Stenographisches Protokoll

63. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 26. Feber 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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63. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 26. Feber 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 26. Feber 1997: 11.00 – 21.56 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren: Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Neutralität Österreichs und

über den Antrag 110/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union (WEU)

2. Punkt: Bericht über das Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes

3. Punkt: Bericht der Bundesregierung gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1995

4. Punkt: Bundesstraßengesetznovelle 1996

5. Punkt: Bericht über den Antrag 166/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Nord-Umfahrung Enns

6. Punkt: Bericht über den Antrag 200/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die umgehende Realisierung von ausschreibungsreifen Straßenbauprojekten im Bundesland Kärnten

7. Punkt: Bericht über den Antrag 201/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Verwirklichung eines Maßnahmenpaketes zur Stützung der krisengeschüttelten Bauwirtschaft

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 370/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 10


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Ordnungsrufe 118, 127, 160

Geschäftsbehandlung

Verkürztes Verfahren gemäß § 28a Abs. 1 der Geschäftsordnung (Verzicht auf Vorberatung der Regierungsvorlage 565 d. B.) 30

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1657/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 30

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 66

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 66

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 69

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 70

Peter Rosenstingl 70

Emmerich Schwemlein 72

Dkfm. DDr. Friedrich König 73

Mag. Thomas Barmüller 74

Rudolf Anschober 75

Antrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen, die Anfragebeantwortung 1657/AB nicht zur Kenntnis zu nehmen – Ablehnung 74, 77

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 30

Unterbrechung der Sitzung 65

Antrag der Abgeordneten Peter Schieder, Dr. Andreas Khol, Franz Koller, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Klara Motter und Genossen, das Volksbegehren 171 d. B. zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes an den Verfassungsausschuß rückzuverweisen – Annahme 98, 110

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend die Erteilung von Ordnungsrufen 127

Selbständiger Antrag des Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller: Unterstützungsfrage – genügend Unterstützung 128, 128

Aktuelle Stunde (11.)

Thema: "Wann kommt die längst fällige Lohnsteuerreform?"

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 10

Bundesminister Rudolf Edlinger 12

Sigisbert Dolinschek 15

Dr. Ewald Nowotny 16

Dr. Michael Spindelegger 17

Dr. Hans Peter Haselsteiner 19

Dr. Alexander Van der Bellen 20

Ing. Mathias Reichhold 21

Mag. Herbert Kaufmann 23

Mag. Cordula Frieser 24

Mag. Helmut Peter 26

Ing. Monika Langthaler 27


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Ausschüsse

Zuweisungen 29, 160

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über das Volksbegehren (172 d. B.): Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Neutralität Österreichs und

über den Antrag 110/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union (WEU) (592 d. B.) 31

Redner:

Dr. Jörg Haider 31

Dr. Alois Mock 35

Hans Helmut Moser 38, 81

Peter Schieder 42

Mag. Doris Kammerlander 45

Dr. Michael Spindelegger 49

Herbert Scheibner 51

Dr. Willi Fuhrmann 56

Dr. Martina Gredler 57

Dr. Karl Maitz 59

Andreas Wabl 61

Dr. Alfred Gusenbauer 64

Wolfgang Jung 77

Dr. Irmtraut Karlsson 79

Dkfm. Holger Bauer 80

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 592 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Neutralität Österreichs sowie die europäische Sicherheitspolitik (E 43) 82

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 592 d. B. hinsichtlich des Textes des Volksbegehrens sowie hinsichtlich des Antrages 110/A (E) 82, 83

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Zuleitung neutralitätsgefährdender Staatsverträge mit NATO und WEU an das Parlament – Ablehnung 48, 83

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend rasche Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit NATO und WEU – Ablehnung 55, 83

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Erreichung des Status eines assoziierten Mitgliedes in der Parlamentarischen Versammlung der NATO (NAA) für Österreich – Ablehnung 55, 83

