Hier ist der Staat gefordert, klare Kriterien zu setzen, und hier sind Sie in der Debatte gefordert, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, wenn Sie sich in allzugroßer Selbstgefälligkeit auf die Schultern klopfen und sagen: Wir haben schon sehr viel erreicht!

Meine Damen und Herren! Es geht nicht nur um diese Sekten und destruktiven Kulte, die kleinen Gruppierungen, es geht um Ausstiegshilfen. Es geht etwa darum, was mir völlig unverständlich ist, daß Angehörige der "Zeugen Jehovas", die aus dieser Gruppierung ausgestiegen sind, nicht einmal Zivildienst leisten können, weil Sie mit Ihrer Gesetzgebung das beispielsweise verhindern. Das wären konkrete Hilfen für Sektenaussteiger. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es geht auch noch um etwas anderes. Es gibt viel gefährlichere Sekten als die kleinen Gruppierungen, auch viel gefährlichere als jene, die in dieser Broschüre erwähnt sind. Es ist etwa ein "Verein für psychologische Menschenkenntnis" nicht erwähnt. Es ist ein Verein wie "Opus Dei" oder das "Engelwerk" nicht erwähnt. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Diesbezüglich kann man gerade in dieser Woche wieder im "profil" lesen: "Opus Dei – eine gefährliche Sekte". Es wäre notwendig gewesen, auch darüber zu sprechen, sich auszusprechen, was sich auch im Bereich von Großkirchen tut.

Ich weise Sie auch darauf hin: Es gibt gefährliche Sektierer, die Anbeter des Goldenen Kalbes – so würde ich sie nennen –, die keinen Wert ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... die keinen Wert außer dem des Geldes kennen, die keine anderen sozialen Werte kennen, die dazu führen (Abg. Mag. Stadler: Pius Strobl!) , daß nur das Geld zählt und daß diese Jugend, die Sie vor den Sekten schützen wollen, genau in die Arme dieser Sekten getrieben wird. (Beifall bei den Grünen.)

10.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Sie hat das Wort.

10.49

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse das Mienenspiel und auch die Gestik der Frau Abgeordneten Motter verfolgt, denn vor einigen Jahren war sie noch selbst Unterzeichnerin eines Entschließungsantrages, endlich etwas gegen Sekten zu unternehmen. Ich kann mich erinnern, sie war auch beim damaligen Hearing dabei. Einer der Forderungspunkte, den Sie hier mit unterschrieben haben, war die Herausgabe einer Aufklärungsbroschüre gegen Sekten, was hiermit ja getan wurde. (Abg. Dr. Haselsteiner: Objektiv und machbar! – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Frau Abgeordnete und Vorsitzende des Liberalen Forums! Ich habe Ihren Einstieg in Ihre Rede als grob fahrlässig verstanden, wenn es darum geht, Jugendliche und Erwachsene vor den neuen Gefahren unserer Zeit zu schützen. Ich glaube, daß das eine der wesentlichsten Bedrohungen ist, und Ihre Verharmlosung hat mich fast dazu gebracht, Sie in Richtung Verbündete einzuordnen. Sie haben schließlich einige Sätze gesagt, wo ich dann zur Meinung kam, daß dem nicht so wäre. Dennoch, so finde ich, war Ihre Rede von Verantwortungs- und Standpunktlosigkeit gekennzeichnet. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über Sekten und neue Kultobjekte reden, dann kann man sagen: Sie alle haben etwas gemeinsam. Sie beschneiden die Freiheit des einzelnen, seine Selbständigkeit, und sie üben streng hierarchisch strukturiert Macht und Kontrolle über ihre Mitglieder aus. Niemand würde aufgrund dieser angeführten Charakteristika freiwillig einer solchen Gruppierung beitreten oder sich ihr anschließen.


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Wir müssen uns heute schon fragen, warum dann ein derart großer Zuspruch besteht. Sicherlich liegt diese Zunahme bei den Sekten in der heutigen Zeit auch in den Bedürfnissen der heutigen Zeit, in der Suche nach Halt, nach Zuversicht, nach Angenommen-Sein, nach Geliebt-Werden, nach Hilfe und nach Gemeinschaft. Es muß uns in dieser Stunde auch zu denken geben, ob wir nicht präventiv alle auffordern sollten, sich in der Familie intensiver um die anderen Familienmitglieder zu kümmern und ihnen zu zeigen, daß man sie mag, und ihnen zu zeigen, welche Chancen man ihnen einräumt und welche Gefühle man ihnen entgegenbringt.

Die Schnellebigkeit der Zeit bringt oft Zukunftsangst. Das Nicht-Mitkönnen bringt Suche nach Orientierung. Und hier werden diese Gruppierungen oft als günstigstes Mittel oder als Problemlösung gesehen, weil sie ihre Ziele, den Halt so klar anbieten. Und genau dort liegt die Falle!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fälle, die uns zu denken geben sollten: auf der einen Seite, vom Baby beginnend, das sogenannte Keilen des Jugendlichen, letztendlich auch das Verwalten des jugendlichen Schicksals und die Chancenlosigkeit, auszusteigen. Selbst wenn viel Hilfe kommt, ist das nur in den wenigsten Fällen möglich. Zurück bleibt ein gebrochener junger Mensch, meist auch wirtschaftlich und psychisch ruiniert.

Aber auch die Erwachsenen werden oft unter dem Vorwand von Bildung, Ausbildung und mehr Chancen in Beruf und Gesellschaft zu Kursen gelockt und in finanzielle Nöte getrieben, die letztendlich – wie auch das Beispiel in Lyon zeigt, das dann zur Verurteilung geführt hat – im Selbstmord enden können. Das Schicksal der Anverwandten und der Familien muß uns im besonderen Maße etwas angehen und ans Herz gehen. Deshalb müssen wir helfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir fühlen uns auch von der Österreichischen Gesellschaft für Menschenrechte unterstützt, die hier einige Beispiele aufzeigt. Einiges wurde schon genannt, etwa der Fall mit den Babies, aber auch die Sekte der "Sahaya Yoga", die empfiehlt, Kinder ins Ausland zu verschleppen – wir haben den Fall einer Mutter in der Sendung "Zur Sache" gesehen. Die Gerichte in Österreich, so glaube ich, haben hier ein besonderes Sensorium und eine vernünftige Sprachregelung gefunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen auf verschiedenen Schienen arbeiten. Das Wichtigste aber ist, Hilfe anzubieten, auf der einen Seite aufzuklären, damit man nicht in diese Falle tappt. Das gilt für Erwachsene und für Kinder. Auf der anderen Seite – und dafür ist diese Sektenbroschüre sehr wichtig – aber müssen wir alles tun, um diesen Menschen, die sozusagen in dieses Schicksal hineingestrudelt sind, aktiv zu helfen und sie wieder in die Gesellschaft zurückzuführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Brigitte Tegischer. – Bitte sehr.

10.54

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte dieses Thema der heutigen Aktuellen Stunde aus der Sicht der Jugendsprecherin der SPÖ und als langjährige Jugendbetreuerin beleuchten.

Daß sich immer mehr Menschen, besonders junge Menschen, zu pseudoreligiösen Gruppierungen hingezogen fühlen, ist für mich kein überraschender Trend. In Zeiten des raschen gesellschaftlichen Wandels tauchen immer verstärkt Ängste und Unsicherheiten auf, und besonders bei Jugendlichen kommen dann noch die Faktoren dazu, daß sie in einer Entwicklungsphase stehen, daß sie sich vom Elternhaus lösen wollen, daß sie nach neuen Bezugspersonen und Vertrauenspersonen suchen, daß sie enttäuscht sind über unsere Gesellschaft, über den vorherrschenden Materialismus, über die Gefühlskälte, über den Egoismus und über die Hektik, die rund um sie herrscht, und daß sie vor allem das Bedürfnis – das haben wir alle – nach einem tieferen Sinn des Lebens haben, den sie verstehen wollen. Kommen Faktoren einer zerrütteten Familie mit all den Problemen noch dazu und sind einige Faktoren bei jungen Menschen besonders gravierend, dann sind sie sektengefährdet.


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Junge Menschen schließen sich einer Sekte oder einer Weltanschauungsgruppe an, weil diese meistens genau für jene Probleme schnelle Lösungsmöglichkeiten und Rezepte anbieten, und weil sich die jungen Menschen dadurch Erleichterung und Befreiung erhoffen.

Das Gefährliche an Sekten ist, daß sie vorwiegend folgende menschliche Bedürfnisse ansprechen: das Bedürfnis nach Zuwendung und Aufmerksamkeit, das Bedürfnis nach Gebraucht-Werden, nach Nützlich-Sein, daß man seine kreativen Fähigkeiten ausleben kann, daß das Selbstwertgefühl gestärkt wird, Zusammengehörigkeitsgefühl, aber auch Macht zu haben über andere, allwissend zu sein und das Bedürfnis, sich nach überschaubaren Lebensmodellen orientieren zu können. All jene Dinge und Bedürfnisse versuchen Sekten oder eben solche Gruppierungen abzudecken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie werden mir sicherlich zustimmen, daß sich jeder und jede von uns von einem oder mehreren Bereichen, die ich genannt habe, angesprochen fühlt. Ich halte es für legitim, wenn der einzelne Bürger und besonders junge Menschen versuchen, Lösungen herbeizuführen, Lebensglück und Lebenssinn anzustreben.

Wir Politiker sind daher aufgerufen, möglichst weitreichende Maßnahmen zu setzen und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit junge Menschen keinen Grund haben, von der Gesellschaft derart enttäuscht zu sein, daß sie ihr den Rücken zukehren und sich einer sektenähnlichen Gruppierung anschließen.

Ein sehr wichtiger Schritt ist diese Broschüre. Aber weitere Schritte sind Aufklärungsaktionen an Schulen, in Eltern- und Familienberatungsstellen – meine Anregung: auch in Jugendzentren und Jugendtreffs. Die Betreuer sind eben oft Vertrauenspersonen für Jugendliche. Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage, daß Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützt werden sollen, daß man ihnen Hilfestellung für ihre Probleme bieten soll, damit sie Perspektiven für ihre Zukunft finden. Man soll ihre Fähigkeiten erkennen, ihre Kreativität fördern und Maßnahmen setzen, durch die Jugendliche ihr Selbstbewußtsein und ihr Selbstwertgefühl steigern beziehungsweise erreichen können, durch die sie die Möglichkeit haben, unmittelbar ihre Umgebung mitzugestalten. Sie dürfen nicht fremdbestimmt werden. Man muß lebensnahen Unterricht in Schulen machen und für eine gute Betreuung in Jugendzentren und für ihr dortiges Mitspracherecht sorgen.

Zum Schluß kann noch jeder von uns als Politiker einen Beitrag dazu leisten: Viele Kinder und Jugendliche sind enttäuscht von uns Politikern, von uns Volksvertretern. Nach Aussagen von Jugendlichen sind sie enttäuscht, weil sie der Meinung sind, daß Politiker nicht ehrlich sind, daß wir nur Versprechungen machen, die wir nicht halten können, daß wir uns nur vor der Wahl ans Volk wenden, daß wir uns zuwenig für eine sozial gerechte, saubere und lebenswerte Umwelt einsetzen.

Meine Damen und Herren! Aufklärung über Sekten ist wichtig, aber alle Maßnahmen, die ich aufgezählt habe, und unser eigenes Verhalten als Politiker, unser Verständnis für die Probleme unserer Mitbürger sind vorbeugende Schritte, damit sie uns nicht den Rücken kehren. Wir haben viel zu tun, um unserer Jugend zu beweisen, daß wir und nicht irgendeine Sekte ihnen die Voraussetzungen dafür schaffen können, daß sie mit Freude und Zuversicht in unserem Österreich leben können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, dem Liberalen Forum und den Grünen.)

11.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé.

11.00

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Da meine Vorredner schon die Gefährlichkeit der Sekten angeschnitten haben und auch die Tragik des Schicksals jener Menschen, die solchen Sekten verfallen sind, möchte ich mich jetzt nur mit einzelnen Wortmeldungen auseinandersetzen.

Zu den Ausführungen von Frau Dr. Schmidt: Natürlich ist es wichtig, daß wir uns mit den Hintergründen befassen, warum eigentlich in zunehmendem Maße insbesondere junge Menschen


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Sekten verfallen. Ich glaube aber nicht, daß ihre Meinung richtig ist, wenn man kritikfähige Menschen erzieht, könne man Menschen davor bewahren, einer Sekte zu verfallen. Ich glaube auch nicht, daß es der Jugend heute daran mangelt, Gelegenheit zu haben, etwas zu hinterfragen. Ich glaube auch nicht so wie Sie, daß aufgrund dessen, daß keine Auseinandersetzungen stattfinden, die Jugendlichen das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden, sondern ich glaube, ganz im Gegenteil, daß es noch nie eine Zeit gab, in der eine solche Informationsmöglichkeit vorhanden war.

Ich glaube, daß die Menschen, die jungen Menschen, noch nie soviel Möglichkeit hatten, sich generell mit allem auseinanderzusetzen, alles zu hinterfragen. Ich glaube aber, daß es keine Zeit gab, in der Werte sowenig Bedeutung hatten wie derzeit. Ich glaube, das ist die Ursache. Es werden sämtliche traditionellen Werte hinterfragt, und es gibt nichts mehr, woran sich die Jugendlichen und die Menschen halten können. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, das ist ein wesentlicher Grund, warum derzeit ein solcher Zustrom zu den Sekten stattfindet.

Es wurden alle Autoritäten vom Sockel geworfen, und zwar die Autorität im positiven Sinn, ich meine damit die Familie, die Eltern und so weiter als positives Vorbild. All das ist heute nicht mehr relevant, und deshalb glauben die Jugendlichen oder die Menschen überhaupt, in einer völligen Unsicherheit zu leben oder fühlen so.

Den Menschen ist die Orientierung abhanden gekommen, sie wissen nicht mehr, wonach sie ihr Leben ausrichten sollen. Es fehlt ihnen der Sinn, und deshalb suchen manche den Sinn des Lebens in einer Sekte, denn dort wird ihnen gesagt: Wir wissen, wo es langgeht. Dort gibt es nämlich die Autoritäten, die sagen, wir wissen genau, wie du leben mußt, damit du glücklich wirst. Und dann verfallen diese Menschen diesem verhängnisvollen Irrtum und ergeben sich den Zielen der Sekte bedingungslos.

Was wir tun müssen, ist, den Jugendlichen und den Menschen die Wichtigkeit der Werte wieder nahezubringen, beispielsweise wie wichtig eine positive Autorität ist.

Jetzt ist es leider Gottes so, daß alles nur abgeräumt wird, alle traditionellen Werte werden weggeräumt, und es wird an deren Stelle nichts mehr Neues hingestellt, und deshalb glaubt der Mensch, er schwebt im luftleeren Raum.

Ich bin auch nicht mit dem Verlauf dieser Diskussion zufrieden. Ich finde es schon gut, daß es diese Broschüre gibt, aber laut ÖVP gibt es nichts Besseres als diese Broschüre. Und das stimmt natürlich nicht. Wenn Frau Mertel sagt, es liegt ein ungeheurer Erfolgsbericht vor, seit 1994 gibt es immerhin eine Arbeitsgruppe, die Frau Ministerin Gehrer ins Leben gerufen hat, und nun diese Broschüre, dann, finde ich, ist das herzlich wenig, was man der Arbeit der Sekten entgegenstellt.

Die Broschüre sagt beispielsweise: Wenn die persönliche Freiheit eingeschränkt wird, dann greift der Staat zum Schutz der Bürger ein, und es werden verschiedene Instrumente geschaffen, die der Rechtsstaat vorsieht. In Wirklichkeit, Herr Minister, gibt es überhaupt kein Instrument des Rechtsstaates, sondern es gibt nur diese Informationsstellen. Es ist zum Beispiel wichtig – ich glaube, das wird auch Frau Dr. Schmidt zugeben –, sich über die Tätigkeit der Sekten zu informieren und Gegenstrategien zu entwickeln. Das Sektenreferat der Bundespolizeidirektion Wien hat vier Beamte, und es ist bisher überhaupt nichts geschehen, um dort aufzustocken. Die Beamten können jetzt nur sichten und einmal schauen, was es eigentlich an Sektenwesen gibt, aber sie können nicht einmal irgendwelche Observationen durchführen.

Die interministerielle Kommission, die schon seit langem angeregt wurde, gibt es ebenfalls nicht. Die Arbeitsgruppe ist, wie ich höre, ebenfalls nur eine Alibihandlung.

Herr Minister! Daß Ihnen trotz der Broschüre das Sektenwesen kein großes Anliegen ist, muß ich leider daraus ersehen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich komme schon zum Schluß –, daß Sie erst jetzt, nachdem unsere Kollegin Apfelbeck eine Enquete zur Bekämpfung des Sektenwesens im Parlament im Jänner organisiert hat, aktiv geworden sind. Erst jetzt haben Ihre Abgeordneten diese Aktuelle Stunde angeregt, und Sie haben eine Woche


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später eine Enquete im Parlament angeregt. Das ist wirklich sehr blamabel, und ich hätte mir erwartet, daß Sie diesbezüglich schon ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit beachten!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): ...  ein bißchen konstruktiver vorgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte sehr.

11.06

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Beginn meiner Ausführungen möchte ich unmittelbar auf die Ausführungen von Rosemarie Bauer antworten. Wenn meine Kollegin Motter der Meinung war, es wäre nützlich, wenn Aufklärungsmaterial veröffentlicht würde, dann muß ich sagen, daß ich in diesem Ausspruch überhaupt keinen Widerspruch zu den Ausführungen meiner Klubobfrau sehe, die sich in einer bestimmten Weise dem Thema genähert hat, indem sie aufgezeigt hat, daß es Defizite im Bereich der Aufklärung, in dem Feld, von dem wir heute reden, gibt. Daher glaube ich, Frau Kollegin Bauer, daß das eine mißlungene Redevorbereitung war. Sie haben offenbar die Anliegen von Kollegin Motter nicht hinlänglich hinterfragt, und außerdem – das war wahrscheinlich auch im rhetorischen Aufbau Ihrer Rede so vorgesehen – haben Sie es gebraucht, um meiner Klubobfrau den Vorwurf machen zu können, sie sei eine wertlose Gesellin. Denn wenn Sie unterstellen, daß jemand, der zu diesem Thema skeptische Anmerkungen macht, keine Werte vertritt – gerade der Umstand, daß er das tut, ist eine Form des Vertretens von Werten –, dann muß ich das ganz scharf zurückweisen (Beifall beim Liberalen Forum), denn nur dann, wenn man die Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt, der Mensch in seiner Würde im Mittelpunkt steht, kann man sich diesem Thema mit der richtigen Distanz und dem richtigen Gefühl nähern.

Es gibt zwei Ebenen, auf denen das Problem läuft: die rationale Ebene – Aufklärung – und die emotionale Ebene – Beziehungsstrukturen. In beiden Feldern haben wir in unserer Gesellschaft schwere Defizite, und diese Defizite wohnen in den Familien. Wir haben ein Problem in den Beziehungsstrukturen, und wenn die Beziehungsstrukturen so schlecht sind, wie sie manchmal sind – auch als Folge von Armut und sozial desolaten Verhältnissen –, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn freundliche Verführer erfolgreich sind.

Daher bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß es überhaupt nur möglich ist, sich hier skeptisch und konstruktiv dem Thema zu nähern, wenn man Werte vertritt. Der politische Liberalismus hat in diesem Bereich viel erkämpft, zum Beispiel die Religionsfreiheit, die Gewissensfreiheit und die Glaubensfreiheit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sind nicht glücklich, wenn mit dem Vehikel Religionsfreiheit teilweise auch Mißbrauch betrieben wird. Aber es ist die Frage zu stellen: Warum ist das so? – Wir haben im 19. Jahrhundert endlich das Prinzip "Cuius regio, eius religio" – wer herrscht, bestimmt die Religion – überwunden und haben ein Lizenzierungssystem eingeführt, ein System zugelassener Religionsgemeinschaften, wo neben die ursprüngliche Staatsreligion dann sukzessive einzelne Religionen getreten sind. Wir haben sozusagen beschränkte Lizenzen ausgestellt. Ich frage Sie: Ist es notwendig, am Ende des 20. Jahrhunderts für Religionsgemeinschaften überhaupt Lizenzen auszustellen? Ist das überhaupt notwendig, oder kann ich nicht auch positive Definitionen statt negativer machen?

Daher sage ich Ihnen, der Begriff der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft setzt voraus, daß es auch nicht staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften gibt. Und damit begehen Sie einmal grundsätzlich den ersten Denkfehler im System, weil das, was uns hier beschäftigt und weswegen solche Broschüren, wenn sie nur besser gemacht wären, günstig wären, betrifft nicht Fragen der Religion, sondern Fragen des Mißbrauchs von Beziehungsstrukturen, des Mißbrauchs von Instrumenten, wie zum Beispiel der Psychologie oder auch psychotherapeutischen Methoden, die da mißbraucht werden. Das sind möglicherweise – wahrscheinlich sogar – straf


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rechtsrelevante Tatbestände. Daher hat eine klarere Abgrenzung über das Strafrecht zu erfolgen, aber im Hinblick auf die Tatbestände. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher sage ich Ihnen, wir haben auf der rationalen Ebene eindeutig ein Versagen der Schulen festzustellen, weil wir in unseren Schulen die inhaltliche Auseinandersetzung mit Werten eliminiert haben. Es gibt keine Ideologiekritik als Fach, es gibt keine politische Bildung, es gibt keine Auseinandersetzung mit ethischen Positionen – es gibt zum Beispiel keinen Ethik-Unterricht. Wir haben ausschließlich eine kleine Nische – die nennen wir Religionsunterricht –, und das ist zu allen Zeiten Mission. Das soll schon sein, aber das ist Mission und keine kritische Auseinandersetzung mit Werten.

Auf den Beziehungsebenen tun wir überhaupt nichts! Wir machen zum Beispiel keine wirklich auf Beziehungsstrukturen hin orientierte Familienpolitik.

Daher: Wenn Sie hier Kriterien für Sekten aufstellen und dabei ein wichtiges Kriterium vergessen – zum Beispiel, daß sich so etwas, wie Sie es hier beschreiben, menschenrechtskonventionswidrig verhält, indem zum Beispiel Frauendiskriminierung als statutarisches Merkmal betrieben wird –, wenn Sie das also nicht drinnen haben, dann fürchten Sie sich offenbar davor, daß Sie einer großen anerkannten Religionsgemeinschaft an den Wagen fahren, die nämlich Frauendiskriminierung betreibt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher bitte ich Sie: Seien Sie nicht so einäugig beim Verfassen solcher Broschüren! Auch das Bundesheer ist beschrieben als eine Organisation, die man Sekte nennen könnte; das haben Sie sicher nicht gemeint! Daher bitte ich Sie herzlich: Gehen Sie mit Redlichkeit und nicht mit vorgefaßten Meinungen an solche Dokumente, dann werden sie wertvoll sein, und machen Sie – mein Schlußsatz – nicht einen Denkfehler: daß Sie mit einer einzelnen Broschüre das Versagen der Schule ersetzen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

11.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.

11.12

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich ist es immer eine Gratwanderung, zwischen positiver, nicht abzulehnender Ausübung von Religion, Religionsfreiheit, notwendiger Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und dem Warnen vor negativen und destruktiven Tendenzen zu differenzieren. Es ist eine Gratwanderung! Wir können nur anhand von Kriterien vorgehen, und da wird es immer eine Grauzone geben.

Ich denke, vieles ist schon gesagt worden. Ich kann in vielem auch Abgeordnetem Kier beipflichten. Ich meine auch, daß vieles, was hier in der Sektenbroschüre genannt ist, in Wahrheit weder primär eine Religionsgemeinschaft noch eine Sekte ist, sondern daß etwa Institutionen wie Scientology ganz gefinkelte Wirtschaftskonzerne sind, die mit psychologischen Methoden Menschen in Abhängigkeit bringen und finanziell ausbeuten. Und das gelingt ihnen leider auch.

Ich pflichte auch jenen bei, die dieser Broschüre Einseitigkeit vorwerfen. Ich glaube auch, sie ist einseitig – obwohl es richtig ist, einzelne Gruppierungen zu nennen: Man soll nur gefährliche Gruppierungen ansprechen. Und für mich ist ein Gradmesser auch, mit wieviel Beschwerdefällen ich konfrontiert bin. Es gibt aus dem Bereich der anerkannten Kirchen- und Religionsgemeinschaften – so falsch man ihre Lehren da oder dort auch finden mag – relativ wenige Fälle von Berichten, die jedenfalls zu mir dringen, wo Menschen an den Rand ihrer Existenz gebracht werden, wo Familien zerrüttet und Menschen in Verzweiflung gestürzt werden.

Aber, Herr Bundesminister, diese Broschüre ist tatsächlich einseitig. Gerade im Bereich rechter und rechtsextremer Gruppierungen gibt es immer mehr Berührungspunkte zu rechten Psychosekten, von denen ich glaube, daß sie nicht nur Individuen in Gefahr bringen, sondern möglicherweise auch schon drauf und dran sind, staatliche Institutionen zu unterwandern und zu gefährden. Hier kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie gewisse Bereiche ausgeblendet haben. Ich denke, man soll auch diese Institutionen, auch wenn sie im Nahbereich – oder


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vielleicht gerade wenn sie im Nahbereich – von anerkannten Kirchen- und Religionsgemeinschaften stehen – auch jener Kirche, zu der ich mich bekenne –, nicht ausschließen. Denn wenn wir die Randbereiche nicht wirklich eindeutig sauberhalten, wenn nicht auch wir, die politischen Parteien, den Mut haben, das anzusprechen, dann entstehen wirklich große Gefahren. (Beifall bei den Grünen.)

Ich nenne in diesem Zusammenhang das Engelswerk, Opus Dei, ich nenne aber auch den VPM, den Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis, in dem ehemalige leitende Funktionäre der ÖVP wie ein Professor Prantner immer wieder mit Hetzreden, mit Hetzschriften auftreten. Bei dieser Vereinigung treten auch immer wieder Redner wie Herr Knüter auf, die eindeutig zu neonazistischen Gruppen Kontakt haben, etwa zur freiheitlichen Arbeiterpartei in Deutschland. Das sind gefährliche Bereiche, und die sind in Ihrer Broschüre gänzlich ausgeblendet.

Ich halte den VPM für eine faschistoide Organisation, die sich auch ganz gefährlicher Praktiken, wie etwa des Bespitzelns ihrer Gegner, bedient, und so etwas gehört unbedingt in eine Sektenbroschüre hinein. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Letztes: Frau Abgeordnete Tegischer hat von den Wurzeln der Sektengefahren gesprochen, und ich gebe ihr recht. Es ist wohl eine Überbetonung des Materialismus, eine Gefühlskälte in dieser Gesellschaft, es ist aber auch die Frage, was wir dagegen tun, was auch beispielsweise die Sozialdemokratie dagegen tut, was die Gewerkschaften dagegen tun. Hält das soziale Netz noch, oder müssen sich wirklich viele Menschen alleingelassen fühlen – die Alleinerzieherinnen, die weniger gut Ausgebildeten, jene, die vielleicht ihren Arbeitsplatz schon verloren haben? – Ich glaube, wir tun hier zu wenig!

Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Es geht nicht darum, das Hinterfragen von alten Werten zu verbieten oder zu ächten, nein, junge Menschen müssen immer alles hinterfragen, aber wir sollten zu einem neuen Konsens kommen! Es geht auch um einen neuen sozialen Konsens. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zu meinem Schlußsatz. Eines ist wohl am schärfsten anzuprangern: Wenn leitende, führende Politiker der ÖVP hinsichtlich etwa der Feiertage schon solche Rechnungen anstellen – ein Feiertag ist 3 Milliarden Schilling –, wie das Herr Maderthaner getan hat, dann frage ich: Wer sind denn die Hohenpriester dieser Megasekte Mammon? (Beifall bei den Grünen.)

11.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit erkläre ich die Aktuelle Stunde für beendet. Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung auf die im Saal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1597/J bis 1602/J.

Berichtigung zur Anfrage: 1539/J.

2. Anfragebeantwortungen schriftlicher Anfragen: 1300/AB bis 1343/AB.

Anfragebeantwortungen mündlicher Anfragen: 1/ABM bis 7/ABM.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (504 der Beilagen);


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Zurückziehung:

Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG 1993) geändert wird (399 der Beilagen);

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 20 betreffend "Initiative 96 Entschuldung", überreicht vom Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer;

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Verfassungsausschuß:

Petition Nr. 10 betreffend "Stop der Gesetzesflut", überreicht vom Abgeordneten Ing. Leopold Maderthaner;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die rechtliche Stellung der österreichischen Bediensteten der Europol-Drogenstelle (426 der Beilagen);

Finanzausschuß:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen (365 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Budgetausschuß:

Förderungsbericht 1995 der Bundesregierung (III-65 der Beilagen);

Finanzausschuß:

Erster Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß dem Katastrophenfondsgesetz 1996 betreffend die Fondsgebarung im Jahr 1995 (III-64 der Beilagen);

Kulturausschuß:

Kunstbericht 1995 der Bundesregierung (III-66 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der Grünen hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, die schriftliche Anfrage 1603/J


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der Abgeordneten Öllinger und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Armut in Österreich dringlich zu behandeln.

Ich werde diesem Verlangen stattgeben und die Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufrufen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1335/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß das gemäß § 92 GOG gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1335/AB zur Anfrage 1306/J der Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen betreffend Geldgeschenke versus Sparpaket ebenfalls durch den Herrn Bundeskanzler abzuhalten.

Da soeben für die heutige Sitzung die Durchführung einer Dringlichen Anfrage und deren Besprechung festgelegt wurde, wird diese Besprechung der Anfragebeantwortung nach dem Ende der Debatte über die Dringliche Anfrage stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 3 und 4 sowie 5 bis 7 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Durchführung der Debatten in folgender Weise erzielt: Es wird eine Tagesblockredezeit von insgesamt acht "Wiener Stunden" festgesetzt, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ: 120 Minuten, ÖVP: 112 Minuten, Freiheitliche: 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne: je 72 Minuten.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit hat der Nationalrat diesem Vorschlag zugestimmt.

1. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (497 der Beilagen): Abgabenänderungsgesetz 1996 (552 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (498 der Beilagen): EU-Abgabenänderungsgesetz (553 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Ein Verlangen nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor. Damit können wir sogleich in die Beratungen eingehen.

Erster Redner ist Abgeordneter Rosenstingl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

11.21

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute unter anderem die Änderung der Kraftfahrzeugsteuer. Sie


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wissen, daß man gezwungen ist, die Straßenbenützungsabgabe zu reduzieren. In Österreich wird leider ein falscher Weg gegangen: Man erhöht im Gegenzug die Kraftfahrzeugsteuer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Diese Maßnahme ist kurzsichtig, wirtschaftsfeindlich und bedeutet eine schwere Belastung für die betroffenen Unternehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer steht in keinem Zusammenhang mit verkehrslenkenden Maßnahmen. Diese Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer bringt keine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Diese Änderung der Kraftfahrzeugsteuer ist eine einseitige Belastung der österreichischen Unternehmer, während ausländische Transporteure in Österreich bevorzugt werden.

Die Regierungsparteien haben auch im Ausschuß immer wieder von fairem Wettbewerb gesprochen, von fairem Wettbewerb im Transportgewerbe. Jedoch genau das Gegenteil wird damit erreicht. Es wird kein fairer Wettbewerb, sondern es werden Wettbewerbsnachteile für die österreichischen Transportunternehmer geschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer ist die schwerste Benachteiligung inländischer Unternehmer, die es jemals im Bereich des Straßenverkehrs gegeben hat. Sie trifft ausschließlich österreichische Unternehmer. Und Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, zeigen damit, daß Ihnen die Wünsche und Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher nicht am Herzen liegen. Sie schaffen Gesetze, die für Ausländer in Österreich von Vorteil sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Erhöhung ist schwer wettbewerbsverzerrend. Auch Sie von den Regierungsparteien werden zur Kenntnis nehmen müssen, daß ab 1. Jänner 1997 die volle Liberalisierung im Transportverkehr eintreten und daher auch in Österreich Kabotage erlaubt sein wird. Daher können ausländische Frächter im innerösterreichischen Verkehr mit geringeren Fixkosten anbieten als die österreichischen Frächter. Wenn das für Sie gerecht ist, dann weiß ich nicht, warum Sie im österreichischen Parlament sitzen! Sie gehören vielleicht in ein ausländisches Parlament, aber nicht ins österreichische Parlament! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den Sozialdemokraten ist das ja verständlich, die Sozialdemokraten haben noch nie eine österreichfreundliche Wirtschaftspolitik betrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jedoch wundert es mich, daß die ÖVP dieser Erhöhung zustimmt. Außerdem finde ich es sehr bezeichnend, daß bei dieser Diskussion weder Abgeordneter Maderthaner noch Abgeordneter Stummvoll im Saale ist. Diese beiden Vertreter der Wirtschaftskammer sind umgefallen wie nie zuvor, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Wirtschaftskammer ist zu Beginn gegen die Erhöhung aufgetreten. Wie immer ist auf halbem Weg jedoch die ÖVP umgefallen, wie immer hat die ÖVP einem Kompromiß zugestimmt, der in diesem Bereich kein Kompromiß ist. Die österreichischen Frächter sind unter Druck und werden immer mehr unter Druck geraten. Dieser Kompromiß, Herr Abgeordneter Stummvoll, ist der schlechteste Kompromiß, den Sie im Interesse der österreichischen Wirtschaft eingehen konnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, daß einzelne Spitzenfunktionäre des Transportgewerbes und auch der Wirtschaftskammer sagen: Na ja, wir können uns schon damit abfinden. – Nur: Das sind die ÖVP-Funktionäre. Das sind nicht die betroffenen Transportunternehmer, das sind nicht jene Leute, die die Zwangsbeiträge an die Wirtschaftskammer zahlen und sich eigentlich erwarten könnten, Herr Kollege Lukesch, daß die Wirtschaftskammer die Interessen der österreichischen Unternehmer vertritt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Kollegen Maderthaner, Stummvoll und viele andere auch müssen sich endlich einmal entscheiden, ob sie regierungstreue, regierungshörige Abgeordnete sein wollen oder ob sie in diesem Haus auch die Interessen der Unternehmer vertreten wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Kollege Maderthaner! Herr Kollege Stummvoll! Wenn Sie glauben, die Regierungskoalition gehe über alles, dann räumen Sie Ihre Sesseln in der Wirtschaftskammer! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Puttinger! Die Mitglieder der Wirtschaftskammer haben aufgrund der hohen Belastung durch die Zwangsbeiträge das Recht, daß ausschließlich ihre Interessen vertreten werden. Das sollten Sie endlich in diesem Haus auch machen und nicht immer vor dem sozialistischen Regierungspartner in die Knie gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie müssen endlich lernen, auch hier in diesem Haus Profil zu zeigen. Die ÖVP sollte endlich lernen, auch gegenüber dem Regierungspartner Profil zu zeigen. Sie sollten nicht immer aus lauter Angst vor einem Koalitionskrach wirtschaftsfeindliche Maßnahmen setzen. Ich glaube, die Unternehmer und alle, die Sie hier im Nationalrat wie auch in der Wirtschaftskammer gewählt haben, haben das Recht, daß Sie für die Interessen dieser Leute eintreten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Ihrer Politik werden Sie erreichen, daß es im Transportbereich ein erhöhtes Unternehmenssterben geben wird. Sie werden damit weitere Arbeitsplatzverluste provozieren, obwohl dieser Bereich ohnehin bereits von sehr hohen Verlusten bedroht ist und es schon viele Verluste gegeben hat. Sie werden außerdem eine Zunahme der Zahl österreichischer Lkws im Ausland erreichen. Ich verweise diesbezüglich auf Luxemburg: Es gibt schon jetzt Lkws, die in österreichischem Eigentum stehen, jedoch im Ausland angemeldet sind. Es kann nicht Ziel dieses Hauses sein, daß man Anmeldungen im Ausland begünstigt. Auch aus diesem Grund ist diese Maßnahme abzulehnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausschußfeststellung, die Sie eingebracht haben, ändert überhaupt nichts an dieser Benachteiligung österreichischer Unternehmer. Diese Ausschußfeststellung verschlechtert sogar teilweise die Situation für die österreichischen Unternehmer. Road-Pricing hebt nämlich die Kosten für Transporteure an, und Road-Pricing darf, wenn überhaupt, nur im EU-Gleichklang eingeführt werden. Von einem EU-Gleichklang steht in Ihrer Ausschußfeststellung jedoch überhaupt nichts. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. ) Wenn man überhaupt von Road-Pricing spricht, dann ist es nur sinnvoll, es im EU-Gleichklang einzuführen und nicht wie Österreich in diesem Bereich vorzupreschen. Auch aus diesem Grund ist diese Ausschußfeststellung abzulehnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie von der Regierungskoalition betreiben eine verantwortungslose, eine wirtschaftsfeindliche, eine arbeitsplatzgefährdende Politik. Die ÖVP hat wieder einmal gezeigt, daß sie als Wirtschaftspartei endgültig abgetreten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Er hat das Wort.

11.29

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident, Hohes Haus! Ich kenne den Kollegen Rosenstingl vom Ausschuß eigentlich als einen durchaus besonnenen Kollegen (Abg. Dr. Stummvoll: Manchmal!), aber ich muß sagen, ich war wirklich geschockt, als Sie vorhin – es wurde ja mitgeschrieben – von diesem Pult aus gesagt haben, die Sozialdemokraten hätten noch nie eine österreichfreundliche Wirtschaftspolitik betrieben. Herr Kollege Rosenstingl! Das nehmen Sie ja selbst nicht ernst! Es ist ja ganz offensichtlich, daß Sie durch starke Worte versuchen, eine inhaltliche Diskussion zu vermeiden. Das ist reine Polemik, das ist Selbstausgrenzung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war ja auch ganz typisch, daß Sie peinlichst vermieden haben, irgendwelche eigenen Vorschläge zu bringen. Oder soll ich das so interpretieren, daß Sie fordern: Wir wollen eigentlich überhaupt die Anrechnung der Kosten des Straßenverkehrs generell senken? (Abg. Rosenstingl: Keine Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer!) Wir wollen in Österreich eine Politik betreiben, bei der der Straßenverkehr in noch größerem Maße subventioniert werden soll, als es bis jetzt der Fall gewesen ist. Wir wollen eine Politik machen, die allen ökologischen Prinzipien widerspricht. – Das ist das, was aus Ihren Worten hervorgeht.


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Herr Kollege Rosenstingl Sie müssen das doch, glaube ich, auch anerkennen: Es genügt nicht, bloße Polemik zu betreiben. Sie müssen sich die Mühe machen, auch einmal inhaltlich zu diskutieren, sonst werden Sie leider nicht ernst genommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu diesem Thema werden noch meine Kollegen Stellung nehmen. Ich möchte ganz kurz zum zweiten Thema sprechen, das im Finanzausschuß eine Rolle gespielt hat, nämlich zur Übertragung der Bundesanteile der Bank Austria an die Post- und Telekom-Beteiligungsgesellschaft, an die PTBG.

Wie Sie alle wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, befinden wir uns derzeit im Bankwesen in spannenden Zeiten, heute ist vielleicht sogar ein besonders spannender Tag. (Abg. Dr. Graf: Das waren jetzt drei Minuten Polemik!)

Die Kreditwirtschaft ist nicht eine Branche wie jede andere, sondern dort geht es tatsächlich um eine große gesamtwirtschaftliche Verantwortung. Wenn man nun die Beteiligung des Bundes an der Bank Austria der Post-Beteiligungsgesellschaft überträgt, so hat das einen praktischen Grund: daß eine Privatisierung sicherlich nicht so erfolgen kann, daß man dieses Paket in kurzer Zeit an der Börse verkauft. Ein solch großes Angebot könnte natürlich die Kurse massiv negativ beeinflussen. Daher ist es notwendig, da sensibel vorzugehen, ein erfahrenes Privatisierungsmanagement einzusetzen. Die PTBG ist ein solches, da sie ja, wie Sie wissen, in Personalunion mit der ÖIAG steht, und die ÖIAG hat sich in Fragen der Privatisierung bestens bewährt.

Ich hoffe insgesamt für die österreichische Kreditwirtschaft, daß wir bald Klarheit über die künftigen Strukturen haben werden. Wir alle sind uns dessen bewußt, daß es dabei um die Leistungsfähigkeit eines wichtigen Wirtschaftsbereiches geht, daß es um Fragen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, um Fragen einer volkswirtschaftlichen Verantwortung geht. Es ist ein Bereich, der vor sehr großen volkswirtschaftlichen Herausforderungen steht, wenn man nur bedenkt, was mit der Währungsunion auf die Kreditwirtschaft zukommen wird.

Diese Herausforderungen können nur mit zukunftsorientierten Strategien bewältigt werden und nicht mit altem Besitzstandsdenken. Es geht sicherlich nicht um Strukturversteinerung, sondern wir müssen den Mut zum Strukturwandel, zur Strukturerneuerung haben.

Der zuständige Minister hat einen solchen Strukturwandel im Bereich der Industrie erfolgreich eingeleitet, und ich bin sicher, daß wir auch den Herausforderungen im Bereich der Kreditwirtschaft gerecht werden. Dem dienen die vorliegenden Anträge. Ich bitte Sie, ihnen zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Khol. – Abg. Dr. Graf: Das waren drei Minuten Polemik und zwei Minuten gar nichts!)

11.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort.

11.34

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Abgabenänderungsgesetz: Der Herr Bundesminister hat im Ausschuß glaubhaft versichert, es gehe in erster Linie um eine konsequente Weiterführung des Weges, den wir zur Vermeidung von Steuererhöhungen oder Wiedereinführung von abgeschafften Steuern oder Erfinden von neuen Steuern eingeschlagen haben. Es gehe sozusagen um das Schließen von Lücken. Dabei gehe man mit dem Ziel einer fairen und ausgeglichenen Trefferquote für einzelne Gruppen von Steuerpflichtigen vor.

Unter anderem ist ein Vorschlag von Experten beziehungsweise Beamten gemacht worden, daß man ein Steuerprivileg, das darin besteht, daß man Teilwertabschreibungen, die man zu einem späteren Zeitpunkt machen kann, wenn diese Teilwertabschreibung aus wirtschaftlicher Konsequenz nicht mehr gerechtfertigt ist, im Gegensatz zur jetzigen Gesetzeslage dann wieder rückgängig machen muß, wenn es handelsrechtlich zulässig ist. Im Handelsrecht gibt es keine Zuschreibungspflicht, sondern die Wahlmöglichkeit. Bis jetzt war es so: Wollte man es handels


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rechtlich nutzen, mußte man es auch steuerlich entsprechend berücksichtigen. Wenn man das aber nicht wollte, weil zum Beispiel die Bilanz ohnehin schon gut genug war, konnte man diesen Steuervorteil weitertragen. Das ist nunmehr ausgeschlossen.

Ich habe dem Herrn Bundesminister schon im Ausschuß gesagt, es ist nach meinem Dafürhalten problematisch, weil wir da auch von sehr beträchtlichen, insbesondere mit dem Auslandsgeschäft verbundenen Volumina reden. Es ist nun einmal so, daß Tochterfirmen im Ausland beziehungsweise Auslandsaktivitäten doch sehr starken Abschreibungsbedarf hervorrufen, der dann durch eine positive wirtschaftliche Entwicklung in diesen Auslandsmärkten zu einer handelsrechtlichen Aktivierungsmöglichkeit und nunmehr zu einer steuerrechtlichen Aktivierungspflicht führt.

Ich habe argumentiert, daß das nicht unbedingt mit der Liquiditätslage einhergeht. Wir haben dann mit großen Investitionen im Ausland das Problem, daß für sie eine nicht unerhebliche Steuerbelastung anfällt.

Ich habe daher vorgeschlagen – Herr Bundesminister, Sie erinnern sich –, daß man das von der Dividendenfähigkeit beziehungsweise von der Dividendenausschüttung abhängig macht. Sie haben mir erwidert, das sei willkürlich, das gebe ich selbstverständlich zu. Ich sehe aber in dieser Willkür kein Hindernis. Ich glaube, es würde dem Grundgedanken einer fairen Behandlung entsprechen, wenn dieses Instrument nicht so "scharf" gemacht würde, wie Sie und Ihre Beamten es vorgeschlagen haben.

Die Willkür ist in verschiedenen Bereichen gegeben. Es gibt eine Gestaltungsmöglichkeit im Steuerrecht, und zwar eine sehr umfangreiche, da oder dort sogar eine zu umfangreiche, da stimme ich Ihnen völlig zu, aber in diesem Punkt wäre es ein kleines Signal in erster Linie für die exportorientierte Unternehmerschaft, daß sie nicht total wehrlos ausgeliefert ist.

Herr Bundesminister! Ich glaube, es ist auch Zeit für ein solch positives Signal. Ich glaube, es wäre einfach wohltuend, wenn unsere Wirtschaftsunternehmen und die Unternehmer auch wieder einmal ein Zeichen bekämen, daß der Herr Bundesminister für Finanzen und seine Fachbeamten sich sehr wohl den Kopf darüber zerbrechen, wie es für den Betroffenen machbar ist. – Viel mehr wäre es ja nicht. Ich habe es mir angeschaut: Ich bin davon überzeugt, die meisten Fälle würden Sie trotzdem bekommen, Sie würden es in Stufen bekommen, das Loch hätten Sie nach meinem Dafürhalten wirkungsvoll gestopft.

Herr Bundesminister! Ich erlaube mir daher, weil ich ein Optimist bin, diesen Abänderungsantrag noch einmal im Plenum einzubringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

In Artikel I Änderung des Einkommensteuergesetzes wird die Ziffer 2 b wie folgt geändert: Im § 6 Z 13 lautet der letzte Satz:

"Soweit nach Maßgabe der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung eine Zuschreibung zulässig ist, hat der Steuerpflichtige bei Anteilen an Körperschaften, die zum Anlagevermögen gehören, den höheren Teilwert bis zur Höhe der empfangenen Dividenden anzusetzen."

*****

Ich bitte, diesen Antrag mit in Verhandlung zu nehmen. – Ich danke Ihnen.

Herr Bundesminister! Der zweite Punkt, den wir im Finanzausschuß besprochen haben, betrifft das Verlustausgleichsgebot bei Leasinggesellschaften. Diesbezüglich stimme ich Ihnen durchaus zu, das könnte man machen, das kann man machen, es ist konsequent, es entspricht dem


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Grundsatz der Fairneß. Was ich aber noch einmal hier anbringen möchte, Herr Bundesminister – und es hängt auch ein bißchen mit dem vorhin Gesagten zusammen –: Auch da nehmen Sie bewußt eine Rückwirkung in Kauf. Sie haben argumentiert, die "Gutigkeiten" eines Bilanzstichtags wollen die Unternehmen auch in Anspruch nehmen, also müssen sie die "Schlechtigkeiten" auch in Kauf nehmen.

Der Unternehmer wird die "Gutigkeiten" nehmen, wenn sie ihm angeboten werden, aber Sie brauchen sie ihm nicht anzubieten. Aber das muß er nehmen, und Sie wissen, Herr Bundesminister, daß der Planungsvorlauf für eine solche Art von Geschäften mehrere Monate, um nicht zu sagen weit über ein Jahr ist und daß die Unternehmer da Gefangene sind. Sie konnten nicht damit rechnen, daß diese Klausel Gesetz wird. Daher bin ich der Meinung, wir sollten das vermeiden, wir sollten den Unternehmern wieder das Gefühl geben, daß ihre Handlungen und ihr Wirtschaften planbar sind und daß das, was der Herr Bundesminister für Finanzen mit ihnen vorhat, diese Planung nicht einfach rückwirkend zunichte macht. Das widerspricht meinem Gefühl für Fairneß – auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Der dritte Punkt ist das Poststrukturgesetz. Herr Professor Nowotny! Abgesehen von der alten Unsitte, mit der dieser Tagesordnungspunkt heute zum Behandlungsgegenstand wurde, und abgesehen von den unliebsamen Ereignissen, die eigentlich mit dem zweiten Tagesordnungspunkt zu tun hatten, ist dieser Punkt natürlich heute angesichts der Schlagzeilen in der Fachpresse über die CA-Privatisierung ein Thema. Ich nehme an, wir werden uns mit diesem CA-Privatisierungsmodell oder mit dieser Möglichkeit einer "CA-Privatisierung" – unter Anführungszeichen – noch auseinandersetzen. (Abg. Böhacker: Sind Sie für eine Privatisierung?) Wir werden uns später damit noch auseinandersetzen. Ich will auch keinen unmittelbaren Zusammenhang herstellen.

Herr Bundesminister! Sie haben da etwas angewendet, was ich nicht direkt als Trick bezeichnen kann, weil es ja zulässig ist. Auch ich würde mich in meiner Bilanz nicht schlechter darstellen wollen, als ich bin. Ich gestehe dem Bundesminister natürlich zu, daß er das Budget nicht schlechter erscheinen lassen will, als unbedingt sein muß. Das hat mit "Trick" nichts zu tun.

Allerdings ist das Thema Privatisierung, Strukturanpassungen und Strukturänderungen im Bankensektor natürlich insgesamt ein hochaktuelles Thema für uns alle. Wenn ich nur daran denke, in welchem Ausmaß es mich selbst betrifft, dann kommen mir schon die Grausbirnen, Herr Bundesminister. Denn ich muß Ihnen sagen: Ein Ordnungsprinzip – irgendeine Ordnung – hinter all diesem erkenne ich nicht! Ich habe schon einmal in einer Presseaussendung festgestellt: Für mich schaut das jetzt aus wie "Management by Chaos". Das ist zwar auch ein Ordnungsprinzip, aber es ist für den einzelnen halt schwer, es sozusagen nachzuverfolgen.

Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn wir irgendwann einmal auch aus Ihrem Munde hören würden, was wirklich los und was wirklich geplant ist. Denn eines geht nicht, Herr Bundesminister, nämlich daß Sie, der Herr Bundeskanzler und einige andere Mitglieder der Regierung oder anderer Gremien sagen: "Wir haben diese und jene Absicht", und dabei so tun, als wären der Herr Häupl, der Herr Edlinger und andere Parteikollegen sozusagen nicht Teil der SPÖ und würden etwas ganz anderes machen.

Bei der Bank Austria wird, so befürchte ich, der eigentliche Knackpunkt folgendes sein: Wenn Sie die Opposition für einen – nach meinem Dafürhalten – zumindest diskussionswürdigen Vorgang gewinnen wollen, also für eine Lösung "CA plus Bank Austria", dann wollen und werden wir darüber diskutieren, welche Konsequenzen das bei der Bank Austria haben wird.

Denn nur damit eine weitere Machtanhäufung und Einflußanhäufung bei den sozialistischen Funktionären im Rathaus erfolgt, während die Wirtschaft, die Kunden und die Mitarbeiter der betroffenen Institute das sozusagen zur Kenntnis nehmen müssen, wird das, wie ich glaube, nicht stattfinden. Ich hoffe wirklich, daß Sie das nicht vorhaben, Herr Bundesminister!

Noch einige Worte zum EU-Abgabenänderungsgesetz. Wenn Sie bezüglich der Problematik der Doppelfunktionen in Kammer und Parlament dem Herrn Rosenstingl schon nicht glauben – was ich ja verstehe –, dann glauben Sie es vielleicht Ihrem Herrn Präsidenten Neisser! Er hat das ja


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auch gesagt. Daß Sie, Herr Lukesch – er ist jetzt nicht da; richten Sie es ihm bitte aus –, sich darüber gar so aufregen, verstehe ich eigentlich nicht.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben bei diesem Gesetz – gerade in diesem Punkt – Ihre eigene Ohnmacht, Ihre eigene Zwitterstellung besonders deutlich gemacht. Meine Herren von der ÖVP! Eine Ausschußsitzung abzusagen, zwei Tage später wieder anzusetzen, dann wieder um fünf Tage zu verschieben – dieses Chaos muß Ihnen doch selbst zu denken geben! Sie sollten eben nicht nur von der Sache, sondern auch von der Form her einmal darüber nachdenken, ob das alles tatsächlich mit Ihrer Glaubwürdigkeit vereinbar ist.

Irgendwann einmal, Herr Stummvoll, werden Sie entweder Ihr Büro in der Kammer nicht mehr beziehen können, weil dort eine wütende Menge auf Sie warten wird, oder Sie werden eben hier im Parlament den Rest Ihrer Glaubwürdigkeit verlieren.

Denken Sie nur zum Beispiel an mein Lieblingsthema "Arbeitnehmerinnenschutzgesetz". Wie Sie, die ÖVP und die Wirtschaftsvertreter diesem Gesetz zustimmen konnten, das müssen Sie mir noch einmal erklären, denn das ist völlig unverständlich! (Abg. Dr. Stummvoll: Am Freitag erkläre ich es Ihnen!) Schämen Sie sich, Herr Generalsekretär Stummvoll, daß Sie einem derart schlechten Gesetz, unvollziehbaren Gesetz, teuren Gesetz, unnützen Gesetz, Ihre Stimme gegeben haben! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Eines ist natürlich klar: Wenn im Vordergrund steht, daß wir eine Einnahmenlücke zu schließen haben, die dadurch entstanden ist, daß wir die Wegekostenrichtlinie umsetzen müssen und daher nicht mehr alle Verkehrsteilnehmer gleichmäßig oder wenigstens einigermaßen verursachergetreu zur Kasse bitten können, wenn wir also nur mehr jene "melken" können, die sich im Zugriff – ich sage jetzt absichtlich nicht "im Würgegriff", denn das wäre polemisch – des Finanzministers befinden, also die einheimischen Frächter, und wenn wir das tun, ohne das große Thema der Harmonisierung der europäischen Verkehrsabgaben oder Kfz-Abgaben gelöst zu haben, dann greifen wir selbstverständlich in den Wettbewerb ein. Denn wir haben die Kabotage, wir haben den Wettbewerb auf der Kundenseite, aber wir haben nicht die gleichen Wettbewerbsbedingungen auf der Steuerseite. Das ist eine äußerst bedenkliche Maßnahme!

Meine Damen und Herren! Eines ist sicher: Auch in diesem Bereich wird es Abwanderungen und damit auch Arbeitsplatzverluste geben. Das wird so kommen, und es ist den Frächtern auch nicht zu verübeln. Ich bin schon sehr neugierig, wer gerade von Ihrer Fraktion es sein wird, der dann den ersten Stein wirft und sagt: Schaut euch an, was das für Unternehmer sind! Sie machen Lohndumping beziehungsweise Preisdumping! – Alles mögliche wird man ihnen unterstellen, dabei tun sie in Wahrheit nichts anderes, als zu versuchen, den Lasten, die Sie ihnen in diesem Wettbewerb zusätzlich mit aufbürden, entsprechend gerecht zu werden. Ich werde Sie dann darauf aufmerksam machen.

In vielen anderen Bereichen ist das ja schon ein Thema. Sie haben nun auch in diesem Bereich einen kleinen Schritt in diese Richtung eingeleitet. Auch wenn die Gruppe der betroffenen Unternehmen nicht zahlreich ist, auch wenn die Italiener und die Deutschen, wie der Herr Bundesminister sagt, noch höhere Steuern haben, auch wenn das alles so ist, glaube ich doch, daß faire Wettbewerbsbedingungen, langfristige und kalkulierbare Rahmenbedingungen ein Gebot der Stunde wären. Dies trifft sowohl auf die Wertzuschreibung als auch auf die EU-Anpassung, also auf die Kraftfahrzeugsteuer, und selbstverständlich auch auf die Leasing-Gesellschaft zu. Wenn Sie, Herr Bundesminister, darauf etwas mehr Augenmerk legen könnten, wäre es für uns leichter, doch hie und da einem Ihrer Vorschläge zuzustimmen. Wir bedauern, daß wir das heute nicht tun können. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Haselsteiner zum Einkommensteuergesetz vorgetragen hat, steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, sehr.


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11.48

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingehend ein paar Worte zur Kraftfahrzeugsteuer für LKWs sagen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Sie achten immer sehr darauf, daß das, was der österreichischen Bevölkerung vor der Volksabstimmung beziehungsweise vor dem Beitritt zur Europäischen Union gesagt wurde, möglichst eingehalten wird. Ich verstehe und akzeptiere das.

Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, daß die österreichische Bundesregierung, vertreten durch die beiden Koalitionsparteien, im sogenannten Europaabkommen der österreichischen Bevölkerung zugesagt hat, daß es weiterhin die Unterstützung für die Landwirtschaft geben wird, daß aber auch dafür gesorgt werden wird, daß es mit einem Absenken der Straßenbenützungsabgabe von ursprünglich 72 000 S auf jetzt 16 000 S zu keiner dramatischen Verbilligung des Straßengüterverkehrs kommen wird.

Trotzdem hat sich die Bundesregierung und haben sich die Koalitionsparteien hier im Nationalrat zu einem Kompromiß gefunden. (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. ) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Kompromiß berücksichtigt die Wettbewerbssituation der heimischen Frächter! Vergessen Sie bitte nicht, daß die Hauptroute der ausländischen Frächter, nämlich die Brenner-Route, mit einer drastischen Anhebung der LKW-Maut im vergangenen Jahr belastet wurde. Dies ging zu Lasten der ausländischen Frächter. Vergessen Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Rosenstingl, auch eines nicht – das ist übrigens etwas, was mich immer ein bißchen frustriert; das sage ich ganz ehrlich –: Im Ausschuß wird immer sehr detailliert über Daten gesprochen, die dann bei den Wortmeldungen im Plenum anscheinend total vergessen werden!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt uns eine Untersuchung vor, die die Belastung eines LKWs in Österreich, in Deutschland, in der Schweiz und in Italien vergleichsweise darstellt. (Abg. Dr. Haselsteiner: Leider nicht Holland!) Ich halte es nämlich für verdammt unfair, wenn man zum Beispiel immer nur eine Komponente herauszieht, etwa die Kfz-Steuer, aber zum Beispiel die Mineralölsteuer auf Diesel oder andere Straßenbenützungsabgaben nicht berücksichtigt.

Wenn man zum Beispiel einen österreichischen Vierzigtonner nimmt und unterstellt, daß er in zwei Varianten – einmal 50 000 und einmal 100 000 km – im Jahr fährt, dann sieht man, daß die Gesamtbelastung aus Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Straßenbenützungsabgabe, die Sie jetzt so kritisieren, in Österreich 191 000 S, in Deutschland 194 000 S, in der Schweiz 255 000 S und in Italien 427 000 S beträgt.

Ich halte es einfach für Polemik, wenn man hier den Eindruck zu erwecken versucht, daß die österreichischen Frächter in der gesamtsteuerlichen Belastung schlechtergestellt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Anschober: Sie stellen aber dem ehemaligen Verkehrsminister kein gutes Zeugnis aus!)

Es ist ein Kompromiß, aber ich stehe dazu. Ich sage noch einmal und ich sage das ganz ehrlich: Da ich einen Weg suche, bei dem wir die inländischen und die ausländischen LKWs in gleicher Weise belasten, wäre es mir lieber gewesen, in Richtung Road-Pricing zu gehen. Daher bin ich auch sehr froh, daß in einer neuerlichen Entschließung der Weg in Richtung Road-Pricing bestätigt wird.

Ich verstehe die Kollegen der ÖVP, die sagen: Was haben wir davon, wenn die österreichischen Frächter mehr belastet werden, und dann fahren mit Freigabe der Kabotage ab 1. Jänner 1997 die Niederländer billig durch unser Land? Da haben wir überhaupt nichts davon, und das hilft auch nicht der Verkehrspolitik.

Eine gleiche, faire Belastung ist die Einführung des Road-Pricing. Daher bin ich dafür, daß wir möglichst rasch – und für LKWs in vorgezogener Form – das Road-Pricing in Österreich realisieren. (Abg. Dr. Haselsteiner: Dann sind sie hin, die Frächter!)


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51. Sitzung / Seite 37

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Haselsteiner bezüglich des Abgabenänderungsgesetzes. Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bin sehr froh, daß wir heute darstellen können, daß im Rahmen dieses einmaligen Kraftaktes, den die österreichische Bevölkerung zur Konsolidierung des Staatshaushaltes setzt, alle Sektoren, alle Bereiche ihren fairen Anteil leisten. Ich bin auch sehr froh, daß die Unternehmen über die Körperschaftsteuer ebenfalls ihren fairen Beitrag dazu leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe, daß wir Kontinuität und Planbarkeit in der Wirtschaft brauchen, aber wenn Erosionsprozesse immer rascher erfolgen, wenn immer rascher Umgehungsmodelle geschaffen werden, dann ist es auch notwendig, daß die Steuerbehörde agiert.

Ich habe vor kurzem erlebt, wie in einem gemeinsamen Vorgang, nämlich im Fall der Rückführung von Verlustbeteiligungsmodellen, österreichische Unternehmen plötzlich aktiv wurden und eine Umgehungsmöglichkeit erfunden haben, auf die man normalerweise in den wildesten Konstruktionen nicht kommt. Da wird in Deutschland eine Personengesellschaft gegründet, die nur Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben führen muß. Diese Personengesellschaft kauft Aktien, hat dadurch sofort hohe Ausgaben und weist den so entstehenden Verlust sofort österreichischen Anteilszeichnern zu. Das heißt, wenn man zum Beispiel 100 000 S Anteil zeichnet, bekommt man 300 000 S Verlust zugewiesen. Das ist eine eindeutige Umgehungsmöglichkeit. Daß darauf die Finanzverwaltung rasch reagieren muß, ist hoffentlich auch für Sie verständlich.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Haselsteiner! Zu Ihrem konkreten Vorschlag: Wir haben dieses Wiederaufwertungsgebot mit Rücksicht auf die Wirtschaft erst ab dem 1. Jänner 1998, nämlich ab dem Zeitpunkt, zu dem Verlustvorträge wieder angesetzt werden können, in Kraft gesetzt. Sie wissen ganz genau, daß das sehr wohl in Richtung steuerlicher Nutzbarkeit, in Richtung Berücksichtigung der wirtschaftlichen Liquidität und Ertragslage gemacht wurde.

Was Sie nun vorschlagen, ist aber, daß es nicht vom Gewinn abhängt, sondern von der Willkürlichkeit eines Dividendenbeschlusses, ob der Unternehmer beziehungsweise der Vorstand den Gewinn einer Rücklage zuführt oder als Dividende auszahlt. Von einem solchen willkürlichen Beschluß wollen Sie eine Steuerleistung abhängig machen? – Ich halte das schon rein technisch für unmöglich und für einen einmalig dastehenden Einbruch in unser System. Ich bitte Sie, bei Ihrem Antrag auch zu berücksichtigen, daß das wirklich reine Willkürlichkeit wäre. Die Steuerleistung wäre nach Ihrem Vorschlag nicht vom Gewinn abhängig, sondern von der willkürlichen Art der Gewinnverwendung. Dafür habe ich kein Verständnis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Privatisierung der Bank Austria: Das ist ein international zu Recht sehr genau beobachteter Vorgang. Es steht hinsichtlich dessen, wie wir bei diesem Vorgang vorgehen, die Reputation Österreichs auf dem Spiel. Das kann nicht in Form irgendeiner Hinterhof-Aktion erfolgen, sondern wir haben uns für ein rechtlich transparentes, ordentliches Verfahren entschieden, das zum Beispiel jederzeit vor der Wettbewerbskommission angeklagt werden und einer solchen Klage standhalten kann, und ähnliches mehr. Das heißt, wir müssen dabei sehr geordnet und auf rechtlich sicherem Boden vorgehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben daher ein Verfahren gewählt, das es zuläßt, daß bis zum 16. Dezember dieses Jahres definitive Angebote gelegt werden. Danach werden wir unter Auflage dessen, womit Sie mich beauftragt haben, weiter vorgehen. Es ist nämlich im Bundesgesetz festgehalten, daß erstens die österreichischen Interessen zu wahren sind, zweitens damit ein Beitrag zur Bereinigung der Bankenstruktur geschaffen wird und drittens eine bestmögliche Verwertung für das Budget zu erfolgen hat.

Unter diesen von Ihnen gesetzlich beauftragten Maßgaben werden wir ordentlich und transparent die Entscheidung treffen. Ich werde den Koalitionspartner einladen, in diese Entscheidungsgruppe mit hineinzukommen. Ich habe nicht vor, den Ruf Österreichs oder meinen Ruf aufs Spiel zu setzen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )


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Zum dritten Bereich, zum Bereich der PSK. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Haselsteiner! Ich habe Ihnen sehr ausführlich erklärt, daß nach einer schon vor etwa drei Monaten abgehaltenen "Beauty Parade", einem Vergleich von zehn Investmentbanken, eines immer schlüssig war, nämlich: Die bestmögliche Verwertung der 17 Prozent Bank-Austria-Anteile der Republik Österreich muß über ein Modell von Optionsanleihen, Calls und Puts und so weiter erfolgen. Dazu braucht man immer ein Special Purpose Vehicle, eine Gesellschaft.

Die Überlegung war nun, ob man dazu eine eigene Gesellschaft gründen oder die von den bewährten Privatisierungsprofis Hollweger & Becker geführte PTBG nehmen soll. Es war naheliegend, dafür die PTBG, die Postbeteiligungsgesellschaft, zu nehmen, die in aller Ruhe diesen Vorgang vorzubereiten und rasch – aus meiner Sicht im ersten Halbjahr 1997 – durchzuführen hat, sodaß sich der Bund, wie im Koalitionsübereinkommen vereinbart, von den Anteilen der Bank Austria bestmöglich und rasch trennen kann. In diesem Sinne meine ich, daß auch dieser Vorgang Ihre Zustimmung finden wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Er hat das Wort.

11.58

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl wir heute hier zwei wichtige Finanzgesetze diskutieren, die sehr viele Einzelmaßnahmen enthalten, die für unsere Betriebe sehr wichtig sind, so haben dennoch in der öffentlichen Diskussion eigentlich nur zwei Themen sehr stark dominiert, das hat auch die bisherige Diskussion schon gezeigt, nämlich das Thema Kfz-Steuer und das besonders aktuelle Thema Bank Austria. Ich möchte mich im Hinblick auf meine kurze Redezeit auch auf diese zwei Themen beschränken.

Meine Damen und Herren! Wir haben in Sachen Erhöhung der Kfz-Steuer als teilweiser Ausgleich der etappenweisen Senkung der Straßenbenützungsabgabe eine umfangreiche Bandbreite von Meinungen gehört und auch gelesen. Der Bogen spannte sich von der einen Seite, die meint, man sei vor der Frächterlobby in die Knie gegangen, bis zur anderen Seite, die behauptet, die Wirtschaftskammer wäre umgefallen und hätte die Frächter im Stich gelassen.

Wenn man diese Bandbreite sieht, dann muß man sagen: Wahrscheinlich war es ein recht vernünftiger Mittelweg, den wir hier eingeschlagen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte eines sehr deutlich sagen: Es geht hier nicht darum, ob der Finanzminister gewonnen hat, die Frächter gewonnen haben, die Wirtschaftskammer gewonnen hat, sondern es geht hier darum, wo die Wertschöpfung bleibt, und diese Wertschöpfung soll in Österreich bleiben! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es ausschließlich um die Frage geht: Wie sichern wir die Konkurrenzfähigkeit dieser Branche und damit Tausende Arbeitsplätze? – Das ist die einzige Frage, die mich interessiert, aber nicht: Wer ist Verlierer und wer ist Gewinner? (Beifall bei der ÖVP.)

Machen wir uns nichts vor – das war eigentlich mein wichtigstes Argument in den ganzen Diskussionen –: Es gibt keinen Arbeitsplatz, der so mobil ist wie der Arbeitsplatz in einem LKW. Es ist ein solcher Betrieb sehr rasch in Bayern oder sonstwo angemeldet. Und ich muß sagen, leider haben wir diese Entwicklung in den letzten Jahren schon gehabt. Mein Kollege Puttinger hat mir gesagt, daß allein in Salzburg in den letzten Jahren 1 500 Arbeitsplätze in diesem Bereich nach Bayern verlagert wurden.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Entwicklung, der wir Rechnung tragen müssen. Daher ist für mich diese heutige Regelung, dieser Kompromiß ein Signal für die Betriebe: Wir nehmen eure Sorgen ernst! Bitte, bleibt in Österreich, laßt die Wertschöpfung in Österreich, sichert die Arbeitsplätze in diesem Land und geht nicht ins Ausland! Das ist für mich das Wichtige, meine


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Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Natürlich ist die Frage der Höhe der Kfz-Steuer wichtig, natürlich ist die Frage wichtig, wie hoch der Benzinpreis und der Dieselpreis sind, aber letztlich ist es eine Gesamtkostenkalkulation, und die Standortbedingungen sind nur gesamthaft zu sehen, man kann sie nicht punktuell sehen. Wir haben heute eine Situation – auch in anderen Bereichen; und wir sollten sie wirklich ernst nehmen –, daß im weltweiten brutalen Standortwettbewerb die Kalkulation eines Unternehmers vielfach ergibt: Eigentlich ist es besser, er verlagert Arbeitsplätze ins Ausland.

Dieser Entwicklung müssen wir Einhalt gebieten, und ich bin sehr froh, Herr Finanzminister, daß Sie das auch anerkannt haben. Wenn es das Ziel ist, die Wertschöpfung in Österreich zu belassen, dann ist ja jeder Finanzminister ohnehin ein stiller Teilhaber, und insofern sind Sie eigentlich der Gewinner dieser Auseinandersetzung. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte eines auch sehr deutlich sagen, weil ich hier natürlich auch in meiner Funktion als Generalsekretär der Wirtschaftskammer – mein Hauptberuf – spreche, ich kann mich hier nicht zweiteilen ... (Abg. Rosenstingl: O ja!) – Sie wollen mich zweiteilen, Herr Kollege! Ich lasse mich nicht zweiteilen, das ist der Unterschied! (Beifall bei der ÖVP.) Aber Ihr Versuch wird scheitern! Ich lasse mich nicht zweiteilen. Ich bin eine Person, und ich habe eine einheitliche Meinung. Ich werde es Ihnen beim zweiten Thema auch gleich erklären.

Meine Damen und Herren! Ich möchte eines schon sehr deutlich feststellen – und ich habe das auch festhalten lassen –: Ich habe mit den ungefähr 20 bis 25 wichtigsten Spitzenvertretern der Verkehrswirtschaft gesprochen und mir diesen Kompromiß absegnen lassen. Herr Kollege Rosenstingl! Wenn Sie versuchen, hier vom Rednerpult aus demagogisch gleichsam Sand hineinzustreuen, dann ist dieser Versuch sicherlich nicht erfolgreich, denn die Spitzenvertreter dieser Branche wissen genau, was sie akzeptiert haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenstingl: Wissen Sie, wie viele Transportunternehmen wir in Österreich haben?)

Meine Damen und Herren! Kurz zum zweiten Thema, das durch die Meldungen von gestern eine zusätzliche Aktualität bekommen hat. Im Finanzausschuß haben wir nur über die Thematik Bank Austria und Postsparkasse und den nächsten Schritt, die Privatisierung, gesprochen. Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines ganz offen und wiederhole, daß mich nicht spalten kann: Als Generalsekretär der Wirtschaftskammer – das ist mein Hauptberuf – mische ich mich grundsätzlich nicht ein in geschäftliche Transaktionen von Mitgliedsfirmen. Das ist meine Grundsatzposition. Ich mische mich hier nicht ein in Überlegungen geschäftspolitischer Art, gesellschaftsrechtlicher Art, und mische mich nicht ein in Entscheidungsfindungen zwischen zwei Mitgliedsbetrieben. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt – das möchte ich schon sehr deutlich sagen –: Natürlich beziehe ich ordnungspolitisch eine Position. Diese Position lautet – das ist nachlesbar über viele Jahre in Protokollen dieses Hohen Hauses und in vielen Artikeln von mir –: Ich bin ein bedingungsloser Anhänger davon, daß sich der Staat aus unternehmerischen Funktionen zurückziehen möge – und nicht nur der Staat, sondern die gesamte öffentliche Hand. Das gilt genauso für Länder und Gemeinden.

Das heißt, meine wichtigste Position ist Privatisierung, aber nicht mehrheitlich, sondern totaler Rückzug der öffentlichen Hand aus unternehmerischen Funktionen! Das gilt auch für den Geld- und Kreditbereich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Inklusive der Kammern!)

Und ich habe eine dritte ordnungspolitische Position – das möchte ich auch sehr deutlich sagen, und ich sage das wissend, daß in diesem weltweiten Standortwettbewerb natürlich die Frage der Konkurrenzfähigkeit einen hohen Stellenwert hat –: Ich möchte einen ausgewogenen Geld- und Kreditapparat haben – im Interesse der mittelständischen Wirtschaft. Ich möchte unabhängig


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von Namen, unabhängig von Betrieben in jedem Bereich vermeiden, daß es zu Machtzusammenballungen kommt, zu Machtzusammenballungen, die letztlich zu Lasten unserer mittelständischen Wirtschaft gehen. Das ist eine ordnungspolitische Position und keine Einmischung in aktuelle Unternehmensüberlegungen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

12.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.05

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einigen Vorbemerkungen zum Abgabenänderungsgesetz komme ich dann auch zur Hauptsache: zur Bank Austria.

Zum Abgabenänderungsgesetz möchte ich nur anmerken: Es gibt wieder einige rückwirkende Bestimmungen – zumindest eine habe ich gesehen, nämlich im Körperschaftsteuergesetz; vielleicht gibt es mehrere –, und ich meine, im Interesse aller Steuerzahler sollte man festhalten, daß derartige rückwirkende Bestimmungen ein Ärgernis sind.

Zweite Bemerkung: Es werden sämtliche Energieabgabengesetze, die im Mai 1996 beschlossen wurden, novelliert, aber nur hinsichtlich der Zahlungstermine für die Abgaben. Die Chance, Strom aus alternativen Energieträgern – Biomasse und so weiter – zu begünstigen, wurde wieder nicht wahrgenommen, sondern es bleibt alles beim alten.

Dritte Bemerkung: Im Karenzurlaubszuschußgesetz gibt es eine Novellierung des Einkommensbegriffs. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Nur, glaube ich, haben wir inzwischen unterschiedliche Einkommensbegriffe im Einkommensteuerrecht, bei der Notstandshilfe, beim Karenzurlaub, bei der Studienbeihilfe und in noch zwanzig anderen Gesetzen wahrscheinlich. Man sollte sich einmal Gedanken darüber machen, diesen Einkommensbegriff bei den einzelnen Transfers zu vereinheitlichen.

Nun zum Artikel XIII Abgabenänderungsgesetz: Da geht es um die Übertragung der Bundesanteile an der Bank Austria an die sogenannte Postholding. Ich habe mich schon im Ausschuß etwas darüber echauffiert, daß erstens dieser Abänderungsantrag in letzter Sekunde gekommen ist, und zweitens darüber, daß im Rahmen eines Abgabenänderungsgesetzes ausgerechnet diese Materie behandelt wird. Das mag rechtlich noch akzeptabel sein, unschön ist es auf jeden Fall. Ich habe mich im Ausschuß etwas drastischer ausgedrückt, aber ich möchte das hier nicht wiederholen. Auf analoge Weise könnte man strafrechtliche Änderungen demnächst im Rahmen der landwirtschaftlichen Marktordnung reformieren. Der Transparenz der Gesetzgebung dient das mit Sicherheit nicht.

Herr Bundesminister! Ich möchte gar nicht mit Ihnen darüber debattieren, ob die Postholding das geeignete Special Purpose Vehicle ist und ob die Modelle, die Sie uns auch im Ausschuß erklärt haben, mit der Optionsanleihe und diesen Put- und Call-Absicherungen und so weiter das Angemessene sind. Das würde ich gar nicht bestreiten. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt für diese Reform?

Denn in dem Gesetz, das wir heute beschließen, steht ja nichts anderes drinnen, als daß die Bundesanteile an der Bank Austria der Postholding übertragen werden. Das Ziel ist offensichtlich, zunächst einmal ein paar Milliarden für das Budget zu lukrieren. Wie viele Milliarden, bleibt völlig offen, das ist im Gesetz nicht geregelt, sondern die Generalversammlung der Postholding wird das Konzept beschließen, nach dem die Bank-Austria-Anteile zu privatisieren sind.

Wer ist aber die Generalversammlung der Postholding? – Niemand anderer als unser geschätzter Bundesminister Klima. Das hätte man allerdings auch anders haben können, nämlich einfacher: Man hätte Klima beauftragen können, ein Privatisierungskonzept vorzulegen.

Die Postholding wird, sagen wir, 5 Milliarden sozusagen als Vorauszahlung für diese Anteile erlegen, 5 Milliarden, die sie natürlich nicht hat. Sie wird diese 5 Milliarden wieder auf dem Kapi


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talmarkt aufnehmen, und insofern ist das nur eine kurzfristige Verlagerung der Verschuldung zwischen Bund und Postholding.

Wozu die Hektik, Herr Bundesminister? – Ob Sie das administrative Defizit absenken oder nicht, ist mir persönlich, ehrlich gesagt, ganz egal. Sie haben halt 8,5 Milliarden Schilling für Privatisierungserlöse im Budget einkalkuliert, und die wollten Sie ursprünglich durch die CA-Privatisierung lukrieren. Die CA-Tragödie geht jedoch bereits in das sechste oder siebente Jahr – ich habe schon vergessen, wie viele Jahre vergangen sind –, und diese Privatisierung wird im Jahre 1996 wieder nicht erfolgen. Aber Sie kriegen die 8,5 Milliarden Schilling zusammen, und zwar mit den 3,5 Milliarden Schilling, die Sie durch die Auflösung der Pensionsrückstellungen bei der Postsparkasse bekommen – dafür müssen Sie die zukünftigen Pensionen übernehmen; das ist das französische Modell Telecom, das leider von EUROSTAT abgesegnet worden ist –, und mit den 5 Milliarden Schilling, die Sie für die Bank Austria von der Post erhalten.

Na und? – Maßgeblich ist doch das Maastricht-Defizit – darüber sind wir uns einig –, und für das Maastricht-Defizit sind die 8,5 Milliarden völlig irrelevant. Verwenden könnten Sie sie höchstens für den Abbau der Verschuldung. Aber wenn es Ihnen gelingt, so wie Sie es ja vorhaben, durch die andere Finanzierung der ASFINAG, den Verkauf von Forderungen der Fonds und die Ausgliederung der Gebührenhaushalte bei den Gemeinden in der Größenordnung von etwa 90 oder 100 Milliarden Schilling öffentliche Verschuldung abzubauen, dann kommt es auf diese 5 Milliarden bei Gott auch nicht an. Da haben Sie mit einem Schlag 4,5 Prozent des BIP an öffentlicher Verschuldung reduziert.

Und da frage ich mich schon – und ich würde mir wünschen, daß Sie heute noch eine Antwort darauf geben –, ob die Eile, die im Ausschuß plötzlich aufgetreten ist, diese Unsitte, mittels Abänderungsantrages eine fremde Materie noch hinten dranzupappen an eine gerade vorliegende Materie, nur weil zufällig der Finanzausschuß tagt, im Zusammenhang mit den Meldungen von gestern und heute bezüglich der Übernahme der Creditanstalt durch die Bank Austria steht. Darauf hätte ich heute noch gerne eine Antwort.

Ich muß Ihnen sagen, spontan habe ich eine gewisse Sympathie für diese Lösung. Ich glaube, daß der bisher beste Vorschlag für die CA-Privatisierung die Geschichte mit der Credit Suisse war. Die Verhandlungen mit der Credit Suisse sind allerdings geplatzt, aus welchen Gründen auch immer.

Mit dieser CA/Bank-Austria-Fusion würde eine für Österreich sehr große Bank, zugegeben, aber im internationalen Vergleich eine Bank mittlerer Größenordnung entstehen, die zumindest auf den ersten Blick auch die drei Kriterien erfüllt, die Sie genannt haben, nämlich erstens Wahrung österreichischen Einflusses, zweitens Beitrag zur Bereinigung der Bankenlandschaft und drittens angemessener fiskalischer (Bundesminister Mag. Klima: Bestmöglicher!) , bestmöglicher Beitrag für das Budget.

Insofern hat das Modell durchaus Attraktivität. Es eröffnet natürlich genauso viele Fragen, wie es Antworten gibt, nämlich neue Fragen: Wer wird dann der neue Eigentümer, wer werden die neuen Eigentümer der Bank Austria sein? – Und unter diesem Gesichtspunkt gefällt mir die Lösung, die heute von den Koalitionsparteien zweifellos beschlossen werden wird, gar nicht. Die bisherigen Haupteigentümer der Bank Austria sind indirekt die Gemeinde Wien und der Bund mit diesen 17 Prozent, die jetzt der Postholding übertragen werden. Ich hätte es bei weitem vorgezogen, daß die Gemeinde Wien sich aus der Bank Austria zurückzieht und der Bund seine Anteile behält. Das ist weitaus transparenter, und die Verantwortungen sind weitaus klarer festzumachen, nämlich in der Person des Finanzministers, als wenn das Umgekehrte passiert: Der Bund zieht sich zurück – zunächst nur indirekt, aber später ganz –, und die Gemeinde Wien bleibt übrig über die Anteilsverwaltung AVZ oder wie dieses Ding heißt. Das ist vollkommen intransparent. Da teile ich die Sorgen von Herrn Dr. Haselsteiner ganz, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Die umgekehrte Lösung wäre weit besser gewesen.

Aber abgesehen davon werden Sie wohl auf Dauer nicht davon ausgehen können, daß die Gemeinde Wien der Haupteigentümer der allergrößten Bank Österreichs, wenn die Fusion zu


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stande kommt, sein wird. Und ich hoffe nicht – es ist naheliegend, das zu vermuten –, daß eine ganz andere unwirtschaftliche, aber simple Überlegung dahintersteht, nämlich daß der Einfluß der SPÖ über die Gemeinde Wien viel langfristiger abgesichert ist als über den Bund.

Außerdem ist bei dieser Fusion zu klären, welche Tauschgeschäfte zwischen SPÖ und ÖVP uns in diesem Zusammenhang noch bevorstehen. Es wäre völlig unrealistisch, anzunehmen, daß die ÖVP jetzt plötzlich sagt: Gut, alle bisherigen Lösungen sind geplatzt, die Bank Austria bietet angeblich 16 Milliarden statt 10 wie die Erste Österreichische, ist okay, dann bekommt es halt die Bank Austria. – Das widerspricht völlig der österreichischen – unter Anführungszeichen – "Kultur", besser gesagt: Unkultur. Es gibt mit Sicherheit irgendwelche anderen Tauschgeschäfte, und darüber würden wir gerne etwas wissen. In welchem Bereich liegen diese?

Naheliegend für einen Ökonomen ist natürlich, sich zu denken: Was haben wir denn neulich hier im Parlament behandelt? – Wir haben die Übertragung der Postsparkasse an die Postholding, zufällig die gleiche Holding, behandelt. Und ich habe damals schon gesagt: Was ist eigentlich mit den Geschäftsfeldern der Postsparkasse? Wird Raiffeisen erfolgreich blockieren, daß die Postsparkasse im ländlichen Raum tätig sein wird – so wie bisher? Das wäre ein möglicher, ein naheliegender Abtausch: Die ÖVP stimmt zu, wenn Raiffeisen den ländlichen Raum oder die Postsparkasse beziehungsweise beides bekommt.

Auch das finde ich nicht so schlimm, muß ich Ihnen ehrlich sagen, wenn eine große Bank besteht und eine andere auch größer wird. Soll sein. Die allergrößte Gefahr, die ich sehe, ist eine ganz andere, und die ist begründet in der Tradition der mindestens drei letzten Jahre, nämlich daß Sie sich gegenseitig blockieren. Sie, damit meine ich die SPÖ und die ÖVP. Sie sagen, schön, das sind jetzt unvereinbare Angebote – das geht so nicht; was ist mit dem Personal, lauter vorgeschobene Argumente –, und dann tritt der schlimmste Fall ein, daß nämlich weder die eine noch die andere Lösung, sondern daß gar keine Lösung gewählt wird und sich die Tragödie der CA im sechsten oder siebenten Jahr mit der Bank Austria wiederholt, daß die Bankenlandschaft nicht bereinigt wird und daß Sie auch nicht zu Ihren fiskalischen Einnahmen für das Budget kommen, mit anderen Worten: daß gar keine Lösung passiert.

Abschließend zu diesem Punkt möchte ich noch auf etwas hinweisen, was Präsident Neisser in einem anderen Zusammenhang in letzter Zeit thematisiert hat: die Rolle von Spitzenfunktionären von Kammern – einerseits in der Kammer, andererseits hier im Parlament. Ich finde es schon merkwürdig, wenn in diesem Fall die Arbeiterkammer – aber das trifft im Zweifel natürlich auf andere Kammern auch zu – scharfe und wohlbegründete Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzen schreibt, unterschrieben von der Präsidentin der Arbeiterkammer – das ist niemand anderer als unsere geschätzte Kollegin Eleonora Hostasch –, diese Stellungnahme aber dann nie mehr eine Rolle spielt, jedenfalls nicht von seiten der Sozialdemokraten. Ich berufe mich immer gerne darauf, denn das sind sehr häufig wohlfundierte Stellungnahmen, gut begründet, im Detail. (Abg. Dr. Khol: Das ist richtig!) Ja, das ist richtig, Herr Kollege Khol. Nur was passiert dann im Ausschuß oder im Plenum? – Dann ist das vollkommen irrelevant. Selbstverständlich fügt man sich der Koalitionsdisziplin.

In dem speziellen Fall betrifft es den § 117a Einkommensteuergesetz, wozu die Arbeiterkammer schreibt: Diese Bestimmung wird von der Bundesarbeitskammer abgelehnt, und es betrifft die Kfz-Steuer und Straßenbenützungsabgabereform, die ja heute auch ein zentrales Thema ist. Und dazu schreibt die Arbeiterkammer in ihrer Stellungnahme – und das enthalte ich Ihnen nicht vor, ich zitiere –:

"Die von der Bundesarbeitskammer durchgeführten Berechnungen ergeben, daß insbesondere bei LKW-Zügen leichterer Gewichtsklasse zum Teil erhebliche Abgabenentlastungen durch die Umschichtung von der Straßenbenützungsabgabe zur Kraftfahrzeugsteuer erfolgen. Das ist weder verkehrspolitisch noch sonstwie zu rechtfertigen und wird deshalb von der Bundesarbeitskammer strikt abgelehnt." Unterschrift: Eleonora Hostasch. – Wunderbar! (Beifall des Abg. Edler. )


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Die Kollegin Hostasch ist im Moment nicht da, aber ich zweifle nicht daran, daß sie bei der Abstimmung anwesend sein, aufstehen und dieser Bestimmung zustimmen wird. (Abg. Dr. Nowotny: Darüber haben wir eine Diskussion gehabt! – Abg. Dr. Khol: Sie hat sich überzeugen lassen! Im Parlament läßt man sich durch Verhandlungen beeinflussen – auch Sie!) Zweifellos, sie hat sich überzeugen lassen! Das ist jedes Mal so, immer, Sie lassen sich immer überzeugen. (Abg. Dr. Khol: Nein, das ist nicht immer so! Gerade die Frau Abgeordnete Hostasch gehört zu jenen, mit denen man sehr gut verhandeln kann!)