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (171 d. B.) zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes (603 d. B.) 83

Redner:

Dr. Peter Kostelka 83

Georg Schwarzenberger 84

Dr. Stefan Salzl 87

Klara Motter 90


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MMag. Dr. Madeleine Petrovic 92

Ludmilla Parfuss 95

Georg Schwarzenberger (tatsächliche Berichtigung) 98

Maria Rauch-Kallat 99

Ing. Mathias Reichhold 100

Andreas Wabl 101

Anna Huber 102

Wolfgang Großruck 103

Franz Koller 105

Rainer Wimmer 106

Karl Donabauer 107

Dr. Hans Peter Haselsteiner 108

Rückverweisung des Volksbegehrens 171 d. B. an den Verfassungsausschuß 110

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Reparatur des österreichischen Tiertransportgesetzes-Straße 93

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Klara Motter und Genossen betreffend Abschaffung der Subventionen für Lebendtierexporte 94

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung (Zu III-58 der Beilagen) gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1995 (566 d. B.) 110

Redner:

Dr. Volker Kier 110

Mag. Walter Posch 113

Mag. Terezija Stoisits 116, 127

Paul Kiss (tatsächliche Berichtigungen) 118, 124

Ridi Steibl 119

Mag. Thomas Barmüller 121

Dr. Harald Ofner 122, 128

Dr. Elisabeth Hlavac 125

Paul Kiss 126

Kenntnisnahme des Berichtes Zu III-58 d. B. 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Ridi Steibl und Genossen betreffend steirische Slowenen und Volksgruppenbeirat – Annahme (E 44) 115, 128

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (424 d. B.): Bundesstraßengesetznovelle 1996 (595 d. B.) 129

5. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 166/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Nord-Umfahrung Enns (596 d. B.)129

6. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 200/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die umge


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hende Realisierung von ausschreibungsreifen Straßenbauprojekten im Bundesland Kärnten (597 d. B.) 129

7. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 201/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Verwirklichung eines Maßnahmenpaketes zur Stützung der krisengeschüttelten Bauwirtschaft (598 d. B.) 129

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 129

Karl Freund 131

Rudolf Anschober 133

Kurt Eder 136

Ing. Mathias Reichhold 137

Dr. Volker Kier 139

Ing. Mathias Reichhold (tatsächliche Berichtigungen) 143, 152

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 144

Hermann Kröll 145

Peter Marizzi 147

Helmut Dietachmayr 148

Franz Riepl 150

Karl Gerfried Müller 151, 154

Robert Elmecker 152

Rudolf Anschober (tatsächliche Berichtigung) 153

Annahme des Gesetzentwurfes in 595 d. B. 154

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 596, 597 und 598 d. B. 154

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zwischen Linz und Prag – Ablehnung 135, 155

Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Elmecker, Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Genossen betreffend Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zwischen Linz und Prag – Annahme (E 45) 153, 155

8. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (504 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (593 d. B.) 155

Annahme des Gesetzentwurfes in 593 d. B. 155

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 370/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert
wird 155

Redner:

Mag. Doris Kammerlander 155

Dr. Elisabeth Hlavac 157

Edeltraud Gatterer 157

Mag. Johann Ewald Stadler 158

Dr. Martina Gredler 159

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 160

Zuweisung des Antrages 370/A an den Gleichbehandlungsausschuß 160


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63. Sitzung / Seite 6

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 29

556: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll

565: Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika samt Erklärung

580: Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird

588: Universitäts-Studiengesetz – UniStG

590: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert wird (2. BFG-Novelle 1997)

591: Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird

594: Bundesgesetz, mit dem das Austro Control Gesetz geändert wird

608: Immissionsschutzgesetz – Luft, IG-L

Anträge der Abgeordneten

Hans Helmut Moser und Genossen betreffend ausreichende Pensionsvorsorge für Soldaten des österreichischen Bundesheeres (397/A) (E)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 und das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Südtirolern mit österreichischen Staatsbürgern auf bestimmten Verwaltungsgebieten geändert werden (398/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG) (399/A)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 und das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Südtirolern mit österreichischen Staatsbürgern auf bestimmten Verwaltungsgebieten geändert werden (400/A)

Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Lücken im Meldewesen bei übertragbaren oder gefährlichen Krankheiten, insbesondere Creutzfeldt-Jakob-Syndrom (401/A) (E)

Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Impfschadengesetz (402/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Aufnahme der steirischen Slowenen in den Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe (403/A) (E)


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Anfragen der Abgeordneten

Inge Jäger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend WTO-Ministerkonferenz in Singapur (2016/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Personalsituation der Finanzämter in den westlichen Bundesländern (2017/J)

Dr. Irmtraut Karlsson und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verteilung der Zuschüsse des Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft (FFF) für die Vorbereitung und Anbahnung von EU-Projekten (2018/J)

Sonja Ablinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend APA-Aussendung vom 17. 2. 1997 ("Studiengebühren" – Studie des Wissenschaftsministeriums) (2019/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Schwerpunkte und Herausforderungen beim Umweltschutz (2020/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Effizienz von Auslands-Kulturaktivitäten (2021/J)

Günther Platter und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Schülerfreifahrt (2022/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Weisung, öffentliche Aufträge nur an Baufirmen zu vergeben, die ausschließlich heimische oder Arbeiter aus EU-Ländern beschäftigen (2023/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Weisung, öffentliche Aufträge nur an Baufirmen zu vergeben, die ausschließlich heimische oder Arbeiter aus EU-Ländern beschäftigen (2024/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Weisung, öffentliche Aufträge nur an Baufirmen zu vergeben, die ausschließlich heimische oder Arbeiter aus EU-Ländern beschäftigen (2025/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Weisung, öffentliche Aufträge nur an Baufirmen zu vergeben, die ausschließlich heimische oder Arbeiter aus EU-Ländern beschäftigen (2026/J)


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Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundeskanzler betreffend veränderte Kompetenzen im Bereich der Frauenministerin (2027/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit der Rinderseuche BSE (2028/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend vorzeitigen Betrieb der MVA-Wels (2029/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Umstrukturierungen im Zuge der Zusammenlegung von Sozial- und Gesundheitsministerium (2030/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Frauenanteil im Gesundheitsbereich (2031/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Schließung des Bahnhofs Bad Radkersburg (2032/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend sieben im Iran inhaftierte Kurden (2033/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Verpackungsverordnung 1996: Schikane für den Letztverbraucher (2034/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend politische Verweigerung Andreas Grubers (2035/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Europäische Union und Schutz der österreichischen Trinkwasservorkommen (2036/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einreiseverweigerung in Israel für Chadi Suleiman (2037/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Übergriff der Polizei gegen die Künstlerin Johanna Kandl (2038/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Vollziehung des § 6a der Rundfunkverordnung (2039/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe (§ 46 Abs. 1 StGB) (2040/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Bestrafung von Zeitungskolporteuren wegen Vorstoßes gegen das Pornographiegesetz (2041/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend steuerliche Mehrbelastung (2042/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend steuerliche Mehrbelastung (2043/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend NS-Opfer und Anatomieatlas (2044/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebung von Flüchtlingen aus Afghanistan (2045/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend bundeseinheitlichen Artenschutz (2046/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend unzulängliche Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft Innsbruck im Fall Klug (2047/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zuzug von Familienangehörigen ansässiger Ausländer (2048/J)

Ingrid Tichy-Schreder und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den Bericht des Bundesministers für Justiz, III-74 der Beilagen ("Schutz unserer Kinder") (2049/J)


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Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Aussagen des Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreters Mag. Grasser (2050/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Absicherung von behinderten Menschen im Alter (2051/J)

Franz Kampichler und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit (2052/J)