Zur Nachlese empfehle ich Ihnen den "Standard" vom 11. Dezember 1996. Es sind nicht alle Sozialdemokraten der Meinung, daß das problemlos ist und durch Verhandlungen dann alles wieder anders ist. Niemand anderer als der Kollege Sallmutter, immerhin Chef der GPA, der größten Einzelgewerkschaft dieses Landes, ist der Meinung – ich zitiere –, daß die Sozialpartnerpräsidenten nicht im Nationalrat sitzen sollten. Daß hier gewisse Unvereinbarkeiten vorliegen und tagtäglich, wenn das Plenum tagtäglich tagen würde, bewiesen werden, das ist wohl schwer zu leugnen.

Ich bin kein Gegner der Sozialpartner, Herr Kollege Khol, und ich glaube, ich habe das oft durch meine Wortmeldungen gezeigt, aber daß hier problematische Interessenkollisionen vorliegen, das, glaube ich, ist schwer bestreitbar. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Eder. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.20

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich mit jenem Teil der Rede meines Vorredners, Professor Van der Bellen, in dem er zu den Banken, zu unserer Bankenlandschaft gesprochen hat, nicht näher auseinandersetzen, möchte allerdings zu dem, was er am Schluß seiner Ausführungen gesagt hat, schon eine Anmerkung machen, da ich in die gleiche Richtung gerade mit Kollegen Khol diskutiert habe: Demokratie bedeutet ganz einfach auch Kompromiß. Natürlich gibt es Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzen, auch fundierte Stellungnahmen von verschiedenen Institutionen, beispielsweise von Kammern, aber letztendlich haben wir hier im Parlament die Aufgabe, all diese Stellungnahmen so zu verarbeiten, daß wir zu einem gemeinsamen guten Ergebnis für ganz Österreich kommen.

So ist das zu verstehen, und so hat das auch Frau Präsidentin Eleonora Hostasch bereits im Ausschuß Herrn Professor Van der Bellen gesagt, aber ich bin davon überzeugt, daß sie ihm das auch noch einmal persönlich oder anläßlich einer anderen Gelegenheit hier von diesem Platz aus sagen kann.

Ich bitte Sie also, Herr Kollege, zu verstehen, daß wir auch Kompromisse schließen müssen. Niemand liebt den Kompromiß, ich weiß es, aber letztendlich brauchen wir ihn alle, um miteinander leben zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das heute zur Beschlußfassung anstehende EU-Abgabenänderungsgesetz enthält unter anderem wesentliche Bestimmungen hinsichtlich der Kostenwahrheit im Verkehr. Nach dem Beitrittsvertrag Österreichs mit der Europäischen Union ist diese Abgabe entsprechend abzusenken. Die zugestandene Übergangsfrist, während der Österreich gegenüber dem Gemeinschaftsrecht erhöhte Straßenbenützungsabgaben einheben darf, läuft mit Ende dieses Jahres aus. Verkehrspolitisch wäre daher eine entsprechende kompensatorische Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer für LKWs wünschenswert gewesen, und das war auch das, was die Arbeiterkammer gesagt hat. Wettbewerbspolitisch mag es hingegen meines Erachtens gewisse Probleme geben, und zwar in bestimmten Kategorien, in denen besondere ausländische Konkurrenz auftritt, wo ausländische Kraftfahrzeuge, LKWs wirtschaftliche Vorteile hätten.

Meine Damen und Herren! Wenngleich es generell ein Ziel sein sollte, Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Ausland im Auge zu behalten, darf dies in dem hier vorliegenden speziellen


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Fall keineswegs zu einer Verwässerung der Forderung nach mehr Kostenwahrheit im Verkehr führen. Ich glaube, daß es sich hiebei um ein Thema handelt, worüber zwar grundsätzlich leicht ein Konsens hergestellt wird, aber wenn es dann an die konkrete Umsetzung geht, bekommen manche kalte Füße – oder kalte Reifen, besser gesagt –, wie wir das im Zuge der Diskussion bemerkt haben. Deshalb bin ich eigentlich froh, daß im Ausschuß klargestellt wurde, daß das vorgesehene Road-Pricing für LKW so schnell wie möglich eingeführt werden soll.

Ich darf daran erinnern, daß im Bundesstraßenfinanzierungsgesetz bereits konkrete Daten für die Installierung des Road-Pricing mit 1998 für den LKW und 2001 für den PKW festgeschrieben wurden. Wenn ich nun von verschiedenen, insbesondere von der Wirtschaft nahestehenden Kreisen vernehme, daß die technische Umsetzung dieses Konzeptes schwierig und der Termin 1998 für die LKW daher unter Umständen nicht haltbar sei, möchte ich massiv davor warnen. Ausländische Beispiele belegen die Machbarkeit, und die heimische Elektronikindustrie hat bereits mehrfach auf die unmittelbare Umsetzbarkeit und Machbarkeit hingewiesen.

Angesichts der gesetzlichen Festlegung und der erwähnten Willensbildung im Ausschuß gehe ich daher davon aus, daß vor allem das Wirtschaftsministerium raschest zur Umsetzung dieser Vorgaben schreitet.

Die mit 1. Jänner 1997 geltende Vignette kann meines Erachtens sicherlich nur als kurzfristige Übergangslösung angesehen werden, und sie war ja auch als solche gedacht.

Als notwendige Voraussetzung zur Einführung des Road-Pricing sehe ich nach wie vor die Fusionierung der ASFINAG mit den beiden bestehenden Straßensondergesellschaften. Derzeit findet darüber bereits eine Diskussion der betroffenen Ministerien mit den Ländern statt. Ich hoffe, daß hiebei von jeder Seite jene Kooperationsbereitschaft an den Tag gelegt wird, die erforderlich ist, um dieses sicherlich – das gebe ich zu – nicht einfache Vorhaben erfolgreich zum Abschluß bringen zu können.

In erster Linie geht es dabei um die Neustrukturierung der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes in Österreich, aber natürlich ist auch die Erreichung der ESA-Kriterien ein wesentlicher Punkt. In diesem Zusammenhang ist es etwa notwendig, daß die neue Gesellschaft mindestens 50 Prozent ihrer Kosten aus eigenen Einnahmen decken kann. Ich gebe zu bedenken, ob es in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll wäre, auch die Straßenbenützungsabgabe in Hinkunft in diese Gesellschaft einfließen zu lassen.

Das Road-Pricing ist unter anderem auch deswegen erforderlich, weil die Bundesregierung in ihrem Baugipfel die notwendigen Lückenschlüsse im hochrangigen Straßennetz vereinbart hat. Dies ist nicht nur für die Autofahrer wichtig, die so neben der Erhaltung der bestehenden Strecke eine weitere konkrete Gegenleistung erhalten werden, sondern insbesondere auch für die heimische Bauwirtschaft und deren Arbeitsplätze. Ich brauche wohl nicht näher zu erläutern, was diese Bauvorhaben für den österreichischen Arbeitsmarkt bedeuten.

Bereits jetzt ist es aber erforderlich, sich gerade im Zusammenhang mit der Installierung des Road-Pricing für LKW Gedanken über die weitere Vorgangsweise nach der erwähnten Fusionierung zu machen, denn sowohl der Lückenschluß als auch die Investitionskosten für das Mautsystem werden nicht unbeträchtliche Mittel erfordern.

Es sollten daher meiner Ansicht nach schon in nächster Zeit Überlegungen angestellt werden, in welcher Art und Weise private Beteiligungen an der neuen Gesellschaft erreicht werden könnten. Ich glaube nicht, daß damit bis zur Vollendung des Lückenschlusses oder gar bis zur Tilgung der ASFINAG-Schulden zugewartet werden muß. Experten versichern, daß sich bereits mit der Einführung des Road-Pricing für LKW private Anleger für diese Gesellschaft interessieren würden.

Die Diskussion in den letzten Tagen über den Komplex Straßenbenützungsabgabe, Kfz-Steuer für LKW hat deutlich gezeigt, wie wichtig die Frage der Kostenwahrheit im Verkehr ist. Ich appelliere daher nochmals an alle Beteiligten, die Umsetzung des Road-Pricing für LKW im


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Sinne der Ausschußfeststellung unverzüglich in die Wege zu leiten. – Meine Damen und Herren, ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.28

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Finanzminister braucht bekanntlich Geld, und diesem Zweck dient auch eine wesentliche Bestimmung der hier in Verhandlung stehenden Gesetzesvorlage, wonach nämlich die Postholding die Möglichkeit erhält, dem Finanzminister kurzfristig aus seinem Dilemma herauszuhelfen und jene Milliarden zu beschaffen, die er mangels einer wirklichen Privatisierung bisher nicht hereinbringen konnte. Das geschieht in der Weise, daß man die Anteile des Bundes an der Bank Austria bei der Postholding sozusagen verpfändet, ins Dorotheum trägt, also die Möglichkeit der Belehnung schafft und sich damit ein bißchen Geld besorgt.

Es ist das ein technischer Vorgang, bei dem in Wahrheit aber immer wieder ein und dieselbe Person agiert. Herr Finanzminister, Sie sind sozusagen Alleinaktionär bei der Postholding, Sie haben dort das Sagen, und Sie sind auch Finanzminister, Sie könnten es also gleich selber machen.

In Wirklichkeit ist das ein bilanztechnischer Vorgang, der sich auf einer Ebene abspielt, die wir ja langsam schon kennen. Es wird nun alles mögliche aus dem Budget ausgegliedert. Da soll eine Bundespensionsverwaltungsgesellschaft geplant sein, zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes, da gibt es schon eine Staatsschuldenverwaltungsgesellschaft – der Staat verwaltet seine Schulden nicht mehr selber, sondern das machen jetzt Direktoren und Generaldirektoren –, und da gibt es natürlich auch die Postholding, wobei der Bund wiederum die Pensionslasten übernimmt, damit die Postholding nicht eine reine Pleitenholding ist.

All das wird geschaffen, um zu erreichen – und das stellt urdemokratische Substanz in Frage –, daß alle diese Vorgänge mit milliardenschweren Transaktionen der parlamentarischen Kontrolle entzogen werden. Das ist etwas, was ich für sehr gefährlich halte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, Herr Finanzminister, ob Sie diesen Weg wirklich auch weiterhin beschreiten wollen, nämlich alles auszugliedern unter dem Titel: Wir privatisieren, wir bauen um!, aber in Wirklichkeit entziehen Sie das alles nur der parlamentarischen Kontrolle, weil dahinter als Eigentümer nach wie vor der Bund und die Gebietskörperschaften stehen. Ich halte diesen Weg in einer entwickelten Demokratie schlicht und einfach für untragbar und auch für sehr gefährlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie müssen ja alle diese Wege nur beschreiten, damit Sie vor den Bürgern etwas darstellen, was nicht der Wirklichkeit entspricht. Sie stellen dar, Sie hätten das Budget im Griff, es funktioniere alles. – In Wirklichkeit funktioniert es nicht. Sie liegen weit über dem, was zur Eindämmung der Verschuldung notwendig wäre. Sie werden diesbezüglich Ihr Ziel auch nicht erreichen, daher müssen Sie sich kurzfristig 8 Milliarden Schilling beschaffen, 3 Milliarden Schilling dadurch, daß Sie bei der Post Rücklagen für Pensionen auflösen. Das ist ja wirklich köstlich: Das, was man bei der Telecom in Frankreich kritisiert, macht man auch hier! Um die Maastricht-Kritierien zu erreichen, leiht man sich bei der im Eigentum des Bundes befindlichen Gesellschaft Geld aus, überträgt es dem Staat, damit der kurzfristig Geld hat, damit man bei der Regierungskonferenz in Dublin sagen kann: Was sind wir doch für feine Burschen, wir erfüllen ja die Maastricht-Kriterien! Hurra! Hinein in den Euro, damit die nächste Inflationswährung geschaffen werden kann. – Das, meine Damen und Herren, ist der falsche Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und dann holen Sie sich noch, sozusagen über eine Vorfinanzierung möglicher Privatisierungserlöse der Bank Austria, Geld, damit Sie nicht selbst als Finanzminister privatisieren müssen, sondern die Postholding das für Sie tut, denn sie tritt sozusagen in Vorlage. So ist es in Wahr


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heit, weil auch Sie es nicht geschafft haben, Herr Finanzminister, rechtzeitig die angekündigte CA-Privatisierung über die Bühne zu bringen.

Ich gebe aber durchaus zu, daß das, was jetzt in Diskussion ist, interessant ist. Auch das jüngste Angebot von 16 Milliarden Schilling, das die Bank Austria gelegt hat, muß natürlich den Finanzminister freuen, denn da bekommt er dann endlich einmal etwas herein. Und diese Konstruktion hat Phantasie, das muß man durchaus zugeben, denn es würde sich im Zusammenwirken dieser beiden Bankinstitute sozusagen ein Sparkassensektor, der klassisch im breiten Sparbereich in Österreich verankert ist, eine Kommerzbank holen, die im internationalen Geschäft bisher so recht und schlecht erfolgreich ist, die sich aber vor allem in Osteuropa eine sehr gute Kompetenz aufgebaut hat, was die Industrie- und Unternehmensfinanzierung betrifft. Das zeugt von Phantasie und schafft eine Bank von einer Größenordnung, die auch international nicht irgendwo unter "ferner liefen" zu finden wäre, sondern doch ein bedeutendes Institut darstellen würde.

Ich sage sehr bewußt, das zeigt Phantasie, das ist keine schlechte Überlegung, wenn dahinter Ihr Wille steht, auch einen Schritt weiterzugehen. Dieser Schritt müßte dann sein, nun auch wirklich zu privatisieren, denn sonst verteilen Sie ja nur von einer öffentlichen Tasche in die andere öffentliche Tasche um. Wenn Sie wirklich wollen, daß ein Institut internationalen Zuschnitts entsteht, daß wir ein Bankinstitut in Österreich haben, das auch international renommiert ist und mithalten kann, das Marktanteile beobachtet, das sozusagen in der internationalen Finanzierung mitspielt – was wir brauchen werden, wenn sichergestellt sein soll, daß in Österreich auch die Headquarters von wichtigen Industrieunternehmungen erhalten werden, um den Ausverkauf zu stoppen, denn das ist ja unser großes Problem heute –, wenn dahinter also der Wille steht, auch den Privatisierungsschritt zu tun, und zwar an die Börse zu gehen, um wirklich dieses Unternehmen der Anlegerschaft im breiten privaten Bereich zugänglich zu machen, dann muß ich sagen, daß uns dieser Weg ganz gut gefallen würde. Es wäre das dann nämlich auch ein Weg, die unheilige Geschichte des rot-schwarzen Proporzes in Österreich über die Internationalisierung und über die Öffnung auch im Bankenbereich zu überwinden.

Daß die CA-Privatisierung bis zur Stunde nicht funktioniert hat, liegt ja nicht daran, daß die CA nicht verkaufbar wäre, sondern liegt daran, daß die CA der Hoheitsbereich der ÖVP ist, weil auf der anderen Seite der Hoheitsbereich der SPÖ im Rahmen der Bank Austria geschaffen wurde. Und die Schwarzen haben zugeschaut und mitgetan, als die Fusion Länderbank – Z passiert ist und die SPÖ sozusagen ihren roten Bankenbereich arrondiert hat. Und jetzt sagt der Herr Schüssel von der ÖVP: Aber wenigstens den "Knochen" CA müßt ihr uns lassen! Das muß der schwarze Hoheitsbereich bleiben!

Wir wissen ja, wie es dort läuft. Dort gibt es Kommissionen, die im Aktiengesetz überhaupt nichts verloren haben, Beiräte, in denen Hunderte Leute herumkugeln, die nur als parteipolitische Pfründegänger dort mitversorgt werden, vom Buffet bis zu kleinen Einkünften. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind die Dinge, die dort laufen! Das nennt sich großes internationales Bankgeschäft, und deshalb darf die CA nicht privatisiert werden. Ich weiß ganz genau, was das bedeutet. In den letzen, fünf, sechs Jahren hat das Scheitern der CA-Privatisierung, weil Rot und Schwarz sich über die Einflußverteilung der Positionen im Bankenbereich nicht einig geworden sind, mehr als 30 Milliarden Schilling gekostet. Mehr als 30 Milliarden Schilling! Das heißt, es mußten Rückstellungen in Milliardenhöhe aufgelöst werden, Wertberichtigungen mußten durchgeführt werden, weil die Parteipolitik es in Kauf genommen hat, ein renommiertes Bankinstitut um 30 Milliarden Schilling zu schädigen.

Und deshalb sagen wir: Ein solcher Schritt, wie er heute vom Finanzminister überlegt wird, das Angebot, eine große Bank zu schaffen, hat Phantasie, aber nur dann, wenn man auch den zweiten Schritt wirklich will, nämlich die Privatisierung, um diesen unseligen rot-schwarzen Proporz, in dem sich nach wie vor der Bankenbereich befindet, endgültig zu überwinden und ihn der Vergangenheit angehören zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Damit würde auch ermöglicht, daß auch Minderheitenaktionäre etwas zu reden haben. Gehen Sie einmal zu einer Generalversammlung der CA und versuchen Sie, sich als Kleinaktionär dort zu Wort zu melden. Sie haben überhaupt nichts zu reden! Für diese Herrschaften, die dort regieren, ist der Kleinaktionär lästig. Und dann redet man von der breiten Eigentumsstreuung, dann redet man von den Privatisierungsstrategien. In Wahrheit will man sie aber gar nicht praktizieren.

Und daher, Herr Finanzminister: Vielleicht könnten Sie uns heute einmal sagen, ob Sie da Phantasie entwickelt haben, ob Sie eine Strategie haben, wie dieses Angebot realisiert werden soll. Von der Summe her ist es interessant – 16 Milliarden Schilling in der Tasche zu haben, ist nicht schlecht. Es sollte also schon zu Ende gedacht werden, wie das gehen soll, denn da würde für uns durchaus die Phantasie drinnenstecken, damit auch den Bankenbereich aus einer unseligen Entwicklung herauszunehmen, die sich ja in den letzten Jahren abgezeichnet hat.

Als die Raiffeisen-Gruppe die CA übernehmen wollte, hat es Schwierigkeiten gegeben, weil die ÖVP intern Machtkonflikte gehabt hat, weil sozusagen der Geldadel gesagt hat, er lasse sich nicht vom Landadel aufkaufen, daher dürfe das alles nicht funktionieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als eine Schweizer Gruppe international einsteigen wollte – Credit Suisse war ja durchaus ein interessantes Angebot –, hat man gesagt: Nein, eine österreichische Lösung muß es sein! Jetzt kommt eine österreichische Lösung mit der größten Bank in Österreich, die da einsteigen will, jetzt sagt Schüssel wieder: Nein, das ist auch keine österreichische Lösung, denn da ist eine ausländische, eine deutsche Bank mit 10 Prozent beteiligt.

Interessant, daß man sich all diese Fragen nicht vorher gestellt ist. Interessant ist auch, daß man das bei den Koalitionsverhandlungen in Wien nicht geregelt hat. Dort hätte die ÖVP ja die Möglichkeit gehabt, danach zu fragen, was mit dem Haupteigentümer der Bank Austria, der Gemeinde Wien, geschieht. Dort sind Sie ja Koalitionspartner. Da haben Sie gesagt, das ist nicht wichtig, und jetzt regen Sie sich wieder auf und sagen: Arbeitsplätze sind betroffen, wenn es zu dieser Fusion zwischen zwei großen Bankinstituten in Österreich kommt.

Wissen Sie, wovon die Arbeitsplätze betroffen sind, meine Damen und Herren? – Wenn Ihr Euro-Konzept unsachgemäß durchgeführt wird, denn wenn der Euro kommt, werden wir 15 000 Arbeitsplätze im Bankenbereich verlieren. Das steht doch heute schon eindeutig fest. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die ÖVP hat sich auch nicht darüber beklagt, daß es mit der neuen Postholding, wo der Herr Ditz, der das ganze Debakel mit den 114 Milliarden Schilling Schulden bei der Post mitverschuldet hat, jetzt als Finanzdirektor tätig ist, in Wahrheit zur Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen im Rahmen der Post- und Telegraphenverwaltung kommt. Lesen Sie bitte die Zeitungen nach!

Und da habe ich noch eine Frage an den Finanzminister. Bei einer Fernsehdiskussion hat er mir einmal gesagt: Herr Haider, 6 000 Arbeitsplätze bei der Post abbauen bis 1998 – das ist doch nicht wahr! Ich bin ein Freund der Postler, hat er gesagt, das machen wir bestenfalls über den natürlichen Abgang.

Heute wissen Sie, Herr Minister, mit dem natürlichen Abgang bringen Sie keine 1 000 Pensionisten bei der Post mehr zusammen. Wissen Sie, was Sie tun? (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Klima. ) Nein, nein, ich habe die Zahlen da. Erzählen Sie hier nicht wieder irgendwelche Gschichteln! Einmal kommt die Stunde der Wahrheit! Sie müssen 8 000 Leute bis 1998 abbauen, und davon werden fast keine mehr über den natürlichen Abgang ausgeschieden, weil Sie keine Mitarbeiter über 60 Jahre mehr haben, die haben Sie schon alle entfernt. Sie werden Leute auch unter der 60-Jahre-Grenze kündigen müssen.

Aber wenn Sie diese Leute in Frühpension schicken, dann heißt das, daß sie Pensionsverluste haben: 2 Prozent Abschlag pro Jahr. Das ist die Realität, mit der Sie die Leute konfrontieren.


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Und den Vertragsbediensteten kann man ohnehin kündigen. Der ist ja nicht pragmatisiert, der hat keinen Kündigungsschutz, der kann so abgebaut werden.

Sie werden also zur Kenntnis zu nehmen haben, daß diese 8 000 Leute mit der Konstruktion, die Sie gewählt haben, zweifelsohne über die Klinge springen müssen, und zwar nicht in erster Linie über den natürlichen Abgang, sondern indem Sie den Leuten den Arbeitsplatz wirklich wegnehmen und damit zusätzlich Beschäftigungslose schaffen.

Das ist die Realität, mit der wir heute konfrontiert sind! Aber dazu habe ich von der ÖVP nichts gehört. Hauptsache, der Ditz bekommt, nachdem er zurückgetreten ist, einen schönen Posten mit 3,5 Millionen Schilling Dotierung, obwohl er nicht einmal in der Lage ist, das Servicenetz der Post aufrechtzuerhalten. 8 000 Arbeitsplätze werden dort abgebaut und gleichzeitig werden die Investitionen, die geplant waren, um 2 Milliarden Schilling zusammengestrichen. So schaut die moderne Strategie aus! Nicht investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen, sondern Investitionen streichen und Arbeitslose produzieren und dafür Millionengagen als Direktoren einkassieren.

Das ist nicht unser Weg, und daher sagen wir: Uns gefällt eine Strategie, die Österreich mit seinen Instituten wettbewerbsfähiger macht, gut; im Bankenbereich insbesondere, denn da haben wir einen Nachholbedarf. Aber das muß zu Ende gedacht werden, und wir würden uns freuen, wenn der Finanzminister die eine oder andere Vision in diese Richtung entwickelte. Ich hoffe, daß Visionen in Ihrer Partei in der Zwischenzeit noch nicht verboten sind und Sie nicht ein Betreuungsfall für einen Arzt werden, wenn Sie eine Vision im Zusammenhang mit der Privatisierungsstrategie der Banken entwickeln.

Ich halte das auch für wichtig, denn in der letzten Zeit ist vieles liegengeblieben. So entnehme ich etwa dem Protokoll des Sparkassenrates der Bank Austria, daß Generaldirektor Randa berichtet hat, daß Österreich in der Umsetzung der EU-Konsolidierungsrichtlinien für den Bankenbereich säumig ist. Seit über acht Monaten sei man im Verzug – in der Zwischenzeit sind es schon mehr –, und er sagt: Wir haben ja verlangt, daß bei den Beitrittsverhandlungen eine Übergangsfrist ausgehandelt wird, aber leider hat die Regierung diese Übergangsfrist nicht zugestanden, sondern hat gesagt, wir machen das gleich. Und jetzt kann man es nicht vollziehen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. ) Das steht da drinnen. Ich lese Ihnen das vor. (Bundesminister Mag. Klima: Das ist ein altes Protokoll! – Abg. Dr. Nowotny: Von wann? – Bundesminister Mag. Klima: Aus welchem Jahr?) Aus dem Jahr 1996. (Bundesminister Mag. Klima: Datum?)

Und da sagt Herr Generaldirektor Randa: Das bedeutet eine rechnerische Vernichtung von Eigenkapital in der Größenordnung von derzeit etwa 11 Milliarden Schilling. "Rechnerisch" heißt, daß im Konsolidierungsvorgang Kredite und Eigenmittel angerechnet werden, sodaß wir in der Konsequenz 120 Milliarden Schilling weniger Kreditgeschäft machen können. (Abg. Dr. Nowotny: Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit!)

Das, meine Damen und Herren, war die Politik, die dazu geführt hat, daß ein Generaldirektor im Frühjahr Alarm schlagen und sagen mußte: Freunde, ihr habt gesagt, ohne Wenn und Aber in die EU hinein, aber dann habt ihr nicht einmal die Konsolidierungsrichtlinien umgesetzt (Abg. Dr. Nowotny: Sie haben das falsche Protokoll vorgelesen!) , ihr schädigt unser Kreditgeschäft – 120 Milliarden Schilling weniger Kreditgeschäft –, es kommt zu einer Arbeitsplatzvernichtung durch weniger Geschäft, und dann muß man wieder Feuerwehraktionen setzen. (Abg. Dr. Nowotny: Vorlesen allein genügt nicht!)

Deswegen ist auch Herr Kollege Nowotny so aufgeregt, denn der neunmalkluge Finanzsprecher der SPÖ weiß immer alles besser, außer seine eigenen Gehaltsdispositionen, die er nie in Ordnung hat. Dort kennt er sich nicht aus, da geht er lieber in die Quästur fragen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Sie haben wieder nichts verstanden!)

Ich meine, allein dieses Beispiel, daß Sie das jetzt im nachhinein reparieren müssen – Sie mußten das jetzt reparieren, weil Gefahr im Verzug war –, belegt ja einmal mehr, wie dringlich es ist, eine solide Grundlage auch für den Bankensektor in Österreich herzustellen. Raus aus


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der Parteipolitik! Weg mit dem rot-schwarzen Proporz! Keine Eigentumsrechte der politischen Parteien in diesen Banken!

Wenn wirklich beabsichtigt ist, Internationalität zu gewinnen, Schlagkraft zu gewinnen, Leistungsfähigkeit zu erhöhen und Österreich zu einem interessanten Finanzierungsstandort als Brücke auch in Richtung Osteuropa zu machen, dann, würde ich sagen, gibt die ganze Geschichte ehrlich etwas her, dann sollte man das angehen und es nicht nur unter dem Gesichtspunkt von 16 Milliarden Schilling sehen. Wenn es aber nur darum geht, daß die Roten den Schwarzen regierungsintern sozusagen die Wahlniederlage vom 13. Oktober heimzahlen wollen – so unter dem Motto, weil wir eine draufgekriegt haben, weil ihr euch in unserem Schatten vom Sparpaket und der Verteidigung der Belastungsmaßnahmen gedrückt habt und wir armen Roten die Zeche dafür bezahlt haben, dafür nehmen wir euch jetzt die Spielwiese der Creditanstalt weg, damit die schwarzen Bankenkönige nicht mehr für die ÖVP arbeiten können, sondern dort rote Zwerge etabliert werden –, dann sind wir nicht dabei, Herr Finanzminister. Und darauf hätten wir gerne eine Antwort von Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Klima. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.46

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige Klarstellungen machen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider. Ich höre Ihnen immer sehr genau zu. Drei Bemerkungen dazu:

Zum ersten: Es wird die Post keine Rücklagen für Pensionen auflösen, sondern da handelt es sich um die Postsparkasse. (Abg. Mag. Stadler: Das ist vom Grundsatz her dasselbe!)

Zweite Bemerkung: Es wird nicht ein Bundespensionsamt ausgegliedert und verselbständigt, sondern das Bundes ... (Abg. Mag. Stadler: Das ändert am Problem nichts!) Es ist ein großer Unterschied, ob man das Bundesrechenzentrum als selbständige marktfähige GmbH ausgliedert und verselbständigt oder das Bundespensionsamt. (Abg. Dr. Haider: Sie sind dem Parlament verantwortlich!) Das Bundespensionsamt wird nicht verselbständigt und ausgegliedert (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Haider ) , sondern das Bundesrechenzentrum. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ändert ja am Problem nichts!) Nicht das Bundespensionsamt. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin immer um Sachlichkeit und Präzision bemüht, wenn es gelingt. Das Bundespensionsamt bleibt natürlich im Bereich der öffentlichen Verwaltung unmittelbar und direkt. Das Bundespensionsamt ist wichtig, das können wir nicht ausgliedern. Das Bundesrechenzentrum – da haben Sie recht – wird eine selbständige GmbH, und ich hoffe recht marktfähig und engagiert.

Hinsichtlich des dritten Punktes, den Sie angesprochen haben, nämlich Haftkapital der Banken, haben wir in der Frühjahrssession hier im Parlament eine Anpassung beschlossen. (Abg. Dr. Haider: Das habe ich gesagt!)

Erlauben Sie mir noch einmal, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich habe es heute schon einmal getan –, zum Thema der Privatisierung der Bundesanteile der Bank Austria etwas zu sagen. Es ist derzeit so, daß vom Gesamtkapital bei der Bank Austria 40,1 Prozent die Anteilsverwaltung hält, 16,79 Prozent die Republik Österreich. Diese 16,79 Prozent, die die Republik hält, sollen über das Special Purpose Vehicle – und eines brauchen wir dazu, das habe ich schon gesagt – Postbeteiligungsgesellschaft breit gestreut werden; breit gestreut werden mit einem innovativen Instrument, das von zehn internationalen Investmentbanken empfohlen wird.

Was nun die Privatisierung der Creditanstalt betrifft – meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erinnere Sie noch einmal daran –, da handelt es sich um einen Vorgang, der sowohl von der internationalen Finanzwelt als auch von der Wettbewerbskommission der Europäischen Union


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äußerst penibel beobachtet wird. Es geht deswegen auch darum, daß wir möglichst klar, transparent und den rechtlichen Regeln entsprechend abwickeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe derzeit nur ein Angebot vorliegen, und zwar von dem Konsortium, das sich selbst genannt hat. Ich bin verpflichtet, über alle anderen Dinge – und das ist international so üblich – bis zum Abschluß dieses Geschäftes Vertraulichkeit zu wahren. Ich habe derzeit kein zweites oder drittes Angebot vorliegen. Ich sage das in aller Klarheit, ich sage aber auch dazu, daß die Angebotsfrist bis 16. Dezember dieses Jahres läuft.

Und ich wiederhole, meine sehr geehrten Damen und Herren: Sie haben mich beauftragt, Sie haben mich mittels eines Bundesgesetzes beauftragt – und auch das wird international sehr genau beobachtet werden –, bei der Privatisierung der Creditanstalt unter Wahrung der nationalen Interessen einen Beitrag zur Bereinigung der Bankenstruktur und eine bestmögliche Verwertung im Sinne der österreichischen Steuerzahler, des Budgets, der Republik Österreich durchzuführen.

An das habe ich mich zu halten, und ich habe nicht vor, im Rahmen dieser Transaktion die Reputation der Republik Österreich auf den internationalen Finanzmärkten zu schädigen, und ich habe auch nicht vor, meine Reputation zu schädigen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Angezeigt wird eine freiwillige Beschränkung von 6 Minuten.

12.50

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zuge der Diskussion um den Tagesordnungspunkt 2, Abgabenänderungsgesetz, hat sich eine Konzentration auf eher grundsätzlichere Themen ergeben, beispielsweise auf die Frage: Wie geht es mit der Privatisierung der Creditanstalt-Bankverein weiter? Welche grundsätzlichen Vorgangsweisen und Optionen gibt es seitens der einzelnen Parteien? Welche Überlegungen gibt es?, und ich glaube, es ist schon wichtig, festzuhalten, daß wir von der Österreichischen Volkspartei seit Jahren eindeutige Verfechter einer totalen Privatisierung der Creditanstalt-Bankverein waren und es uns bisher viel zu lange gedauert hat, daß dieses Ziel tatsächlich erreicht wird.

Zum zweiten: Grundsätze dabei haben zweifellos folgende zu sein: Wenn man für die Privatisierung und für die breite Streuung des Eigentums auf möglichst viele Anteilseigner ist, dann muß man auch gegen etwas sein, nämlich gegen totale Machtkonzentrationen. (Abg. Mag. Stadler: Dagegen sind wir auch!) Und ich sage hier eindeutig: Wir sind für totale Privatisierungen, für breite Streuung der Eigentumsrechte, aber gegen totale Machtkonzentrationen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wir auch! – Abg. Dr. Krüger: Außer im schwarzen Bereich! – Abg. Aumayr: Bei Raiffeisen schaut es anders aus!)

Und das aus grundsatzpolitischen Überlegungen! Denn die Möglichkeiten der Sparer, die Möglichkeiten der Kreditnehmer hängen unter anderem damit zusammen, daß sie als Sparer nicht von einem Moloch abhängig sind, daß sie als Kreditnehmer nicht von einem Moloch abhängig sind, sondern daß durch einen positiven Wettbewerb eben mehr Möglichkeiten gegeben sind. Und deswegen treten wir gegen diese Machtkonzentration und für eine möglichst breite Streuung ein! Das ist im Interesse der Sparer, und das ist im Interesse der österreichischen Kreditnehmer! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Siehe Raiffeisen in Oberösterreich!)

Wenn wir sagen, wir sind für Privatisierung, so meinen wir dieses Ziel als umfassendes Ziel. Privatisierung kann nicht alleine die Abgabe der Anteile des Bundes an irgend jemanden bedeuten, Privatisierung heißt auch, daß man nicht eine Kommunalisierung einer Institution durchführt (Bundesminister Mag. Klima: Das geschieht ja nicht!) , denn Kommunalisierung ist nichts anderes als eine Verstaatlichung auf Länder- oder Gemeindeebene. (Abg. Mag. Trattner – auf Bundesminister Mag. Klima deutend –: Er lacht schon!) Und wir sind auch dagegen, denn das ist nicht die Vorgangsweise, wie wir uns eine sinnvoll durchgeführte Privatisierung vorstel


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len. Deswegen eine eindeutige Festlegung: Für Privatisierung und gegen Machtkonzentration! Gegen Kommunalisierung! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum zweiten: Wir haben eine zweite grundsätzliche Diskussion gehabt, wie es insgesamt mit den steuerpolitischen Vorstellungen weitergehen soll. Diesbezüglich muß ich schon auf eine Bemerkung des Kollegen Rosenstingl eingehen, auch wenn er momentan nicht da ist. Ich meine, das, was er zu manchen Teilen dieses Abgabenänderungsgesetzes gesagt hat – ich habe es mitgeschrieben –, bedeutet ja nichts anderes, als daß die Steuern überall wegfallen sollen, möglichst auf Null gestrichen werden sollen, gleichzeitig sollen aber selbstverständlich alle Leistungen des Staates aufrechterhalten bleiben, um dann, wenn natürlich die logische Folge eintritt und es zu Schulden und Defizitanhäufungen kommt, recht kritisieren zu können.

Ich meine, das ist nicht der Weg, wie man vorgehen kann, aber das wäre genau der Weg, den Sie in Ihren Papieren festgelegt haben. Ich habe mir nämlich – und wenn man schon grundsätzlich über Steuerpolitik redet, einen Satz nur dazu – Ihr Papier, Ihre letzten steuerpolitischen Vorstellungen angeschaut. Darin werden massive Steuersenkungen und Abgabensenkungen vorgeschlagen, und wenn man sich das durchrechnet, kommt man drauf, daß das nichts anderes bedeuten würde, als mit einem Schlag zwischen 80 und 200 Milliarden Schilling weniger an Steuereinnahmen zu haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. ) Ja! Je nachdem, welche Punkte man zusammenzieht. (Abg. Mag. Trattner: Sie haben das nie gelesen!) Wenn man nämlich das durchrechnet, was da als Alternative für die Ökosteuer vorgeschlagen wird, Kollege – das haben Sie nämlich der Öffentlichkeit nicht bekanntgegeben –, würde das eine Erhöhung des Benzinpreises um mindestens 5 S pro Liter bedeuten, um tatsächlich halbwegs einen Ausgleich für die Steuersenkungen hereinzubekommen.

Das heißt also, wir sollen uns zu einer seriösen Diskussion über steuerpolitische Vorschläge bekennen, wir sollen uns zu einer seriösen Form auch des Schlankwerdens bekennen, man soll aber nicht nur das eine wollen, nämlich Steuern senken, ohne zu sagen, wie man andererseits die Leistungen für die Österreicher aufrechterhalten kann. (Beifall bei der ÖVP.)

12.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.56

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Höchtl! Ich verstehe schon, daß Sie diese Machtkonzentration in einer Bank kritisieren, ich habe nur den Verdacht, daß Sie das mit einer gewissen Einäugigkeit tun. Die Erste Österreichische Spar-Casse ist ohne Zweifel viel kleiner als die Bank Austria, gar keine Frage, aber dennoch ein beachtliches Institut, und diese Argumente sind Ihnen nicht eingefallen, als darüber diskutiert wurde, ob die Erste Österreichische mit dem Konsortium und die CA zueinanderkommen sollen.

Gott sei Dank haben wir in der EU eine Wettbewerbsbehörde, die ja sehr klar feststellt, ob ein überproportionaler Marktanteil in einem Land gegeben ist. Daher würde ich vorschlagen, Herr Finanzminister: Lassen wir die Wettbewerbsbehörde prüfen, ob das eine richtige Privatisierungsform ist, die keine Marktbeherrschung auslöst!

Herr Bundesminister für Finanzen, früher Verkehrsminister – das war mir eigentlich sehr recht, als Sie den Verkehr gemacht haben, denn jetzt habe ich den Eindruck, daß der Verkehr eigentlich Kunst geworden ist, eine Kunst, die Ihr Nachfolger nicht so sehr beherrscht oder der er zumindest nicht seine nötige Aufmerksamkeit schenkt –, dieses Abgabenänderungsgesetz ist ein weiterer Bestandteil einer bruchstückhaften Verkehrspolitik. Ihre Vergleiche, die Sie dazu bringen, sind meistens ein bißchen einäugig, darum möchte ich sie hinterfragen.

Sie haben also die Kostenvergleiche für den LKW-Verkehr gebracht und die Kosten in Österreich mit rund 190 000 S und in Italien mit rund 420 000 S angegeben. Sie haben aber nicht dazugesagt, daß Sie die höhere Mineralölsteuer von Italien dort eingerechnet haben. (Bundesminister Mag. Klima: O ja! O ja! Alles!) Aber das ist ja genau der Punkt! Sie wissen, daß LKW


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heute Tanks haben, mit denen weit über 1 000 Kilometer Fahrbereich gegeben ist, und natürlich wird dort getankt, wo es billiger ist. Ich meine also, daß der Vergleich etwas hinkt.

Zweitens haben Sie natürlich nur von den Ländern gesprochen, die teurer sind als Österreich. (Bundesminister Mag. Klima: Von den umliegenden! Schweiz, Italien, Deutschland!) Nein, von den Ostländern haben Sie nicht gesprochen, die auch eine sehr starke Konkurrenz sind. (Bundesminister Mag. Klima: Von welchen?) Von den Ostländern. (Bundesminister Mag. Klima: Von den umliegenden! Die Ostländer sind kontingentiert!) Sie sind aber trotzdem eine sehr starke Konkurrenz für das österreichische Frächtergewerbe, und jede Kostensteigerung in Österreich bringt natürlich einen schlechteren Wettbewerbsstatus.

Viel wichtiger wäre mir aber, wenn wir einmal über alle vier Verkehrsträger – Straße, Schiene, Flug und Wasser – gemeinsam reden würden. Mir kommt es so vor, als würden wir die Straße nur immer deswegen verteuern, um die unwirtschaftliche Bahn konkurrenzfähiger zu machen. (Abg. Edler: Man kann nicht alles auf einmal machen!) Wir haben nun einmal – ob ich Straßenverkehr möchte oder nicht; Ökologie wäre dabei ein zweites Thema – dort die höchste Produktivität, und diese höchste Produktivität wird laufend mit neuen Steuern belastet, während wir bei der Schiene die niedrigste Produktivität haben und noch dazu hohe Zuschüsse aus dem Budget geben, die uns dann wieder dafür fehlen, um investiv in der Infrastruktur tätig werden zu können – mit allen Multiplikatoreffekten, die sich daraus ergeben.

Ich fordere Sie auf, einmal gemeinsam mit Ihrem Verkehrsminister – wirklich gemeinsam – zu überlegen: Straße, Schiene, Flug und Wasser – wohin geht der Weg?

Der Flugverkehr ist völlig unbesteuert. Ich weiß, das ist ein internationales Problem. Es gibt keine Belastung auf Kerosin, wiewohl Kerosin genauso CO2-trächtig ist wie das Benzin auf der Straße.

Wo sind die Ansätze der österreichischen Bundesregierung, im Sinne einer internationalen Politik in den EU-Gremien dafür zu sorgen, daß diese vier Verkehrsträger Straße, Schiene, Flug und Wasser einmal prinzipiell in einer Wettbewerbsneutralität stehen? In einem zweiten Schritt kann man dann sagen: Jetzt haben wir Wettbewerbsneutralität geschaffen und nun wollen wir im Infrastrukturausbau und – soll sein – auch in der Steuerbelastung lenkend eingreifen und diesen oder jenen Verkehrsträger bevorzugen.

Ich sehe nicht ein, daß wir immer wieder mit guten ökologischen Argumenten die Straße verteuern und den produktivsten Verkehrsträger solange in der Wirtschaftlichkeit schwächen, bis die Schiene, die viel zuwenig produktiv ist, die viel produktiver sein könnte, doch noch konkurrenzfähig wird. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Edler: Kostenwahrheit!)

Herr Kollege, ich gestehe Ihnen zu, daß Generaldirektor Draxler bei den ÖBB schon einiges bewegt hat, ich sage Ihnen aber auch: Es geht mir zu langsam. Es wird dort konsumptiv zu viel Geld vernichtet, das wir produktiv, investiv in diesem Staat wirklich brauchen würden.

Ein letzter Satz noch zur Globalisierung. Es ist üblich geworden, die Globalisierung als die große Bedrohung unseres Landes darzustellen, aber wir betrachten nie die tatsächlichen Gründe, warum Globalisierung stattfinden kann. Auf der einen Seite ist es selbstverständlich die wegweisende Liberalisierung des Welthandels, auf der anderen Seite sind es die konkurrenzlos niedrigen Kosten des Verkehrs. Globalisierung, meine Damen und Herren, können wir nur dann beschränken, wenn wir den Mut haben, die Kosten des Verkehrs schrittweise anzuheben, denn Verkehr ist die einzige marktwirtschaftliche Begrenzung der Arbeitsteilung. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube aber, das können wir nur dann tun, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Verkehrsträger aufrechterhalten. Die Begrenzung der Arbeitsteilung durch die Kosten des Verkehrs heißt aber, daß leichte, hochtechnologische, intelligente Produkte nach wie vor weltweit transportierbar sind, daß aber unintelligente Produkte, ob das jetzt Schotter oder Zement ist, nicht mehr Hunderte Kilometer weit über Österreichs Straßen gekarrt werden.


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Ich kann ein Beispiel bringen aus dem Bereich der Eisenbieger in Österreich, in Tirol. Das Eisen wird in Italien gekauft, dann wird es nach Deutschland zum Binden gefahren, und aus Deutschland kommt es wieder zurück nach Österreich, um verlegt zu werden – alles Dinge, die nicht notwendig wären, wenn der Verkehr die Begrenzung der Arbeitsteilung abbilden würde.

Herr Finanzminister, gemeinsam mit dem Verkehrsminister wird es wohl Ihre Aufgabe sein, im Rat der Finanz- und der Verkehrsminister über dieses Thema zu reden und den österreichischen Beitrag für eine wirklich umfassende Verkehrspolitik zu leisten, die es uns erspart, laufend an Details herumzudoktern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

13.03

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Einige Abgabengesetze sollen heute in verschiedenen Bereichen geändert werden. Es sind EU-Anpassungen notwendig geworden, und diverse Bestimmungen waren im Hinblick auf die praktische Anwendung änderungsbedürftig. Einer Empfehlung des Rechnungshofes wird ebenso nachgekommen, wie möglichen Umgehungen von Steuerpflichten entgegengewirkt werden soll. Schließlich werden Bestimmungen über die Steuerbefreiungen im Stiftungsrecht klarer gefaßt.

Hohes Haus! Aufgrund eines kürzlich ergangenen Erkenntnisses des Europäischen Gerichtshofes darf jemand, der in einem EU-Land lebt und in einem anderen EU-Land arbeitet, aus diesem Grunde nicht höher besteuert werden – eine Ungleichbehandlung also, auf die nun mit der Möglichkeit, die unbeschränkte Steuerpflicht zu beantragen, auch wenn diese Personen weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, geantwortet wird. Das heißt, die sogenannten Grenzgänger, die aus einem EU- oder EWR-Staat einpendeln und den wesentlichen Teil ihrer Einkünfte in Österreich erzielen, gelten somit auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig.

Eine weitere Änderung betrifft die beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer, Personen also, die in Österreich weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt haben. Bisher galt ja bei Zahlung des laufenden Arbeitslohnes eine Mindestbesteuerung von 10 Prozent. Diese Mindeststeuer für die beschränkt Steuerpflichtigen soll ab 1997 fallen.

Erforderlich wurde auch die Änderung der Straßenbenützungsabgabe beziehungsweise des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, worauf ja schon einige Redner näher eingegangen sind.

Da die Straßenbenützungsabgabe nach dem Beitritt zur Europäischen Union abzusenken war, wird der Schwerverkehr billiger. Um verkehrspolitische Nachteile zu vermeiden, muß die Kraftfahrzeugsteuer für LKW gestaffelt nach Tonnagen angehoben werden. Diese Maßnahme ist aus mehreren Gründen wichtig, das wurde heute auch schon mehrmals betont.

Die Zunahme des Straßengüterverkehrs, welche den österreichischen Bemühungen um die verkehrs- und umweltpolitisch geforderte Verlagerung auf die Schiene zuwiderläuft, hat ihre wesentliche Ursache in der Verbilligung der Kosten für den Straßengütertransit seit 1. Jänner 1995. Mit diesem Termin begann bekanntlich der schrittweise Ersatz des bisher in Österreich gültigen Straßenverkehrsbeitrages durch die auf die EU-Wegekostenrichtlinie abgestimmte Straßenbenützungsabgabe.

Die Problematik wurde zusätzlich dadurch verschärft, daß sich einerseits die Gütertransportkosten auf der Bahn durch Indexanpassungen erhöht und andererseits die Kosten für die Alternativrouten durch die Schweiz und auch durch Frankreich wesentlich verteuert haben. Eine einseitige Verbilligung hätte den verkehrspolitischen Zielen in Österreich und natürlich auch jenem Ergebnis, das mit der EU ausverhandelt wurde, widersprochen.


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Es war von Anfang an klar, daß der Herabsetzung des Straßenverkehrsbeitrages für LKW einerseits mit steuerlichen Bemautungsmaßnahmen und andererseits natürlich mit einer Anhebung der Kraftfahrzeugsteuer für LKW begegnet werden muß.

Die derzeitige Regelung sieht vor, daß bei bestimmten Fahrzeugen sowohl eine zeitabhängige Maut als auch die Pflicht bestehen kann, die Straßenbenützungsabgabe zu entrichten. Diese Doppelbesteuerung soll mit dem vorliegenden Gesetzesantrag verhindert werden. Es kann nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen ein Teil der Maut auf die entrichtete Abgabe angerechnet werden.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Erhöhung der Kfz-Steuer, das gebe ich schon zu, ist nicht unbedingt die beste Lösung und kann in Anbetracht des vorher Gesagten natürlich nur als Übergangslösung angesehen werden, aber insgesamt können und dürfen Maßnahmen zur Herbeiführung von Kostenwahrheit und damit einer deutlich verbesserten Konkurrenzfähigkeit der Schiene nicht alleine auf das österreichische Staatsgebiet beschränkt bleiben, sondern müssen europaweit durchgesetzt werden. Da sind alle EU-Abgeordneten aller Fraktionen gefordert.

Ich hoffe, daß die geplante Einführung des Road-Pricing, welches einen wesentlichen Schritt in Richtung Kostenwahrheit bedeuten wird, wie vereinbart umgesetzt werden kann. Ich bin voller Zuversicht, daß der Wirtschaftsminister alle Vorbereitungen und Maßnahmen treffen wird, damit der vorgesehene Termin für die Umsetzung ohne Verzögerung gehalten werden kann – dies vor allem auch im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit inländischer Transporteure mit ihren ausländischen Kollegen.

Die zu beschließende Regelung bei der Kfz-Steuer ist als Übergangslösung vorgesehen, und daher werde ich dem auch meine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

13.09

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Rosenstingl hat heute hier gemeint, Österreich hätte eine wirtschaftsfeindliche Politik, die Bundesregierung sei nicht in der Lage, für die Wirtschaft die Voraussetzungen zu schaffen. – Bei aller Wertschätzung, Herr Kollege Rosenstingl: Diese Beurteilungskompetenz spreche ich Ihnen ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich vernehme mit Erstauen und zugleich mit Freude, daß der deutsche Bundeskanzler Kohl Österreich für diese wirtschaftspolitischen Reformen ausdrücklich gelobt hat. Er fand es beachtlich, daß in Österreich mit dieser Regierungsform die Unternehmensbesteuerung reduziert wurde, die Vermögensteuer abgeschafft worden ist.

Und dann, meine Damen und Herren, meint hier ein Kollege von der FPÖ, in Österreich sei alles schlecht. Noch einmal, Herr Kollege, bei aller Wertschätzung: Dem wirtschaftspolitischen Befund des deutschen Bundeskanzlers wird in Österreich sicher mehr Augenmerk geschenkt werden als Ihrem! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte Herrn Bundesminister Klima beipflichten, daß es nicht sein kann, daß man sich einzelne Punkte heraussucht und vermeint, an einigen wenigen Punkten aufzeigen zu können, dieses und jenes sei negativ. Die Gesamtheit ist zu sehen, gerade in der Frage der Kfz-Besteuerung.

Ich bin dankbar für die schriftliche Unterlage, die uns übermittelt worden ist, in der klargestellt wurde, wie in den verschiedensten Ländern Europas die Besteuerung und die Belastungen der verschiedensten Bereiche tatsächlich gegeben sind, was letztlich aufzeigt, daß in Österreich mit diesem Kompromiß, der jetzt erzielt wurde, durchaus eine vertretbare Lösung für das Kraftfahrzeuggewerbe beziehungsweise für das Frächtergewerbe gefunden werden konnte.


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Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, daß gerade dieser Beratungspunkt in den Vorberatungen zum Finanzausschuß für unterschiedliche Beurteilungen und heftige Diskussionen gesorgt hat. Das Straßenbenützungsabgabegesetz ist eben etwas, das immer unterschiedlich gesehen wird: einerseits aus der Sicht jener, die ihre Wirtschaftsbereiche vertreten, und andererseits aus der Sicht jener, die nur Umwelt- und Verkehrspolitik sehen.

Es war klar vorgegeben, daß die Senkung der Straßenverkehrsabgabe auf EU-Standard zu erfolgen hat, und es war eine unterschiedliche Sichtweise notwendig, um diese Kfz-Steuererhöhung in verschiedenen Bereichen auf eine tragfähige Höhe zu fixieren.

Meine Damen und Herren, ein kleiner Bericht aus meiner Nachbargemeinde. Eines der größten oberösterreichischen Unternehmen mit etwa 300 LKW überlegt seit Monaten eine Neugründung, Fixierung, Ausweitung seiner betrieblichen Zukunft. Es wird überlegt, ob der Standort in Edt bei Lambach beibehalten oder ob er verlegt werden soll, weil für die Neustrukturierung dieses Betriebes etwa 13 Hektar Betriebsfläche notwendig werden. Also ein zukunftsweisender Betrieb, der wirtschaftlich gesund ist, der Hunderte Arbeitsplätze absichert und der auch für das Steueraufkommen durchaus nicht uninteressant ist, weiß nicht, wie es mit ihm weitergehen soll.

Aufgrund der Diskussionen, die wir im Finanzausschuß geführt haben, ist die Betriebsleitung – weil der Betrieb seinen Standort derzeit in meiner Nachbargemeinde hat – zu mir gekommen und hat ganz offen dargelegt: Wenn an den Zielen und Plänen festgehalten würde, wie ursprünglich vorgesehen, dann gebe es für den Betrieb nur eine Lösung, nämlich die Verlagerung auf einen deutschen Standort. – Das wäre, glaube ich, der falsche Weg gewesen, denn damit hätte man österreichische Arbeitsplätze gefährdet, damit hätte für diese Gemeinde und für weitere Standorte – dieser Betrieb besteht ja nicht nur an einem Standort – die Gefahr des Entfalls von beträchtlichen Kommunalsteuerzahlungen bestanden. Weiters wären die Arbeitsplätze weg gewesen – und wir hätten trotzdem nicht weniger Verkehr in Österreich! Dann würde aufgrund der Möglichkeiten in Zukunft die Fracht, die auf Österreichs Straßen transportiert wird, eben von ausländischen Frächtern, von Unternehmen, die ihre Standorte im Ausland fixieren, durchgeführt werden. Damit wäre niemandem gedient gewesen, weder dem Wirtschaftsstandort Österreichs noch der Arbeitsplatzsicherung, letztlich auch nicht jenen Bereichen, die wichtig sind, damit die Steuerleistungen erzielt werden können.

Mit dem jetzt gefundenen Kompromiß, der für alle, so meine ich, vertretbar ist, wird das Problem auch für diese Firma gelöst. Sie wird in Österreich bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.15

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Wegen der Aktualität dieses Themas, das heute durch die Schlagzeilen gegangen ist, und einer offensichtlich weitreichenden Entscheidung für die Zukunft kann ich nicht umhin, mich diesem nochmals zu widmen.

Der Herr Bundesminister hat ja bereits im Finanzausschuß vorgebaut, möchte ich sagen. Er hat zwar nur vage Vorankündigungen im Zusammenhang mit der Änderung des Poststrukturgesetzes gemacht, aber er hat für jemanden, der die Sache grundlegend analysiert, keinen Zweifel daran gelassen, daß ein neues Angebot sehr interessant ist und anscheinend auch zum Zug kommen wird.

Herr Bundesminister! Sie haben gemeint, indem Sie dreimal Europäisches Kartellamt, Europäische Aufsichtsbehörde genannt haben, daß aus diesem Grund die Privatisierung der Creditanstalt-Bankverein, so wie sie bisher durch die Zeitung gegangen ist, finanzwirksam heuer nicht zustande kommen wird. Für mich war das ein klares Indiz dafür, daß ein sehr mächtiges Bankinstitut mit einem Angebot im Hintergrund steht und sich bei Ihnen demnächst offiziell mit einem Beteiligungswunsch, mit einem Übernahmewunsch einstellen wird – auch wenn Sie im Aus


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schuß versucht haben, das abzuschwächen, und immer wieder probiert haben, auf das Problem zu reduzieren, daß es sich ja nur um einen 17prozentigen Bundesanteil handelt.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, das, was Sie heute gesagt haben, noch einmal zusammenzufassen und Sie auch das eine oder andere zu fragen. Sie haben sich zwar zweimal zu Wort gemeldet, aber die wirklichen Kernpunkte, die wirklich brisanten Fragen haben Sie nicht beantwortet beziehungsweise haben Sie sich an einer Antwort vorbeigeschwindelt.

Es gibt drei Modelle. Das wird die Entscheidung für die Zukunft sein. Wenn sich herausstellt, daß zwar eine Fusion von Creditanstalt und Bank Austria durchgeführt wird und vielleicht im Jahr 1997 die 17 Prozent Bundesanteil an der dann vergrößerten Bank Austria verkauft oder sogar an eine private Anteilseignerschaft transferiert werden, sonst aber nichts passiert, Herr Bundesminister, dann ist es keine Privatisierung, dann ist es das Gegenteil: Dann ist es eine Verstaatlichung nach sozialistischer Prägung, der wir sicher nicht zustimmen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweiter Fall. Wenn sich herausstellt, Herr Bundesminister, daß lediglich gewisse Anteile der "Bank Austria – CA" privatisiert werden, größter Einzelaktionär aber – und wenn das nur 10 oder 12 Prozent sind – die Anteilsverwaltung Zentralsparkasse der Gemeinde Wien bleibt, dann ist es eine Scheinprivatisierung und aus unserer Sicht ebenfalls völlig inakzeptabel.

Dritter Fall. Wenn sich herausstellt, Herr Bundesminister, daß die neue "Bank-Austria – CA" in einem durchaus überschaubaren Zeitraum nicht zu 60 Prozent, 65 Prozent oder 70 Prozent in privates Eigentum übergeht – durchaus unter dem Blickpunkt eines strategischen Partners –, sondern vollständig privatisiert wird, sodaß der Einzelaktionär seine Rechte im Wege der Aktionärsvertretung nachhaltig durchsetzen kann, dann ist das ein Modell, das die Zustimmung und die Unterstützung der Freiheitlichen finden wird. Alles andere ist ein Schmäh, ist ein Trick, hat Scheincharakter.

Meine Damen und Herren! Ich kann auch der Österreichischen Volkspartei nicht beipflichten, die angesichts der bevorstehenden Transaktion anscheinend den Koalitionsnotstand ausruft, wie man das so hört und wie das schon durch die Medien geistert.

Schade, daß Herr Klubobmann Khol nicht da ist, denn das möchte ich besonders an seine Adresse richten. Dieses Kampfgeheul ist deshalb unangebracht, weil die ÖVP selbst vor wenigen Jahren über ihre Vertrauensleute in einem großangelegten Schachzug, in einer Blitzaktion probiert hat, das Giebelkreuz über der Creditanstalt-Bankverein zu errichten, was aber kläglich gescheitert ist. Anscheinend waren die Verhandler im Hintergrund in der Person des Herrn Generaldirektors Randa und in der Person des Aufsichtsratspräsidenten jetzt wesentlich erfolgreicher. Deshalb tut Ihnen das so weh, nicht, weil es Ihnen in Wirklichkeit sosehr um die großen Anliegen der Kunden, der Kreditnehmer, der Anleger in Österreich geht, sondern weil Sie Ihre Machtposition gefährdet sehen. Das tut Ihnen im Rückenmark weh. Daher schreien Sie jetzt so laut und wacheln mit der Koalition. Das ist aus unserer Sicht ebenfalls völlig inakzeptabel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, meine Damen und Herren, der Herr Finanzminister muß sich jetzt einmal deklarieren. Es genügt nicht, zu sagen: Ich bin jetzt zur Verschwiegenheit verpflichtet, man wird abwarten müssen, was da hereinkommt. Herr Finanzminister! Sagen Sie doch endlich einmal dem Parlament die Wahrheit! Sagen Sie, zu welcher dieser drei Varianten Sie sich bekennen wollen: ob das jetzt eine Scheinprivatisierung ist (Zwischenruf des Abg. Parnigoni ) , ob Sie gewisse Anteile weiterhin irgendwo parken wollen, ob Sie die 17 Prozent bei der Postbeteiligungsholding belassen wollen oder ob Sie, wenn es hart auf hart geht, wenn der vorprogrammierte Koalitionskrach dann größer wird, die Hände in den Sack stecken und sagen: Ich habe es probiert, ich habe mich angestrengt, ich wollte 16 Milliarden in die Kasse bringen, aber die ÖVP wollte nicht! Dann hätten wir nämlich ein perfektes Theater, dann hätten wir die Verlängerung des bereits fünf Jahre andauernden erfolglosen Versuchs der Privatisierung der CA. Das ist aus


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unserer Sicht ebenfalls nicht akzeptabel, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sagen Sie auch, Herr Bundesminister, hier vor diesem Parlament, wie Sie sich die Zukunft vorstellen, ob in Zukunft privatwirtschaftliche Aktionärsvertreter in den Gremien das Sagen haben werden, die Geschicke der Bank im Sinne der österreichischen Volkswirtschaft, im Sinne des Anlegers, im Sinne des Kreditnehmers lenken werden, oder sagen Sie, wenn Sie sich dazu bekennen, daß weiterhin die Bankenpolitik und die Personalentscheidungen im Bereich der Vorstandspositionen, der Aufsichtsratsgremien in den Parteizentralen von SPÖ und ÖVP verhandelt werden sollen. Treffen Sie bitte endlich einmal eine klare Aussage, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.23

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte im wesentlichen zu drei Punkten Stellung nehmen.

Erster Punkt: das Strukturanpassungsgesetz. Wir haben es im Frühjahr des heurigen Jahres beschlossen, und eine wesentliche Voraussetzung war dabei immer, daß die Lasten, die dieses Strukturanpassungsgesetz mit sich gebracht hat, möglichst gerecht verteilt werden.

Dieses heutige Abgabenänderungsgesetz ist mit ein Schritt, diese Lasten gerecht zu verteilen, weil es doch ein Nachziehen derer, die Körperschaftsteuer und Einkommensteuer zahlen, gegenüber jenen, die diese Lohnsteuerabgaben ohnehin schon entrichten, ist. Es ist notwendig, daß, wie in der Budgetplanung – und es schaut auch danach aus – nicht nur die Lohnsteuer, sondern auch die festgelegten Beiträge an Körperschaftsteuer und Einkommensteuer tatsächlich realisiert werden.

Ich glaube auch, daß es notwendig ist, das Prinzip weiterzuverfolgen, daß zwar nicht Steuersätze erhöht, aber insbesondere im Bereich KÖSt und Einkommensteuer die Steuerbasis verbreitert werden soll, und es muß weiters daran gedacht werden, wie der Herr Finanzminister schon vor dem Sommer angekündigt hat, daß insbesondere die Steuerüberprüfung in diesem Bereich verstärkt wird, weil anzunehmen ist – es gibt einige Schätzungen –, daß es einen Steuerausfall von mehreren Milliarden Schilling aufgrund von Geschäften, die derzeit neben den Büchern laufen, gibt. Auch da wird es notwendig sein, einen Nachholprozeß durchzuführen.

Der zweite Punkt, den ich mit erwähnen wollte, sind die Straßenbenützungsabgabe und die Kfz-Steuer. Diese festgelegten Beiträge der Kfz-Steuer stellen einen Kompromiß dar. Aber, meine Damen und Herren, ich muß von meiner Warte aus sagen, daß ich mich diesem Kompromiß von der anderen Seite nähere. Das heißt, mir sind die Beträge, die hier festgelegt worden sind, eher zu gering als zu hoch. Mir waren auch schon die Ansätze in der Regierungsvorlage tendenziell eher zu gering als zu hoch. Und wir sind jetzt mit diesen Beiträgen noch einmal einen Schritt heruntergegangen. Man muß schon mit sehen, daß das eigentlich unseren verkehrspolitischen Zielsetzungen widerspricht, weil wir ganz einfach den Güterverkehr auf der Straße begünstigen und keinen Schritt in die Richtung setzen, daß der Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden kann, indem Kostenwahrheit geschaffen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Im langfristigen Vergleich muß man schon anmerken, daß vor dem EU-Beitritt die Belastung eines 38-Tonnen-LKWs durch die Straßenbenützungsabgabe 75 000 S betrug. Diese Belastung wird jetzt auf 16 000 S reduziert. Das ergibt ein Ersparnis von nahezu 60 000 S. Die Kfz-Steuer wird nun laut Regierungsvorlage von 5 400 S auf 45 000 S um 40 000 S erhöht. Es hätte sich ein Ersparnis von 20 000 S ergeben. Durch diesen neuen Vorschlag des Finanzausschusses wird dieses Ersparnis nun von 20 000 S auf 26 000 S erhöht. Ich betrachte das im Wege des Kompromißfindens als gerade noch aushaltbar, aber es ist im Prinzip ein Weg in die falsche Richtung.


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Wenn auch die Wettbewerbsneutralität mit angesprochen wird und wenn es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommen soll, dann sollte man schon noch drei Punkte mit berücksichtigen.

Ein Punkt ist, daß dieser internationale Wettbewerb vor allem bei den LKWs mit hoher Tonnage ins Treffen geführt werden kann, weil im internationalen Verkehr im wesentlichen LKWs mit über 30 Tonnen fahren. So wäre es zumindest konsequent gewesen, die Beiträge für die LKWs zwischen 12 und 18 Tonnen nennenswerter zu erhöhen, als das jetzt der Fall war.

Zweiter Punkt – das hat der Herr Minister schon ausgeführt –: Die Gesamtbelastung eines LKWs einschließlich Mineralölsteuer und anderer Abgaben ist in der Schweiz, in Deutschland und in Italien viel höher als in Österreich.

Und letztlich – das entspricht ja auch der Ausschußfeststellung – wird das Road-Pricing dazu führen müssen, daß die Wettbewerbsneutralität wiederhergestellt wird. Aber es darf insgesamt zu keiner Entlastung des Güterverkehrs auf der Straße kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der dritte Punkt: die CA-Privatisierung. Wir haben hier ein Gesetz beschlossen, das genau festlegt, daß es lediglich um drei Kriterien geht. Das erste Kriterium ist eine österreichische Lösung. Das zweite ist eine Strukturverbesserung in der Bankenlandschaft. Das dritte ist ein möglichst hoher Ertrag für den Bund. Es geht um diese drei Punkte und um sonst nichts! Es ist durch dieses Gesetz auch überhaupt nicht ausgeschlossen, daß sich ein anderer Interessent beteiligen kann, bei dem etwa der Haftungsträger die Gemeinde Wien ist.

Ich glaube, wir haben gerade in letzter Zeit erkennen müssen, daß es sehr wichtig ist, daß die Entscheidungszentralen im Land belassen werden. Wenn wir etwa einen Blick über die Grenze nach Deutschland machen, werden wir feststellen, daß es dort sehr viele Beteiligungen von deutschen Bundesländern an Banken und Industriekonzernen gibt und daß diese die Beteiligungen sehr strategisch einsetzen.

Ich erinnere an den Fall Conti mit der Beteiligung Niedersachsens und daran, daß Niedersachsen erreicht hat, daß das Forschungszentrum vor zwei Jahren von Traiskirchen nach Hannover verlegt worden ist; wir sehen jetzt die Folgewirkungen. Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, daß auch im Interesse der öffentlichen Hand Mitsprache gesichert ist.

Den theoretischen Ansatz, daß es Beteiligungen der öffentlichen Hand, sprich von Gemeinden und Ländern, überhaupt nicht geben soll, teile ich nicht. Ich halte ihn auch für unglaubwürdig, insbesondere wenn er von Vertretern der ÖVP und da wiederum speziell von Vertretern der niederösterreichischen ÖVP kommt.

Ich gehe auf einen ganz anderen Punkt ein und will insbesondere die Abgeordneten Dr. Stummvoll und Dr. Höchtl ansprechen. Es gibt in Niederösterreich die Straßenverwaltung mit 3 000 Beschäftigten, die immer noch im Bereich der Hoheitsverwaltung des Landes geführt wird. Nicht einmal ausgegliedert, geschweige denn privatisiert ist diese Straßenverwaltung. Ich weiß, daß sich die ÖVP-Abgeordneten in Niederösterreich mit Händen und Füßen wehren, wenn man nur über eine Ausgliederung dieser Straßenverwaltung – ich rede nicht von einer Privatisierung – spricht. Wenn dieselben Abgeordneten jetzt hergehen und uns weismachen wollen, daß sie überhaupt gegen jedes öffentliche Eigentum seien, dann kann ich nur sagen: Ich nehme ihnen das nicht ab! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Böhacker vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.32

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Angesichts des nahenden Weihnachtsfestes drängen sich die Worte "Alle Jahre wieder!" geradezu auf. Herr Finanzminister! Alle Jahre wieder gibt es nicht nur die Frohbotschaft, sondern alle Jahre wieder bescheren Sie beziehungsweise die Koalition dem


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österreichischen Steuerzahler ein Abgabenänderungsgesetz, das meist ein Belastungsgesetz ist. (Abg. Koppler: Das hast du voriges Jahr auch gesagt!)

Nach dem Strukturanpassungsgesetz, das im Frühjahr 1996 beschlossen wurde, behandeln wir heute sogar ein Abgabenänderungsgesetz im Doppelpack, mit dem Ergebnis, Herr Bundesminister, daß im Jahre 1996 das Einkommensteuergesetz zum Beispiel schon dreimal geändert wurde. Herr Bundesminister! Was wollen Sie eigentlich dem ohnmächtigen Steuerzahler in Österreich, egal ob Arbeitnehmer, Unternehmer, Bauer oder Freiberufler, noch alles zumuten? Glauben Sie wirklich, daß Herr und Frau Österreicher nichts anderes mehr zu tun haben, als ständig neue Steuergesetze zu lernen und umzusetzen? Glauben Sie wirklich, daß mit Ihrer Vorgangsweise die ehernen Prinzipien des Steuersystems, des Steuerrechts wie Berechenbarkeit, Kontinuität und Rechtssicherheit gewährleistet sind?

Herr Bundesminister! Mit dieser Ihrer Politik erzeugen Sie Rechtsunsicherheit, schaffen Sie keine Kontinuität, und es gibt keine Berechenbarkeit im Steuerrecht mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist absolut investitionsfeindlich, wirtschaftsfeindlich und standortfeindlich!

Wenn ein Investor, egal ob ausländisch oder inländisch, sich nicht mehr darauf verlassen kann, daß Steuergesetze zumindest ein oder zwei Jahre Gültigkeit haben, wenn Steuergesetze rückwirkend geändert werden, wenn Steuergesetze rückwirkend im Verfassungsrang geändert werden und damit der Zugang zum Recht verweigert wird, wie wollen Sie dann, Herr Bundesminister, einen ausländischen Investor nach Österreich bringen, der hier investiert und Arbeitsplätze schafft? Wie wollen Sie das aus der Sicht des Steuerrechts machen? (Abg. Haigermoser: Arbeitsplatzvernichtung ist das à la Nowotny! – Gegenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Ganz im Gegenteil, mit der Kfz-Steuererhöhung sind 1 500 Arbeitsplätze aus Salzburg ins benachbarte Bayern abgewandert. Kollege Stummvoll hat es richtig gesagt: Der Arbeitsplatz des Frächters ist sehr mobil. Es ist für ihn ein Leichtes, zu bestimmen, ob er seinen Betriebsstandort in Salzburg oder 6 Kilometer weiter im benachbarten Bayern hat.

Herr Bundesminister! Hier hätten Sie wirklich Handlungsbedarf, endlich wieder eine Steuergesetzgebung Platz greifen zu lassen, die berechenbar ist und Kontinuität aufweist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Kfz-Steuererhöhung, Herr Bundesminister, haben Sie unter anderem damit begründet, daß Sie zu dem stehen würden, was Sie vor der Volksabstimmung über den EU-Beitritt versprochen und angekündigt haben. Es ehrt Sie, wenn Sie Ihre Versprechen einhalten. Nur sollten Sie hier ein wenig konsequenter sein. Wie ist es denn mit dem Versprechen, das Sie vor der Volksabstimmung abgegeben haben, keine Steuererhöhungen durchzuführen, und mit dem Versprechen, 50 000 Arbeitsplätze netto mehr zu schaffen, ein höheres Wirtschaftswachstum zu erreichen sowie keine höhere Belastung des 13. und 14. Gehaltes einzuführen? Wo haben Sie diese Ihre Versprechungen umgesetzt und eingehalten? Da, Herr Bundesminister, sind Sie wortbrüchig geworden, und daher ist Ihre Argumentation in bezug auf das Einhalten von Versprechen zur Kfz-Steuerbegründung nicht zulässig.

Die Zeit rennt mit Riesenschritten davon. – Herr Bundesminister! Ein weiterer Kritikpunkt an diesem Abgabenänderungsgesetz ist, daß Sie wieder einmal rückwirkend im § 26a Körperschaftsteuergesetz eine Bestimmung einführen, nämlich die Verlustzuweisungen. Ich gehe mit Ihnen konform, daß das von Ihnen zitierte Beispiel der CA-Tochter, die in Deutschland Wertpapiere als Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sofort als Verluste zuweist, einen Mißbrauch darstellt. Völlig d’accord. Aber mit dieser Bestimmung schütten Sie das Kind mit dem Bade aus. Ich kann doch nicht wegen einzelner Mißbrauchstatbestände einfach ein Gesetz ändern. Diese Konstruktion wäre auch mit den bestehenden Gesetzen allein nach der Bundesabgabenordnung zu verhindern gewesen.

Auch im Zusammenhang mit der Sistierung der Verlustvorträge müssen Sie jetzt einen legistischen Salto mortale rückwärts machen. Wenn, obwohl Verlustvorträge 1996/97 sistiert sind, steuerfreie Sanierungsgewinne vorliegen, dann muß der Verlustvortrag trotzdem geltend gemacht werden. Das ist das Ergebnis einer wirren Steuerpolitik, Herr Bundesminister!


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Ich möchte noch kurz zum EU-Abgabenänderungsgesetz kommen. Da gibt es auch eine Änderung im Umsatzsteuergesetz. Im Zuge des EU-Beitritts war es notwendig, daß ab 1. 1. 1997 im Krankenanstaltenbereich die unechte Steuerbefreiung Platz greift. Und da gibt es jetzt eine Sondersituation für ein Spital in Spittal an der Drau. Das ist eine GmbH, die keine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, aber andererseits mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet wurde. Diese GmbH hat nach den derzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen im § 6 Abs. 1 Z 18 nicht die Möglichkeit, die unechte Steuerbefreiung in Anspruch zu nehmen. Ich darf daher in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Böhacker, Mag. Herbert Haupt und Kollegen betreffend Gleichstellung der mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Anstalten mit Körperschaften öffentlichen Rechts in § 6 Abs. 1 Z 18 UStG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Anstalten den Körperschaften öffentlichen Rechts gleichgestellt werden."

*****

Dies wäre dringend notwendig, um eine entsprechende Gleichheit vor dem Gesetz zu schaffen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fink. – Bitte, Herr Abgeordneter. Angezeigt werden 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

13.39

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich beziehe eine sehr kritische Haltung gegenüber diesem EU-Abgabenänderungsgesetz. Eingangs möchte ich jedoch feststellen – das hat der Herr Bundesminister bereits gesagt –, daß auch die Straßenverkehrsabgabe in den letzten Jahren von 72 000 S auf jetzt 16 700 S abgesenkt wurde. Das ist ein großer Betrag. Allerdings ist dazu auch festzustellen, daß es nicht nur die inländischen Frächter, sondern auch die ausländischen Frächter trifft.

Gleichzeitig wird jedoch die Kfz-Steuer um 5 S beziehungsweise 15 S pro Tonne angehoben. Ich meine aber, daß auch diese geringfügige Anhebung der Kfz-Steuer zu einer Wettbewerbsverzerrung führt, und zwar deshalb, weil aufgrund des Beitrittsvertrages zur EU die volle Liberalisierung und damit auch die Einführung der Kabotage in Österreich in Kraft tritt.

Das bedeutet, daß ausländische Frächter im grenzüberschreitenden Verkehr und jetzt auch im innerösterreichischen Straßengüterverkehr zu geringeren Fixkosten anbieten können. Es wird zu einem Verdrängungswettbewerb zwischen den ausländischen und inländischen Frächtern kommen. Das heißt für mich, daß auch die Frächter immer mehr unter Druck geraten.

Die Kfz-Steuer – das ist festzustellen – ist mit rund 40 000 S für einen 40-Tonnen-Lastzug die höchste in Europa. In Deutschland beträgt diese Steuer ungefähr 26 000 S, in Holland rund 14 000 S, in Italien rund 12 000 S und in Frankreich sogar nur 3 000 S. Nicht umsonst, Herr Bundesminister, unterbietet nun ein italienischer Großfrächter die österreichischen Fixpreise um ungefähr 20 Prozent.


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Es ist auch mein Wunsch, daß der Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert wird. Aber ich würde eher dazu sagen, daß sich die Österreichischen Bundesbahnen etwas einfallen lassen sollen und nicht Zwangsmaßnahmen der Regierung es erst bewirken müssen, daß die Bahn konkurrenzfähiger wird. Ich glaube, daß, wenn die Betriebe noch mehr belastet werden, die ausländische Konkurrenz immer größer wird. Der LKW-Verkehr – das ist meine Meinung – wird sicherlich nicht abnehmen, vielleicht der heimische Frächterverkehr, der ausländische aber wird durch die Freigabe der Kabotage sicherlich zunehmen.

Herr Bundesminister! Sie haben sicherlich recht, wenn Sie sagen, es ist unzulässig, die Kfz-Steuer nur isoliert zu betrachten. Ich bedanke mich bei Ihnen, daß Sie uns Unterlagen zur Verfügung gestellt haben, damit in bezug auf die Gesamtbelastung die Unterschiede zwischen den ausländischen und inländischen Frächtern besser herausgearbeitet werden können. Da stellt sich heraus, daß unter Berücksichtigung der steuerlichen Gesamtbelastung, das heißt, wenn nicht nur die Kfz-Steuer einseitig betrachtet wird, wie ich das auch gemacht habe, die österreichischen Frächter nicht so schlecht abschneiden.

Letztlich glaube ich, daß der Kompromiß, daß die Wettbewerbschancen inländischer Transporteure zu ausländischen Transporteuren möglichst rasch durch die baldige Einführung des Road-Pricing verbessert werden, akzeptierbar ist. Unter dieser Voraussetzung werde ich dem EU-Abgabenänderungsgesetz meine Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.43

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: Mit Krawatte und Gilet! – Abg. Koppler: Oberösterreich hat Wahlen nächstes Jahr! – Weitere Zwischenrufe.) – Die Überraschung ist offensichtlich gelungen! Ich habe selten so viel Zustimmung wie heute aufgrund von Krawatte und Westerl erhalten! (Heiterkeit.) Jetzt nach sechs Jahren weiß ich erst, was das Geheimrezept in diesem Hause wäre!

Ich hoffe, wir können jetzt etwas daraus machen, und Sie werden mir dann, nicht nur was die Modefragen betrifft, sondern auch inhaltlich mehr Folge leisten. Wir werden sehen, was daraus wird. (Weitere Zwischenrufe.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nach sechs Jahren parlamentarischer Tätigkeit so, daß ich mich immer noch manchmal zu wundern vermag (Bundesminister Mag. Klima ißt) – Mahlzeit, Herr Minister! –, nicht über den Appetit des Ministers – das ist durchaus in Ordnung, es ist Mittagszeit, sogar schon ein bisserl überschritten –, sondern in erster Linie darüber zu wundern vermag, wie konsequent oder inkonsequent manche politische Linie in diesem Hohen Hause ist.

In den letzten Jahren – damals war Herr Minister Klima noch Verkehrsminister – haben wir viele Debatten in diesem Hohen Hause geführt, in denen es um die Frage der Kostenwahrheit im Verkehr gegangen ist. Ich glaube, Kollege Eder war es, der heute darauf verwiesen hat, daß man diese Schritte in Richtung Kostenwahrheit nicht verwässern sollte et cetera. Alle Fraktionen stimmen immer dann zu, wenn wir theoretisch darüber reden: Natürlich brauchen wir Schritte in Richtung Kostenwahrheit, selbstverständlich, koste es, was es wolle. – Nein, hoppala, stopp! Nicht koste es, was es wolle, sondern wenn es um die konkreten Kosten und um konkrete Maßnahmen geht, dann heißt es immer: Stopp! Überdenken, ein bisserl langsamere Schritte, ein internationaler Gleichklang et cetera.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird auch nie bestritten, daß wir in Österreich eine unglaubliche Quersubvention des LKWs durch den PKW haben. Es wird auch nicht bestritten, daß es massive Schwierigkeiten der Österreichischen Bundesbahnen im Bereich Konkurrenzchancen im Vergleich zur Straße gibt, auch aufgrund fehlender Kostenwahrheit und aufgrund fehlender Maßnahmen in Richtung Ausgleich und Kostenwahrheit.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich, daß zum Beispiel die Freiheitliche Partei Österreichs, die FPÖ – so heißt sie, glaube ich, jetzt wieder –, etwa bei den Debatten über den EU-Beitritt ganz vehement und energisch darauf gedrungen hat, daß die Forderungen und die Zusagen der Bundesregierung in Richtung Bürger, daß es zu keiner Verzerrung dieser Kostenwahrheit komme, zu keiner Verbilligung des LKW-Verkehrs komme, eingehalten werden müssen. Selbstverständlich haben die beiden Regierungsparteien erklärt: Natürlich wird diese Zusage so wie im Bereich Landwirtschaft eingehalten. – Der Herr Minister hat ja schon kurz auf diese Debatte verwiesen.

Wenn es einmal konkret wird, dann heißt die Freiheitliche Partei FPÖ plötzlich nicht mehr Freiheitliche Partei, sondern dann steht FP für das Kürzel "Frächterpartei". (Rufe bei den Freiheitlichen: Hahaha!) – Da wird ganz beinharte Lobbypolitik gemacht, da ist es völlig Wurscht. Meischberger, schau oba! Das ist nicht nur in Richtung Steuerpolitik ein interessantes Thema, sondern gerade auch für dich als Tiroler Abgeordneten. Du müßtest ja ein Vorkämpfer in Richtung Kostenwahrheit sein. Das ist ja immer das Thema der Freiheitlichen Partei in Tirol. Und was ist, wenn diese Abgeordneten in Wien sind? – Dann ist das alles gleichgültig, dann wird Frächterlobbypolitik, FP-Politik, Frächterpolitik eins zu eins gemacht.

Auf ÖVP-Seite ist die Situation völlig gleich. Ich verstehe nicht, daß man einen Landeshauptmann in Tirol hat, der sich einerseits zumindest rhetorisch, manchmal aber auch sehr praktisch die Frage Transitpolitik und Überrollt-Werden Tirols durch den Transitverkehr zu einem eigenen Thema macht, andererseits aber eine völlig entgegengesetzte Politik hier in diesem Hohen Hause macht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von 72 000 S vor dem EU-Beitritt wurden die Tarifbelastungen für LKW durch die Straßenbenützungsgebühr/Schwerverkehrsabgabe schrittweise auf mittlerweile 16 000 S reduziert. Das ist eine dramatische Verbilligung des LKW-Verkehrs. Das heißt ein Anheizen des LKW-Verkehrs auf der Straße, das heißt wieder eine dramatische Schlechterstellung für die Bundesbahnen, was die Konkurrenzchance betrifft. – Das ist die reale Situation.

Nun haben wir, wie es Herr Minister Klima nennt, einen Kompromiß vorliegen. Ich würde auch sagen, es ist ein Kompromiß zwischen dem, was notwendig wäre, um diese Reduktionen tatsächlich auszugleichen, und den Frächterinteressen, die hier von zumindest zwei Fraktionen des Hohen Hauses ganz militant und offensiv realisiert werden. Es ist ein Kompromiß, allerdings bleibt in diesem Kompromiß einer auf der Strecke. Nicht eingehalten wird damit das Versprechen, daß es zu keinen Verbilligungen des Straßenverkehrs durch den EU-Beitritt kommt. Und zwar wird das gerade bei den leichten LKWs nicht eingehalten, bei den schwersten kann man schon darüber diskutieren, aber vor allem bei den leichteren im 24-, 28-, 32-Tonnen-Bereich wird das nicht eingehalten. Das ist ein klar gebrochenes Versprechen, das auf der Strecke bleibt.

Zweitens nicht eingehalten wird das Versprechen gegenüber Anrainern von Transitstrecken betreffend Umwelt und auch gegenüber den Bundesbahnen, denen auch versprochen wurde, daß es eine faire Konkurrenzchance gibt. Das wird damit ebenfalls nicht eingehalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Finanzminister hat selbst die Zahlen genannt, wie die Belastungssituation im Ländervergleich mit den Nachbarstaaten Österreichs konkret aussieht, und diese Belastung des LKWs, diese steuerliche Tarifpolitik in Richtung LKW schaut für Österreich negativ aus. Das kann man natürlich aus Sicht der Frächter begrüßen, aus Sicht der Umwelt, aus Sicht der Transitanrainer ist das jedoch alles andere als begrüßenswert.

Wir haben geringere steuerliche Gesamtbelastungen als Italien, als die Schweiz und auch – da schon marginal, aber doch – als Deutschland. Das ist eine Situation, auf die wir von der Regierungsbank und auch von den Kolleginnen und Kollegen seitens der SPÖ in Richtung Road-Pricing verwiesen werden.

Nun wissen wir genau, daß bereits die nächste Blockade wartet. Die Formulierung im Ausschußbericht, die da gelautet hat, das Road-Pricing für den PKW werde so schnell wie möglich


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realisiert, ist eine sehr weiche Formulierung. Ich weiß, daß es massive Interessen seitens dieser beiden Frächterparteien in diesem Hohen Haus gibt, daß es tatsächlich ein größtmögliches Aufschieben des Road-Pricing für den LKW gibt.

So kann es nicht gehen, daß wir fünf Jahre, sechs Jahre lang in diesem Haus diskutieren, daß sich fünf Jahre, sechs Jahre lang alle Fraktionen in diesem Haus zu Schritten in Richtung Kostenwahrheit bekennen und daß dann die notwendigen Maßnahmen nicht erfolgen, sondern im Gegenteil Maßnahmen in die Gegenrichtung erfolgen und der Transitverkehr auf der Straße durch eine völlig falsche, weil einseitig billige Tarifpolitik für den LKW weiter angeheizt wird, weiter stimuliert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden diese falsche Regelung hier und heute beschließen, aber die letzte Hoffnung, die es in diesem Zusammenhang gibt, ist de facto eine sehr engagierte und notwendigerweise offensive Politik Österreichs im Bereich der Neuformulierung der Wegekostenrichtlinie der EU. Das ist neben dem Road-Pricing in Österreich das einzige positive Steuerungsinstrument, das uns noch verbleibt und bezüglich dessen wir ganz massiv Druck machen wollen, damit es zu keiner weiteren Verbilligung des LKW-Verkehrs kommt, damit die Bahn eine echte, faire Chance hat und damit vor allem die Transitländer, die Transitanrainer und damit die Umwelt insgesamt wieder eine Chance erhalten. Durch das, was Sie hier heute beschließen, haben sie keine Chance. (Beifall bei den Grünen.)

13.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. König. – Bitte, Herr Abgeordneter. 6 Minuten freiwillige Beschränkung sind angezeigt.

13.53

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Anschober hat hier gesagt, er verstehe es nicht, und ich fürchte, er wird es nie verstehen. (Beifall bei der ÖVP.) Es geht nämlich hier nicht um eine Frächterlobby, sondern es geht darum, daß wir in Österreich in einer Branche, die hauptsächlich klein- und mittelständisch strukturiert ist, die Betriebe und damit die Arbeitsplätze erhalten und nicht gefährden. Daß diese Arbeitsplätze auch nicht ins Ausland verlagert werden, darum geht es. (Zwischenruf des Abg. Anschober. ) – Ich habe keine Zeit, jetzt mit Ihnen zu diskutieren. Ich stelle einmal genauso wie Sie die andere Seite des Problems dar.

Der Herr Minister hat zu Recht darauf verwiesen, daß die beachtliche Erhöhung der Maut am Brenner alle gleich trifft, Ausländer wie Inländer, aber durch die starke Inanspruchnahme der Ausländer natürlich sehr stark die ausländischen LKWs trifft. Es stimmt zwar, daß insgesamt gesehen, wenn man den Treibstoff dazu nimmt, wenn man die Straßenbenützungsabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer dazu nimmt, Österreich in der Belastung durchaus vergleichbar liegt. Nur hilft das in der konkreten Situation nicht, und das wissen Sie auch, Herr Minister, denn mit 1. Jänner 1997 tritt die Kabotagefreiheit in Kraft. Das heißt, es kann auch ein deutscher LKW oder ein italienischer LKW in Österreich Transporte durchführen, und dann gelten die österreichischen Bestimmungen, der österreichische Dieselpreis und die österreichische Straßenbenützungsgebühr, die für alle gleich ist, aber die wesentlich geringere Kraftfahrzeugsteuer, die in Deutschland um 50 Prozent niedriger und in Italien noch niedriger ist.

Das ist die Situation, und deshalb begrüße ich es und begrüßt es die Österreichische Volkspartei, daß sie letzten Endes doch zugestimmt haben, daß es zu einer Senkung der ursprünglich geplanten Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer um die Hälfte gekommen ist, um diese Auswirkungen geringer zu halten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen auch – das, so glaube ich, muß man sagen – feststellen, daß die Absenkung bei der Straßenbenützungsgebühr eine ist, die wir vertraglich einzuhalten verpflichtet sind. Damit halten wir uns an die vertragliche Verpflichtung. Und natürlich muß das Budget in Ordnung gehalten werden, damit wir unseren Schilling nicht gefährden, damit der Schilling mit der Hartwährungsunion auch mitziehen kann und nicht von der D-Mark abgekoppelt wird und damit Gefahr läuft, als Weichwährung in den Weichwährungsblock zu abzusinken.


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Was aber ist die entscheidende Frage, die sich für die Zukunft stellt? – Es ist das Road-Pricing von Ihnen angeschnitten worden, Kollege Anschober hat es erwähnt. Wir müssen beim Road-Pricing eines bedenken: So richtig es ist, das Road-Pricing einzuführen, können wir auch hier keinen österreichischen Alleingang machen. Denn wenn ein deutscher LKW von Salzburg nach Wien einen Transport durchführt, dann wird er durch das Road-Pricing gleiche Kosten haben. Aber wenn er nur von Deutschland nach Innsbruck hereinfährt, dann schaut die Geschichte ganz anders aus, als wenn ich von Wien nach Innsbruck fahre. Dann zahlt er vielleicht auf 30 Kilometer das österreichische Road-Pricing, und wir zahlen es auf 450 Kilometer, und damit haben wir für den Osten Österreichs einen Kostennachteil, der gewaltig ist, vor allem bei Lebensmitteltransporten, vor allem bei Gütern mit geringem Wert, der sogar so weit geht, daß die Industriebetriebe im Osten, die das erzeugen, echt gefährdet werden. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Die Eisenbahn kann man nur dann entsprechend einsetzen, wenn sie nicht auch durch derartige Billigangebote aus dem Ausland unterfahren wird. Es ändert nichts, ob ein österreichischer LKW durch einen ausländischen verdrängt wird, das bringt der Eisenbahn keinen Tonnenkilometer mehr, sondern wir müssen danach trachten, daß wir innerhalb der EU die neue Wegekostenrichtlinie durchsetzen, damit wir das Road-Pricing auch in Österreich im Gleichklang durchführen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Minister! Noch zwei dringende Bitten. Bitte veranlassen Sie, daß man überprüft, wieweit jene Oststaaten, die anläßlich der Einführung der österreichischen Straßenbenützungsgebühr Retorsionsmaßnahmen verhängt haben, diese nun auch zurücknehmen, wozu sie ja verpflichtet wären, wenn jetzt die Straßenbenützungsgebühr so stark gesenkt wird! (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Und treten Sie bitte dafür ein, daß im Verkehrsressort noch vor dem Jahresende die mit Deutschland fix und fertig ausgehandelte Regelung zum Drittlandverkehr unterschrieben wird, die ganz entscheidend ist, damit den Frächtern nicht auch hier wiederum in Österreich ein entscheidender Nachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz erwächst!

Wenn dieses Bemühen, dieser Einsatz sichtbar wird, dann werden wir auch mit unserer Verkehrspolitik in der Konkurrenz innerhalb der EU bestehen können, und das muß unser gemeinsames Ziel sein! (Beifall bei der ÖVP.)

13.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort von seiten der Berichterstattung findet gleichfalls nicht statt.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst stimmen wir ab über den Entwurf betreffend Abgabenänderungsgesetz 1996 samt Titel und Eingang in 552 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den von diesem Antrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 2b eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Ich lasse jetzt über Artikel I Z 2b in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Die genannte Gesetzesstelle ist in der Fassung des Ausschußberichtes mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch diese Beschlußfassung erfolgt mit Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend EU-Abgabenänderungsgesetz samt Titel und Eingang in 553 der Beilagen.

Hiezu hat Herr Abgeordneter Böhacker ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich des Artikels IV des Gesetzentwurfes gestellt.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Ich lasse über Artikel IV des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Artikel IV des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Wir kommen zugleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist gleichfalls mehrheitlich in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend Gleichstellung der mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Anstalten mit Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

3. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (459 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1996 geändert wird (BFG-Novelle 1996) (519 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (460 der Beilagen): 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996 – 2. BÜG 1996 (518 der Beilagen)


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Wir kommen nunmehr zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte in einem durchgeführt wird.

Es sind dies die Berichte des Budgetausschusses über die Regierungsvorlagen

459 der Beilagen: Bundesfinanzgesetz-Novelle 1996, 519 der Beilagen, und

460 der Beilagen: 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996, 518 der Beilagen.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir beginnen nunmehr die Debatte.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten. – Bitte.

14.03

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Regierungsvorlage 459 geht es in erster Linie um die Möglichkeit einer Rücklagenbildung für Ausgaben, die in einem Budget zum Beispiel nicht für Prozeßkosten veranschlagt werden können, weil die betreffenden Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, beziehungsweise für Mittel aus dem Arbeitsmarktförderungsgesetz. All das wären eigentlich sinnvolle Dinge.

In der Regierungsvorlage 460 geht es um die Budgetüberschreitung für das Jahr 1996, und zwar in einer Größenordnung von 1,1 Milliarden Schilling, wobei 278 Millionen Schilling durch Ausgabeneinsparungen anderer Ressorts hereingebracht werden können. 814 Millionen Schilling werden durch Mehreinnahmen lukriert. Das sind keine neuerlichen Kreditaufnahmen, sondern Mehreinnahmen, die daraus resultieren, daß man einfach im Fernmeldebereich der Post wieder 809 Millionen Schilling umbucht. Obwohl es der Post eigentlich schlechtgeht, fließen von dort an das Budget 800 Millionen Schilling, um damit Budgetüberschreitungen zu finanzieren. Herr Finanzminister! Das ist eine Vorgangsweise, die wir absolut nicht goutieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Dieser Tagesordnungspunkt gibt uns auch die Gelegenheit, uns wieder einmal ein bißchen mit Ihrem Budgetvollzug auseinanderzusetzen. Ich bin seit 1993 im Nationalrat – davor war ich im Bundesrat –, und seit dieser Zeit ist überhaupt kein Budget planmäßig über die Bühne gegangen. Wir haben Budgetüberschreitungen von bis zu 40, 45, 50 Prozent gehabt. Auch das Budget 1996 entgleitet Ihnen – trotz eines massiven Belastungspaktes für die Bevölkerung! – wieder.

Sie wollen am Ende des Kalenderjahres ein Budgetdefizit in der Größenordnung von 89 Milliarden Schilling präsentieren. Ende Oktober lagen Sie mit der Überziehung bei 132 Milliarden Schilling. (Abg. Haigermoser: Wieviel?) – 132 Milliarden! Das sind Ihre eigenen Aussagen, Herr Finanzminister. Ende November haben Sie Schätzungen in der Größenordnung von 119 Milliarden Schilling vorgenommen, und jetzt wollen Sie hier dem Hohen Haus weismachen, daß Sie innerhalb eines Monats 30 Milliarden Schilling mehr einnehmen werden, damit Sie auf die 89 Milliarden Schilling kommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das interessiert die ÖVP überhaupt nicht!) Diese 89 Milliarden Schilling werden Sie nie erreichen. Kein Finanzminister, den ich hier bisher erlebt habe, hat je sein Budget eingehalten.

Herr Finanzminister! An dieser Stelle muß ich Sie einmal fragen: Wie stellen Sie sich denn das eigentlich vor? – Sie rechnen einfach mit 8,5 Milliarden Schilling an Privatisierungserlösen. Sie wissen ganz genau, daß diese 8,5 Milliarden Schilling nicht für die Erfüllung der Maastricht-Kriterien angerechnet werden dürfen. Außerdem erreichen Sie die genannten Privatisierungserlöse gar nicht. Sie gliedern einfach 17 Prozent der Bank Austria an die Postbeteiligungsgesellschaft aus. Sie waren jedenfalls ehrlich und haben gesagt, daß das keine Privatisierung ist – im Ge


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gensatz zu den Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei, die das im Finanzausschuß so dargestellt haben.

Herr Finanzminister! Was sollen denn das für Privatisierungen sein? – Vergessen Sie doch endlich diese Budgetposition in Ihrer Budgetplanung! Es hat keine Privatisierung in diesem Bereich so stattgefunden, wie es eigentlich hätte sein sollen.

Was verstehen Sie denn unter Privatisierung? – Sie gliedern die Anteile der Bank Austria aus, und Sie sind wieder Herr über diese Anteile. Was hat sich denn da geändert? – Doch gar nichts! Das Geld ist lediglich von einer Tasche in die andere geflossen. So etwas nennen Sie Privatisierung!

Jetzt komme ich zum Thema "Bank Austria". Ich bin völlig der Überzeugung, daß es Philosophie hat, ein großes Geldinstitut in Österreich zu schaffen, das international wettbewerbsfähig ist. Aber es hat, Herr Finanzminister, wirklich keine Philosophie, wenn da mit parteipolitischer Taktik vorgegangen wird, so daß der eine auf den anderen böse ist, wenn er beim Deal nicht zum Zug kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als die Diskussion um die Privatisierung der CA begonnen hat, war der Bereich der Raiffeisenkassen im Gespräch. Das hat aber der roten Reichshälfte nicht gepaßt, jedoch der ÖVP. Jetzt soll eine andere Lösung gewählt werden. Es gibt ein Angebot in der Höhe von 16 Milliarden Schilling, das ist wirklich ein attraktives Angebot, aber dieses attraktive Angebot paßt jetzt wiederum natürlich der Österreichischen Volkspartei nicht. Sehen Sie doch endlich ein: Die Banken beziehungsweise die Geldinstitute sind keine Spielwiese für Ihre politischen Aktivitäten! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind wahrlich keine Spielwiese für parteipolitische Interessen, nämlich daß dort Leute untergebracht werden, nur damit sie versorgt sind, weil sie eben entweder als rot oder schwarz irgendwo hineinpassen. So geht das wirklich nicht!

Herr Finanzminister! Eine Privatisierung hat nur dann Sinn, wenn das nicht in dieser Weise geschieht, und das erwarten wir auch.

Herr Finanzminister! Kollege Dr. Haider hat Sie gefragt, welche Visionen Sie im Bereich der Privatisierung haben. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, Sie haben nicht in einem einzigen Satz angedeutet, was Sie unter Privatisierung verstehen. Ich fordere Sie jetzt noch einmal auf oder bitte Sie darum: Sagen Sie jetzt endlich einmal dem Hohen Haus, welche Visionen von Privatisierung Sie haben! (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. – Abg. Haigermoser: Das will er gar nicht! Die Arbeiterkammer sagt njet!) Wenn Ihre Privatisierungsvision so ausschaut, daß Sie Aktien eines Bankinstituts, die derzeit zum Großteil in Mehrheit des Bundes sind, in ein anderes Bankinstitut transferieren, bei dem die Aktienmehrheit die Gemeinde Wien im Rahmen der Anteilsverwaltung hat, dann muß ich Ihnen sagen: Damit liegen Sie wirklich schwer daneben! (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. )

Ich muß Ihnen folgendes sagen: Der Minimalanteil bei der Bank Austria, nämlich 10 Prozent, ist wirklich geringfügig. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. )

Herr Finanzminister! Wenn Sie es mit der Privatisierung wirklich ernst meinen, dann sagen Sie hier dem Hohen Haus, wie Sie sich die Privatisierung vorstellen, anstatt sich weiterhin mit irgendwelchen Taschenspielertricks zu behelfen, denn Sie können der österreichischen Bevölkerung beziehungsweise den Abgeordneten hier im Hohen Haus nichts mehr vormachen. Sagen Sie jetzt endlich einmal die Wahrheit, Herr Finanzminister!

Es gibt noch etwas, was ich scharf kritisieren möchte. Sie sind – Sie haben es ja selbst gesagt – der Buchhalter. (Bundesminister Mag. Klima: Rechenknecht!) Sie sind Buchhalter oder Säckelwart oder Finanzreferent, und Sie müßten eigentlich mit einer gewissen Sorgfalt an diese Sache herangehen.

Laut Aussagen von Herrn Professor Frisch befleißigt sich der Herr Finanzminister beziehungsweise seine ausgegliederte Staatsschuldenagentur eher einer Währungsspekulation. (Abg. Dr. Nowotny: Da haben Sie Frisch nicht verstanden!) Ich habe Frisch schon verstanden, und ich


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sage Ihnen auch, Herr Professor, warum Frisch das so gemeint hat. Er hat nämlich festgestellt, daß in den Jahren 1980 bis 1994 Kursverluste in der Größenordnung von 114 Milliarden Schilling hinzunehmen waren. (Abg. Dr. Nowotny: Das stimmt alles nicht!) Er hat auch festgestellt, daß im Jahre 1995 aus dem Yen Kursgewinne von 10,5 Milliarden Schilling lukriert worden sind. Er hat aber auch festgestellt, daß es im gleichen Jahr 5,5 Milliarden Schilling an Kursverlusten im Schweizer Franken gab.

Jetzt sagen Sie beziehungsweise der Chef Ihrer Staatsschuldenverwaltung, Herr Eder – und dem steht noch der Chef der Bankenaufsicht Dr. Stanzel bei, den wir aus unliebsamer Beteiligungserfahrung aus Australien kennen –: Das ist überhaupt kein Problem, da die Schulden ohnedies nie zurückgezahlt werden! Die Kursverluste brauchen wir nie zu realisieren! Er vergißt aber in diesem Zusammenhang, daß bei einer zehnjährigen Finanzierung der Zinsanteil ungefähr bei 45 Prozent liegt, und er vergißt auch, daß dann, wenn man bei derselben Währung bleibt und auch in derselben Währung umtauscht, die Fremdwährungsschuld in dieser Währung immer höher ansteigt. Und das ist der Punkt: Man kommt nie aus diesem Bereich heraus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Kritik wird nicht nur von Frisch geäußert, sondern auch von anderen namhaften österreichischen Finanzwissenschaftern. Sie kennen ja viele davon. Hören Sie sich ein bisserl um, Herr Professor Nowotny, reden Sie nicht immer hier im Hohen Haus so neunmalklug, obwohl Sie genau wissen, daß es in diesem Fall nicht um Spekulation, sondern um seriöse Finanzpolitik geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner.

14.13

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt nicht über die währungsspekulativen Äußerungen des Kollegen Trattner, der ein Experte ist – er ist ja, wie ich meine, in dieser Branche beschäftigt –, äußern. Allerdings stellt sich immer wieder die Frage, ob Private etwas tun dürfen, um günstiger zu finanzieren, was dem Staat nicht erlaubt ist.

Ich möchte mich kurz mit dem Bundesrechnungsabschluß 1995 auseinandersetzen. Minus 15,6 Milliarden Schilling sind kein sehr erfreulicher Wert. Die Budgetabweichung 1995 war also wirklich alles andere als erfreulich. Die Ursachen liegen – dies stellt man fest, wenn man den Rechnungshofbericht präzise liest und zu deuten versucht – doch in einigen wesentlichen Punkten.

Punkt eins war, daß das nominielle Wachstum doch viel zu hoch angesetzt war und mit dem prognostizierten Wert von 5,8 Prozent deutlich verfehlt wurde. Tatsächlich wurden nämlich nur 3,8 Prozent nominelles Wachstum erreicht. Jeder, der weiß, wie sich eine Änderung des Steueraufkommens um ein Zehntelprozent im BIP auswirkt, kann automatisch hochrechnen, um wieviel das Budget verfehlt wird.

Das Problem, das ich sehe, ist die Tatsache, daß jeder Finanzminister dieser Republik immer wieder auf die Prognosen der Wirtschaftsforscher zurückgreift und sich bei der Budgeterstellung sehr stark danach richtet. Es ist zwar sehr leicht, eine Prognose unterjährig zu verändern, allerdings für den Finanzminister sehr schwierig, sofort darauf zu reagieren.

Der Finanzminister hat ja schon aus diesen Gründen das IHS und das Wifo ersucht, gemeinsam nur eine Prognose für die kommenden Jahre zu erarbeiten. Die Prognose für das kommende Jahr ist eine eher sehr vorsichtige verglichen mit deutschen Prognosen.

Zweitens: Die Steuereinnahmen waren 1995 rückläufig. Jetzt könnte man sagen: Natürlich, logisch, wenn das Wachstum geringer ist, sind die Steuereinnahmen natürlich auch geringer. Der Rechnunghof stellte aber fest, daß es sich um keine strukturellen Mindereinnahmen an sich gehandelt hat, sondern daß die große Steuerreform 1993 ausschließlich dafür ausschlaggebend gewesen ist, daß es auch 1995 noch Mindereinnahmen gab.


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Interessant ist aber auch die Feststellung des Rechnunghofes, daß sich zwar der Staat mehr verschuldet hat, daß aber die Österreicherinnen und Österreicher einen realen Einkommenszuwachs zu verzeichnen hatten, der überdurchschnittlich hoch gewesen ist: So stiegen die unselbständigen Einkommen nominell um 3,8 Prozent, die Einkünfte aus Besitz und Unternehmungen um 4,6 Prozent, und dies bei einer Inflationsrate von 2,2 Prozent. Man kann also sagen, daß die Österreicherinnen und Österreicher eigentlich auf Kosten der Volkswirtschaft, auf Kosten der Finanzwirtschaft dieses Landes wieder wohlhabender wurden.

Diese Ergebnisse fanden dann ihren Niederschlag im Sparpaket 1995. Wir wissen, daß ausgabenmindernde und einnahmenerhöhende Maßnahmen erforderlich gewesen sind. Das Budget 1996 – so hören wir ganz aktuell aus dem Munde des Finanzministers – wird derartige Abweichungen, wie sie das Budget 1995 zu verzeichnen hatte, nicht aufweisen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner.

14.17

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist von großer Trockenheit und eher technischer Natur. Es liegt natürlich die Versuchung nahe, über etwas ganz anderes zu reden, etwa über Fremdwährungfinanzierungen. Ich möchte das vermeiden, weil ich da oder dort auch im Widerspruch wäre.

Aber folgendes, Herr Bundesminister, möchte ich auch als Oppositionsvertreter hier einmal sagen: Offensichtlich ist es Ihnen gelungen, daß das Budget im Vollzug 1996 in jenem Toleranzbereich liegt, der, wie jene wissen, die mit Zahlen, Budgets und Budgetierungen umgehen, unvermeidbar ist. Ich glaube daher, daß es auch einmal angebracht ist, auch wenn wir Ihnen sonst immer Saures geben – und, wie wir glauben, mit gutem Recht –, Ihnen und Ihren Beamten einmal dieses Kompliment zu machen, da es offensichtlich erstmals nach vielen Jahren gelungen ist, ein Budgetdefizit so einzuhalten, wie es prognostiziert worden ist. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Mich stören die 115 Milliarden Schilling – Stand November – nicht. Es ist ja klar, wie die Linie verläuft. Der Trend wird passen. Also ich glaube auch, daß es 90 Milliarden Schilling sein werden.

Wenn wir trotzdem nicht so ganz froh darüber sein können, dann deshalb, weil ja auch klar ist, warum es gelungen ist, dieses Budgetdefizit im prognostizierten Ausmaß zu halten. Die Steuereinnahmen sind um 66 Milliarden Schilling gestiegen. Das sind die Auswirkungen des Sparpaketes. Und ich bedauere es, daß eine Nachrechnung beim Rechnungsabschluß ergeben wird, daß die vielgelobte Formel, die da heißt, die Hälfte einnahmenseitig und die Hälfte ausgabenseitig soll der Beitrag sein, nicht eingehalten werden kann. Sie werden einen weit höheren prozentuellen Anteil auf der Einnahmenseite als auf der Ausgabenseite haben. Das sei Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP-Fraktion, die Sie das sozusagen zur Fahnenfrage gemacht haben, ins Stammbuch geschrieben.

Es wäre Ihnen, Herr Lukesch, und Ihren Kollegen zuzutrauen gewesen, daß Sie unsere Prognose, es werde ein Drittel zu zwei Dritteln ausgehen, auch zeitgerecht als solche anerkennen. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Abg. Tichy-Schreder: Die Kollegen passen nicht auf!)

14.20

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt: Wir behandeln bei diesem Tagesordnungspunkt eine sehr


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trockene Materie. Es geht um das Budgetüberschreitungsgesetz und um eine Bundesfinanzgesetz-Novelle. Jedes Jahr haben wir derartige Gesetze in diesem Hohen Hause zu behandeln. Ich gebe zu: Voriges Jahr war es ein bißchen spannender. 1995 gab es sogar einen koalitionsfreien Raum, und zwar in der Frage des landwirtschaftlichen Umweltförderungsprogramms, bei dem wir dann mit Hilfe anderer Parteien eine Aufstockung vornehmen konnten.

Es ist ja bereits zur Routine geworden, daß wir jedes Jahr hier Maßnahmen beschließen, die bei der Erstellung des Budgets nicht abschätzbar waren. Das ist auch im heurigen Jahr, also beim Budget 1996, wieder der Fall. Das Wesentliche daran ist ja schon gesagt worden: Es geht um 809 Millionen Schilling im Zusammenhang mit dem "Rumpfjahr" der Post. Wie Sie wissen, hatten wir ja von Jänner bis April 1996 ein Budgetprovisorium.

Wir können diesem Budgetüberschreitungsgesetz beruhigt zustimmen, weil eben alle Budgetüberschreitungen durch Ausgabenumschichtungen, durch Mehreinnahmen und ein kleiner Teil sogar durch Rücklagenentnahme gedeckt sind. Diese Budgetüberschreitung ist auch notwendig und wichtig, um die normale Verwaltungstätigkeit fortführen zu können.

Aber dennoch lassen Sie mich folgendes sagen: Auch wenn wir jährlich ein Budgetüberschreitungsgesetz oder auch mehrere behandeln, eines muß man schon anmerken – da können Sie nichts dafür, das ist nun einmal so –: Es gibt kein vollständiges Bild, weil nicht alle Budgetüberschreitungen in diesem Gesetz enthalten sind. So sind gesetzliche Verpflichtungen zum Beispiel darin nicht enthalten. Dazu haben Sie die Ermächtigung. Ich glaube, der Finanzminister ist von der Position her einer der mächtigsten Minister, weil er sehr viele Ermächtigungen auch durch den Budgetausschuß – dem ich übrigens auch angehöre – erhält.

Aber an einem Beispiel möchte ich darlegen, wie verzerrt man das sehen kann. Wenn man sich den Bundeszuschuß zur Pensionsversicherung ansieht, stellt man folgendes fest: Wir liegen, soweit ich die Zahlen richtig im Kopf habe, um zirka 3 Milliarden Schilling brutto über dem, was im Voranschlag enthalten ist. Wenn man die Rückflüsse wegrechnet, so sind es immerhin zirka 1,5 Milliarden Schilling netto, die wir mehr ausgeben müssen. Das ist zum Beispiel im Gesetz nicht enthalten. Das heißt, das Budgetüberschreitungsgesetz, wie wir es heute beschließen, spiegelt nicht all das wider. Ich gebe aber zu, daß es sehr wohl gesetzlich gedeckt ist.

Herr Finanzminister! Ich hätte daher eine Anregung, auf die Sie, so hoffe ich, später eingehen werden, wenn Sie sich dann, so nehme ich an, noch zu Wort melden. – Wir erhalten vom Budgetausschuß regelmäßig Unterlagen über den Budgetvollzug: Zahlen, Daten und Fakten. Es wäre ganz interessant, wenn diesen Daten auch ein Anhang angeschlossen wäre, aus dem hervorgeht, wie eigentlich das Restjahr aussieht. Also wenn ich jetzt zum Beispiel im Monat Oktober die Zahlen bekomme, kann ich als Abgeordneter oder als Mitglied des Budgetausschusses sehr wohl verfolgen, wie sich das Ganze bis Oktober entwickelt hat, und dann wäre es für mich und auch für alle anderen interessant, zu erfahren, wie eigentlich – aufgrund des gegenwärtigen Standes – die Vorschau für die nächsten zwei Monate aussieht. Es wäre sinnvoll, dieser Anregung einmal nachzukommen. Wichtig ist, daß durch dieses Budgetüberschreitungsgesetz der Abgang des allgemeinen Haushaltes nicht erhöht wird.

Ich möchte auch noch zum Budgetvollzug etwas sagen: Es hat sich, wie wir sehen, das Zweijahresbudget 1996/97 bewährt. Man kann also über einen längeren Zeitraum hinweg planen. Das ermöglicht, in Ruhe und ohne Hektik gewisse Strukturreformen durchzuführen. Ich könnte mir vorstellen – es gibt ja schon Gespräche darüber –, daß wir auch ein Zweijahresbudget für 1998 und 1999 planen. Hiefür gibt es verschiedene Gründe. Erstens: Im Hinblick auf Konsultationsmechanismen und Stabilitätspakte und im Sinne der Konvergenzkriterien wäre es eben wichtig, einen längeren Zeitraum für die Budgeterstellung vorzusehen. Es gibt für 1999 ein sehr ambitioniertes Programm seitens der Bundesregierung: Verwirklichung des Euro, Stabilitätspakt, EU-Präsidentschaft und so weiter. Es wäre also wichtig, zu wissen, wie es auch zahlenmäßig bis 1999 weitergeht.

Wir brauchen auch in den nächsten Jahren einen ebenso konsequenten Budgetvollzug wie im Jahr 1996. Daher möchte ich auch politisch den Belastungsüberlegungen von linker Seite, wie


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sie immer wieder in den Medien auftauchen, hier entgegentreten und diesen eine klare Absage erteilen. (Beifall bei der ÖVP.) Manche glauben ja immer immer noch, über Steuererhöhungen und neue Belastungen die Wirtschaft ankurbeln zu können. (Abg. Parnigoni: Maderthaner: Lohnkürzungen! Urlaub für Kuraufenthalte!)

Ich halte fest, daß sehr viel weitergegangen ist. Als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde im kleinen Burgenland stehe ich zum Beispiel positiv zur Einführung des Konsultationsmechanismus, und ich meine, daß es auch notwendig ist, daß wir Stabilitätspakte schließen.

Was den Budgetvollzug 1996 betrifft, kann ich mich der Meinung des Sprechers des Liberalen Forums anschließen, daß das Defizit, das veranschlagt worden ist, eingehalten werden dürfte. Es gibt dabei allerdings zwei Unsicherheitsfaktoren, Herr Minister, vielleicht können Sie auch darauf dann eingehen.

Unsicherheitsfaktor Nummer eins: Wie sieht es mit der 13. USt-Rate im Dezember aus? Das weiß man nicht, das kann man nur abschätzen.

Zweitens: Wie sieht es mit der Kapitalertragsteuer auf Zinsen wirklich aus? Wird das auch so eingehalten werden?

Ich möchte nicht verhehlen, daß sehr viele Fragen auch noch im Unterausschuß des Budgetausschusses zu diskutieren sind. Sie haben hier einige Themenbereiche vorgearbeitet, und darüber müssen wir uns intensiv unterhalten. Wir müssen auch, so glaube ich, darauf eingehen, wie wir in Zukunft dem Auftrag der Pensionssicherung entsprechen werden, denn dort haben wir meiner Meinung nach das Problem so lange nicht gelöst, solange der Bund immer mehr Geld zuschießen muß. Damit müssen wir uns noch intensiver beschäftigen.

Aber dennoch: Ich bin mir sicher, mit gemeinsamer Anstrengung wird es möglich sein, auch die nächsten Jahre zu schaffen. Daher werden diese beiden Gesetzesvorlagen unsere Zustimmung erhalten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen.

14.28

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sinngemäß hat Herr Dr. Haselsteiner schon recht. Es ist tatsächlich schwierig, mit großer Verve und großem Eifer über das 2. Budgetüberschreitungsgesetz beziehungsweise die zweite Bundesfinanzgesetz-Novelle zu debattieren. Das sind an und für sich kleine, wenn auch nicht uninteressante Geschichten. Die Fragen dazu hat der Herr Minister im wesentlichen im Budgetausschuß klären können. Trotzdem werden wir den beiden Gesetzen nicht zustimmen, und zwar aus traditionellen Gründen, denn eine Zustimmung auch zu kleinen Budgetänderungen könnte als Zustimmung zum Budget 1996 beziehungsweise 1997 aufgefaßt werden, und das kann natürlich nicht Aufgabe einer Oppositionspartei sein.

Aber wenn wir schon über das Budget und über Budgetfragen diskutieren, dann möchte ich auf etwas anderes zu sprechen kommen, und zwar auf eine aktuelle Angelegenheit: Ich entnehme der heutigen Ausgabe des "Standard", und zwar auf Seite 6, ein schönes Porträtfoto, auf dem mehrere Landeshauptleute sehr vergnügt beisammenstehen und sich offenbar über die Vorzüge des sogenannten Konsultationsmechanismus unterhalten. Ich werde Ihnen noch erklären, welche offenen Fragen ich in diesem Zusammenhang sehe.

Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, daß Präsident Heinz Fischer ebenfalls im "Standard", und zwar in der Ausgabe von vorgestern, vom 9. Dezember, eine Stellungnahme zum Konsultationsmechanismus abgegeben hat, in der er – ich weiß nicht, ob er das wörtlich gesagt hat, aber er wird wörtlich zitiert – sagt: Dieser Konsultationsmechanismus schadet nicht mehr, aber er bewirkt auch nichts mehr.

Das ist eine interessante Aussage über etwas, um das medial sehr viel Wirbel gemacht wurde. Da wurden ja die roten Teppiche für die Landeshauptleute, für die Vertreter des Gemeinde- und


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Städtebundes ausgerollt, und es wurde gesagt, daß darüber jahrelang verhandelt worden sei und jetzt sei der Konsultationsmechanismus endlich da. Es handelt sich um eine Artikel 15a-Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeindevertretungen. Aber Präsident Heinz Fischer sagt, das bewirke ja ohnehin nichts mehr und deshalb brauche man dafür auch kein eigenes Gesetz!

Ich glaube, dieses Interview ist etwas verkürzt wiedergegeben worden. Ich gehe schon davon aus, daß dieser Konsultationsmechanismus den Nationalrat in der einen oder anderen Form noch passieren muß. Vorweg möchte ich nur sagen: So toll, wie es hier – und auch vereinzelt von Journalisten – dargestellt wird, ist das nicht, denn das meiste, was beim Konsultationsmechanismus festgeschrieben wird, hat es bisher schon – allerdings wirkungslos – gegeben, und wenn sich der Konsultationsmechanismus auswirken sollte, dann in der Weise, daß in erster Linie der Bund dadurch belastet wird. Länder und Gemeinden bekommen zwar nicht gerade ein Vetorecht gegen Gesetze, die der Bund beschließt, aber sie bekommen – das ist jedenfalls die Intention – zusätzliche Einspruchsrechte.

Zu diesem Punkt muß ich schon anmerken: Der Konsultationsmechanismus bezieht sich im wesentlichen zunächst auf § 14 des Bundeshaushaltsgesetzes, das heißt auf die genaue Kalkulationspflicht für Gesetze. Diese haben wir auch bisher schon gehabt.

Jenes Ministerium, das sich am wenigsten an diese Kalkulationspflicht gehalten hat, ist das Bundesfinanzministerium selbst. Das ist im letzten Rechnungshofbericht nachzulesen.

Im wesentlichen soll jene Gebietskörperschaft die Kosten, die aus einem Gesetz resultieren, übernehmen, die das betreffende Gesetz oder die betreffende Maßnahme beschlossen hat. Das ist schön und gut. Aber diese Vorschrift geht primär zu Lasten des Bundes, weil es für die Gemeinden schwierig sein wird, Bestimmungen zu Lasten des Bundes zu erlassen.

Im Streitfall – heißt es in Artikel 4 des Konsultationsmechanismus – entscheidet der Verfassungsgerichtshof nach Artikel 137 B-VG. – Ja, mein Gott, bei groben Übertretungen finanzverfassungsrechtlicher Bestimmungen hätte der Verfassungsgerichtshof auch bisher schon angerufen werden können. Er wurde aber deshalb so gut wie nie angerufen, weil das schon im Vorfeld in den Verhandlungen zwischen den Bundesländern und dem Bund geklärt werden konnte.

Aber sicher geht es nicht an, daß irgendwelche – wenn auch sozusagen politisch hochrangige – Gremien von selbst beschließen, daß sie den Verfassungsgerichtshof quasi als Schiedsrichter anrufen können. In diesem Fall könnte das ja auch ich, wenn ich mit jemandem von Ihnen etwas vereinbare, tun.

Schließlich frage ich mich, ob nicht die wesentlichen Konfliktpunkte gerade durch den Konsultationsmechanismus ausgeschaltet wurden. Warum? – Weil in Artikel 5 festgelegt ist, daß zwei Bereiche davon ausgenommen sind. Welche Bereiche sind das? – Das Abgabenrecht und der Finanzausgleich. Das sind die primären Bereiche, wo das Zusammenwirken zwischen Bund, Ländern und Gemeinden festgelegt ist, und wenn das nach wie vor so bleibt – ich bin ja nicht dagegen, prinzipiell fühle ich mich ja zunächst einmal als Vertreter des Bundes und nicht irgendeines Bundeslandes –, wenn das also nicht geregelt ist, dann wird die Griffigkeit dieses Konsultationsmechanismus gering sein. (Abg. Dr. Kräuter: Entschuldigen Sie bitte, der Finanzausgleich wird ohnehin verhandelt! – Abg. Dr. Khol: Alle fünf Jahre!)

Ja, natürlich! Er wurde verhandelt, er wird verhandelt, und im Extremfall könnte eine Gebietskörperschaft, wenn sie sich tatsächlich überfahren fühlt, auch im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen unter Berufung auf das Finanzverfassungsgesetz dagegen Einspruch erheben.

Ich sage nicht, daß der Konsultationsmechanismus schlecht ist, aber ich tendiere eher zur Meinung von Präsidenten Heinz Fischer, daß er sozusagen nichts Besonderes ist. Es ist eben eine Verstärkung der auch bisher schon eingehaltenen Regel, daß verhandelt werden muß. Das ist in Ordnung! Aber wenn er weiter gehender wäre, wäre es problematisch, weil es als Blockade gegen den Bund, und zwar einseitig gegen den Bund, gerichtet sein könnte.


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Ich glaube, auch der Finanzminister hat die Verhandlungen in diesem Punkt so verstanden, denn wirklich wichtig im Konsultationsmechanismus ist meiner Meinung nach Artikel 6 beziehungsweise eine Fußnote am Ende, die darauf hinausläuft, daß der Bund davon ausgeht, daß der Konsultationsmechanismus nur dann einen Sinn hat, wenn es außerdem noch zum sogenannten Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommt. Wenn dieser Stabilitätspakt nicht geschlossen wird – das steht in einer Fußnote am Ende dieses Vertrages –, dann würde der Bund den Konsultationsmechanismus kündigen. Das ist interessant! (Abg. Dr. Haselsteiner: Wie?) Das weiß ich nicht! Wie ein Partner wieder aussteigen kann, ist in diesem Werk schon einigermaßen geregelt. Aber das wirklich Interessante ist nicht der Konsultationsmechanismus, sondern der kommende sogenannte Stabilitätspakt.

Warum ist der sogenannte Stabilitätspakt so wichtig? – Zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Union wird es – in welcher Form auch immer – einen sogenannten Stabilitätspakt geben. Ich sage immer "sogenannt", denn zu der Zeit, als ich studiert habe, hat man unter Stabilität etwas anderes verstanden als das, was hier gemeint ist, nämlich das Zusammenwirken von niedrigen Inflationsraten, niedrigen Arbeitslosenraten, hohen Wachstumsraten und so weiter und so fort, nicht eine einseitige Ausrichtung auf bestimmte fiskalische Ziele. Aber es hat sich nun einmal der Ausdruck "stability pact" in diesem Zusammenhang eingebürgert.

Vor allem wegen der Bundesrepublik Deutschland wird es auf EU-Ebene irgend etwas in dieser Beziehung geben, wobei die Grundlinien dieses Stabilitätspakts ja schon im Maastrichter Vertrag vorgegeben sind – das wird häufig übersehen. Das, was jetzt auf politischer Ebene – namentlich in Dublin – verhandelt wird, ist "lediglich" – unter Anführungszeichen – die Auffüllung oder Konkretisierung des Maastrichter Vertrages, sozusagen die Beschleunigung des Verfahrens und – bezüglich einzelner Punkte – die genaue Festlegung des Pönale beziehungsweise der Deposits, die in Brüssel zu hinterlegen sind, wenn ein sogenanntes übermäßiges Defizit nicht abgebaut wird.

In der Beziehung zwischen der Europäischen Union und Wien gibt es keine Probleme insofern, als die Vertragspartner klar sind: Das ist einerseits der Rat beziehungsweise die Kommission in Brüssel und andererseits der Finanzminister auf österreichischer Ebene. Dieser Stabilitätspakt ist aber nicht 1 : 1 auf die österreichische Seite übertragbar, weil wir da nicht zwei, sondern ungefähr 2 010 Vertragspartner haben, nämlich über 2 000 Gemeinden, neun Bundesländer und den Bund.

Die interessante Frage dabei wird sein, was in folgendem Fall passiert: Die Republik Österreich überschreitet das zulässige Defizit von 3 Prozent des BIP und ist nicht imstande, es rechtzeitig abzubauen; es gibt die Vorschreibungen seitens Brüssel über die einschlägigen Deposits beziehungsweise das Pönale für das europäische Budget. Wer wird das bezahlen? Denn es könnte ja der Fall eintreten, daß zum Beispiel der Bund die Vereinbarungen, die innerösterreichisch getroffen wurden – also zum Beispiel für 1997 2,7 Prozent des BIP für den Bund, 0,3 Prozent für Länder und Gemeinden –, sehr wohl einhält, die Gemeinden aber in Summe deutlich darüberliegen. Was dann? Wer zahlt das Pönale? – Gegenüber Brüssel ist es klar: die Republik Österreich, das ist der Bund. Aber innerösterreichisch ist das natürlich ein gewisses Ärgernis. Es muß hier vereinbart werden, daß auch der tatsächlich Schuldige für diese Strafen aufkommt. Darüber wird auch in der Bundesrepublik Deutschland zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden sehr energisch, sagen wir, debattiert.

Bei den Gemeinden haben wir das interessante Phänomen, daß ungefähr zwei Drittel aller Gemeinden derzeit sogenannte Defizitgemeinden sind, das heißt, in ihren Budgets Defizite aufweisen, und ein Drittel der Gemeinden haben Überschüsse in ihren Budgets, Maastricht-Überschüsse. Wenn jetzt die Gemeinden insgesamt ihr Limit überschreiten, dann frage ich mich: Wer ist der Schuldige: die Gemeinden, die ihr Defizit nicht reduziert haben, oder jene, die ihre Überschüsse nicht erhöht haben? Wie machen sie überhaupt das "Individuum" fest innerhalb der 2 000 Gemeinden, die dann das Pönale zu zahlen hätten?

Das sind sehr interessante und, wie ich versuche anzudeuten, komplizierte Fragen – Herr Kollege Lukesch nickt zustimmend –, die in Wahrheit viel wichtiger und viel interessanter sind


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als der sogenannte Konsultationsmechanismus. In diesem Zusammenhang wundere ich mich schon, daß beim Konsultationsmechanismus vorgesehen ist, daß für den sogenannten Stabilitätspakt eine Vereinbarung bis 31. Dezember 1998 verhandelt wird. Das heißt, spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte ein Pakt vorliegen. Am 31. 12. 1998 ist die Entscheidung über die Währungsunion aber längst gefallen. Ich meine, eigentlich müßte diese Entscheidung ein Jahr früher getroffen sein. Das ist vielleicht nicht zu spät, aber es ist sehr spät. Offenbar gehen die Koalitionsparteien davon aus, daß die Budgets für die Jahre 1998 und 1999 auf politischer Ebene irgendwie – auch ohne Stabilitätspakt – über die Bühne gebracht werden, denn zum 31. 12. 1998 muß auch das Budget für 1999 bereits beschlossen sein.

Ein letzter Punkt in diesem Zusammenhang – Herr Bundesminister, Sie werden sich zweifellos zu diesen Tagesordnungspunkten noch zu Wort melden, denn eine ganz konkrete Frage hätte ich noch –: Den Zeitungen habe ich entnommen, daß eingetreten ist, was schon seit November befürchtet wurde, nämlich daß das Österreichische Statistische Zentralamt die VGR, die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, revidiert und das Sozialprodukt, das Bruttoinlandsprodukt Österreichs um 80 Milliarden, wenn ich nicht irre, für 1995 zurückstutzt. Wenn das das ÖSTAT für 1995 macht, dann heißt das natürlich, daß auch die Ausgangsbasis für 1996, 1997, 1998 und so weiter eine andere ist. Und da diese beiden fiskalischen Kriterien Relativzahlen sind – 3 Prozent des BIP oder 60 Prozent des BIP –, verändert das die Ausgangsbasis für die Erfüllung der Maastrichtkriterien. Wenn das BIP im Nenner dieses Bruchs um 80 Milliarden revidiert wird, dann heißt das, daß die Defizitzahlen für 1995/96 – wieder über den Daumen gepeilt – um 0,3 Prozent des BIP ansteigen werden. Wir haben dann statt 5,9, wie bisher angenommen, für 1995 6,2, beziehungsweise würde sich für 1997 abzeichnen, daß wir nicht ein Defizit von 3,0 Prozent des BIP haben, sondern eines von 3,3 Prozent und damit das Masstrichtziel klar verfehlen.

Ich habe es schon oft betont: Mich persönlich stört das nicht, aber wir alle wissen, daß namentlich von seiten der Bundesrepublik Deutschland die strikte Einhaltung der 3,0 verlangt wird. Rein aus statistischen Gründen haben wir jetzt trotz dieser restriktiven Budgets für 1996/97... (Bundesminister Mag. Klima: Gegenrechnung mit der Schattenwirtschaft!) Ja, die Gegenrechnung mit der Schattenwirtschaft. Das finde ich äußerst bedenklich. Was werden die anderen Länder machen, was werden Italien, Frankreich und so weiter machen, wenn wir da mit fiktiven Zahlen hineingehen? (Bundesminister Mag. Klima: EU-Recht verpflichtet! Bis spätestens 1999!) Das Gute daran kann sein, daß die Maastrichtkriterien noch weniger ernst genommen werden als jetzt. Denn eines muß jedem klar sein: Wenn wir hier mit fiktiven Zahlen über die Schattenwirtschaft den Nenner des Bruches verändern, dann ist der Beliebigkeit ziemlich großer Raum eröffnet. (Abg. Dr. Khol: Die Frage der Präzision der Berechnung ist eine Sache, aber daß sie zur Wirtschaft gehören, werden Sie als Nationalökonom nicht abstreiten! – Bundesminister Mag. Klima: Das ist auch beitragsrelevant!) Das werde ich nicht abstreiten. Aber das Problem der Schattenwirtschaft – das wissen Sie auch, Herr Kollege Khol – ist, daß man, je nachdem mit welcher Methode man an die Berechnung herangeht, irgendwo zwischen x und y Prozent des Sozialprodukts ändert, zwischen denen eine große Distanz liegt.

Noch einmal: Mein Problem ist das nicht, weil ich die Maastrichtkriterien für einen Unsinn halte. Aber wenn die Finanzmärkte meine Meinung nicht teilen – ich hoffe natürlich, daß sich meine Meinung durchsetzt –, dann könnten Sie hier sozusagen unverschuldet in Probleme kommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sigl. Herr Abgeordneter, Sie haben eine Redezeit von 20 Minuten zur Verfügung. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, daß ich Sie um 15 Uhr wegen des Aufrufs einer Dringlichen Anfrage unterbrechen werde. – Bitte.

14.45

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Grundlage für die Gebarung eines Finanzjahres ist das jeweils geltende Bundesfinanzgesetz. In diesem Finanzjahr sind beim Vollzug des Bundesfinanzgesetzes 1996 Entwicklungen


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eingetreten, denen nach den derzeit geltenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen nicht Rechnung getragen werden kann. Aus diesem Grund müssen vom Gesetzgeber die hiefür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um das Finanzjahr ordnungsgemäß abschließen zu können. Die hier vor uns liegende Regierungsvorlage wird all diesen Erfordernissen gerecht. Ich möchte nur kurz skizzieren, worum es dabei eigentlich geht, und dabei die Bedeutung dieser Gesetzesvorlage unterstreichen.

Der erste Artikel dieser Vorlage sorgt dafür, daß eine Rücklagenzuführung für Mittel, die nicht in Anspruch genommen wurden, geschaffen wird und damit die Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und die ordnungsgemäße Verwendung der EU-Mittel gesichert wird. Weiters wird in diesem Artikel niedergeschrieben, daß der Bund für allenfalls in späteren Jahren zu ersetzende Prozeßkosten aus derzeit anhängigen Gerichtsverfahren, die nicht in Anspruch genommen werden, diesbezügliche Ausgabenbeträge des Voranschlagsansatzes einer Rücklage zuführen kann.

Der zweite Artikel dieser Regierungsvorlage zielt darauf ab, daß Voranschlagssätze Titel und Paragraphen eröffnet werden, die die ordnungsgemäße Verrechnung der Einnahmen und Ausgaben gewährleisten. Speziell im Unterrichtsbereich müssen gesonderte Voranschlagssätze eröffnet werden, um die Einnahmen der Schuleinrichungsvermietung – das sind die bekannten und diskutierten Entgelte aus der Vermietung von Turnsälen an Vereine – ordnungsgemäß verbuchen zu können.

Und der dritte Artikel beinhaltet vor allem Änderungen, die Personalmaßnahmen zulassen, die aufgrund von Reorganisationsmaßnahmen zu qualitativen Veränderungen führen.

Ergänzend zu diesem Punkt muß noch angeführt werden, daß, wenn diese qualitativen Veränderungen eine Kostenreduktion oder Kostenneutralität ergeben, durch verwaltungsökonomische Maßnahme eine rasche Reaktion gewährleistet werden soll, um die Kostenreduktion umsetzen zu können. Bis jetzt behinderte die strenge Bindung an den Stellenplan – hervorgerufen durch die Besoldungsreform – diese Maßnahmen.

Ebenfalls regelt Artikel III die Möglichkeit der Aufnahme von Ersatzkräften anstelle der weiblichen Bediensteten im Exekutivbereich, wenn diese den Karenzurlaub in Anspruch nehmen, denn die als positiv zu bewertende Entwicklung, nämlich eine ständig steigende Zahl von weiblichen Bediensteten im Exekutivbereich, macht diese Maßnahme unumgänglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Diese Gesetzesvorlage, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1996 geändert werden soll, beinhaltet wichtige Änderungen, die eine ordnungsgemäße Gebarung gewährleisten und mit denen noch effizienter gearbeitet werden kann. Daher gebe ich beziehungsweise gibt meine Fraktion dieser Regierungsvorlage gerne die Zustimmung, und ich hoffe, daß Sie alle diesem Beispiel folgen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.49

Abgeordneter Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Budgetüberschreitungsgesetz ist – und das ist das zweite in diesem Jahr – ein Nachjustieren, Herr Bundesfinanzminister, wenn drei Faktoren schlagend werden:

Erstens: Man kann sich verschätzt haben. Zweitens: Es treten unvorhergesehene Ereignisse ein. Drittens: Einnahmenteile fallen aus oder werden reduziert.

Wir haben es hier mit einem Budgetüberschreitungsgesetz zu tun, das fürwahr kein sehr großes Volumen hat, lediglich 1,1 Milliarden Schilling. Ich frage mich, Herr Finanzminister, wie das im Jahre 1997 aussehen wird; wir haben bereits ein Budget für dieses Kalenderjahr. Führen Sie


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sich folgendes Szenario vor Augen: Es sind momentan x Beschwerden hinsichtlich der Mindestkörperschaftsteuer anhängig, und allein die Aufhebung der Mindestkörperschaftsteuer könnte einige Milliarden Schilling an Einnahmenentfall bedeuten. Es ist außerdem eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde wegen der Sozialversicherungspflicht bei den Werkverträgen anhängig, und wenn diese Sache fällt, kostet Sie das im Budget wiederum einiges an Geld. Wir sind darüber hinaus mit dem Problem einer durch Globalisierung der Wirtschaft und durch verstärkten Wettbewerb steigenden Arbeitslosigkeit konfrontiert, und das bringt Probleme bei der Finanzierung der Arbeitslosen, Einnahmenausfälle im Bereich der Lohnsteuer und im Sozialversicherungsbereich bei der Finanzierung von Pensionen.

Ich habe auch Ihnen, Herr Bundesminister, im Ausschuß gesagt, daß wir bei der Verschuldung noch nicht über dem Berg sind. Wir haben für 1997 eine Gesamtverschuldung von 71,3 Prozent prognostiziert, bezogen auf das BIP, und damit liegen wir – das unterstreiche ich noch einmal – genau zwei Zehntel Prozentpunkte tiefer als Portugal, eines der sogenannten mediterranen Länder, von denen pausenlos gesagt wird, diese Länder werden fürwahr nie die Maastrichtkriterien erfüllen und den Euro nie als Währung haben.

Herr Bundesminister! (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. ) Nein, er weiß es schon, er hat mir im Ausschuß auch gesagt, daß dieser Vergleich ein unfairer Vergleich wäre, aber Zahlen sprechen eine klare Sprache, und das muß auch der Bundesminister dieser Republik zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es ist heute schon die Frage der Schattenwirtschaft angeschnitten worden. Ich teile die Bedenken des Professors Van der Bellen, der meinte, wenn man die Schattenwirtschaft mit einrechnet, dann ist jeglicher Manipulation im Bereich des Prozentsatzes der Verschuldung und auch im Bereich des Prozentsatzes der Neuverschuldung Tür und Tor geöffnet, und dann kann man sich natürlich mehr oder weniger in die Maastrichtkriterien hineinschwindeln.

Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie haben bei den Budgets 1996 und 1997 mit hängender Zunge versucht, die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Ich habe von Ihnen auch noch keine klare Aussage im Hinblick auf die Diskussion über die strenge Kontrolle der Kriterien gehört, ob Sie eher Finanzminister Waigel zustimmen, der ganz einfach sagt, es müsse danach auch strenge Kriterien und deren Einhaltung geben, oder ob Sie einen Kurs einer eher weichen Auslegung dieser Stabilitätskriterien befürworten.

Herr Bundesminister! Mir kommt es vor, als ob Sie jetzt die Vergangenheit der vorherigen Finanzminister, die der Verfehlungen der Regierung in vielen Bereichen einholen würden. Wir haben das Problem, daß man in den Bereichen Soziales, öffentlicher Dienst, Krankenanstalten vieles in der Vergangenheit hat schleifen lassen. Und nun richtet Ihnen der Präsident des Rechnungshofes, Fiedler, aus, daß man sich alleine dadurch, daß man die Folgekosten von vielen Gesetzen abgeschätzt hätte, 100 Milliarden Schilling hätte ersparen können.

Herr Bundesminister! Ich meine, daß man auch in der Frage des Euro in Zukunft einiges bedenken müßte. Das "WirtschaftsBlatt" hat am 7. Dezember einen sehr interessanten Artikel publiziert, in dem Wolfgang Krüger, ein Finanzfachmann, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, folgendes sagt: Wenn der Euro kommt und die Hartwährungsländer höhere Zinsen bezahlen müssen, dann wird sich das auf die Wirtschaft negativ auswirken und die Arbeitslosigkeit und die Budgetdefizite werden noch mehr steigen.

Herr Bundesminister! Ich kann zusammenfassend nur eines sagen: Im Ausland, und zwar in einem Kommentar im "Spiegel" der das etwas weiter faßt, schreibt man über die österreichische Regierungspolitik und die österreichische Finanzpolitik folgendes: Der Bundespräsident ist krank, der Kanzler angeschlagen, die Regierung orientierungslos, die Alpenrepublik ist politisch gelähmt. – Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.55


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort, ich muß Sie allerdings um 15 Uhr zum Aufruf einer Dringlichen Anfrage unterbrechen. – Bitte.

14.55

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch ich beschäftige mich in meinem Debattenbeitrag mit dem Budgetüberschreitungsgesetz. Im Laufe dieses Jahres sind beim Vollzug des Bundesfinanzgesetzes 1996 verschiedene Maßnahmen wirksam geworden, die bei der Erstellung des Bundesvoranschlages 1996 noch nicht bekannt waren. Das ist auch der Grund, warum aus den verschiedenen Ressorts Überschreitungsanträge in der vorliegenden Regierungsvorlage zusammengefaßt wurden. Der Überschreitungsbetrag beträgt insgesamt rund 1 106 Milliarden Schilling und setzt sich aus verschiedenen Positionen zusammen.

Eine wesentliche Maßnahme – das haben wir heute schon gehört –, nämlich 73 Prozent des Gesamtüberschreitungsbetrages oder 809 Millionen Schilling, resultiert aus einer Umbuchung im Zusammenhang mit dem "Rumpfjahr" der Post. Die Post- und Telegraphenverwaltung wurde, wie wir wissen, mit 1. 5. 1996 aus dem Bundeshaushalt ausgegliedert und in ein selbständiges Unternehmen – in 100prozentigem Eigentum des Bundes – überführt, und zwar in die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft und eine darüberliegende Holdinggesellschaft. Aufgrund dieser Neukonstruierung per 1. Mai dieses Jahres und des gleichzeitigen Inkrafttretens des Bundesfinanzgesetzes war es nicht möglich, die Abweichungen gegenüber dem Bundesvoranschlag zeitgerecht zu berücksichtigen. Die Bedeckung des Überschreitungsbetrages erfolgt erstens durch Ausgabeneinsparungen in Höhe von rund 278 Millionen Schilling – im wesentlichen im Bereich der Bedarfszuweisung an die Länder und Gemeinden im Ausmaß von rund 90 Millionen Schilling und bei den degressiven Ausgleichszahlungen in Höhe von 49 Millionen Schilling –, zweitens durch Mehreinnahmen in Höhe von 814 Millionen Schilling, die zur Gänze aus dem Bereich der Post- und Telegraphenverwaltung während des Budgetprovisoriums von Jänner bis April angefallen sind, und drittens durch eine bescheidene Rücklagenentnahme in Höhe von 14 Millionen Schilling.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Budgetkonsolidierung ist eine entscheidende Voraussetzung für die positive Entwicklung unseres Landes. Mit den Bundesfinanzgesetzen 1996 und 1997 soll die Neuverschuldung des Bundes von 5,3 Prozent des BIP im Jahre 1995 auf 2,7 Prozent im Jahre 1997 reduziert werden, um damit einerseits die Maastrichtkriterien zu erfüllen und andererseits den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig zu sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

14.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Abgeordneter.

Ich unterbreche nun die Verhandlungen zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4, um die Dringliche Anfrage 1603/J aufzurufen. Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung kurz. (Die Sitzung wird um 14.49 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Armut in Österreich (1603/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich rufe nunmehr die schriftliche Anfrage 1603/J auf, deren dringliche Behandlung verlangt wurde.

Der Text der Anfrage ist allen Abgeordneten in der Zwischenzeit zugegangen. Eine Verlesung ist daher nicht notwendig.


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Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Jährlich fallen 30 000 Menschen in Österreich unter die Armutsgrenze. Helfen Sie ihnen aufstehen?

1996 wurde von der UNO als "Year of Eradication of Poverty" bzw. als "Internationales Jahr der Armut" proklamiert. Österreich hat bis jetzt nach unseren Informationen keine Anstrengungen unternommen, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Obwohl in internationalen als auch in österreichischen Untersuchungen konstatiert wird, daß auch in Österreich die Schere zwischen arm und reich wieder weiter auseinanderklafft, findet sich das Thema Armut weder im Koalitionsübereinkommen der Regierungsparteien noch in der Regierungserklärung oder einer sonstigen offiziellen Dokumentation, Erklärung oder Aktion wieder.

Österreich hat sich 1995 in Kopenhagen als Mitunterzeichner der auf dem Weltgipfel für soziale Entwicklung formulierten Forderungen verpflichtet, unter anderem in den Bereichen Armutsforschung und Dialog mit der Zivilgesellschaft im Jahr 1996 Initiativen zu setzen. Auch davon ist bis jetzt nichts zu erkennen.

Im November 1995 fand die Erste österreichische Armutskonferenz statt.

Die Zweite österreichische Armutskonferenz findet im Jänner 1997 statt. Die Voraussetzungen für das Herangehen an das leider immer brisanter werdende Thema haben sich nicht geändert.

Genau so, wie es "eine Tendenz gibt, Armut zum Privatschicksal zu erklären" (Caritas-Präsident Franz Küberl), bleibt auch die Befassung mit dem Thema auf wissenschaftlicher und politischer Ebene in weiten Bereichen privaten Institutionen überlassen. Weite Teile der Politik und der Gesellschaft haben sich offensichtlich damit abgefunden, daß parallel zum stetig steigenden Wohlstand, ja Reichtum, die Zahl der Personen dramatisch zunimmt, die ohne staatliche oder private Unterstützung ihr Auskommen nicht fristen können.

In Zeiten, als Sozialstaat und Vollbeschäftigung für die meisten Sicherheit bedeutete, galt Armut als Ausnahme von der Regel oder individuelles Versagen. Davon kann spätestens heute, da Massen- und Dauerarbeitslosigkeit sich verfestigt haben, prekäre Arbeitsverhältnisse zunehmen und familiäre Lebensformen sich schnell ändern, nicht mehr gesprochen werden. Dennoch wird Armut weiterhin privatisiert, mit individuellem Versagen identifiziert: "Sozialmißbrauch" wird trotz Steuerhinterziehung im grob geschätzten Ausmaß von 35 Milliarden Schilling jährlich (im Vergleich dazu bewegen sich die Ausgaben des Familienlastenausgleichsfonds für Familienbeihilfen bei 34 Milliarden Schilling, die des Arbeitsmarktservice für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bei etwa 26 Milliarden Schilling) weitgehend Angehörigen des einkommensschwächsten Bevölkerungsteiles zugeschrieben. Arme werden als "Sozialschmarotzer" diskriminiert und sogar kriminalisiert, wenn Bettler- und Sandlerverbote - wie zuletzt, aber nicht nur in Graz - umgesetzt werden. Auch Betroffene haben oft dieses Bild von Armut als individueller, selbstverursachter Schuld verinnerlicht. Anders ist die hohe Rate derer nicht zu erklären, die, speziell auf dem Land lieber materiell benachteiligt bleiben, als Sozialhilfe bei den BeamtInnen der Gemeinde zu beantragen und ihre Bedürftigkeit eingestehen zu müssen. Die Privatisierung von Armut läßt sich bequem als politische Strategie nützen, weil sie die strukturellen Ursachen von Armut verdecken hilft. Solange Armut als individuelles Problem gehandhabt wird, sind keine tiefgreifenden Reformen oder sozialpolitischen Strategien gegen Armut vonnöten.

Auch auf parlamentarischer Ebene hat es bislang kaum eine Auseinandersetzung mit der Armut in Österreich gegeben. So konnten parlamentarische Aktivitäten in diesem Bereich bisher eigentlich nur im Rahmen von schriftlichen und mündlichen Anfragen - hauptsächlich der Oppositionsparteien - festgestellt werden.

Schon 1990 meinten Graham Room und Bernd Hennigsen in ihrem Buch "Neue Armut in der Europäischen Gemeinschaft": "Es scheint zu den Gesetzmäßigkeiten der Sozialpolitik zu gehören, daß Problembereiche eher auf der Ebene der Etikettierungen abgehandelt, als daß sie in die sachliche Auseinandersetzung geführt werden: Wer Armut diagnostiziert und beseitigt wissen will, der betreibt das Geschäft der parlamentarischen oder außerparlamentarischen


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Opposition; wer Armut leugnet oder relativiert, der arbeitet der Regierung zu. Armut wird politisch instrumentalisiert und in der Regel auf eine Eindimensionalität reduziert, die niemandem hilft."

Von Regierungsseite wird das Thema Armut weder thematisiert noch in Angriff genommen. Seit im Rahmen der Sparpakete Sozialpolitik primär nur noch als Budget- und Mißbrauchsverhinderungspolitik betrachtet wird, werden eher kontraproduktive als bekämpfende Maßnahmen in diesem Bereich gesetzt. Die Stärkung des Versicherungs- und Äquivalenzprinzips kann keine Antwort auf stärkere Armutsrisken sein. Im Gegenteil fallen dadurch immer mehr Menschen aus dem Versicherungssystem heraus und ins schlecht gestrickte Netz der Sozialhilfe hinein. Diese wiederum wird seitens der Länder immer restriktiver gehandhabt, was unter anderem auch darauf zurückzuführen ist, daß der Bund im Rahmen der Sparpakete indirekt soziale Kompetenzen und damit Kosten auf die Länder überwälzt hat.

Die Schwierigkeit bei der Erfassung der Zahlen zur Armuts- und Reichtumsverteilung darf nicht dazu verwendet werden, das Problem zu verleugnen. Diese Vorgangsweise macht Arme ausblendbar und handhabbar und führt in ihrer letzten Konsequenz sogar dazu, daß wir noch auf Kosten derer, die wir nicht benennen und sichtbar machen, sparen, wie etwa die letzten Sparpakete zeigen. So etwa, wenn jetzt die Anspruchsberechtigung für Notstandshilfe strenger gefaßt und die Leistungen gesenkt werden, die Familienbeihilfe eingeschränkt und die Geburtenbeihilfe gestrichen wird.

Zum Skandal der Armut gehört auch das Verschwinden bzw. das Aufspalten von Solidarität. Das Mißbrauchsargument ("Sozialschmarotzer", Früh-pensionistInnendebatte) weist deutlich auf die fortschreitende Individualisierung auch in diesen Bereichen hin. Wo die Ideologie der Leistungsgesellschaft, die Entlassungsspiralen der Wirtschaft und die als Versagen einzelner proklamierte Armut zusammentreffen, wird offensichtlich, daß der gesellschaftliche Grundkonsens bedroht ist.

Die Fakten sprechen eine bedrohliche Sprache und es wird von Tag zu Tag dringender, sich auf allen relevanten Ebenen mit dem Thema auseinanderzusetzen und erforderliche Maßnahmen raschest durchzuführen. So ist bereits jedes fünfte Kind, jeder zweite Arbeitslose, jedes zweite Hilfsarbeiterpaar ohne Kinder, jede vierte Alleinerzieherin und ihre Kinder, jede dritte Pensionistin und jede zweite "traditionelle Durchschnittsfamilie" armutsgefährdet. Von den Familien, in denen die Frauen erwerbstätig sind, sind von jenen mit einem Kind 2%, mit zwei Kindern 5% und mit drei Kindern 20% armutsgefährdet. Noch drastischer sind die Zahlen für jene Familien, in denen die Frauen nicht erwerbstätig sind. Von ihnen sind bei einem Kind 10%, bei zwei Kindern 27% und bei drei Kindern bereits 46% armutsgefährdet.

In Österreich gibt es je nach unterschiedlichem methodischen Ansatz zwischen 770.000 (EG-Skala), 950.00 (ÖSTAT-Skala) und 1,5 Millionen (ausgabenorientierter Ansatz) Menschen, die armutsgefährdet sind.

Von dieser Armutsgefährdung sind in etwa 200.000 Kinder betroffen.

Auf Europaebene gibt es in etwa 52 Millionen Arme.

Demgegenüber steht in Österreich ein Bestand an Geldvermögen von etwa 3.500 Mrd, was zirka dem Zweieinhalbfachen des BIP oder dem Dreifachen der Staatsschulden entspricht, bzw. einem Vermögen von ca. 500.000,- pro Einwohner bzw. über 1 Million pro Haushalt entsprechen würde. Das österreichische Gesamtvermögen ist rund drei mal so groß wie das Geldvermögen, also zirka das Zehnfache der Staatsschuld, wovon das oberste Dezil etwa die Hälfte besitzt, das unterste nur 2,4%.

Einige Daten und Fakten im Detail

Arbeitslosengeld / Notstandshilfe - Taggeld bis 300 öS (im Monat 7.500 -9.000 öS)

Arbeitslosigkeit führt in der Erwerbsarbeits-Gesellschaft zu sozialer Ausgrenzung. Besondere Problemfelder sind Langzeitarbeitslosigkeit (vor allem ältere ArbeitnehmerInnen), in zuneh


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mendem Maße Mehrfacharbeitslosigkeit (häufiger Verlust des Arbeitsplatzes verhindert bei Jugendlichen oft den Einstieg in das soziale Sicherungssystem) und Frauenarbeitslosigkeit (für Frauen ist aufgrund der niedrigen Erwerbseinkommen das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe häufig nicht existenzsichernd).

Beinahe die Hälfte der Haushalte mit einem arbeitslosen Haushaltsvorstand lebt trotz Arbeitslosengeld aufgrund der mangelnden Mindestsicherung unter dem Existenzminimum (bei Bezug von Notstandshilfe ist es mehr als die Hälfte der Haushalte). Wenn eine Person im Haushalt arbeitslos ist, dann sind es immer noch 30% der Haushalte, die unter dem Existenzminimum leben.

 

Juli 94

Juli 95

Juli 96

Arbeitslosengeld

50.753

49.735

49.790

Notstandshilfe

50.133

53.358

62.067

 

100.886

103.083

111.857

 

Im Juli 1996 hatten über 110.000 Personen, die eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung (AL-Geld bzw. Notstandshilfe) bezogen haben, ein Einkommen, das geringer war als 9.000 öS.

1995 lag das Arbeitslosengeld für 45% aller BezieherInnen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz, davon waren 30% der bezugsberechtigten Männer und 70% der bezugsberechtigten Frauen betroffen. Die Leistung aus dem Titel der Notstandshilfe lag bei 70% der BezieherInnen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz, davon waren 60% der bezugsberechtigten Männer und 85% der bezugsberechtigten Frauen betroffen.

Frauen

Durch die Dominanz der männlichen Normal-Erwerbsbiographie, die sowohl die Arbeitswelt wie auch das Sozialsystem strukturiert, ergeben sich für Frauen höhere strukturelle Armutsrisken. Die geschlechterspezifische Arbeitsteilung erschwert für Frauen den Zugang zu Erwerbsmöglichkeiten. Alleinerziehende Frauen haben - mitbedingt durch ihre eingeschränkte Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt - weniger Verdienstchancen als die Männer. Verheiratete Frauen sind oft auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse angewiesen (häufig sind diese weder existenzsichernd noch bieten sie eine soziale Absicherung, was vor allem aufgrund der fehlenden Alterssicherung problematisch ist.)

Sondernotstandshilfe

8/96: 8960 Personen (60 M) bezogen SNH mit einem durchschnittlichen Tagsatz von 190 Schilling!

KarenzgeldbezieherInnen

8/96: 18.678 alleinstehende Personen/ Frauen bezogen erhöhtes KG

3.901 bezogen erhöhtes KUG wegen zu geringen Familieneinkommens

Insgesamt verfügen also knapp 32.000 Personen mit Kleinkindern (KG u. SNH) über ein Einkommen an der Armutsgrenze.

Geringfügig Beschäftigte (Einkommen unter 3.600 öS)

März 94

März 95

September 96

Oktober 96

97.970

133.063

149.105

152.801

Knapp 150.000 Personen erzielen aus ihrer Arbeit ein Einkommen unter 3.600 öS.


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51. Sitzung / Seite 81

Teilzeitarbeit

Nach der Mikrozensuserhebung 1995 betrug die Gesamtzahl der Teilzeitbeschäftigten 484.200 Personen (Selbständige, Unselbständige und Mithelfende), davon 397.700 Frauen und 86.500 Männer.

Der Anteil der unselbständig Beschäftigten betrug 385.200, davon waren 333.500 Frauen und 51.700 Männer.

Eine Auswertung von Teilzeitarbeitsplätzen nach Gehaltsstufen gibt es nicht, es ist allerdings anzunehmen, daß der überwiegende Anteil von Teilzeitbeschäftigten nur niedrige Einkommen erzielen kann.

ArbeitnehmerInnen mit Einkommen unter 12.000 öS brutto

1995 gab es in der Statistik des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger immer noch 240.000 Personen (80.000 M, 160.000 F) mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von unter 12.000 öS unter der Annahme einer Vollzeitbeschäftigung.

1994 war dieser Wert nur um ca. 20 % höher: 310.000 Personen (davon 115.000 Männer und 195.000 Frauen).

Verschuldung

Überschuldung ist sowohl Folge wie auch Auslöser von Armut. Die Verschuldung der Haushalte in Österreich ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen.

Familienarmut

Unter den besonders armutsgefährdeten Gruppen befinden sich AlleinerzieherInnen und Familien mit mehreren Kindern.

Die im Datenmaterial bereits veraltete Studie über Armutsgefährdung in Österreich (Lutz /Wagner/ Wolf: "Von Ausgrenzung bedroht", Wien 1993) kommt unter Anwendung der EU- Kriterien für Armutsgefährdung zu einem für Österreich sehr unerfreulichem Ergebnis. Demnach waren armutsgefährdet (Angaben in Prozent):

Land

Haushalte

Personen

Kinder

Österreich

12,3

13,4

16,5

Belgien

1,6

1,8

2,1

Dänemark

2,6

2,7

3,1

Deutschland

6,5

7,1

9,8

Frankreich

11,4

12,1

15,0

Niederlande

3,1

4,6

7,1

Italien

13,1

13,9

13,4

Portugal

68,4

69,5

71,2

Die Studie hält weiters fest:

Für Österreich identifizierbare Schwerpunkte stellen Alters- und Familiengefährdung dar:


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· 32 % der alleinstehenden Personen im Alter von mindestens 65 Jahren zählen zur Gefährdetengruppe (durchschnittliche Betroffenheitsquote aller österreichischen Haushalte: 18%); das sind 104.000 Haushalte.

· Weit über der mittleren Gefährdungsrate finden sich auch Paare mit mindestens drei Kindern wieder; in den identifizierten 31.000 Haushalten leben 168.000 Personen, davon 106.000 Kinder.

· Eine Familienstudie im Auftrag der oö. Landesregierung hat ergeben, daß das gewichtete Pro-Kopf-Einkommen einer Arbeiterfamilie mit 4 Kindern um 2000 Schilling unter dem offiziellen Existenzminimum von 7.200 Schilling liegt (Familienbeihilfen schon eingerechnet!)

· Die Anzahl der Familien mit einem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen unter 6.200 Schilling liegt nach dieser Untersuchung in Oberösterreich bei 19.200.

Wohnen

Unter mehreren Gesichtspunkten ist Wohnen für viele ÖsterreicherInnen zum Problem geworden. Insbesondere jungen, kinderreichen und/oder einkommensschwachen Familien gelingt es zunehmend schwerer, adäquaten und erschwinglichen Wohnraum zu finden oder zu sichern. Die Zahl der an den österreichischen Gerichten anhängigen Delogierungsverfahren steigt von Jahr zu Jahr. Ebenso ist Wohnungslosigkeit österreichweit stetig im Steigen begriffen. Darin kommt zum Ausdruck, daß steigende Wohnungskosten, Arbeitslosigkeit, vermehrte Ver- und Überschuldung der Privathaushalte zu Krisen in der Wohnversorgung von immer größeren Teilen der Bevölkerung führen. In den letzten Jahren stiegen die Wohnkosten sowie die Betriebskosten in keiner Relation zu den realen Löhnen. Es besteht daher weniger ein Mangel an Wohnungen, als vielmehr ein Mangel an leistbarem Wohnraum für Haushalte mit geringem bis durchschnittlichem Einkommen.

Obdachlosigkeit

Nach inoffiziellen Schätzungen (Österreichisches Kuratorium für Soziale Arbeit) gibt es in Österreich mindestens 20.000 Obdachlose. Eine offizielle Erhebung gibt es weder auf Bundes-, noch auf Länder- oder Gemeindeebene.

Schätzungen - etwa in Linz - sprechen bereits von 2.500 Obdachlosen, was bereits 1% der gesamten Linzer Bevölkerung ausmacht.

Altersarmut

50 Prozent der Frauen erhielten 1995 (Dezember) eine Alterspension, die geringer war als 7.710 Schilling (Männer 14.886 öS).

150.000 Frauen erhalten überhaupt keine eigenständige Altersversorgung.

Bei den Arbeiterinnen lag die durchschnittliche Alterspension im Dezember 1994 bei 6.739 öS, bei den Bäuerinnen bei 3.641 öS.

Bei den Bauern betrug die durchschnittliche Alterspension insgesamt (M + F) 6.410 öS (Dezember 1994).

Ein Drittel aller PensionistInnen hat einen Eigenpensionsanspruch unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz, wovon zirka 1/10 der männlichen Pensionisten, aber 55 bis 60% der weiblichen Pensionistinnen betroffen sind.

420.000 Frauen über 60 Jahre haben überhaupt keinen eigenen Pensionsanspruch.

Die Bezugshöhe von InvaliditätspensionistInnen liegt bei 45% unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz, wobei bei Frauen 2/3, bei Männern ca. 15% davon betroffen sind.

Angesichts dieser Zahlen und Fakten muß neu erklärt werden, was Armut in einer Wohlstandsgesellschaft heißt: etwa über so wenig Ressourcen zu verfügen, daß man vom hierzulande üblichen Leben ausgeschlossen ist, daß also, wie es Helmut Schüller formulierte, Heizung, Essen, Bildung für Kinder, Medikamente, vielleicht ein einfacher Urlaub und Wohnung zusammen für viele nicht mehr leistbar sind. Jedenfalls muß Armut im Kontext dessen gesehen werden, was als gesellschaftlich akzeptierter Mindeststandard gilt.


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51. Sitzung / Seite 83

Diese unterschiedlichen Angaben zur Betroffenheit verweisen auf ein grundlegendes Problem, nämlich die unzureichende Datenlage in diesem Bereich. So verfügt Österreich nicht nur über keine aktuelle einheitliche Steuerstatistik über alle steuerpflichtigen Einkommen, die Daten im Bereich selbständige Einkommen sind jeweils extrem veraltet und äußerst mangelhaft. Im Bereich oberer Einkommen sind die Statistiken besonders lückenhaft, da die Lohnstufenstatistik des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger nur bis zur Höchstbemessungsgrundlage, das sind derzeit 39.000,- Schilling, erfaßt und die Mikrozensusdaten im oberen Bereich von einer hohen Verweigerungsquote verzerrt sind.

Dazu meinte schon Ferdinand Lacina "Wir zählen mit Akribie die Anzahl der Obstbäume, aber wir behandeln die Vermögen sehr diskret und das ist kein Zufall. In diesem Bereich sind eben die politischen Widerstände ziemlich groß."

Einkommensarmut ist ein wichtiger Aspekt neben anderen Formen sozialer Ausgrenzung. In einer Gesellschaft, in der Lebenschancen vorwiegend über Einkommen aus Erwerbsarbeit verteilt werden, in der auch die Sozialversicherung auf das Normalarbeitsverhältnis zugeschnitten ist, sind Arbeitslosigkeit und geringes Einkommen wesentliche Armutsfaktoren. Neben Einkommensarmut werden aber andere Formen sozialer Ausgrenzung sichtbar: Segregationserscheinungen wie die räumliche Konzentration von Armut im ländlichen Raum oder die zeitliche Verdichtung von Risikolagen in bestimmten Phasen des Lebenslaufs.

Armutsgefährdung entsteht nicht nur einkommensbedingt. Armut in Österreich hat viele Gesichter und Namen. So kann man neben der Geldarmut auch eine Altersarmut, eine regionale Armut, eine ethnische Armut, eine vererbte Armut, aber auch eine Zeitarmut feststellen, um nur einige der Kategorien zu benennen.

So forderte beispielsweise D. Robbins 1994 im 3. Annual Report der EU-Kommission DC V daß das Recht auf Arbeit, das Recht auf Wohnung, das Recht auf eine menschenwürdige existenzminimale Sicherung, das Recht auf Bildung und das Recht auf Gesundheit als zentrale Lebensbereiche in alle Überlegungen miteinzubeziehen sind. Erst deren Zusammenführung lassen Aussagen über den Grad sozialer Integration bzw. sozialer Ausgrenzung zu. Zugleich bedingen sich diese Rechte und deren Verwirklichung, sodaß damit zugleich die Multidimensionalität von Prozessen sozialer Ausgrenzung zum Ausdruck kommt. Umgekehrt hat Politik bei ihren Strategien zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Verarmung diese Wechselwirkungen mitzubedenken, und in praktische Konzepte umzusetzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage:

1. Auf internationaler Ebene gibt es in einigen Ländern nationale Beobachtungsstellen, beispielsweise in Irland die "Combat Poverty Agency".

a) Ist daran gedacht, in Österreich eine solche nationale Beobachtungsstelle auf Bundesebene einzurichten (das ÖSTAT kann insbesondere nach dem Abgang des dort federführend für Armutsforschung zuständigen Beamten keinen Ersatz für eine solche darstellen)?

b) Wenn nein, warum nicht?

c) Wenn ja, mit welchen Personal- und Mittelausstattungen?

2. In Österreich sind zivilgesellschaftliche Organisationen, welche durch ihre Tätigkeiten über besonderes Know-how verfügen, bis jetzt nicht in den Dialog über Mängel und mögliche Maßnahmen einbezogen.

In welcher Form können Sie sich eine Einbeziehung dieses wertvollen Wissens vorstellen und wann werden Sie welche Umsetzungsschritte für die Etablierung eines laufenden Informationsaustausches setzen?


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51. Sitzung / Seite 84

3. Seitens der Wohlfahrtsverbände wird darüber informiert, daß mehr Nachfrage nach Dienstleistungen auch von Angehörigen der Mittelschicht zu beobachten ist und daß gegenüber 1995 ein Anwachsen der KlientInnen um ca. 25% festzustellen ist. Demgegenüber ist zumindest nach uns bekannt gewordenen Daten einzelner Bundesländer ein Rückgang bei der Sozialhilfeinanspruchnahme festzustellen.

a) Wie erklären Sie diese Tatsachen und sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den beiden Phänomenen?

b) Wie wollen Sie sicherstellen, daß Erkenntnisse aus diesem Bereich rasch zu den politischen Entscheidungsträgern kommen und dort entsprechende Konsequenzen gezogen werden?

4. Der Voranschlag für das Allgemeine Sozialhilfebudget 1997 für die Stadt Wien beträgt 1,885 Mrd, das ist um 42 Mio weniger als der Vorschlag für 1996 und in etwa gleich hoch wie der Rechnungsabschluß 1995. Gleichzeitig ist in Wien ein Rückgang der Zahl der SozialhilfeempfängerInnen zu verzeichnen. Dieser Trend scheint sich nicht nur auf Wien zu beschränken und könnte eine Auswirkung der auf Bundesebene gesetzten Maßnahmen im Rahmen der Sparpakete und der damit verbundenen Kostenverlagerung zu den Ländern sein.
Wie interpretieren Sie diese Situation und welche Maßnahmen werden Sie setzen, um sozial nicht zu rechtfertigenden Kürzungen zu Lasten Bedürftiger entgegenzuwirken?

5. Da Sozialhilfe in die Kompetenz der einzelnen Länder fällt, gibt es keine einheitlichen Erhebungen über deren Ausgestaltung und Effizienz.

a) Ist daran gedacht, bundesweite statistische Erhebungen über die Verwendung und den Bedarf der Sozialhilfemittel zu erstellen und aufgrund der daraus resultierenden Erkenntnisse einen Maßnahmenkatalog zu erstellen?

b) Wenn nein, wie können Sie sich vorstellen, gesellschaftspolitisch notwendige und durch die steigende Armutsgefährdung dringend erforderliche Anpassungen im Sozialhilfebereich umsetzen zu können?

6. Die Studie "Von Ausgrenzung bedroht" zeigt unter anderem Personengruppen auf, die mit dem vorhandenen Datenmaterial überhaupt nicht erfaßt werden können, wie etwa Wohnungslose und Personen, die in Anstalten leben. Des weiteren zeigen die Autoren auf, daß fehlende Auswertungen bestimmter Daten im Bereich des Sozialhilfebezugs, der Beihilfen, Tarifermäßigungen usw. ein Verfolgen der Ursachen und der Wege der Armut erschweren.

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diesem bereits 1993 artikulierten Mangel entgegenzutreten?

7. Von Wissenschaftlern wird immer wieder betont, daß nicht nur einkommensabhängige Faktoren für Armut ausschlaggebend sind.

Wie wollen Sie ermöglichen, daß andere armutsbildende Faktoren, wie etwa im Wohnungs- und Bildungsbereich, erfaßt und entsprechende Maßnahmen gesetzt werden?

8. Österreichweit gibt es trotz steigender Obdachlosigkeitsproblematik keine Erhebung über die Obdachlosensituation und -zahl.

a) Ist daran gedacht, diese Daten zu erheben und zu verwerten?

b) Wenn ja, wann?

c) Wenn nein, warum nicht?

d) Welche Maßnahmen gedenken Sie gegen die steigende Obdachlosigkeit zu setzen?


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51. Sitzung / Seite 85

9. In den letzten Jahren steigen die Wohnungs- und Betriebskosten überproportional zu den realen Lohnsteigerungen. Dadurch wird Wohnraum für Haushalte mit geringem bis durchschnittlichem Einkommen in vielen Fällen nicht mehr leistbar.

Welche Maßnahmen werden Sie gegen zu hohe Wohnkosten ergreifen und sind Sie der Meinung, daß die regionalen Regelungen für Mietzinsbeihilfen ausreichend sind, um dem zunehmenden Risiko von Delogierung und Obdachlosigkeit gerecht zu werden?

10. Bisher verfügte der jährlich veröffentlichte Sozialbericht über kein eigenes Armutskapitel bzw. eine spezielle Aufarbeitung armutsrelevanter Probleme und Daten. In informellen Gesprächen gab es seitens des Sozialministers Zusagen, ein solches Kapitel in den Sozialbericht aufzunehmen.

a) Ab wann und in welcher Form wird das geschehen?

b) Wird dadurch auch sichergestellt werden, daß andere als nur einkommensbezogene Faktoren in die Analysen einbezogen werden?

11. Für das Sozialministerium wurde vor einigen Jahren eine (nicht veröffentlichte) Studie über "Ökonomische Auswirkungen von Arbeitslosigkeit" erstellt.

Welche Konsequenzen wurden aus den Schlußfolgerungen dieser Studie gezogen, und in welchen Maßnahmen haben sich die Aussagen dieser Studie niedergeschlagen?

12. 1993 wurde die Studie "Von Ausgrenzung bedroht" fertiggestellt, welche landläufig als "Armutsstudie" bekannt ist.

Welche Konsequenzen wurden aus dieser Studie gezogen und im Rahmen welcher Maßnahmen wurden oder werden sie umgesetzt?

13. Welche Studien wurden in welchen Ministerien in den letzten 10 Jahren erstellt, die einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Problembereich Armut haben, und welche Konsequenzen und Maßnahmen gab es jeweils in der Folge?

14. Armutsforschung und konkrete Aussagen über Armut und deren Bekämpfungsmöglichkeiten scheitern immer wieder an fehlenden Standards, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.

a) Was wird Österreich zur Etablierung solcher Standards auf nationaler Ebene unternehmen, bzw. was wurde schon unternommen?

b) In welcher Form wird sich Österreich auf internationaler, insbesondere
EU-Ebene, für eine Vereinheitlichung der Standards einsetzen?

15. Welche Initiativen wird Österreich für die bevorstehende EU-Regierungskonferenz zum Thema Armut setzen?

16. Wird sich Österreich dafür einsetzen, daß die EU-Kompetenzen auf Armutsbekämpfung ausgeweitet werden?

a) Wenn ja, in welcher Form und wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

17. Aufgrund eines von Großbritannien provozierten EuGH-Urteils sind die Gelder für "Poverty and the Elderly" für unter anderem auch österreichische Projekte blockiert.

a) Welche Position nimmt Österreich in diesem Zusammenhang ein?

b) Ist vorgesehen, die Finanzierung für die betroffenen österreichischen Projekte zu übernehmen bzw. zu überbrücken?


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51. Sitzung / Seite 86

c) Welche österreichischen Projekte sind davon betroffen?

18. Wird sich Österreich dafür einsetzen, daß auf EU-Ebene für armutsrelevante Themen statt der Einstimmigkeit eine qualifizierte Mehrheit ausreicht?

a) Wenn ja, in welcher Form und wann?

b) Wenn nein, warum nicht?

19. Aufgrund von Widerständen primär aus Deutschland und in der Folge Großbritannien wird das Armutsprogramm 4 auf europäischer Ebene zurückgehalten.

Welche Initiativen wird Österreich setzen, damit dieses bereits fertig ausgearbeitete Programm umgesetzt werden kann?

20. Im Rahmen der Sparpakete wurden indirekt Kosten im Bereich der sozialen Sicherung vom Bund auf die Länder dadurch übergewälzt, daß vermehrt Personen aus dem Versicherungssystem herausfallen und auf die Sozialhilfe angewiesen sein werden.

Ist in diesem Zusammenhang daran gedacht, im Rahmen des Finanzausgleiches eine Ausgleich für diese Mehrkosten bei den Ländern zu schaffen bzw. andere Maßnahmen zu setzen, die garantieren, daß reduzierter Mittelaufwand bei erhöhtem Bedarf nicht zu Lasten der Ärmsten ausgetragen wird?

21. Die teilweise gesetzliche, teilweise praktische Verschärfung der Zumutbar-keitsbestimmungen wirkt sich insbesondere für Personen (Frauen) mit Betreuungspflichten besonders negativ aus.

Wie werden Sie sicherstellen, daß Personen (Frauen) nur aufgrund vorhandener Betreuungspflichten nicht aus dem sozialen Versicherungsnetz fallen?

22. Die Auswirkungen der Sparpakete sind nach vorläufigen Erkenntnissen nicht - wie seitens der Regierungsfraktionen immer wieder behauptet wurde - sozial gerecht verteilt, sondern haben sich vielmehr doch als extreme Belastungspakete insbesondere der unteren Einkommensschichten herausgestellt.

Welche Untersuchungen über die Auswirkungen der Sparpakete gibt es/wird es geben, was sind deren Aussagen, und wie haben Sie vor, soziale Unausgewogenheiten raschestmöglich zu korrigieren?