Franz Stampler und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die bevorstehenden Kündigungen von 500 Mitarbeitern im Werk Gratkorn der KNP Leykam (2053/J)

Anna Huber und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Kosten und Ausgaben für den Straßenverkehr in Österreich (Zu 2013/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen (1691/AB zu 1726/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1692/AB zu 1809/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Sophie Bauer und Genossen (1693/AB zu 1843/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (1694/AB zu 1719/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (1695/AB zu 1720/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Jakob Auer und Genossen (1696/AB zu 1727/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1697/Ab zu 1861/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (1698/AB zu 1743/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1699/AB zu 1791/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1700/AB zu 1871/J)

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des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (10/ABPR zu 10/JPR)

 


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Beginn der Sitzung: 11 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 63. Sitzung des Nationalrates zur anberaumten Stunde.

Das Amtliche Protokoll der 62. Sitzung vom 18. Feber 1997 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Preisinger, Dkfm. Ruthofer, Sauer, Wurmitzer, Dr. Mertel, Mag. Schweitzer, Schaffenrath und Wenitsch.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Wann kommt die längst fällige Lohnsteuerreform?"

Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.01

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Anlaß der Aktuellen Stunde ist die kalte Steuerprogression, denn in einer Situation, in der es in Österreich über 300 000 Arbeitslose gibt und über 700 000 Menschen an der Armutsgrenze leben, kassiert der Staat immer mehr Lohnsteuer.

Zwischen der letzten Tarifanpassung im Jahre 1989, in dem das Lohnsteueraufkommen 88 Milliarden Schilling betragen hat, und dem Jahr 1996, in dem es bereits 160 Milliarden Schilling betrug, ist es zu einer Steigerung um 72 Milliarden Schilling gekommen. Von diesen 72 Milliarden Schilling sind lediglich zwischen 12 und 14 Milliarden Schilling Inflationsausgleich, mehr als 50 Milliarden Schilling ist der Finanzminister allein im Jahre 1996 den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig geblieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Finanzminister ist säumig, weil er die Folgejahre – von 1989 bis 1996 – nicht berücksichtigt hat und so die Schuld des Finanzministers gegenüber der lohnsteuerzahlenden Arbeiterschaft in Österreich bereits auf über 100 Milliarden Schilling angestiegen ist. Und das geschieht in einer Zeit, in der wir zirka 75 Milliarden Schilling für internationale Organisationen ausgeben, in einer Zeit, in der wir mehr als 60 Milliarden Schilling an Subventionen für Presse- und Parteienförderung und dergleichen mehr ausschütten und sich die Politiker eine Gehaltspyramide konstruieren lassen, durch die der Bundeskanzler 1 Million Schilling mehr verdienen soll, man aber nicht bereit ist, die Schulden an die österreichischen Bürgerinnen und Bürger endlich zurückzuzahlen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Finanzminister weigert sich nicht nur, endlich die Rückzahlung dieser Schuld vorzunehmen, sondern er läßt sich immer wieder neue Belastungen einfallen. So etwa ließ er den allgemeinen Absetzbetrag, der nun nur mehr für Einkommen bis zu 200 000 S zur Anwendung kommt – ab dann gilt eine Einschleifregelung –, streichen. Er hat eine Reduktion der Absetzungsmöglichkeit für Sonderausgaben um weitere 50 Prozent durchgezogen. Weiters hat der Finanzminister den


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Pauschalbetrag für die Sonderausgaben von 1 638 S auf 819 S reduziert, und er hat bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht bedacht, auf wessen Rücken das ausgetragen wird. Wie es derzeit ausschaut, wird die Flexibilisierung der Arbeitszeit nur auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen. Und dabei werden die Freiheitlichen sicher nicht zuschauen!