23. Die Auswirkungen der Sparpakete schlagen sich auch unterschiedlich auf die Geschlechter nieder. So sind insbesondere Familien mit Kindern, und unter diesen wieder Alleinerzieherinnen mehrfach und teilweise ungerechtfertigt stark betroffen.

Welche Untersuchungen über die Auswirkungen der Sparpakete auf Frauen gibt es/wird es geben, was sind deren Aussagen, und wie haben Sie vor, soziale Unausgewogenheiten raschestmöglich zu korrigieren?

24. Die für 1997 vereinbarte Aussetzung der Pensionsanpassungen führt dazu, daß im PensionistInnenbereich nicht einmal eine Abgeltung der Inflationsrate und damit ein Nettoeinkommensverlust realisiert wird. Die negativen Konsequenzen im Bereich armutsgefährdeter Personen werden sich durch die Nichtanhebung auch des Ausgleichszulagenrichtsatzes auch in den Folgejahren fortsetzen. Dies ist umso bedenklicher, als die notwendigen Ausgaben für PensionistInnen teilweise im überdurchschnittlichen Ausmaß ansteigen. So sei als Beispiel nur erwähnt, daß die Seniorenkarte der ÖBB bis zum Sommer 1996 260,- Schilling kostete und seitdem auf 350,- Schilling angehoben wurde, was einer Steigerung von nahezu 35% entspricht.

Wie werden Sie sicherstellen, daß durch Erhöhungen bei Gebühren, Tarifen und Preisen die Altersarmut nicht noch zusätzlich forciert wird?


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51. Sitzung / Seite 87

25. Ein Drittel aller PensionistInnen hat einen Eigenpensionsanspruch unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz. 420.000 Frauen über 60 haben überhaupt keinen eigenen Pensionsanspruch. Die Regelung des Ausgleichszulagenrichtsatzes garantiert keine eigenständige Alterssicherung und ist für viele, insbesondere weibliche Pensionistinnen, eine echte Armutsfalle.

a) Werden Sie sich dafür einsetzen, als einen ersten Schritt zur Existenzsicherung eine individuelle Grundsicherung wenigstens im Alter einzuführen?

b) Wenn ja, in welcher Form können Sie sich das vorstellen?

c) Wenn nein, wie haben Sie vor, die zunehmende Altersarmut, insbesondere bei Frauen, zu bekämpfen?

26. Die Sozialhilferichtsätze in Österreich sind in den einzelnen Bundesländern äußerst unterschiedlich und variieren zwischen ca. 4.600 und 6.200 Schilling. In einem kleinen Land wie Österreich sind solche Unterschiede durch nichts zu rechtfertigen.

a) Ist in diesem Zusammenhang daran gedacht, eine Bundesrahmengesetzgebung in Angriff zu nehmen und einheitliche Sozialhilfe- Mindeststandards einzuführen.

b) Wenn ja, bis wann?

c) Wenn nein, warum nicht?

27. Die in den einzelnen Bundesländern äußerst unterschiedlichen Sozialhilferichtsätze können auch in unterschiedlichem Ausmaß und bei unterschiedlichen Bedingungen gekürzt werden. Schon das Ursprungsniveau garantiert keine Existenzsicherung, schon gar nicht aber eine Reduktion auf 50% oder noch weniger.

Treten Sie dafür ein, daß auch im Bereich der Sozialhilfe ein Mindestniveau nicht unterschritten werden darf und auf welchem Niveau müßte sich eine solche Mindestsicherung befinden?

28. Eine Studie über SozialhilfebezieherInnen im Raum Linz weist eine DauerbezieherInnenquote von nur 2,2% auf, wovon 76% Frauen sind, von denen 41% geschieden und 38% ohne Pensionsanspruch sind.

a) Wie interpretieren Sie diese Zahlen?

b) Gibt es analoge Aussagen aus anderen Regionen?

c) Können Sie sich vorstellen, die DauerbezieherInnenquote bundesweit zu erheben?

29. Aus einzelnen Bundesländern haben wir erfahren, daß vermehrt BezieherInnen mit aufrechtem Arbeitsverhältnis einen berechtigten Sozialhilfeanspruch geltend machen.

a) Sind Ihnen solche Fakten bekannt?

b) In welcher Form wurden oder werden sie erhoben, wie interpretieren Sie diese Tatsache und welche Maßnahmen werden Sie gegen eine Fortsetzung dieses Trends setzen?

30. Arbeitslosigkeit führt mangels vorhandener Mindeststandards schon jetzt vermehrt zu Armut. Bereits 1989 führte der damalige BM Hesoun in einer Anfragebeantwortung aus: "In naher Zukunft steht deshalb weiter die Einführung eines wirklichen Mindeststandards in der Arbeitslosenversicherung auf der Tagesordnung".

Welche Maßnahmen sind in den nahezu auf den Tag genau 7 Jahren seit dieser Aussage gesetzt worden, und wie erklären Sie es, daß es noch immer keine Mindestsicherung im Arbeitslosenversicherungsrecht gibt und unseres Wissens nach auch keine in Aussicht ist?


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51. Sitzung / Seite 88

31. Im Rahmen der Diskussionen um eine Änderung des Arbeitslosenversicherungs-rechtes tauchen immer wieder Vorschläge auf, die eine Befristung der Arbeitslosenversicherungsleistungen vorsehen, was einer Aussteuerung gleichkommt.

Können Sie sicherstellen, daß eine allfällige Änderung des Arbeitslosen-versicherungsrechtes und eine darin beinhaltete Verstärkung des Versicherungsprinzips nicht dazu führen wird, daß gerade bei angespannter Arbeitsmarktlage gewisse Personengruppen (Langzeitarbeitslose, Jugendliche, welche keinen festen Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen) das soziale Sicherungsnetz im Bereich des Arbeitslosenversicherungsrechtes gar nicht mehr erreichen bzw. nach einer gewissen Zeit aus ihm herausfallen?

32. Die vom Frühjahr bis Herbst 1996 durchgeführte Fragebogenaktion für Langzeitarbeitslose umfaßte 26.000 NotstandshilfeempfängerInnen, die seit mindestens 1993 arbeitslos waren. Etwa 7.000 der Befragten sollen derzeit in Arbeit oder in Schulung sein bzw. ist für einen Teil von ihnen das Verschwinden aus der Arbeitslosenstatistik nicht erklärbar. Für die verbleibenden 19.000 Personen soll es für nächstes und übernächstes Jahr eine Maßnahmenplanung geben.
Welche Ergebnisse hat diese Befragungsaktion bis jetzt gebracht und welche Erwartungen für die Arbeitsmarktintegration der betroffenen Personen liegen vor?

33. Das Verhältnis zwischen Arbeitsplatzangebot und -nachfrage verhält sich je nach Jahreszeit derzeit zwischen 1:10 und 1:15. Dieses Faktum verhindert es leider, daß alle Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Die derzeitigen und ab 1997 geplanten Maßnahmen für Langzeitarbeitslose basieren unseren Informationen nach offensichtlich nicht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Welchen Sinn sehen Sie in einer "nicht freiwilligen" Vermittlung von Arbeitslosen, so lange das Angebot an Arbeitsplätzen nicht einmal für jene, die dringend einen Arbeitsplatz benötigen, ausreicht?

34. Das zunehmende Mißverhältnis zwischen Lehrstellenangebot und -nachfrage verschärft die Armutsgefährdung bei Jugendlichen.

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diesem Trend entgegenzuwirken und jugendlichen SchulabgängerInnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen?

35. Infolge von Maßnahmen des Sparpaketes und daraus resultierenden Aufnahmestops - insbesondere im öffentlichen Dienst - wird es für UniversitätsabgängerInnen zunehmend schwieriger, den Einstieg in den Arbeitsmarkt in Form eines "normalen", sprich arbeits- und sozialrechtlich abgesicherten Arbeitsverhältnisses zu schaffen.

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diesem Trend entgegenzuwirken und jungen AkademikerInnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen?

36. Die Vermittlung insbesondere von Langzeitarbeitslosen auf eine Tätigkeit außerhalb ihres Qualifikationsniveaus und vor allem unterhalb ihres vorherigen Einkommensanspruches löst bei einer neuerlichen Arbeitslosigkeit eine Spirale nach unten aus.

Wie werden Sie sicherstellen, daß insbesondere Personen, die Mithilfe des Langzeitarbeitslosenvermittlunsgprogrammes befristet oder für Teilzeitarbeit vermittelt werden bzw. ihren Arbeitsplatz aufgrund des Wegfalles einer Förderung nach spätestens einem Jahr wieder verlieren, nicht von einer monetär noch geringeren Absicherung ihrer Existenz bedroht sind?

37. Die bereits über zehn Jahre andauernde Debatte über einen Mindestlohn in Österreich hat noch immer nicht einmal dazu geführt, daß alle Vollzeit erwerbstätigen Personen über 12.000 Schilling brutto verdienen. Als zeitgemäß würde mittlerweile allerdings ein wesentlich höherer Mindestlohn erforderlich sein. So fordern beispielsweise die ÖGB-Frauen bereits 15.000 Schilling brutto, was den entsprechenden OECD-Linien näherzukommen scheint, sie aber noch immer nicht voll erfüllt.

a) Gibt es nach wie vor Personen, die für eine volle Erwerbstätigkeit unter 10.000 Schilling brutto monatlich verdienen?


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51. Sitzung / Seite 89

b) Wenn ja, wie viele?

c) Wie viele Vollzeit erwerbstätige Personen haben derzeit nach wie vor ein Brutto-Monatseinkommen unter 12.000 Schilling?

d) Wie viele Vollzeit erwerbstätigen Personen haben derzeit ein Brutto-Monatseinkommen unter 15.000 Schilling?

e) Durch welche Maßnahmen können Sie sich vorstellen, daß ein realistischer Mindestlohn rascher in allen Bereichen umgesetzt wird, und wie soll das insbesondere in jenen Bereichen realisiert werden, wo es keine Kollektivverträge gibt?

38. Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Studie des Wifo "Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich" (Hrsg. Alois Guger, Juli 1996), daß das österreichische Steuer- und Abgabensystem kaum progressiv ist und daß die progressiven Effekte der Lohnsteuern und die regressiven Effekte anderer Abgaben einander weitgehend ausgleichen?

39. Im Kapitel "Die Vermögensteuern und ihre Verteilung" der oben genannten Studie wird sowohl die steuerliche Begünstigung der Finanzanlagen als auch die Abschaffung der Vermögensteuern kritisch beurteilt. Es heißt: "Aus wachstums- und beschäftigungspolitischer Perspektive werden Investitionen in risikoreiches Realkapital gegenüber Finanzanlagen benachteiligt und aus allokationstheoretischer Perspektive wurden damit Steuerobjekte dem Fiskus weitgehend entzogen, die nach der modernen Steuerlehre stärker als Steuerquelle herangezogen werden sollten (...)" (S. 33/34)

a) Halten Sie die steuerliche Begünstigung von Finanzanlagen gegenüber Investitionen in Realkapital für gerechtfertigt?

b) Wenn ja, warum?

c) Wenn nein, welche steuerpolitischen Maßnahmen werden Sie setzen, um zumindest eine steuerliche Gleichbehandlung zu erzielen?

d) Welche Anreize können bzw. sollen gesetzt werden, um die Veranlagung erzielter Gewinne in Realinvestitionen gegenüber Finanzinvestitionen zu fördern?

40. Als Ziel sozialdemokratischer Politik wird die Verwirklichung von Chancengleichheit genannt. Tatsache ist, daß Erbende gegenüber Nicht-Erbenden einen erheblichen Startvorteil im (Wirtschafts-) Leben haben. In der Studie der Arbeiterkammer "Vermögen, Erben und Erbschaftssteuer in Österreich" (Otto Farny, Franz Gall, Margit Predl, Oktober 1996) wird das Transaktionsvolumen an unentgeltlichen Zuwendungen für das Jahr 1993 mit 95 Mrd. S beziffert.

a) Halten Sie im Lichte dieser Tatsache eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer für notwendig?

b) Planen Sie im Zuge der nächsten Steuerreform eine entsprechende Novellierung der Erbschafts- und Schenkungssteuer?

c) Welche Zielsetzungen werden Sie bei einer allfälligen Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer verfolgen?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 Abs.2 GOG verlangt."

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile jetzt als erstem Fragesteller dieser Anfrage Herrn Abgeordneten Öllinger das Wort und mache ihn darauf aufmerksam, daß nach § 93 Abs. 5 der


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51. Sitzung / Seite 90

Geschäftsordnung die Redezeit für die Begründung nicht länger als 20 Minuten sein darf. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

15.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das Betteln und damit die Armut von den Straßen mit polizeilichen Mitteln entfernt werden soll, dann ist es höchste Zeit, hier im Hohen Haus dringlich eine Debatte über die Armut in Österreich zu führen.

Herr Bundeskanzler! Es ist höchste Zeit, die Armut hier in dieses Hohe Haus hereinzulassen, wo sie noch nie war. Wir hatten noch nie ein Debatte über Armut in Österreich. Es war noch nie Gegenstand einer ausführlichen parlamentarischen Behandlung, hier in diesem Hohen Haus über Armut in Österreich zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Dringlich ist die Debatte nicht nur wegen des Vorfalls mit der Bettelei in Graz. Dieser Vorfall in Graz kann jederzeit woanders in Österreich passieren. Meine Damen und Herren! Und das passiert auch, weil viele jetzt den Mut gefaßt haben, anders mit Bettlern umzugehen.

Dringlich ist die Debatte nicht nur deswegen, weil gestern der Tag der Menschenrechte war, weil das Jahr der Armutsbekämpfung der UNO gerade zu Ende geht, ohne daß Österreich in diesem Jahr der Armutsbekämpfung irgendeine Maßnahme gesetzt hätte.

Dringlich ist die Debatte auch deswegen, weil eine EU-Regierungskonferenz vor uns steht und Österreich in seiner Stellungnahme für diese Regierungskonferenz keine sozialpolitischen Forderungen erhoben hat und das Thema Armut daher auch offensichtlich von österreichischer Seite nicht zur Debatte steht.

Dringlich ist die Debatte aber auch deswegen, weil wir in Europa derzeit an die 50 Millionen armutsgefährdete Menschen haben, und einige Hunderttausende sind auch hier in Österreich zu Hause.

Dringlich ist die Debatte aber vor allem deshalb, weil die Regierung, die Koalition, in diesem Jahr nicht die Armut bekämpft hat, nicht die Arbeitslosigkeit bekämpft hat, sondern die Armen und die Arbeitslosen. Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, haben Belastungen produziert, die Menschen in diesem Land arm machen.

Ich erinnere dabei an die Kürzung der Familienbeihilfen und ihre Nicht-Valorisierung, an die Streichung der Geburtenbeihilfe, die Kürzung des Karenzgeldes und seine Nicht-Valorisierung, die Streichung der Familienbeihilfen für im Ausland lebende Kinder, sprich für die Kinder von Gastarbeitern, die radikale Kürzung der Notstandshilfe, die Nicht-Valorisierung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, die Streichungen bei der Schülerfreifahrt und bei der Heimfahrtsbeihilfe, die Leistungseinschränkungen im Rahmen der Sozialhilfe, die Tarif- und Preiserhöhungen in diesem Jahr und zu Beginn des nächsten Jahres.

Zwei Beispiele: Das eine betrifft die Kostenexplosion bei den Mieten und bei den Betriebskosten. Das zweite Beispiel betrifft eine Maßnahme, die im Bereich der ÖBB gesetzt wurde, als der Preis für die Seniorenkarte um 33 Prozent hinaufgesetzt wurde, von 260 S auf 350 S.

Das mag Ihnen, meine Damen und Herren hier in diesem Hohen Haus, nicht viel vorkommen, aber für Menschen, die arm sind – es gibt deren genug in Österreich –, ist das viel Geld.

Jede einzelne dieser Maßnahmen bedeutet für Menschen mit niedrigem Einkommen Belastung, Kampf um die Existenz für die nächsten Wochen, für die nächsten Tage, weil man es sich richten muß, daß man diese Schillinge, die zusätzlich anfallen, irgendwo herbekommt.

Was müssen diese Leute denken, meine Damen und Herren, wenn der Vizekanzler dieser Bundesregierung in dieser Situation erklärt: "Ich erteile den linken Belastungsüberlegungen eine Absage."?


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Was müssen sich Leute in diesem Land denken, wenn ein katholischer Bischof erklärt – es ist Bischof Krenn –: "Es könnte sein" – so Krenn –, "daß jeder Aufschrei über wachsende Armut übertrieben ist. Wie halt jeder, der eine gute Ernte braucht, jammert, wenn es regnet und trotzdem eine gute Ernte einfährt, so ist auch der soziale Jammer manchmal ein Stück Politik."

Ich weiß, das ist nicht die Aussage der Katholischen Kirche. Gott sei Dank gibt es auch in der Katholischen Kirche genügend – mehr als in anderen Organisationen – Kräfte, die das Thema Armut zum Gegenstand ihrer Überlegungen und Forderungen machen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Eine Frage: Können Sie sich, können wir uns vorstellen, was Armut für diese Personengruppen in Österreich bedeutet? – Kein Mensch in diesem Hohen Haus ist von Armut betroffen. Keiner hat mit dem Problem an sich zu tun, und ich denke, auch Ihre Familien und unsere Familien zum Großteil nicht. Deshalb ist es schwierig, über dieses Thema hier im Parlament zu sprechen, aber es ist notwendig. Es ist notwendig, weil noch nie darüber gesprochen wurde, und es ist deswegen notwendig, weil diese Armut zunimmt.

Meine Damen und Herren! Es gibt viele Themen, bei denen wir uns, bei denen Sie sich kompetent fühlen. Wie schaut es aus beim Thema Armut? – Auch deshalb haben wir diese Debatte gemacht, damit diese Armut hier in diesem Hohen Haus ein bißchen spürbar wird, damit man wenigstens ein bißchen darüber redet. Haben Sie eine Ahnung davon, wie entwürdigend es ist, sich am Sozialamt um eine Geldleistung anstellen zu müssen? – Ich habe eine Ahnung. Ich habe mir die Sozialämter auch angesehen, meine Damen und Herren! Ich weiß es. Es gibt in den meisten Sozialämtern nicht einmal Sitzgelegenheiten für die Kunden. So schaut die Realität in den Sozialämtern aus!

Wissen Sie, wie deprimierend es ist, aus einer Wohnung vertrieben zu werden? Wissen Sie das? – Es gibt allein in Wien, im Bezirk Brigittenau im Unterschied zum vorigen Jahr – das ist nur eine Zahl von 1996 –, wo es über das ganze Jahr 300 Delogierungen gegeben hat, schon nach sechs Monaten 300 Delogierungen. Und man rechnet, daß die Zahl der Delogierungen allein in einem Wiener Bezirk 400 bis 500 ausmachen wird.

Wissen Sie, wie es ist, wenn man delogiert wird? (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) Ich weiß es. (Abg. Großruck: Sind Sie delogiert worden?) Das beantworte ich Ihnen.

Wissen Sie, was es für eine alleinerziehende Mutter heißt, wenn ihr Kind nicht am Schikurs teilnehmen kann oder an einer Landschulwoche, weil der Mutter, den Eltern das Geld fehlt?

Wissen Sie aber auch, was es heißt, wenn das Kind trotzdem teilnimmt, weil die Mutter dem Kind die Schande ersparen will, nicht teilnehmen zu dürfen? Wissen Sie, was das für eine Belastung für diese Frauen, diese Personen, diese Eltern ist? Haben Sie eine Ahnung, was die Schule trotz Gratisbüchern und Schulfreifahrt für die Eltern, für arme Eltern kostet? Haben Sie eine Ahnung davon, wie hoch die Belastungen sind, was es heißt, hier in Österreich mit 7 000 S, 8 000 S oder 9 000 S leben zu müssen? – Ich verstehe Ihre Erregung nicht ganz. Herr Kollege, warum sind Sie so erregt, wenn man dieses Thema anspricht? (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Wissen Sie, was es heißt, auf Sozialhilfe, auf Wohnungsbeihilfe angewiesen zu sein, auch wenn man arbeitet? Wissen Sie, was es bedeutet, seit Jahren einen Job zu suchen?

"Hohes Haus! Seit geraumer Zeit steht die ganze Öffentlichkeit unter dem Eindruck des erschreckenden Wachstums der Arbeitslosigkeit. Wir haben derzeit in Österreich ungefähr 300 000 Arbeitslose, mehr als wir jemals in den schlimmsten Zeiten gehabt haben.

Hohes Haus! Es ist sehr leicht, solche Zahlen anzuführen. Es ist menschenunmöglich, sich vorzustellen, wieviel menschliches Leid sich in diesen Zahlen birgt. Es ist unmöglich, sich auszumalen, welche Gefahren für die Gesundheit und für die Arbeitskraft Hunderttausender Erwachsener und für die Gesundheit und für die Zukunft von Hunderttausenden Kindern in diesen Zahlen stecken!"


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Meine Damen und Herren! Das stammt nicht von mir, sondern das hat Otto Bauer im Parlament anläßlich einer Dringlichen Anfrage zum Thema Arbeitslosigkeit im Jahr 1930 gesagt. Damals hat Otto Bauer, der Führer der Sozialdemokratischen Partei, eine Zahl von 300 000 Arbeitslosen als erschreckend für dieses Land bezeichnet. Ich brauche Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, nicht daran zu erinnern, was damals die Konsequenz dieser Entwicklung war.

Ich zitiere Otto Bauer weiter: "Es ist höchste Zeit, daß diese anderen Fragen verschwinden und wir uns auf die eine Frage konzentrieren, wie wir die Flut der Arbeitslosigkeit eindämmen können. Ich staune über den Mut, den diejenigen aufbringen, die eine Zeit so außerordentlichen Massenelends zu nichts anderem auszunutzen wissen, als zu einer Agitation, für eine Verschlechterung und Einengung der Arbeitslosenversicherung." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Da sind wir genau am Punkt. Was gerade Sie von der Sozialdemokratischen Partei in den letzten Monaten gemacht haben, war nichts anderes, als diese Verschlechterung im Bereich der Arbeitslosenversicherung hervorzurufen und weiterzuführen.

Armut in Österreich, das ist nicht nur Arbeitslosigkeit und ihre Folgen, das sind nicht nur die Sparpakete. Armut in Österreich betrifft sehr oft Familien mit Kindern. Armut in Österreich, das bedeutet nicht verhungernde Kinder und Massenelend. Armut in Österreich ist versteckt, gerade weil wir ein reiches Land sind und weil Armut in einem reichen Land viel entwürdigender als in einem armen Land ist.

Meine Damen und Herren! Ohne die Armen, die Sie jetzt mit polizeilichen Verordnungen wegsperren wollen, hätte diese Republik nach 1945 nicht aufgebaut werden können, denn damals war jeder in Österreich arm.

Armut hat hier wie anderswo ein Geschlecht: Es ist das weibliche Geschlecht, das viel mehr von Armut betroffen ist als das männliche. Armut hat auch ein Alter: Es sind die Alten mehr betroffen als die Jüngeren. Armut hat auch ein ethnisches Gesicht: Es sind die Ausländer in diesem Land, die mehr unter Armut leiden, auch wenn viele Österreicher auch darunter leiden.

Armut hat auch eine Behinderung: Es sind die Behinderten, die Pflegebedürftigen, die trotz der Pflegegeldleistungen in vielen Fällen am Existenzminimum leben müssen. Armut hat auch einen Ort, an dem sie stattfindet, nämlich den ländlichen Raum. Am Land ist Armut ein noch viel größerer Makel als in der Stadt.

Armut heißt aber oft auch, kein Dach über dem Kopf zu haben. Es gibt zigtausend Obdachlose, es gibt jedoch niemanden, keine offizielle Stelle, keine Regierungsstelle, keine Landesstelle, keine kommunale Stelle, die die Obdachlosen in diesem Land überhaupt erhebt und etwas tut, um Obdachlosigkeit zu verhindern, meine Damen und Herren!

Armut hat Kinder. Es sind vielfach die kinderreichen Familien oder die Alleinerziehenden mit Kindern, die armutsgefährdet sind. Armut kennt auch keine Grenzen. Ein mittleres Einkommen schützt in vielen Fällen nicht mehr vor Armut, gerade dann, wenn man viele Kinder zu ernähren hat.

Armut ist in diesem Land auch vererbbar, nach wie vor. Wer arm auf die Welt kommt, hat eine wesentlich höhere Chance, auch arm zu bleiben.

Meine Damen und Herren! Armut hat aber auch ein Gegenüber: den Reichtum in diesem Land. Sowenig, wie man in diesem Land über Armut spricht, so wenig ist man auch bereit, über den Reichtum in diesem Land zu sprechen. Sie finden in der Dringlichen Anfrage ein Zitat des damaligen Finanzministers Lacina. Er sagt: Man zählt in diesem Land jeden Obstbaum, aber den Reichtum in diesem Land, den erfaßt man nicht. Da gibt es politische Widerstände. – Das hat damals der Finanzminister dieser Republik gesagt und darauf hingewiesen, daß es schwierig ist, überhaupt Aussagen über den Reichtum in diesem Land zu treffen.

Herr Bundeskanzler! Das Schlimmste aber ist, daß Armut in diesem Land unsichtbar bleibt, weil Sie als Regierungsmitglied nichts dafür tun, die Armut sichtbar zu machen, weil Sie nicht einmal


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die Zahlen erheben lassen, nicht einmal die Grundlagen dafür liefern, sich auf einer einigermaßen seriösen Ebene mit dem Thema "Armut in Österreich" auseinanderzusetzen.

Sie tragen die Verantwortung dafür, daß es keine Zahlen betreffend Armut gibt, daß es keine Armutsbeobachtung gibt und dementsprechend auch keine Armutspolitik. Weder in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien noch in der Regierungserklärung von 1996 hat das Thema "Armut" eine Rolle gespielt. Es kommt nicht einmal vor. Auch in den vorherigen Regierungserklärungen und Koalitionsvereinbarungen war Armut kein Gegenstand, Armut existiert offensichtlich für die Regierungspolitik und für die offizielle Politik in diesem Land nicht.

Joachim Riedl schreibt in einem Kommentar zur Bettelverordnung in der "WirtschaftsWoche" vom 5. Dezember 1996: Armut ist ein sozialer Schmerz, ein Alarmsignal, das den gesellschaftlichen Organismus daran erinnert, daß er nicht unverwundbar ist. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wenn dieser Schmerz wirksam werden soll, dann müssen Sie ihm zum Durchbruch verhelfen. Sie tragen mit dafür die Verantwortung, daß die Armut in diesem Land privatisiert wurde, daß sie als das Schicksal von einzelnen begriffen wird, die selbst die Verantwortung dafür tragen.

Herr Bundeskanzler! Ich halte es nicht für sinnvoll, wenn Sie als Regierungsvertreter zum Thema "Armut" nichts unternehmen und Ihre Frau dafür Charity-Veranstaltungen organisiert. Das ist zuwenig. Wenn man sich ernsthaft mit dem Thema "Armut" auseinandersetzen will, nützt es wenig, es auf die Spendenebene abzuschieben, so ehrenwert es auch in Einzelfällen ist zu spenden. Wir verlangen eine Regierungsverantwortung gegenüber der Armut in diesem Land. Wir verlangen eine Regierungspolitik zur Bekämpfung der Armut in diesem Land. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ich bringe Ihnen ein Beispiel – ich zeige Ihnen das dann noch, ich möchte es aber zunächst hier den Damen und Herren im Hohen Haus zeigen –, was es heißt, heute in diesem Land arm zu sein, weil man arbeitslos ist. (Der Redner zeigt dem Plenum eine Tafel, auf der die Tagsätze eines Notstandshilfebeziehers in Österreich angeführt sind. – Abg. Dr. Haider: Es hat lange gebraucht, aber jetzt hat er’s!)

Es handelt sich um einen Herrn aus Wien, der Bauer war, dann Kaufmann war und sich im zweiten Bildungsweg fortgebildet hat. (Abg. Dr. Haider: Kollege, also daß du mich kopierst! Der Kollege auf meinen Spuren!) – Kein Problem Herr Haider. Er war als Managementberater tätig, hat 20 Jahre gearbeitet und ist inzwischen über 50 Jahre alt. – Und seit 1. Jänner 1991 ist er arbeitslos.

Er hat mit einem Arbeitslosengeld-Tagsatz von 384 S begonnen. Inzwischen erhält er dank der Sparpakete, die Sie, meine Damen und Herren, hier beschlossen haben, einen Tagsatz von 262 S. Da ist nicht nur die Preissteigerung der folgenden Jahre an ihm spurlos vorübergegangen, da ist auch alles Leben an ihm spurlos vorübergegangen. Nicht nur, daß dieser Mann – und er ist kein Einzelfall – kein Geld hat, um in diesem Land menschenwürdig zu leben, er hat auch keinen Job, und es gibt offensichtlich niemanden, der sich um die Verantwortung des Staates, des Bundes gegenüber diesen Armen, gegenüber Arbeitslosen kümmern will.

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Können Sie mir sagen, wie man mit 262 S Tagsatz Notstandshilfe in diesem Land nicht nur überleben soll, sondern sich auch tatsächlich aktiv in diese Gesellschaft einbringen soll?

Herr Maderthaner ist der Meinung, diese Notstandshilfe von 262 S soll weiter gesenkt werden. Frau Reitsamer hat ihm in einer Aussendung zu Recht entgegengehalten, daß das von einer erschreckenden Menschenverachtung zeugt, wenn Maderthaner die Kürzung der Notstandshilfe vorschlägt, wissend, daß damit Menschen unter das Existenzminimum gebracht werden. Was Frau Reitsamer nicht erwähnt hat, ist die Tatsache, daß es diese Bundesregierung war, die die Notstandshilfe zuvor schon für viele auf ein unerträgliches Minimum abgesenkt hat.


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Ich erwähne in diesem Zusammenhang alle Aktionen, die im Bereich der Notstandshilfe stattgefunden haben, und an das, was Sie möglicherweise in den nächsten Monaten an möglichen Änderungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung noch vorbereiten.

Ein weiterer Punkt, den ich mir herausgreife: der Zynismus mit der Verfügbarkeit der Frauen:

Es wird Frauen zugemutet, wenn sie teilzeitbeschäftigt sind, daß sie zwar ihre Kinder betreuen, aber aus diesem Grund auch keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld haben. Das wird den Frauen zugemutet in diesem Land! Das ist ein Skandal und ein Zynismus sondergleichen! (Beifall bei den Grünen.) Die Verfügbarkeit von Arbeitslosen, die ausschließt, daß Frauen mit Betreuungspflichten tatsächlich am Arbeitsmarkt verfügbar sind, haben Sie, meine Damen und Herren, hier in diesem Hohen Haus beschlossen. Sie sind dafür verantwortlich, daß alleinerziehende Mütter keinen rechtlichen Anspruch mehr auf Notstandshilfe und Arbeitslosengeldbezug haben, wenn sie Betreuungspflichten haben. Diese Verantwortung müssen Sie auf sich nehmen.

Herr Bundeskanzler! Sie waren es, der bei den letzten oder vorletzten Wahlen dafür geworben hat, Familie und Beruf müssen vereinbar sein. Es ist nichts davon zu merken in Ihrer praktischen Politik.

Der damalige Sozialminister Hesoun hat schon vor sieben Jahren ein Existenzminimum in der Arbeitslosenversicherung angekündigt. – Nichts ist geschehen!

Notwendig ist, daß Sie an die Arbeit gehen, daß Sie nicht mit der Armut spekulieren, daß Sie nicht weiter versuchen, die Armut zu verstecken, daß Sie Politik für die Armen, für die Arbeitslosen machen – und nicht gegen sie.

Augustinus – ich habe ihn schon einmal zitiert, ein letzter Satz von ihm –: Was anderes sind Staaten, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden?! – Das sollten Sie überlegen. (Beifall bei den Grünen.)

15.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Herr Bundeskanzler hat sich zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand der Dringlichen Anfrage zu Wort gemeldet. – Herr Bundeskanzler! Sie haben das Wort. Ich mache darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung die Redezeit nicht länger als 20 Minuten betragen soll. Bitte.

15.22

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Danke, Herr Präsident! – Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Sie zitieren in der Einleitung Ihrer Anfragebegründung den Präsidenten der Caritas Franz Küberl, der erklärt hat, daß es eine Tendenz gäbe, Armut zum Privatschicksal zu erklären. Ich teile diese Meinung des Caritas-Präsidenten, diese Tendenz gibt es wirklich, und weil es sie gibt, darf man sie nicht akzeptieren.

Wenn Sie ausführen, die Privatisierung von Armut wäre eine bequeme politische Strategie, die strukturellen Ursachen der Armut zu verdecken, dann nehme ich für meine Partei, für die Bundesregierung und für mich selbst in Anspruch, die Armut wirtschafts- und sozialpolitisch sehr wohl zu bekämpfen, und jedenfalls für mich persönlich – auch in den letzten Tagen und Wochen – in Anspruch, Verteilungsfragen offen und tabulos zu akzeptieren und auch offen und tabulos zu diskutieren.

Sie haben wahrscheinlich gelesen, daß andere Diskussionsteilnehmer im Land nicht dieser Meinung sind und die Auffassung vertreten, es sei ohnehin alles in Ordnung. Ich meine, daß das nicht so ist, und daher müssen wir eine Auseinandersetzung zum Thema "Armut" führen.

Das Thema, das Sie heute vorgebracht haben, ist wichtig. Ich gebe Ihnen recht, daß es eine Armutsgefährdung auch in Österreich gibt und daß sie daher profund und ernsthaft diskutiert werden muß.


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Zwei Studien sind in diesem Zusammenhang zu zitieren: der auch in Ihrer Anfragebegründung zitierte Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales "Von Ausgrenzung bedroht" und der angesprochene Verteilungsbericht des Instituts für Wirtschaftsforschung.

Armut wird in der Regel als das Unterschreiten eines Schwellenwertes definiert, der in einer Gesellschaft als minimaler Lebensstandard akzeptiert ist. Das Problem der Armut manifestiert sich in allen Lebensbereichen: beim Wohnen, bei der Arbeit, der Gesundheit, bei der Bildung, beim Einkommen, im sozialen Verhalten und damit bei den Möglichkeiten der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.

In der Regel wird die Armutsschwelle bei 50 Prozent der durchschnittlichen Verbrauchsausgaben angesiedelt. Ich glaube allerdings, zur Aufnahme einer wirklichen Diskussion wird es nicht ausreichen, die Definitionen, Indikatoren und Globalzahlen heranzuziehen, sondern ich glaube, die Analyse muß tiefer gehen und sich mit den bedrohten Gruppen auseinandersetzen. Aus meiner Sicht sind das die kinderreichen Arbeiter- und Bauernhaushalte, bei denen nur eine Person im Erwerbsleben steht, sind das Pensionistenhaushalte, die dann besonders gefährdet sind, wenn die Haushaltsvorstände in ihrem Erwerbsleben Hilfsarbeiter waren, angelernte Arbeiter, Bauern oder wenn Sie gewerblich tätig waren.

Die Analyse zeigt weiters, daß in den besonders bedrohten Gruppen auch alleinerziehende Frauen enthalten sind, die ein überdurchschnittliches Einkommensrisiko aufweisen. Wenn ich von Risiko spreche, dann meine ich, daß sie, solange sie das Einkommen beziehen, zwar nicht arm sind, jedoch ebenso armutsgefährdet sind wie Haushalte, deren Hauptverdiener arbeitslos wird.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus zeigen die Analysen auch auf, daß kaum eine armutsgefährdete Person einen über die Pflichtschule hinausgehenden Schulabschluß aufweist. Außerdem ist generell festzustellen, daß die Berufstätigkeit beider Partner in Familien das Verarmungsrisiko erheblich reduziert.

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig ist festzuhalten, daß sich die Wohlstands- und Ausstattungsstandards in Österreich in den siebziger und achtziger Jahren erheblich verbessert haben und sich das Gesicht der Armut gewandelt hat – ich betone: das Gesicht der Armut, nicht die Armut selbst.

Zwei Zahlen in diesem Zusammenhang: 1971 haben 7 Prozent der armen Haushalte in Wien über ein Fernsehgerät und 34 Prozent über einen Telefonanschluß verfügt. Ende der achtziger Jahre verfügten 92 Prozent über ein Fernsehgerät und 79 Prozent über einen Telefonanschluß. (Abg. Dr. Krüger: Im Ostblock haben sie auch die höchsten Anschlußziffern!) – Sie haben schon recht, ich sage das auch gar nicht als Beschwichtigung, ich sage das nur, um meine Feststellung zu unterstreichen, daß sich das Gesicht der Armut geändert hat, die Armut an sich jedoch nicht verschwunden ist. – Ganz im Gegenteil: Ich meine, daß dieser gestiegene beziehungsweise vermeintlich gestiegene Lebensstandard die Gefahr sozialer Ausgrenzung in sich birgt, eine erheblich geringere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Freizeit, Sport, Kultur, Bildung, Urlaubsreisen et cetera mit sich bringt. Aus all diesen Gründen ist auch bei einem anderen Armutsbild die Problematik aus politischen ebenso wie aus humanitären Motiven nicht zu verharmlosen, sondern ernst zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was also sind die Schlußfolgerungen, meine Damen und Herren? – Die auf Studien basierende Feststellung, daß, ganz egal, welche Methode angewandt wird, Arbeitslose und Personen mit eingeschränkten Arbeits- und Verdienstchancen armutsgefährdet sind, ist entscheidend für die wirksamen Strategien zur Bekämpfung der Armut. Das heißt, sie ist in allererster Linie durch wirtschaftspolitische, arbeitsmarktpolitische und bildungspolitische Aktivitäten zu bekämpfen. Zentrale Aufgabe ist es dabei, die Arbeitsmarktchancen insgesamt und insbesondere bei den sozial benachteiligten Gruppen zu verbessern.

Hohes Haus! Mit anderen Worten: Wenn es gelingt – das ist in Wirklichkeit unser Bestreben –, bestehende, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu sichern und solche qualitativ hochwertigen Arbeitsplätze neu zu schaffen, um damit mehr Menschen den Zugang zu ausreichend entlohn


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ten Arbeitsplätzen zu ermöglichen, ist im Kampf gegen die materielle Armutsgefährdung der wichtigste Schritt getan.

Wenn heutzutage in vielen Diskussionsbeiträgen, in sehr anspruchsvollen Artikeln und Büchern oft behauptet wird, Wirtschafts- und Sozialpolitik hätte keinen Sinn mehr, weil in der weltweiten Konstellation des Kapitalismus pur ohnehin anderswo als auf den politischen Ebenen entschieden wird, dann halte ich dem mit großem Nachdruck entgegen: Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Beschäftigungspolitik sind notwendig, sind machbar und sind erforderlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dabei geht es nicht um eine defensive Rolle der Politik, die im Zeitalter der Betonung des Liberalismus einfach die besten Bedingungen für glatte Marktabläufe sichert. Das ist zuwenig, und daher meine ich, auch um dieses Thema kurz von einer anderen Seite her zu beleuchten: Die heute in ganz Europa abgegebenen neoliberalen Erklärungen, wonach ein zu hohes Lohnniveau oder ein zu ausgeprägter Kündigungsschutz oder zu großzügig dotierte Arbeitslosenunterstützungen die Ursache für Arbeitslosigkeit sind, greifen vor dem Hintergrund einer zweistelligen Arbeitslosenrate in Europa zu kurz. (Beifall bei der SPÖ.)

Im übrigen ist ja auch hinlänglich bekannt, daß der unmittelbare Konnex zwischen wirtschaftlichem Wachstum und sinkender Arbeitslosenrate verlorengegangen ist oder – anders ausgedrückt – daß die erzielten Wirtschaftswachstumsraten nicht ausreichen, um von sich aus mehr Beschäftigung zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Daher muß die erste Schlußfolgerung sein, daß auch im Zeitalter der Globalisierung – ich weise auch den Ausdruck "Globalisierungsfalle" zurück –, das ist die weltweite Vernetzung der Wirtschaftsabläufe in Zeiten der Deregulierung, der Liberalisierung ein aktiver Staat, der sich zu offensiver Gestaltung der Arbeitsmärkte bekennt, unverzichtbar ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher steht eine offensive Wirtschaftspolitik zur Erzielung eines bestmöglichen Beschäftigungsgrades im Vordergrund, sie ist wichtig und unverzichtbar für Einkommen, Wohlstand und soziale Stabilität. Aus diesem Grund, verehrter Herr Abgeordneter Öllinger, finde ich es nicht gerecht, wenn Sie sagen, das Problem Armut werde von der Regierungspolitik ignoriert.

Wir haben im Jahr 1993, als die ganze Welt mit einer Abschwächung der Konjunktur zu kämpfen hatte, bewußte beschäftigungspolitische Akzente gesetzt. Ich verweise auf die Wohnbauoffensive. Wir haben in dieser Zeit im Jahresschnitt 40 000 bis 50 000 Wohnungen in Österreich neu gebaut, im Vorjahr waren es 54 000. Wir haben sogar im Zuge der Konsolidierungsmaßnahmen, des sogenannten Sparpaketes darauf Bedacht genommen; hierzu einige Stichworte: 60-Milliarden-Paket für Eisenbahninvestitionen, die Vorwegnahme von Umweltinvestitionen, die Vollendung wichtiger Straßenbauvorhaben.

In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung: Ich stehe dem Projekt Investitionen in Energieeffizienz, Wärmedämmung, Gebäudeisolierung und Fernwärme, das auch von einigen Abgeordneten Ihrer Fraktion vertreten wird, aus Gründen des Umweltschutzes und der Beschäftigungssicherung mit viel Sympathie gegenüber.

Schlußfolgerung Nummer 2: die Ergänzung der herkömmlichen und in erster Linie nachfrageseitig orientierten Beschäftigungspolitik durch angebotsorientierte Akzente. Die Frauenerwerbsquote in Österreich liegt mit 57 Prozent über dem EU-Durchschnitt, jedoch unter den Werten vergleichbarer Länder. In Schweden sind es beispielsweise 75 Prozent. Das hat mit unserem heutigen Thema zu tun, weil alle Untersuchungen nahelegen, daß Armutsgefährdung dann größer ist, wenn lediglich ein Familienmitglied im Berufsleben steht. Hier – das sage ich ganz offen – besteht für Österreich Nachholbedarf. Als eine Möglichkeit, diesen Nachholbedarf zu überwinden, sehe ich den Dienstleistungssektor, der sehr wohl ein Wachstums- als auch ein Zukunftsbereich ist.

Des weiteren müssen wir die Selbständigenquote erhöhen. Hauptgründe dafür, daß in Österreich vergleichsweise wenige Unternehmungen neu gegründet werden, sind unzeitgemäße Vorschriften, lange Behördenverfahren, mangelnder Zugang zum Risikokapital. Das zu beseitigen


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haben wir in diesem Herbst im Arbeitsprogramm der Bundesregierung in Angriff genommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Die Werkvertragsregelung!)

Schlußfolgerung Nummer 3: Auch in Zeiten eines größeren Wettbewerbsdrucks sind die sozialen Kontrakte europäischen Zuschnitts für die Zukunft zu erhalten. Viele Europäer neigen dazu, die amerikanischen Leistungen als besonders hoch zu bewerten, wenn sie von vielen neu geschaffenen Arbeitsplätzen und einer offiziellen Arbeitslosenquote von nur rund 5 Prozent hören. Tatsächlich sind zwar viele Millionen Arbeitsplätze entstanden, aber zu einem hohen Preis. Zwischen dem obersten und dem untersten Fünftel gibt es die größte Einkommenskluft seit Beginn der Erstellung von Statistiken.

Meine Damen und Herren! Die Polarisierung ist das Ergebnis eines ökonomischen Drucks, neue Arbeitsplätze auch zu wesentlich geringeren Löhnen oder in weniger beliebten Branchen oder Regionen zu akzeptieren. Daher ist in dem sogenannten Jobwunder der USA insgesamt wenig Attraktivität für Europa und für unser Land zu sehen.

Zu den Themen Sparpaket und Sozialstaat. Herr Abgeordneter Öllinger! Jede Diskussion darüber muß das Niveau berücksichtigen, von dem aus eingespart wird. Dieses setze ich als bekannt voraus, und ich möchte jetzt auch unter dem Gebot der Geschäftsordnung die Liste überspringen, aber ich lege Ihnen das sowieso alles schriftlich vor.

Die neuen Herausforderungen, die sich für den Sozialstaat ergeben, sehe ich in folgenden Bereichen: in der Familienpolitik. Es ist bekannt, daß Österreich diesbezüglich über ein umfangreiches und differenziertes System verfügt. Direkte und indirekte Transfers umfassen ein Volumen von rund 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Im internationalen Vergleich zählen wir mit der vierten Position im OECD-Raum zu den Ländern mit der höchsten Familienförderung, und dennoch müssen wir sehr sorgfältig sein, daß gerade Armutsgefährdung in den Familien nicht entsteht. Deshalb habe ich mir vorgenommen – und wir werden das auch tun –, die Transferleistungen hinsichtlich der gesetzten Ziele zu analysieren, um familienpolitische Leistung primär denjenigen zur Verfügung zu stellen, die sie tatsächlich brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ebenso steht die Schaffung weiterer Kinderbetreuungseinrichtungen auf der Tagesordnung. Aus der Verteilungsstudie des Wirtschaftsforschungsinstitutes ebenso wie aus der Armutsstudie geht klar hervor, daß Familienarmut nicht primär durch Transfers, sondern vor allem durch Beschäftigung, durch Arbeitsplätze beseitigt werden kann. Und die Beschäftigung von Frauen hängt bekanntermaßen stark von ausreichenden Kinderbetreuungseinrichtungen ab, und daher ist dieses Ziel weiter zu verfolgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitsmarktpolitik: Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben, wie auch der Verteilungsbericht des Wirtschaftsforschungsinstitutes bestätigt, einen großen positiven Umverteilungseffekt hin zu den sozial schwächeren Schichten. (Abg. Öllinger: Das war vor dem Sparpaket!) Der Hauptgrund dafür liegt darin, daß die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, in den unteren Einkommensgruppen viel größer ist, und zwar konkret im untersten Einkommensdezil zehn mal so hoch wie im obersten.

Daher: umfangreiche, offensive Aktivitäten des AMS. Ich verweise in der Kürze der Zeit auf meine Ausführungen zur Dringlichen Anfrage der vorvorigen Woche. Aber ich sehe es natürlich schon auch im Gegensatz zu einigen Diskussionen über Schneeschaufeln und andere verordnete Aktivitäten. Das heißt, es wird weder verharmlost noch privatisiert. Wir haben weiterhin ein Budget von 6 Milliarden Schilling, mit denen umgeschult und neue Qualifikationen erlangt werden können.

Dritter Schwerpunkt: Bildung. Nahezu alle Prognosen stimmen darin überein, daß der Produktionsfaktor Wissen die Bedeutung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital erlangen, wenn nicht übersteigen wird. Erst in dieser Woche hat die OECD dies in einer umfangreichen Arbeit auch bestätigt. Dennoch sind auch da Reformen erforderlich: Universitätsreform, als weitere wichtige Schritte Autonomie nicht nur statuieren, sondern auch tatsächlich in den Universitäten leben, weiterer Ausbau der Fachhochschulen, Reform der Lehrlingsausbildung.


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Auch die Technologiemilliarden, meine Damen und Herren, die wir beschlossen haben, dienen in Wirklichkeit – wenn auch mittelbar – der Sicherung von Beschäftigung oder der Schaffung neuer Beschäftigung in unserem Land, daher ist auch dies ein Element der Armutsbekämpfung.

Die Studie des Sozialministeriums über die soziale Ausgrenzung belegt deutlich, daß kaum jemand aus dem armutsgefährdeten Personenkreis über einen über die Pflichtschule hinausgehenden Schulabschluß verfügt, und ich leite daraus ab, daß wir noch mehr und vor allem gezielter für Bildung und Ausbildung eintreten müssen. Das bedeutet auch weiterhin, daß keine finanziellen Barrieren errichtet werden dürfen, die den Zugang zu den Bildungssystemen und Bildungswegen in irgendeiner Weise verstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine damit im übrigen auch die finanzielle Barriere namens Studiengebühren. Auch wenn Argumente dafür gut gemeint und ernst gemeint sind, die Studiengebühren wieder einzuführen, hat mir noch niemand eine plausible und faire Alternative vorgelegt, die ich für akzeptabel halte. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Ich habe eingangs erklärt, daß das Thema Armutsbekämpfung ein außerordentlich wichtiges ist, und gerade deshalb, Herr Abgeordneter, werde ich – auch im Hinblick auf die vorgesehene Redezeit – die sorgfältige Beantwortung Ihrer Anfragen auf schriftlichem Weg vornehmen und Ihnen zusenden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zur Debatte.

Ich mache darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung jeder Redner eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung hat, wobei den Fraktionen jeweils eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zur Verfügung steht.

Ich erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Dr. Petrovic das Wort. – Bitte.

15.40

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich hatte doch gehofft, daß der Herr Bundeskanzler zumindest einige der konkreten Fragen auch konkret beantworten würde. Aber offenbar geht das zum Thema "Armut in Österreich" gar nicht mehr. Offenbar ist weder der Wille vorhanden, noch vielleicht die Voraussetzungen dafür, sich mit diesem Thema im Detail auseinanderzusetzen.

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie zu Eingang Ihrer Ausführungen im Prinzip dem Caritas-Präsidenten Küberl in seiner Analyse zugestimmt haben, daß es eine Tendenz gibt, Armut zu privatisieren, zum Privatschicksal zu erklären, dann muß ich Ihnen schon in aller Form sagen: Dieser Befund wird von Ihnen nach mehr als einem Vierteljahrhundert sozialdemokratischer Regierung oder Regierungsbeteiligung – und zwar Mehrheitsbeteiligung in dieser Regierung – angestellt!

Herr Bundeskanzler! Wir haben diese Anfrage sehr bewußt unter das "Motto" gestellt, das die Caritas derzeit an die Öffentlichkeit bringt, nämlich daß jährlich 30 000 Menschen in Österreich unter die Armutsgrenze fallen. Die Caritas verbindet diese traurige und beschämende Feststellung mit einer Aufforderung an alle: Helfen Sie ihnen – diesen 30 000 – aufstehen!

Ich möchte mich dieser Aufforderung anschließen. Ich glaube, wir sind aufgefordert, diesen Menschen, die unter die Armutsgrenze fallen, dabei zu helfen, aufzustehen, wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.

Nur an Sie, Herr Bundeskanzler, haben wir das als Frage gerichtet. Wir haben Sie gefragt: Helfen Sie ihnen aufstehen? – Eigentlich muß ich sagen, Sie haben die Fragen, die wir Ihnen in diesem Zusammenhang gestellt haben, nicht beantwortet. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ich glaube auch, daß Sie im Kern nicht wirklich beabsichtigen, die Maßnahmen zu setzen, die notwendig wären, um wirksam etwas gegen Armut zu tun. Sie haben in Ihren Ausführungen das Schwergewicht auf die Wirtschaftspolitik, auf den Wohnbau, den Straßenbau, auf die aktive Arbeitsmarktpolitik und auf die Bildungspolitik gelegt. Ich muß Ihnen sagen, da fehlt mir einiges, da fehlen mir wesentliche Punkte!


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Selbstverständlich brauchen wir auch eine florierende Wirtschaft. Aber eine florierende Wirtschaft zu rein marktwirtschaftlichen Bedingungen ist absolut keine Garantie dafür, daß der Reichtum, daß die Erträge dieser Wirtschaft auch nur einigermaßen gerecht allen zugute kommen!

Was mir bei Ihren Ausführungen gefehlt hat, das waren Worte wie Umverteilung, Umverteilung von Arbeitszeit, von Arbeit, aber auch von Geld. Ich weiß schon, daß das nicht mehr sehr beliebte Worte sind. Aber wenn Sie eine noch so florierende Wirtschaft haben, ist das keine Garantie dafür, daß die Armut verschwindet! (Abg. Silhavy: Frau Kollegin! Verteilung hat sehr wohl mit Umverteilung etwas zu tun!) – Natürlich! Aber die Verteilungspolitik hat der Herr Bundeskanzler ganz bewußt nicht angesprochen, und das habe ich moniert!

Herr Bundeskanzler! Die Wirtschaftsbereiche, die Sie angesprochen haben, sind nicht die, die besonders arbeitsplatzintensiv sind. Das sind nicht die Bereiche, die ohne sonstige Begleitmaßnahmen, wie etwa die Verteilung der vorhandenen Arbeit auf mehr Menschen, geeignet wären, für sich zu wirken.

Selbstverständlich brauchen wir auch eine wirksame Bildungspolitik. Aber auch sie ist für sich allein keine Garantie dafür, daß die vorhandenen Güter und Erträge gerechter verteilt werden.

Wenn wir schon heute pro offenem Arbeitsplatz 10, 15, 20 Bewerberinnen und Bewerber haben, dann ist das nicht ein individuelles Problem von Qualifizierung oder Nichtqualifizierung, sondern dann muß Arbeit anders verteilt werden, damit mehr Menschen Arbeit bekommen und damit die vorhandene Arbeit nicht auf eine immer kleinere Zahl von Beschäftigten – vielleicht sogar noch mit dem Privileg von Überstunden und Mehrfachbeschäftigungen – aufgeteilt wird.

Herr Bundeskanzler! Was dringend notwendig wäre, das ist erstens ein besseres Datenmaterial. Sie haben überwiegend aus einer einzigen Studie zitiert, nämlich der Studie mit dem Titel "Von Ausgrenzung bedroht" aus dem Jahr 1993. Erst auf massiven Druck und nach geraumer Zeit wurde diese Studie publiziert.

Herr Bundeskanzler! Der Umstand, ob jemand ein Telefon oder ein Fernsehgerät hat, liefert überhaupt keine Aussage darüber, wie arm jemand ist. Die Kriterien von Bedürfnisbefriedigung oder mangelnder Bedürfnisbefriedigung sind ganz andere! Vor allem erhebt sich die Frage: Wo sind die Studien seit 1993? Was ist in der Zwischenzeit passiert? Warum forscht man nicht?

Exfinanzminister Lacina hat recht, wenn er sagt, es werden in diesem Land alle Arten von Obstbäumen gezählt. Aber die Zahl der armen Menschen und auch die Zahl der Superreichen interessiert nicht, und zwar deshalb, weil es politisch gar nicht gewollt ist. Da ist es ja viel einfacher zu sagen: Die Polizei soll irgendwie schauen, daß das Problem nicht mehr sichtbar ist. "Aus den Augen, aus dem Sinn!" – Das scheint das Motto zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ich stelle daher zur Datensituation zwei Entschließungsanträge.

Der erste Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend: jährlicher Armuts- und Reichtumsbericht

Der Nationalrat wolle beschließen:

Ein jährlicher Armuts- und Reichtumsbericht wird dem Parlament zugeleitet.

*****


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Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Forschungsschwerpunkt Armut für das Jahr 1997

Der Nationalrat wolle beschließen:

Für das Jahr 1997 wird ein Forschungsschwerpunkt für den Bereich Armut, Armutsforschung und Armutsbekämpfung beschlossen. Die Regierung wird aufgefordert, aufgrund dieser Forschungsergebnisse Ende 1997 einen Maßnahmenkatalog zur effizienten und strukturellen Bekämpfung der Armut zu erstellen.

*****

Herr Bundeskanzler! Zur aktiven Arbeitsmarktpolitik. Sie haben dieses Schlagwort erwähnt. Ich bin sehr dafür, daß wir mehr an aktiver Arbeitsmarktpolitik tun, anstatt Arbeitslosigkeit passiv zu finanzieren. Sehen Sie sich aber bitte auch in diesem Bereich das Wirken unter Ihrer Kanzlerschaft an!

Sie erwähnten in Ihren Ausführungen einen Betrag von 6 Milliarden Schilling für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Ich bin überzeugt, jeder Schilling davon ist gut angelegt. Aber: Durch die Abschaffung der Vermögensteuer haben Sie den wirklich Reichen mehr gegeben, als Sie jetzt mit der aktiven Arbeitsmarktpolitik bereit sind, den Ärmsten der Armen zu geben! Etwa 8 Milliarden Schilling im Bereich der Vermögensteuer sind weggefallen. Österreich ist OECD-Schlußlicht bei der Vermögenssteuer! Es ist zugunsten der Reichen in diesem Land massiv umverteilt worden!

Noch etwas, Herr Bundeskanzler: Vor wenigen Tagen wurde – gegen das Votum der Grünen – der Ankauf von Panzern beschlossen. Da werden 7,5 Milliarden Schilling für Rüstung, für Aufrüstung ausgegeben. Das sind 1 000 S pro Person, vom Kleinkind bis zum alten Menschen! Herr Bundeskanzler! Das sind 1 000 S pro Person mehr als die aktive Arbeitsmarktpolitik in einem Jahr! – Wie rechtfertigen Sie das als österreichischer Politiker, als Sozialdemokrat? (Beifall bei den Grünen.)

Ein Allerletztes: Ich glaube auch, daß diese schwammigen Entscheidungsstrukturen und das Vermeiden des Austragens von Interessengegensätzen dazu führen, daß Armut nicht wirksam bekämpft wird. Die Sozialpartner erhalten im wesentlichen den Besitzstand der Besitzenden. Sie kümmern sich bei weitem nicht so sehr um jene, die aus dem System schon herausgefallen sind.

Mein Kollege Van der Bellen hat es heute aufgezeigt: Die Arbeiterkammer lehnt etwas strikt ab. Frau Hostasch wird dem, was die Kfz-Steuer betrifft, zustimmen. Und das gibt es auch in vielen anderen Bereichen.

Ich wäre daher für eine viel effizientere Vertretung dieser Interessen, auch der Interessen der Armen, derer, die aus dem System bereits herausgefallen sind. Diese Interessen gehören artikuliert! Ich meine daher, daß es falsch ist, diese Vermanschung von Lobbyismus hier im Parlament durchzuführen. Ich würde mir jemanden wie Franz Küberl von der Caritas als Sozialminister wünschen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Cap: Das ist eine Nummer zu groß für ihn! Ich kenne den Küberl!)

15.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic hat zwei Entschließungsanträge vorgetragen, die ausreichend unterstützt sind und in die Verhandlung mit einbezogen werden.


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Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Hostasch. – Bitte, Sie haben das Wort.

15.51

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Werte Kollegin Petrovic! Eingangs zwei Bemerkungen: Ich glaube, daß Ihre Wahrnehmung, was die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers betroffen hat, etwas selektiv war. Er hat sehr wohl einiges von dem, was Sie moniert haben, sehr konkret beantwortet. Andererseits aber glaube ich, daß es sogar von einer so kompetenten und engagierten Persönlichkeit wie die des Herrn Bundeskanzlers nicht zu erwarten ist, in einer so kurzen Zeit auf 40 Fragen, die hier sehr umfassend formuliert wurden, derart konkrete Antworten zu geben, daß Sie nicht auf jeden Fall monieren würden, daß sie nicht befriedigend beantwortet worden seien. Der Hinweis des Herrn Bundeskanzlers, daß Ihnen diese Antworten selbstverständlich in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt werden, sollte, wie ich meine, ausreichend dafür sein, daß im Sinne unserer Geschäftsordnung gehandelt wurde. Ihr Vorwurf geht somit ins Leere.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Auch ich möchte mich nicht diesem Vorwurf aussetzen, hier auf die eine oder andere Frage zu einem sehr, sehr wichtigen Thema womöglich nicht Bezug genommen zu haben, sondern von meiner Seite aus einige grundsätzliche Bemerkungen dazu machen.

Meine Damen und Herren! Es ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, es ist der Trend zu einer sehr neoliberalen Politik, es ist der Trend zur Deregulierung, ohne ein entsprechendes soziales Fangnetz zu schaffen, es ist ein immenser Strukturwandel, es ist auch der Trend zu einer Individualisierung unserer Gesellschaft, die gemeinsam die Gefahr der Entsolidarisierung mit sich bringen, sodaß auch für uns in Österreich die Gefahr einer zunehmenden sozialen Ausgrenzung gegeben ist.

Trotzdem möchte ich doch mit einigem Stolz vermerken, daß es uns in Österreich durch eine sehr auf die einzelnen Politikbereiche abgestimmte Politik – ich meine damit die Wirtschaftspolitik, die Sozialpolitik und die Bildungspolitik – gelungen ist, diese Probleme besser zu bewältigen, als andere Länder dies konnten. Es kommt nichts von selbst, daher sollten wir auf das, was wir leisten, doch mit einigem Stolz verweisen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muß gleichzeitig jedoch zugeben, daß es ein schwacher Trost ist, sagen zu können, daß wir viele Probleme zwar besser bewältigen, aber bisher trotzdem nicht in der Form bewältigen konnten, als es unser gemeinsames Anliegen ist. Ich betone, daß man daher die Entwicklung in keiner Weise bagatellisieren darf, sondern sich sehr offensiv dieser Herausforderung stellen muß.

Ich glaube, daß man sich dabei aber auch der Ursachen und der Verursacher bewußt sein muß, und meine, daß wir ganz entschieden, ganz massiv alles tun müssen, um Beschäftigung zu sichern, Beschäftigung zu schaffen und Arbeitslosigkeit zu verhindern. Erwerbseinkommen, ein gesichertes Einkommen ist die Grundlage der Absicherung gegen Armut. Daher muß eine offensive Beschäftigungspolitik unser Ziel bleiben! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich meine aber, daß auch ein zweiter Bereich ein Gefährdungspotential für sozial Schwächere mit sich bringt, und zwar die Frage der Wohnungskosten. Auch in diesem Bereich sind wir gefordert, dafür zu sorgen, daß es leistbare Wohnungen gibt, daß junge Familien, einkommensschwächere Familien die Chance haben, mit ihren Kindern in leistbaren Wohnungen zu leben. Ich betrachte es daher als ganz besonders wichtig, daß wir in Kürze in diesem Haus auch jene Unsicherheit beseitigen, die sich durch die Situation bei den befristeten Mietverträgen ergibt, und daß wir damit auch eine Rechtssicherheit für Mieter in befristet vermieteten Wohnungen erzielen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte noch zwei weitere Bereiche stichwortartig ansprechen, die für mich bei der Bewältigung von Armutsrisken unverzichtbar sind. Ich meine damit die Frage der Chancengleichheit und der Gleichberechtigung von Frauen ebenso


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wie einen chancengleichen Zugang zur Aus- und Weiterbildung, wobei ich selbstverständlich die Jugend, die Lehrlinge als eine besonders wichtige Zielgruppe erachte.

Erlauben Sie mir zum Stichwort "Beschäftigung" noch einige Bemerkungen, weil gerade morgen und übermorgen der Herr Bundeskanzler und andere Vertreter der Bundesregierung an einem europäischen Treffen zu diesem Thema teilnehmen werden.

Wir wissen, daß unsere Bundesregierung sehr engagiert versucht, auch andere Länder der Europäischen Union davon zu überzeugen, daß Beschäftigungspolitik in einer sich globalisierenden Welt und einer sich globalisierenden Wirtschaft nicht nur ein nationales Anliegen sein kann, sondern daß wir gefordert sind, auch auf europäischer Ebene Beschäftigungspolitik zu einem zentralen Anliegen zu machen. Ich möchte diese Forderungen von uns auch noch einmal unserem Herrn Bundeskanzler gegenüber formulieren, weil ich überzeugt bin, daß wir nicht nur national alles dazu tun müssen, sondern uns darüber hinaus auch auf der europäischen Ebene – nicht zuletzt auch auf der internationalen Ebene, wenn ich da an die WTO-Verhandlungen denke – engagiert zeigen müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte auch die Zielgruppen ansprechen. Wer ist aufgefordert, Politik in diesem Sinne zu machen? – Natürlich ist es die Bundesregierung, natürlich sind auch wir als Politiker im Hohen Haus gefordert, natürlich sind es die Länder, sind es die Kommunen. Aber es ist schon ganz entscheidend auch die Privatwirtschaft, die Wirtschaft maßgeblich daran beteiligt, daß wir Beschäftigung haben, daß wir Einkommen haben, die existenzsichernd sind, daß wir Einkommen haben, die den arbeitenden Menschen auch eine Weiterentwicklung ihres Lebensstandards sichern.

Daher geht es, wenn ich die Frage einer gerechten Verteilung anspreche, auch darum, die Privatwirtschaft, die Wirtschaft insgesamt anzusprechen und die Erfüllung einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung einzufordern, auch gegen Armut anzukämpfen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Bei diesem Thema möchte ich auch auf eine aktuelle Frage zu sprechen kommen, weil ich glaube, daß sie ein Beispiel dafür ist, warum die Gewerkschaften den Kollektivvertrag als Gestaltungselement in der Arbeitszeitpolitik besonders einfordern. Gerade über die Arbeitszeitpolitik haben wir nämlich die Chance, beschäftigungssichernd und beschäftigungswirkend zu agieren.

Ich bin überzeugt, daß es auf Branchenebene durch den gewerkschaftlichen Einfluß leichter und besser möglich ist – vielleicht ist es auch nur so möglich –, Verteilungswirkungen auch in der Arbeitszeitfrage zu erzielen, und damit mehr Menschen Beschäftigung zu sichern und zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich die Kollektivvertragspolitik anspreche, dann gehört natürlich auch die Einkommenspolitik dazu. Und wenn die Sozialpartner hier hinsichtlich der Effizienz ihrer Leistungen für soziale Anliegen kritisch hinterfragt werden, dann würde ich Sie, Frau Kollegin Petrovic, schon bitten, bei den Sozialpartnern ein bißchen zu differenzieren. Es sind zwei Partner: einer auf der Arbeitgeberseite und einer auf der Arbeitnehmerseite, und diese beiden haben unterschiedliche Zielsetzungen, gerade auch in der Einkommenspolitik. Ich würde mir wünschen, daß Sie mit der gleichen Vehemenz wie bei der Arbeitnehmerseite auch die Arbeitgeberseite hinterfragen, etwa, wieso sie die Lohnpolitik auf die betriebliche Ebene verlagern will, wieso sie sich beim Gewerbekollektivvertrag nicht den Verhandlungen stellt, und wieso sie leistungsbezogene Komponenten, aber keine solidarische Lohnpolitik mit uns weiterverfolgen will. Das ist die richtige Zielgruppe für Ihre Kritik, nicht die Arbeitnehmerseite! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Petrovic: Warum machen Sie dann gemeinsame Sache? Warum haben Sie dann gemeinsam das Sparpaket beschlossen? Was ist mit der Notstandshilfe? – Abg. Wabl: Was ist mit der Vermögensteuer?)

Frau Kollegin Petrovic! Daß wir gerade für die untersten Einkommen einiges schaffen konnten, beweist, daß wir vor kurzem auch einen Mindestlohntarif für die sozialen Dienste, der mit 1. Jänner 1996 in Kraft getreten ist, erreichen konnten. Genau dort wurde eine besondere Absicherung benötigt, weil die Einkommen der dort Beschäftigten besonders niedrig gewesen sind.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es würde mich freuen, wenn sich seitens der Grünen die Bemühungen um ein so wichtiges gemeinsames Anliegen nicht in Anfragen und Forderungen nach Berichten erschöpfen würden, sondern in einen gemeinsamen Katalog (Abg. Dr. Petrovic: Wir sind nicht bei den Sozialpartnern!), wie wir diese Ausgrenzung bekämpfen können, einfließen würden, in ein gemeinsames offensives Programm, um dieses Ziel zu erreichen. Dann wäre unsere Gesellschaft eine noch gerechtere, als das derzeit der Fall ist! (Beifall bei der SPÖ.)

16.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste hat sich Frau Abgeordnete Horngacher zu Wort gemeldet. – Bitte. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

16.01

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Öllinger war vorhin hier heraußen und hat gesagt: Wissen Sie, wissen Sie, wissen Sie ...! Herr Abgeordneter Öllinger! Wir wissen um die Zustände in unserem Lande. Ich war Familienhelferin und habe einige Jahre lang vorwiegend in der Barackensiedlung am Stadtrand von Innsbruck meinen Dienst getan. Ich weiß, was Armut heißt!

Gleich zu Beginn Ihrer Anfrage stellen Sie fest, daß Österreich bis jetzt noch keine Anstrengungen unternommen hätte, um sich mit dem Thema Armut in Österreich auseinanderzusetzen. – Ich kann Ihnen dazu aber sagen, daß wir von der Österreichischen Volkspartei uns der Situation bewußt sind und uns sehr wohl der Probleme der sozial Schwächsten in unserem Lande annehmen: sei es im familiären Bereich, wo wir uns um eine bessere Absicherung und Versorgung vor allem der kinderreichen Familien bemühen, sei es im Bereich der Wirtschaft, wo wir uns um eine zukunftsorientierte, moderne Wirtschaftspolitik bemühen, denn nur eine funktionierende Wirtschaft sichert die Arbeitsplätze und bringt das Geld für die sozialen Leistungen! (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Es ist nicht zu übersehen, daß wir in Österreich zunehmend mit dem Problem der Armut konfrontiert sind und daß die Einkommensschere immer weiter auseinanderklafft, auch bedingt durch das System der prozentuellen Einkommenssteigerungen.

Ich meine, es ist an der Zeit, nominale Erhöhungen zu beschließen. Ich verstehe die Gewerkschaftsführer, die immer wieder prozentuelle Steigerungen verlangen, nicht. Es kann der soziale Frieden auf Dauer nicht gesichert werden, wenn die Einkommensschere von Jahr zu Jahr weiter auseinandergeht.

Ich bin für Leistung, und ich stehe für Leistung, aber es ist natürlich schwer verständlich, wenn ein Tischler, der eine harte und kreative Arbeit macht, mit etwa 12 000 S bis 14 000 S pro Monat nach Hause geht, während ein anderer das x-fache davon verdient. Der Tischler wird nicht einsehen, wieso der andere so viel mehr verdient.

Was die Alterssicherung betrifft, so ist uns durchaus bewußt, daß es besonders für einen Bauern und eine Bäuerin, die als Ehepaar insgesamt nur 6 400 S – das ist die Durchschnittspension des letzten Jahres – als Alterssicherung bekommen, schwierig ist, einzusehen, warum sie nach einem Leben voll harter Arbeit nicht mehr bekommen.

Nicht zuletzt sei noch erwähnt, daß in der Landwirtschaft eine Familienarbeitskraft heute noch ein Drittel weniger als ein Facharbeiter verdient. Da muß es auch ein Umdenken geben, denn auch das heißt heute Armut, besonders in Bergbauernbetrieben. (Abg. Aumayr: Welche Partei stellt denn den Landwirtschaftsminister?! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen sowie Gegenrufe bei der ÖVP.)

Die Österreichische Volkspartei hat sich vor allem im Familienbereich sehr für kinderreiche Familien engagiert. In Österreich gibt es im Vergleich zu anderen Staaten noch immer ein sehr hohes Niveau an Familienleistungen. Bei der nächsten Steuerreform soll aber erreicht werden, daß vor allem Familien mit drei und mehr Kindern steuerlich entlastet werden. Kinderreiche Familien sind nämlich für die Gesellschaft wichtig! (Beifall bei der ÖVP.)


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Kinder lernen schon in der Familie soziales Verhalten und Leistungsbereitschaft. In kinderreichen Familien kann aber meist nur ein Partner erwerbstätig sein. Daher stellt die Familienbeihilfe ein zentrales familienpolitisches Element dar und ist auch für die Mütter häufig die wesentlichste Einnahmequelle. Ziel ist es daher, durch verschiedene Maßnahmen das steuerfreie Existenzminimum pro Familienmitglied zu sichern.

Versteckte und verschämte Armut gibt es in Österreich genug. Ich meine, daß es unsere Aufgabe ist, besonders jenen unser Augenmerk zu widmen, die sich zu sehr schämen, ihre Notlage öffentlich kundzutun. (Abg. Aumayr: Ihr stellt den Familienminister und den Landwirtschaftsminister!)

Es wurde hier auch von vererbter Armut gesprochen. Auch das gibt es. Das hängt oft mit dem Bildungsniveau, oft aber auch mit dem Problem der Verschuldung zusammen. (Abg. Dr. Khol: Richtig! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Problem der Verschuldung hat noch eine andere Facette. Ich möchte hier einmal einen Appell an Banken, Kaufhäuser und so weiter richten, keine so aggressive Werbung zu betreiben! Es gibt nämlich Menschen, die einer solchen Werbung nicht standhalten können.

Die ÖVP mit Familienminister Bartenstein setzt sich aber auch vehement für die Besserung der Situation der Familien ein. (Abg. Aumayr: Das Sparpaket hat es gezeigt!) Wir haben viele sehr positive Einrichtungen, die trotz Einsparungen beibehalten werden konnten. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Aumayr! Ich habe von Ihnen wenig Vorschläge dazu gehört, wo man wirklich so einsparen könnte, sodaß es niemandem weh tut! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben immerhin noch die Karenzzeit mit der Arbeitsplatzgarantie, und zwar länger als jedes andere Land. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Wir haben die Altersstaffelung bei der Familienbeihilfe, die Lehrlings- und Schülerfreifahrt und die Anrechnung der Zeiten der Kindererziehung auf die Pension, wobei ich letzteres für ganz besonders wichtig erachte, weil so erstmals Kindererziehung als Leistung für die Gesellschaft anerkannt wurde. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )

Was allerdings die Altersversorgung der Frauen betrifft, gibt es eine bedenkliche Situation. Arbeitnehmerinnen haben eine durchschnittliche Altersversorgung von nur 6 700 S, Bäuerinnen eine von nur 3 600 S, obwohl ich sagen muß, daß es ein Meilenstein war, daß wir die Pension für Bäuerinnen überhaupt einführen konnten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Diese Pension erlebt aber keine Bäuerin!) Das ist natürlich zu verbessern. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist nicht einzusehen, daß Frauen, die sich der Familie gewidmet, Kinder großgezogen und den Haushalt geführt haben, jetzt durch das soziale Netz fallen sollen. Da gibt es sicherlich noch Handlungsbedarf.

Die Diskriminierung der Hausfrau und Mutter gegenüber der außerhäuslich berufstätigen Frau muß ein Ende haben! Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, um den Frauen einen verbesserten Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen und ihnen einen Anspruch auf eigene Pension im Falle einer Scheidung zu garantieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Armut alleinerziehender Mütter ist aber oft auch die Folge der Verantwortungslosigkeit der betreffenden Väter – auch das muß man einmal sagen dürfen! (Abg. Dr. Khol: Da hat sie recht!)

Wir von der Österreichischen Volkspartei sind uns der Probleme sehr bewußt und wissen, daß die nächsten Jahre davon geprägt sein müssen, gerechte Lösungen zu finden. Vergessen wir aber darüber hinaus nicht, daß wir insgesamt auf einem sehr hohen sozialen Niveau sind – und dort auch bleiben wollen. Dieses zu sichern ist unsere Aufgabe! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )

16.09


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51. Sitzung / Seite 105

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Haller zu Wort. – Bitte.

16.09

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! – Herr Bundeskanzler, es läßt sich wirklich nicht mehr verheimlichen, daß das einstige Sozialparadies Österreich in einer sozialen Krise steckt. 1,5 Millionen Österreicher sind akut von Armut bedroht; die Hälfte davon muß mit einem Einkommen, das unter der Armutsgrenze liegt, auskommen.

In letzter Zeit nimmt auch die öffentliche Diskussion über dieses Thema zu. Aber es ist nicht wahr, daß es auf parlamentarischer Ebene keine Diskussionen darüber gegeben hat. Zumindest wir Freiheitlichen sind in diesem Bereich bereits seit dem Jahre 1991 tätig. Damals haben wir eine Anfragenserie an den damaligen Sozialminister Hesoun gestartet, der ... (Abg. Dr. Mertel: Sozialschmarotzer!) – Nein, nein! Über die zunehmende Armut, Frau Kollegin. Und Sozialminister Hesoun hat uns damals Studien und Untersuchungen in Aussicht gestellt, die dann auch mit einer gewissen Zeitverzögerung gekommen sind.

Wenn der Herr Bundeskanzler heute von zwei Studien gesprochen hat, dann muß ich sagen, es hat doch drei Studien gegeben. Er hat die Wolf-Steiner-Studie, die auch vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegeben wurde, nicht erwähnt. Wahrscheinlich hat das Ergebnis nicht gepaßt. Sie ist ja auch vor den Wahlen 1994 direkt geheimgehalten worden.

Sie, Herr Bundeskanzler – und Sie sind der Chef dieser Regierung –, haben aber vor allem keine Konsequenzen aus diesen Studien gezogen, und Sie haben die falsche österreichische Sozialpolitik und den falschen Weg der österreichischen Familienpolitik einfach fortgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Vorrednerin, Frau Katharina Horngacher, ist heute auf die Bäuerinnen zu sprechen gekommen, und dazu muß ich sagen: Es hat ja auch diese österreichische Konferenz zum Thema Armut im vergangenen Herbst ergeben, daß genau 30 Prozent der österreichischen Bäuerinnen und Bauern besonders von der Armut gefährdet beziehungsweise betroffen sind. Und wir Freiheitlichen haben dagegen etwas unternommen: Wir haben einen diesbezüglichen Antrag hier im Hohen Haus gestellt – meine Kollegin Aumayr war das. (Abg. Dr. Khol: Was bewirken Ihre Anträge? – Nichts!)

Also ich bitte Sie, sich schon daran zu erinnern und nicht so zu tun, als ob wir diesbezüglich nichts gemacht hätten.

Es ist ein Faktum, daß 1,5 Millionen Österreicher mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 6 000 S leben müssen, wobei das durchschnittliche bei 15 000 S liegt. Die Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über Armutsgefährdung sagt, daß sich unter der Armutsschwelle bereits die Hälfte aller Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern und mehr als 60 Prozent aller Haushalte mit zwei Erwachsenen und drei Kindern befinden und daß Alleinverdiener und Alleinerzieher besonders gefährdet sind. Ich frage mich wirklich, Herr Bundeskanzler, warum man dann in Österreich – obwohl man das ja gewußt hat – Belastungspakete geschnürt hat, die gerade bei den sozial Schwachen besonders stark zum Tragen kommen. – Das muß ich mich wirklich fragen.

Herr Präsident Fischer, der ja jetzt den Vorsitz führt, hat heuer, und zwar am 12. April, anläßlich der Präsentation der Dokumentation "Armut in Österreich" gesagt, Armut müsse immer wieder thematisiert werden. – Ja, bitte, Sie sind doch in der Regierung! Thematisieren allein ist aber wirklich zuwenig! Die Regierung hat bisher weder agiert noch reagiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Bogen an Fehlentwicklungen in Österreich ist ja wirklich groß – was das betrifft, muß ich den Grünen recht geben –: Er spannt sich von der steuerlichen Diskriminierung von Alleinverdienern über zu wenig und zu teuren Wohnraum, eine katastrophale reale Einkommenssituation, zunehmende Arbeitslosigkeit, zu starre Arbeits- und Arbeitszeitgesetze bis zu einer fehlenden


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51. Sitzung / Seite 106

äquivalenten Förderung der verschiedenen Arten von Kinderbetreuung und einem generell familienfeindlichen Steuerrecht.

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie jetzt – das haben Sie ja heute auch wieder getan – als einziges Rezept dagegen eine soziale Staffelung der Familienzahlungen als richtig empfinden, dann muß ich schon sagen: Sie haben bisher eine Diskussion über echte und konsequente Familienpolitik wirklich verweigert. Warum ist es denn notwendig, daß der Verfassungsgerichtshof in Österreich aus Gründen der Steuergerechtigkeit immer wieder prüfen muß? Warum entspringen die mehr oder weniger sinnvollen und die mehr oder weniger großzügigen staatlichen Zuwendungen, die Sie immer so loben, Herr Bundeskanzler, eher dem Zufallsprinzip als einer planvollen Überlegung? – Das ist doch so! Ich sage Ihnen, das ist deshalb so, weil die österreichische Politik einfach Angst hat, Farbe zu bekennen! Das ist die Entwicklung und die Konsequenz dieser Regierungsstruktur!

Ich nehme die ÖVP aus meinen Beschuldigungen natürlich nicht aus! Warum gibt es in Österreich noch keinen Grundrechtskatalog über die Wertigkeit der Familie? – Das Familienministerium ist seit zehn Jahren in ÖVP-Hand! Warum wurde bisher nicht verfassungsmäßig festgehalten, ob das soziale System in Österreich mit finanziellen Beiträgen finanzierbar ist oder ob der Generationenvertrag und somit Kinder für den österreichischen Staat wichtig sind?

Familienpolitik, meine Damen und Herren, kann sich nicht auf politisch motivierte Almosenverteilung oder auf politisch motivierte Wahlzuckerlverteilung begrenzen, so wie es in Österreich bisher der Fall war, denn Geld für bessere Maßnahmen hätten wir in den letzten Jahren wirklich genügend gehabt.

Wir Freiheitlichen bekennen uns seit langem dazu, die Familien aufzuwerten, Familienpolitik zu einem Kernthema zu machen und gezielte individuelle Familienleistungen zu geben – anstelle des bisherigen Gießkannenprinzips. Wir finden, es ist wirklich notwendig – und das steht in unserem Programm –, daß der zunehmenden sozialen Armut gerade der Familien zu begegnen ist und daß die bedeutenden Leistungen der Familien – das aus gesellschaftlichem Interesse – endlich mehr zu berücksichtigen sind.

Ich verweise hier wieder auf das Modell des Kinderbetreuungsschecks, das auch eine Möglichkeit wäre, Frau Kollegin Steibl, der Altersarmut von Frauen besser zu begegnen, eben dadurch, daß dann Geld vorhanden wäre für die Beiträge der Pensionsversicherung.

Wir Freiheitlichen stehen auch schon lange zu einem gerechten System im Steuerbereich. Unser Familien-Steuersplitting beinhaltet, Herr Bundeskanzler, eine soziale Staffelung, weil eben sämtliche Familientransferleistungen, Familienleistungen monetärer Art in die Berechnungsgrundlage miteinzubeziehen sind. Dieses billige Gegenargument – das einzige, das eigentlich immer gegen dieses Steuersplitting gebracht wird –, nämlich daß Frauen dadurch zurück an den Herd gedrängt werden, stimmt einfach nicht. Niemand würde dazu gezwungen werden; wir Freiheitlichen sind immer für eine wahlweise Inanspruchnahme eingetreten. Aber Ihnen, Herr Bundeskanzler, und auch beiden Regierungsparteien sind eben Ideologie wichtiger als eine logische, konsequente Politik.

Ich finde, es ist wirklich ein starkes Stück, nicht nur daß die österreichische Politik das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahre 1991 einfach ignoriert, sondern daß gerade Sie, Herr Bundeskanzler, jetzt sogar auch das zu erwartende neue Erkenntnis zu unterlaufen versuchen. Meinem Empfinden nach versuchen Sie den österreichischen Verfassungsbogen einfach zu biegen, und zwar so, wie Sie es haben wollen.

Es geht ja wirklich nicht um die Förderung von Wohlhabenden, sondern einfach um Steuergerechtigkeit, Herr Bundeskanzler. Wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, dann haben Sie das österreichische Steuersystem mißverstanden – oder Sie wollen es mißverstehen.

Auch ich bin für einen Maßnahmenkatalog gegen die zunehmende Armut. Dieser darf aber nicht mit den klassenkämpferischen Tönen der Grünen versetzt sein. Das ist nicht der richtige Weg. Und wenn Sie, Herr Bundeskanzler, heute versucht haben, hier nicht als Beschwichtigungs


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51. Sitzung / Seite 107

kanzler dazustehen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich bin schon beim Schluß –, sondern so getan haben, als ob Ihnen die zunehmende Armut der Bevölkerung wirklich ein Anliegen wäre, dann muß ich Sie wirklich ersuchen, hier nicht wieder statt einer Fragenbeantwortung einen Wunschkatalog zu präsentieren, einen Brief an das Christkind, und daß in Zukunft Ihre Politik mehr von logischen als von ideologischen Überlegungen gekennzeichnet ist.

Und vor allem eines, Herr Bundeskanzler ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: War das ernst gemeint, daß das schon der Schluß ist?

Abgeordnete Edith Haller (fortsetzend): Ja, das ist jetzt der Schluß. Das ist alles ein Satz.

Ich finde es wirklich sehr bedenklich, wenn ein Bundeskanzler die österreichischen Verfassungshüter mundtot zu machen versucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

16.21

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Analyse des Bundeskanzlers war von angemessener Offenheit geprägt. Ich möchte das am Beginn meiner Ausführungen ausdrücklich festhalten. Das hätte allerdings eine wesentlich positivere Seite, wenn der Herr Bundeskanzler nicht schon seit vielen Jahren in der Verantwortung in seinem Amt stünde, denn der therapeutische Ansatz war die Schwäche seiner Ausführungen.

In der Analyse stimmen viele überein. Quer durch die Fraktionen ist man diesbezüglich – in Kenntnis der statistischen Daten – kaum in der Lage, etwas anderes zu tun, als den Befund ohne verdunkelnde Brille zur Kenntnis zu nehmen. Das ist, glaube ich, nicht so sehr das Problem. Das Problem ist aber – und da stimme ich zum Teil mit meinen Vorrednerinnen und Vorrednern überein –: Die Reformpolitik der Bundesregierung bleibt aus. Sie macht zwar Politik, die sie selbst als Reformpolitik bezeichnet, aber in Wirklichkeit bleiben die Reformen aus. Es bleibt letztlich bei den Absichtserklärungen, die auf relativ gemeinsame Erkenntnisse gestützt sind.

Der historische Ansatz ist erfreulich. Der Zukunftsansatz ist nicht hoffnungsvoll. Und das ist deswegen besonders bedauerlich, weil sich dadurch gleichzeitig ein Element in die Debatte einschleicht, das ich als das wechselseitige Zuweisen von Schuld und Verursachung kennzeichnen möchte. Und was mich aus liberaler Sicht dabei besonders schmerzt, ist, daß häufig in diesem Zusammenhang gerade uns Liberalen der Anspruch abgesprochen wird, echte Anliegen zu vertreten.

Daher möchte ich ganz unmißverständlich heute hier festhalten, daß es auch aus unserer Sicht, aus der Sicht des Liberalen Forums eine wesentliche Aufgabe der Politik ist, sich darum zu kümmern und Randbedingungen zu schaffen, welche armutsvermeidend – im eigentlichen Sinn des Wortes – sind, welche allerdings – und das ist ein wesentlicher Zusatz aus unserer Sicht – in erster Linie darauf abzielen, die Menschen in die Lage zu versetzen, daß sie sich selbst aus der Armut befreien können.

Aber das ist nicht so zynisch gemeint, wie manche uns das unterstellen, daß wir das quasi als eine Art Großversuch auffassen würden, bei dem wir tatenlos zusehen, ob es den Menschen gelingt, sich aus der Armut zu befreien, und wenn es ihnen nicht gelingt, dann sagen wir vielleicht: schade! Sondern wir sind gleichzeitig der Auffassung, daß die Gesellschaft Garantien dafür abzugeben hat, daß jemand in dieser existentiellen Situation nicht zugrunde geht, bevor er sich aus der Armut selbst befreit hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Und das bleibt zu allen Zeiten eine Gratwanderung! Ich möchte das hier ganz ausdrücklich sagen. Denn wer bestimmt das Maß bei einer solchen Philosophie? Wer definiert letztlich, was Realarmut ist, die existenzgefährdend ist, was Armut ist, die nicht zumutbar ist, aber noch gelebt werden kann? Sind es die Statistiken? Sind es die Zahlen, die wir heute schon gehört haben?


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Letztes Dezil, oberstes Dezil – das sind Hilfsgrößen, damit man die Realität besser erkennt, aber sie sind nicht ausschlaggebend für die reale Situation. Denn die Armut hat heute – wir haben das heute schon gehört, und dem möchte ich ausdrücklich zustimmen – ein anderes Gesicht als vor 20 Jahren. Heute ist ein Telephonanschluß – da möchte ich dem Herrn Bundeskanzler ausdrücklich zustimmen – kein Parameter für Reichtum oder Nicht-Armut. Vor 20 Jahren war das vielleicht noch korrelierbarer – und vor 40 Jahren überhaupt!

Daher ist es die Frage: Mit welchem aufrechten Gang und mit welcher Menschenwürde kann sich jemand in der Gesellschaft bewegen? Und daher meine ich, daß wir, so wie wir Liberalen, ganzheitliche Ansätze vertreten sollten, in der sozialen Frage das Sowohl-Als-auch fordern und nicht nur einen Brief an das Christkind formulieren, sondern gleichzeitig auch versuchen sollten, Ansätze mitzuliefern, wie es denn möglich sei, daß gestiegene Produktivität nicht als negatives Element auf uns zurückfällt, weil steigende Produktivität gleichzeitig weniger Nachfrage nach Arbeit in wachstumsmäßigem Sinne bedeutet. Ich meine, daß es einfach ungerecht und unfair ist, davon auszugehen, daß wir das deswegen tun, weil wir auf dem Rücken von Arbeitslosen höhere Wirtschaftseffizienz fordern.

Ich knüpfe jetzt bewußt noch einmal an die Ausführungen des Bundeskanzlers an, der das Wort "Globalisierung" in den Mund genommen hat: Die Globalisierung ist ein Phänomen, das tatsächlich im eigentlichen Sinn des Wortes staatliches Handeln herausfordert – aber nicht staatliches Handeln ausschließlich auf der nationalstaatlichen Ebene, sondern das ist eine internationale Herausforderung. Wenn wir zum Beispiel das Steuerrecht nicht international harmonisieren können, und dies nicht möglichst rasch, dann werden sich die Kapitalströme nicht so verhalten, wie wir das aus dem Blickpunkt der Republik Österreich möchten. Dann werden sich die internationalen Kapitalmärkte nicht nach unseren Vorgaben, die wir für unsere Sozial- und Wirtschaftspolitik benötigen würden, richten, sondern nach der Optimierung ihrer Möglichkeiten in irgendwelchen Nischen.

Daher ist die Frage einer Harmonisierung der Steuersysteme eine hochpolitische Frage, die für den Herrn Bundeskanzler unbefriedigend sein mag, weil er sie hier in Österreich allein, in unserem eigenen Schrebergarten nicht lösen kann. Dazu sind wir unter anderem der EU beigetreten, daß wir Innovationen einbringen und für Harmonisierung sorgen, damit wir unsere Stärken ausspielen können und nicht ständig Getriebene schwankender Finanzmärkte sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn ich das in einer Debatte zu einer Anfrage ausführe, die sich mit der Armut beschäftigt, und letztlich vom Reichtum rede, wenn Sie so wollen, dann will ich Ihnen bewußtmachen: Wenn wir das nicht ganzheitlich betrachten, dann werden wir den Reichtum nicht davon überzeugen, daß es für ihn sinnvoll ist, sich um die Armut zu kümmern. Das wird nicht stattfinden. Die Gesellschaft ist per se keine altruistische. Es gibt zwar die Angewiesenheit aufeinander, aber diese Angewiesenheit bedarf entsprechender Rahmen, damit sie gelebt werden kann. Und sie bedarf einer angemessenen sozialen Intelligenz aller Teilnehmer in der Gesellschaft.

Das ist keine Frage von Nächstenliebe allein. Ich habe keinerlei Einwand gegen den Ansatz Nächstenliebe, aber Politik auf Nächstenliebe aufzubauen, wäre ein Selbstfaller. Es geht darum, diese wechselseitige Angewiesenheit der Menschen klarer zu machen, über Randbedingungen zu definieren und die soziale Intelligenz zu fördern.

In diesem Sinne ist Bildungspolitik doppelt gefordert: einerseits als Element der Qualifizierung, was ein wesentliches Element für die Möglichkeit ist, sich selbst aus der Armut zu befreien, und andererseits als Element der gesteigerten sozialen Intelligenz im Zusammenleben. Aber diese zweite Seite fehlt zum Beispiel in unserem Schulwesen zur Gänze, und die erste ist notleidend. Die Qualifikationsseite ist notleidend, und die zweite Seite fehlt zur Gänze. Sie ist angewiesen auf Glück und Zufall der einzelnen Lehrerpersönlichkeit; sie ist nicht systemimmanent vorgesehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn wir vom Liberalen Forum zum Beispiel als ein Projekt ein Transfermodell zur Vermeidung von Kinderarmut herausgearbeitet haben, ein Modell, in dem garantiert wird, daß es kein Kind in


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unserer Gesellschaft geben kann, das nicht auskömmlich in seiner Existenz abgesichert ist, und wenn dann als einzige Antwort von der konservativen Seite zurückkommt, daß das die falsche Familienpolitik sei, obwohl wir immer wieder sagen, es gehe hier darum, einmal am Beispiel Kind zu zeigen, daß es möglich ist, das Versprechen einzulösen, niemanden im Stich zu lassen, dann macht mich das einfach traurig, weil ich meine, Armut ist nicht nur ein mitmenschliches, sondern auch ein wirtschaftliches Phänomen.

Wenn diejenigen, die diesen Argumenten nicht folgen können, beispielsweise nicht bemerken, daß sie sich ihre eigenen Märkte zerstören, wenn sie die Massenkaufkraft derer, die zunehmend ärmer werden, vernichten, dann sind sie eben sozial und im eigentlichen Sinne unintelligent. Ich meine, es ist wichtig, sich diesen Ansatz in Erinnerung zu rufen, denn nur mit der Sonntagsrede, nur mit der Predigt und nur mit der Nächstenliebe werden wir dieses Problem nicht lösen können.

Wir werden dieses Problem nur lösen können, wenn wir die Aufeinander-Angewiesenheit ernsthaft in den Mittelpunkt stellen, aber nicht dann, wenn etwas nicht funktioniert, die Schuld immer nur bei den anderen suchen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Er hat das Wort.

16.30

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ob die Sozialdemokratie das neue Phänomen Armut wirklich zur Kenntnis genommen hat, bin ich mir noch nicht so sicher. Warum bin ich mir noch nicht so sicher? – Es besteht Übereinstimmung in verschiedenen Punkten der Diagnose, daß es bestimmte Gruppen sind, die besonders betroffen sind: alleinerziehende Frauen – sie wurden schon genannt –, bestimmte Pensionistenhaushalte und so weiter. Aber traditioneller Schwerpunkt, sagen wir einmal, der "Überbaupolitik" der Sozialdemokraten – ob sich das in der Realität widerspiegelt, ist ja immer eine andere Frage –, der Ideologie der Sozialdemokratie ist etwas anderes, nämlich die Bekämpfung einer zu großen Ungleichheit der Einkommen und der Vermögen.

Ungleichheitspolitik oder Bekämpfung der Ungleichheit in einer Wirtschaft und Gesellschaft ist jedenfalls tendenziell etwas ganz anderes als Bekämpfung der Armut. Bekämpfung der Ungleichheit heißt, Sie nehmen oben jemandem etwas weg, aber ob das dann unten auch ankommt, das ist eine ganz andere Frage. Wir könnten theoretisch die Panzerkäufe, denen Sie jetzt zugestimmt haben, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, in der Höhe von 8 Milliarden Schilling natürlich durch einen Zuschlag bei den oberen Einkommen finanzieren. Dann hätten wir 8 Milliarden zusätzlich, aber Armutsbekämpfung ist das natürlich keine. Damit ist diesbezüglich noch nichts gewonnen.

Ich habe mit Interesse den Zeitungen entnommen, daß etliche Mitglieder der Sozialdemokratie – zugegebenerweise eher in der Provinz – neuerdings Vorschläge dahin gehend machen, daß die Grenzsteuersätze in der Einkommensbesteuerung angehoben werden sollen, daß ein sogenannter Solidarbeitrag oder Solidarzuschlag und so weiter eingeführt werden soll. – Darüber kann man ja diskutieren, aber persönlich halte ich das – so isoliert betrachtet – für wachstumspolitisch problematisch. Aber abgesehen davon ist das bestenfalls klassische Ungleichheitspolitik oder Bekämpfung der Ungleichheit. Mit Armutsbekämpfung hat das überhaupt nichts zu tun.

Ich könnte Ihnen Fälle konstruieren, wo geradezu ein Widerspruch zwischen der klassischen Ungleichheitspolitik und einer Politik der zielgerichteten Bekämpfung der Armutsgefährdung entsteht.

Abgesehen davon: Wenn Sie wirklich eine Steuerpolitik in diese Richtung hätten betreiben wollen, hätten Sie genügend Zeit gehabt. Ich sage einmal spöttisch: Schauen Sie sich doch einmal das schweizerische Steuersystem an. Das muß doch aus sozialdemokratischer Sicht ge


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radezu ein lichtvolles Vorbild sein. Dort ist die Einkommensbesteuerung um 30 Prozent höher als in Österreich, immer in Relation zum Sozialprodukt, und die Vermögensbesteuerung ist sage und schreibe viermal so hoch wie in Österreich.

Herr Bundeskanzler! – Darf ich vielleicht bei dieser Gelegenheit sagen, wie unangenehm es mir ist, den Bundeskanzler anzusprechen und ihn in meinem Rücken zu haben. Die Sitz- beziehungsweise Stehordnung in diesem Haus ist wirklich denkbar ungeeignet. (Abg. Dr. Mertel: Wir könnten in den Reichsratssaal gehen! Dann stehen Sie hinter ihm!) Vielleicht ist es dort besser.

Herr Bundeskanzler! Sie haben richtig diagnostiziert, daß das Armutsrisiko sehr stark steigt, wenn nicht beide Partner in einer Ehe oder einer Lebensgemeinschaft berufstätig sind. Sie haben richtig diagnostiziert, daß das Armutsrisiko steigt, wenn die Gefährdung durch Arbeitslosigkeit steigt. Das heißt, diese beiden Dinge korrelieren stark, und die Arbeitslosigkeit und damit auch die Armut korrelieren wiederum sehr stark mit der Schulbildung. – Ich weiß nicht, ob wir aus dieser Erkenntnis, die ich für korrekt halte, bereits die Konsequenzen gezogen haben.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wenn diese Diagnose richtig ist, dann spricht das eben schon gegen die Haushaltsbesteuerung beziehungsweise das Familiensplitting, selbst wenn Sie die Wahlfreiheit offenlassen. Konsequenz aus dieser Überlegung kann nur sein, daß man mit allen Mitteln verhindern muß, daß Frauen, wenn auch aus eigenem Entschluß, zurück an den Herd kommen. Das ist eine Entscheidung, die sie später bereuen könnten.

Weiters ist zu berücksichtigen, daß Armut, wenn sie schon eintritt – und die Politik wird nicht immer verhindern können, daß sie eintritt –, nur transitorisch sein soll. In diesem Punkt bin ich mit Herrn Kier, wenn ich ihn richtig verstanden habe, einer Meinung.

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die klassischen Instrumente sind wichtig: die wirtschaftspolitischen, die arbeitsmarktpolitischen, die bildungspolitischen Instrumente. Er hat weiters gesagt, Österreich müsse weiterhin versuchen, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen; das sei der materiell wichtigste Schritt.

Herr Bundeskanzler! Es ist das sicher ein materiell wichtiger Schritt. Es ist notwendig und richtig, diese klassischen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik einzusetzen, aber das wird nicht reichen. Es reicht jetzt schon nicht. Sie werden nach wie vor nicht verhindern können, daß nicht alle Österreicher Diplom-Ingenieure werden und dadurch diese qualitativ hochwertigen Arbeitsplätze besetzen. Wir werden nach wie vor einen gewissen Prozentsatz haben, der aufgrund soziologischer, sozialer, vielleicht auch anderer Ursachen diese Art der Bildung nicht schafft und insofern von Haus aus einen Startnachteil im Arbeitsleben hat, der durch diese klassischen Maßnahmen nicht wettgemacht werden kann. Ganz abgesehen davon, daß noch die geschlechtsspezifischen Diskriminierungen bleiben, die altersspezifischen Diskriminierungen, die ethnischen Diskriminierungen, und es bleibt auch die Frage, ob Sie die ländliche Armut oder die vererbte Armut auf diesem Wege in den Griff bekommen können.

Noch kurz zum Wohnbau, weil der Herr Bundeskanzler das erwähnt hat. Das ist nur ein kleines Problem, aber vom Fiskalischen her ist es kein kleines Problem. Herr Bundeskanzler! Das ist es ja, daß wir jahraus, jahrein 30 bis 40 Milliarden Schilling, je nachdem, wie Sie es rechnen, in die Wohnbauförderung stecken, aber nur wenig davon bei den Leuten, die es brauchen, ankommt. Das ist ja gerade das Phänomen, daß das enorm teuer ist und in Wirklichkeit eine Finanzierung des oberen Mittelstandes darstellt.

Zusammenfassend: Herr Bundeskanzler! Der Einsatz der klassischen wirtschaftspolitischen Instrumente – das, was Sie gesagt haben – ist notwendig. Er wird auch weiterhin notwendig sein, aber er ist nicht hinreichend für die Armutsbekämpfung. Das hat sich bisher leider schon gezeigt, und das wird sich auch leider in Zukunft zeigen. Die neuen Phänomene der Armut oder, wenn Sie wollen, die Phänomene der neuen Armut werden durch diese klassischen Politikinstrumente bestenfalls gestreift. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)


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16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

16.38

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Was mich stört, ist ein wenig die Art und Weise, wie diese Diskussion geführt wird. Bei den Grünen sind es beispielsweise 770 000 bis 1,5 Millionen Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, bei den Freiheitlichen sind es 1,5 Millionen. Da wird mit den Hunderttausenden nur so in der Gegend herumgeworfen. – Das ist die Gefahr bei dieser Debatte, daß man vor lauter Statistiken und Zahlen den menschlichen Bezug zu den menschlichen Schicksalen zu verlieren droht. Das ist etwas, was wir uns mehr ins Gedächtnis rufen sollten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir tun uns seit längerem in der Debatte auch schwer – alle miteinander –, zu definieren, was Armut überhaupt ist, Kriterien dafür festzulegen. Wir kennen die verschiedensten Studien und sehen, wie schwierig es ist, das überhaupt eindeutig festzumachen.

Es wurde gesagt, daß die Armut heute anders ausschaue als früher. – Man kann das auch anders sehen. Man kann sagen: Armut in Europa ist teilweise anders zu definieren als Armut in verschiedenen asiatischen oder afrikanischen Ländern. Ich glaube daher, daß die entscheidende Frage ist: Wie geht eine Gesellschaft mit diesen Phänomenen um? Welche soziale, welche humane Sensibilität kann sie entwickeln? Und: Ist sie bereit, in ihre Politik immer wieder das Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit und des Kampfes gegen Verarmung, gegen die Privatisierung von Armut – was es auch immer sei – einfließen zu lassen? Das ist die entscheidende Frage! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist eine Diskussion über Armut – wenn man diesen Begriff schon verwenden will, obwohl er sehr unpräzise ist, und wiewohl ich vorher versucht habe, ihn anders zu definieren, einen anderen Zugang zu finden – immer auch eine Diskussion über die gerechte Verteilung von Reichtum. Das ist die entscheidende Frage!

Ich war einigermaßen konsterniert, als ich von Vizekanzler Schüssel gehört habe, er sei nicht für Umverteilung, sondern für Leistung. Was ist das für ein seltsamer Gegensatz? Man kann für Verteilungsgerechtigkeit und trotzdem auch für Leistung sein, und es kann sogar Verteilungsgerechtigkeit ein Leistungsanreiz sein. – Das ist ein Zugang zu dieser Frage, der mir schleierhaft ist und mit dem ich wirklich nicht sehr viel anfangen kann.

Ich habe auch Probleme mit Bischof Krenn, der den "sozialen Jammer" als "Stück der Politik" bezeichnet hat; es wurde bereits zitiert. Sein Chef ist nicht von dieser Welt, und seine Leistungsbeurteilung wird im Jenseits stattfinden, aber es wäre auch die Kirche gut beraten, einen Diskussionsprozeß in ihren Reihen zu führen, weil auch da kann man über Verteilungsgerechtigkeit und wie man damit umgeht, zum Beispiel in Ländern der dritten Welt, Stichwort "Theologie der Befreiung" und so weiter, sehr wohl kontroversiellste Debatten führen.

Ich will damit sagen: Es geht um die Frage der Verteilung. Es ist dies eine berechtigte Frage, und man muß dabei natürlich auch berücksichtigen, in welcher Situation sich ein Land befindet. Wenn man einen Kampf um Standortsicherung führen muß, auch eine Diskussion über Lohnkosten, Lohnnebenkosten und all diese Dinge, dann kommt man nicht darum herum, daß man international gegen einen Wettbewerb kämpfen muß, bei dem es nur darum geht, welches Land die niedrigsten Löhne bezahlt, damit man dort seine Industriestandorte absichern kann. Das geschieht auch. Der Herr Bundeskanzler fordert das bei jedem seiner europäischen Auftritte ein, gekoppelt mit beschäftigungspolitischen Programmen und Initiativen, damit auf dieser Ebene – Stichwort Währungsunion, Stichwort Euro, Stichwort: Debatte über die künftige wirtschaftliche Organisation in Europa – nicht all das mißbraucht wird, um neoliberalen Wirtschaftskonzeptionen zum Durchbruch zu verhelfen.

In diesem Zusammenhang hört man immer wieder: Was regt ihr euch auf? Die Gründe für die Arbeitslosigkeit sind zu hohe Löhne, sind die Arbeitslosengelder, der wichtigste Grund für die Staatsverschuldung ist der ausufernde Sozialstaat. Das hören wir von Ihnen (zu den Freiheitlichen gewendet) meistens (Abg. Aumayr: Was sagt Ihr Kollege Lafontaine?), und das einzige Ziel ist letztlich die Erhaltung des Geldwertes. Da war der Streit zwischen Helmut Schmidt und Herrn Tietmayr von der Deutschen Bundesbank – das kann uns nicht ganz egal sein, weil der


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Schilling und die D-Mark eng aneinander gekoppelt sind – ein einigermaßen exemplarischer: Es kann nicht sein, daß herauskommt: Geldwert vor Beschäftigung und das noch mit irgendwelchen Sanktionsmechanismen abzusichern.

Auch hier ist die entscheidende Frage, auch für nationale Regierungen, für Gesellschaften, für sozial sensible Gesellschaften: In welche Richtung führt der europäische Weg? Das ist wichtig zu wissen, wenn man in Österreich eine Verteilungsdebatte führt, nicht nur eine europäische Verteilungsdiskussion, sondern wenn man in Österreich diese Verteilungsdiskussion unter dem Gesichtspunkt der Absicherung des Standortes, des Wirtschaftsstandortes Österreich führt. Das ist in diesem Zusammenhang eine ganz entscheidende Frage.

Vor diesem Hintergrund können wir dann konkrete Überlegungen anstellen, können wir im Endeffekt die Frage stellen: Welche Verteilungswirkungen hat das Steuersystem, hat das Abgabensystem, wo können wir korrigierend bei den primären Einkommen und letztlich ihren Auswirkungen eingreifen? Können wir das bei der Ausgabenseite? – Ja, können wir. Machen wir das bei der Ausgabenseite? – Ja, das versuchen wir, teilweise mit Erfolg, vielleicht aber könnte man es da und dort noch verbessern.

Ein Beispiel nur: Wenn die Besserverdienenden mit einem geringeren Prozentsatz ihres Einkommens zur Sozialversicherung beitragen als die ärmeren Haushalte, so ist das ein Bereich, über den man nachdenken muß. So könnte ich eine Reihe von Punkten anführen. Ich meine daher, daß es berechtigt ist, diese Diskussion auch wirklich ernsthaft zu führen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

16.45

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Man kann an das Thema Armut, an das Problem Armut von verschiedenen Positionen und Betrachtungsweisen heraus herangehen. Man kann Armut von internationalen Berichten her betrachten, von Statistiken, beispielsweise vom OECD-Bericht, der Österreich zu den reichsten Ländern der Welt zählt. Man kann Armut in Relation setzen zu anderen Ländern, zu Ländern, die reicher sind als wir, zu Ländern, die ärmer sind als wir.

Man kann Armut vergleichen, indem wir in Österreich dazu verschiedene Berufs-, Einkommens- und Bevölkerungsgruppen heranziehen. Man kann es so machen, wie es die Grünen mit einer Dringlichen Anfrage getan haben, nämlich sozusagen eine statistische Matrix über Österreich legen und die Statistik interpretieren und – je nach ideologischer Sicht – Schuldzuweisungen vornehmen.

Oder man kann das Problem Armut auch von einer anderen Seite her angehen, nämlich Armut so zu betrachten und zu bewerten, wie sie sich tatsächlich darstellt.

Meine Damen und Herren! Armut ist kein statistisches Ergebnis, Armut schreit nicht. Armut ist ruhig, ist still, ist stumm. Armut ist vielfach anonym und statistisch nicht greifbar. Armut schämt sich, sie ist individuell und trifft den einzelnen und nicht anonyme Gruppen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Armut kann unverschuldet sein, Armut kann aber auch verschuldet sein, wobei der Verschuldungsgrad oder überhaupt das Kriterium Verschuldung keine Bewertung erfahren sollte, was die Hilfe angeht. Armut kann systembedingt sein. Armut ist aber auch ein Auf-der-Strecke-Bleiben jener, die nicht mehr mitkommen bei dieser Schnellebigkeit, bei dieser Rasanz des Lebens.

Armut ist auch ein Ergebnis der sozialen Treffsicherheit oder der Zielungenauigkeit. Armut ist aber auch ein Wecken von falschen Vorstellungen und Paradiesen bei den Konsumenten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die falsche Beratung und auch die Finanzpolitik mancher Banken ankreiden, so nach dem Motto "Anna, den Kredit ham΄ ma." (Beifall bei der ÖVP.)


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Sie wissen, was ich meine: Da waren Leute plötzlich hochverschuldet, aber Gott sei Dank ist voriges Jahr oder vor zwei Jahren das Privatkonkursverfahren beschlossen worden, sodaß es auch da einen Rettungsanker gibt.

Meine Damen und Herren! Hier wurde behauptet, Herrn und Frau Österreicher ließe dieses Thema kalt. – Dazu muß ich Ihnen sagen: Das stimmt nicht. Ich möchte Ihnen auch aus der Sicht eines Kommunalpolitikers, eines Bürgermeisters sagen, Herr Öllinger, was draußen in den Gemeinden gegen die Armut getan wird. Dort werden wir tagtäglich mit den Schicksalen der Ärmsten konfrontiert. Aber wir sind dort bereit, etwas zu tun, zu helfen.

Ich habe mich vorhin deshalb so aufgeregt, als Sie hier gesprochen haben, Herr Öllinger, weil Sie so tun, als ob Sie der einzige hier herinnen wären, dem die Armut, dem das Soziale ein Anliegen ist. – Ich behaupte, daß sich die Mehrzahl der Abgeordneten hier dieses Themas annimmt, daß die Mehrzahl der Abgeordneten wahrscheinlich sehr gerne bereit ist, sehr viel zu tun, um zu helfen, und vielleicht in der Vergangenheit mehr getan haben, als Sie hier heraußen von sich selbst gesagt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Warum sprechen Sie nicht darüber?) – Ich spreche jetzt darüber, Herr Öllinger. (Abg. Dr. Maitz: Bei jeder Sozialdebatte wird darüber gesprochen!)

Ich darf hier die hohe Sensibilität der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden, aber auch der Gemeindevertretungen, gleich welcher Couleur, betonen. Armut wird dort bekämpft, wo sie sichtbar wird, wird dort bekämpft, wo sie erkennbar ist, wird dort bekämpft, wo sie transparent ist. Und Armut wird dort bekämpft, wo es schreckliche Einzelschicksale gibt. Dort wird geholfen, und zwar vielfach auf individuelle Art und Weise.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang etwa an die Sozialfonds in den Gemeinden, und so mancher Bürgermeister hier herinnen könnte sicherlich eine Reihe von Maßnahmen als Beweis dafür aufzählen, daß im ländlichen Raum die Armut nicht mit schönen Worten, nicht mit Wortspenden, sondern mit Taten bekämpft wird. – Es ist also nicht so, wie Sie das hier behauptet haben, Kollege Öllinger.

Ich erinnere etwa nur an die Sozialhilfeverbände, die Notstandsunterstützungen leisten, an die Altenhilfe, an soziale Aktionen in den Gemeinden, an Brennstoffaktionen, Studienbeihilfenaktionen, Wohnbeihilfen, Mietzinsbeihilfen, an direkte und indirekte Hilfen für Häuselbauer.

Meine Damen und Herren! Auch das Prinzip der Nachbarschaftshilfe ist eine Möglichkeit, der Armut entgegenzuwirken, und vor allem der ehrenamtliche Einsatz unserer vielen Funktionäre, die in den Vereinen, Organisationen und Körperschaften tätig sind – egal, ob das das Rote Kreuz ist, die katholische Kirche, die Caritas oder andere Privatinitiativen sind oder ob es der ORF als öffentlich-rechtliche Anstalt mit seiner Aktion "Licht ins Dunkel" ist, die Hervorragendes auf dem Gebiete der Armutsbekämpfung leistet. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Ich möchte hier ein breites Spektrum, die ganze Bandbreite sozusagen, erfassen, und ich betreibe nicht Schwarzweißmalerei, Herr Öllinger. Armut ist ein Anliegen nicht nur des Parlaments, sondern ganz Österreichs. Und das muß auch so sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Nur folgendes, Herr Öllinger, sollten wir auch tun: Wir sollten in der Bewertung gerecht sein. In Ihrer Anfrage kritisieren Sie, und zwar auf Seite zwei dieses Papiers, diese Maßnahme in Graz. – Genau das ist es, was viele abhält, die Dinge vielleicht objektiver zu sehen, wenn es zu Mißbräuchen kommt. Wenn es stimmt, wie wir aus den Berichten von Rundfunk, Fernsehen und Presse erfahren haben, daß Bettler aus Kroatien und Slowenien sozusagen heraufgekarrt werden, um in Graz zu betteln, um sie dann am Abend wieder hinunter zu transportieren, so ist das ein Mißbrauch. Das hat mit sozialer Armut in Österreich nichts zu tun! Dieser Mißbrauch gehört abgestellt! Wenn diese Berichte stimmen, dann hat der Gemeinderat von Graz richtig entschieden. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht im Zusammenhang mit Armut aber auch um Förderungsmaßnahmen. So lange wir nicht zu einer gerechten Förderung und zu einer gerechten Definition des Wortes "Einkommen"


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gelangen, nämlich zu einer Einkommensgrenze, unter der es alles und über der es nichts gibt, produzieren wir auch Armut.

Wir müssen die Einkommen gerecht bewerten und beurteilen, und es sind auch die Belastungen der einzelnen in diese Einkommensbewertung miteinzubeziehen. Dann können wir uns ein Bild machen, ob jemand wirklich arm ist, ob er nur wenig Einkommen hat – oder ob er mit öffentlichen Förderungen sein Einkommen im Gegensatz zu jemandem, der mehr verdient, kompensiert. Das sind Maßnahmen, die getroffen werden müssen.

Herr Öllinger! Mir gefällt auch, daß Sie auf einmal von einem Familien-Saulus zu einem Familien-Paulus geworden sind. Wenn man nämlich Ihre Aussagen aus letzter Zeit zum Thema Familie betrachtet, kann man wirklich nicht sagen, daß Ihnen intakte Familien ein Anliegen sind. Sie haben überall Mißstände festgestellt, Sie haben gesagt, die heile Familie gäbe es nicht in Österreich. – Ich sage Ihnen: Das ist die Mehrheit der Familien! Gerade diese Gruppe gehört unterstützt, und genau diese Familien – Sie schreiben das ja auch – sind unter der Armutsgrenze.

Helfen Sie durch eine gerechte Bewertung des Familieneinkommens mit, auch hier im Parlament jenen Familien, die mit ihrem Einkommen unter der Armutsgrenze liegen, mit einem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen, mit einem entsprechenden Gesamteinkommen entsprechende Unterstützung zuteil werden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir müssen danach trachten, die Treffsicherheit der Sozialgesetzgebung und die Treffsicherheit der individuellen Förderungsrichtlinien zu erhöhen, damit aus diesem Titel Armut nicht produziert, sondern bekämpft wird.

Die Österreichische Volkspartei wird jedenfalls alles unternehmen und dafür kämpfen, daß der Armut in dem Sinne, wie ich das jetzt dargelegt habe, entgegengetreten und in Österreich auf breitester Basis bekämpft wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Maderthaner!)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

16.55

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Großruck, man kann die Armut aus vielfacher Sicht betrachten. Man kann sie natürlich als Bürgermeister einer Gemeinde betrachten, wo soziale Einrichtungen und Nachbarschaftshilfe vielleicht noch funktionieren. Ich möchte die Armut jetzt aus weiblicher Sicht betrachten, und ich behaupte: Die Armut in Österreich ist weiblich!

Herr Kollege Großruck! Ich meine auch, Armut, die man sieht, wird hier nicht bekämpft. Sie haben gesagt, überall, wo man Armut sieht, werde alles getan. Ich behaupte: Die Armut ist weiblich! Wir alle wissen, wo die Armut bei den Frauen ist, und deshalb kurz ein paar Fakten.

Meine Damen und Herren! Bis 1999 steigt laut Angaben des Arbeitsmarktservices die Zahl der weiblichen Arbeitslosen um ein Viertel, und zwar auf 120 000. Weiters gab es 1995 141 300 geringfügig Beschäftigte, 102 000 davon waren Frauen. Damit liegt der Frauenanteil bei 72 Prozent. Gemessen an den anderen Beschäftigungsverhältnissen beträgt der Anteil geringfügiger Beschäftigung bei den Frauen 7,9 Prozent, bei den Männern hingegen nur 2,5 Prozent. Arbeiterinnen gehen sogar zu 14,6 Prozent einer geringfügigen Beschäftigung nach. Die Zahl geringfügiger Beschäftigungen ohne Sozialversicherung explodiert geradezu. Sie ist innerhalb von einem Jahr um 20 Prozent gestiegen.

Weiters ist das Problem der sozialrechtlichen Absicherung durch die Werkvertragsregelung verschärft worden – diese haben Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, erst kürzlich beschlossen.

Wir wissen, daß gerade die Erwerbstätigkeit der Frau dieser die Unabhängigkeit sichert und sozialrechtliche Absicherung gewährleistet. Die Erwerbsquote bei den österreichischen Frauen


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ist eine deutlich unterdurchschnittliche, und zurzeit ist sie leider auch noch rückläufig. Wir haben in Österreich einen Anteil von 61 Prozent, während im OECD-Durchschnitt die Frauenerwerbsquote immerhin bei 75 Prozent liegt.

Der Wiedereinstieg in das Wirtschaftsleben nach der sogenannten Kinderpause wird mit steigender Dauer immer schwieriger und bedeutet für die meisten Frauen einen qualitativen und finanziellen Abstieg. Daher bekommen auch rund 30 Prozent aller Frauen, die die Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, kaum mehr eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt. Eine weitere zusätzliche Erschwernis stellt die kurze Kündigungsfrist beim Wiedereinstieg dar.

Tatsache ist auch, daß Frauen auf dem Arbeitsmarkt stärker benachteiligt sind, weil sie im Schnitt eine schlechtere Schul- und Berufsausbildung haben. Diese vergleichsweise geringere Schulbildung der Frauen hat auch gravierende Auswirkungen auf ihre berufliche Laufbahn. Der Bildungsstand hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit, sondern auch auf Aufstiegsmöglichkeiten und Einkommensverhältnisse im Beruf. Auch bei gleich hoher Schulbildung und bei gleicher beruflicher Tätigkeit werden Frauen in der betrieblichen Hierarchie deutlich niedriger eingestuft und entlohnt als Männer. Viel mehr Frauen als Männer haben einen nicht ihrer Ausbildung adäquaten Arbeitsplatz oder können ihre Vorbildung nicht für höherwertige oder leitende Jobs verwenden. Frauen müssen auch immer noch ein deutlich höheres Ausbildungsniveau aufweisen, um das gleiche Salär wie ihre männlichen Kollegen zu bekommen.

Meine Damen und Herren! Auch in der Pensionsversicherung führen niedrige Löhne und geringe Versicherungszeiten infolge von Familienbetreuung zu niedrigen Eigenpensionen. Daraus ergeben sich um fast die Hälfte geringere Alterspensionen. So betrug die Alterspension Ende 1994 im Durchschnitt für Männer 14 185 S, für Frauen allerdings nur 8 014 S.

Tatsache ist weiters, daß mehr als 70 Prozent der Ausgleichszulagenbezieher Frauen sind. Auch Frauen, die sich auf die Ehe als "soziale Absicherung" verlassen haben, geraten zunehmend in eine Armutsfalle, und besonders trifft das Alleinerzieherinnen.

Faktum ist weiters, daß in Österreich bereits jede fünfte Familie nur aus einem Elternteil besteht.

Meine Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage gibt uns die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten. Ich habe auch festgestellt, Herr Bundeskanzler, daß Sie durchaus gute Vorschläge zur Verbesserung der Situation der Frauen ins Auge gefaßt haben. Nur: Lange dürfen wir nicht mehr warten! Wir müssen etwas tun, und das so bald wie möglich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir glauben, daß Frauen sozialrechtlich abgesichert werden sollen, und zwar auch bei geringfügiger Beschäftigung, wie zum Beispiel die Tagesmütter. Es müssen auch endlich die notwendigen Rahmenbedingungen für Frauen geschaffen werden, damit die Erwerbstätigkeit erleichtert wird, wie zum Beispiel die fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen. Es ist dies ein Wunsch, der von vielen Frauen hier im Hohen Hause immer wieder artikuliert wird, aber es geschieht leider nichts! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Weiters müssen auch Initiativen im Bildungsbereich gesetzt werden, damit Frauen nicht nur die Pflichtschule als höchste Bildungsstufe erreichen. Frauen, die ihr Leben lang unbezahlte Arbeit, wie zum Beispiel Hausarbeit, geleistet haben, stehen im Alter fast immer mittellos da. Deshalb ist aus unserer Sicht eine Versicherungspflicht auch für die nichterwerbstätige Frau eine Grundvoraussetzung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wir alle sind aufgerufen, etwas zu unternehmen, um der weiblichen Armut in diesem Lande entgegenzuwirken. Ich hoffe, daß diese Diskussion, die heute durch die Dringliche Anfrage der Grünen initiiert wurde, nicht ungehört verhallt. Ich hoffe, daß alle die guten Vorschläge, die heute auch von Kolleginnen und Kollegen gebracht wurden, endlich diskutiert werden! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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17.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte sehr.

17.02

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin bedauere ich es, daß wir heute in Form einer Dringlichen Anfrage diese gesellschaftspolitisch schwerwiegende Problematik diskutieren, weil wir uns dadurch natürlich in einem vorgegebenen zeitlichen Korsett befinden und eigentlich jeder von uns immer nur einige Details aufzeigen kann.

Ich meine, unbestritten ist, daß wir in Österreich nicht das Thema absolute Armut behandeln, sondern jenen minimalen Lebensstandard, der als relative Armut definiert wird. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was ist eine reiche Gesellschaft, die wir in Österreich zweifelsohne sind, bereit, überhaupt als Armut anzuerkennen? Ist es ein Mensch, der ein Erwerbseinkommen von 37 000 S gehabt hat ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie vergessen das hohe Budgetdefizit, die Staatsschuld!) – Hören Sie doch einmal zu, bevor Sie da irgend etwas dazwischenrufen!

Ist "arm" jemand, der 37 000 S verdient hat, als er erwerbstätig war, aber aufgrund von Arbeitslosigkeit jetzt nur mehr ein Drittel dieses Einkommens bezieht? Oder ist es die Akkordarbeiterin, die durch Vollzeitarbeit – nämlich jeden Tag acht Stunden am Akkordband stehend – auch gerade diese 12 000 S bekommt?

Zweifelsohne kann die Frage der Armut nicht anhand einer bestimmten Einkommensgröße definiert werden, weil die Armut und die Frage der Armut mit vielen anderen Randproblemen zusammenhängt, wie zum Beispiel Zahlungsverpflichtungen, Verschuldungen, Bildungszugang und anderes mehr.

Kollege Öllinger hat heute anhand von ein paar "Wissen Sie, wie?"-Fragen versucht, exemplarisch einige Beispiele aufzuzeigen. Ich würde sagen, die Armut hat viele Gesichter. Kollege Kier hat es heute zwar nicht erwähnt, aber eine der Ideen des Liberalen Forums ist ja die Grundeinkommensdiskussion, die Grünen hingegen haben die Idee einer Grundpension. Beide Modelle zeigen, daß auch sie vor Armut nicht schützen können, daß sie also nicht armutsvermeidend sind. Die Armutsbekämpfung kann nur unter dem Aspekt erfolgen, daß Armut eben viele Gesichter hat. Daher erfordert sie auch viele Maßnahmen, viele unterschiedliche Maßnahmen.

Ich denke etwa an den ganzen Komplex Gleichbehandlung, wozu auch hier im Hohen Haus sehr unterschiedliche Ansatzpunkte vorhanden sind. Ich denke an die Frage der Absicherung atypischer oder prekärer Arbeitsverhältnisse, Herr Kollege, wie Sie sie in Ihrer Anfrage genannt haben. Und ich sage noch einmal: Die Werkverträge waren ein erster Schritt dorthin, und ich bedauere sehr, daß die Grünen da eine andere Einstellung gehabt haben.

Wir geben jetzt zumindest Impulse für die Kinderbetreuung in der Form, daß wir zusammen mit den EU-Mitteln doch eine Milliarde Schilling dafür zur Verfügung stellen können.

Übrigens – die Frau Kollegin Petrovic ist jetzt leider nicht im Saal –: Daß Betreuungspflichten kein Vermittlungshindernis mehr darstellen, das bedauere ich genauso wie die Frau Kollegin Petrovic, nur ist es nicht die politische Willensbildung dieses Hauses, sondern es war ein Verwaltungsgerichtshofurteil, das darauf hinausgelaufen ist. (Abg. Öllinger: Die Verfügbarkeit ist eine Willensbildung dieses Hauses!) Aber nicht in diesem speziellen Fall.

Ich denke auch an Maßnahmen gegen die Gewalt, die auch mit Armut zu tun hat, Maßnahmen, die wir hier in diesem Haus erst vor kurzem behandelt haben. Ich denke an die Diskussion über die Studie der Frau Bundesministerin Konrad, die gestern verschiedene Modelle hinsichtlich der Altersversorgung vorgestellt hat. Ich denke auch daran, daß man immer heftiger darüber diskutieren wird müssen, wie man nicht marktfähige Arbeit in Zukunft marktfähig macht.

Abschließend, weil die Verordnung des Grazer Gemeinderates hier angesprochen worden ist: Ich nehme das nicht so leicht. Ich weiß nicht, ob ich, würde ich dort sitzen, zu jenen SPÖ-Abgeordneten zählen würde, die dann nach langer Diskussion dafür oder dagegen gestimmt haben. Wir bekämpfen Kinderarmut international, und Kinderbettelarbeit ist auch Kinderarbeit! Daher müssen wir auch diese in irgendeiner Form bekämpfen.


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Wie gesagt: Die SPÖ hat sich immer schon dafür eingesetzt, Armut zu bekämpfen. Wir wissen, daß Arbeitslosigkeit die Überholspur in die Armut ist. Daher ist es für uns die erste und vordringlichste Maßnahme, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dafür setzen wir SozialdemokratInnen uns ein! (Beifall bei der SPÖ.)

17.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Madl.

17.07

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Frau Abgeordnete Hostasch hat wortwörtlich gesagt: Offensive Beschäftigungspolitik muß unser Ziel sein. – Dieses Ziel hat die SPÖ schon zehn Jahre vor sich, aber sie nähert sich diesem Ziel überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, sie entfernt sich von diesem Ziel sogar noch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Selbstverständlich haben wir heute mehr Arbeitslose als vor zehn Jahren, obwohl auch vom Herrn Bundeskanzler heute wieder Offensiven geplant werden – das höre ich heuer schon zum dritten Mal! –, um Arbeitsplätze und Beschäftigung zu sichern. Das kommt mir so vor wie ein Hund, der immer einen Knochen vor sich hängen hat und diesem nachjappelt, sich dann aber an der Knackwurst gütlich tut und nur noch ab und zu dem Knochen hinterherbellt, damit er seine Daseinsberechtigung als Hund erfüllt. Genauso kommt mir das vor! (Abg. Silhavy: Wer ist der Hund, Frau Kollegin?)

Das ist die Position der SPÖ, für die sie immer wieder hier eintritt, aber leider Gottes sind das immer nur Lippenbekenntnisse! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die ÖVP stellt in der Gestalt der Frau Horngacher hier Forderungen an den Familienminister, an den Landwirtschaftsminister, vergißt aber ganz darauf, daß dieser Minister ihrer Fraktion angehört. Ja was spricht denn dagegen, diese Mißstände, die sie aufgezeigt hat, abzustellen und diese Forderungen zu erfüllen, wenn das betreffende Ministerium seit Jahrzehnten die eigene politische Linie vertritt?

Oder: Die ÖVP fordert in der Gestalt des Herrn Großruck die Bewertung eines gerechten Familieneinkommens. (Abg. Silhavy: Frau Kollegin! Tagesmütter als Selbständige zu definieren ist ja eher armutsvermindernd – oder?)

Jawohl, Herr Kollege Großruck, Sie fordern das! Der Kampf der ÖVP, wie Sie gesagt haben, für die Familien in Oberösterreich schaut so aus, daß Sie im Landtag zum Beispiel nicht dem Kinderbetreuungsscheck zugestimmt haben, aber Ihr Landeshauptmann von Oberösterreich, dem Sie ja sehr untertan sind, hat am gleichen Tag diesen Familienbetreuungsscheck medial gefordert.

Oder: Familiensplitting. Dem haben Sie auch nicht zugestimmt, das ist für Sie ja überhaupt kein Thema. Sie fordern nur die Bewertung eines gerechten Familieneinkommens. Das ist eine Doppelbödigkeit! Sie reden hier anders, als Sie es draußen dann tatsächlich vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie reden hier am Rednerpult anders, als Sie in den Ausschüssen tatsächlich abstimmen! Für Sie ist Familienpolitik nur eine Politik, die Sie hier am Rednerpult machen, aber sonst nirgends, Herr Kollege, sonst schon gar nirgends! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben heute sehr viel über Statistiken und Daten gehört. Es ist unbestritten, daß es in Österreich eine galoppierende Armut gibt. Mich wundert eines: Es wurde das Sparpaket heute mehrmals als Ursache dieser fortschreitenden Armut genannt. Es gibt aber Parteien, speziell meine ich die Grünen, die gegen das Sparpaket gestimmt haben, und heute bezeichnen sie das Sparpaket als primäre Ursache. Meine Meinung dazu: Die primäre Ursache des Sparpakets war die Unfähigkeit der Koalitionsregierung der letzten zehn Jahre in den Wirtschaftsfragen und in der Arbeitsmarktpolitik. Das sind die eigentlichen Ursachen, warum heute die Armut so weit voranschreitet. (Beifall des Abg. Dr. Ofner. )

Wenn man bedenkt, daß rund 80 Prozent der Österreicher um ihren Arbeitsplatz fürchten, so ist es doch bitte der Regierungspolitik der vergangenen Jahre zuzuordnen, die eine Verschwen


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dungspolitik war. Wir haben ja heute gehört, daß die Budgets der letzten Jahre – der Herr Finanzminister hat wohlwollend genickt, als der Kollege der ÖVP dies gesagt hat – Schwindelbudgets waren, und auch heuer wird es, wie wir erfahren mußten, wieder eine Überschreitung geben. Ja, wie wird denn diese Überschreitung finanziert werden? Mit einem neuerlichen Belastungspaket, das wieder die österreichischen Beschäftigten – sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber – zu tragen haben!

Ich sage, die primäre Ursache für diese galoppierende Armut ist dieser Regierungspolitik zuzuschreiben. Da nehme ich auch die ÖVP nicht aus der Pflicht, die hier sitzt, als gehe sie das alles nichts an, die den ganzen Tag schon vor sich hintümpelt und vor sich hinschläft. Dabei sind Sie es auch heute wieder gewesen, die einer neuerlichen Belastung bei den Frächtern zugestimmt haben. Da nützt es nichts, wenn Sie sich herstellen und den Forderungen des Regierungspartners nach Erhöhung der Kfz-Steuer für LKWs nur zur Hälfte zustimmen und das als Sieg feiern. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das kommt ja wirklich einer Gehirnwäsche gleich, wenn man heute die Forderungen der SPÖ, die überzogen waren, halbiert, denn letztendlich bleibt es eine Belastung, und letztendlich werden wieder viele Frächter, vor allem im klein- und mittelständischen Bereich, das Handtuch werfen und ihr Gewerbe aufgeben.

Ich sage, die Belastungspolitik und die Unfähigkeit dieser Regierung sind verantwortlich zu machen für die Not und das Elend vieler Österreicher, die jetzt in Armut leben, die ihr Leben in Armut fristen müssen. Es gibt zum Beispiel in Oberösterreich genug Leute, die Arbeit suchen und die auch Arbeit fänden, wenn dort regional Wirtschaftspolitik betrieben würde.

Da soll etwa ein Kraftwerk mit maschinenintensiven Stunden gebaut werden, wovon nicht sehr viele Arbeitskräfte profitieren würden, auf der anderen Seite sitzen Kinder in Schulen, in denen sie sich anregnen lassen müssen, in denen sie frieren, sie werden in Waschküchen unterrichtet, weil die Räumlichkeiten viel zu klein sind. Das sind aber nicht etwa Grundschulen, sondern das sind berufsbildende Schulen. Dort wären Arbeitskräfte einzusetzen und nicht in unmöglichen Bauten, die maschinenintensiv sind und keine Arbeitskräfte binden.

Das ist die Politik, die Sie schon seit zehn Jahren betreiben, und da können die Hüter und Hüterinnen der Arbeitsplätze noch so laut und noch so oft hier schreien. Sie reden hier etwas, handeln aber gegenteilig, als Abgeordnete beschließen Sie Gesetze mit, die die österreichische Wirtschaft ruinieren und Arbeitsplätze vernichten. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Kammerlander. Restliche Redezeit: 8 Minuten.

17.14

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Nach nunmehr über zwei Stunden dieser Diskussion bin ich ja fast beeindruckt oder ergriffen davon, wie viele Möglichkeiten offensichtlich vorhanden sind, der Armut entgegenzuwirken. Zu dem Schluß mußte ich kommen, wenn ich da dem einen oder der anderen zugehört habe in den letzten Stunden. Wirklich beeindruckend war vor allem die Aufzählung des Kollegen Großruck, was es da alles an privaten Institutionen und Einrichtungen gibt, die ja zum Glück alle etwas gegen die Armut tun, sodaß wir uns beruhigt zurücklehnen und demnächst vielleicht munter wieder das nächste Sparpaket ins Auge fassen können und mit Ihrer Koalitionsmehrheit dann auch beschließen dürfen. So ungefähr kommt mir Ihre Darstellung vor.

Eine Möglichkeit, der Armut entgegenzuwirken, haben Sie dann auch konkret genannt, und dafür war ich Ihnen fast dankbar, nämlich die Aktion "Licht ins Dunkel". Das ist ja wirklich eine wunderschöne Angelegenheit. Immer vor Weihnachten wird den Leuten so richtig warm ums Herz. Da werden die Armen vorgeführt. Das sind alles glückliche, solide, brave, fröhliche, arme Menschen. Das wird vom Fernsehen zelebriert, und der Rest von Österreich darf spenden. Und da das so erfolgreich ist, machen wir das jedes Jahr wieder.


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Daß das eine äußerst beschämende Art von Politik ist, daß das eine Art von Sozialvoyeurismus ist, das verschweigen Sie. Daß arme Menschen in ihrem Elend im Fernsehen auftreten müssen und sich damit auch noch damit brüsten müssen, daß sie ihr Elend darstellen müssen, damit sie zu dem kommen, was ihnen eigentlich zusteht, nämlich ein menschenwürdiges Leben zu führen, das verschweigen Sie auch. Davon reden wir nicht.

Das eigentliche Armutszeugnis haben die Koalitionsparteien damit geliefert, denn was ist das für eine Politik in diesem Land, frage ich Sie, was ist das für eine Politik, die Frauen, die Familien, die Behinderte zu Bettlern macht, zu Bettlern, die sich zu Weihnachten in einer Sendung wie "Licht ins Dunkel" anstellen dürfen, um das zu erhalten, was ihnen eigentlich die Politik geben und sichern sollte!? (Beifall des Abg. Dolinschek. )

Eine solche Bettelpolitik verantworten Sie. Und wie gehen Sie damit weiter um? – Sie erlassen eine Bettelverordnung, Sie erlassen ein Verbot, zu betteln. Auf der einen Seite produzieren Sie das Betteln via Fernsehen, auf der anderen Seite erlassen Sie Bettelverbote wie in Graz und sagen: Halt! Das darf nicht sein! Aggressives Betteln – da muß aber dann die Polizei einschreiten, denn das könnte ja etwas ganz Unangenehmes, Lästiges sein. Vielleicht ist Kinderarbeit auch noch damit verbunden.

Wenn das im Fernsehen unter "Licht ins Dunkel" läuft, interessiert Sie das nicht, aber wenn es sich auf der Straße abspielt, wenn es augenfällig ist, wenn Sie darüber stolpern müssen und wenn es wirklich arme, zerlumpte Menschen sind, ganz egal, woher sie kommen, dann muß ein Verbot her, denn dann geht es nicht mehr anders. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber schon ein Unterschied, Frau Kollegin Kammerlander!)

So schaut Ihre Sozialpolitik aus, so schauen Ihre Maßnahmen aus, und das verstehen Sie offensichtlich unter den Möglichkeiten, der Armut entgegenzuwirken! (Beifall bei den Grünen.)

Gleichzeitig haben Sie gestern im Landesverteidigungsrat beschlossen, 7,5 Milliarden Schilling für den Kauf von Panzern auszugeben. Die Sozialdemokratische Partei hat zuerst noch ein paar Tage mehr oder weniger laut oder leise vor sich hingemault über diesen Unsinn, sie hat gemeint, daß es da noch einiges zu hinterfragen gilt, um dann dort vor Ort im Verteidigungsrat natürlich brav dafür zu stimmen. Das ist ja ganz klar! Da haben Sie überhaupt keine Probleme damit.

Sehen Sie, diese 7,5 Milliarden, das ist genau die Summe der Einsparungen aufgrund der härtesten Maßnahmen des letzten Sparpaketes, das ist genau die Summe Ihrer Einsparungen bei der Notstandshilfe, bei der Karenz, bei all den Maßnahmen, die Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen betreffen, die Frauen betreffen – all das, was wir Ihnen seit Monaten vorhalten.

Das macht 7,5 Milliarden aus, und das haben Sie gestern im selben Atemzug unter Ausschaltung des Parlaments mit einer Handbewegung sozusagen beschlossen, und dann stellen sich die Vertreter und Vertreterinnen der SPÖ und der ÖVP hier heraus und erklären uns, welche Möglichkeiten es gibt, der Armut entgegenzuwirken. Es ist beschämend! Ich finde das beschämend, was Sie hier aufführen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich denke mir, wenn es offensichtlich so leicht ist, bei einer Aktion wie "Licht ins Dunkel" Gelder zu lukrieren, na bitte, dann soll sich doch der Verteidigungsminister zu "Licht ins Dunkel" begeben und dort die Gelder für seine Panzerkäufe auftreiben. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn das für die Verteidigung Österreichs so ein wichtiges Anliegen ist, wie Sie behaupten, dann soll der Verteidigungsminister das doch einmal argumentieren. Dann soll er das einmal darstellen, dann soll er das argumentieren, so wie Sie es jedes Jahr den Armen in diesem Land zumuten, vor dem Fernsehen zu argumentieren, warum sie Geld brauchen. Behinderten Menschen und all den anderen muten Sie das Jahr für Jahr zu.

Dann soll halt der Herr Verteidigungsminister das einmal ordentlich begründen, dann soll er traurig dreinschauen – das kann er ja –, mit einem bubenhaften Lächeln – das kann er auch –, und


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dann soll er sagen, warum er das Geld braucht. Dann werden wir sehen, ob Sie das bekommen oder nicht.

Die 7,5 Milliarden aber geben Sie wieder dorthin, wo sie hingehören. Die gehören nämlich den Alleinerziehern und Alleinerzieherinnen, den Notstandshilfeempfängern und -empfängerinnen, den vielen Familien, den Frauen, den Behinderten, den Pflegegeldbeziehern und -bezieherinnen, all jenen, denen Sie es weggenommen haben in den letzten zwei Jahren. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn hier beklagt wird, daß zuwenig Zeit ist, darüber zu diskutieren, so schlage ich vor, machen Sie doch eine Enquete darüber! Machen wir gemeinsam eine Enquete darüber, machen wir eine Enquete über diese Situation, und beraten wir allen Ernstes, wie Gelder umgewidmet beziehungsweise wieder den ursprünglichen Zwecken zugeführt werden können.

Um das noch zu untermauern, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend 7,5 Sozialmilliarden statt Panzerfinanzierung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Parlament vor Abschluß der Kaufverträge für neue Panzer um 7,5 Milliarden Schilling die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen wie Bedrohungsanalyse, Zustandsbericht des Heeres und Investitionsplan vorzulegen.

Der Bundesminister für Landesverteidigung wird beauftragt, den Erlös aus der Privatisierung im Heeresbereich für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und zur Verbesserung der Leistungen für Bezieherinnen und Bezieher von Notstandshilfe und Arbeitslosengeld umzuwidmen.

*****

Sie haben immer lang und breit argumentiert und zu begründen versucht, warum Sie diese Sparmaßnahmen setzen müssen, warum Sie den Armen in diesem Land das Geld wegnehmen müssen, aber Sie haben völlig vergessen, zu begründen und die entsprechenden Analysen vorzulegen, warum Sie auf der anderen Seite 7,5 Milliarden Schilling für unserer Meinung nach – und ich glaube, dieser Meinung sind angesichts der Situation in Österreich noch viele Menschen – völlig unsinnige Vorhaben ausgeben. Legen Sie die Unterlagen vor, zeigen Sie die Analysen, bringen Sie alle diese Pläne, und dann diskutieren wir im Parlament darüber, genauso wie wir über Ihre Vorschläge der Einsparung diskutiert haben.

Aber auf der einen Seite – noch einmal – den Armen in diesem Land das Geld wegzunehmen und es auf der anderen Seite unter Umgehung des Parlaments, unter Umgehung der demokratischen Einrichtungen und Entscheidungen auszugeben – das ist eine unsaubere und eine unfaire Politik, die es gar nicht verdient, hier von Ihnen vertreten zu werden. (Beifall bei den Grünen.)

17.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Kammerlander eingebracht hat, steht in Verhandlung zusammen mit den beiden anderen bereits eingebrachten Anträgen, über die in Kürze abgestimmt werden wird.

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Müller. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.22

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Werter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Dem Thema der heutigen Dringlichen Anfrage attestiere ich schon eine be


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sondere Bedeutung. Ich muß hiezu aber feststellen, daß man die Armut nicht immer anhand eines bestimmten Betrages messen kann, es kommt auch darauf an, welche Ausgaben der einzelne von den genannten Beträgen zu tätigen hat, beispielsweise können Wohnungskosten sehr unterschiedlich hoch sein. Hier wird versucht, mit einer bestimmten Einkommensgrenze die Armut zu pauschalieren, ein Zahlenbeispiel also, das nicht unbedingt immer die wahren Gegebenheiten widerspiegelt.

Dennoch dürfen wir dieses zweifellos in vielen Bereichen noch vorhandene Problem nicht unterschätzen. Daher können wir nicht oft genug unsere Forderungen wiederholen – mit "unsere" meine ich unsere sozialdemokratischen Forderungen –, und unser Bestreben muß es sein, daß sowohl die steuerlichen Voraussetzungen als auch die direkten Förderungen darauf abzielen, den Einkommensschwächeren entsprechend stärker zu helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aktuelles Thema ist die soziale Staffelung der Transferleistungen, wie etwa jene im Familienbereich, die durchwegs geeignet wären, Einkommensunterschiede auszugleichen.

Dazu ein Beispiel: Frau Abgeordnete Haller! Sollte der Verfassungsgerichtshof feststellen, daß Unterhaltsverpflichtungen einkommensstarker Eltern in den bestehenden Familienförderungen nicht hinreichend Berücksichtigung finden und diese Eltern mehr erhalten müßten, muß es unser Bestreben sein, darauf nur eine einzige Antwort zu geben, nämlich die Festlegung einer Obergrenze verfassungsrechtlich entsprechend zu verankern.

Meine Damen und Herren! Zweifellos ist durch die finanzielle Bedrängnis der Langzeitarbeitslosen die Armutsgefährdung in dieser Gruppe größer. Hier begrüße ich ganz besonders die Bemühungen des Sozialministers, mit Projekten im gemeinnützigen und kommunalen Bereich nicht nur die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, sondern in diesem Bereich auch zusätzlich Arbeitsplätze zu schaffen und somit auch ein entsprechendes Einkommen zu sichern.

Es kritisiert der Anfrager zu Recht, daß die Zahl der geringfügig Beschäftigten in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Diesbezüglich muß ich aber doch auch auf eine der letzten Plenarsitzungen verweisen, in der mittels der Werkvertragsregelung dem teilweise entgegengewirkt wurde, diese Regelung jedoch von der Opposition massivst abgelehnt worden ist.

Offensichtlich unter der Armutsgrenze leben die Obdachlosen, die fast ausschließlich von sozialen Einrichtungen mit vielen qualifizierten, aber auch sehr vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut werden. Hier würde ich mir schon wünschen, daß es einen noch stärkeren – auch finanziellen – Einsatz seitens der öffentlichen Hand gäbe. Übersehen wird, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil aus vielfältigen Ursachen in diese Situation geraten kann. Hier muß unser soziales Netz jedenfalls greifen.

Die höchste Armutsgefährdung bestand im Bereich der über 65jährigen. Dies hat sich gottlob in den letzten Jahrzehnten spürbar zum Positiven gebessert, weil die Mindestpensionen massiv angehoben worden sind.

Für uns Sozialdemokraten steht im Vordergrund, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und damit Einkommen zu erzielen. Dies ist die wichtigste Form der Existenzsicherung für den einzelnen. Ein hohe Beschäftigung ist aber auch Voraussetzung für eine gute Wirtschafts- und Sozialentwicklung des gesamten Staates und ist vor allem auch für den sozialen Frieden von besonderer Bedeutung. Wirtschaftsstrukturen können und sollen nicht auf Dauer konserviert werden. Es sind dafür immer wieder neue Beschäftigungsbereiche zu erschließen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und auch neue Maßnahmen zu setzen. Die Regierung ist sich ihrer Verantwortung bewußt. Sie setzt entsprechende Maßnahmen und stellt auch die erforderlichen Mittel zur Verfügung.

Sozialdemokratisches Anliegen war und wird es immer sein – und da kann sich die Bevölkerung auch auf uns Sozialdemokraten verlassen –, den sozial Schwächeren unserer Gesellschaft zu helfen, für eine gerechtere Einkommensverteilung zu sorgen und damit auch der Armut entsprechend entgegenzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27


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51. Sitzung / Seite 122

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr.

17.27

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wenn ich mir die Vorschläge, die von den Regierungsparteien zur Bekämpfung der Armut in Österreich gekommen sind, so überlege, dann kann ich nur sagen: Sie sind nichts sonst als armselig.

Von der SPÖ kam der Vorschlag zur Schaffung von Arbeitsplätzen, während täglich in den Zeitungen steht, wie die Arbeitsplätze in Österreich abgebaut werden. Sie können ja nicht einmal die Arbeitsplätze, die bis jetzt in Österreich bestanden haben, erhalten, geschweige denn neue schaffen.

Aber den Vogel mit seiner Forderung hat mit Sicherheit Herr Kollege Großruck abgeschossen. Ich muß schon sagen, wenn Ihnen sonst nichts einfällt, als daß eine Sendung wie "Licht ins Dunkel" zur Bekämpfung der Armut in Österreich sinnvoll ist, dann kann ich Ihnen nur sagen, Herr Kollege Großruck, ich werde beim ORF vorstellig werden, ich werde eine eigene Sendung für die ÖVP verlangen unter dem Titel "Licht ins Dunkel", denn irgendwann muß Ihnen ein Licht aufgehen, wer schuld trägt an der Armut der Familien in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Großruck: Sie haben das Thema verfehlt! Sie haben das Thema verfehlt mit Ihrer Kritik!) Ihre Familienminister! Irgendwann muß Ihnen ein Licht aufgehen, wer schuld ist, daß 30 Prozent der bäuerlichen Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, nämlich Ihr ÖVP-Landwirtschaftsminister! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Großruck: Bringen Sie ein Beispiel, wo Sie geholfen haben. Bringen Sie ein Beispiel! Sie können keines sagen!)

Armut in Österreich ist weiblich: 420 000 Frauen in Österreich haben keinen eigenen Pensionsanspruch, und 50 Prozent der Frauen haben eine Pension von unter 7 700 S. Daß die Armut vermehrt auf dem Land anzutreffen ist, haben wir heute bereits gehört. Die Bauernpension – das muß man sich einmal vorstellen –, die Pension von Bauer und Bäuerin zusammen beträgt 6 400 S, Frau Kollegin Horngacher. Eine Bäuerin erhält 3 640 S Pension. Frau Kollegin Horngacher, Sie haben das zu Recht bekrittelt. Nur, wer ist denn zuständig? – Seit 20 Jahren stellen Sie ununterbrochen die zuständigen Minister!

Und noch etwas, Frau Kollegin Horngacher: Jeden Antrag zur Besserstellung der bäuerlichen Bevölkerung lehnt Ihre Fraktion ab. Wir haben vor kurzem einen Antrag eingebracht, daß die Arbeitslosenbeiträge für die Nebenerwerbsbauern entweder nicht mehr eingehoben werden oder – wenn sie eingehoben werden – den Nebenerwerbsbauern Arbeitslosengeld bezahlt wird, wenn sie gekündigt werden. Sie stimmen alle diese Anträge nieder – einen nach dem anderen.

Armut ist in Österreich aber vor allem davon abhängig, ob jemand Kinder hat oder nicht. Das muß man sich vorstellen: Wir sind zwar das siebentreichste Land der Welt, aber bei uns leben 270 000 Kinder an der Armutsgrenze. Und dafür ist ganz eindeutig Ihre Steuerpolitik verantwortlich. Jeder Steuerpflichtige hat in Österreich 84 000 S jährlich als steuerpflichtiges Existenzminimum, nur den Familienangehörigen verweigert man ein Existenzminimum. Ganz egal, ob ein Familienvater ein, zwei, drei oder vier Kinder zu versorgen hat – darauf nimmt die Steuerpolitik in Österreich einfach keine Rücksicht. Und das ist eine wesentliche Ursache für die Armutsgefährdung im ganzen Land.

Das Belastungspaket, das gegen die Stimmen der Opposition beschlossen worden ist, dieses Maastricht-Euro-Belastungspaket, das die Regierung beschlossen hat, trifft vor allem die Familien. Man muß sich vorstellen, durch dieses Belastungspaket bekommt jetzt eine Familie mit sechs Kindern – Einkommen unter dem Existenzminimum – jährlich 19 000 S weniger. Eine Familie mit einem Kind – ebenfalls unter dem Existenzminimum – wird mit 10 000 S zur Ader gelassen, aber eine Familie mit einem Kind und einem Einkommen über dem Existenzminimum bekommt nur um 2 600 S jährlich weniger. – Wo, frage ich Sie von der Koalition, ist da die soziale Ausgewogenheit?


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Und die Beteuerungen von SPÖ und ÖVP, sich weiterhin für die Familien einzusetzen, kommen wirklich einer gefährlichen Drohung gleich, wenn man sieht, was Sie bei diesem Belastungspaket alles angestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Familienpolitik dieser Regierung beschränkt sich rein auf Wahlplakate. Da existieren für Sie plötzlich die Familien und die Kinder. Da lassen Sie sich abbilden mit den eigenen Kindern oder mit fremden Kindern – je nachdem, wie es notwendig ist –, und nach der Wahl ist alles vergessen. Sie brauchen die Familien nur als Mehrheitsbeschaffer bei den Wahlen, und dann liefern Sie sie schonungslos wieder der Begehrlichkeit des Finanzministers aus.

Wer hindert Sie denn daran, endlich ein Steuersystem einzuführen, im Rahmen dessen den Familien wenigstens ein Teil ihrer Leistungen abgegolten wird? Wenn heute die Familien immer weniger Kinder bekommen, dann gilt der Generationenvertrag nicht mehr. Aber Familien haben enorme Kosten durch die Kindererziehung. Ein Existenzminimum für alle Familienangehörigen würde das Problem mit einem Schlag lösen.

Aber es ist ja nicht nur so, daß immer mehr Familien unter die Armutsgrenze geraten, sondern es findet bereits eine schleichende Verarmung der unteren Mittelschicht statt. Schon längst betrifft nämlich diese steigende Armut nicht nur diejenigen, die offensichtlich bereits unter dem Existenzminimum sind, immer mehr betrifft es Facharbeiterfamilien und Beamtenfamilien. Diese Familien können nur mehr überleben, weil sie zum Teil Zuschüsse von ihren Eltern bekommen.

Neben der Belastung durch dieses Euro-Maastricht-Belastungspaket sind im vergangenen Jahr die Mieten um mehr als 4 Prozent gestiegen. Die Leute können sich ja das Wohnen bereits nicht mehr leisten. Die privaten Haushalte können die Abgaben für die Abwasserentsorgung, für die Müllgebühren, für die Stromkosten nicht mehr bezahlen. Und das trifft wieder die Familien besonders hart, denn größere Familien brauchen einen größeren Wohnraum, haben höhere Kosten. Darauf nimmt diese Politik, diese Regierung aber in keinem Ansatz Rücksicht. (Abg. Eder: Das ist falsch, was Sie sagen!) Nein, in keinem Ansatz, nirgends! (Abg. Dr. Mertel: Diese Frau hat keine Ahnung!)

Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. – Herr Bundeskanzler! Ich habe vor kurzem ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Lenzing AG geführt. Er hat bei uns um Verständnis dafür geworben, daß bei der Lenzing AG 500 Arbeitsplätze abgeschafft werden, es wird ausgelagert. Er sagte, er könne das Werk als Vorstandsvorsitzender einer AG nur dann erfolgreich führen, wenn er rationalisiert. Und rationalisieren heißt Leute entlassen. Er könne gar nicht anders. Er leide persönlich darunter, weil er sich wie ein Unmensch vorkomme. Er wisse ganz genau, daß da mehr als 500 Schicksale dranhängen. Er müsse es aber tun, denn die Lohnkosten in den sogenannten Billiglohnländern sind um so vieles niedriger, sodaß er die Produktion in Österreich einfach nicht mehr aufrechterhalten kann. Er sagte, jetzt werde die Produktion bereits von Indonesien nach Bangladesh, nach China verlagert – immer dorthin, wo es am billigsten ist. Und mit einer unheimlichen Rasanz werden Fabriken abgebaut und in der nächsten Billigzone wieder aufgebaut.

Der Vorstandsdirektor der Firma Lenzing hat auf meine Frage, wie er sich vorstellen könnte, daß man dieses Problem zumindest aus europäischer Sicht lösen könnte, nur eine Antwort gehabt: Die einzige Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, bevor wir in Massenarbeitslosigkeit geraten, sei die Einführung von Schutzzöllen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Es liegen drei Entschließungsanträge vor.

Als erstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend einen jährlichen Armuts- und Reichtumsbericht.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag Öllinger zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Der zweite Antrag Öllinger ist ein Entschließungsantrag betreffend Forschungsschwerpunkt Armut für das Jahr 1997.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Antrag Öllinger zustimmen, dies durch ein Zeichen bekunden. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Wabl betreffend 7,5 Sozialmilliarden statt Panzerfinanzierung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Wabl eintreten, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit haben wir die Abstimmungen im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage beendet.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1335/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers mit der Ordnungszahl 1335/AB.

Die entsprechende Anfragebeantwortung ist schriftlich verteilt worden. Es erübrigt sich daher eine Verlesung durch den Schriftführer.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß die Redner 5 Minuten zur Verfügung haben, der Erstredner 10 Minuten, und wenn sich ein Mitglied der Bundesregierung zu Wort meldet, soll die Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten.

Erstredner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Er hat somit eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte sehr.

17.39

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 3. Oktober haben die Freiheitlichen eine schriftliche Anfrage eingebracht mit der Bitte, daß diese vom Bundeskanzler dringlich behandelt werden möge. Der Herr Bundeskanzler hat in üblicher Weise die Dringliche Anfrage damit abgetan, daß er sie eben nicht beantwortet hat. Das gleiche mußte heute die grüne Fraktion mit ihrer Dringlichen Anfrage erleben.

Aber nicht nur das: Der Herr Bundeskanzler hat es auch verabsäumt, die schriftliche Dringliche Anfrage fristgerecht zu beantworten. Herr Bundeskanzler! Das ist ein Instrumentarium, das seitens der Opposition verstärkt eingesetzt wird und das im Rahmen der letzten Geschäftsordnungsreform leider sehr eingeschränkt worden ist. Deswegen haben die Abgeordneten des Hohen Hauses das Recht, daß Sie geschäftsordnungsgemäß den Fristenlauf einhalten und eine entsprechende Antwort innerhalb einer gegebenen Frist abgeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Wir haben auch kein Verständnis dafür, daß Sie über eine Dringliche Anfrage mit 39 Fragen in der Art darüber hinweggehen, daß Sie Fragen zum Teil überhaupt nicht beantworten und daß Sie Fragen auch unrichtig beantworten.

Ich gehe jetzt im Detail auf ein paar Fragen ein.

Zuerst zur Frage 3: An welche internationale Organisationen und in welcher Höhe hat Österreich in den letzten Jahren freiwillige Beiträge geleistet? – Sie schreiben in der Anfragebeantwortung:


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Abgesehen davon, daß der Begriff "freiwillige Beiträge" keine ausreichende Distriktionsbasis darstellt, fällt die Beantwortung dieser Anfrage nicht in meine Vollzugskompetenz.

Herr Bundeskanzler! Laut Förderungsbericht 1995 vergeben Sie vom Bundeskanzleramt aus an ausländische Organisationen Beiträge in einer Größenordnung von 250 Millionen Schilling. Das ist zwar nicht sehr viel, aber es sind doch immerhin 250 Millionen Schilling. Und wenn man sich den Förderungsbericht anschaut und einzelne Positionen herausnimmt, klingt eine Position eher lächerlich aufgrund unserer Budgetdefizitsituation: Beratungsmaßnahmen für Budgetdefizit für Polen. – Herr Bundeskanzler, ich kann nicht verstehen, daß Sie für solche Dinge Ihr Herz hergeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In der Frage 4, Herr Bundeskanzler – es geht da um die Ankündigung am Weltsozialgipfel in Kopenhagen im Jahre 1995, wo Sie einfach 1 Milliarde Schilling zugesagt haben –, haben wir Freiheitlichen nachgefragt, auf welchen rechtlichen Grundlagen diese Vergabe basiert. Sie haben gesagt, Sie hätten das mit dem Finanzminister besprochen und mit der zuständigen Frau Staatssekretärin, und deswegen haben Sie 1 Milliarde Schilling vergeben. Gesetzliche Grundlagen werde es in Form einer Regierungsvorlage geben, die Mitte 1997 eingebracht werden wird.

In den Fragen 6 bis 17 haben wir konkrete Fragen über Garantiemaßnahmen gestellt. Zum Beispiel: Für welche Länder gab es seit 1986 neue Haftungszusagen? In welcher Höhe liegen diese? Mit welchem Land zu welchen Bedingungen und in welcher Höhe wurde ein Garantievertrag mit einer Laufzeit bis 2029 geschlossen? Mit welchen Staaten wurden Garantieverträge mit einer Laufzeit von zumindest zehn Jahren zu welchen Bedingungen abgeschlossen? Für welche Länder gab es in den letzten Jahren in welcher Höhe und wann und zu welchen Konditionen Umschuldungen? Bei einem umfassenden Umschuldungsvertrag mit der ehemaligen UdSSR handelt es sich um Schulden in der Höhe von 29 Milliarden Schilling. Wie hoch ist die Verzinsung dieses Betrages? – Und so weiter.

Herr Bundeskanzler! Auf der einen Seite geben Sie bereitwillig eine Milliarde Nachlaß, auf der anderen Seite bekommt man auf konkrete Fragen, wie wir Freiheitliche sie am 3. Oktober im Rahmen einer schriftlichen Dringlichen Anfrage an Sie gestellt haben, die Antwort: Diese Fragen berühren meine Vollzugskompetenz nur in marginaler Weise. – So kann es bitte wirklich nicht gehen!

Auf eine Frage sind Sie konkreter eingegangen, und zwar gerade auf die Frage bezüglich Schuldzinsen für Rußland in der Größenordnung von 29 Milliarden Schilling. Diese Frage beantworten Sie damit, daß Sie sagen: In bezug auf Frage 15 weise ich darauf hin, daß Rußland keine Schuldenerleichterung gewährt wurde. Es kommt daher ein kommerzieller Zinssatz zur Anwendung. – Was ist bei Ihnen ein kommerzieller Zinssatz, Herr Bundeskanzler? Ist der kommerzielle Zinssatz derjenige, der derzeit dem Finanzschuldenbericht der Postsparkasse zugrunde liegt, in einer Größenordnung von 7 Prozent? Ist der kommerzielle Zinssatz für Sie einer auf Libor-Basis mit einem Zuschlag von 0,5 Prozent! Ist er 4 Prozent? Oder ist er von der Langfristigkeit her ein Zinssatz mit 6 Prozent? – Sie können es sich aussuchen.

Gibt es einen kommerziellen Zinssatz oder nicht? Sie haben diese Frage nämlich nicht beantwortet. Die Frage wurde im Rahmen einer schriftlichen Anfrage von seiten des Finanzministers beantwortet. Der Finanzminister hat diese Frage wie folgt beantwortet:

Die Kapitalzahlungen beginnen somit im Jahr 2002. Anzumerken ist, daß Rußland entsprechend der bisher abgeschlossenen Fälligkeitsumschuldungen seit 1992 Zinsen in Höhe von rund 2,3 Milliarden Schilling entrichtet hat. – Bei einer Basis von 29 Milliarden Schilling und einer Laufzeit von mindestens vier Jahren wollen Sie uns weismachen, daß 2,3 Milliarden Schilling zur Größenordnung eines Kapitals von 29 Milliarden Schilling ein marktkonformer Zinssatz sind. Das ist ein Zinssatz in der Größenordnung von 2 Prozent und nicht mehr. 2 Prozent sind heute nach wie vor kein marktkonformer Zinssatz, denn vor Jahren waren der Zinssatz und der Libor entsprechend höher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind eben Dinge, die eine Oppositionspartei ärgern. Wir stellen konkrete Fragen, Sie gehen auf die Fragen überhaupt nicht ein, nur auf eine Frage im konkreten, vielleicht in der Hoffnung,


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daß die Freiheitlichen beziehungsweise die Abgeordneten hier im Hohen Haus keine Information aus anderen Ministerien haben, und glauben, Sie können mit einer wirklich unwahren Aussage über unsere Fragen hinweggehen.

Herr Bundeskanzler! Ein Zinssatz von 2 Prozent ist nicht marktkonform. Wenn Sie einen Zinssatz ansetzen, der marktkonform ist und in einer Größenordnung zwischen 4 und 5 Prozent liegt, dann hätten Zinsen in einer Größenordnung von 4,6 bis 5,9 Milliarden Schilling entrichtet werden müssen. Das wäre ein kapitalmäßiger Zinssatz gewesen.

Herr Bundeskanzler! Ich komme zu einer weiteren Fragebeantwortung. In Frage 20 fragen wir Freiheitlichen Sie: Wann werden Sie das seit Jahren versprochene und vom Rechnungshof bereits mehrfach geforderte Osthilfegesetz als Regierungsvorlage dem Nationalrat übermitteln, und auf welche Höhe beläuft sich der Schaden für den Steuerzahler aufgrund der vom Rechnungshof festgestellten Mängel in der österreichischen Osthilfe? – Wir bekommen von Ihnen als Antwort: Die Anregungen des Rechnungshofes bezogen sich im wesentlichen nicht auf die Osthilfe, sondern auf die humanitären Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung. Davon ausgehend, daß ich Hilfsmaßnahmen für die durch Naturkatastrophen, Kriegsereignisse oder ähnliches notleidende Bevölkerung eines Landes nicht als Schaden der Republik Österreich qualifiziere, halte ich fest, daß durch die vom Rechnungshof aufgezählten Mängel kein Schaden eingetreten ist.

Herr Bundeskanzler! Sie kennen den Rechnungshofbericht. Da geht es um Positionen. Zum Beispiel: Laut den allgemeinen Bedingungen waren bei Gütern von einem Vergabewert von mehr als 100 000 S drei Angebote einzuholen. Der Rechnungshof hat festgestellt, daß durch eine unrichtige Vergabe vermehrte Kosten von 50 Prozent entstanden sind, das entspricht einer Mehrbelastung von 400 000 S.

Der Rechnungshof hat festgestellt, daß im Dezember 1989 eine große Hilfsorganisation für Medikamentenlieferungen nach Rumänien eine Förderung von 6 Millionen Schilling erhalten hat. Mangels entsprechender Aufzeichnungen war aber nicht festzustellen, wohin die Lieferungen erfolgten und wie deren Aufteilung vorgenommen wurde.

Für eine Lieferung von 1 000 Tonnen Futtermitteln nach Rumänien, welche vom Bundeskanzleramt mit mehr als 3 Millionen Schilling unterstützt worden ist, fehlten Empfangsbestätigungen und Transportbescheinigungen.

Auch für eine Förderung von 10 Millionen Schilling für durchgeführte Hilfsmaßnahmen nach Kroatien fehlen Empfangsbestätigungen und Berichte über die Verteilung der Hilfslieferungen.

Gemäß Rahmenbeschluß der Bundesregierung im Jänner 1991 über 100 Millionen Schilling für die Vermeidung von Versorgungsengpässen in der ehemaligen UdSSR erhielt eine Hilfsorganisation 10 Millionen Schilling für Hilfsgüter mit dem Hinweis, daß nur Lieferungen bestimmter dringend benötigter Hilfsgüter durchgeführt werden sollen. Und was hat man der Bevölkerung geschickt? Algenkapseln, Mamelinsalben, Naturheilmittel wie Charitébutter, Chinapalm und Johanniskrautöl.

Herr Bundeskanzler, wenn Sie jetzt behaupten, der österreichischen Bevölkerung sei kein Schaden entstanden, weil Sie wahrscheinlich der Meinung sind, daß der Schaden jener Bevölkerung entstanden ist, die diese Hilfsmaßnahmen entgegennehmen wollte, dann täuschen Sie sich. Der österreichischen Bevölkerung, dem österreichischen Steuerzahler ist großer Schaden entstanden, weil Sie nicht die entsprechenden Kontrollmaßnahmen angesetzt haben, damit diese Hilfsgüter entsprechend ihrem Zweck ankommen und der Bevölkerung auch zur Verfügung gestellt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist unsere Kritik, Herr Bundeskanzler! Wir stellen eine Dringliche Anfrage mit konkreten Fragen, und Sie entziehen sich dieser Anfrage, Sie entziehen sich der Dringlichkeit, indem Sie die Fragen dem Hohen Haus nicht beantworten, und Sie beantworten die Anfrage zu spät, unvollständig und zum Teil nicht richtig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Er hat das Wort.

17.49

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abgeordneter Trattner hat in seinem Redebeitrag erneut die Frage der Entschuldung von Entwicklungsländern und die Ankündigung, die der Bundeskanzler beim Sozialgipfel in Kopenhagen gemacht hat, angesprochen. Ich bin sehr dankbar dafür, daß diese Frage angesprochen wurde, weil das die Möglichkeit gibt, klarzustellen, was der Sinn dieser Aktivität ist.

Der Sinn besteht im wesentlichen darin, höchstverschuldete arme Staaten von der Schuldenlast zu befreien, um ihnen die Möglichkeit einer normalen ökonomischen Entwicklung zu geben. An dieser normalen ökonomischen Entwicklung von Entwicklungsländern müßten wir eigentlich alle gemeinsam Interesse haben. In einer Situation, in der das weltwirtschaftliche Wachstum leider nur 2,5 Prozent beträgt, während das Handelswachstum dankenswerterweise 8 Prozent beträgt, müssen wir als Teil dieser Weltwirtschaft daran interessiert sein, daß es möglichst viele Akteure gibt, die imstande sind, ihre Wirtschaft dementsprechend auszubauen. Und in vielen Ländern dieser Welt ist eine Voraussetzung dafür, daß sie von gewissen Altlasten befreit werden.

Wenn nun Österreich darangeht, neben der Teilnahme an multilateralen Entschuldungen einen bilateralen Schritt zu setzen, dann tun wir das auch nicht alleine, sondern wir tun im wesentlichen das gleiche, was andere zivilisierte westeuropäische Staaten auch machen, um einen Beitrag zu leisten, daß es dort zu einer vernünftigeren wirtschaftlichen Grundlage kommen kann.

Grundlagen für eine vernünftige Wirtschaftsentwicklung, für eine vernünftige soziale Entwicklung sind nach wie vor die besten Investitionen, die man auch für Frieden und Stabilität leisten kann (Beifall bei der SPÖ), denn bei jeder Analyse von Krisenherden in der Welt wird man feststellen: Dort, wo kein Licht – ökonomischer und sozialer Natur – am Ende des Tunnels erkennbar ist, ist die Neigung zu gewalttätigen Auseinandersetzungen am größten. Das heißt, die wirtschaftliche Entwicklung möglich zu machen, ist ein konkreter Beitrag zur Verhinderung von Kriegen und gewalttätigen Auseinandersetzungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Warum beantwortet der Bundeskanzler die Frage falsch?)

Der Herr Bundeskanzler hat diese Frage völlig richtig beantwortet. Er hat bestätigt, daß er das im Rahmen des Weltsozialgipfels in Aussicht gestellt hat, er hat eine Regierungsvorlage im Parlament angekündigt und darauf hingewiesen, daß das Parlament dann die Möglichkeit haben wird, das zu beschließen. Das Parlament hat sich seinerseits mit dieser Frage im Zuge eines Hearings bei Anwesenheit aller fünf Parlamentsparteien auseinandergesetzt, und niemand ist bei diesem Hearing aufgestanden und hat die grundsätzliche Vernünftigkeit dieser Maßnahme in Frage gestellt.

In Wirklichkeit, abseits jeder politischen Auseinandersetzung, die man führen kann, egal ob man es konservativ, progressiv oder wie immer sieht, sind sich alle in der Welt heute darüber im klaren – die internationalen Finanzinstitutionen, alle Finanzminister –, daß an der Entschuldung der ärmsten Staaten kein Weg vorbeiführt. Und wenn sich Österreich an einer solchen Maßnahme beteiligt, sollte das kein Anlaß zu Kritik, sondern ganz im Gegenteil Anlaß zu Zustimmung in diesem Hohen Haus sein, weil sich Österreich dadurch mit positiven Beiträgen zur Entwicklung der Welt präsentiert und nicht mit negativen Schlagzeilen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Er hat das Wort.

17.54

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wenn man die Anfrage der Freiheitlichen exakt durchliest, kommt man zu einem Grundproblem, das dahintersteckt. (Abg. Ing. Reichhold: Lies dir lieber die Antworten des Kanzlers durch!) Dieses Grundproblem besteht in der Frage: Kann man aufgrund der Ent


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wicklung in Österreich, aufgrund von Sparpaketen überhaupt irgendeine Maßnahme treffen – sei es durch Umschuldungsmaßnahmen, sei es durch Entwicklungshilfe, seien es die angesprochenen vielfältigen Tätigkeiten Österreichs im Ausland – und sie auch rechtfertigen? – Ich glaube, dazu ist bisher zuwenig gesagt worden, denn vielfach wird der Eindruck erweckt, als wäre das nur eine Frage von humanitären Maßnahmen. Das ist es aber nicht. Ich glaube, daß im Interesse unserer Staatsbürger sehr wohl drei verschiedene Punkte dazu festzuhalten sind.

Punkt 1: Staaten tragen eine globale Verantwortung, und Österreich trägt eine globale Verantwortung auch im Interesse der Österreicher. Wenn Treibhauseffekt entsteht, wenn die Luftgüte, wenn die Wassergüte in verschiedenen Teilen der Welt dermaßen beeinträchtigt wird, so ist das auch für Österreich etwas, vor dem wir nicht einfach die Augen verschließen können, sondern wir haben im Interesse unserer Staatsbürger die Verantwortung, hier tätig zu werden. (Abg. Haigermoser: Trotzdem darf man wissen, wohin die Dinge kommen!) Selbstverständlich, das wurde ja auch zum Teil beantwortet.

Ich würde daher meinen, daß die Lenkungseffekte, die damit gerade in Richtung Umweltschutz erzielt werden können, eine Möglichkeit schaffen, daß wir Entwicklungshilfe, daß wir Umschuldungsmaßnahmen in diese Richtung lenken können. (Abg. Haigermoser: Aber die Glaubwürdigkeit ist doch wichtig!)

Punkt 2: Österreich hat sich ja auch im europäischen Umfeld zu bewegen. In der Antwort des Herrn Bundeskanzlers auf Frage 1 zeigt sich, daß wir im europäischen Umfeld in keiner Weise ganz außergewöhnliche Leistungen erbringen – ich denke etwa an die Beitragsleistungen Österreichs zur International Development Association, wo wir mit 0,9 Prozent in einem Bereich liegen, der wesentlich geringer ist als in anderen Staaten.