Wenn nun auf der einen Seite, nämlich auf der Lohnseite, keine Mehrbezahlung für die Arbeitnehmer in Form von vernünftigen Überstundenpauschalen beziehungsweise Überstundenregelungen möglich ist, dann muß auf der anderen Seite endlich die kalte Progression durch die Bereitstellung von 50 Milliarden Schilling für eine Lohnsteuerreform beseitigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf Sie daran erinnern, was im Zuge des Nationalratswahlkampfes 1995 gerade von Sozialdemokraten in Betrieben verbreitet wurde: Wenn eine bürgerliche, also schwarz-blaue, Mehrheit an die Macht kommen sollte, dann müßten die Arbeitnehmer bei gleichzeitigen Lohneinbußen jederzeit zur Verfügung stehen. – Jetzt haben wir genau dieses Problem. Genau das, was Sie damals für den Fall einer möglichen schwarz-blauen Koalition prophezeit haben, ist nun passiert: Sie tragen die ganze Lohnreduktion auf dem Rücken der Arbeitnehmer aus, sind aber nicht bereit, die kalte Progression durch eine Lohnsteuerreform endlich zu beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich zitiere nun Herrn Lehner vom Wifo, der sagt, daß die kalte Progression auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird, die ein durchschnittliches Einkommen in der Größenordnung zwischen 15 000 S und 25 000 S beziehen. – In diesem Bereich ist der Steuertarif zu korrigieren!

Ich muß Sie ganz ehrlich fragen – Herr Präsident Verzetnitsch ist gerade nicht hier im Saal –, wo denn die Gewerkschaft geblieben ist. Verzetnitsch war nämlich derjenige, der immer auf die Barrikaden gestiegen ist und eine inflationsbereinigte Steuerreform, durch die er die inflationsbedingte Steuererhöhung für die Arbeitnehmer beseitigen wollte, verlangt hat. – Man hört aber nun nichts mehr darüber! Dieser Fall ist heute noch immer aktuell.

Das Problem betrifft nämlich – weil Sie uns vorwerfen, wir kümmern uns nicht um den kleinen Mann – nicht nur die oberen Einkommensbezieher. Genau dieser Punkt trifft auch Bezieher von Einkommen in der Größenordnung von 12 500 S monatlich. Wenn von diesen jemand um 1 000 S mehr verdient und in die nächste Einkommensteuerprogressionsstufe fällt (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , dann zahlt er pro 1 000 S nicht 220 S, sondern 320 S Lohnsteuer.

Auch dazu schweigt die Gewerkschaft! Sie hat auch in den letzten Jahren geschwiegen. Sie hat ein Belastungspaket nach dem anderen mitgetragen – und wundert sich heute, daß laufend Mitglieder austreten und die Gründung einer freiheitlichen Gewerkschaft herbeisehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben aber nicht nur bei der kalten Progression zugeschaut, sondern Sie haben auch bei der Tarifgestaltung – bei der Bahn, der Post, beim ORF, bei den Müll-, Wasser- und Kanalgebühren sowie bei der Erhöhung des Strompreises, trotz der Lippenbekenntnisse seitens der Österreichischen Volkspartei – mitgespielt!

Es sollte eine aufkommensneutrale Energiesteuer eingeführt werden, und im Zuge dessen sollten die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Aber die Lohnnebenkosten sind nicht gesenkt worden, sondern gestiegen, und auch die Energiepreise sind gestiegen! Hiebei haben Sie alle versagt!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie steht es in bezug auf die kalte Progression mit den Pflichtversicherungen? Im Bereich der Krankenversicherung der Arbeiter ist in der Entwicklung von 1987 bis 1997 eine Steigerung von 25 Prozent zu verzeichnen, bei der Arbeitslosenversicherung eine Steigerung von 36 Prozent. Und anstatt daß Sie endlich daran denken, eine langgehegte Forderung der freiheitlichen Fraktion und auch des ehemaligen Sozialministers Hums, nämlich die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten, zu erfüllen, wollen Sie


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die Erhöhung der Gehälter in den sogenannten geschützten Bereichen auf dem Rücken der Angestellten und der Unternehmer austragen. Sie wollen nur die Prozentsätze erhöhen, so ganz nach dem Motto: Sparen im eigenen Bereich ist nicht gefragt. Wir erhöhen lieber die Beiträge.