Meine Damen und Herren, worin besteht dann der Grund für die Aufregung? Ich würde sagen, auch im Interesse unserer Staatsbürger müssen wir zu internationalen Verpflichtungen stehen und sie einhalten, das sind wir unseren Bürgern im Sinne der Glaubwürdigkeit unserer Politik schuldig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte, meine Damen und Herren, noch einen dritten Aspekt anschneiden. Kollege Gusenbauer hat bereits darauf verwiesen. Ich glaube, daß wir in Europa angesichts der Entwicklung eines Spannungsfeldes, am Rande einer Stabilitätszone liegend, künftig auch in Sicherheit investieren müssen, indem wir uns diese Sicherheit bei anderen Staaten durch Investitionen in die Stabilität sichern. Wenn ich daran denke, daß vor allem Umschuldungen der Ostländer ein Thema sein werden, das uns in den nächsten Jahren noch berühren wird, so muß ich sagen, das hat unter dem Sicherheitsaspekt durchaus auch eine Relevanz, die wir nicht negieren können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine daher zusammenfassend, meine Damen und Herren, daß wir aus dieser Anfragebeantwortung eines ersehen können: Wir leisten nicht mehr als andere vergleichbare Staaten, sondern wir bewegen uns im europäischen Umfeld. Wir sind Verpflichtungen eingegangen, zu denen wir zu stehen haben.

Und eines möchte ich der Freiheitlichen Partei auch noch ins Stammbuch schreiben: Wenn Sie sagen, der Herr Bundeskanzler habe auf die Fragen 6 bis 17 keine entsprechende Antwort gegeben, dann möchte ich Sie darauf hinweisen: Wenn Sie den Bundeskanzler Dinge fragen, die nicht in seiner Kompetenz liegen, dann sollten Sie vielleicht zunächst einmal das Bundesministeriengesetz lesen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das ist aber eine schwere Kritik, Herr Bundeskanzler!)

17.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Er hat das Wort.

17.58

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner von der Österreichischen Volkspartei hat uns eindrucksvoll vor Augen geführt, wie


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unterschiedlich die Argumentation in der Fraktion ist, denn er hat gesagt: Wir leisten nicht mehr als andere, und es hat alles seine Richtigkeit.

Ich darf daran erinnern, daß hier Herr Dr. Mock sitzt, der 1995 als Außenminister dagegen protestiert hat, daß der Bundeskanzler zum Weltsozialgipfel nach Kopenhagen gefahren ist und 1 Milliarde Schilling gestundet und hergeschenkt hat. Mock hat gesagt, da brauchen wir eine Regelung, das ist nicht abgestimmt. – Jetzt schreibt derselbe Bundeskanzler in der von Spindelegger so begrüßten Anfragebeantwortung, er brauche diesen Beschluß nicht, das habe er sowieso mit Gitti Ederer und mit dem Finanzminister besprochen. Die ÖVP läßt sich gefallen, daß ohne Beschlüsse auf Milliardenbeträge verzichtet wird, und dann gehen Sie ans Rednerpult und erklären den Österreichern, daß wir die Armut bekämpfen müssen?! – Das ist nämlich Ihre Doppelstrategie, und deshalb sind Sie bei den Wählern auch so unglaubwürdig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir zahlen nicht mehr als andere, sagt er. – Bitte, da steht in der Anfrage, daß 455 Millionen Schilling freiwillig von Österreich in einen neuen Fonds eingezahlt worden sind, weil die Amerikaner ihre Verpflichtungen aus der UNIDO nicht mehr erfüllen. Müssen wir jetzt schon für die Amerikaner die Ausfallshaftung übernehmen?

Herr Kollege, wir zahlen nicht mehr als andere, die ihre Verpflichtungen erfüllen? – Ein absoluter Unsinn ist das, was Sie hier gesagt haben! Sie sollten sich besser informieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler sagt in seiner Anfragebeantwortung etwa zum Thema HTM: Die Europäische Union, die Kommission wird demnächst einen Bericht legen und keine Einwände gegen die HTM-Subventionierung durch Österreich erheben.

Unter Berücksichtigung der gegebenen Rahmenbedingungen war die Lösung, die übrigens unter Einschaltung beziehungsweise Vermittlung einer renommierten internationalen Investitionsbank getroffen wurde, jedenfalls die bestmögliche. – So Vranitzky.

Bei dem Bericht, den Vranitzky seit Monaten in Händen hat, denn die Kommission hat ihn bereits am 31. Juli 1996 abgefertigt, tut er so, als würde dieser erst jetzt kommen. Er hat ihn bereits. In diesem Bericht steht ganz etwas anderes drinnen. In diesem Bericht steht auf Seite 25: Die Veräußerung an Eliasch kann demnach nicht als die kostengünstigste Lösung für die Austria-Tabak angesehen werden. (Abg. Mag. Stadler: Hört, hört!) – Genau das Gegenteil, meine Damen und Herren, steht drinnen!

Das heißt, die Unternehmenspolitik der Regierung Vranitzky, des Bundeskanzlers, der sich gerade vor wenigen Minuten hier hergestellt und gesagt hat: Arbeitsplätze sind wichtig!, besteht darin, daß wir 3,6 Milliarden Schilling an öffentlichen Geldern in der Zwischenzeit in den Verkauf der HTM investiert haben – 3,6 Milliarden Schilling! –, auch unter Nachweis des EU-Dokumentes, und 500 Arbeitsplätze verloren haben. Das heißt dann Arbeitsplatzsicherung dieser Regierung, meine Damen und Herren!

Dann geht der Kanzler her und sagt, das sei die bestmögliche Lösung, nur weil ein Investmentbanker, der dort auch entsprechend Provisionen kassiert hat, plötzlich den Verkauf betrieben und damit der Republik Österreich auch noch das Eigentum entzogen hat.

Das, meine Damen und Herren, sind die Dinge, die wir kritisieren. Das ist keine Wirtschaftspolitik, zu der wir stehen!

Dritter Punkt: Semperit. Auch da haben wir gefragt. Es dauert Monate, bis der Herr Bundeskanzler eine Meinung zu Semperit hat. Und dann schildert er uns in dem Dokument, er habe mit Herrn Schröder, dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, der im Aufsichtsrat der Conti sitzt, gesprochen, und gemeinsam hätten sie eine Standortgarantie für Semperit erreicht.

In der morgen erscheinenden "WirtschaftsWoche" ist ein Interview mit Herrn Hubertus von Grünberg, dem Conti-Chef. Dieser sagt auf die Frage, welches Werk in Europa zugesperrt


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werde: "Es wird nur von der Leitung des Werkes abhängen, und ich werde den teuersten drankriegen. Traiskirchen ist da noch nicht raus." – Ist das Ihre Standortgarantie? (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Traiskirchen ist nach wie vor von der Sperre betroffen: "Traiskirchen ist da noch nicht raus." Und da sagt der Herr Bundeskanzler, er habe sich mit Schröder getroffen, und Schröder als Conti-Aufsichtsrat habe ihm versichert, die Geschichte gehe schon klar. – Alles falsch, unwahr! Halbwahrheiten, Unrichtigkeiten!

Das ist genau die Politik, die wir angreifen. Und wir bringen auch die Kritik an dieser Anfragebeantwortung zu Recht vor, denn das Parlament hat ein Recht darauf, daß auch ein Bundeskanzler eine seriöse, ordentliche Antwort gibt, die Richtigkeit in den Fakten hat (Beifall bei den Freiheitlichen) , und sich nicht an der Opposition abputzt und sagt: Das interessiert mich gar nicht! Wenn man hier große Töne hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherung macht, wenn man Milliarden Schilling in öffentliche Unternehmen investiert, dann hat das Parlament auch ein Recht, darüber zu diskutieren, ob es wirklich eine vernünftige Wirtschaftspolitik ist, Milliarden zu investieren und Hunderte Arbeitsplätze dabei zu vernichten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich wurde informiert, daß Sie einen Antrag auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung einbringen wollen. Das haben Sie aber nicht getan? (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) – Gut. Das war nur für mich zur Klarstellung.

Als nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Peter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.03

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage ist wohl eines der wichtigsten Instrumente der Opposition im Parlament, und ich weiß, daß es durch die Geschäftsordnung gedeckt ist, wenn man die Antwort teilweise schriftlich nachreicht. Ich halte es aber eigentlich nicht für eine gute Sitte, diese Antworten schriftlich nachzureichen, da genau das nicht der Sinn einer Dringlichen Anfrage ist. Es ist die Aufgabe der Opposition, an die Regierung Dringliche Anfragen zu stellen, und es ist nach meinem parlamentaristischen Weltbild die Verpflichtung der Regierung, auch dringlich auf diese Fragen zu antworten.

Wenn es auch geschäftsordnungsmäßig gedeckt ist, so halte ich es für bedauerlich, wenn immer mehr schriftliche Antworten nachgereicht werden, und ich halte es doppelt für bedauerlich, wenn diese Antworten dann nicht fristgerecht eintreffen.

Zum Thema selbst: Wir Liberalen bekennen uns selbstverständlich zur internationalen Verantwortung der Republik Österreich und glauben, daß der Anteil unserer Entwicklungshilfe zu gering ist. Wir zahlen 0,3 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts, alles zusammengenommen, für Entwicklungshilfe. Ich halte es für einen absolut unzulässigen Vergleich, jene Gelder, die an Menschen auf dieser Erde gehen, denen es leider noch viel schlechter geht als den Menschen, die schon arm in unserem Land sind, aufzurechnen und zu sagen: Was hätte man damit in Österreich tun können! Es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit als Republik Österreich, im Zusammenhang einer weltweiten Verantwortung mitzuhelfen, diese Armut in der Welt zumindest zu lindern. Lösen können wir das Problem leider nicht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber kontrollieren, wie das Geld verwendet wird!) – Dazu komme ich noch.

Ich halte vor allem die Hilfe, die wir für die mittelsüdosteuropäischen Länder gegeben haben, für eine absolut produktive. Es ist eine Hilfe gewesen, die unter anderem dazu beigetragen hat, daß die Handelsbilanz zwischen Österreich und den mittelsüdosteuropäischen Ländern seit der Ostöffnung positiv ist. Allein im 94er Jahr gab es einen Handelsbilanzüberschuß von 14 Milliarden Schilling! Hier entwickeln wir unsere eigenen Märkte. Und es ist zu kurz gegriffen, ganz einfach zu sagen, mit diesen Geldern hätte man in Österreich das und jenes tun können. Die Multiplika


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toren, die aus der Entwicklung der mittelsüdosteuropäischen Märkte entstehen, sind für unser Land hinsichtlich der Beschäftigung, hinsichtlich der Wertschöpfung viel höhere.

Ich glaube darüber hinaus, daß der Pariser Klub sehr wohl recht hat, wenn er eine Schuldenerleichterung für die Entwicklungsländer beschlossen hat. Nur geht das eigentlich am Thema vorbei. Es ist nur eine punktuelle Korrektur. Das wirkliche Problem, meine Damen und Herren im Hohen Haus, ist die Tatsache, daß der weltweite nominelle Zins über dem weltweiten nominellen Wachstum liegt. Das ist das Problem der Entwicklungsländer, auch vieler Schuldner in der ersten Welt. Hier geht es um das Problem, daß diesen hochverschuldeten Ländern die Zinsen davonlaufen, weil ihr Wirtschaftswachstum nominell kleiner ist als der nominelle Zins. Das ist eine internationale Frage, wo ich den Herrn Bundeskanzler auffordere, auf internationalen Ebenen darauf hinzuweisen. Da ist uns etwas im Begriff zu entgleiten.

Die teilweise Entschuldung der Entwicklungsländer kann also nur eine Hilfe sein, aber sie löst das Problem nicht, das in der beschriebenen Zinswachstumsfalle liegt und das ohne Zweifel auch in der Bevölkerungsfalle liegt. Die Gleichberechtigung der Frau in den Entwicklungsländern, der Aufbau einer Alterssicherung und – ich sage das bewußt als drittes – die Frage der Geburtenkontrolle sind jene Bereiche, die wir angehen müssen, um die Weiterentwicklung der Armut dort zu hemmen.

Herr Bundeskanzler! Bei allem Bekenntnis der Liberalen zu diesem 1-Milliarden-Schilling-Schuldennachlaß und zu den 300 Millionen Schilling für die Palästinenser sei doch etwas angemerkt. Genauso wie ich Sie höflich bitte, an Sie gerichtete Dringliche Anfragen am Ort, also hier, zu beantworten, kann ich Sie nur darum ersuchen: Es ist klüger, zuerst das Parlament damit zu befassen und erst danach eine Zusage zu geben, die das Parlament dann ohne den Druck beschließen kann, seinen Bundeskanzler nicht zu desavouieren. Die Kontrolle der Mittelverwendung, Herr Bundeskanzler, ist unverzichtbar für das Vertrauen der Bevölkerung in diese Hilfe, die gegeben wird. Und diese Kontrolle ist offensichtlich da und dort mangelhaft, wie auch der Rechnungshof nachgewiesen hat.

Ich halte daher diese Anfragebeantwortung nicht für befriedigend. Sie läßt meiner Ansicht nach zu viele Fragen offen. Ich will sie nicht zurückweisen, aber ich halte sie in Summe für nicht zur Gänze befriedigend. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich nunmehr Herr Bundeskanzler Dr. Vranitzky gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

18.08

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir mitgeteilt worden, daß die von mir zugesagte schriftliche Beantwortung der Dringlichen Anfrage vom 3. Oktober erst mit dreitägiger Verspätung dem Parlament übermittelt wurde, wie im übrigen zwei andere Anfragebeantwortungen auch.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bedauere dieses Versehen. Ich kann Ihnen aber gleichzeitig mitteilen, daß ich die notwendigen Vorkehrungen getroffen habe, damit eine solche Verspätung bei annähernd hundert parlamentarischen Anfragen im Jahr in Zukunft nicht stattfinden wird oder höchstens ein Ausnahmefall bleibt. (Abg. Mag. Stadler: Das hätten Sie in der Debatte gleich beantworten können!)

Herr Abgeordneter Peter! Sehr gerne. Aber nur was den heutigen Tag betrifft: 40 Anfragen mit mehreren Unterteilungen, das sind netto 80 bis 90 Anfragen. Das ist zwischen Vormittag und 15 Uhr nicht wirklich zu bewältigen. Es tut mir leid, aber ich kann daher nicht anders, als auf diesen Teil der Geschäftsordnung zurückzukommen.

Zum kommerziellen Zinssatz: Ich habe mich noch einmal jetzt, in diesen Minuten, erkundigt. Für Umschuldungen im Pariser Klub wird der variable ÖKB-Finanzierungszinssatz angewendet, ohne Stützungselement. Daß diese Rückrechnung durch Mag. Trattner vom absoluten Betrag auf eine Verzinsung korrekt ist, will ich nicht bezweifeln, weil Sie sicher gut gerechnet haben.


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Meine Rechnung ist eine andere. Wir werden das genau überprüfen. (Abg. Dr. Haider: Wie hoch ist der Zinssatz? Was ist Ihr Ergebnis?)

Die Kontrollmaßnahmen für Hilfslieferungen nach Osteuropa und die angeführte Rechnungshofkritik: Der Rechnungshof bezieht sich auf die humanitären Hilfsmaßnahmen. Das findet folgendermaßen statt, meine Damen und Herren: Die Gelder werden karitativen Organisationen übergeben: Rotes Kreuz, Caritas et cetera. Diese müssen rasch Hilfeleistungen erbringen, sie sind nicht in der Lage, Ausschreibungen zu veranstalten. Wir haben das dem Rechnungshof so mitgeteilt.

Betreffend keine Empfangsbestätigung: Vor Ort wird Opfern rasch geholfen. Es ist unmöglich, Opfern in Krisenregionen Empfangsbestätigungen abzuverlangen. Das ist total unrealistisch. Das haben wir dem Rechnungshof auch gesagt.

Bezüglich Kopenhagen ist noch einmal festzuhalten – Abgeordneter Gusenbauer hat das schon erläutert, ich wiederhole es –: Es besteht Übereinkunft zwischen den zwei Regierungsparteien, eine Regierungsvorlage vorzubereiten und dann dem Parlament zu übermitteln. Selbstverständlich wird kein Schuldennachlaß effektuiert, ehe dieses Gesetz vorliegt.

Zu den Anmerkungen betreffend Semperit: Es gibt einen Brief des Vorstandsvorsitzenden von Conti. Conti ist eine Aktiengesellschaft mit einem Aufsichtsrat, in dem Ministerpräsident Schröder nicht vertreten ist, weder persönlich noch sonstwie. (Abg. Dr. Haider: Das sagen Sie immer!) Ich habe das nie gesagt, Sie haben das immer behauptet. (Abg. Dr. Haider: Sie haben es ja geschrieben!) Sie haben vorigen Sommer gesagt: Gehen Sie doch zum Schröder, der sitzt im Conti-Aufsichtsrat. – Er sitzt nicht dort.

Der Vorstandsvorsitzende Grünberg hat den Bundesministern Klima und Farnleitner einen Brief geschrieben des Inhalts, daß der Standort Traiskirchen erhalten bleibt. Ich bin sehr froh, daß wir das in den Gesprächen erreicht haben, denn mittlerweile hat sich der Reifenabsatz des Traiskirchner Werkes wieder erhöht, und wir haben eine gute Chance, daß sich das Werk weiter entwickeln kann, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Abgeordneter Haider zitiert einen Bericht der Europäischen Kommission zum Thema HTM, wie er sagt, vom 30. Juli. Das ist natürlich auch nicht wahr. Er ist vom 21. August. Aber das macht nichts. Er sagt, daß in diesem Bericht stünde: Die Veräußerung an Eliasch kann demnach nicht als kostengünstige Lösung für AT angesehen werden. – Ich habe auch nicht behauptet "kostengünstig", sondern ich habe gesagt "bestmöglich". (Ruf bei den Freiheitlichen: Für wen?) Wer sich wirklich damit beschäftigt hat, der weiß, daß diese Anmerkung "nicht kostengünstige Lösung" darauf zurückzuführen ist, daß die Kommission einen Dialog führte zwischen zwei Alternativen, nämlich Fortführung oder Konkurs. Man hat sich österreichischerseits für die Fortführung des Werkes und für die Rettung der Arbeitsplätze entschieden und nicht für den Konkurs. Wenn heute Herr Dr. Haider hier hergeht und sagt, nicht kostengünstig genug, und besser wäre von den Kosten her die andere Alternative gewesen, nämlich Insolvenz, dann meint er damit, HTM hätte in Konkurs gehen sollen, und etliche hundert Arbeitsplätze wären verlorengegangen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es ist noch nicht aus, denn wenn man dem politischen Gegner etwas ans Zeug flicken will, ist man selektiv. Ich bin nicht selektiv, sondern umfassend und lese vor, was in dem Bericht auch steht. Wörtlich: "Die Kommission ist der Auffassung, daß der Verkauf, auch wenn die Absicht von AT zur Veräußerung von HTM nicht öffentlich bekanntgegeben wurde, im Rahmen eines breit angelegten Verfahrens erfolgte, das in seiner Wirkung einer normalen öffentlichen Ausschreibung entspricht und in dessen Verlauf AT das beste Angebot auswählte." – Das steht nämlich in dem Bericht als Fazit der Überprüfung der HTM-Transaktion durch AT. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich lese in der APA, daß Generalsekretär Westenthaler dem Bundeskanzler vorgeworfen hat, beim Thema HTM-Privatisierung gelogen zu haben. "Vranitzky sollte" – so wörtlich – "zu seiner skandalösen Lügenbeantwortung der Dringlichen Anfrage Stellung nehmen." (Rufe bei der SPÖ: Gemeinheit! – Abg. Parnigoni: Schämen Sie sich!)


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51. Sitzung / Seite 133

Meine Damen und Herren! Hier steht das Wort "Lügenbeantwortung". Ich bin davon ausgegangen, eine parlamentarische Anfrage zu beantworten. Ich bin davon ausgegangen, eine Anfragebeantwortung und nicht eine Lügenbeantwortung zu machen. Denken Sie das grammatikalisch durch, und dem ist nichts mehr hinzuzufügen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

18.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen einen Antrag eingebracht haben, die Beantwortung 1335/AB der Anfrage 1306/J der Abgeordneten Mag. Trattner und Kollegen betreffend Geldgeschenke versus Sparpaket durch den Bundeskanzler nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ich lasse jetzt über diesen Antrag abstimmen. (Abg. Schieder: Wie ist der eingebracht? Entschuldigen Sie, Herr Präsident, aber Sie haben zuerst gerade gesagt ...! – Abg. Dr. Haider: Geschäftsordnungsmäßig eingebracht!)

Herr Abgeordneter! Ich habe in der Zwischenzeit festgestellt: Der Antrag ist schriftlich eingebracht und dem Präsidium überreicht worden. Nach § 59 der Geschäftsordnung ist es ein Antrag zur Geschäftsbehandlung, den ich nicht besonders in die Verhandlung miteinbeziehen muß. Ich lasse daher jetzt – er ist ordnungsgemäß überreicht worden – über diesen Antrag abstimmen.

Ich wiederhole noch einmal: Wir stimmen jetzt ab über den Antrag der Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für den Antrag der Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist nicht angenommen worden.

Damit ist diese Debatte geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung betreffend Bundesfinanzgesetz-Novelle 1996 und 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996 wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.16

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Setzen wir die durch die Dringliche Anfrage und die Anfragebesprechung unterbrochene Debatte wieder fort.

Mehr privat, weniger Staat! – Das haben wir alle schon gehört. Alle sind dafür, nur keiner tut es. Herr Finanzminister! 66 Milliarden Schilling Mehreinnahmen – ein Weidmannsheil! Sie waren erfolgreich. Sie haben zwei Drittel der 100 Milliarden, die im Strukturanpassungspaket notwendig waren, über die Steuer- und Abgabenerhöhungen eingetrieben. Ausgemacht war die Hälfte, wenn ich mich richtig erinnere. Faktum ist, daß durch Ihre erfolgreiche Einhebungspolitik und die erfolgreiche Steuer- und Abgabenerhöhung durch die Koalitionsparteien die Steuer- und Abgabenquote in Österreich von zirka 43 auf 45 Prozent steigen wird. Faktum ist, daß wir bisher bei der Steuer- und Abgabenquote im Mittelfeld der Europäischen Union lagen und heute an die 45 Prozent herankommen oder diese Marke vielleicht sogar überschreiten werden, wenn das Österreichische Statistische Zentralamt wieder brauchbare Zahlen liefert.

Das ist eigentlich ein Ausdruck der Staatsgläubigkeit und des Glaubens an die Reglementierbarkeit. Kurzfristig mag das schon nötig gewesen sein. Und warum war es nötig? – Um die Wirtschafts- und Währungsunion nach der desaströsen Politik der ersten Hälfte der neunziger Jahre zu erreichen.


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Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Es sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Sie haben im Jahre 1995 eine Nettoneuverschuldung von 6 Prozent zustande gebracht. Dafür tragen Sie die Verantwortung, Sie von der Österreichischen Volkspartei, die immer "mehr privat und weniger Staat" sagt, und Sie von der Sozialdemokratischen Partei, die den Menschen mehr versprochen hat, als sie letztlich finanziell halten konnte!

Die staatlichen Aufgaben sind unbestritten. Niemand will den Nachtwächterstaat, der nicht funktioniert. Aber neben den wichtigen Aufgaben der Infrastruktur, der Bildung und des sozialen Ausgleichs ist auch einmal die Frage nach den Kosten staatlicher Leistungen zu stellen. Haben Sie das wirklich ausreichend getan, oder haben Sie nur Schlagworte gepredigt: mehr privat, weniger Staat?

Wurde die Effizienz der Leistungserstellung wirklich überprüft in der Hoheitsverwaltung und in der Privatwirtschaftsverwaltung? Nur Mittagessen während der Dienstzeit ist halt zuwenig. Und das dann auch noch der Bevölkerung als Erfolg zu verkaufen, ist ganz spaßig. Haben Sie einmal bei der staatlichen Leistung über Kundenorientierung und über Treffsicherheit staatlicher Transfers nachgedacht? Hätten Sie das nämlich alles gemacht, dann – dessen bin ich mir sicher – würden wir heute in Österreich mit einer Steuer- und Abgabenquote auskommen, die nicht auf 45 Prozent steigt, sondern auf 40 Prozent heruntertendiert.

Der Budgetplan 1998/99 (Abg. Dr. Feurstein und Bundesminister Mag. Klima sprechen miteinander) – ich nehme an, daß ihn Herr Feurstein und der Herr Minister jetzt gerade ausmachen – wird die Basis für die Steuerreform 1999 sein, die natürlich vor der Wahl kommt; das ist eh klar. Aber wird dort auch die entsprechende Reform des staatlichen Leistungsapparates in der Effizienz, in dessen Leistungseinstellung, in der Bürgerorientierung, in der Treffsicherheit enthalten sein? Wird es gelingen, im Budgetprogramm 1998/99 den staatlichen Konsum zu senken im Hinblick darauf, daß wir größere Spielräume in der staatlichen Investition haben für die Zukunftssicherung und die Infrastruktur in diesem Land, für die Multiplikatoren?

Wird es uns gelingen, das Transfervolumen wirklich in der Menge zu senken und dennoch zielgerichtet auszurichten?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das sind die Fragen, die wir von der Opposition mit gutem Recht an Sie richten und wo wir darauf warten, wann dieses Budgetprogramm 1998/99 auf den Tisch kommt. Ich meine, es ist klug, daß Sie die zwei Budgets zusammenfassen wollen, und ich halte es auch für richtig, daß sie in zwei Etappen hier im Parlament verhandelt werden sollen, denn die Budgethoheit ist wohl eine der wesentlichsten Aufgaben des Hohen Hauses.

Insgesamt müssen das Ziel und die Forderung darauf ausgerichtet sein, die Steuer- und Abgabenquote in Richtung auf 40 Prozent zurückzuführen. Ich behaupte und unterstelle hier: Es lassen sich dieselben staatlichen Leistungen in derselben Qualität für die Menschen dieses Landes erbringen, wenn man sie produktiver, effizienter und zielgerichteter ausführt, mit 40 Prozent Steuer- und Abgabenquote und nicht mit 45 Prozent, wie Sie das hier zu vertreten haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch einmal: Die Abgeordneten von der Volkspartei verlangen "mehr privat, weniger Staat". Erzählen Sie doch bitte Ihren Wählern in der Wirtschaftskammer und sonstwo, daß Sie mitgestimmt haben, daß wir heute in Österreich eine Steuer- und Abgabenquote von 45 Prozent haben und daß wir damit in das EU-Spitzenfeld aufgerückt sind. Erzählen Sie das bitte! Aber argumentieren Sie es dann auch, daß Sie dafür die Verantwortung getragen haben. Wir von der Opposition haben uns dagegen verwahrt.

Der Beginn einer strukturellen und zukunftsorientierten Debatte über Grundeinkommen und Bürgergeld, so schwierig sie sein wird, wird uns, meine Damen und Herren im Hohen Haus, nicht erspart bleiben. Wir werden nur auf diesem Wege die Antwort finden, wie wir steigende Wertschöpfung in unserer Gesellschaft mit steigender Arbeitslosigkeit vereinen können, ohne Armut entstehen zu lassen. Die traditionelle absolute Bindung des Einkommens eines Menschen dieses Landes ausschließlich als Arbeitseinkommen oder als Einkommensersatz als Notstandshilfebezieher, Sozialhilfebezieher oder sonstiger Bezieher von Beihilfen – dieses System ist an


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sein Ende angelangt. Wir Liberalen haben diese Diskussion um das Bürgergeld und Grundeinkommen einmal begonnen. Wir haben noch keine schlüssigen Antworten, und wir haben Sie mehrmals hier in diesem Hohen Haus aufgefordert, mit uns gemeinsam in dieser Richtung nachzudenken. Bisher war es ein einseitiges Gespräch. Sie haben die Diskussion, Sie haben die Antwort verweigert.

Ich glaube, daß die neue Arbeitswelt eine viel produktivere, eine viel zielgerichtetere sein wird, mit einem geringeren Anteil von Menschen, die fixe Arbeitsverhältnisse haben, und einem größeren Anteil von Menschen, die in halb selbständige oder ganz selbständige Lebensformen kommen werden. Umso wichtiger ist es, diesen Menschen eine Grundsicherung anzubieten. Denn es kann kein Bürger dieser Gesellschaft, ob er unter der Brücke schläft oder ob es ihm finanziell sehr gut geht, der Armut ausgeliefert werden, das heißt der Not des einzelnen, der Not des Überlebens.

Das ist eine kulturelle Frage in unserem Land. Und hier beginnt sich die Arbeitswelt von der Grundsicherung zu trennen. Ich gebe zu, das ist eine schwierige ökonomische Frage. Aber diese Frage werden wir im Budget 1998/99 und folgende langsam, schrittweise zu lösen haben. Bisher haben Sie die Diskussion darüber verweigert. Ich bedauere das. Beginnen wir sie zumindest mit dem heutigen Tag! (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.23

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Novelle zum Bundesfinanzgesetz und das 2. Budgetüberschreitungsgesetz, die heute zur Debatte stehen, beinhalten – das ist schon ausgeführt worden – die Möglichkeit, Budgetumschichtungen in den Ressorts vorzunehmen. Ich möchte aber festhalten: Sie beinhalten keine Ermächtigung, zusätzliche Kredite aufzunehmen.

Es ist auch zu sagen, daß die wichtigste Umschichtung im 2. Budgetüberschreitungsgesetz die 809 Millionen Schilling im Zusammenhang mit dem Rumpfjahr der Post sind. Diese Maßnahme ist eine Folge der Errichtung der Post und Telekom AG als selbständiges Unternehmen, das nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu führen ist und eine eigenverantwortliche Geschäftsführung hat. Die Zusammenarbeit mit der PSK soll, wie wir wissen, dazu dienen, daß ein Großteil der 2 300 Postämter in Österreich erhalten beziehungsweise neu genutzt werden kann, mit neuen Aufgaben versehen werden kann und daß der Großteil der 60 000 Bediensteten, der Postlerinnen und Postler, auch eine Chance in der Zukunft hat.

Der Kollege Trattner und auch der Kollege Peter, mein Vorredner, haben die Privatisierung hier mit angesprochen. Ich möchte dazu festhalten: Für mich ist Privatisierung nicht in erster Linie eine Frage des Eigentums. Für mich geht es bei Privatisierung, nämlich bei diesem Schlagwort, um Leistung, Kostenbewußtsein und Effizienz in der Betriebsführung. Es ist mir aber im Prinzip egal, wer Eigentümer dieses Unternehmens ist. Mir ist nur nicht egal, daß es Nichtösterreicher sind oder nichtösterreichisches Eigentum ist, vor allem, wenn es einmal Staatseigentum war.

Meine Damen und Herren! Das BÜG zeigt auch, daß die Budgetvorgaben des Jahres 1996 im großen und ganzen erfüllt werden können, daß der Budgetvollzug trotz vieler Wünsche, die es immer geben wird, die immer wieder herangetragen werden, konsequent erfolgt. Dieses 2. Budgetüberschreitungsgesetz zeigt aber auch, daß der Weg der Koalition, nämlich das Defizit zu senken, um budgetpolitischen Spielraum für die zukünftige Beschäftigungspolitik, für die zukünftige Wirtschaftspolitik zu bekommen, erfolgreich beschritten wird.

Kollege Peter hat es zwar theatralisch dargestellt, aber es ist vollkommen richtig, daß wir diesen Weg der Konsolidierung gehen. Bei den Budgets 1993/94 und auch 1995 näherte sich die neue Zuwachsrate der 6-Prozent-Grenze und wurde im Jahre 1995 sogar knapp überschritten. Daher haben wir ja das Budget 1996/97 in einem mit einem Strukturanpassungsgesetz beschlossen. (Abg. Mag. Peter: Ist das alles notwendig gewesen?)


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Meine Damen und Herren! Experten haben die Verteilungswirksamkeit des Konsolidierungsprogramms untersucht und festgestellt, daß gerade, Kollege Peter, die einnahmenseitigen Maßnahmen dafür sorgen, daß es zu einer positiven Verteilungswirksamkeit dieser beiden Budgets, aber vor allem auch des Budgets 1996 kommt, denn diese Verteilungswirksamkeit wird dadurch hergestellt, daß jene, die höhere Einkommen haben, auch einen höheren Beitrag zur Budgetkonsolidierung in den Budgetjahren 1996 und 1997 leisten werden. Des weiteren ist auch bei dieser Untersuchung herausgekommen, daß vor allem das Schließen von Steuerschlupflöchern, unter anderem etwa die Einschränkung der Übertragung stiller Rücklagen oder die Möglichkeit von Verlustbeteiligungsmodellen, dazu führt, daß es zu einer Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit kommt.

Mir persönlich ist beim Budget 1996 wichtig anzumerken, daß es sich nicht nur um Konsolidierungsmaßnahmen handelt, meine Damen und Herren, sondern daß es darüber hinaus natürlich auch gewaltige beschäftigungspolitische Maßnahmen beinhaltet, vor allem im Bereich der Infrastruktur, bei Schiene, Straße, im Bereich des Bundeshochbaus, im Bereich des Wohnbaus und bei einer Vielzahl von Umweltmaßnahmen.

Ich bedauere sehr, daß die F, die Freiheitlichen, durch ihren Redner und durch einen Entschließungsantrag diese Bemühungen mehr oder weniger disqualifizieren mit der Bemerkung: Da gibt es ein paar Milliarden für die "rote" Schiene und ein paar Milliarden für die "schwarze" Straße.

Meine Damen und Herren! Ich bekenne mich zu diesen Infrastrukturausbauten. Ich bekenne mich zur Investitionspolitik des Staates in diesem Bereich, nicht nur wegen der unmittelbaren beschäftigungspolitischen Wirkung, sondern auch weil es um eine Qualitätsverbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich geht, und das ist für die Zukunft für uns wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Die Oppositionsparteien haben unterschiedliche Überlegungen zu den Budgets angestellt. Die Pläne der F unter dem Leitantrag "Steuern senken, Arbeit schaffen" sind für mich in Wirklichkeit ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm, ein Programm, das zu einer drastischen Entlastung von Privilegierten führt. Denn wenn man die steuerliche Entlastung nichtentnommener Gewinne verlangt, wenn man die Abschaffung der Mindest-KÖSt verlangt, wenn man die Aufhebung der Sistierung der Verlustvorträge verlangt, dann muß man mir erst erklären, welche dieser Maßnahmen auch nur einen einzigen Arbeitsplatz in diesem Lande schafft oder gar sichert und wem diese Maßnahmen nutzen: dem "kleinen Mann", um den sich die F angeblich so bemühen, oder geht es da nicht eher darum, Gewinne entsprechend zu verschieben?

Oder die Forderung dieser Oppositionspartei, die Steuerquote massiv zu senken, das aber andererseits durch massive Erhöhungen der Energiesteuern auszugleichen. – Meine Damen und Herren! Welche Einkommensschichten werden denn davon betroffen sein? – In erster Linie werden jene betroffen sein, die eine knappe Geldbörse zur Verfügung haben, also der sogenannte kleine Mann.

Die Forderung nach Abschaffung der Abfertigung, Hohes Haus, und diese dann in eine Pensionskasse einbringen zu müssen, heißt in Wirklichkeit, daß sich die Arbeitnehmer auf Sicht ihre Pensionen selbst finanzieren müssen. – Meine Damen und Herren! Das kann doch nicht wirklich die Politik sein, die dieses Hohe Haus mitträgt!

Die besonders geschmacklose Forderung der Freiheitlichen, Lehrlinge nicht mehr der SV-Pflicht zu unterwerfen, also sie nicht mehr wie andere Arbeitnehmer zu behandeln, sie nicht in der Sozialversicherungspflicht zu lassen, würde bedeuten, daß ein Lehrling keinen Anspruch mehr auf Krankengeld hat, daß er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, daß er keine Leistung bei einem allfälligen Unfall bekommt. (Abg. Ing. Maderthaner: Das sind Studenten genauso, Herr Kollege! Das darf doch nicht wahr sein! Das so darzustellen ist ein Wahnsinn!)

Sehr verehrter Herr Kollege Maderthaner! Ich bedauere sehr, daß Sie sich einem Weg anschließen, der für mich sehr bedenklich ist und der nicht dazu beitragen wird, daß sich die jungen Menschen mit besonderer Freude der Lehre verschreiben werden. (Abg. Ing. Maderthaner: Was ist mit den Schülern und Studenten?)


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Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zum Abschluß noch zu einem Entschließungsantrag Stellung nehmen, den Kollegin Pollet-Kammerlander vielleicht noch einbringen wird – wenn das stimmt; ich nehme an, Sie bringen ihn ein –, zu einem Entschließungsantrag, in dem es um die bilaterale Entwicklungshilfe geht. (Abg. Mag. Kammerlander: Gut, daß Sie ihn schon vorstellen!) – Ja, ich muß ihn vorstellen, und zwar deshalb, weil dieser Antrag aus unserer Sicht durchaus legitim ist und eine Bedeutung hat, aber ich muß Sie darüber informieren, daß er schon vollzogen ist, daß das Ministerium bereits diese 100 Millionen Schilling angewiesen hat und das Geld schon auf dem Weg dorthin ist, wo es hingehört.

Ich glaube, daß es dieses Parlaments nicht würdig ist, etwas vom Ministerium und vom Minister zu verlangen, was schon erfüllt ist. Ich muß Ihnen bei aller Berechtigung und bei allem Verständnis für diese Forderung sagen, daß wir diesem Antrag daher nicht zustimmen können, und ich meine, daß man diesen Antrag zurückziehen soll, weil der Minister diese Forderung bereits erfüllt hat.

Im übrigen werden wir dem Bundesfinanzgesetz und dem 2. BÜG zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor Frau Abgeordnete Kammerlander zu Wort kommt, hat sich noch Herr Abgeordneter Rosenstingl zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Herr Abgeordneter! Sie haben das Wort. Redezeit: 2 Minuten. Fangen Sie bitte mit dem Sachverhalt an, den Sie berichtigen wollen.

18.33

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Parnigoni hat festgestellt, daß im freiheitlichen Leitantrag eine Bestimmung enthalten ist, wonach Lehrlinge nicht mehr sozialversichert sein sollen. – Das ist unrichtig. Vielmehr ist richtig, daß wir wollen, daß die Lehrlinge bei den Eltern mitversichert werden, aber unter Wahrung voller Sozialversicherungspflicht, damit die Betriebe eine Entlastung erfahren.

18.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander, jetzt sind Sie am Wort. – Bitte. (Abg. Dr. Schwimmer: Bei der Mitversicherung gibt es keine Pension!)

18.34

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Freundlicherweise hat Herr Parnigoni meinen Antrag schon vorgestellt, und ich kann mir vielleicht einiges ersparen. Aber ganz so ist es nicht, denn das ist, wie ich zuerst schon gesagt habe, fast so etwas wie die jährliche Weihnachtsgabe, wenn es auch nicht immer Weihnachten war, als ich diesen Antrag eingebracht habe; aber offensichtlich wird es ein jährlicher Antrag hier im Parlament, der darauf zurückzuführen ist, daß Sie die Finanzmittel für die bilaterale Projekt- und Bildungsarbeit in der Entwicklungszusammenarbeit so aufteilen, daß immer ein Teil in der Budgetüberschreitung und im Ermessen des Ministers bleibt. Damit ist das, solange das so bleibt, immer auch eine Zitterpartie für jene, die in dem Bereich arbeiten: Kommt nun diese Budgetüberschreitung oder kommt sie nicht?

Ich halte diesen Umstand, daß das immer zwischen dem ordentlichen Budget und der Budgetüberschreitung aufgeteilt wird, für unzulässig, noch dazu in einem Bereich, der ohnedies in den letzten Jahren ständig gekürzt wurde und der inzwischen unter 1 Milliarde liegt. Obwohl es hier in diesem Haus auch einmal Grundsatzbeschlüsse gegeben hat, daß die Entwicklungspolitik als solche und damit auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit einen gewissen Prozentanteil niemals unterschreiten sollte, ist das nicht geschehen. Das heißt, die Tatsachen sind immer dieselben, es wird im Prinzip immer weniger Geld, und es ist immer unsicherer, ob es in vollem Umfang zur Verfügung steht oder nicht. Auch wenn heuer nur mehr 100 Millionen in der Budgetüberschreitung sind, so muß man sagen, das ist bei dieser Kürzung ein doch nicht unwesentlicher Anteil.

Ich ziehe meinen Antrag nicht zurück. Es ist zwar schön, hier zu hören, daß das unterwegs ist; nach unseren Auskünften war es vor zwei Tagen noch nicht unterwegs oder als solches nicht


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bekannt und nicht sicher. Daher sehe ich auch keine Veranlassung, den Antrag jetzt zurückzuziehen. So wie ich es sehe, werden Sie ihn nicht annehmen und niederstimmen, aber es sei einfach eine jährliche Erinnerung an Sie, daß man mit einem sehr wichtigen Bereich in der Entwicklungspolitik meiner Meinung nach so nicht umgehen soll.

Wenn man sich in dieser Frage der Entwicklungspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit einigermaßen selbst ernst nimmt, so denke ich, dieser Antrag könnte auch ein Anlaß und Anstoß sein, darüber nachzudenken, einmal zu einer anderen Budgetierung und vor allem zu einer anderen Vorgangsweise bei der Budgetierung zu kommen. Denn eines ist schon klar: Man kann nicht auf der einen Seite fordern, daß es in der bilateralen Zusammenarbeit da oder dort zu Reformen kommen soll, daß die Evaluierungen – zu Recht, das unterstütze ich – noch strenger angesetzt werden und daß manches noch stärker einer kritischen Hinterfragung und Kontrolle unterzogen werden soll, aber auf der anderen Seite einen Teil der Budgetmittel so kurz vor dem 31. Dezember noch immer in Ungewißheit halten.

Herr Parnigoni! Auch wenn Sie das hier so hervorstreichen, muß ich sagen, ich finde es eigentlich nicht sehr rühmenswert, wenn wir in der letzten Sitzung vor Weihnachten sozusagen zufällig und nur deshalb, weil wir einen Antrag einbringen, erfahren, daß das ohnehin schon unterwegs ist.

Noch einmal: Ich denke mir, daß die ganze Vorgangsweise bei der Finanzierung dieser bilateralen Entwicklungszusammenarbeit eine andere werden sollte. Im übrigen beraten wir gerade auch im Unterausschuß einen Antrag, der dahin geht, zumindest diese Entwicklungsmilliarde für jedes Jahr sicherzustellen. In dem Sinn bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Kammerlander, Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Realisierung der Budgetüberschreitungsermächtigung für die bilaterale Entwicklungshilfe

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, die im Bundesfinanzgesetz 1996 Artikel VII. Pkt. 15 vorgesehene Budgetüberschreitungsermächtigung von 100 Millionen Schilling für Maßnahmen im Bereich der bilateralen Entwicklungshilfe umgehend zu realisieren."

*****

Ich bitte um Unterstützung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den die Frau Abgeordnete eben verlesen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordneten Edler. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.38

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Novelle zum Bundesfinanzgesetz 1996 ist heute schon einige Male positiv angesprochen und für notwendig und richtig erkannt worden. Persönlich begrüße ich das, besonders was die Rücklagenzuführung für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz betrifft.

Meine Damen und Herren! Wenn wir vor einigen Stunden eine eingehende Diskussion über Armut und soziale Sicherheit in Österreich durchgeführt haben, so ist das, glaube ich, auch ein Beitrag, daß wir über die Arbeitsmarktförderung Projekte in Angriff nehmen können, durch die wieder Arbeitsplätze geschaffen werden, wodurch viele Menschen, Frauen und Männer und be


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sonders die Jugend eine Chance auf Arbeit haben. Das muß für uns alle gemeinsam das Wesentliche sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es gilt hier, nicht nur davon zu reden. Ich glaube, wir haben das noch nicht so richtig ernsthaft erkannt: Wir müssen wirklich um jeden Arbeitsplatz kämpfen, weil es auch darum geht, den sozialen Frieden in Österreich zu erhalten! Ich glaube, das ist ein Modell, das wir auch international herzeigen können.

Wenn wir uns heute umsehen – die Probleme sind international extremer anzusprechen und zu sehen, und es gibt entsprechende Entwicklungen –, dann müssen wir leider feststellen, daß sehr oft die "Straße" gewählt wird. Und das kann nicht der richtige Weg sein. Wir wollen in Österreich den Weg der Partnerschaft weitergehen. Vielfach wurde auch das Sparen wieder angesprochen. Wir haben uns dazu bekannt.

Meine Damen und Herren! Eine kritische Anmerkung meinerseits zur Diskussion zum Tagesordnungspunkt betreffend EU-Anpassung hinsichtlich der Straßenbenützungsabgabe: Ich weise darauf hin, daß wir hier einem wesentlichen Geschenk für das LKW-Gewerbe zugestimmt haben. Und was das Sparen betrifft, so glaube ich auch, daß es dort möglich gewesen wäre, die Sparquote einzubringen. Die Argumente, die hier vorgebracht worden sind, Auslagerung nach Deutschland, Umgehung des Transitvertrages, mögen manchmal schon stimmen.

Ich bin ein Wiener Abgeordneter. Wir erleben in der Ostregion auch die Auslagerungen, insbesondere was die Standorte im LKW-Gewerbe betrifft. Herr Präsident Maderthaner! Schauen Sie sich einmal an, wie viele LKW-Unternehmer Standorte in Preßburg, in Ungarn eröffnen. Das hat mit der EU nichts zu tun und mit der Straßenbenützungsabgabe direkt auch nichts zu tun. Das ist eine andere Herausforderung, die wir auch anders zu behandeln haben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube – das wurde hier angesprochen –, wir sind gemeinsam aufgerufen, nicht einer Bewirtschaftung von Arbeitslosen das Wort zu reden, sondern die Bewirtschaftung von Beschäftigungsprogrammen muß unsere Aufgabe sein. Die Bundesregierung hat das richtig eingeleitet, und es wurden Maßnahmen gesetzt. Ich darf hier nur in einem Klammersatz kritisch anmerken: Bürokratieabbau ist notwendig. Wenn ich mit Unternehmungen, mit Vorstandsdirektoren, aber auch mit Betriebsräten Gespräche führe, dann komme ich immer wieder darauf, daß es möglich wäre, Hunderte, Tausende Arbeitsplätze zu sichern, neu zu schaffen. Aber wir ersticken in bürokratischen Abläufen. Ich glaube, wir sind herausgefordert, das abzustellen.

Die Regierungsvorlage betreffend eine Novelle zum Bundesfinanzgesetz 1996 ist ein richtiger Weg für manche Entscheidungen – für positive Entscheidungen, was den Arbeitsmarkt betrifft. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als vorläufig letzter Redner hat sich Herr Abgeordneter Rosenstingl gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

18.43

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Budgetüberschreitungsgesetz ist ein willkommener Anlaß, sich mit der Schuldenpolitik und der Ausgabenpolitik der Regierungskoalition auseinanderzusetzen. Natürlich gehören auch zur Schuldenpolitik die Investitionen, die in Österreich in die Verkehrsinfrastruktur getätigt werden sollen. Hier kommt es aber zu besonderen Fehlleistungen, weil wichtige Entscheidungsgrundlagen nicht vorhanden sind.

Wir wissen, daß der Bundesverkehrswegeplan noch immer nicht vorliegt, und er wird lange nicht vorliegen. Daher gibt es keine Entscheidungsgrundlagen. Bürger- und Umweltinteressen werden nicht berücksichtigt, dafür werden aber Schuldengesellschaften geschaffen, bei denen von Rückzahlung von Krediten keine Rede sein wird. Das hat auch Bundesminister Klima zugegeben. Seinerzeit bei der Schaffung dieser Schuldengesellschaften hat er gemeint, im Bereich der


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Verkehrsinfrastrukturausbauten wird es zu keinen Tilgungen kommen, sondern es werden nur Zinsen bezahlt werden. Letztlich wissen wir aber, daß die Folgen in diesem Bereich der Steuerzahler tragen muß. Es wird investiert, obwohl die Sinnhaftigkeit nicht feststeht, und ein drastisches Beispiel dafür ist der Semmering-Basistunnel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gründe für dieses drastische Beispiel liegen auf der Hand und wurden oft diskutiert. Herr Kollege! Es kommt jetzt leider hinzu, daß seit den letzten Entwicklungen klar ist, daß es eine längere Bauzeit geben wird und daher zu wesentlich höheren Kosten beim Semmering-Basistunnel kommen wird, als ursprünglich geplant war. Dabei handelt es sich aber um Geld, das nicht vorhanden ist. Diese Regierungskoalition will Geld ausgeben, das sie nicht hat!

Wir schlagen uns einerseits mit einem Budgetüberschreitungsgesetz herum, andererseits soll über diese Schuldengesellschaften Geld ausgegeben werden, was nicht vorhanden ist und was unsere Kinder und deren Kinder und die nachfolgenden Generationen immer noch abzahlen werden müssen. Und kommen Sie mir nicht mit dem ewigen Argument, der Semmering-Basistunnel soll privat finanziert werden.

Erstens muß man dazu feststellen, daß eine Privatfinanzierung natürlich auch großteils von den ÖBB getragen werden müßte. Wir wissen seit kurzem, daß sich trotz der Ausgliederung der ÖBB an dem Bundeszuschuß bei den Österreichischen Bundesbahnen nichts verändert hat, daß der Bundeszuschuß genauso hoch geblieben ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Andererseits ist offensichtlich, daß sich die Regierungskoalition von einer Privatfinanzierung immer mehr absetzt. Der Beginn war am 29. 11. 1996, wo man zuerst einmal den Verkehrsexperten der Bundesarbeitskammer vorgeschickt hat. Der Verkehrsexperte Bernhard Engleder meinte: Der Semmering-Basistunnel der Bahn könnte ohne private Beteiligung gebaut werden. Er führte dann weiter aus: Eine private Beteiligung am Semmering-Basistunnel im Sinne eines gemischten öffentlich-privaten Bauträgermodells mit einer Refinanzierung über Benutzerentgelte scheint weniger sinnvoll als die Finanzierung über die ÖBB oder den Bund im Rahmen der Infrastrukturfinanzierung. – Das war die erste Absetzbewegung von einer privaten Finanzierung.

Jetzt sollte man meinen, angesichts dessen wird die ÖVP einen Aufschrei machen und sagen: Wir haben immer für die private Finanzierung gestimmt. Das muß halten. Aber siehe da, am 5. Dezember 1996 meinte Vizekanzler Schüssel: Beim Semmering-Basistunnel handelt es sich um eine politisch längst entschiedene Sache, die sich im Stadium der Verwirklichung des Sondierstollens befindet. Dann stellte er fest, beim ÖVP-Parteivorstand, der am Donnerstag tagte, sei der Semmering-Tunnel kein Thema gewesen. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll nahm an den Beratungen nicht teil, dafür aber einige andere niederösterreichische Vertreter.

Jetzt könnte man sagen: Okay, Sie setzen sich ab. Aber Schüssel handelt unter dem Motto "Schüssel widerspricht Schüssel". Einen Brief vom 24. Jänner 1996 muß ich aber der ÖVP schon zitieren, in dem geschrieben steht: "Herzlichen Dank für Ihr Schreiben. Es freut mich sehr, daß Sie die Politik der ÖVP in Sachen Semmering-Tunnel unterstützen. Wir sind ganz Ihrer Meinung, daß keine Steuergelder in ein Projekt dieser Art gesteckt werden dürfen. In Zeiten des Sparens, und wir müssen unbedingt sparen, können Projekte dieser Größenordnung auf keinen Fall durch öffentliche Mittel finanziert werden. Die SPÖ ist hier schon längst säumig, ein Finanzierungspaket auf den Tisch zu legen. Die Zahlen, die vorliegen, stimmen nicht, sie variieren zwischen den angekündigten 6 Milliarden und 10 Milliarden Schilling. Die Finanzierung des Haupttunnels hängt also nach wie vor in der Luft."

Dann geht es weiter. Schließlich meinte Schüssel: "Die ganze Sache Semmering-Tunnel ist für mich nur ein weiteres Beispiel für Realitätsverweigerung der SPÖ gegenüber anstehenden Problemen. Wir sagen daher, daß entweder eine private Finanzierungslösung ohne Ausfallhaftung des Bundes gefunden werden muß, oder es wird nicht mit dem Bau begonnen. Mit freundlichen Grüßen Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel."


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vizekanzler Schüssel hat vom 24. Jänner 1996 bis zum 5. Dezember 1996 seine Meinung total geändert. Er ist jetzt für die nicht private Finanzierung des Semmering-Basistunnels, obwohl kein Geld für diesen Tunnel vorhanden ist. Ich möchte aber der ÖVP heute Gelegenheit geben, einmal zur Sache zu stehen und ihre Meinung zu vertreten, und bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen betreffend Verhinderung von Geldverschwendung und Umweltzerstörung durch sinnlose Prestigeprojekte

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst wird aufgefordert, den bereits im Jahre 1992 verfügten Baustopp für das Projekt Semmering-Basistunnel wieder in Kraft zu setzen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nehmen Sie die Gelegenheit wahr, waschen Sie Ihren Vizekanzler rein, der von Monat zu Monat seine Meinung ändert! Er soll zu seiner Meinung vom 24. 1. 1996 stehen. Stimmen Sie im Interesse einer ordentlichen Budgetpolitik diesem Antrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Rosenstingl soeben vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und ist ein Teil der Verhandlungen.

Mir liegt keine Wortmeldung mehr vor, und ich schließe die Debatte.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt, sodaß wir nunmehr zu den Abstimmungen kommen können. Ich bitte, die Plätze einzunehmen. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!) Zur Geschäftsordnung. – Bitte.

18.49

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Gibt es ein Abstimmungscroquis? (Abg. Dr. Haider: Das muß man wissen!)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Mir wurde mitgeteilt, daß kein Croquis erstellt wurde für die Klubobmänner, weil zwei Abstimmungen über Regierungsvorlagen sind. (Abg. Dr. Khol: Keine Abänderungsanträge?) – Es gibt keine Abänderungsanträge, es sind lediglich zwei Entschließungsanträge eingebracht worden, über die ich dann abstimmen lassen werde.

Ich lasse jetzt die Abstimmung über jeden Ausschußantrag getrennt vornehmen, und zwar stimmen wir zunächst ab über den Entwurf betreffend eine Bundesfinanzgesetz-Novelle 1996 samt Titel und Eingang in 459 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt in dritter Lesung ab.

Wer für diesen Entwurf in dritter Lesung ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dieser Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

Wir stimmen nun ab über den Entwurf betreffend das 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996 samt Titel und Eingang in 460 der Beilagen.


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Wer für diesen Entwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist mehrheitlich angenommen worden.

Ich lasse gleich in dritter Lesung abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die diesem Entwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mit Mehrheit angenommen worden.

Wir stimmen jetzt über zwei Entschließungsanträge ab.

Wir stimmen zunächst ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kammerlander, Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Realisierung der Budgetüberschreitungsermächtigung für die bilaterale Entwicklungshilfe.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung von Geldverschwendung und Umweltzerstörung durch sinnlose Prestigeprojekte (Semmeringtunnel).

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt worden.

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 324/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des BGBl. Nr. 368/1925 geändert werden und das Gesetz über die Mitwirkung der Nationalversammlung an der Regelung von Postgebühren und Preisen der Monopolgegenstände sowie von Bezügen der in staatlichen Betrieben Beschäftigten aufgehoben wird (520 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 343/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geltungsdauer der Bestimmungen des Bezügegesetzes und des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 über die Nichterhöhung von Bezügen verlängert wird (521 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (502 der Beilagen): Staatsdruckereigesetz 1996 (522 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir können sofort in die Debatte eingehen.

Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.55

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich in meiner Wortmeldung auf das Staatsdruckereigesetz konzentrieren und einen


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Abänderungsantrag einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kier und PartnerInnen betreffend Regierungsvorlage zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Staatsdruckerei

Der Nationalrat wolle beschließen:

Änderung betreffend Regierungsvorlage zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Staatsdruckerei

§ 2 Abs. 2 Z 3 und 4 werden gestrichen.

*****

Ich darf an die Debatte im Ausschuß erinnern und folgendes in Erinnerung rufen: Wir hatten eine Erörterung der Regierungsvorlage. Diese wurde dann nachgebessert in Richtung auf die fehlenden Vorschriften zur Überleitung der Personalvertretung in den Betriebsrat. Tatsächlich ist aber letztlich aus meiner Sicht der Aspekt offengeblieben, daß die ausgegliederte Gesellschaft bestimmte Aufgaben zugewiesen bekommt, die sie jedenfalls wahrzunehmen hat, und unter diesen bestimmten Aufgaben befinden sich auch die Drucklegung und der Vertrieb von amtlichen Verlautbarungsblättern für Dienststellen des Bundes sowie der Druck der "Wiener Zeitung".

Ich möchte hier ganz deutlich klarstellen, daß wir vom Liberalen Forum der Auffassung sind, wenn wir die Staatsdruckerei ausgliedern mit der Maßgabe, sie in der Folge im Wege über die ÖIAG zu privatisieren, so müssen wir darauf achten, daß weder in diesem Gesetz noch in den nachmaligen Satzungen dieser Gesellschaft Bestimmungen enthalten sind, die letztlich zur Folge haben, daß es sich um keine mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen vereinbare Ausgliederung und Privatisierung handelt.

Aus unserer Sicht ist es sicher plausibel und vor allem auch im Übergang sinnvoll, daß die Staatsdruckerei die bereits jetzt wahrgenommenen Tätigkeiten, insbesondere im Bereich der sogenannten Sicherheitsdrucke, fortsetzt, weil einerseits eine Kontinuität sinnvoll ist und andererseits auch die besonderen Anforderungen, die an Sicherheitsdrucke, wie sie hier gemeint sind, zu stellen sind, keine Abbildung im marktmäßigen Wettbewerb finden; wenn man davon absieht, daß wir uns eine Druckerei im Rahmen der Oesterreichischen Nationalbank leisten, die sicher vergleichbare Qualifikationen hat. Aber das ist ein anderes Thema.

Wir waren auch der Meinung, daß in dieser Phase die Drucklegung und der Vertrieb des Bundesgesetzblattes, also jenes Organes, das die einzige authentische Rechtsquelle für die Bundesgesetze und Verordnungen darstellt, in Kontinuität gehalten werden sollten. Wir glauben aber, daß bei einer nachhaltigen Privatisierung des Unternehmens auch diese beiden Aspekte einer Überprüfung zu unterziehen sein werden.

In diesem Sinne bitte ich, den von uns eingebrachten Abänderungsantrag die Mehrheit zu geben. Wir sind der festen Überzeugung, daß insbesondere auch die Kolleginnen und Kollegen der beiden Regierungsparteien, wenn sie sich das Problem noch einmal vergegenwärtigen, keinen Grund sehen sollten, unserem Abänderungsantrag nicht zuzustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Antrag ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.00

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Es ist sehr erfreulich, daß wir mit


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den heutigen Beschlüssen wieder Fortschritte in der Verwaltungsreform machen. Es geht um die Reduktion gesetzlicher Bestimmungen.

Es ist mehrfach gelungen, im Zuge der Herbsttagung die Verwaltungsreform voranzubringen. Ich erinnere beispielsweise an den Beschluß Ende Oktober im Zusammenhang mit dem Bundesgesetzblattgesetz.

Ein Beispiel aus dem heutigen Verfassungspaket: Das Postgesetz wird geändert – ein ambitioniertes Vorhaben. Ich brauche das jetzt nicht näher zu erläutern, es war ja heute schon Anlaß zu Dichtung und Wahrheit und auch Polemik. Ein Kernstück davon ist, daß die hoheitlichen Postgebühren durch privatrechtliche Entgelte ersetzt werden. Die bisherige hoheitliche Festlegung unter Mitwirkung des Nationalrates entfällt somit.

Hier gibt es eine intelligente und, wie ich meine, elegante legistische Lösung mit einer Neufassung der Artikel 54 und 55 des Bundes-Verfassungsgesetzes, die die Vermeidung einer Zersplitterung bringt und auch eine Integrierung von verbliebenen Gesetzesvorschriften. Dank an das Mitarbeiterteam von Staatssekretär Schlögl für diese wirklich gute und legistisch sehr interessante, elegante Lösung.

So macht man Verwaltungsreform, meine Damen und Herren! Das ist vielleicht unspektakulär, aber effizient und von Nutzen für den Bürger. Da liegt der große Unterschied zu bestimmten Entwicklungen, wo Verwaltungsreform als Vehikel für etwas ganz anderes, für ganz bestimmte Interessen mißbraucht wird. Beispielsweise hat der Wirtschaftsbund via Petitionsausschuß unter dem Deckmantel "Gesetzesflut" im Parlament Lobbyismus betrieben – mit dem Ziel, meine Damen und Herren, die Wirtschaft von diesen lästigen Nachbarrechten, lästigen Umweltschutzbestimmungen und lästigen Arbeitnehmerrechten zu befreien. Das gipfelt dann darin ... (Abg. Dr. Stummvoll: Wer hat gesagt "lästige Arbeitnehmerschutzbestimmung"?) Hören Sie zu! (Abg. Dr. Stummvoll: Wer hat das gesagt? Sie behaupten das! Das ist etwas anderes!)

Ich sage Ihnen jetzt, was Ihr als Experte getarnter Sekretär des Wirtschaftsbundes gesagt hat. (Abg. Dr. Stummvoll: Wer ist das?) Ich zitiere: "Wir sind in Österreich" – meine Damen und Herren, das muß man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen – "noch nicht soweit wie in den USA und in Neuseeland." Also ich ersuche wirklich, diesem Herrn auszurichten, daß es nicht Ziel der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik ist, amerikanische oder neuseeländische Zustände zu schaffen. Meine Damen und Herren! Wer sich in Österreich "working poor" wünscht, der hat mit dem erbitterten Widerstand der Sozialdemokraten zu rechnen. (Abg. Ing. Maderthaner: Sie zitieren die Hälfte des Satzes! Sie sagen halbe Wahrheiten, lieber Herr Kollege!) Das war ein Zitat in diesem Petitionsausschuß von Ihrem Sekretär, Herr Maderthaner. (Beifall bei der SPÖ.) Also: erbitterter Widerstand der Sozialdemokratie!

Im Zusammenhang mit der Nichterhöhung der Politikerbezüge möchte ich nur am Rande erwähnen: Sie wird seit 1993 durchgeführt und löst bei Zeitungskommentatoren ohnehin nur Spott und Hohn aus, teilweise zu Recht, meine Damen und Herren, teilweise aber auch zu Unrecht. Denn die eingesetzte Kommission mit Rang, Namen und bestimmt auch entsprechendem Honorar hat versagt und das Abrechnungsmodell für notwendige Auslagen von Abgeordneten nicht ordnungsgemäß vorgelegt. Daher kommt es zu einer Terminverschiebung mit gehörigem Schaden für das Ansehen der Politiker (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler ) , zu dem auch Sie, Herr Magister, nach besten Kräften immer wieder beitragen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Sie können der Kommission nicht etwas vorwerfen, was Sie selber beschlossen haben! Die Kommission haben Sie überdies auch selber eingesetzt! Die Kommission kann nichts dafür, daß Sie mit Ihrer Mehrheit ein Gesetz beschließen! Schütten Sie nicht die Kommission an!)

Wir können gerne über Bezüge diskutieren, aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir dann auch über Ihren Ehrenobmann sprechen werden, über Ihren Herrn Götz, und über den Kandidaten der Freiheitlichen für die Klagenfurter Gemeinderatswahl im März. Herr Mag. Stadler! Damit müssen Sie dann rechnen, wenn wir jetzt hier bei diesem Tagesordnungspunkt detailliert über Bezüge diskutieren. Dann sprechen wir auch über den freiheitlichen Kandidaten für die Gemeinderatswahl in Klagenfurt.


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Ein Ceterum censeo, meine Damen und Herren: Immer wenn es um Änderungen von Bestimmungen im Übergangsgesetz 1920 geht, kann ich nicht widerstehen, die längst überfällige Reform der Bezirksgerichtsstruktur in Salzburg, Oberösterreich und Steiermark einzumahnen. Es geht um diese anachronistische Bestimmung im Übergangsgesetz, wo die Zustimmung der Landesregierung für diese Justizangelegenheit erforderlich ist. Wenn die Vorgabe im Zusammenhang mit dem Konsultationsmechanismus, wonach der Zahler anschafft, ernst gemeint ist – ich habe die Worte des Landeshauptmannes Pröll noch im Ohr –, dann muß das auch für die Gerichtsstruktur in Österreich gelten. Dort ist es gerade umgekehrt. Dort schaffen die Länder an, und der Bund bezahlt.

Daher meine neuerliche Bitte an den abwesenden Klubobmann Khol: Geben Sie endlich den Weg frei, daß wir im Parlament eine effiziente und leistungsstarke Gerichtsorganisation beschließen können!

Die SPÖ wird den drei Verfassungsvorlagen zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.05

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die heutige Änderung des Gesetzes über die Mitwirkung der Nationalversammlung an der Regelung von Postgebühren wird der Startschuß für eine neue Belastungslawine gegeben. Das bedeutet nämlich, daß die Abgabe der Verantwortung für die Postgebühren zu diesem Zeitpunkt verfrüht ist beziehungsweise politische Feigheit darstellt.

Wir wissen doch ganz genau, daß die Rahmenbedingungen bei der Postausgliederung noch nicht geschaffen wurden. Es war eine unüberlegte Ausgliederung. Man weiß nicht, wie die Eröffnungsbilanz der Post ausschauen wird. Man weiß nicht, wie die Einnahmenentwicklung der Post im nächsten Jahr sein wird. Was wir wissen, ist, daß die Post 1997 wesentliche Mehreinnahmen braucht, wenn sie nicht entsprechend entschuldet wird. Das ist dadurch begründet, daß die Post durch eine falsche Budgetpolitik ruinös belastet wurde. Nun sollen aber für diese Belastung die Postkunden die Rechnung begleichen.

Der eigentliche Hintergrund für die heutige Änderung ist nämlich, daß die Gebührenerhöhung bei der Post schon feststeht. Ich möchte Ihnen die bereits feststehende Gebührenerhöhung, wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, es nicht wissen sollten, zur Kenntnis bringen.

Ich habe in der Hand ein Papier aus der Postgeneraldirektion. Dieses Papier ist mit "Tabelle 1" bezeichnet und hat die Überschrift "Mehreinnahmen aus Gebührenerhöhung 1997". Darin wird ganz genau aufgegliedert, was man vorhat. Zum Beispiel Mehreinnahmen bei Massensendungen mit persönlicher Anschrift 81,5 Millionen Schilling. Ich möchte aber betonen, daß das gerechnet ist ab 1. Juli 1997. Man rechnet also damit, daß diese Gebührenerhöhung zu diesem Zeitpunkt erfolgen wird.

Bei Briefen und Postkarten: generelle Anhebung aller Tarife. Dann werden die Varianten dargestellt: 50 Gramm et cetera. Sonderbehandlungsrechte: Einschreibentgelte von 20 auf 30 S erhöht, Entgelte für Übernahmsbestätigung von 23 auf 30 S, Entgelt für eigenhändige Abgabe von 11 auf 15 S, Spätlingsentgelt von 6 auf 10 S, Leihzettelentgelt von 1 auf 3 S. Dann hat man vor, die Gebühren für Auslandspakete zu verteuern, natürlich auch für Inlandspakete, EMS zu verteuern, und es geht dann weiter auch mit einer Verteuerung der Gebühren bei Postanweisungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Verteuerungen, die bereits in einer Posttabelle vorgesehen sind, sollen ab 1. Juli 1997 für das Jahr 1997 615,03 Millionen Schilling ausmachen. Ich brauche Sie ja, glaube ich, nicht darauf hinzuweisen, daß das eine Belastung aller Post


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kunden in Höhe von 1 230,06 Millionen pro Jahr bedeutet. Das ist also eine wirklich große Belastung der Postkunden, weil Sie nicht imstande sind, eine vernünftige Postpolitik zu betreiben!

Wir Freiheitlichen sind der Ansicht, daß diese Politik nicht auf dem Rücken der Kunden ausgetragen werden darf. Ich möchte daher einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen betreffend die Rettung der Post und Verhinderung einer Tarifexplosion

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, im Zuge der Erstellung der Post-Eröffnungsbilanz eine ausreichende Entschuldung vorzunehmen, um der PTA ein wirtschaftliches Überleben auch ohne massive Tariferhöhungen zu ermöglichen."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können nicht den Postkunden zumuten (Abg. Wurmitzer: Das schreiben Sie dem Christkind!) , Herr Kollege, daß sie in den nächsten Jahren jährlich eine zusätzliche Belastung von 1 230 Millionen Schilling haben. Ich weiß, Sie muten das allen Österreicherinnen und Österreichern zu. Wir Freiheitlichen machen das nicht, und wir fordern die Vernünftigen auf, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Rosenstingl vorgetragene Entschließungsantrag hat die erforderliche Zahl der Unterschriften und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Der nächste Redner ist Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

19.10

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Diskussion, was in Österreich staatswirtschaftlich geführt und verwaltet werden soll und was besser privatwirtschaftlich zu erledigen ist, wird schon jahrelang geführt, und es gibt natürlich auch verschiedenste Betrachtungsweisen. Wir setzten immer Bemühungen in diese Richtung und haben uns auch im Koalitionsübereinkommen klar zum Ziel gesetzt, eine möglichst breite Ausgliederung aller Bundesdienststellen durchzuführen und diese in die Privatwirtschaft überzuleiten.

Im Hinblick darauf liegen heute zwei Anträge vor: der Antrag 324/A, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 geändert werden und das Gesetz über die Mitwirkung der Nationalversammlung – heute Nationalrat – an der Regelung von Postgebühren und Preisen der Monopolgegenstände sowie von Bezügen der in staatlichen Betrieben Beschäftigten aufgehoben wird.

Diesem Antrag stimmen wir mit Überzeugung deshalb zu, weil damit erstens die Unternehmen konkurrenzfähig werden und markttaugliche Preise festsetzen können. Ein richtiger Schritt! – Sicherlich kann man diesbezüglich unterschiedlicher Ansicht sein, aber es muß doch endlich einmal ein Beginn gesetzt werden.

Zweitens stimmen wir dem Antrag deshalb zu, weil damit ohne staatlichen Einfluß Wettbewerbsfähigkeit sowohl national als auch – und das möchte ich besonders betonen – international gegeben ist und erreicht wird. Somit werden die Unternehmungen in die Lage versetzt, Erträge zu erwirtschaften, die sie aber nicht abführen müssen, sondern zur Weiterentwicklung im techni


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schen und kommunikativen Bereich einsetzen können, Neustrukturierungen durchführen und sich in vielen Bereichen perfektionieren können. Dadurch, glaube ich, stärken wir ihre Position auf dem freien Markt und sichern somit die Zukunft nicht nur der Unternehmungen ab, sondern wir sichern damit auch Arbeitsplätze. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, und auch das soll bei einer derartigen Diskussion hervorgehoben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Gleichzeitig wird auch die Zersplitterung unserer Bundesverfassung vermindert – ebenfalls eine Vorgabe, der wir, glaube ich, in vollem Umfang entsprechen sollen und wollen.

Unsere gemeinsamen Erwartungen und Hoffnungen sind, daß dadurch negative Einflüsse ausgeschaltet werden und es auch zu einer Senkung der Gebühren und Tarife zum Nutzen der Bürger und Konsumenten dieser Dienstleistung und zum Vorteil für unsere gesamte Wirtschaft kommt. Wenn Sie, Herr Kollege Rosenstingl, glauben, daß wir damit eine brutale Belastungslawine in Gang setzen, dann mag das zwar Ihre Vorstellung sein. Sie haben sich aber sicherlich damit nicht so eingehend beschäftigt, daß Sie auch gelesen hätten, daß es ein Strukturkonzept gibt. Wir sind guter Hoffnung, daß wir uns durch diese Maßnahme in Zukunft auf den freien Märkten besser behaupten und auch diese Dienstleistungen besser unseren Bürgern anbieten können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nur ergänzend bemerken, daß dies immer ein Anliegen der Österreichischen Volkspartei war, und ich freue mich, daß wir heute wieder einen Schritt in diese Richtung setzen können und die geforderten Privatisierungsmaßnahmen nun endlich auch weiter fortgesetzt werden.

Zum Antrag 343/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geltungsdauer der Bestimmungen des Bezügegesetzes und des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 über die Nichterhöhung von Bezügen verlängert wird, sei festgestellt, daß heute – und somit seit 1993 – die fünfte Aussetzung der Anhebung erfolgt. Im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes und der Budgetkonsolidierung wird den Bürgern, auch der Wirtschaft, also uns allen, viel abverlangt. Wir Politiker, wir Parlamentarier wollen gemeinsam mit der Bundesregierung auch hier nochmals zeigen, daß wir bereit sind, einen restriktiven Kurs mitzugehen und mitzutragen.

Ich glaube aber, daß es wichtig ist, daß dieses Signal stärker an den Bürger herankommt, denn alle Maßnahmen dieser Art in den letzten vier Jahren haben eigentlich nicht die Anerkennung, nicht die Zustimmung und auch nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die vielleicht notwendig gewesen wäre. Deshalb meine ich, daß wir alle hier mehr Bewußtsein transportieren müssen, damit auch diese Entscheidung ihre Annahme und Akzeptanz findet. In Wahrheit ist es für alle ein Reallohnverzicht, aber aufgrund unserer Zielvorgabe erachten wir eben diese Entscheidung – wie eingangs erwähnt – für vertretbar. (Beifall bei der ÖVP.)

Anmerken möchte ich nur, daß auch die Arbeit in der Politik eine gerechte Honorierung finden muß und auch darf. Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es macht keinen Sinn, wenn durch pauschales Polemisieren – von welcher Seite auch immer – das Vertrauen der Bürger in die Politik und in ihre Vertreter herabgesetzt wird. Das muß doch ein Ende finden. Ich glaube, danach sehnen sich alle. Und ich hoffe, daß diese Kampagne bald abgeschlossen sein wird.

Bis zum 1. April 1997 soll auch die Fortführung der Pauschalregelung für Auslagenersätze und für die Entfernungszulage beschlossen werden. Die drei Wirtschaftstreuhänder, welche im Auftrag der Präsidiale an einer Neuregelung arbeiten, haben bis heute noch keinen umsetzbaren, also annehmbaren Vorschlag vorgelegt. Wir erwarten uns alle eine transparente, den tatsächlichen Aufwendungen entsprechende Rückerstattung, die für die Verwaltung keine Mehrkosten und für die Beteiligten keinen Mehraufwand verursacht. Ich glaube, das ist etwas ganz, ganz Wichtiges, weil wir alle miteinander nicht an weiterem bürokratischem Aufwand interessiert sind.

Die Regierungsvorlage zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Staatsdruckerei wurde notwendig, da aufgrund des Staatsdruckereigesetzes aus dem Jahre 1981 – in Kraft getreten ab 1. Jänner 1982 – die Staatsdruckerei als eigener Wirtschaftskörper mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet wurde. Dies führte zwar zu einer rationelleren und flexibleren Geschäftsführung. Diese Rechtsform bot jedoch keine Möglichkeit für eine Privatisierung.


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Mit diesem heute zu beschließenden Gesetz, welches keine Kosten, die durch Bundesmittel abzudecken sind, verursacht, wird diesem Unternehmen, welches in Form einer AG errichtet ist, nicht nur EU-Rechtskonformität gegeben, sondern es wird auch ein wesentlicher Schritt gesetzt, damit dieses Unternehmen am freien Markt teilnehmen kann. Das ist eine wichtige Entscheidung im Sinne unserer Zielvorgabe. Deshalb werden wir auch dieser Regierungsvorlage unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

19.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.17

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute schon ein Gesetz beschließen, das uns noch einmal eine Zeitspanne zur Regelung unserer eigenen Bezüge einräumt, dann möchte ich Sie doch noch einmal auffordern und bitten, darüber nachzudenken, welchen Beitrag wir leisten könnten und was wir aus dem Parlament heraus mitgestalten könnten.

Es war für mich mehr als erschütternd, den Vorschlag der Wirtschaftstreuhänder zu sehen, weil ich eigentlich diesem Berufsstand, dem ich selbst auch nahestehe, großes Vertrauen entgegengebracht habe. Aber ich glaube, wir sind dafür bestraft worden, daß wir die Lösung unseres ureigensten Problems, nämlich eine vernünftige, überschaubare, akzeptierbare – auch von der Bevölkerung akzeptierbare – Bezügeregelung zu treffen, sozusagen delegiert haben.

Warum haben wir das getan? – Wir sind offensichtlich nicht in der Lage, unseren eigenen Anwert, unseren eigenen Anspruch in der Öffentlichkeit zu argumentieren, und scheuen uns davor, daß etwas herauskommen könnte, was uns zwar befriedigen würde, aber dem Bürger nicht mehr klarzumachen ist. Und damit das nicht geschieht, werden die Modelle immer komplizierter, die Sonderregelungen immer abenteuerlicher, und heraus kommt dieses Modell oder ein anderes, das nach meinem Dafürhalten nicht, und zwar trotz aller Bemühungen nicht geeignet sein wird, den Bürgern dieses Landes Sand in die Augen zu streuen.

Wir haben einen bestimmten zu definierenden Anspruch – ich will mich darüber gar nicht äußern, wie hoch oder wie gering er sein soll –, aber wir sollten, was immer wir beschließen, gemeinsam dafür einstehen und gemeinsam argumentieren. Ich glaube, es gibt für Parlamentarier und für politische Funktionen eine Stellenbeschreibung wie in jedem vernünftigen Industrieunternehmen, und es ließe sich ohne Schwierigkeiten eine Regelung finden. Aber selbstverständlich kann es sich dabei nur um eine Pauschalregelung handeln, um eine Regelung, die überschaubar und klar ist, die keinen bürokratischen Aufwand bedingt, die keine Kontrolle bedingt, die wir ja als gesetzgebende Körperschaft eines Landes letztendlich nur von uns selbst wieder ableiten könnten. Also ich glaube, hier wäre einiges möglich.

Ich bedauere, daß wir diesen Weg eingeschlagen haben. Ich hoffe, daß wir, wenn wir uns schon mit diesem Gesetz beschäftigen, dem wir heute unsere Zustimmung geben werden – um uns noch einmal Luft zu verschaffen, damit wir uns nicht allzu sehr blamieren –, auch wieder ein kleines bißchen an Initiative zurückgewinnen. Ich fordere unter anderem auch dich, Herr Klubobmann Khol, auf, in deiner Partei in diesem Sinne tätig zu werden. Die Blamage ist eigentlich groß genug. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

19.21

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn hier seitens der Regierungsparteien Verwunderung darüber geherrscht hat, daß die bisherigen Schritte der Nichterhöhung der Politikerbezüge keine Anerkennung in der Öffentlichkeit fanden, dann muß ich sagen, daß mich das nicht allzu sehr wundert. Denn die Art und Weise, wie Sie bisher vorgegangen sind, kann keine Zustimmung, keine Anerkennung finden.


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Zum einen haben Sie bei der Nichterhöhung immer wieder keinen endgültigen Verzicht ausgesprochen, sondern quasi eine Situation geschaffen, die jederzeit wieder zu kumulierten Erhöhungen führen kann. Sie wollen es – und doch auch wieder nicht.

Die eigentliche Diskussion, woran sich zu Recht der Unmut der Bevölkerung entzündet hat, sind Sie nach wie vor nicht bereit zu führen. Es ist im August eine Regelung geschaffen worden – das war an sich positiv –, die die sogenannten arbeitslosen Einkommen von Politikerinnen und Politikern im öffentlichen Dienst abstellen sollte. Wir werden jetzt mit einer Anfrageserie abklären, inwieweit das wirklich passiert ist und ob nicht jetzt sehr stark Pro-forma-Tätigkeiten ausgeübt werden: irgendwelche Forschungsaufträge, irgendwelche Arbeiten, an deren Qualität man im vorhinein durchaus zweifeln kann. Denn ich wage in aller Form zu bezweifeln, daß es möglich ist, zwei oder drei Full-time-Jobs – Serviceleistungen für die Bevölkerung – gewissenhaft nebeneinander auszuüben. Ich halte das für unmöglich.

Deswegen wäre einzig und allein ein Modell in der Art, wie es in Deutschland besteht, angebracht. Dort ruhen öffentliche Funktionen – und damit meine ich Funktionen im öffentlichen Dienst im engeren Sinn, etwa in Ministerien, in Landes- und Gemeindedienststellen, aber auch Funktionen in öffentlichen Rechtsträgern, in Kammern, bei Sozialversicherungsträgern –, und zwar gegen Entfall der Bezüge. Wenn Sie das einmal machen, dann wird sich an der absoluten Höhe etwa der Bezüge von Nationalrätinnen und -räten, wie ich meine, kaum Unmut entzünden. Ich halte die Bezüge, insbesondere für jene Abgeordneten – und das ist mit Sicherheit eine Mehrzahl in diesem Hause –, die ihrer Aufgabe gewissenhaft nachkommen, für absolut gerechtfertigt. Das soll auch einmal ausgesprochen werden.

Wohin soll eine Politik des Hinunterlizitierens führen – vor allem, solange es immer noch welche gibt, die doppelt und dreifach kassieren? Manchmal werden auch Zweifel daran laut, ob die erbrachte Leistung wirklich jener eines Full-time-Jobs entspricht, wie sie sonst von jedem anderen öffentlich Bediensteten verlangt wird. Solange dieser Zweifel im Raum steht, können Sie keine Zustimmung in der Bevölkerung finden.

Ich schlage auch vor, daß Einkommen allgemein, auch jene, die aus legaler und korrekter privater Tätigkeit erzielt werden, einfach offengelegt werden sollen. Wenn Geld redlich verdient wird, wenn Vermögen und Einkommen redlich erworben sind, dann besteht doch kein Grund, dies nicht offenzulegen. Dann soll sich die Bevölkerung ein Bild davon machen, wer die Volksvertreterinnen und Volksvertreter sind. Ich glaube, dann würden sich manche Übertreibungen und Märchen sehr, sehr schnell aufhören.

Beschließen Sie gläserne Parteikassen, beschließen Sie die Offenlegung aller Einkünfte und der Vermögenssituation von Mandatarinnen und Mandataren, wie wir das schon so oft beantragt haben, und schaffen Sie für den öffentlichen Dienst im weitesten Sinn – inklusive Kammern, Sozialversicherungen – eine Regelung, die Karenzierung gegen Entfall der Bezüge heißt. Ich garantiere Ihnen: Es wird auf breitester Front Zustimmung zu einer derartigen Regelung geben. (Zwischenruf bei der SPÖ .) Nein, das ist nicht der Fall. Wir werden das mit Anfragen abklären. Ich fürchte, es schadet immer wieder der Politik als solcher, aber diese Regelung ist wieder halbherzig und unzulänglich. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Zweites zu dem Auftrag an die Wirtschaftstreuhänder: Wenn hier Abgeordneter Kräuter gemeint hat, die Wirtschaftsprüfer seien ihrem Auftrag nicht nachgekommen, dann meine ich eher, die Auftragserteilung war unsinnig. Alle Regelungen, die daran anknüpfen, die Tätigkeit von Volksvertreterinnen und Volksvertretern in irgendein bürokratisches, sehr schwer zu administrierendes System zu pressen, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Warum haben Sie sich von irgendwelchen Medienberichten jagen lassen, in welchen angeprangert wurde, daß den Abgeordneten eine Netzkarte zur Verfügung gestellt wird? Warum stehen Sie nicht dazu, daß Menschen, deren Auftrag es ist, die vom Volk dazu legitimiert sind, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten, natürlich auch im Land herumreisen? Ich meine, man sollte eine möglichst kostengünstige Regelung wählen, eine Pauschalierung, deren Höhe etwa dem Preis der Jahresnetzkarte der Bahn entspricht. Das ist etwas Vernünftiges und Kostengünstiges.


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Alles andere kommt erheblich teurer. Alles andere führt zu einer extremen Vermehrung des Verwaltungsaufwandes und der Zahl der Dienststellen in diesem Hause. Dies stellt nichts Produktives dar, nichts, was die Arbeitsmöglichkeiten der Abgeordneten verbessern würde, sondern vermehrt nur den administrativen Ballast. (Abg. Dr. Lukesch: Wo wohnen Sie, Frau Petrovic? – Abg. Dr. Feurstein: Der Wiener würde genauso viel bekommen wie weiter entfernt wohnende Abgeordnete! ) Ich weiß nicht, wie oft Sie bei Bürgerinitiativen sind, ich glaube jedenfalls, daß die Bevölkerung ein Recht hat, direkt mit ihren Mandatarinnen und Mandataren diskutieren zu können. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Selbstverständlich sollen sie zum Parlament kommen.

Ich glaube aber, unsere Aufgabe ist es nicht nur, in diesem Haus zu diskutieren, unsere Aufgabe ist es nicht nur, in Ausschüssen zu sein, sondern unsere Aufgabe ist es insbesondere, zur Bevölkerung zu gehen und Rede und Antwort zu stehen. Ich meine, daß Sie hier Lösungen präsentieren, die insgesamt die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler teurer zu stehen kommen. Dafür hat niemand Verständnis.

Wenn Sie eine Regelung für die Abgeltung von Bürokosten schaffen, die 18 Millionen Schilling an Mehrkosten verursacht, dann meine ich, daß das in Wahrheit nur der Ausfluß Ihres Unmuts darüber ist, daß Sie in der Öffentlichkeit für ein angeblich überhöhtes Gehalt geprügelt werden, wobei Sie in Wahrheit Parteisteuer abführen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Feurstein: Sie wollen mehr!)

Schaffen Sie hier Klarstellungen! Wenn Sie der Meinung sind, die Parteienförderung in Österreich ist zu niedrig – ich bin nicht dieser Meinung –, dann diskutieren Sie es auf dieser Ebene. Schaffen Sie keine Kanäle von den Geldbörsen der Abgeordneten direkt in die Parteikassen! In weiterer Folge müssen sich die Abgeordneten auf andere Art und Weise – sprich über den Umweg von Bürokosten und derartigen Spesenregelungen – Geld beschaffen.

Alles, was nicht einer klaren und einfachen Regel entspricht, alles, was vom System der Pauschalierung, und zwar auf diesem relativ niedrigen Niveau, abweicht, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie können in Zeiten wie diesen, in denen Sie bei jeder Gelegenheit – etwa im Sozialbereich – wichtige Leistungen kürzen und streichen, erhebliche Mehrkosten der Bevölkerung gegenüber einfach nicht mehr vertreten. (Beifall bei den Grünen.)

Sie könnten eine faire Gehaltsregelung und eine faire Regelung des Spesenersatzes vertreten. (Abg . Dr. Khol: Frau Kollegin Petrovic! Wie können Sie vertreten, daß Sie 15 Millionen mehr für das Internet wollen, für die Klubfinanzierung?) Alles andere können Sie nicht vertreten. Sie können es nicht vertreten, wenn Sie hier mehr Dienstposten schaffen, und zwar nur für die Administration der Spesenabrechnungen der Abgeordneten. (Abg . Dr. Khol: Wie wollen Sie das verantworten, daß die Klubfinanzierung mehr wird?) Herr Abgeordneter Khol, um Ihnen auf diese Frage zu antworten: Ich kann es vertreten!

Ich habe auch immer mitgestimmt, wenn es um die direkte Arbeitsfähigkeit dieses Hauses ging. Ja! Demokratie kostet in Zeiten, in denen neue Technologien entstehen, mehr Geld. Wir sind ein Arbeitsparlament und kein Honoratiorenparlament! (Abg. Dr. Khol: Was ist der Unterschied zwischen einem Büro und dem Internet?) Deswegen brauchen die Abgeordneten Zuarbeit. Deswegen braucht man auch technische Unterstützung. (Abg. Dr. Khol: Und mehr Geld!) Der Unterschied ist ein ganz klarer: Hier wird gegen Lieferungen und Leistungen Dritter ein Entgelt entrichtet. Alles, was indirekt wieder in die Kassen der Parteien oder gar der einzelnen Mandatarinnen und Mandatare fließt, stößt auf keine Akzeptanz. Die Arbeitsfähigkeit des Hauses, ein faires und gerechtes Einkommen pro Abgeordnetem und eine klare und pauschalierte Spesenabrechnung, das ist etwas, für das Sie niemand in der Öffentlichkeit prügeln wird. Aber den Mut zu einer derartigen Lösung haben Sie leider noch nicht gefunden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Haselsteiner. )

19.32


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Die nächste Wortmeldung kommt von Abgeordnetem Mag. Stadler. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

19.32

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe den Regierungsparteien schon zum wiederholten Mal einen schludrigen Umgang mit der Verfassung vorgeworfen. Heute liegt uns eine Vorlage zur Beschlußfassung vor, die beweist, wie schludrig man mit der Verfassung umgeht. Es soll eine entsprechende Sanierung in einem Gesetz erfolgen, das wir aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen, weil es die Mitsprache des Nationalrates um ein weiteres Element verringert.

Wir haben heute beim Tagesordnungspunkt 1 ein Gesetz beschlossen, hinsichtlich dessen ich jetzt nach Prüfung durch Verfassungsexperten in meiner Meinung bestärkt wurde, daß auch dort wiederum eine Verfassungsbestimmung als einfachgesetzliche Bestimmung beschlossen wurde; ich habe es dem Finanzminister bereits mitgeteilt. Diese Regierung kümmert sich nicht nur nicht um Anfragebeantwortungspflichten, wie sie die Verfassung für den Bundeskanzler vorsieht, sondern sie kümmert sich immer weniger um unsere Bundesverfassung. Sie tut aber so, als ob sie weiß Gott wie verfassungstreu wäre.

Aber nun zum eigentlichen Gegenstand. Der seinerzeitige Fall Höchtl hat dazu geführt, daß man zwar in einer Panikreaktion am 9. Juli 1996 ein Bezügegesetz beschlossen hat. Es hat aber gleichzeitig vorgesehen, daß man sich in Zukunft auf Kosten des Steuerzahlers auch die Autokosten abgelten läßt, weil sehr viele Besitzer von dicken Schlitten ja nicht mehr mit der Bahnkarte das Auslangen finden. Man hat gleichzeitig die Gelegenheit genützt, sich auch noch die Bürokosten, die man im eigenen Wahlkreis bereits hat oder in Zukunft haben wird, ebenfalls vom Steuerzahler abgelten zu lassen. Man hat dann so getan, als ob jetzt alles für den Steuerzahler günstiger würde. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie finden das lustig? Die Leute in diesem Lande wissen nicht, wie sie Weihnachten bestreiten sollen, und Sie lachen diese Menschen aus! Sie machen einen Griff in die Taschen der Menschen und Steuerzahler in diesem Lande! Sie sollten sich schämen, statt dort oben zu lachen, mein lieber Herr Kollege Murauer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehen Sie sich einmal die Zahlen an, die hier prognostiziert werden! 17 Millionen Schilling an Reisekosten – vorsichtig geschätzt –, 12,4 Millionen Schilling an Fahrtzeitausgleich, weil die Herren Abgeordneten im Stau auch noch etwas verdienen wollen, wenn sie auf der West Autobahn anreisen und ihre gar so wertvolle Zeit für das Wohlergehen der Bevölkerung opfern – das jedenfalls ein immer geringeres ist. Die Zahl der Armen in diesem Land nimmt erschreckend zu, wie wir heute gehört haben. Aber das finden die Herren von der ÖVP so lustig und zum Lachen. Die SPÖ schweigt wenigstens dazu. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die SPÖ weiß – bis auf Herrn Kräuter –, daß das ein Schmarren war, den man im Juli beschlossen hat. Wir haben Ihnen das dutzendfach gesagt: von A bis Z ein Schmarren! Putzen Sie sich heute nicht an den Wirtschaftstreuhändern ab, so wie das Kollege Khol gemacht hat. Die Wirtschaftstreuhänder – Herr Kollege Haselsteiner, da haben Sie völlig recht – haben nur versucht, aus dem Topfen, den Sie beschlossen haben, das Beste zu machen. Es war aber unmöglich. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Daher werden die Wirtschaftstreuhänder auch gut beraten sein – im Interesse ihrer eigenen Reputation –, sich auf ein derartiges Abenteuer mit der Parlamentspräsidiale und mit dem Hohen Hause gar nicht mehr einzulassen. Und das, weil Sie wieder einmal ein Gesetz beschlossen haben, wo Sie zunächst – das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! – den ÖAMTC für die Schwarzen und den ARBÖ für die Roten einspannen wollten, damit die Herren von ÖAMTC und ARBÖ dem Hohen Haus erklären, was das Hohe Haus vor wenigen Tagen beschlossen hat. So schaut es aus! Das ist die "Qualität" Ihrer Gesetzgebung, mit der Sie nichts anderes im Schilde führen, als sich auf Kosten der Steuerzahler in Zukunft auch noch die Fahrtkosten für Ihre dicken Schlitten und die Bürokosten in Ihren Wahlkreisen abgelten zu lassen!


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Sonst haben Sie nämlich keinen Handlungsbedarf gesehen (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson ) , denn bis heute ist die versprochene Bezügepyramide nicht erstellt worden. Bis heute wissen wir nur, daß der Bundeskanzler noch mehr verdienen soll. Bis heute wissen wir nur, daß der Vizekanzler noch mehr verdienen will. Bis heute wissen wir nur, daß jeder im Hohen Haus immer mehr verdienen will und die Abgeordneten auf keinen Schilling verzichten wollen.

Bis heute wissen wir auch – Herr Kollege Edler von der Bundesbahn, Sie sind gemeint! –, daß sich auf den Hinterbänken hier die Multifunktionäre tummeln. Sie sind wahrscheinlich auch so einer! Auf der Hinterbank der Regierungsparteien fühlen sich diese nämlich am wohlsten. Der Herr verdient als Nationalratsabgeordneter einen runden Hunderter, als Vizedirektor der Arbeiterkammer und als Direktionssekretär seiner Gewerkschaft verdient er ganz ordentlich, und er ist auch noch in Gehaltsstufe 8 in der Gehaltsliste als Zugbegleiter beim Südbahnhof ausgewiesen. Daher nennt sich der Herr auch zu Recht der "Edle von der Bundesbahn".

Meine Damen und Herren, Hohes Haus! Der Edler von der Bundesbahn kostet den Steuerzahler eine ordentliche Stange Geld. Mehrfachbezüge wurden bis heute nicht abgestellt, Herr Kollege Khol!

Den Fall Höchtl haben wir geregelt. Das ist ein kleiner Anlaßfall gewesen. Er bemüht sich jetzt, mit einer Pseudobeschäftigung dem Steuerzahler den Eindruck zu vermitteln, als täte er etwas.

Wir haben auch nicht die Frage der Herren Präsidenten geregelt. Herr Präsident Maderthaner ist gerade nicht da, Herr Präsident Verzetnitsch sitzt hier – alles Leute, von denen die eigenen Leute mittlerweile sagen, sie sollen das Hohe Haus doch endlich verlassen, weil sie die Arbeitnehmer und die Wirtschaftstreibenden nicht mehr vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) In der Doppelfunktion als Mehrfachkassierer sind sie heute nicht einmal mehr in der Lage, ihre Aufgaben als Interessenvertreter wahrzunehmen. – Das ist das, was die Menschen aufregt, Herr Kollege Khol, nicht der Freifahrtausweis für die ÖBB!

Viele Menschen würden sich wünschen, daß die hohen Damen und Herren Abgeordneten hin und wieder auch ins Zugsabteil steigen, um zu sehen, wie der "gewöhnliche Mitbürger" in diesem Land reist, wie er lebt. Aber nein, man möchte sich für seinen fetten Schlitten in Zukunft die Fahrtkosten abgelten lassen – das auch noch mit entsprechend hohen Pauschalsätzen, die ein Schlag ins Gesicht jedes Steuerzahlers sind, ein Schlag ins Gesicht jener Menschen, die gerade jetzt zu Weihnachten nicht wissen, wie sie die Feiertage finanzieren sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Stadler! Sie fliegen immer mit dem Flugzeug und fahren nie mit dem Zug! – Das zahlt der Nationalrat!)

19.38

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Soll ich reden, Herr Präsident? (Anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter! Beginnen Sie getrost, Sie werden schon Aufmerksamkeit finden!

Abgeordneter Peter Schieder (fortsetzend): Meine sehr geschätzte Damen und Herren! Ich halte es für falsch, wenn bei diesem Thema die Emotionen so hochgehen. Das Thema eignet sich eigentlich nicht für Emotionen, so wie es sich nicht für falsche Schlagzeilen eignet. Es eignet sich auch nicht dafür – und das möchte ich Kollegin Petrovic und Kollegen Stadler sagen –, politisches Kleingeld daraus zu schlagen.

All die Anschuldigungen, all die Unterstellungen und falschen Behauptungen – etwa jene hinsichtlich meines Kollegen Edler –, die hier gebracht worden sind, dienen nicht der Sache. Unsere Aufgabe ist, daß wir eine Lösung finden, die Bedingungen für unsere Arbeit entsprechend zu regeln und unsere Leistungen, die wir zu erbringen haben, entsprechend einzuschätzen. Wir müssen über eine angemessene Entlohnung und die sonstigen Rahmenbedingungen


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in bezug auf andere, die vergleichbare Aufgaben übernehmen, beraten. Da ist es gleichermaßen falsch, vom Hungertuch wie vom Füllhorn zu reden. Kollegin Petrovic braucht gar nicht davon zu sprechen, man solle seinen Beruf eben nicht ausüben. Ich muß sagen, ich habe meinen Beruf aufgegeben, als ich gesehen habe, daß es mir meine Verpflichtungen in der Außenpolitik nicht mehr erlauben, daneben noch einen anderen Beruf auszuüben.

Es wäre jedoch falsch und unzumutbar, dies von jedem, egal, wie seine Absicherung ist – bei mir ist sie besser, weil ich schon lange hier tätig bin –, zu verlangen.

Dem Kollegen Stadler möchte ich noch zum "dicken Schlitten", den man nicht benützen sollte, etwas sagen: Der einzige Schlitten, den ich habe, ist die Rodel, mit der ich mein Enkelkind sehr gerne bei Schnee ausführe. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich habe überhaupt kein Auto. Ich benütze die U-Bahn, die funktioniert sehr gut. Den Schlitten habe ich, wie gesagt, fürs Enkelkind. (Abg. Ing. Reichhold: Den Führerschein haben Sie aber schon?!) Den habe ich schon.

Es wäre aber falsch, zu behaupten, ein Abgeordneter aus irgendeinem entlegenen Teil Österreichs könne seine Aufgaben als Parlamentarier bei den Dienstzeiten, die wir haben, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfüllen. Das wäre falsch, weil es nicht möglich ist, weil wir oft zu Zeiten aufhören zu arbeiten, wo gar keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr verfügbar sind. Darum eignet sich diese Frage weder für Vorwürfe noch für politisches Kleingeld noch für Emotionen.

Wir haben ruhig und sachlich zu beraten, was hier angemessen ist. Wir haben gehofft, daß die Vorschläge der Wirtschaftstreuhänder dabei helfen. Ich weiß nicht, ob es falsch war, sie zu beauftragen. Ich stimme auf jeden Fall denen zu, die sagen, daß uns die Vorschläge nicht weitergeholfen haben. Ich maße mir nicht an, sie zu kritisieren.

Ich habe ein bißchen den Eindruck, wenn man einer Sekretärin eines Wirtschaftstreuhänders dieselbe Büroausstattung geben würde, die die Wirtschaftstreuhänder einem Abgeordneten plus Mitarbeiter gemeinsam zubilligen, dann würden uns diese Wirtschaftstreuhänder wahrscheinlich psychiatrieren lassen oder sagen, wir hätten jeglichen Sachverstand verloren. Aber es mißt halt jeder mit zweierlei Maß. Es scheint da nicht mit dem Maß der eigenen Erfahrung, der eigenen Ausstattung, der eigenen Kosten gemessen worden sein. – Sei es, wie es sei.

Es wird nun an uns liegen, das in den nächsten drei Monaten zu beraten. Ich hoffe, daß diese Beratungen weniger emotionell und mehr sachbezogen geführt werden als die heutige Debatte. (Abg. Mag. Stadler: So wie im Juni! Geben Sie doch endlich zu, daß Sie einen Schmarren beschlossen haben!)

Kollege Stadler! Immer wenn man Sie anspricht, wenn Sie antworten könnten – wie das vor ein paar Minuten der Fall war –, sind Sie nicht im Saal oder passen nicht auf. (Abg. Mag. Stadler: Ich bin fast immer da!) Das versuchen Sie nachher mit unpassenden Zwischenrufen wettzumachen, um quasi im Protokoll zu vermerken: Ich bin doch da und bin auch aktiv. – Das ist nicht die richtige Art, Herr Kollege Stadler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Herr Kollege! Ich bin fast immer da!) Ich will wirklich nicht in diesem Stil mit Ihnen diskutieren. Wir können es nachher in Ruhe tun.

Was die Einkommenspyramide betrifft, so bin ich sehr froh, daß Herr Präsident Fiedler nunmehr in einem Brief an den Präsidenten des Nationalrates festgestellt hat, daß die in "News" publizierten Einzelheiten nicht von ihm stammen, daß er die Kommission aufgefordert hat, das nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Was die in der Zeitschrift "News" publizierten Einzelheiten beziehungsweise die Frage, wie weit sie als richtig oder falsch bewertet werden können, anbelangt ... (Abg. Mag. Stadler: Kollege Schieder! Eine Frage: Wieso erzählt er es dann der ÖVP, wenn er es nicht an die Öffentlichkeit bringen will?) Herr Kollege Stadler! Ich kann Ihnen, wenn ich etwas verlese, gerade noch zuhören. Aber etwas zu lesen, Ihnen zuzuhören und gleichzeitig Ihnen zu antworten, das geht wirklich nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Ich will Sie nicht überfordern!)


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Es heißt in diesem Brief: "... hielte ich es für kontraproduktiv, dazu vor Abschluß der Beratungen der Kommission unter Abfassung des Berichtes Stellung zu beziehen. Solange der Inhalt des Berichtes nicht feststeht, ist jedenfalls alles, was darüber berichtet wird, zumindest als voreilig zu bezeichnen."

Das heißt, wir haben abzuwarten, was kommt. Wir haben in Ruhe zu beraten. Ich hoffe, daß es zu einer einvernehmlichen Lösung kommen wird und die Beratungen nicht so emotionell geführt werden, wie es Ihre Redebeiträge und Ihre Zwischenrufe sind. Die drei Monate, die wir dazu gewonnen haben, sind meiner Meinung gut für die Sache und für das Ansehen des Parlamentes. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

19.45

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich wollte an sich ausschließlich zur Privatisierung der Staatsdruckerei Stellung nehmen und ganz gewiß nicht zu den Politikerbezügen. Aber aufgrund der Beiträge meiner Vorredner komme ich nicht umhin, auch dieses Thema anzusprechen.

Herr Kollege Schieder! Ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie in diese Diskussion endlich wieder etwas Seriosität und guten Willen hineingebracht haben (Ruf bei der SPÖ: Wie man das von Schieder gewohnt ist!) , so wie es eben Ihre Art ist. (Abg. Mag. Stadler: Die Seriosität hat jedenfalls dazu geführt, daß man im Juni einen totalen Schmarren beschlossen hat!) – Zu Ihnen komme ich noch, Herr Stadler.

Kollegin Petrovic ist jetzt leider Gottes nicht im Saal. Ich kann der Kollegin Petrovic beziehungsweise ihren Wünschen, was die Politikerbezüge anlangt, auf weiten Strecken überhaupt nicht folgen. Ich bin absolut dagegen, daß Einkünfte von Unternehmern, von Freiberuflern offengelegt werden sollen, aber nicht, weil ich etwas zu verbergen habe, sondern weil es meines Erachtens dem Datenschutz sowie einer gewissen Konkurrenzklausel unterliegt.

Ich bin auch nicht der Meinung, daß ich ausschließlich den Beruf einer Politikerin auszuüben hätte (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum), denn ich bin sehr froh darüber, einen zivilen Beruf zu haben, weil ich überzeugt bin, daß mir dieser Beruf sehr viel Anregungen für meine politische Arbeit gibt und in manchen politischen Entscheidungen sehr hilft. Diese Position der Frau Petrovic kann ich nicht einnehmen.

Darüber hinaus halte ich es auch für eine Anmaßung, daß die Grünen allen anderen Parteien vorschreiben wollen, ob sie die sogenannten Parteisteuern abführen oder nicht. Es ist das eine autonome Entscheidung der Partei beziehungsweise jedes einzelnen Abgeordneten. Diese Entscheidung lasse ich nicht von Vertretern anderer Parteien für mich treffen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nun zu Ihnen, Herr Kollege Stadler: Ich unterstelle Ihnen, daß Sie überhaupt kein Interesse daran haben, das Problem der Politikerbezüge in eine seriöse Diskussion zu bringen. Sie kommen hier zum Rednerpult, polemisieren, kommen mit den üblichen "Totschlägern", mit Namen, die Sie nennen, mit Doppelfunktionen – es ist immer dieselbe Walze. Sie und Ihre Partei sind es, die vorschlagen, daß jeder Politiker maximal 60 000 S verdienen darf und soll. Ich halte auch diesen Vorschlag für zutiefst unseriös.

Noch einmal: Es kann gar nicht in Ihrem Interesse liegen, diese Diskussion auf eine zielführende und seriöse Basis zu stellen. Sie arbeiten mit diesem Argument der zu hohen Politikerbezüge bei Versammlungen und bei Parteiveranstaltungen, weil Sie wissen, daß Sie den Neidkomplex, der natürlich vorhanden ist, damit immer wieder schüren und so Emotionen gegen die Politiker wecken und auch wachhalten, damit Sie als ihr Retter, damit Ihr Führer als Messias auftreten können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Zum Abschluß zur Staatsdruckerei. (Abg. Mag. Stadler: Wenn Sie noch einen Namen wissen wollen: Warum hat Herr Paierl aus der E-Wirtschaft 1,8 Millionen Schilling Abfertigung für zwei Jahre Tätigkeit kassiert?) Wissen Sie, Herr Stadler, ich begebe mich nicht auf dieses Niveau! Persönliche Angriffe, das ist nicht mein Stil. (Abg. Mag. Stadler: Erklären Sie das einmal der Bevölkerung!) Sie sind wirklich aufgerufen, gemeinsam einen ordentlichen Vorschlag für unsere Bezügereform zu erbringen, konstruktiv mitzuarbeiten und nicht ständig neue Anträge zu stellen, von denen einer unseriöser ist als der andere. (Abg. Ing. Reichhold: Kennen Sie unsere Vorschläge nicht, gute Frau?)

Glauben Sie, daß es irgendwo auf der Welt einen Bundeskanzler gibt, der mit 60 000 S honoriert wird? Das glaubt Ihnen ja niemand, daß das Ihre ehrliche und anständige Absicht ist! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Warten Sie ab, bis Jörg Haider Bundeskanzler ist!)

Aber jetzt endlich zur Staatsdruckerei. – Ein anderes Mal. Das rote Licht leuchtet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.50

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Schieder! Politisches Kleingeld ist bei dieser Debatte nicht zu gewinnen, sondern da sind relativ satte Beträge einzustreifen. Allerdings auf eine ganz andere Art. 

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir ein klares Wort zu dieser merkwürdigen Qualifizierung: bitte Emotionen runter, Sachlichkeit heraus. – Eine gefühllose Debatte hier in diesem Haus zu wichtigen Verteilungsfragen halte ich für keine Debatte, die zielführend ist. Das Gegenteil von sachlich, Herr Abgeordneter Schieder, ist nicht Emotion, sondern das Gegenteil von sachlich ist unsachlich, und das Gegenteil von Emotion ist emotionslos oder gefühlskalt. Ich würde mir wünschen, daß bei diesen Debatten über die Einkommensfragen Sachlichkeit und Emotion herrschen.

Meine Damen und Herren! Kollege Schieder hat recht: Es kann nicht gesetzlich geregelt werden, daß ein Abgeordneter nur einen Beruf ausüben darf, das muß dem jeweiligen Abgeordneten vorbehalten sein. Das hat aber nichts damit zu tun, Herr Kollege Schieder, daß die Frage der Vereinbarkeit der Funktion als Abgeordneter, Volksvertreter und Beamter eine andere Situation ist.

Sie werden mir recht geben, daß es im Jahre 1982 vernünftiger gewesen wäre, eine ähnliche Regelung zu finden wie in der Bundesrepublik Deutschland. Damals hat man sich dagegen gewehrt; man hätte sich jedoch diese Fälle, die heute schon angesprochen worden sind, damit erspart.

Sie haben recht, es ist für manche vernünftig, ihren Privatberuf beizubehalten, da sie nur eine Zeit lang Abgeordnete sein wollen, aber bitte schön, es geht doch nicht an, daß man im Beruf verharrt und als Beamter weiterhin seine Geschäfte macht. (Abg. Auer: Was ist mit dem Rotationsprinzip? Schon vergessen?) Herr Abgeordneter Auer! Ich bin froh darüber, daß mit Ihrer Mithilfe und mit Mithilfe des Herrn Höchtl eine Änderung des Bezügegesetzes stattgefunden hat. Nur eines scheint sich jetzt in Ihrer Fraktion festzusetzen: Mit Ihrer Parteisteuer haben Sie enorme Probleme. (Abg. Auer: Wieso? Wer sagt das?)

Abgeordnete aus den großen Fraktionen wollen die Parteisteuer nicht mehr zahlen, wenn sie nicht gleichzeitig Einkommen aus Beamtenbezügen haben. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja warum sind Sie dann plötzlich so erpicht darauf, daß es Bürokostenersätze gibt? Das war doch bisher kein Thema! (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie bekommen Ihre Bezüge von anderswo her, haben wahrscheinlich in irgendwelchen Kammern, bei den Sozialpart


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nern Ihre Büros, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da haben Sie keine Probleme. Ihre Nebenbezüge werden Sie ohnedies behalten.

Was mich aber in diesem Haus immer wieder überrascht, ist, daß Vertreter der ÖVP offensichtlich nicht in der Lage sind, vernünftige Einrichtungen – Herr Kollege Khol, damit repliziere ich jetzt auf Ihren Zwischenruf – wie Internet in diesem Haus, damit jede Bürgerin und jeder Bürger, aber auch jede und jeder Abgeordnete von ihrem oder seinem Wohnort die Geschäftsstücke dieses Hauses über Computer, über Internet abrufen kann, wodurch der Bürger, jede Initiative, meinetwegen auch jede Interessenvertretung, jede Berufsvertretung direkt an den Verhandlungen teilnehmen kann, auch öffentlich zu vertreten, während sie jahrzehntelang keine Schwierigkeiten hatten, Fälle wie Höchtl und andere sehr wohl zu dulden.

Ich halte es für ein Unding, die Infrastruktur in diesem Haus verbessern zu wollen, damit unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die modernsten Kommunikationstechniken einsetzen können und unsere Arbeit besser wird – das ist zwar nicht ausreichend, aber eine Voraussetzung dafür, daß die Menschen gut informiert werden –, und Sie plötzlich Angst haben, diesbezüglich Beschlüsse herbeizuführen, während Sie auf der anderen Seite schon völlig in der Defensive sind. Herr Kollege Auer! Der Rechnungshofpräsident hat in Abrede gestellt, daß das, was in "News" gestanden ist, Gegenstand der Verhandlungen ist. Sofort hat der Herr Vizekanzler gesagt: Nein, bitte das möchte ich nicht.

Diese Zurückhaltung – da hat die Freiheitliche Partei recht, und wir haben das in der Steiermark massiv kritisiert, Frau Frieser hat dazu, glaube ich, nichts gesagt – lehnen wir ab. Da wechselt ein Parteisekretär vom Landeshauptmann zuerst in den Vorstand der steirischen E-Wirtschaft, bezieht dort mehr Gehalt als der Bundeskanzler dieser Republik, nimmt dann als Vorstand wieder eine Regierungsfunktion an und erhält eine satte Abfertigung. – Sie sollten bescheiden sein, Herr Kollege Auer, Sie sollten Ihrer Kollegin und Ihrem Kollegen sagen: Bitte das können wir in der Öffentlichkeit nicht vertreten!

Kollege Khol zittert in Fragen der Verbesserung der Infrastruktur vor Angst vor der "Kronen Zeitung" und vor "täglich Alles", weil er um sein edles Image als Robin Hood beziehungsweise als mit Sack und Asche herumirrender Politiker fürchtet, der seine Schäflein und Höchtleins zusammenhält.

Meine Damen und Herren! Ich halte das für eine Politik, die nicht durchhaltbar ist. Wir Grünen werden offensiv richtige Vorschläge machen.

Was die Einkommenspyramide betrifft, so sind wir selbstverständlich bereit, konstruktiv mitzudiskutieren. Wir werden uns diese Vorschläge ansehen – ich habe den Verdacht, der Kollege Staatssekretär hat auch einen sehr vernünftigen Vorschlag –, werden dann den Vorschlag des Rechnungshofpräsidenten mit dem Vorschlag des Kollegen Staatssekretär vergleichen und mit den Parteivorschlägen abgleichen und so möglicherweise zu guten Entscheidungen kommen.

Meine Damen und Herren! Die Grünen haben im Zusammenhang mit der Entfernungspauschale eine klare Position bezogen. (Abg. Mag. Stadler: ... schlecht war!) Kollege Stadler hat recht, daß das Gesetz an sich schlecht ist und für die Wirtschaftstreuhänder eine Überforderung war. Daß jedoch Wirtschaftstreuhänder etwas darlegen und darstellen, das völlig unvollziehbar beziehungsweise mit einem riesigen bürokratischen Aufwand verbunden ist, das zeigt wieder, wie schwer manche Dinge zu exekutieren sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Kollegin Cordula Frieser würde ich bitten, wenn sie schon ihren Privatberuf weiterhin ausübt und als Vorkämpferin gegen die Gesetzesflut auftritt, doch ein einziges Mal hier im Saal sitzenzubleiben, wenn ein solch dummes, undurchführbares, nicht finanzierbares, unmögliches, bürgerfremdes Gesetz beschlossen wird. Ich möchte einmal in den vielen Jahren erleben, daß die Kollegin aus Graz ein bißchen Mut faßt und gegen die Gesetzesflut dort auftritt, wo sie produziert wird, und nicht nur in ihrer Heimatstadt den staunenden Medien mitteilt: Die in Wien machen immer so fürchterliche Gesetze.


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Kollege Auer, erzählen Sie das Ihrer Kollegin Cordula Frieser. Sie berät, glaube ich, am Gang bereits die nächste Attacke gegen die Gesetzesflut, das ist sicher sehr wichtig. Sagen Sie ihr bitte, sie möge hier vor Ort dafür sorgen, daß diese Flut ein bißchen eingedämmt wird, dann hat es Kollege Khol in Zukunft auch ein bißchen leichter, seinen Klub zu führen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Bitte.

19.59

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich nun wirklich – was Kollegin Frieser nicht getan hat – nur dem Staatsdruckereigesetz widmen, denn ich glaube, daß wir doch erklären sollten, warum der Antrag des Liberalen Forums, die Drucklegung und den Vertrieb von amtlichen Verlautbarungsblättern für die Dienststellen des Bundes auszugliedern, den Punkt 4 und die Herstellung und den Verlag der "Wiener Zeitung" zu streichen, nicht zielführend ist.

Bei Punkt 3 handelt es sich ja auch nicht um irgend etwas, sondern um bereits in der Vergangenheit vom Betrieb der Staatsdruckerei ausgezeichnet durchgeführte Druckwerke.

Und ich sehe nicht ein, daß man rein aus der ideologischen Überlegung, "Privat ist besser, Konkurrenz muß sein", einen gut eingeführten und ordentlich arbeitenden Betrieb, der die Republik Österreich keinen Schilling kostet, ruiniert.

Zum dritten Punkt ist noch zu sagen, daß natürlich auch drinnen steht: Sollten irgendwelche Hausdruckereien oder ähnliches billiger sein, kann sehr wohl eine andere Lösung gefunden werden.

Zum vierten: der Herstellung der "Wiener Zeitung". Es muß doch dieser traditionsreichen Zeitung gestattet sein – es geht ja nur um die Zeit, bis die "Wiener Zeitung" nicht ausgegliedert wird –, selbst zu bestimmen, wo gedruckt wird. Daher halte ich den Abänderungsantrag der Liberalen für nicht zielführend.

Ich möchte meine Wortmeldung aber auch dazu nutzen, eine Lanze für Österreichs älteste Zeitung, die "Wiener Zeitung", die nunmehr fast 300 Jahre alt ist, zu brechen, die eine der wenigen unabhängigen Zeitungen der Republik Österreich ist. Eine engagierte Redaktion recherchiert gut und stellt auch komplizierte Zusammenhänge wie Vorgänge im Parlament, Gesetzgebung und so weiter verständlich dar. Und ich möchte nicht verhehlen, daß ich mit Befriedigung die Abänderung gesehen habe, die erfreulicherweise von allen Parteien getragen wird, wonach die Eingliederung der Personalvertretung des ehemaligen Amtes der "Wiener Zeitung" in den Betriebsrat erfolgt, womit verhindert wird, daß diese engagierte Redaktion der "Wiener Zeitung" ohne Personalvertretung dasteht.

Staatsdruckerei und "Wiener Zeitung" haben über Jahrzehnte schwierige Aufträge kostengünstig und tadellos erledigt. Dieser Betrieb soll durch das vorliegende Gesetz neue und gute Bedingungen zur Fortführung dieser Tradition bekommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Löschnak. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.03

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mich im Juli dieses Jahres zum Thema "Politikerbezüge" zu Wort gemeldet und damals versucht, einige grundsätzliche Fragen, die sich in diesem Zusammenhang gestellt hatten und, wie ich meine, noch immer stellen, zur Diskussion zu stellen. Und ich möchte, ohne mich wiederholen zu wollen, nochmals auf diese grundsätzlichen Fragen eingehen, weil sie mir wichtig erscheinen.


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51. Sitzung / Seite 158

Ich glaube, daß man bei der Behandlung dieses Themas wirklich darüber nachdenken sollte, wie wir es zum Beispiel mit dem Vertrauen in die österreichische Rechtsordnung halten – ein Thema, das durch die damalige Novellierung tief berührt wurde. Oder wie halten wir es mit der Unvereinbarkeit parlamentarischer Funktionen in bestimmten Bereichen der öffentlichen Verwaltung? – Aber daraus ergibt sich die grundsätzliche Frage, was wir eigentlich wollen: Wollen wir ein Parlament der Berufsparlamentarier, oder wollen wir ein Parlament, in dem sich Parlamentarier mit Berufen befinden? – Eine wichtige Frage, wie ich meine.

Oder: Wie halten wir es mit der Veröffentlichung beziehungsweise Nichtveröffentlichung von Politikerbezügen – und nur von Politikerbezügen oder allen Bezügen? – Eine grundsätzliche Frage, die hier zu stellen wäre.

Ich habe schon damals im Juli gesagt, daß sich die Hauptverhandler zur Klärung dieser Probleme entweder nicht finden konnten oder nicht finden wollten. Und es mußte daher – ich lasse einmal dahingestellt, wer diese Schnelligkeit damals bedingt hat – alles rasch gehen.

Es wurden daher in zwei weiteren Kernbereichen keine Entscheidungen getroffen, sondern diese wurden verschoben: nämlich die Frage, ob die Grundeinkommen in einer sogenannten Gehaltspyramide geregelt werden sollen, und vor allem wie, und zweitens, wie das mit den Kosten, die durch das Mandat anfallen, mit den Nebengebühren der Parlamentarier geregelt werden soll. Damals war man der Meinung, daß das gemäß dem Vorschlag einer Gruppe von Wirtschaftstreuhändern geregelt werden sollte. Und es zeigt sich heute, daß zumindest für diesen zweiten Kernbereich die Vorschläge nicht oder nur schwer umzusetzen sein werden, weshalb es zu dieser neuerlichen Novellierung kommen soll.

Ich begrüße die Novellierung des Gesetzes vom Juli des Jahres 1996, aber nur deshalb, weil ich meine, daß es dadurch gelingen und daß es genug Zeit geben könnte, um wirklich grundsätzliche Überlegungen anstellen zu können, damit – das scheint mir ebenfalls wichtig zu sein, und das sollte man beim Namen nennen – eine Harmonisierung dieser Gehaltspyramide, wie immer sie dann aussehen wird, mit den Nebengebühren vorgenommen werden kann. Denn ich halte es für zutiefst widersinnig, zuerst über das eine zu reden und das nächste Mal sozusagen den Kern der ganzen Geschichte anzusprechen, und das voneinander unabhängig.

Ich glaube, daß es, wenn man in diese Grundsätze eingeht und wenn man die Harmonisierung der Gehaltspyramide und der Nebengebühren im Auge behält, auch gelingen müßte, der Öffentlichkeit zu demonstrieren, daß wir wirklich gewillt sind, ein Gehaltssystem zu schaffen, das einerseits transparent und daher nachvollziehbar ist – das muß es sein – und das andererseits keine Nischen hat und daher nicht exzessiv angewandt werden kann. Es ist einer modernen Demokratie im sechsten Jahrzehnt ihres Bestehens würdig, eine Regelung zu treffen, die nicht eine weitere Kluft zwischen den Bürgern und ihren Mandataren öffnet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Das einmal zur Sache. Lassen Sie mich noch zwei Anmerkungen zur emotionalen Seite machen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Zur Gehaltspyramide: Hoffentlich sind unsere Erwartungen durch die Gehaltspyramide, wenn sie einmal vorliegen wird, wirklich erfüllt. Ich habe da meine berechtigten Zweifel, aufgrund zwanzigjähriger Erfahrung, weil ich es kaum glauben kann, daß alle Probleme für 183 Abgeordnete dieses Hauses, für ein Drittel dieser Zahl an Bundesräten und in weiterer Folge für alle Landtagsabgeordnete, für alle Exekutivorgane tatsächlich mit einem Schlag gelöst werden können. Ich hoffe es, aber ich glaube es nicht ganz, und daher sollten wir unsere Erwartungshaltung nicht allzu hoch ansetzen.

Die zweite Bemerkung: Herr Abgeordneter Stadler, weil Sie einmal mehr in diesem Zusammenhang mit der Neidtangente agiert haben, muß ich Ihnen abschließend schon eines mit Deutlichkeit sagen: All das, was Sie hier immer wieder sagen, wie "mit Schlitten durch die Gegend fahren", "einstreifen", "abkassieren" und so weiter, ist dazu geeignet, den Neid anderer zu wecken, die nicht die Sachkenntnis haben, ja nicht haben können, die Sie eigentlich haben müßten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )


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Daher komme ich zur Schlußfolgerung: Wenn es Ihnen wirklich um die Bürger in dieser Republik geht (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das werden Sie doch nicht bestreiten!) , wenn es Ihnen letztendlich auch um dieses Gemeinwesen geht – ich bezweifle das ein bißchen, das werden Sie mir ja gestatten, Frau Abgeordnete –, wenn es Ihnen also wirklich darum geht, dann muß ich Sie eindringlich ersuchen, von diesem Schüren des Neides abzugehen. Neid kann man ja relativ leicht erwecken, dazu wäre jeder von uns in der Lage. Sie sind Meister darin, das billige ich Ihnen zu, aber davon sollte man wirklich einmal Abstand nehmen. Wenn Sie nämlich damit fortfahren, dann kann es zu keiner wirklichen Lösung kommen, die halbwegs den Interessen des Hauses dient und gleichzeitig von den Bürgern auch verstanden wird. Das ist mein Appell an Sie. (Abg. Mag. Stadler: Sie kennen doch die Vorschläge?)

Ja gerade weil ich Ihre Vorschläge kenne, appelliere ich an Sie! Ich gehe davon aus, daß niemand in der gesamten westlichen Welt als Regierungsmitglied oder Bundeskanzler mit einem Nettoeinkommen von 60 000 S pro Monat tatsächlich über die Runden kommen kann. Das ist nicht möglich! Wenn Sie einmal eine solche Funktion ausgeübt hätten, dann wüßten Sie das. Daher muß ich an Sie appellieren und Sie bitten, von dieser Neidtangente wegzugehen und wirklich sachliche Hinweise einzubringen.

Ihr Vorschlag mit den 60 000 S ist nämlich in Wahrheit kein sachlicher Beitrag zur Lösung dieses Problems, sondern er dient ganz einfach einer Aufschaukelung von Emotionen, aber mit Emotionen kann man diese Probleme ganz einfach nicht lösen. Das wollte ich Ihnen abschließend sagen. (Abg. Mag. Stadler: Bei uns hält es aber jeder ein! Bei uns kann jeder davon leben, von Haider bis Brauneder!)

Ich hoffe, daß wir in einigen Monaten einmal wirklich vernünftig unter Beachtung der angesprochenen Grundsätze, wie ich sie beispielsweise angeführt habe, über dieses Problem reden und auch zu einer halbwegs vernünftigen Lösung kommen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vom Abgeordneten Dr. Schwimmer vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.12

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für Politiker gibt es zum fünften Mal hintereinander keine Anpassung der Bezüge, sie sind eingefroren. Das ist in Zeiten wie diesen und angesichts notwendiger Sparpakete eine Selbstverständlichkeit, über die ich kein weiteres Wort verlieren werde. (Abg. Dr. Haselsteiner: Wie hoch sind Ihre Bezüge, Kollege Schwimmer? – Abg. Wabl: Krankenkasse!)

Die öffentlich Bediensteten haben für zwei Jahre auf eine prozentuelle Bezugserhöhung verzichtet. Das ist eine verantwortungsbewußte, ich möchte fast sagen, eine staatspolitische Haltung. Es gab für die öffentlich Bediensteten, vom Sektionschef bis zum kleinsten Bediensteten, egal, wie hoch der Bezug ist, zwei Mal – einmal 1996, einmal 1997 – eine Einmalzahlung in der Höhe von 2 700 S beziehungsweise 3 600 S.

Eine Zwangsfolge beider Regelungen trifft aber eine kleine Gruppe von Bediensteten, von Arbeitnehmern sehr hart, weil sie weder das eine noch das andere erhalten können. Es handelt sich um jene Arbeitnehmer, die uns als Abgeordneten unmittelbar zuarbeiten, nämlich die Parlamentsmitarbeiter. Da der Vergütungsanspruch der Abgeordneten, aus dem die Parlamentsmitarbeiter bezahlt werden können – von diesem Vergütungsanspruch kann ein Abgeordneter keinen einzigen Groschen persönlich sehen, denn dieser Betrag kann nach dem Gesetz ausschließlich zur Bezahlung von Mitarbeitern verwendet werden –, direkt an den Bezug des öffentlichen Dienstes gebunden ist, gibt es keine Erhöhung in den Jahren 1996 und 1997. Jene Abgeordneten, die diesen Vergütungsanspruch für Mitarbeiter schon voll ausgeschöpft haben, haben daher keinen Spielraum für eine Bezugserhöhung ihrer Mitarbeiter. Eine Einmalzahlung wie im öffentlichen Dienst erhalten sie aber als Privatangestellte auch nicht, weil sie nicht unter das entsprechende Bundesgesetz fallen.


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Es haben sich daher viele Abgeordnete unseres Hauses gedacht, daß das eigentlich verhältnismäßig einfach zu beheben sein müßte. Wir sind der Gesetzgeber, wir haben das Parlamentsmitarbeitergesetz beschlossen, wir haben das Einfrieren unserer Bezüge beschlossen, wir haben die entsprechenden Gehaltsgesetze für den öffentlichen Dienst beschlossen. Und es hat auch so ausgesehen, als könnte hier eine Übereinstimmung erzielt werden.

Es ist eine gute und an sich aufrechtzuerhaltende Tradition dieses Hauses, gesetzliche Fragen wie diese einvernehmlich zu regeln, eine gemeinsame Haltung aller Fraktionen herbeizuführen. Es ist für mich unverständlich, daß das in dieser Frage bis jetzt nicht möglich gewesen ist. Noch unverständlicher ist mir aber, daß die Fraktion der Grünen in den Gesprächen darüber ihre Zustimmung dazu mit einer Budgetüberschreitung für Internet- und Laptop-Anschaffungen um 12 bis 15 Millionen Schilling junktimiert hat! (Rufe bei der ÖVP: Pfui! Unglaublich!)

Da stellt sich diese Fraktion heute hier heraus, spricht groß über die Armut in Österreich und verweigert Mitarbeitern, die kleine Gehälter bekommen, Einmalzahlungen von 2 700 S und 3 600 S! Das ist Scheinheiligkeit zur Potenz! Anders kann ich das nicht bezeichnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Die Regelung dieser Einmalzahlung wäre sogar ohne Budgetüberschreitung möglich. Sie wäre in den Budgetansätzen für die Parlamentsmitarbeiter gedeckt.

Für den Herrn Wabl ist das nur zum Lachen. Für den Herrn Wabl spielen 2 700 S einmal im Jahr keine Rolle! Ich verstehe das schon. Für unsere Mitarbeiter spielt dieser Betrag aber sehr wohl eine Rolle, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Wer darüber lacht, hat überhaupt jedes Recht verloren, über Armut in Österreich zu reden! (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Ich bedauere, daß es heute nicht zu dieser Regelung kommt. Ich muß gestehen, ich beuge mich wirklich zähneknirschend der Tradition, solche Dinge nur im Einvernehmen zu regeln. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Ich habe vor mir einen Abänderungsantrag liegen, der die Unterschriften der Abgeordneten Schwimmer, Tegischer, Karlsson, Amon, Morak, Murauer und Fekter trägt, und es hätten sicher auch noch viele andere unterschrieben. Dieser Abänderungsantrag wird nicht eingebracht (Abg. Dr. Haselsteiner: Weil ihr euch nicht traut, weil ihr Angst vor der "Kronen Zeitung" und vor "täglich Alles" habt! – Abg. Wabl: Das ist das Problem!) , weil ich mich zähneknirschend dieser Tradition beuge, aber ich hoffe, daß es im Zuge der ausständigen Regelungen auch zu dieser Regelung kommt.

Ich sage aber für mich persönlich – ich kann für sonst niemanden sprechen – dazu: Ich werde etwaigen anderen Regelungen nicht zustimmen, solange wir nicht dieses Minimum an sozialer Gerechtigkeit unseren Mitarbeitern gegenüber üben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben eine Restredezeit von 9 Minuten. (Abg. Dr. Leiner : Entschuldigen Sie sich bei den Mitarbeitern! Asozial! – Weitere Protest- und Pfui-Rufe bei der ÖVP, während Abg. Wabl zum Rednerpult geht.)

20.18

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! – Herr Kollege Schwimmer! Herr Kollege Schwimmer, Bezieher eines "bescheidenen", "einfachen", "kleinen" Gehalts (Abg. Dr. Leiner: Um das geht es nicht! – Abg. Dr. Maitz: Doppelte Moral! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) , hat plötzlich erkannt, daß seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur dann eine Gehaltserhöhung bekommen können, wenn hier das ganze Haus mitstimmt. Bisher war es ausreichend, daß die Regierungsmehrheit ihre Dinge durchgesetzt hat. Sie haben im Sommer ein Bezügegesetz gemacht, das jeden kleinen Verdiener verspottet und verhöhnt, aber heute stellen Sie sich hier heraus, Herr Schwim


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mer, der Sie ständig hoch oben auf der Berufs- und Einkommensskala herumschwimmen, und grundeln unten auf der Mitleidswelle!

Meine Damen und Herren! Sie sind nicht mehr in der Lage, eine bescheidene Gehaltserhöhung für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Öffentlichkeit zu vertreten, und sagen: Die kleinste Partei hat nicht mitgestimmt! Ich armer Schwimmer mit dem Armutsgelübde in der Tasche kann meine Mitarbeiter nicht entlohnen!

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen das Geld, Herr Kollege. Nur Sie trauen sich nicht! Sie haben die Hose gestrichen voll vor der "Kronen-Zeitung"! Das ist Ihr Problem, Herr Schwimmer! Schämen Sie sich, Herr Schwimmer! Sie haben Angst vor "News", "täglich Alles" und der "Kronen-Zeitung"! Deshalb sind Sie nicht in der Lage, ein anständiges Gesetz zu machen. Meine Damen und Herren! Das ist letztklassig! (Beifall bei den Grünen.)

Und dann kommen Sie noch hier heraus, stülpen Ihre Krankenkassen und Ihre dicken, fetten Taschen über und behaupten noch, Sie hätten Mitleid mit den armen, kleinen Verdienern! – Herr Kollege Schwimmer! Schämen Sie sich ein bißchen für Ihre Unverschämtheit, die Sie hier an den Tag legen!

Plötzlich tun Sie so, als ob Sie 100 Prozent Zustimmung bräuchten! Herr Kollege Schwimmer! Die Letztklassigkeit Ihrer Argumentation wird nur noch deutlich ... (Abg. Dr. Maitz: Warum stimmt ihr nicht zu? Warum nicht?)

Herr Kollege Maitz! Wir haben Vereinbarungen getroffen. Aber Ihre Partei ist nicht mehr in der Lage, Vereinbarungen zu halten, weil der Herr Schüssel, der immer vor der leeren Schüssel sitzt, Angst hat vor der "Kronen-Zeitung" und vor "täglich Alles"! Das ist sein Problem. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber dann kommen Sie im Namen des Herrn Khol und im Namen des Herrn Schwimmer und im Namen der armen Menschen draußen hier heraus und glauben, Sie können allen Ernstes behaupten, die Grünen seien schuld am Bezügegesetz. Die Grünen seien schuld daran, daß Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlecht behandelt werden! – Gott behüte, Herr Maitz! Sie armer Mensch mit den "leeren Taschen"! Herr Schwimmer könnte mit seinen Doppelbezügen wahrscheinlich mit Leichtigkeit sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aushalten. (Beifall bei den Grünen.) Aber das tut er nicht, weil er ja so viel Geld braucht, so viel "Schmerzensgeld" für diese Heuchelei und diese traurige "Scham", die Sie hier an den Tag legen. (Abg. Dr. Maitz: Warum stimmt ihr nicht zu?)

Ich habe einen guten Vorschlag für Sie, Herr Maitz: Gehen Sie mit dem Herrn Schwimmer hinaus, zählen Sie beide einmal Ihre Gehälter, dann stellen Sie sich noch einmal hier heraus und dann bitte ich Sie: Werden Sie nicht schwarz und rot im Gesicht, sondern werden Sie ein bißchen grün! Dann würden Sie hier eine ordentliche Abstimmung zustande bringen. Ihnen fehlt der Mut! Sie sind feig, unverschämt, heuchlerisch und letztklassig! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Doppelzüngig! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatter findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen, und die Mitarbeiter bitte ich, den Zwischenraum zwischen den Sitzen zu verlassen.

Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.


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Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 520 der Beilagen.

Da es sich bei diesem Gesetzentwurf um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, stelle ich zunächst gemäß § 82 Abs. 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle das Vorhandensein der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit ausdrücklich fest.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Mehrheit . Angenommen . Ich stelle abermals ausdrücklich die verfassungsmäßig verlangte Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend die Rettung der Post und Verhinderung einer Tarifexplosion.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit . Der Antrag ist damit abgelehnt .

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 521 der Beilagen.

Da der vorliegende Entwurf gleichfalls eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich wiederum zunächst die erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist Stimmeneinheit. Der Antrag ist daher mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung zur dritten Lesung abermals um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls mit Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist daher auch in dritter Lesung angenommen .

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend Staatsdruckereigesetz 1996 samt Titel und Eingang in 522 der Beilagen abstimmen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den von diesem Antrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des § 2 Abs. 2 Ziffern 3 und 4 zum Inhalt hat.

Ich ersuche im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über § 2 Abs. Ziffern 3 und 4 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.


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Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren im Falle ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist abermals die Stimmenmehrheit . Der Antrag ist damit in dritter Lesung angenommen .

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (423 der Beilagen): Bundesgesetz über die Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung (523 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen jetzt zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. – Eine freiwillige Redezeitbeschränkung auf 10 Minuten wird angezeigt.

20.27

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Die unendliche Geschichte des Prüfzentrums Arsenal findet heute ihren traurigen Höhepunkt in der Ausgliederung und Scheinprivatisierung, wie sie uns heute vorliegt. Ich möchte ganz kurz daran erinnern... (Abgeordnete der ÖVP unterhalten sich in Gruppen, Bundesminister Dr. Scholten spricht, mit dem Rücken zum Redner, mit Abg. Mag. Ederer. – Der Redner weist in Richtung Regierungsbank.) Herr Präsident! Das sind zwar schöne Rücken, aber die können allesamt nicht entzücken!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit! – Herr Abgeordneter, setzen Sie bitte fort.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Ich möchte nur daran erinnern, daß das "heiße Eisen" Arsenal und die Ausgliederung bereits seit der XVIII. Gesetzgebungsperiode virulent sind und daß man bereits seit damals versucht, dieses sogenannte Bundesjuwel Arsenal mit einem maroden Betrieb – marod im Sinne von pleite – wie dem Forschungszentrum Seibersdorf zu fusionieren.

Uns wurde eine Regierungsvorlage zugeleitet, die angeblich von sämtlichen maßgeblichen Stellen begutachtet wurde. In ihrer Einleitung steht, daß das Ziel dieser Regierungsvorlage die Ausgliederung der Prüfanstalt Arsenal und die Errichtung als Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der strategischen und operativen Zusammenführung mit dem österreichischen Forschungszentrum Seibersdorf sein soll. Einen Absatz darunter finden wir den Satz: Alternativen zu diesem Vorhaben: keine. – So weit, so gut.

Was war tatsächlich der Fall? – Sämtliche begutachtenden Stellen, ob es die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, ob es die Arbeiterkammer oder ob es unabhängige Unternehmensberatungsfirmen wie die Firma KPMG, von der das eingeholte Gutachten stammt, waren, haben sich gegen eine solche Fusion dieser beiden Forschungs- und Prüfzentren ausgesprochen. (Bundesminister Dr. Scholten ist weiterhin ins Gespräch mit Abg. Mag. Ederer vertieft. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das alles ist dem Minister offensichtlich egal! – Abg. Ing. Meischberger: Martin! Wart einen Moment! Der Minister hat keine Zeit!)


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Das macht nichts. Der Minister hat offensichtlich keine Zeit. Ich werde trotzdem meine Redezeit nützen, weil mir das Thema sehr wichtig ist, auch wenn es dem Minister offensichtlich nicht wichtig genug ist, sich auch Gegenargumente anzuhören.

Was war tatsächlich der Grund für diese Fusionierung? – Ich habe es eingangs erwähnt, es war die Pleite des Forschungszentrums Seibersdorf, die sich bereits im Oktober dieses Jahres handfest manifestiert hat. – Herr Abgeordneter Lukesch hört wenigstens aufmerksam zu; er wird ja dann dazu sprechen.

Diese Pleite hat sich schon in einem Schreiben von Dr. Wilfried Schenk, Geschäftsführer des Forschungszentrums Seibersdorf, vom 17. Oktober 1996 manifestiert – dabei darf man natürlich nicht aus dem Auge verlieren, daß das Ziel die Fusion sein soll –, als er am 17. Oktober der Kollegenschaft seine Abberufung wie folgt mitteilte:

"Sehr geehrte Kollegen! Unmittelbarer Anlaß für diese Änderung" – nämlich seine Entlassung – "sind die Pensionsreform und die damit verbundenen Finanzierungsprobleme. Der wahre Grund ist, daß ich nicht der geeignete Manager bin, um die notwendigen grundlegenden Änderungen im Forschungszentrum zu gestalten."

Und weiters heißt es: "Ich selbst werde mich im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst und des Forschungszentrums Seibersdorf um die Umstrukturierung der angewandten Forschung im Zusammenhang mit der Ausgliederung des Arsenals kümmern und daher nicht völlig meine Seibersdorf-Connection verlieren."

Herr Minister! Das ist nahezu eine gefährliche Drohung, wenn man einen Mann, der offensichtlich schon gescheitert ist, in Zukunft wieder mit ähnlichen Agenden, nämlich mit den zukünftigen Agenden der Fusion, betraut. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ihm offensichtlich egal! Herr Präsident! Kann man den Minister nicht auffordern, daß er zuhört?)

Der neue alleinige Geschäftsführer, Herr Franz Leberl, hat sofort geantwortet. Als alleiniger Geschäftsführer wollte er natürlich nicht die alleinige Haftung übernehmen und hat am 24. Oktober, also vor nicht ganz sechs Wochen, an die Belegschaft folgendes geschrieben:

"Sehr geehrte Kollegen! Der Jahresabschluß 1996 wird gut aussehen", schreibt er noch, ohne dann aber im nächsten Absatz zu sagen, daß das Forschungszentrum für 1997 ein Budget definiert hat, bei welchem ein Defizit über 60 Millionen Schilling droht.

Zwei Absätze weiter heißt es: "Eine vom Aufsichtsrat beauftragte Nachrechnung der Pensionskosten kommt zu dem Schluß, daß 1993/94 bei der Berechnung der Kosten für das bestehende Pensionsstatut offensichtlich falsche Annahmen getroffen wurden. Es wird berichtet, daß sowohl die monatlich auszuzahlenden Pensionen als auch die bilanzmäßig erforderlichen Rückstellungen weit höher sind als erwartet, nämlich um 124 Millionen Schilling höher."

Damit noch nicht genug: Auch eine weitere Belastung der Bilanz steht ins Haus, weil man sich auch bei den Überstunden und Zeitausgleichsstunden verrechnet hat, und zwar um sage und schreibe 180 Millionen Schilling. Insgesamt hat das Forschungszentrum Seibersdorf seit 1993 somit einen satten Verlust von 500 Millionen Schilling eingefahren.

Wenn man Bilanzen lesen könnte und wenn man sich auch die dazu gehörenden Haftungsbestimmungen ansehen würde, dann müßte man eigentlich zum Staatsanwalt laufen, um eine Selbstanzeige wegen fahrlässiger Krida zu machen. – Aber das macht man nicht, sondern man fusioniert mit einem funktionierenden Unternehmen – das in der Kostenstruktur besser ist –, obwohl alle beteiligten Personen und begutachtenden Gesellschaften Einwände dagegen erhoben haben. (Abg. Dr. Lukesch: Das stimmt ja nicht!)

In der Regierungsvorlage steht, daß keine Alternativen zu dieser Fusion möglich sind. – Das ist unrichtig, falsch und ist eine Unwahrheit gegenüber diesem Hohes Haus! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es wurden nämlich in den letzten Wochen insgesamt sieben Varianten erar


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beitet, wie das Arsenal auch künftighin weiter agieren könnte. Eine dieser Varianten – das gestehe ich zu – ist die Fusion mit dem Forschungszentrum Seibersdorf.

Die beiden Institute sind aber keine kompatiblen Unternehmen, auch wenn sie beide "Forschungszentrum" heißen. Das eine ist nämlich eine klassische Prüfanstalt, die im öffentlichen Auftrag ihre Arbeit objektiv gut macht – ich erinnere nur an Untersuchungen im Zusammenhang mit Tschernobyl und vieles andere mehr, Grundwasserproben et cetera –, und das andere ist ein in die Pleite gewirtschaftetes, mit industrieller Beteiligung versehenes Forschungszentrum, bei dem der Bund 97 Prozent der Kosten zu tragen hat, obwohl er nur 51 Prozent Anteile hält. Den Rest hält die Industrie, aber die geht auf Tauchstation, wenn es darum geht, Nachschußpflichten zu erfüllen.

Diese sieben Varianten wurden allesamt vom Tisch gewischt, und zwar aus einem einzigen Beweggrund, nämlich so schnell wie möglich eine Fusion herbeizuführen, um Budget- und Bilanznöte des Forschungszentrums Seibersdorf zu kaschieren. Alle sieben Varianten wurden vorgestellt, ausführlich nähergebracht und dargestellt, fanden jedoch keinerlei Berücksichtigung bei den rot-schwarzen Koalitionspartnern. Das ist schlichtweg eine – gestatten Sie mir diesen Ausdruck! – Unverfrorenheit (Abg. Dr. Partik-Pablé : Eine Frechheit!) oder Frechheit, wie ich jetzt gerade höre.

Es ist tatsächlich so, daß es genug Gutachten gibt, die anderes aussagen. Das eingeholte KPMG-Gutachten zum Beispiel, das sicher nicht billig war – wozu hat man es schließlich eingeholt? –, sagt letztendlich im entscheidenden zusammenfassenden Satz, daß auf Grundlage dieses Gesetzentwurfes im Falle der Fusion mit Gebarungsabgängen in erheblicher Höhe, nämlich in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags, zu rechnen ist.

Warum negiert man derartige Gutachten? – Im Gegenzug wird eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, mit der man wieder einmal den zweiten Schritt vor dem ersten macht. Man gliedert aus mit der Zielsetzung der Fusion und gibt dem Herrn Minister sogar eine Ermächtigung in die Hand, nach Prüfung von zwei Bonitätsgutachten – die man nach der Ausgliederung noch schnell einholen wird, um die Fusion wissenschaftlich untermauert zu rechtfertigen, obwohl sie schon längst beschlossene Sache ist – eine Fusion nur in dieser Form herbeizuführen. Und obwohl man zugesagt hat, auch andere Varianten zu prüfen, wird man diesen Weg nicht gehen. In dem Gesetzentwurf, den wir heute beschließen, wird die Fusion mit Seibersdorf als einzige Möglichkeit dargestellt.

Aus diesem Grunde haben wir Freiheitlichen schon im Ausschuß dafür gekämpft, daß man das auslaufende Arsenal-Gesetz um ein weiteres Jahr verlängert, um gewissermaßen den ersten Schritt vor dem zweiten zu machen, damit man nicht hinfällt. Als erster Schritt wird vorgeschlagen, zuerst einmal das Arsenal-Gesetz um ein weiteres Jahr zu verlängern. In der Zwischenzeit sollen, als zweiter Schritt, die notwendigen Gutachten eingeholt und danach auf Basis der fundierten Ergebnisse die richtigen Weichen für das Prüfzentrum Arsenal gestellt werden.

Das kann eine Fusion sein, muß es aber nicht sein, denn wie es heute aussieht, wird das niemals die beste Möglichkeit sein. Nichtsdestotrotz lassen wir nichts unversucht und haben folgenden Abänderungsantrag eingebracht:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Krüger, MMag. Dr. Brauneder, Dr. Grollitsch, Dipl.-Ing. Schöggl und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz über die Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung – ArsenalG (423 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (523 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet: "Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Bundesforschungs- und Prüfzentrum Arsenal – ArsenalG geändert wird"

2. Die übrigen Bestimmungen der Regierungsvorlage entfallen.

3. Das Bundesgesetz über das Bundesforschungs- und Prüfungszentrum Arsenal – ArsenalG BGBl. Nr. 802/1993 in der derzeit gültigen Fassung wird wie folgt geändert:

§ 9 Abs. 3 lautet:

"(3) Dieses Bundesgesetz tritt mit 31. Dezember 1997 außer Kraft."

*****

Im Namen der Belegschaft und aller Prüfer, die bisher aufgetreten sind, sage ich noch einmal: Insgesamt ist die heutige Gesetzesvorlage unausgereift und schlampig, sie muß zum Untergang zweier Forschungszentren mit verschiedenen Auftragsstrukturen führen und sollte daher vorerst zurückgestellt werden. Dazu ist es notwendig, das derzeitige Arsenal-Gesetz, wie vorgeschlagen, um ein Jahr zu verlängern. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.38

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte doch einleitend den Herrn Präsidenten um etwas ersuchen. Es war vorhin etwas turbulent hier. Ich weiß nicht, ob wir hier inzwischen "neue" Ausdrücke verwenden dürfen, die ich eigentlich gar nicht verwenden möchte, etwa die, die vorhin der Kollege Wabl oder gerade eben der Kollege Graf gebraucht hat. Wenn es so ist, dann muß man uns das sagen.

Ich denke allerdings, da sind Ausdrücke verwendet worden, das ist ein Stil, Herr Präsident, angesichts dessen ich Sie einfach bitten möchte, sich in Ruhe einmal anzuschauen, was hier gesagt wurde, und allenfalls auch die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Dr. Graf! Ich weiß nicht, inwieweit Sie sich überhaupt mit dem Arsenal beschäftigt haben, denn anscheinend ist es Ihnen ja in erster Linie darum gegangen, ein international anerkanntes, renommiertes Forschungszentrum wie Seibersdorf hier mit Ausdrücken zu bedenken, für die Sie eigentlich die Verantwortung tragen müßten. Sie haben Seibersdorf als einen maroden Betrieb bezeichnet, Sie haben Seibersdorf als einen in die Pleite gewirtschafteten Betrieb bezeichnet. Das hat sich dieses Forschungszentrum nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Der Geschäftsführer selbst sagt das! Das schreibt der Geschäftsführer! Wie sonst nennen Sie einen Abgang von 500 Millionen Schilling?! )

Wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, wüßten Sie ganz genau, auf welchen gesetzlichen Verpflichtungen diese Zahlen beruhen.

Ich hätte Ihnen viel Glück gewünscht, wenn Sie als Geschäftsführer dieser Einrichtung über bestehende Betriebsvereinbarungen verhandeln und hätten sagen müssen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen all das leider streichen, damit dieser Fall nicht eintritt. – Dazu hätte ich Ihnen viel Glück gewünscht. Denn das ist, wie Sie wissen, einseitig nicht machbar, und es ist auch gut so, daß es nicht möglich ist, die Rechte der Arbeitnehmer einseitig zu beschneiden. Im Gegenteil: Wir sind auch bei diesem Gesetz darauf bedacht, daß darauf geachtet wird, daß die


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Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewahrt bleiben. (Abg. Dr. Graf: Das ist sozialistische Privatisierung!)

Herr Kollege Graf! Sie haben auch nicht mitbekommen ... (Abg. Dr. Graf: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen auch Arbeiterkammerumlage!) Sie waren jetzt soeben am Wort, Sie haben jetzt zehn Minuten geredet: Hängen Sie noch einige Minuten an, Sie haben ja genug Redezeit! Melden Sie sich noch einmal!

Kollege Graf! Sie haben auch gesagt, daß die Regierung untätig gewesen sei und daß wir hier etwas Falsches beschließen. – Ich meine: Würden wir dieses Gesetz heute nicht beschließen und diesen notwendigen Schritt, wie er sich aus dem Gutachten ergibt, nicht setzen, dann würde ich verstehen, wenn Sie uns Untätigkeit beziehungsweise falsches Handeln vorwerfen würden. Da wir aber den Weg weitergehen, der ab 1987 im wesentlichen bereits beschritten wurde, weisen wir zurück, daß Sie sagen, daß alles falsch oder nicht gründlich genug vorbereitet ist. Sie wissen auch, daß das in den Koalitionsvereinbarungen sowohl 1994 als auch 1995 vereinbart war. Das kann für Sie, wenn Sie sich damit jemals beschäftigt haben, keine Neuigkeit sein, die heute über Sie hier hereinbricht.

Es gibt sehr wohl Gründe für diesen heutigen Schritt, und diese lassen sich auch sehr gut zusammenfassen. Es handelt sich hiebei um die beiden größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs, und zwar um renommierte Forschungseinrichtungen. Sie haben aber einander teilweise überschneidende Tätigkeitsfelder: Beide beschäftigen sich mit Fragen der Geotechnik, der Geowissenschaft und mit Fragen der Umweltforschung. Sowohl im Arsenal als auch in Seibersdorf beschäftigt man sich etwa mit Elektrotechnik und Elektronik in Verbindung mit Meßtechnik und Informatik. Im Arsenal beschäftigt man sich sehr intensiv mit Maschinenbau, in Seibersdorf mit System- und Technologieforschung: Das sind Bereiche, in denen es durchaus sehr sinnvolle Verbindungen geben kann.

Es geht bei diesem Gesetz zunächst einmal darum, eine bessere Koordinierung zu erreichen. Wir alle wissen, daß es Sinn macht, die Overhead-Kosten bei zwei staatlichen Einrichtungen so gering wie möglich zu halten, sie jedenfalls zu senken. Wir brauchen vor allem eine österreichische Forschungseinrichtung in einer entsprechenden Größenordnung, die sich auch international beziehungsweise auf dem europäischen Forschungssektor aktiv einbringen kann. Das könnte mit einer Zusammenführung dieser beiden Einrichtungen erreicht werden.

Kollegen Graf ist offenbar auch entgangen, daß wir die Zielsetzung, wie das zustande gebracht werden soll, im Ausschuß geändert haben. Sie haben das alte Vorblatt zitiert. Wir haben jedoch eine neue Formulierung gefunden, die mehrere Möglichkeiten offenläßt, wie diese Fusionierung oder diese Zusammenarbeit erfolgen sollte. Ich bitte Sie, den Ausschußbericht durchzulesen und Ihre alte Meinung durch die entsprechende neue zu ergänzen! (Abg. Dr. Graf: Lesen Sie einmal, was in § 2 Abs. 4 steht!)

Es geht auch darum, daß wir insgesamt eine verbesserte Kostendeckung erreichen. Sie liegt beim Arsenal, wobei die Ursachen dafür nicht allein beim Arsenal zu suchen sind, bei rund 37 Prozent, bei Seibersdorf lag sie zuletzt bei über 60 Prozent, wie mir berichtet wurde. Es soll etwa auch eine höhere Geräteauslastung erzielt werden. Man könnte dann die Anschaffung und Auslastung der sehr teuren Forschungs- und Prüfeinrichtungen besser aufeinander abstimmen.

Ich meine, daß es eine Reihe guter Gründe gibt, dieses Arsenal-Gesetz heute zu beschließen. Ganz wichtig ist natürlich auch, daß die Rechte der über 200 hochqualifizierte Frauen und Männer, die dort tätig sind, umfassend gesichert sind.

Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, daß etwa Gewerkschaft und Arbeiterkammer in ihren Stellungnahmen insbesondere ausgeführt haben, was für eine solche betriebliche Änderung wichtig ist. – Wir haben in diesem Gesetzentwurf, der heute beschlossen werden soll, all das berücksichtigt. Es ist all diesen Einwänden und Vorschlägen Rechnung getragen worden. Bei den nächsten Schritten werden auch die Personalvertretung und Betriebsräte miteingebunden sein, damit diese auf dem laufenden gehalten werden und auch ihre Kenntnisse und ihr Wissen einbringen zu können.


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Wir haben erst zuletzt in einen Abänderungsantrag, den Kollege Spindelegger noch verlesen wird, auch eine Anregung der Belegschaft aufgenommen: In die Bezeichnung dieser Einrichtung soll das Wort "Österreichisches" mitaufgenommen werden, sodaß es dann "Österreichisches Forschungs- und Prüfzentrum" heißt. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Einrichtungen waren zu Recht der Meinung, daß mit dem Begriff "österreichisch" auch ein Qualitätssignal vermittelt wird. Und diese Konnotation könnte für ihre Tätigkeit von Vorteil sein.

Kollege Graf! Wenn Sie sagen, daß dadurch Mehrkosten entstehen, dann kann ich Ihnen antworten, daß es sich hiebei um Investitionen handelt, die für das Arsenal auf jeden Fall notwendig gewesen wären. (Abg. Dr. Graf: Das behaupte nicht ich, das behauptet die KPMG!) Sie müssen sich das Ganze wirklich aufmerksam durchlesen und nicht nur Teile herausnehmen! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Hören Sie jetzt zu, vielleicht können Sie mich verstehen! Ich werde zumindest versuchen, es Ihnen zu erklären.

Die Umwandlung in eine GmbH hat zur Folge, daß auch das Arbeitsinspektorat zuständig wird. Jetzt könnte jemand sagen: Das kostet viel, wieso sollen wir das tun? Bei einer öffentlichen Dienststelle würden diese Kosten nicht entstehen. – Dann geben Sie doch hier gleich zu, daß Sie gegen den Arbeitnehmerschutz sind! Dann behaupten Sie nicht, daß Sie dafür sind, daß auf dem Gesundheitssektor die Situation für die Arbeitnehmer dort verbessert wird! Dann sagen Sie auch, was Sie meinen, und reden Sie nicht von irgendwelchen Kosten, von denen Sie genau wissen, worauf sie zurückzuführen sind! (Abg. Dr. Graf: Ich rede nicht davon, die KPMG redet davon!)

Das Motto des Betriebes Arsenal lautet: "Durch Kompetenz die Gegenwart gestalten und die Zukunft sichern." Das gilt sowohl für das Arsenal als auch für die österreichische Forschungs- und Technologiepolitik generell. Das gilt auch für dieses Gesetz, und wir sind zuversichtlich, daß wir auf diese Weise für das Arsenal und für Seibersdorf eine gute Zukunft gestalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr Graf. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Redezeit: maximal 2 Minuten.

20.48

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Niederwieser hat hier beim Rednerpult behauptet, daß aufgrund der vorliegenden Regierungsvorlage eine andere Möglichkeit als die der Fusion des Arsenals mit dem Forschungszentrum Seibersdorf offenstehen würde. – Das ist unrichtig.

Richtig ist vielmehr, daß bereits in § 2 Abs. 4 der Regierungsvorlage festgehalten ist: "Der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst wird weiters ermächtigt, nach Maßgabe des Abs. 5 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen 100 Prozent der von ihm im Rahmen seiner Gesellschafterfunktion verwalteten Anteile des Bundes an der Gesellschaft an die Österreichische Forschungszentrum Seibersdorf GmbH zu übertragen." – Damit ist sichergestellt, daß es für das Ministerium nur eine einzige Möglichkeit gibt, nämlich die Fusion durchzuführen. Das zieht sich auch wie ein roter Faden durch das Gesetz. Wer etwas anderes behauptet, behauptet etwas Unwahres! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Kier vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Riedler. – Gegenruf des Abg. Dr. Graf. ) Am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.49

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann an dieses Zwiegespräch gleich indirekt anknüpfen. Ich möchte einmal deutlich zum Ausdruck bringen, daß es mit § 2 Abs. 4 wirklich eine besondere Bewandtnis hat. Wir haben im Ausschuß ausführlich darüber diskutiert, ich meine, fast über


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Gebühr, wenn man bedenkt, daß es sich nur um einen kleinen Absatz handelt. Aber dieser hat natürlich einen hohen symbolischen Gehalt.

Ich bringe daher vorerst einen Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz über das Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Fassung des Ausschußberichts (523 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Der § 2 Abs. 4 entfällt.

2. Der § 2 Abs. 5 enthält die Nummer 4.

*****

Wir hatten, wie ich schon erwähnt habe, im Ausschuß Gelegenheit, darüber ausführlich zu diskutieren. Im Prinzip ist die Ausgliederung des Arsenals in der vorgesehenen Form durchaus eine Angelegenheit, die Sinn machen kann. Es ist eine Rechtsüberführung mit Phantasie. Das Aufsuchen von möglichen Synergien mit dem Forschungszentrum Seibersdorf kann neue Perspektiven eröffnen. Insbesondere im Abs. 5 des § 2 ist ein Procedere dargestellt, wie die Entwicklung von Unternehmenskonzepten funktionieren soll, wie Beschlußfassungen der Organe der beiden Gesellschaft, die auf das Unternehmenskonzept Bedacht zu nehmen haben, vor sich gehen sollen und so weiter und so fort.

Ausschließlich § 2 Abs. 4 ist völlig unverträglich mit all dem, was wir im Ausschuß diskutiert haben. Das hat Kollege Graf schon ausgeführt. An dieser Stelle ist nämlich eine eindimensionale Ermächtigung für den Bundesminister für Finanzen nunmehr auch im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst vorgesehen, und zwar betreffend die Einbringung der Gesellschaftsanteile der Arsenalgesellschaft in die Österreichische Forschungszentrum Seibersdorf GesmbH. Das stellt aber nur eine einzige Variante dar.

Dazu möchte ich noch einmal sagen: Wenn man sich mit handelsrechtlichen Vorgängen und ähnlichem beschäftigt, dann erkennt man, daß es sich hiebei um eine eindimensionale Ermächtigung handelt, die nur eine ganz bestimmte Form der Zusammenführung vorsieht, und zwar nur die und ausschließlich die. Wenn daher all das, was sonst in diesem Gesetz steht und was im Ausschuß gesagt und in den Diskussionen erwähnt wurde, ehrlich gemeint ist, daß möglicherweise auch andere Arten der Zusammenführung in Frage kommen, etwa die umgekehrte Fusionsrichtung oder die Schaffung eines neuen Rechtsträgers, in den dann aus den beiden Gesellschaften das Sinnvolle eingebracht wird, wenn also alles wirklich noch offen ist – und Abs. 5 gibt den Anschein der Offenheit in dieser Frage –, dann ist diese Ermächtigung völlig sinnlos. Denn diese kann nur in einem einzigen Fall angewendet werden, und zwar in einem Fall, der noch dazu außerordentlich unwahrscheinlich sein sollte, wenn man tatsächlich Unternehmenskonzepte entwickelt.

Mit Seibersdorf haben wir allerdings Probleme der besonderen Art, etwa mit den Pensionsrückstellungen oder mit dem Dienstrecht. Sie wissen ganz genau, daß in Seibersdorf geradezu die Quadratur der Dienstrechte stattgefunden hat. Es sind dort alle Elemente des öffentlichen Dienstrechtes kombiniert mit allen Benefits privatrechtlicher Vereinbarungen. Und wenn man jetzt die Gesellschaft Seibersdorf, so wie sie ist, als aufnehmende Gesellschaft zum Träger einer Fusion macht, dann verseucht man sozusagen das gesamte Dienstrecht im neu entstandenen, aus der Fusion hervorgegangenen Unternehmen. Man begibt sich also von vornherein der Chance, hier Reformen zu setzen und Personal überzuleiten und nicht einfach in Gesamtrechtsnachfolge zu stellen. Das hat man entweder nicht gewußt, als man das geschrieben hat – das wäre tragisch genug, ich glaube aber, daß das nicht der Fall ist –, oder es


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ist eben tatsächlich die Absicht vorhanden, genau diese Fusion vorzunehmen und sie in der Folge am Hohen Haus insofern vorbei zu tragen, als jetzt schon blanko eine Ermächtigung erfolgt ist. – Ich meine, so kann man mit Bundesvermögen nicht umgehen!

Wenn wir wirklich erst eine Evaluierungsphase hinter uns bringen wollen, in der wir klären, wie die Gebiete aufgeteilt werden sollen, wo die Forschung und wo das Prüfen der stärkere Ast ist, wie all das zusammengeführt werden kann, dann darf nicht solch eine Ermächtigung vorgenommen werden. Diese ist dann nämlich gar nicht nötig, weil gar kein Zweifel bestehen kann, daß, wenn die Evaluierungsphase abgelaufen ist, eine entsprechende Ermächtigung für den zuständigen Bundesminister in diesem Hohen Haus die Mehrheit finden wird. Da handelt es sich ja nicht um ein zitterndes Glück! Ich hoffe doch, daß, wenn der Ablauf hier ordnungsgemäß stattfindet, eine dann notwendige Ermächtigung an den Bundesminister eine Mehrheit findet.

Die jetzige Regelung würde nur Sinn machen, wenn man annimmt, daß irgendein zitternder Kompromiß zwischen den Regierungsparteien jetzt gerade noch hält, und daher jetzt gleich diese Ermächtigung ins Gesetz schreiben läßt, weil man befürchtet, daß man diese in zwei Jahren nicht mehr bekommt. Dann ist der Abs. 4 allerdings ein Ausdruck des Mißtrauens zwischen den Regierungsparteien. Er ist gesellschafts- und handelsrechtlich durch nichts begründbar.

Ich erinnere mich wirklich mit schmunzelndem Blick an die Ausschußsitzung. Wir haben das ausführlich diskutiert. Es wurde dort kein einziges Argument vorgebracht, warum dieser Abs. 4 notwendig ist. Daher hängt für mich Ihre politische Glaubwürdigkeit letztlich davon ab, ob Sie diesem Abänderungsantrag Ihre Zustimmung geben werden oder nicht. In diesem Fall handelt es sich für mich absolut um eine Frage der Glaubwürdigkeit. Ich bitte Sie daher wirklich: Überlegen Sie noch einmal, ob der Bundesminister die Ermächtigung wirklich heute schon braucht, damit er in drei Jahren etwas tun kann, von dem wir alle, die wir uns mit Seibersdorf und dem Arsenal ein bißchen auskennen, wissen, daß es wahrscheinlich gar nicht notwendig sein wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Im Lichte dessen weist der an und für sich eher liebenswürdige Abänderungsantrag der Kollegen Lukesch, Niederwieser und Spindelegger eine besondere Facette auf. Vorgesehen war sowohl in der Regierungsvorlage als auch noch im Ausschuß, daß die ausgegliederte Gesellschaft "Forschungs- und Prüfungszentrum Arsenal GesmbH" heißen soll. Jetzt hat uns Kollege Niederwieser erzählt, daß die Belegschaft wortreich erklärt hat, daß es für die Kontinuität und vom psychologischen Standpunkt und so weiter besser sei, wenn die Gesellschaft "Österreichisches Forschungs- und Prüfungszentrum Arsenal GesmbH" heißt. – Ich könnte mit dieser Variante leben. (Abg. Dr. Lukesch: Das ist eine gute Idee, oder?) Ich habe damit kein Problem.

Ich sage Ihnen nur: Versuchen Sie einmal, ein Unternehmen zu gründen und im Handelsregister mit dem Namensbestandteil "Österreichisch" eintragen zu lassen! Versuchen Sie das einmal! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es stellt schon einen kleinen Marktvorteil dar, wenn ich mich "Österreichisches XY" nennen kann. Damit gebe ich dem Unternehmen zusätzlichen Goodwill und Firmenwert. (Abg. Dr. Brinek: So soll es auch sein!) Gut, es soll so sein. Wenn die Republik meint, daß sie ihren Kindern sozusagen Startvorteile mitgeben soll, dann soll mir das recht sein. Ich frage Sie jedoch: Glauben Sie – wenn Sie ohnedies vorhaben, eine Fusion vorzunehmen, und das nur ein vorübergehender Bestand ist –, daß dieses Unternehmen in den zwei Jahren zugrunde gehen würde, wenn es nicht "Österreichisches Forschungs- und Prüfungszentrum" hieße?

Wenn Sie sich die Ermächtigung im Abs. 4 jetzt schon sicherheitshalber ganz schnell holen und dann fusionieren, dann ist der Firmenname weg! (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. ) Denn wenn Sie eine Fusion durch Aufnahme vornehmen, dann wird die spätere Gesellschaft nicht "Österreichisches Arsenal" heißen, sondern "Seibersdorf". (Abg. Dr. Lukesch: "Österreichisches Forschungszentrum Seibersdorf" wird sie heißen!) Ich weiß schon, wie Seibersdorf im vollen Wortlaut heißt. Es ist aber dann "Seibersdorf" ein Namensbestandteil, und dieser hat unter anständigen Kaufleuten keinen guten Klang. Glauben Sie mir das! Das ist kein guter Name.


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Denn ein Unternehmen, dessen Bilanz derartige Fehler aufweist, daß nämlich in dreistelliger Millionenzahl falsche Rückstellungen für Pensionen gebildet werden, hat in der Wirtschaft keinen hohen Goodwill. Dann zweifelt man mit Recht an dem Management, das dort arbeitet. Und das war immer schon eine GesmbH und unterstand immer schon dem Handelsrecht. Man kann zu Recht annehmen, daß das Management dort vielleicht von manchen Dingen etwas versteht, aber nichts von der Führung eines solchen Unternehmens. Glauben Sie mir: Ein so schwerer Fehler darf einfach nicht passieren!

Jetzt motzen Sie den Namen sozusagen im Hinblick auf Goodwill auf. Damit könnte ich leben, dagegen hätte ich gar nichts. Ich meine, daß das irgendwie eine rührende Geste an das Personal ist. Man muß den Beamten im Arsenal ... (Abg. Dr. Haselsteiner: Mut machen!) Ja, man muß sie sorgfältig daran gewöhnen, daß sie jetzt vielleicht in den Wettbewerb geraten. Daher will man ihnen halt jetzt eine Streicheleinheit geben. Damit kann ich leben, Herr Kollege Niederwieser. Ich verstehe das schon. Nur: Brauchen Sie das für zwei Jahre, weil Sie glauben, daß der Name "Arsenal" für sich genommen unter Fachleuten keinen Klang hat? – Dazu kann ich sagen: Als Prüfungszentrum hat das Arsenal einen guten Namen, ob es jetzt "Bundesanstalt" heißt oder "GesmbH". Denn es sind gute Leute dort, mit hoher diesbezüglicher Qualifikation. Als Forschungsbereich – ich möchte mich lieber nicht äußern, weil ich höflich bin und heute der Abend schon fortgeschritten ist – hat es keinen so guten Namen. Aber durch die Hinzufügung "Österreichisches" für zwei Jahre wird sich nichts ändern, weil Sie den Untergang des Arsenals ohnedies heute schon durch die einseitige Ermächtigung zur Fusion durch Aufnahme zwingend ins Gesetz schreiben.

Entweder wurde da bewußt ein doppelter Boden angebracht, oder man ist fachlich extrem inkompetent vorgegangen. Das allein ist jedenfalls ein Grund dafür, daß wir diesem Gesetz nicht zustimmen, obwohl wir ansonsten gerne für eine Ausgliederung und Privatisierung gerne gestimmt hätten. Man ist entweder unaufrichtig oder inkompetent vorgegangen, und das sind zwei Varianten, denen wir unsere Zustimmung nicht geben können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. – Bitte, Herr Abgeordneter: 10 Minuten freiwillige Redezeit werden angezeigt.

21.00

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich einleitend ganz klar feststellen, daß die Absicht dieses Gesetzes, nämlich ein "Österreichisches Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal" in der Rechtsform einer GesmbH zu gründen, voll den Grundsätzen der Österreichischen Volkspartei entspricht. Es entspricht unseren Grundsätzen, dort, wo dem nicht hoheitliche Vorbehalte entgegenstehen, die flexiblere privatrechtliche Form einer GesmbH statt der eines Bundesamtes zu wählen. Deshalb begrüße ich zunächst einmal diesen Schritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Meinung ist auch Kollege Kier. Nur die Freiheitlichen verweigern sich, und auch Kollegin Petrovic verweigert sich. (Abg. Dr. Graf: Kollegin Hostasch war auch dagegen!) Dennoch ist dies ein sehr sinnvoller Schritt, der für sich genommen Sinn macht, denn in Form einer GesmbH ist dieses Unternehmen flexibler, es kann besser mit anderen Einrichtungen zusammenarbeiten, und es wird auch in Anbetracht von EU-Bestimmungen als Prüfzentrum leichter bestehen können, da Bundeseinrichtungen von bestimmten Prüfaufträgen ausgeschlossen wären. Dieser Schritt macht also für sich genommen durchaus Sinn. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist diesem jetzigen Ausgliederungsschritt eine intensive Diskussion vorausgegangen, und das hat Kollegen Graf so total verwirrt. Er hat einige Dinge verwechselt. Er hat einen provisorischen Beamtenentwurf, der von den zuständigen Stellen kommentiert worden, als Regierungsvorlage des Bundesministers bezeichnet. Er hat das einfach verwechselt beziehungsweise nicht mitbekommen, was im Abänderungsantrag zu dieser Regierungsvorlage steht.

Ich unterstelle Ihnen in diesem Fall entweder böse Absicht oder Ahnungslosigkeit, Herr Kollege Graf: Sie können es sich auswählen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie sind sogar so


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weit gegangen, einem Journalisten der "Salzburger Nachrichten" am 3. Dezember eine geradezu klassische Ente unterzujubeln, indem Sie behauptet haben, es gehe bei dieser Ausgliederung um die Sanierung Seibersdorfs, weil Seibersdorf in seiner Bilanz dann die hohen Werte der Grundstücke, auf denen das Arsenal arbeitet, sozusagen zur Auffettung des Bilanzbildes verwenden könnte.

Ich glaube, die Medien können an diesem Beispiel die Ernsthaftigkeit Ihrer Argumentation sehr gut sehen und werden sich in Zukunft hüten, auf OTS-Meldungen der FPÖ mit tatsächlichen Publikationen zu reagieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was jetzt Ihre Verwirrung bezüglich des § 2 Abs. 4 und Abs. 5 anlangt, möchte ich Ihnen sagen: Es gibt in den Erläuternden Bemerkungen die ganz klare Feststellung, was dieser § 2 Abs. 5 bedeuten soll: Es sollen die unterschiedlichen Optionen der Zukunft des Arsenals von unabhängigen Prüfern geprüft werden, und zwar sowohl die Selbständigkeit dieses bewährten Forschungs- und Prüfzentrums als auch eine strategische Kooperation mit Seibersdorf als auch eventuell eine Verschmelzung. Diese Alternativen sind im Bericht des Ausschusses enthalten und stellen überhaupt keinen Widerspruch zum Abs. 4 dar. Es kann keine Rede davon sein, daß jetzt eine überhastete Verschmelzung mit Seibersdorf vorgenommen werden soll, um Seibersdorf vor der Pleite zu retten!

Und ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Herr Kollege Graf: Ihre Äußerungen sind nichts anderes als Zitationen eines fristlos entlassenen Direktors! (Abg. Dr. Graf : Der von Ihrem Minister weiterhin beschäftigt wird!) Kollege Kier hat das katastrophale Management in der Sache der Rückstellungen ja richtigerweise erwähnt. Aber Ihre Zitation eines fristlos entlassenen Direktors reicht bei Gott nicht aus, daß man behaupten kann, Seibersdorf sei pleite im objektiven Sinn. Auf diese Weise betreiben Sie Rufschädigung! (Beifall bei der ÖVP.)

Das könnte auch zivilrechtliche Haftungsfolgen für Sie haben (lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) , denn es handelt sich hiebei um Rufschädigung, Firmenschädigung, Kreditschädigung und so weiter, also all das, was Kollege Meischberger mir einmal angedroht hat in der Angelegenheit der Strafanzeige betreffend "3 Millionen bares Geld aufs Handerl", die jetzt erfolgt ist. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Gleiches müssen jetzt auch Sie, Kollege Graf, gegen sich gelten lassen, denn so leichtfertig sollte man mit dem Ruf einer Institution nicht umgehen, wie Sie es getan haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt zu den Argumenten des Kollegen Kier, die ich durchaus nachvollziehen kann. Es geht heute um einen ersten Schritt in Richtung Privatisierung. Man hält sich aber die Optionen, was endgültig zu geschehen hat, offen. (Abg. Dr. Haselsteiner : Eben nicht!) Doch, und zwar auf der Basis einer objektiven Evaluierung der verschiedenen Alternativen. Ich halte das für eine sinnvolle Vorgangsweise.

Die Option Seibersdorf ist von sich aus tatsächlich sehr attraktiv, wenn man bedenkt, daß man heute im internationalen Forschungswettbewerb bestimmte kritische Massen haben muß, um sich bewerben zu können. Und wenn man weiß – Kollege Niederwieser hat es erwähnt –, daß es potentiell Synergien in den einzelnen Bereichen geben könnte – angefangen von der Energietechnik bis hin zur Umwelttechnik, die genannt worden sind –, dann bietet sich Seibersdorf als eine Option an. Aber mir persönlich – und da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube – ist noch nicht klar, ob es nicht vielleicht auch sinnvoll wäre, diese beiden Institutionen im Wettbewerb gegeneinander auf dem Markt antreten zu lassen. Ich glaube, dafür müßte ich auch bei Ihnen, Kollege Haselsteiner, gewisses Verständnis dafür finden, daß man zunächst einmal prüfen soll, ob das Wettbewerbsmodell, das Fusionsmodell oder eine andere Form der strategischen Kooperation oder Allianz das bessere Modell ist.

Das wollen wir prüfen, und für den Fall, daß sich herausstellen sollte, daß Fusion die beste Form ist, kann man immer noch in verschiedenen Formen einen nächsten Schritt setzen, zu dem der Minister ermächtigt ist, aber nur unter dem Vorbehalt des Abs. 5 in § 2. – Das möchte ich als ein durchaus sinnvolles Konzept der Privatisierung mit einer gewissen Zielsetzung bezeichnen, die aber noch eines weiteren Überprüfungsschrittes bedarf. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist so, wie wenn Klima zum Verkauf der CA ermächtigt wird!)


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Ich möchte noch etwas dazu sagen und auch, Herr Kollege Graf, das Vorblatt zitieren: Darin gibt es eine Reihe von Vorgaben für das Arsenal, die sehr hart klingen: 34 Prozent Erhöhung des Umsatzes, 9 Prozent Absinken des öffentlichen Beitrags. Aber wir sollten auch erkennen – und dazu hat der Herr Bundesminister durchaus Möglichkeiten; etwa mit dem noch in diesem Monat vorzulegenden Forschungs- und Technologiekonzept der Bundesregierung, finanziert mit zwei zusätzlichen Milliarden in den nächsten beiden Jahren –, daß insbesondere diesem Forschungszentrum eine entsprechende Chance zu geben wäre, sich um die Mittel zu bewerben. Das sollte man dazusagen. Hier gibt es also neue Forschungsgelder, und gerade wenn es um den Technologiebereich, um den Technologietransferbereich geht, ist das Arsenal ein sehr potenter und aussichtsreicher Mitwettbewerber um diese Forschungsmilliarden, sodaß diese Vorgaben meiner Meinung nach auch erreicht werden können.

Ich meine also, daß die Unterstellungen des Kollegen Graf, wir wollten hier fusionieren, um mit den Grundstücken Seibersdorf, das ruiniert ist, zu sanieren, tatsächlich keiner Beachtung würdig sind. (Abg. Dr. Graf: Wollen Sie das nicht?)

Ich glaube, daß man durchaus auch die Bedenken des Kollegen Kier ausräumen kann, indem man dies als sinnvollen, naheliegenden Schritt im Rahmen einer bedingten Ermächtigung an den Minister überträgt.

Frau Kollegin Petrovic hat im Ausschuß gesagt, daß die Unabhängigkeit des Instituts zur Disposition gestellt werde. – Da müssen Sie mir erst einmal erklären, wieso weisungsgebundene Beamte unabhängig und freie Forscher in einer GesmbH auf einmal abhängig sind! Aber dazu werden Sie ja Gelegenheit haben!

Ich glaube, wir machen einen richtigen ersten Schritt, und daher erfolgt die Zustimmung unserer Fraktion. (Beifall bei der ÖVP.)

21.10


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Bevor ich dem nächsten Abgeordneten das Wort erteile, stelle ich fest, daß der zuvor von Abgeordnetem Dr. Kier eingebrachte Abänderungsantrag ordnungsgemäß eingebracht wurde, entsprechend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich nun Herr Abgeordneter Dr. Graf gemeldet. 2 Minuten Redezeitbeschränkung. – Sie haben das Wort. Bitte.

21.10

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kollege Lukesch! Herr Abgeordneter Lukesch hat hier vom Rednerpult aus behauptet, daß ich mittels eines OTS-Pressedienstes eine klassische Ente gesetzt hätte, der letztlich ein Journalist der "Salzburger Nachrichten" erlegen ist, und hat davor gewarnt, künftig den Wahrheitsgehalt meiner Pressedienste ernst zu nehmen, beziehungsweise angeregt, zu relativieren.

Das ist unrichtig. Mein OTS-Pressedienst stammt vom 3. Dezember 1996 um 12.28 Uhr und war eine Reaktion auf den Artikel in den "Salzburger Nachrichten" vom 3. Dezember 1996. Sohin ist es unmöglich, daß mein OTS-Pressedienst eine Ente erzeugen konnte, die die "Salzburger Nachrichten" verbreitet haben (Abg. Haselsteiner: Keine Ente, sondern ein gerupftes Huhn!) , sondern es war vielmehr so – wenn schon –, daß ich einer Ente der "Salzburger Nachrichten" aufgesessen bin und dies möglicherweise falsch übernommen habe.

Sie wissen das sehr wohl, Herr Kollege Lukesch, aber Sie verbreiten ja sehr viele Unwahrheiten von hier aus (Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen) im Zusammenhang mit diesem gesamten Komplex. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: So ist es! – Abg. DDr. Niederwieser: Herr Präsident, was soll das?!)

21.12


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51. Sitzung / Seite 175

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Restredezeit: 4 Minuten. (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.12

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, eine selten lebhafte und spannende Wissenschaftsdebatte, denn tatsächlich ist es im Gegenstand wohl auch sehr fragwürdig, was hier von den Regierungsparteien durchgezogen werden soll.

Herr Bundesminister! Ich habe nur eine sehr kurze Redezeit, daher kann ich nicht alles im Detail begründen. (Abg. Schwarzenberger: Da ist aber der Wabl schuld!) Es war schon richtig, was Ihnen Herr Abgeordneter Wabl endlich einmal gesagt hat.

Herr Bundesminister! Sie haben im Ausschuß gesagt, Sie hätten nichts dagegen, daß auch die Opposition die Gutachten, die diesem – wie Sie es nennen – ersten Schritt – ich sage, dieser De-facto-Fusion – zugrunde liegen, erhält (Bundesminister Dr. Scholten: Ja!) , und zwar das Gutachten des Verfassungsdienstes, das Gutachten der FGG und der Alpen-Treuhand. Ich habe diese Gutachten nicht bekommen, ich glaube auch nicht, daß die anderen Oppositionsabgeordneten diese Entscheidungsgrundlagen erhalten haben. Insbesondere die Argumentation – von der im Ausschuß behauptet wurde, es sei die des Verfassungsdienstes –, daß es aus Gründen des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit nötig sei, diese einseitige Festlegung des Ministers, diese einseitige Ermächtigung in Richtung Fusion mit Seibersdorf hineinzuschreiben, scheint mir juristisch eine derart abstruse Argumentation zu sein, daß ich wirklich bezweifle, ob es so ein Gutachten gibt, und ich halte jedenfalls fest: Wir, die Opposition in diesem Haus, haben die Entscheidungsgrundlagen nicht bekommen, sie wurden uns vorenthalten.

Zweiter Punkt: Die Fusion – und de facto wird ja die Fusion und nur die Fusion vorbereitet (Bundesminister Dr. Scholten: Nein!) – ist eine dubiose Lösung. Dubios zum einen, weil die Vorgänge, die letztlich zur fristlosen Entlassung des Seibersdorf-Geschäftsführers geführt haben, nicht aufgeklärt sind. Und wenn Sektionschef Rozsenich im Ausschuß wörtlich gesagt hat, das Pensionsstatut von Seibersdorf sei finanziell nicht erfüllbar, dann frage ich Sie: Warum machen Sie jetzt das Arsenal zu einer hundertprozentigen Tochter und bereiten als einzigen Schritt die Fusion vor? Wieso bereiten Sie diese einzige Lösung vor? Wieso schließen Sie sich dann nicht wirklich der Argumentation des Abgeordneten Kier an, warum läßt man es nicht offen? – Einer bloß organisationsrechtlichen Privatisierung könnten wir auch zustimmen, aber hier wird ein Schritt vorbereitet, den wir für einen – jedenfalls momentan – verfrühten und dubiosen halten. (Beifall bei den Grünen.)

Zum dritten: Politisch befürchte ich tatsächlich, daß ein unabhängiges Prüfzentrum mit einem exzellenten Ruf mit einer sehr stark industrieabhängigen Forschungsstelle zusammengetan werden soll und seine Unabhängigkeit gegenüber eben dieser Industrie verliert. Ich habe nichts gegen industrienahe Forschung, die kann und soll es auch geben, aber daneben brauchen wir Prüfstellen, Forschungszentren, die ausschließlich der öffentlichen Hand, dem öffentlichen Interesse verpflichtet sind.

Gerade in der Causa Tschernobyl hat sich das Arsenal bewährt. Ich glaube auch, daß der große Bereich der Gentechnik so ein Bereich sein wird, für den wir wirklich unabhängige Prüfstellen brauchen, die vielleicht auch einmal die Seibersdorfer und ihre Produkte, ihre Produktionen und Forschungen kontrollieren sollten.

All das versuchen Sie jetzt einmal potentiell zu vereiteln, daher ist das auch politisch eine dubiose Lösung.

Und zuallerletzt: Herr Abgeordneter Niederwieser! Wenn Sie mit dem ArbeitnehmerInnenschutz argumentieren und sagen, die, die dieser Lösung nicht ihre Zustimmung geben, seien gegen den Schutz der ArbeitnehmerInnen, dann kann ich nur sagen, das ist wirklich eine makabere und völlig scheinheilige Argumentation.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Frau Kollegin!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Herr Kollege Niederwieser! Wenn es Ihnen mit dem Schutz der ArbeitnehmerInnen in allen Bundesdienststellen – auch im Arsenal – ernst ist, dann beschließen Sie generell einmal einen einheitlichen ArbeitnehmerInnenschutz für alle österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen! (Beifall bei den Grünen.)

21.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Stippel vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.16

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist mir schon klar, daß die Opposition verschiedene Probleme besonders herausstreicht, die mit jenem Schritt, den wir heute setzen, verbunden sind, aber wir wollen ein Gesetz über das Arsenal beschließen und nicht über Seibersdorf. Das, was ich von der Opposition bisher gehört habe, war eine Seibersdorf-Debatte und darüber hinaus eine Debatte, die sicherlich nicht dazu angetan war, das Österreichische Forschungszentrum Seibersdorf ins richtige Licht zu setzen.

Wer nämlich Seibersdorf kennt – ich wage die Behauptung aufzustellen, daß ich es seit zwei Jahrzehnten sehr gut kenne –, der weiß, was dort an konstruktiver und produktiver Arbeit von mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bisher geleistet wurde. Wenn Fehler im Management passiert sind – die sind offensichtlich passiert –, dann liegt das auf einer anderen Ebene begründet und dann wurde jetzt auch ein Schritt in die wahrscheinlich richtige Richtung gesetzt. Aber hier im Hohen Haus, meine sehr geschätzten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Seibersdorf so schlechtzumachen, ist etwas, was uns allen letztlich nicht guttun kann, und ich würde denn doch bitten, die Sache objektiver zu betrachten.

Beschließen wollen wir die Ausgliederung der bisherigen betriebsähnlichen Einrichtung Arsenal aus dem Bundesbereich mit der Zielsetzung – und ich betone das Wort "Zielsetzung" – einer zukünftigen stärkeren Zusammenarbeit mit Seibersdorf. Das hat seinen guten Grund, und zwar deswegen, weil wir hier für eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung in Österreich jene kritische Größe erreichen können, die uns international wettbewerbsfähiger machen kann. Ich sehe eine große Chance, und ich halte auch die Schritte für richtig.

Es ist nicht so, wie Herr Abgeordneter Graf gesagt hat – im übrigen ist er gar nicht mehr hier, es interessiert ihn ja gar nicht mehr –, daß der zweite Schritt vor dem ersten gesetzt wird (Abg. Mag. Graf betritt den Sitzungssaal) – er hat es gehört –, sondern der erste Schritt ist jetzt einmal die Umwandlung in eine GesmbH und dann – und das wissen Sie ganz genau, Herr Abgeordneter Graf – sind die zuständigen Organe die Handelnden, sowohl beim Arsenal als auch in Seibersdorf. Hier ist alles drinnen – von der totalen Fusionierung bis zu lockereren Zusammenschlüssen –, aber noch einmal: Es werden künftig die zuständigen Organe handeln, die dann selbstverständlich auch verantwortlich sein werden. (Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie dann der Ausschußfeststellung, wie wir sie haben wollten, daß alle sieben möglichen Varianten untersucht werden, nicht zugestimmt?) Weil das eine verwaschene Angelegenheit ist. Wir wollen eine klare Zielsetzung und kein Splitting auf sieben verschiedene Möglichkeiten, wo dann wieder nichts zustande kommt.

Schauen Sie, wir haben ja bereits im Jahr 1993 über das Arsenal diskutiert, weil wir wußten, daß wir, um unsere Forschungslandschaft umzugestalten, eine Änderung herbeiführen sollen, und haben einen Zeitraum von drei Jahren vorgesehen, um die entsprechenden Überlegungen anstellen zu können, und daher das Gesetz mit 31. Dezember dieses Jahres befristet.

Was geschieht, wenn wir Ihrem Abänderungsantrag zustimmen? – Wir werden das Gesetz um ein weiteres Jahr verlängern, und es wird wieder ein Jahr lang nichts geschehen. Und dann stehen wir heute in einem Jahr wieder da, und Sie bringen den nächsten Abänderungsantrag. (Abg. Dr. Graf: Das ist ja der Offenbarungseid von Ihnen, daß man drei Jahre Zeit gehabt hat und die Varianten nicht untersucht hat! Und alle Ergebnisse, die man bisher hat, sind negativ bezüglich der Fusion!)


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Das stimmt ja nicht. Was hier zitiert wurde, stimmt ja in vielen Fällen nicht. Tatsache ist, daß wir in Österreich eine, wie ich schon gesagt habe, außeruniversitäre Forschungsanstalt haben wollen, die eine kritische Größe erreicht, die international wettbewerbsfähig ist. In welcher Form auch immer dann die Zusammenarbeit vor sich gehen wird – ich sage es jetzt zum dritten und letzten Mal –, darüber werden die zuständigen Organe zu entscheiden haben.

Daß es Überschneidungen bei beiden Anstalten gibt, wo man Synergieeffekte herstellen kann, ist wohl nicht zu bestreiten. Eine strategische Partnerschaft – so würde ich es bezeichnen –, die sich hier anbahnt, kann unserer Forschungslandschaft sicherlich nur zum Nutzen sein.

Natürlich gibt es bei allem, was man neu macht, einen Unsicherheitsfaktor, aber ich sehe hier eine große Chance, eine Chance auch für die im Arsenal Tätigen, die ja bei der zukünftigen Gestaltung auch Mitwirkungsrechte haben werden, und eine Chance für den Forschungsbereich in Österreich. Daher wird meine Fraktion diesem Gesetzentwurf selbstverständlich die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten wird angezeigt.

21.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Bezügedebatte vorhin war es etwas lebendiger, es war auch etwas mehr Interesse von seiten der SPÖ zu vermerken als bei der Wissenschaftsdebatte, aber ich denke, Wissenschaftsprobleme werden immer in kleinerem Rahmen diskutiert.

Herr Dr. Niederwieser hat Seibersdorf verteidigt. Das ist nicht notwendig. Ich denke, daß sich eine Forschungsinstitution wie Seibersdorf durch hervorragende eigene Leistung selber ins richtige Licht setzen können wird (Abg. Dr. Lukesch: Graf hat das Gegenteil gesagt! Graf hat das bestritten!) , und wir werden ihr gerne die Chance dazu geben.

Herr Dr. Lukesch hat von Ahnungslosigkeit und ähnlichen Dingen gesprochen. Wenn wir ahnungslos gewesen sein sollten, dann nur deswegen, weil wir die Unterlagen – wie immer! – von der Regierungskoalition so spät bekommen. Und wenn alles so klar gewesen wäre, wie Sie getan haben, warum haben Sie dann während der Ausschußsitzung noch drei Abänderungsanträge eingebracht? Das hätte ja alles von vornherein klar sein können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Außerdem haben Sie das Wort "Privatisierung" in den Mund genommen. – Es ist das keine Privatisierung im eigentlichen Sinn, sondern es ist eine Organisationsprivatisierung, und man sollte wirklich beim richtigen Ausdruck bleiben. (Abg. Dr. Lukesch: Lesen Sie im Protokoll nach, was ich gesagt habe!)

Wenn Herr Dr. Stippel sagt, wenn wir die Laufzeit dieses Gesetzes jetzt um ein Jahr verlängern, stehen wir in einem Jahr wieder da und es wird nichts geschehen sein, muß ich dazu sagen: Das wäre ein ausgesprochen bedauernswerter Zustand, wenn wir uns ständig selbst so unter Druck setzen müßten, weil ansonsten, wenn wir die Laufzeit von Gesetzen nicht limitieren würden, in dieser Republik nichts mehr weitergehen und nichts mehr geschehen würde.

Aber zum eigentlichen Thema: Es ist unbestritten, daß die Forschungs- und Entwicklungslandschaft in Österreich dynamischer werden muß, und ich selbst habe mich immer dafür ausgesprochen, daß Synergien genützt werden müssen und daß Kosteneinsparung Platz greifen muß. Ich weiß, daß in diesem Projekt sehr viel persönlicher Ehrgeiz steckt, endlich auf diesem Gebiet, bezüglich dessen ja nun wirklich schon einige Legislaturperioden lang herumgedoktert wird, etwas weiterzubringen, und ich verstehe diese Bemühungen auch, aber nach den vorliegenden Unterlagen erscheint mir die Diskussion noch nicht ausreichend und die Sache selbst noch nicht entscheidungsreif zu sein.


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Stellen Sie sich vor, Frau Fekter – Sie unterhalten sich gerade mit Herrn Abgeordneten Lukesch –, zu Ihnen in die Kammer kommt ein Jungunternehmer und sagt, er möchte ein Unternehmen gründen, er möchte eine GesmbH gründen, aber er kennt den Unternehmenszweck eigentlich noch nicht so recht (Abg. Dr. Lukesch: Der Unternehmenszweck ist genau festgelegt!) , er kennt die Organisation und die Organisationsstruktur noch nicht, er kennt die Logistik noch nicht, und es liegen auch noch keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen vor. Ihre Kammer würde ihn nach Hause schicken und ihm sagen: Bereiten Sie die Unterlagen auf, bereiten Sie ein Unternehmenskonzept vor, bereiten Sie Wirtschaftlichkeitsunterlagen vor, dann können wir über Ihre Unternehmensgründung weiterreden. Bezahlen Sie die Einverleibungsgebühr, dann können wir über die Gründung eines Unternehmens sprechen. (Beifall des Abg. Dr. Graf .)

Das passiert hier nicht, hier passiert ganz das Gegenteil: Es tritt der unwahrscheinliche Fall ein, daß man zuerst ausgliedert, obwohl all diese Unterlagen nicht in dieser Konsequenz vorliegen und obwohl die möglichen Varianten – wir wissen von sieben möglichen Diskussionsvarianten – nicht ausdiskutiert sind und die Entscheidung eigentlich noch nicht beschlußreif ist.

Da fragt man sich dann schon: Warum eigentlich diese Eile, wenn ohnehin alles klar ist? Außerdem wird die Zusammenführung, sprich Fusionierung, von Arsenal und Seibersdorf in einer Form präjudiziert, die absolut abzulehnen ist.

Ich möchte nur noch einmal auf eine im Raume stehende Schätzung hinweisen, wonach diese Fusionslösung gegenüber eigenständigen Lösungen mit Mehrkosten von etwas 212 Millionen Schilling im Nachteil ist.

Ich glaube, daß die vernünftigste Lösung für uns alle die Umsetzung des freiheitlichen Antrages ist, das bestehende Gesetz zu verlängern und eine Ausgliederung aus dem Bundesbudget vorzubereiten, wobei ein klares Unternehmenskonzept für das entstehende Unternehmen vorliegen muß. Außerdem muß ich die Forderung wiederholen, daß das Arsenal als unabhängiges, unparteiisches Prüfzentrum mit hoher Kompetenz unbedingt erhalten bleiben muß. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Brinek vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

21.28

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Vieles ist gesagt worden, jedoch sind kritische Haltungen zu korrigieren.

Zur Frau Petrovic, wenn Sie sagen, Fusion an sich ist dubios, dann muß ich das zurückweisen. Das entbehrt jeder argumentativen Grundlage.

Kritische Einwendungen kamen auch etwa in der Form, daß die AK und die Gewerkschaft in entsprechenden Stellungnahmen noch Interpretations- und Diskussionszeit gefordert hätten. Bitte, merken Sie auch dazu an, daß diese Stellungnahmen von AK und Gewerkschaft aus dem Spätsommer beziehungsweise Herbst 1995 sind (Abg. Dr. Lukesch: Oooh!) und daß wir in der Zwischenzeit sehr viel interpretiert, sehr viel argumentiert und sehr viel verbessert haben. Und wenn Sie, Herr Abgeordneter Graf, die Diskussion verfolgt haben, so können Sie nachvollziehen, daß wir drei Viertel der Materie eben in der Diskussion auf der Grundlage von Gutachten verbessert und weiterentwickelt haben.

Ein wesentlicher Punkt – ebenso auch der beobachtenden Instanzen, die Stellung genommen haben – ist die Situation der Gehalts- und Pensionssysteme. Ich verstehe als Arbeitnehmervertreterin sehr wohl, daß hier auf einen wichtigen Punkt hingewiesen wurde. Der Relevanz dieser Frage wird mit dem vorliegenden Bundesgesetz jedoch sehr gut Rechnung getragen. Damit ist den Einwendungen entsprochen, liegt doch der Sinn, wie ich meine, darin, daß Bundesbedienstete Angestellte werden können, um später wieder Bundesbedienstete werden zu können, oder sich – was das Wichtigste ist – in der Zwischenzeit vielleicht entscheiden können, eine andere Forschungsstätte als Wirkstätte zu definieren, an Universitäten zu gehen oder wieder


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etwa an ihre ehemalige Arbeitsstätte zurückzukehren, um eben – das ist das Wesentliche – die dort erworbenen Vordienstzeiten nicht zu verlieren.

Ich sehe darin einen – wenn auch zaghaften – Versuch, die Systeme zu erhalten und trotzdem flexibel mit ihnen umzugehen. Wagen wir doch diesen Versuch in Richtung Wahlfreiheit!

Ich verweise darauf, daß – das haben wir im Gesetz verankert, ich kann es zitieren – "die Vertretung des Personals ein laufendes Informations- und Mitwirkungsrecht bei der Erstellung eines Unternehmenskonzepts für die Zusammenführung der Gesellschaft mit dem ÖFZS", also mit Seibersdorf, hat, um ein Ziel zu erreichen, das da lautet: "Ausgliederung des Arsenals und Errichtung als (Tochter-)Gesellschaft mit beschränkter Haftung" und so weiter.

Dazu verweise ich auch auf einen wichtigen Zusatz, der aus dem Bericht des Ausschusses hervorgeht: "Zu 1 (§ 2 Abs. 5): ,Das von der Gesellschaft vorzulegende Unternehmenskonzept soll jedenfalls auch Varianten aufzeigen, bei denen die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der Gesellschaft erhalten bleibt.‘" – Bitte den Text im Ganzen lesen, bevor Sie Aufschreie starten!

Einen wichtigen Aspekt möchte ich noch einmal ansprechen im Zusammenhang mit Einwendungen vor allem von Seiten der Frau Abgeordneten Petrovic. Wenn mancherorts beklagt wurde, daß die Unabhängigkeit der Forschung oder die Unabhängigkeit der Forscher in Gefahr sei, wenn sie aus der Hoheitsverwaltung ausgeklammert werden, muß ich sagen: Diese Angst müssen wir nicht haben, ist doch das Markenzeichen "Unabhängigkeit" beziehungsweise nichtparteiische Forschung und unabhängige Ergebnisse auch ein wesentliches Merkmal für Wettbewerbsfähigkeit. Und diese Freiheit, diese Unabhängigkeit nur im Zusammenhang mit einem hierarchischen Verwaltungssystem zu sehen und alle anderen zu diskriminieren oder sogar zu kriminalisieren, das kann ich nicht nachvollziehen, das ist auch nicht in Ordnung.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf den Bericht aus dem Ausschuß, der sich mit dem Unternehmensgegenstand beschäftigt, das heißt mit den Aufgaben und Befugnissen, und ich zitiere Ziffer 2: "Im Rahmen der oben angeführten Fachgebiete hat die Gesellschaft insbesondere folgende Aufgaben zu vollziehen". Und davon sind vier für Entgelt und eine Aufgabenreihe ohne Entgelt. – Bitte, Frau Kollegin Petrovic, lesen, bevor kritisiert wird!

Ich komme schon zum Schluß und meine: Wenn in Sonntagsreden die Wichtigkeit von Forschung und Wissenschaft strapaziert wird, wenn von einer notwendigen kritischen Größe die Rede ist, weil wir in dieser Hinsicht in Österreich am Anfang stehen, so denke ich, daß wir nach den Sonntagsreden einerseits in Montags-, Dienstags-, nein, Mittwochreden – wie heute – Lösungen diskutieren müssen, um spätestens am Donnerstag an die Umsetzung zu gehen. Das ist ein Schritt dazu! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte Herr Abgeordneter.

21.33

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herrn Kollegen Niederwieser hätte ich gerne angesprochen, aber er hat sich offenbar ... (Abg. DDr. Niederwieser: Hier!) Danke, daß Sie hier sind und nicht bei 95 Prozent der übrigen sozialistischen Mandatare, die sich anderswo aufhalten. (Abg. Dr. Salzl – in Richtung SPÖ –: Fünf seid ihr nur noch!)

Herr Kollege Niederwieser! Sie haben die österreichische Forschungspolitik pathetisch mit der Parole des Arsenals höchst eingestuft, dabei kennen Sie so gut wie wir alle die sehr geringen Beiträge, die unser Land, verglichen mit anderen europäischen Staaten, zu Forschung und Entwicklung leistet. Sie wissen, daß wir mit 1,5 Prozent am BIP weit abgeschlagen im EU-Raum liegen. Sie wissen oder sollten wissen, daß Österreich mit 5,6 Prozent Anteil staatlicher Zuschüsse für Forschung und Entwicklung an vorletzter Stelle unter den EU-Ländern liegt. Sich


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hier herzustellen und zu loben, daß die Richtung stimmt oder – wie es die Parole des Arsenals verspricht – auch die Zukunft versorgt sei, dazu gehört schon einiger Mut.

Es gehört auch einiger Mut dazu, diese Vorlage, die wir im Ausschuß behandelt haben, einer Opposition hinzuknallen, wobei die Vorlage selbst mit einem Abänderungsantrag, einem Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag und einem weiteren Abänderungsantrag relativiert wurde. Angemerkt sei hier, daß Sie von den 17 Paragraphen unmittelbar vor Beginn des Ausschusses zehn verändert und dazu noch zwei Ausschußfeststellungen getroffen haben, die ihrerseits wieder das Konzept der Vorlage völlig in Frage stellen, wenn Sie uns die Alternative bieten, ob das Arsenal künftig und/oder operative Zusammenführung mit Seibersdorf existieren soll.

Sie haben die Anliegen der 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – konkret sind es 232, wie Sie wissen – beschworen und auch gemeint, daß Sie deren Anliegen nachhaltig – in diesen Abänderungen zumindest – berücksichtigt hätten. Sie kennen wahrscheinlich die Resolution dieser 230 Bediensteten im Arsenal. Und was sagt diese Resolution? Im Sinne der Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sollte die Regierungsvorlage über das Bundesgesetz sorgfältigst überarbeitet werden. (Abg. Dr. Brinek: Die Regierungsvorlage ist überarbeitet!)

Ich habe auch dazugelernt, gnädige Frau, daß die Regierungsvorlage nicht die eigentliche Regierungsvorlage ist, daß es eine provisorische Beamtenvorlage gab, daß die Regierungsvorlage durch die Abänderungen zu einer Regierungsvorlage neu überarbeitet wurde, am heutigen Abend eine grundlegend neue Bezeichnung bekommt, denn wir haben uns ja über das "Österreich" eingehendst unterhalten. Das heißt, wenn Sie uns, ohne uns die Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen, hier in dieser Abfolge ein unausgegorenes Konglomerat vorsetzen und dann Zustimmung erwarten, dann können Sie sich nur geirrt haben.

Es gab auch den vergeblichen Versuch des Kollegen Kier bereits im Ausschuß, wo er in der Begründung zu seinem leicht nachvollziehbaren Antrag meinte, daß es sich um wirtschaftsfremde, vorzeitige Festlegungen handelt, die Sie dieser neuen Konstruktion, diesem in Etappen entstandenen Kind zumuten. Ich muß ihm recht geben, und wir unterstützen die Anregung der Angestellten des Arsenals, daß man tatsächlich ein Jahr des Arbeitens einsetzen läßt, denn Kollege Stippel hat gesagt, und zwar wörtlich, dann würde ja wieder ein Jahr nichts geschehen. – Warum ist in den Jahren vorher nichts geschehen, warum ist nicht bei der Erstellung dieser Regierungsvorlage Sorgfalt gepflegt worden?

Herr Kollege Lukesch hat sich im Ausschuß mit einem Freudschen Versprecher zu dieser Vorlage dahin gehend geäußert: Es steht ja ohnehin nichts drinnen. (Abg. Dr. Lukesch: Sie mißverstehen das bewußt!) Herr Kollege Lukesch, Sie haben gesagt, es steht ja ohnehin nichts drinnen. (Abg. Dr. Lukesch: Das war in bezug auf Ihre Rede!) Aber soviel steht schon drinnen, daß Sie dieses neugeborene Kind – übrigens als Zwilling geboren – mit Auflagen belegen, die es nie erfüllen kann. Unausgegoren! Sie haben ihm die Alternative geboten: böse Absicht oder Ahnungslosigkeit. Diese Alternativen biete ich Ihnen nicht, denn böse Absicht hatten Sie nicht, Herr Kollege Lukesch. – Ich danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Riedler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.38

Abgeordneter Dr. Wolfgang Riedler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Grollitsch, selbstverständlich wurde bei der Ausarbeitung dieser Vorlage Sorgfalt gepflogen. Das haben Sie ja sogar selber bestätigt. (Abg. Dr. Graf: Im Ausschuß sind wir draufgekommen, daß die Mitglieder Ihrer Fraktion nichts davon gewußt haben!) Herr Kollege Graf, mit Ihnen wollte ich dann sowieso noch ein paar Worte wechseln, aber ich wollte zu Ihnen, Kollege Grollitsch, noch sagen: Sie haben ja selbst darauf hingewiesen, daß es eine Reihe von Entwürfen und eine Entwicklung dieses Entwurfes gegeben hat, die selbstverständlich zum Ziel gehabt haben, den Entwurf zu verbessern. Das kann ja niemandem verboten sein, und ich möchte daher, um es ein bißchen zu verdeutlichen und um auf diesen Vorwurf der Husch-Pfusch-Vor


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gangsweise einzugehen, doch ein paar grundsätzliche Eckdaten erwähnen. (Abg. Dr. Graf: Die Zusagen sind auch nicht eingehalten worden!)

Seit dem Jahr 1987 wird an einer Verbesserung der Rechtssituation und der Ertragssituation der Forschungsanstalt Arsenal gearbeitet. In verschiedenen Gutachten wurde festgestellt, daß eine Ausgliederung in Richtung GmbH als Non-profit-Organisation sinnvoll wäre. Man hat dann allerdings befürchtet, daß eine solche Ausgliederung im Falle einer Umwandlung in eine GmbH die Tendenz steigender Kosten in sich tragen würde, daher wurde zunächst von der Umwandlung in eine GmbH abgesehen und im Oktober 1993 für die Dauer von drei Jahren – das ist auch der Grund unseres Zusammenseins und unserer Beratungen heute – das Arsenalgesetz erlassen. Die betriebsähnliche Einrichtung des Bundes erhielt den Namen "Bundesforschungs- und Prüfzentrum Arsenal", und im § 4 wurde dessen partielle Teilrechtsfähigkeit normiert.

Durch diese Teilrechtsfähigkeit sollte die Flexibilität der Geschäftsführung erhöht, eine bessere Positionierung auf dem Markt erreicht und damit die Ertragslage gesteigert werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Herr Kollege Graf! Ich erzähle Ihnen das nur, weil Sie gerade vorhin gesagt haben, daß Sie von nichts eine Ahnung haben. Daher versuche ich jetzt, diese Ahnungslosigkeit ein bißchen zu beheben! Es ist also darum gegangen, die Kostendeckung herzustellen, Herr Kollege.

Die im § 4 angeführten Möglichkeiten der partiellen Teilrechtsfähigkeit erbrachten per 31. Dezember 1995 folgendes Betriebsergebnis – ich sage es Ihnen, falls Sie es nicht kennen sollten –: 5 824,40 S bei einem Umsatz von nahezu 770 000 S. Von diesem trotz einer im Laufe des Jahres 1996 eingetretenen Steigerung des Auftragsstandes enttäuschenden Ergebnis ausgehend, erwarten sich nunmehr das Bundesministerium und der Bundesminister für Wissenschaft von einer Ausgliederung und einer möglichen späteren Fusionierung mit Seibersdorf – trotz der höheren Transformationskosten – eine erhebliche betriebswirtschaftliche Ergebnissteigerung, Herr Kollege. (Abg. Dr. Graf: Aber Ihre Kollegen erklären uns die ganze Zeit, daß die Fusion noch gar nicht sicher ist! Warum reden Sie dann von einer Fusion?)

Falls Sie wieder Lust haben, zu einer tatsächlichen Berichtigung herauszukommen, sage ich Ihnen noch einmal, was ich vorhin gesagt habe. Ich habe gesagt: eine mögliche Fusion. "Mögliche" ist das wesentliche Wort: Ich werde Ihnen das gleich erklären. (Abg. Dr. Graf: Sie reden dauernd von einer Fusion!)

Da es natürlich sinnvoll ist, festzustellen – und deshalb geht Ihr Antrag meiner Auffassung nach ins Leere –, wie sich das Arsenal in seiner ausgegliederten Form als GesmbH bewährt, wurde von den Kollegen Lukesch und Niederwieser ein Abänderungsantrag eingebracht, der auch im Bericht des Ausschusses festgehalten ist. Diesen haben Sie wohlweislich nicht zitiert, weil das Ihre Argumentation ad absurdum geführt hätte. Darin steht nämlich:

"Zu 1 (§ 2, Abs. 5, zweiter Satz):

Das von der Gesellschaft vorzulegende Unternehmenskonzept soll jedenfalls auch Varianten aufzeigen, bei der die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der Gesellschaft erhalten bleibt. Die durch Ausgliederung neu geschaffene Rechtsperson ..." und so weiter; das hat in diesem Zusammenhang nichts mehr zu sagen. (Abg. Dr. Graf: Warum läßt man dann diese Ermächtigungsklausel und die anderen Bestimmungen betreffend Seibersdorf drin?) Es soll festgestellt werden, ob die wirtschaftliche Selbständigkeit der Gesellschaft erhalten bleibt.

Jetzt komme ich auf den von Ihnen zitierten Abs. 4 zurück. Sie haben ihn schon einmal zitiert, ich brauche es daher für das Protokoll nicht ein weiteres Mal zu tun. Da steht – ich sage es abgekürzt –, der Bundesminister wird ermächtigt. Und jetzt möchte ich Sie gerne bei ihrer Ehre als Jurist packen, Herr Kollege: Sie kennen doch den Unterschied zwischen einem Auftrag und einer Ermächtigung. (Abg. Dr. Graf: Ich weiß, daß man in Österreich schlechte Erfahrungen mit Ermächtigungen gemacht hat!) Aber Ihre tatsächliche Berichtigung war nicht geschäftsordnungsmäßig. Herr Kollege! Das muß man hier einmal in aller Deutlichkeit feststellen! Meine Damen und Herren! Tatsache ist, daß der Minister ermächtigt wird.


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Es stimmt auch nicht, was Kollege Kier gesagt hat, nämlich daß damit nur eine Variante und eine Möglichkeit offenbleibt. Er kann sie als GmbH belassen, und er hat dann die Möglichkeit, eine Zusammenführung mit Seibersdorf unter der Voraussetzung durchzuführen, daß die betriebswirtschaftliche Rechnung stimmt. (Abg. Dr. Graf: Ohne Kontrolle durch das Parlament, und das beanstanden wir!)

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß das eine sehr gute Lösung ist, weil damit nichts endgültig festlegt wird, sondern die Möglichkeit offenbleibt, daß der betriebswirtschaftlich und auch im Sinne der Forschung in Österreich sinnvollste Weg gewählt wird, Herr Kollege. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Da können Sie noch so schreien und sich noch so aufregen: Juristisch und sachlich war Ihre Anmerkung ganz einfach falsch! (Beifall bei der SPÖ.)

21.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

21.44

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Übereinstimmend wurde heute von allen festgestellt, was das eigentliche Asset des Arsenals ist: nicht der Sachwert und nicht das Grundstück, sondern schlicht und einfach die Mitarbeiter. Die Mitarbeiter des Arsenals haben diese Gesellschaft in der Vergangenheit ausgezeichnet – und werden sie auch in der Zukunft auszeichnen.

Daher glaube ich, daß man, wenn sich jetzt die Rechtspersönlichkeit ändert, vom rein marktwirtschaftlichen Blickwinkel genau darauf besonderen Wert legen sollte. Man sollte darauf achten, daß die eingeführte Marke in irgendeiner Form erhalten bleibt.

Meine Damen und Herren! Darum haben wir einen Abänderungsantrag formuliert, den ich hiermit einbringen möchte.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Michael Spindelegger und Kollegen zum Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage 423 der Beilagen: Bundesgesetz über die Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 523 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Der Titel des Gesetzes lautet:

"Bundesgesetz über das Österreichische Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung"

2. In § 1 Abs. 1 zweiter Satz wird der Ausdruck "Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft m. b. H." durch den Ausdruck "Österreichisches Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft m.b.H." ersetzt.

*****

Ich bitte Sie um Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

21.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort ist allerdings niemand mehr gemeldet. Die Debatte damit geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.


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Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 523 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der eine Änderung des Titels, Entfall der übrigen Bestimmungen sowie eine Änderung des geltenden Arsenalgesetzes vorsieht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Lukesch, DDr. Niederwieser und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf den Titel des Gesetzentwurfes sowie auf § 1 Abs. 1 bezieht.

Sodann haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des § 2 Abs. 4 zum Inhalt hat.

Ich werde zunächst über den erwähnten Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen abstimmen lassen. Sofern dieser keine Mehrheit findet, werde ich über die von den Abänderungsanträgen der Abgeordneten Dr. Lukesch, DDr. Niederwieser und Genossen sowie der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Ich ersuche nun jene Damen und Herren, die sich für den oben erwähnten Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Weiters ersuche ich jene Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Lukesch, Dr. Niederwieser und Genossen stimmen möchten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Ich lasse jetzt über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen abstimmen, der die Streichung des § 2 Abs. 4 zum Inhalt hat.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über die beantragte Änderung der Absatzbezeichnung.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über § 2 Abs. 4 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle der Zustimmung, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie im Falle ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Damit ist der Antrag auch in dritter Lesung angenommen .

9. Punkt

Bericht des Hauptausschusses betreffend Wahl der Vorsitzenden der Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten beim Bundesministerium für Landesverteidi


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gung für die ab 1. Jänner 1997 beginnende (neue sechsjährige) Funktionsperiode (516 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte Herr Abgeordneter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt.

21.50

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei der Bundesheer-Beschwerdekommission, wie sie mittlerweile heißt, handelt es sich um eine parlamentarische Einrichtung, die es Heeresangehörigen ermöglicht, sich unkompliziert und unbürokratisch – man könnte auch sagen: unrechtlich – zu beschweren.

Die Heeresangehörigen machen von dieser Einrichtung inzwischen sehr ausgiebig Gebrauch: Heuer gibt es schon zirka 750 solcher außerordentlicher Beschwerden, was zeigt, daß die Bundesheer-Beschwerdekommission von den Normadressaten durchaus angenommen wird.

Sie hat in den letzten Jahren auch an Umfang einerseits und an Effizienz andererseits deutlich zugenommen. Ursprünglich war sie vom Gesetzgeber wohl als Ventil vor allem für Präsenzdiener gedacht, heute wenden sich Heeresangehörige aller Ränge und Altersklassen, vom Präsenzdiener bis zum Divisionär, an die Beschwerdekommission, und diese bemüht sich redlich, ihnen zu ihrem Recht oder zumindest zu dem, wovon sie glauben, daß es ihnen zusteht, zu verhelfen.

Ich glaube, es ist erwähnenswert, daß in all den Jahren und Jahrzehnten seit Bestehen der Beschwerdekommission jeweils nur einstimmige Beschlüsse in derselben gefaßt worden sind. Derzeit sind in der Beschwerdekommission vier der fünf Parlamentsparteien vertreten. In den Jahrzehnten, seit sie besteht, hat es viele tausend Beschwerden gegeben. Es sind immer einstimmige Beschlüsse gefaßt worden, was das politische Gewicht der Kommission gegenüber den militärischen Instanzen, vor allem gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung, natürlich entsprechend gehoben hat.

Es haben nun das Präsidium und die Mitglieder der Beschwerdekommission Wünsche gegenüber dem Gesetzgeber, die schon mehrmals an Parlamentarier herangetragen worden sind, die aber noch ihrer Verwirklichung harren.

Einer der wichtigsten dieser Wünsche ist, daß in der betreffenden Passage des Wehrgesetzes eine Formulierung für die Beschwerdekommission gewählt ist, die ihrem Charakter, ihrer Aufgabe und vor allem ihrer Situierung praktisch nicht entspricht. Es heißt nämlich dort, daß die Beschwerdekommission beim Bundesministerium für Landesverteidigung eingerichtet ist, und das ist nicht nur zumindest unpräzise, wenn nicht sogar falsch, sondern führt auch dazu, daß irrige Annahmen im Bereich der Verteidigung darüber bestehen, was man mit dieser Beschwerdekommission alles machen könne. Es kommen Repräsentanten des Verteidigungsbereiches auf die Idee, der Beschwerdekommission und ihren Angehörigen Weisungen erteilen zu können, denn im Gesetz steht ja, daß sie beim Bundesministerium für Landesverteidigung eingerichtet ist, und wenn eine Institution bei einem Ministerium eingerichtet ist, dann wird man ihr im Rahmen der Hierarchie des entsprechenden Ministeriums – so meinen manche – auch anschaffen dürfen. Dem ist aber natürlich nicht so.

Die Mitglieder, das Präsidium, die Vorsitzenden der Beschwerdekommission wehren sich auch erfolgreich gegen die Bestrebungen, sie immer wieder in die militärische Gliederung einzubinden. Aber oft verweisen die, die das vorhaben, dann eben auf den Gesetzestext.

Es ist daher unser Anliegen – ich halte es für sehr berechtigt und glaube, man sollte es bei der nächsten Gelegenheit einer Novellierung der Verwirklichung näherbringen –, klarzustellen, daß es sich bei der Beschwerdekommission nicht um eine Einrichtung handelt, die beim Bundes


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ministerium für Landesverteidigung eingerichtet ist, sondern um ein parlamentarisches Kontrollorgan in militärischen Angelegenheiten. Tatsächlich werden die Vorsitzenden der Kommission ja im Nationalrat gewählt, und die anderen Mitglieder werden auch von einem parlamentarischen Gremium bestellt.

Um diesen Tatsachen Rechnung zu tragen und die immerwährenden Versuche, militärische Weisungen gegenüber der parlamentarischen Beschwerdekommission zu erteilen, ein für allemal unmöglich zu machen, appelliert die Beschwerdekommission an das Hohe Haus, diese Passage des Gesetzes bei nächster Gelegenheit umzuformulieren. Nicht "Einrichtung beim Landesverteidigungsministerium", sondern "Parlamentarisches Kontrollorgan in militärischen Angelegenheiten" will die Beschwerdekommission heißen, meine Damen und Herren!

Dazu gehört auch, daß den Vorsitzenden der Beschwerdekommission die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ebenso wie die entsprechenden Repräsentanten anderer parlamentarischer Kontrolleinrichtungen an den Verhandlungen des Nationalrates teilzunehmen, auch den Sitzungen der Ausschüsse und Unterausschüsse des Nationalrates beizuwohnen und dort jeweils das Wort ergreifen zu können.

Materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich wünscht sich die Beschwerdekommission, daß eine Verjährungsbestimmung eingeführt wird: Denn heute ist es theoretisch möglich, daß ein Grundwehrdiener, wenn er in seinem Zivilberuf irgendwann einmal in Pension geht und draufkommt, daß er alle Rückstände, die sich in seinem Leben angesammelt haben, aufarbeiten möchte, sich betreffend eines Geschehens, das 30 Jahre zurückliegt und sich während seines Grundwehrdienstes ereignet hat, mit einer Beschwerde an die Bundesheer-Beschwerdekommission wendet. – Wir wünschen uns, daß es eine Verjährungsfrist von einem Jahr geben soll.

Wir sind auch dafür, daß im Gesetz eine sogenannte Schwelle beschwerderechtlicher Relevanz eingeführt wird. Die Mitglieder und die Vorsitzenden der Beschwerdekommission wissen sehr wohl, daß das Bundesheer kein Verein höherer Töchter ist, sondern – noch – eine Gruppierung von vor allem jungen Männern und daß es dort nicht immer sehr vornehm zugehen kann und wird. Und so soll es eine gewisse Bagatellgrenze geben, um zu verhindern, daß wegen jeden Schmarrens von jemandem, dem gerade fad ist, die Beschwerdekommission angerufen und beschäftigt wird.

Das sind Wünsche, die die Kommission an den Nationalrat heranträgt und um deren rasche Verwirklichung sie bittet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte die Gelegenheit, heute hier das Wort in dieser Sache ergreifen zu können, nicht vorübergehen lassen, ohne einem Mann für sein Wirken auch im Bereich der militärischen Beschwerdekommission zu danken, der aus den militärischen Dingen im Zusammenhang mit dem Parlament in den letzten Jahrzehnten nicht wegzudenken ist: Es ist dies der Abgeordnete zum Nationalrat Walter Mondl. Er ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert ununterbrochen Mitglied der Bundesheer-Beschwerdekommission. Er ist nunmehr seit zwölf Jahren ununterbrochen einer der drei Vorsitzenden. Er zieht sich jetzt, wie es so schön heißt, in den wohlverdienten Ruhestand zurück. Seine Sachkenntnis, sein Idealismus, sein Einsatz sind Faktoren, die in der Beschwerdekommission immer in Erinnerung bleiben werden. Und wir werden uns immer freuen, wenn er von außen auf uns zukommen und mit uns weiter das Gespräch suchen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen, der SPÖ, der ÖVP und dem Liberalen Forum. )

Ich als der amtsführende Vorsitzende der Bundesheer-Beschwerdekommission kann versprechen, daß wir, die Mitglieder, uns weiter bemühen werden, mit großem Eifer und mit dem Bemühen nach Recht und Gerechtigkeit den Anliegen der Soldaten aller Ränge und Alterskassen Rechnung zu tragen und im Interesse des Parlaments unsere Aufgaben in der Kommission zu erfüllen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der SPÖ, der ÖVP und dem Liberalen Forum.)

21.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.


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Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Falls sich keine Einwendung erhebt, lasse ich, da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, im Sinne des § 87 Abs. 7 der Geschäftsordnung durch Aufstehen und Sitzenbleiben abstimmen.

Ich rufe noch den Beschluß des Hauptausschusses in Erinnerung. Er lautet auf den Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Tychtl, auf Dr. Senekovic und auf den Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Ofner.

Da keine Einwendungen erhoben werden, bitte ich nun jene Damen und Herren, die dem Antrag des Hauptausschusses beitreten wollen, ihre Zustimmung durch ein entsprechendes Zeichen zu geben. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen .

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Einwendung gegen die Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete Petrovic und Genossen haben im Sinne des § 50 der Geschäftsordnung schriftliche Einwendungen gegen die schriftlich mitgeteilte Tagesordnung der nächsten Sitzung erhoben.

In den Einwendungen wird die Absetzung des Berichtes des Innenausschusses 544 der Beilagen betreffend die Zivildienstgesetz-Novelle vorgeschlagen.

Da ich diesen Einwendungen nicht beitrete, hat der Nationalrat darüber zu entscheiden.

In der gemäß § 50 der Geschäftsordnung stattfindenden Debatte beschränke ich die Redezeit jedes Angeordneten auf 5 Minuten und die Zahl der Redner pro Klub auf drei.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.00

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Bei dem Antrag des Innenausschusses im gegenständlichen Zusammenhang geht es um die Frage, ob wir beim Zivildienstgesetz zu einer endgültigen, das Damoklesschwert der Zivildienstkommission endgültig beseitigenden Regelung kommen oder nicht.

Namens meiner Fraktion sage ich auch in Anbetracht aller Probleme, die ein Kompromiß in sich trägt, ja zu der Vorlage, die Ihnen morgen zur Abstimmung vorliegen wird. Ich sage ja, weil wir die Gewissensprüfung endgültig und auf Dauer aus dem österreichischen Rechtsbestand beseitigt wissen und weil wir darüber hinaus sicher sein wollen, daß eine Rechtssicherheit für die jungen Menschen, die den Präsenzdienst ablehnen und sich für Zivildienst entscheiden, geschaffen wird.

Meine Damen und Herren! Das, was hier morgen beschlossen wird, ist seit Wochen absehbar. Das Verlangen auf eine Einwendungsdebatte von der grünen Fraktion ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil wir uns in der Präsidiale bei der Gestaltung dieser Tagesordnung einstimmig darauf geeinigt haben, die Zivildienstvorlage auf die Tagesordnung zu setzen und morgen endgültig abzuschließen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ihr Antrag würde zudem auch noch zu einer sehr unliebsamen, für die jungen Menschen zur Geißel werdenden Konsequenz führen, nämlich dazu, daß mit absoluter Sicherheit – eine andere geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit bestünde nicht mehr – die Gewissensprüfung mit 1. Jänner wieder einzuführen wäre, verbunden mit einer Reihe die jungen Menschen benachteiligenden anderen Rechtsfolgen.


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Geben Sie einer endgültigen, vernünftigen Regelung Raum und bleiben Sie bei dem, was wir uns in der Präsidiale vorgenommen haben, nämlich eine endgültige zivildienstgesetzliche Regelung morgen zu beschließen! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

22.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordnete Scheibner. Er hat das Wort.

22.03

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine Merkwürdigkeit der Geschäftsordnung, daß derjenige, der diese Einwendungsdebatte beantragt hat, erst zur Mitte der Debatte zu Wort kommt und dann erst begründen kann, warum er diesen Antrag gestellt hat. Das ist deshalb merkwürdig, weil wir, die wir vorher sprechen, uns erst einmal erkundigen mußten, worum es denn eigentlich gehen wird. Wir haben uns jedoch kundig gemacht.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kostelka, wer so wie wir im Ausschuß dabeigewesen ist und wer so wie wir in den letzten Jahren die unendliche Geschichte der Zivildienstreform miterleben mußte, kann diesem Antrag eigentlich nur seine Zustimmung geben. Auf diese Weise würden wir uns selbst noch einmal die Gelegenheit geben, Herr Klubobmann Kostelka, diese meiner Ansicht nach verunglückte Reform – und Sie haben ja gesagt, daß das jetzt eine endgültige Reform sein soll – noch einmal einer Diskussion zu unterziehen.

Sie haben es nämlich verabsäumt, tatsächlich eine grundlegende Reform beim Zivildienst vorzunehmen und etwa die wichtige Einrichtung eines Zivilschutzes, eines Katastrophenschutzes durch eine derartige Zivildienstreform zur Beschlußfassung zu bringen. Zeit genug wäre dafür gewesen, Herr Klubobmann Kostelka. Sie selbst haben gesagt, nicht nur das letzte Jahr habe man gewußt, daß das jetzt wieder kommen wird, man hat es auch das vorige Jahr und die Jahre davor gewußt, daß es sich nur um Provisorien handelt, die wir jedes Jahr hier wieder einer neuen Diskussion und der Beschlußfassung unterziehen müssen.

Erinnern Sie sich an die Diskussion im Vorjahr während dieses Interregnums, als die große Koalition geplatzt war, sich aber noch der Nationalrat in alter Zusammensetzung mit dieser Zivildienstreform befassen mußte. Wenn wir Freiheitlichen nicht beiden Anträgen, sowohl dem Antrag der ÖVP als auch dem Antrag der SPÖ, die Zustimmung im Ausschuß gegeben hätten, hätten wir hier vor einem Jahr gar nicht die Möglichkeit gehabt, das jetzt in Geltung befindliche Gesetz zu beschließen. Dann wäre es, Herr Kollege Kostelka, zu dem Umstand gekommen, daß wir ab Jänner 1996 die Zivildienstkommission wieder eingeführt hätten. Damals, als Sie sich gegenseitig neutralisiert haben, haben Sie die Bedenken nicht gehabt, die Sie heute hier vorbringen!

Meine Damen und Herren! Daß wir dem gegenständlichen Antrag unsere Zustimmung geben werden, liegt auch an der Art und Weise, wie dieser Ausschuß geführt wurde. Denn wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, ausreichend und umfassend bis zum Schluß zu diskutieren, alle entsprechenden Vorhalte anzubringen und auch den einen oder anderen sinnwidrigen Passus noch zu streichen, dann wäre dieser Antrag vielleicht nicht notwendig gewesen. Aber – das wird einer meiner Nachredner noch ausführen – es wurden nicht einmal mehr alle Wortmeldungen zur Kenntnis genommen und außerdem, meine Damen und Herren, war auch die Auskunft, die wir vom Innenminister zu unseren Fragen bekommen haben, sehr dürftig.

Dazu möchte ich nur ein Beispiel geben. Da im Gesetz vorgesehen ist, daß der Innenminister per Verordnung die Dienstzeit für Zivildiener festlegen kann, habe ich ihn gefragt, ob er eine derartige Verordnung schon erlassen hat und welchen Inhalt diese Verordnung hat. Er hat mir darauf geantwortet: Das steht im Bundesgesetzblatt Nummer sowieso. Sie als Abgeordneter müßten ja wissen, was in den Bundesgesetzblättern steht. Da können Sie es nachlesen. (Abg. Schieder: So etwas würde ein Minister nie tun!) So würde ein verantwortungsbewußter Minister nicht tun, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Kollege Schieder! Der Herr Innenminister, der sich jedoch an eben diesen von Ihnen postulierten Grundsatz nicht hält, hat das aber getan. (Abg. Schieder: Das glaube ich nicht!)


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Meine Damen und Herren! Was wir alles wissen sollten laut Innenminister! Ich bin seit 1990 im Nationalrat. Der Herr Bundesminister meint also, wir sollten 11 000 Seiten von 42 000 Seiten Bundesgesetzblättern kennen. Er ist leider heute nicht da, sonst hätte ich ihn gefragt, was etwa im Bundesgesetzblatt Nr. 657/1995 steht. Es handelt sich hiebei nämlich um eine Verordnung des Innenministers, und es hätte mich interessiert, ob der Minister seine eigenen Verordnungen aus dem Stegreif zitieren kann. (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson. )

Frau Kollegin Karlsson! Wenn das die Art und Weise ist, wie man in Ausschüssen mit den Fragen der Parlamentarier umgeht, die die Beschlußfassung dann auch zu vertreten haben, dann kann man solchen Anträgen, die eine Rückverweisung von Gesetzesbeschlüssen zum Inhalt haben, nur die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Er hat das Wort.

22.08

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Drei Anmerkungen zu diesem Tagesordnungspunkt: eine formale, eine inhaltliche und eine persönliche.

Formale Anmerkung: Die ÖVP tritt den Einwendungen seitens der Grünen zu diesem Tagesordnungspunkt selbstverständlich nicht bei.

Inhaltliche Anmerkung: Jahre hindurch haben wir darum gerungen, die Gewissensprüfung im Rahmen des Zivildienstgesetzes abzuschaffen. Am Vorabend dieses Beschlusses wollen die Grünen, daß die Gewissensprüfung und damit die Kommission wieder aufleben. – Ich verstehe es nicht! Noch dazu, da doch in der Präsidiale – auch das schreibe ich den Grünen ins Stammbuch – einvernehmlich die Tagesordnung auch für den morgigen Tag festgelegt wurde. (Abg. Ing. Langthaler: Das ist falsch!)

Persönliche Anmerkung: Kollege Scheibner! Der Vorsitzende des Innenausschusses, Kollege Elmecker, kann sich in eigener Sache selbst am besten verteidigen. Nur: Der Vorhalt, es seien Wortmeldungen nicht angenommen worden, trifft meiner Meinung nach, und ich war fünfeinhalb Stunden lang, von der ersten Minute bis zur letzten Minute, im Innenausschuß dabei, nicht zu. (Abg. Schieder: Das hat Scheibner nicht gesagt! Er hat sich über den Minister beschwert!) Nein! Er hat unter anderem in seinen Beitrag auch gesagt, es seien Wortmeldungen zum Thema Zivildienst nicht entgegengenommen worden.

Kollegin Haidlmayr wollte übrigens während des Abstimmungsvorganges noch drei Abänderungsanträge einbringen und mußte vom Vorsitzenden ebenfalls aufgeklärt werden, daß dies aufgrund der Geschäftsordnung gar nicht möglich ist. (Abg. Dr. Khol: Ach so ist das!)

Mich giftet ganz einfach, daß Kollegen die eigene Sache madig machen. Mich ärgert, daß sie wider besseres Wissen etwas behaupten, was so nicht stimmt. Wenn der Innenausschuß seine Arbeit – in dieser Sache hat er es hundertprozentig getan – bestmöglich und gewissenhaft durchführt, dann steht es keinem Kollegen zu, den anderen Kollegen gleichsam den Schmutzkübel über den Kopf zu stülpen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster gelangt Herr Abgeordneter Wabl zu Wort. Ich erteile es ihm.

22.10

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Sekunde noch, Kollege Wabl! – Frau Kollegin Haidlmayr, wenn Sie bei der Kurzdebatte von Ihrem Platz aus sprechen wollen, ist das möglich. Wenn Sie herunterkommen wollen, ist das auch möglich. Wie Sie wünschen. – Bitte sehr.

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klubobmann Kostelka kommt hierher und hat die Stirn, dieses Haus falsch zu informieren. Das ist eine


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Sache. Er behauptet hier glattweg etwas anderes, obwohl im Protokoll der Präsidiale folgender Satz steht: "Die Grünen und die F sprechen sich dagegen aus, die Zivildienstgesetz-Novelle 1996 auf die Tagesordnung zu stellen." – Das steht hier im Präsidialprotokoll, und der Herr Klubobmann geht hierher und behauptet vor diesem Haus die Unwahrheit! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kiss, der burgenländische Großmeister der Verstellung, kommt her und behauptet Ähnliches.

Meine Damen und Herren ... (Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Wabl! (Anhaltende Zwischenrufe.)

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Herr Präsident! Sie selbst haben dieses Protokoll gelesen, und Herr Klubobmann Kostelka sagt, diese Tagesordnung sei einstimmig gewesen. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Fraktionen, die bereits in der Geiselhaft der "Kronen-Zeitung" und von "täglich Alles" sind. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Einwendungsdebatte wurde beim Tagesordnungspunkt Parlamentsmitarbeitergesetz genehmigt, aber nicht beim Zivildienstgesetz, denn damit hat die "Kronen-Zeitung" wenig am Stecken. Der "Kronen-Zeitung" ist es gleichgültig, so wie Herrn Kiss und wie Herrn Kostelka und den Sozialdemokraten, die inbrünstig für die Sache der Jugend und der Zivildiener kämpfen, ob hier ein Aufschubrecht für 25 000 junge Menschen aufrechterhalten bleibt oder weg ist, ob hier Rechte österreichischer Jugendlicher im Verfassungsrang mit Füßen getreten werden. Das ist Ihnen von der Sozialdemokratie gleichgültig, Hauptsache Sie haben mit Ihren netten Partnern in Ihrem wohlbehüteten, weichen Kuschelbett wieder etwas über die Runden gebracht. (Abg. Koppler: Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Da ist Ihnen auch die Unwahrheit recht, da gilt Ihnen auch Ihr nettes Begleitliedchen nichts mehr (Abg. Grabner – ein rotes Blatt wie eine "rote Karte" in die Höhe haltend –: Wabl!) , daß Ihnen die Sache der jungen Menschen so wichtig ist, daß Sie doch die Gewissensprüfung nicht mehr wollen, daß Sie die kleinen, armen, jungen Österreicher nicht nötigen wollen! Aber daß Sie zwölf Monate festlegen, daß Sie verfassungsmäßige Rechte beschränken, daß Sie das Aufschubrecht ruinieren (Abg. Kiss: Aber geh!) , meine Damen und Herren, daß es keine Interessenvertreter für Zivildiener geben soll, nur weil Sie hier einen faulen Kompromiß gefunden haben – darüber reden Sie nicht, statt dessen verbreiten Sie hier auch noch Unwahrheiten. (Abg. Grabner – erneut das rote Blatt in die Höhe haltend –: Wabl, schau!)

Herr Kollege, ich verstehe schon! Ja, Sie schämen sich auch vor Ihren eigenen Jugendorganisationen! Das verstehe ich ja, das würde ich auch, wenn ich ein Sozialdemokrat wäre und hier bei diesem faulen Kompromiß mitmachen (Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Kostelka: Was soll das?) und mit fadenscheinigen, windelweichen, falschen, eierfaulen Kompromissen aufwarten müßte.

Meine Damen und Herren! Sie haben heute hier einmal schon die Hose heruntergelassen, ein zweites Mal ist das nicht mehr möglich! (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Wabl, eine etwas schönere Sprache wäre angebracht! – Pfui!-Rufe bei der SPÖ.)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! In der Diskussion über die Tagesordnung des morgigen Tages und nicht über den Inhalt der Vorlagen kommt jetzt Herr Abgeordneter Jung und dann Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Mir ist die Begründung der Einwendungsdebatte schleierhaft! In der Präsidiale waren es die übersehenen Anträge der Frau Abgeordneten Haidlmayr! Davon ist noch nicht die Rede gewesen! Wir haben eine vorgezogene Sachdebatte!)

22.14

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, auf das, was Herr Kollege Khol eben angesprochen hat, einzugehen und


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dies vielleicht auch etwas weniger pathetisch zu tun, als es Kollege Wabl vorgebracht hat, denn das war wirklich schon fast eine vorweggenommene Zivildienstdebatte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Schwimmer. ) Na ja, die Wertung bleibt Ihnen überlassen.

Für einen Neuling in diesem Haus, der erst an fünf oder sechs Ausschußsitzungen teilgenommen hat, war es eigentlich bei allen diesen Sitzungen, besonders bei der angesprochenen, erstaunlich und auch etwas erschreckend zu beobachten, wie lässig und arrogant manchmal Regierungsmitglieder auf Fragen von Abgeordneten antworten. (Abg. Dr. Posch: Das ist eine Einwendungsdebatte gegen die Tagesordnung!)

Kollege Scheibner hat ein ganz eklatantes Beispiel – auch wenn Sie es nicht glauben wollen – angesprochen; es hat sich wortwörtlich in dieser Form dort abgespielt. (Abg. Dr. Posch: Das ist eine Einwendungsdebatte gegen die Tagesordnung!) Ja, richtig, und dazu gehört, daß man darüber reden kann, ob das Thema im Ausschuß richtig und sachgemäß behandelt werden konnte oder nicht. Und wenn man keine sachgemäßen Antworten bekommt, Herr Kollege, dann kann man das Thema nicht sachlich debattieren. Und darum geht es – und um nichts anderes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und was erschwert es neben den sehr, sehr lässigen oder in dem konkreten Fall sogar arroganten Antworten, die der Herr Innenminister gegeben hat – und er ist ja wirklich nicht der erfolgreichste, den diese Republik bisher aufzuweisen hat (Abg. Dr. Posch: Das ist eine Einwendungsdebatte gegen die Tagesordnung! Herr Präsident!) –, was erschwert es, die Debatten dort so zu führen, wie sie eigentlich sein sollten? – Wesentlich ist, daß oft in letzter Minute Anträge, Änderungsanträge und Änderungsänderungsanträge, wie wir heute schon gehört haben, eingebracht werden, die dann dort noch schnell durchstudiert, durchgelesen werden müssen und nicht entsprechend sorgfältig behandelt werden können, wie sie es eigentlich verdienen würden.

Warum wird das in letzter Minute eingebracht? Versucht man mit dem späten Einbringen noch zu pokern, zu bluffen? Nur: Pokern hat sehr wenig mit Seriosität zu tun, und die Schaffung von Gesetzen wäre eigentlich eine Frage von Seriosität. (Abg. Marizzi: Was wollen Sie eigentlich?)

Was ich will, kann ich Ihnen ganz deutlich sagen: Die Fehler, die hier entstehen, entstehen im wesentlichen durch den Zeitdruck und die dadurch bedingte Nervosität. Und wenn Sie in die heutige Zeitung hineinschauen, dann können Sie etwas lesen, was diese Situation sehr richtig wiedergibt und was wiedergibt, was die Menschen draußen über uns denken: "Jetzt sollen also in einem atemberaubenden Finish noch über zwei Dutzend Gesetze durchgepeitscht und zusammengemurkst werden, die unsere Volksvertreter über Frühjahr, Sommer und Herbst hinweg zuerst auf die lange Bank und dann immer weiter weg vor sich hergeschoben haben." – Das ist es genau, was die Leute – und zum Teil, muß ich sagen, nicht ganz zu Unrecht – von unserer Arbeit hier denken.

Im Ausschuß selbst sind ja nur wir die Leidtragenden dieser schlechten Arbeitsbedingungen, die so entstehen, wenn wir aber Gesetze schaffen, die schlecht und husch-pfusch sind, die schon verbessert gehörten, bevor sie dieses Haus verlassen – ich gebe Ihnen nur das Stichwort "Werkvertragsregelung" –, dann sind es nicht nur wir, die darunter leiden, sondern dann sind es alle Bürger dieser Republik. (Abg. Dr. Kostelka: Morgen geht es nicht um die Werkvertragsregelung!) Und das sollten wir bedenken, wenn wir solche Ausschußsitzungen abhalten, wie es die konkrete war. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Herr Kollege, Sie sollten einmal die Geschäftsordnung ausspionieren! – Lebhafte Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

22.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Kollegin.

22.18

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grund, warum es mir und uns Grünen wichtig ist, daß das Zivildienstgesetz von der Tagesordnung genommen wird, kommt aus dem Ausschuß.


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Es war folgendermaßen: Ich habe im Ausschuß einen Antrag gestellt mit der Bitte, die Zivildienstgesetz-Novelle in den Unterausschuß zurückzuverweisen, um sie noch einmal ordentlich diskutieren zu können, weil es große Bereiche gibt, die ungeklärt sind, und die wollte ich bereinigt haben.

Ich habe, bevor ich den Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses eingebracht habe, angekündigt, daß ich, sollte es nicht zu diesem Ausschuß kommen, noch vier Abänderungsanträge habe, die ich dann einbringen müßte.

Der Vorsitzende des Ausschusses hat den Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses abstimmen lassen, und nachdem dieser Antrag niedergestimmt worden war, habe ich bereits mein Handzeichen gegeben, was für mich bedeutet hat, daß ich mich wieder zu Wort melde.

Herr Kiss! Sie konnten mich nicht sehen, weil ich Sie auch nicht sehen konnte, wir saßen in derselben Reihe und waren beide verdeckt. Ich habe mein Handzeichen gegeben, und dieses Handzeichen wurde nicht berücksichtigt. Ich bin es gewohnt, mich im Ausschuß mit Handzeichen zu Wort zu melden und nicht in die Menge hineinzuschreien. Mein Handzeichen wurde nicht zur Kenntnis genommen, und auf die nach der Ausschußsitzung an Herrn Abgeordneten Elmecker gestellte Frage, warum er mich denn nicht mehr zu Wort hat kommen lassen, obwohl ich noch vier Anträge hätte einbringen wollen, habe ich bis heute keine Antwort bekommen.

Damit wollte ich nur einmal klarstellen, wie es im Ausschuß gelaufen ist.

Herr Präsident! Daß das Zivildienstgesetz morgen nicht auf die Tagesordnung kommt, ist deshalb so wichtig, weil es noch viele Bereiche gibt, in denen viele Lücken sind, die so einfach nicht abgestimmt werden können, denn sonst sitzen wir spätestens nächstes Jahr um diese Zeit wieder hier und beschließen eine neuerliche Novelle zum Zivildienstgesetz.

Mir ist es im Interesse der jungen Männer wichtig, daß es diesmal zu einem Zivildienstgesetz kommt, das wirklich längerfristig hält und nicht bereits 1997 wieder novelliert werden muß. Und deshalb ist es für uns und für die jungen Männer ganz, ganz wichtig, daß morgen diese Entscheidung nicht getroffen wird.

Ich weiß, daß es dadurch ab 1. Jänner wieder zu einer Gewissensprüfung kommen wird, aber wenn das Parlament bereit ist, im Interesse der Zivildiener zu handeln, dann müßte es möglich sein, daß diese Regierungsvorlage in der geänderten Form bereits Ende Jänner, Anfang Februar wieder in diesem Haus diskutiert und zur Abstimmung gebracht werden könnte. Damit wäre auch gewährleistet, daß sich die Zeit, für die die Gewissensprüfung wieder eingeführt wird, entsprechend minimiert.

Es ist wirklich Aufgabe des Parlaments, die Verantwortung zu übernehmen, wann es zu einer Gewissensprüfung kommt. Mit diesem Gesetz gibt es zwar keine Gewissensprüfung, aber dieses Gesetz schafft Ungleichheiten innerhalb der Zivildiener, und diese Ungleichheiten sind einfach verfassungswidrig, sie sind nicht tragbar und würden nur bedeuten, daß es bereits in kürzester Zeit jede Menge Beschwerden beim EuGH und beim Verfassungsgerichtshof geben würde, weil dieses Zivildienstgesetz, das morgen beschlossen werden soll, eine eklatante Ungleichstellung für die jungen Männer beinhaltet. Und ich glaube, das kann doch nicht Ziel dieses Parlaments sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka gemeldet. – 2 Minuten Redezeit.

22.22

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Haidlmayr! Ich widerspreche Ihnen ungern, aber Sie haben behauptet, daß Herr Abgeordneter Elmecker als vorsitzführender Obmann im Innenausschuß inkorrekt gehandelt habe, weil er Ihnen das Wort zur Stellung von Anträgen nicht mehr erteilt hat. – Das ist unrichtig.


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51. Sitzung / Seite 191

Sie haben – in welcher Form auch immer – die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden – durch Stimme, durch Handzeichen, wie auch immer –, es ist aber nach Schuß der Debatte erfolgt. Was im Plenum des Nationalrates nicht möglich ist, ist auch in Ausschüssen nicht möglich: Nach Schluß der Debatte können keine Abstimmungen mehr stattfinden. Ich bitte Sie, das zu verstehen. (Abg. Dr. Graf: Es ging um eine Wortmeldung!)

Es ist nichts geschehen, was von Ihnen nicht korrigiert werden kann. Stellen Sie Ihre Anträge morgen (anhaltende Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , und es wird eine entsprechende Abstimmung darüber geben. (Abg. Wabl: Sie bestimmen das nicht!) Es ist kein Grund, einem Abgeordneten, der nach bestem Wissen und Gewissen seiner Aufgabe als Vorsitzender nachgekommen ist, hier Inkorrektheit vorzuwerfen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Ruf: Auch rechtzeitig stellen! – Weitere Zwischenrufe.)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf an alle Damen und Herren appellieren, die Bestimmungen über die tatsächlichen Berichtigungen exakt einzuhalten.

Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé.

22.24

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kostelka hat gemeint, man solle auf die Einwendungen verzichten, damit eine vernünftige Regelung des Zivildienstes Platz greifen kann.

Also, Herr Kollege Kostelka, ich möchte Ihnen sagen, wenn es um eine Vernunftlösung geht, dann dürfte man überhaupt nie über dieses Gesetz hier abstimmen lassen, dann dürfte dieses Gesetz überhaupt nie in Kraft treten. (Abg. Mag. Stadler: So ist es!) Denn was es da an Unvernünftigkeiten gibt, was es da an nicht Einsehbarem gibt – angefangen von den Einsatzorten der Zivildiener bis hin zu deren weiteren Ungleichbehandlung –, das ist wirklich ganz arg. Da muß man wirklich sagen, daß man einem solchen Gesetz überhaupt niemals zustimmen sollte, nämlich auch Sie von Rot und Schwarz nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Auch wir sind dafür, daß das Gesetz morgen nicht auf die Tagesordnung kommt, sondern daß ein Unterausschuß stattfindet. Wir haben auch gesehen, daß Frau Abgeordnete Haidlmayr im Ausschuß einen Antrag gestellt hat, sie hat die Hand gehoben. Offensichtlich hat der Vorsitzende das nicht gesehen, aber es wäre doch wirklich nichts dabei, wenn der Vorsitzende gesagt hätte: Ich habe das übersehen, gut, wir reden noch einmal darüber. Oder: Stellen Sie Ihre Anträge. Aber diese Größe hat der Vorsitzende offensichtlich nicht gehabt, sondern Sie wollten halt ganz einfach drüberfahren, wie Sie es oft machen, überhaupt bei Materien, die Ihnen unangenehm sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei den Grünen.)

Herr Kollege Kostelka! Wieso Sie so genau wissen wollen, daß Frau Kollegin Haidlmayr nicht ihre Hand gehoben hat, das müssen Sie uns auch erst erklären, denn Sie waren ja überhaupt nicht dabei im Ausschuß. Sie haben es sich von irgend jemandem erzählen lassen, der es offensichtlich auch nicht gesehen hat, nicht wahrgenommen hat, daß da jemand die Hand gehoben hat. Also ich glaube schon, daß Sie hier Ihre Ansicht revidieren sollten.

Und im übrigen – weil Sie immer darauf hinweisen, daß ab 1. Jänner wieder die Gewissensprüfung in Kraft treten würde – müssen Sie doch auch einmal einsehen, daß Sie diejenigen waren, die diese Regierungsvorlage so lange verzögert haben! Wir haben ja immer wieder gedrängt und darauf hingewiesen, daß der Termin schon sehr brenzlig ist! Aber nein, Sie haben es auf die letzte Minute ankommen lassen – wahrscheinlich in der Hoffnung, daß man dann eben nichts mehr redet, daß man drüberfährt, und die Geschichte wird erledigt sein. Aber diesmal sehen Sie, daß die Opposition sich das nicht so ganz einfach gefallen läßt.

Und was jetzt noch das Verhalten des Herrn Ministers angeht: Herr Kollege Schieder hat gesagt, der Minister würde so etwas nie tun, nämlich daß er Abgeordneten wie Kollegen Scheibner da so eine mehr oder weniger "Schmeck’s"-Antwort gibt. Aber wir wissen doch aus sehr, sehr vielen Sitzungen, aus sehr, sehr vielen Ausschüssen, wie der Innenminister die Abgeordneten


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behandelt, und zwar in der Oberflächlichkeit seiner Beantwortung nicht nur die Oppositionsabgeordneten, sondern Sie ja eigentlich genauso. Nur: Ihnen ist es egal, weil es bereits irgendwo abgesprochen ist, welche Fragen Sie stellen, weil schon abgesprochen ist, welche Antworten Sie bekommen, und weil Sie gar nicht neugierig darauf sind, was Ihnen der Minister wirklich antwortet, weil das doch bloß Formalfragen sind. Aber wir, die wir auf die Auskünfte eines Ministers angewiesen sind, vermerken wirklich schon sehr negativ, wie der Innenminister die Parlamentarier behandelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er redet erstens einmal absolut vage, undeutlich, verschwommen, er nuschelt etwas dahin, und zwar mit Absicht (Abg. Brix: Was soll diese unqualifizierte Äußerung? – Weitere Zwischenrufe) , sodaß er gar keine klaren und deutlichen Antworten gibt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er fühlt sich nicht verpflichtet, klare Antworten zu geben, und das ist etwas, was wir ihm vorhalten. (Zwischenruf des Abg. Marizzi .) Ich komme schon darauf zu sprechen.

Im Fall Scheibner war es wirklich eine unerhörte Frechheit, was sich der Innenminister geleistet hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Bitte in der Terminologie zurückhaltender zu sein! (Anhaltende lebhafte Zwischenrufe.)

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Er hat den Abgeordneten Scheibner so behandelt, als ob es eine Kühnheit wäre, ihn überhaupt etwas zu fragen. Das lassen wir uns nicht gefallen, und das können Sie dem Innenminister auch ausrichten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Was haben Sie mit dem Scheibner? Das Armutschkerl! Das arme Bürscherl!)

22.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Kammerlander vor. – Bitte sehr. (Anhaltende Zwischenrufe.)

22.29

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Beruhigen Sie sich wieder ein bißchen! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es geht um euren Minister, der das Parlament mißbraucht!)

Herr Klubobmann Kostelka! Ihre Glaubwürdigkeit ist nicht unbedingt gestiegen nach dieser angeblichen tatsächlichen Berichtigung, denn eines müssen Sie sich schon einmal vor Augen führen: Haben Sie vielleicht bei einer Abstimmung schon einmal zugeschaut, wie meine Kollegin Haidlmayr abstimmt beziehungsweise wie sie abstimmen kann, wie sie dazu in der Lage ist?

Herr Klubobmann, ich wäre irgendwie froh, wenn Sie zuhören würden, denn das würde wesentlich zum Verständnis beitragen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das interessiert ihn nicht!) Aber das interessiert Sie offensichtlich nicht, und das wirft ein bezeichnendes Licht auf den Umgang mit Behinderten, den Sie haben. (Abg. Mag. Stadler: Behinderte interessieren ihn nicht! – Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Hätten Sie schon einmal zugeschaut, dann würden Sie nämlich wissen, wie Kollegin Haidlmayr den Arm heben kann. (Ruf bei der SPÖ: Sie waren ja auch nicht dabei!) Und da gebe ich ja zu und das würde ich ja durchaus auch einem Vorsitzenden zugestehen, daß er das nicht gleich sehen kann, aber interessanterweise haben es einige Kolleginnen und Kollegen gesehen, und darauf möchte ich schon hinweisen. Da geht es nicht darum, daß sie später oder daß sie zu spät aufgezeigt hat, sondern es geht darum, daß sie aufgezeigt hat und daß es nicht gesehen wurde. (Anhaltende Zwischenrufe und Unruhe im Saal.)

Würden Sie sich jetzt ein bißchen beruhigen und zuhören! Ich lasse es ja ohnehin offen, ob der Herr Vorsitzende Elmecker es nicht sehen wollte oder nicht gesehen hat, denn ich nehme an, da er hier steht, daß er es selbst noch erklären wird, aber Tatsache ist: Es wurde nicht gesehen. Ich möchte das einmal objektiv so da stehenlassen.


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51. Sitzung / Seite 193

Und das allein, denke ich mir, wäre bereits ausreichend Grund, zu sagen: Es haben diese Anträge nicht mehr eingebracht werden können, es hat die Verhandlung, es hat die Debatte über diese Anträge im Ausschuß gar nicht mehr stattfinden können, weil Kollegin Haidlmayr eben nicht mehr zu Wort gekommen ist. Das allein wäre ausreichend genug – abgesehen von allen Argumenten, die meine Kollegen und vor allem auch Frau Kollegin Haidlmayr angeführt haben –, daß Sie sich vor Augen führen müßten, daß Sie, wenn Sie dieses Gesetz morgen auf die Tagesordnung setzen und auch beschließen, in einem Jahr mit einer Novellierung rechnen müssen, weil in diesem Gesetz so viele Lücken und so viele Tücken enthalten sind, die Sie übrigens genau kennen und von denen Sie auch wissen, wo sie sind.

Deswegen verstehe ich es nicht, deswegen verstehen wir es nicht, warum Sie dabei bleiben, daß das jetzt unbedingt noch am Ende dieses Jahre entschieden werden muß (Abg. Dr. Partik-Pablé: Drüberfahren wollen sie!) , obwohl das, wie Frau Kollegin Haidlmayr ausgeführt hat, bei einigermaßen gutem Willen Ende Jänner behandelt werden könnte. Dann wäre das zeitlich limitiert und der Schaden sozusagen gering.

Es ist im übrigen für etwa 25 000 junge Männer, jüngere Männer, die gerade noch hineinrutschen, die Wahrscheinlichkeit gegeben, sehr wohl noch ihre Gewissensgründe bekanntgeben zu müssen. Das sind jene berühmten Fälle, die seinerzeit freigestellt waren und sozusagen keine Möglichkeit gehabt haben, ihre Gewissensgründe bekanntzugeben, die das aber jetzt, nachdem diese Freistellung aufgehoben wurde – zum Beispiel bei der Post –, tun müßten. Das wäre auch mit ein Grund.

Noch einmal: Es wäre möglich – bei Schadensbegrenzung, bei Schadensminimierung –, das Ende Jänner zu machen. Bitte berücksichtigen Sie außerdem, daß Frau Kollegin Haidlmayr ihre Anträge im Ausschuß gar nicht mehr hat einbringen können, obwohl sie bemüht war, diese einzubringen, und obwohl sie sich – soweit es in ihren Möglichkeiten gestanden ist – rechtzeitig zu Wort gemeldet hat.

Soviel Kollegialität, denke ich, könnten Sie da auch einmal beachten und sagen: Na gut, da hat irgend etwas nicht funktioniert – noch dazu, wo dieses Gesetz ein Husch-Pfusch-Gesetz ist; das wiegt ja noch schwerer –, diskutieren wir noch einmal darüber, hören wir uns das noch einmal an, bevor wir da morgen etwas beschließen! (Beifall bei den Grünen.)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Elmecker. Er hat das Wort.

22.34

Abgeordneter Robert Elmecker (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle möglichen Ausdrücke wurden jetzt schon gebraucht: von einem Husch-Pfusch-Gesetz, vom Drüberfahren, vom Betonieren und dergleichen Dinge mehr.

Meine geschätzten Damen und Herren! Gerade das Zivildienstgesetz hat eine jahrelange Diskussion hinter sich, und auch im Ausschuß gab es kein Drüberfahren, wie das heute hier schon bezeichnet wurde, denn wir hatten schon 15 Debattenredner zum Zivildienstgesetz, als sich Kollegin Haidlmayr zum zweiten Mal gemeldet hat – was ihr ja zusteht –, und sie hat bei der zweiten Wortmeldung dann den Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses eingebracht.

Das ist ein Geschäftsordnungsantrag, und ich habe gesagt, ich habe noch eine Wortmeldung – das ist Kollege Scheibner gewesen –, und dann lasse ich über diesen Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses abstimmen.

Kollege Scheibner hat sich noch zu Wort gemeldet. Danach habe ich gesagt, es liegt mir keine weitere Wortmeldung mehr vor, ich lasse daher über den Antrag der Kollegin Haidlmayr auf Einsetzung eines Unterausschusses abstimmen. Ich sage aber jetzt gleich dazu, Frau Kollegin Haidlmayr hat in ihrer ersten Wortmeldung einen Abänderungsantrag eingebracht, der sehr wohl auf meinem Tisch gelegen war, und in diesem Abänderungsantrag ist es eigentlich um das gegangen, was heute hier moniert wird, nämlich um diese sogenannten Altfälle, über die wir ja


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51. Sitzung / Seite 194

ziemlich lange diskutiert haben. Ich habe dann, als wir diese Debatte beendet hatten, als wir den Antrag über den Unterausschuß, der keine Mehrheit gefunden hat, abgestimmt hatten, gesagt, es liegt mir keine Wortmeldung mehr vor, ich werde daher zuerst über die Abänderungsanträge abstimmen lassen – das ist so üblich –, und zwar zuerst über den weitestgehenden Abänderungsantrag, und das war jener der Kollegin Haidlmayr betreffend § 17, in dem es um diese Altfälle gegangen ist. Ich habe sogar – Kollege Kiss ist mein Zeuge – diesen Antrag noch erläutert.

Während ich dann diesen Antrag – wir waren schon im Abstimmungsvorgang – erläutert habe, hat sich Kollegin Haidlmayr zu Wort gemeldet und gesagt, sie hat noch andere Anträge, die ich nicht mehr zulassen konnte. Sie lagen uns nicht vor! Es ist normalerweise üblich, daß man Abänderungsanträge den anderen Fraktionen zumindest vorlegt, damit man sich damit beschäftigen kann. Sie lagen uns nicht vor, die Wortmeldung erfolgte im Abstimmungsvorgang, und daher konnte ich diese Anträge, die ich gar nicht kannte, die ich nicht sah, auch nicht mehr zulassen. – Vom Drüberfahren oder sonst irgendwelchen Dingen kann nicht die Rede sein, sondern dazu muß ich wirklich klar und deutlich sagen: Das sind Unterstellungen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich habe mich in dieser langen, intensiven Debatte des Innenausschusses bemüht und habe auf Antrag der Grünen sogar eine aktuelle Ansprache anberaumt. – Also ich brauche mir nicht vorwerfen zu lassen, ich hätte eine einseitige Vorsitzführung ausgeübt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haidlmayr gemeldet. Bitte die Bestimmungen zu beachten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.38

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Es war folgendermaßen: Herr Elmecker hat den Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses abstimmen lassen. Nachdem die Abstimmung erfolgt war, war seine einzige Wortmeldung: Damit ist die Debatte geschlossen, obwohl ich so (die Rednerin führt vor, wie sie aufgezeigt hat) – und anders kann ich nicht sitzen – dagesessen bin.

Ich habe bereits, als ich den Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses eingebracht habe, angekündigt, daß ich, wenn dieser Unterausschuß nicht zustande kommt, noch weitere vier Anträge einbringen werde. (Beifall bei den Grünen.)

22.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Vielleicht wird man beim Studium des Protokolls dieser Einwendungsdebatte sehen, daß alle Fraktionen und alle Redner in Anspruch nehmen, diese Bestimmungen der Geschäftsordnung mit einer gewissen Großzügigkeit anzuwenden. Und es geht auch gar nicht anders, weil man nach wenigen Sätzen nicht erkennen kann, ob sich das nur auf die Tagesordnung bezieht oder nicht.

Jedenfalls ist diese Debatte jetzt geschlossen und wir gelangen zur Abstimmung .

Abgestimmt wird über die Einwendungen der grünen Fraktion dagegen, daß die Zivildienstgesetz-Novelle 1996 auf der Tagesordnung der morgigen Sitzung steht. Es handelt sich um den Bericht des Innenausschusses in 544 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die den Einwendungen der grünen Fraktion ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit . Damit bleibt es bei der vorgeschlagenen Tagesordnung für den morgigen Sitzungstag.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 345/A bis 349/A und die Anfragen 1603/A bis 1616/A eingelangt sind.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
51. Sitzung / Seite 195

Die nächste Sitzung berufe ich für morgen, Donnerstag, 12. Dezember, 9 Uhr ein.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet.

Die Tagesordnung ist der schriftlichen verteilten Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 22.40 Uhr