Reale Einkommensverluste führen natürlich auch zu echten finanziellen Problemen in der Bevölkerung. Jemand, der ein Haus gebaut hat und dieses über einen Kredit finanzieren mußte, kann, wenn es keine realen Einkommenszuwächse mehr gibt und das verfügbare Einkommen immer geringer wird, die Rückzahlungen nicht mehr leisten. Er bekommt die erste Mahnung von der Bank, dann die zweite, kann aber nicht bezahlen. Es kommt zur Klage. Die Verzugszinsen laufen in einer Größenordnung zwischen 16 und 18 Prozent. Dieser Häuslbauer kommt aus dem Schlamassel nicht heraus. Es kommt zur Exekution, dann zur Versteigerung und damit zur Vernichtung von Vermögen und zu großem persönlichem Elend.

Sehr verehrte Damen und Herren! Genau das sollte durch die Beseitigung der kalten Progression endlich verhindert werden. Die Schulden des Finanzministers gegenüber der österreichischen Arbeiterschaft sollten rasch zurückbezahlt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen fordern eine rasche Lohnsteuerreform. Eine solche ist finanzierbar, das ist überhaupt kein Problem. Eine rasche Lohnsteuerreform im Bereich zwischen 40 und 50 Milliarden kann man doch zu einem Teil aus den Pensionsreserven der Oesterreichischen Nationalbank bestreiten. – Warum soll es bei der Post gehen, bei der Nationalbank aber nicht?

Man sollte weiters in den gesamten Subventionsdschungel eingreifen, Presse- und Parteienförderung reduzieren und Politikerbezüge, die auch für die Menschen verständlich sind und sich etwa an der 60 000-S-Grenze der Freiheitlichen Partei orientieren, einführen. Man darf nicht auf der einen Seite die Bevölkerung mit Belastungen quälen und auf der anderen Seite eine Gehaltspyramide konstruieren lassen, durch die man noch mehr verdient, das Schlamassel immer größer wird und die Bevölkerung das Vertrauen in die Bundesregierung beziehungsweise in das Hohe Haus verliert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deswegen ist diese Lohnsteuerreform wichtig! Sie ist überfällig, sie ist eine Schuld des Finanzministers gegenüber der österreichischen Bevölkerung. Begleichen Sie endlich diese Schuld! Kommen Sie diesem Auftrag endlich nach! Er ist doch auch im Sinne des Gewerkschaftsbundes, und ich bin gespannt darauf, was der Präsident des Gewerkschaftsbundes hier zur kalten Progression beziehungsweise zur Bereinigung dieser kalten Progression sagen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile nunmehr dem Herrn Finanzminister zu einer Stellungnahme zum Thema das Wort. Seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

11.11

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal feststellen, daß die beiden großen Lohnsteuerreformen der Jahre 1989 und 1994 wirksam geworden sind. Die letzte große Lohnsteuersenkung liegt daher erst drei Jahre zurück.

Auch im Zuge des Strukturanpassungsgesetzes wurden steuerwirksame Maßnahmen gesetzt, die mit Beginn des Jahres 1996 und teilweise erst 1997 in Kraft traten und trotz etlicher Belastungen immerhin auch Entlastungen für rund 200 000 Österreicherinnen und Österreicher, vor allem für jene mit den niedrigsten Einkommensstufen, brachten. Von einer "längst fälligen" Lohnsteuerreform, wie das gerade von Herrn Abgeordneten Trattner gesagt wurde, kann daher meiner Ansicht nach wirklich keine Rede sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Keine Polemik von der Regierungsbank aus!)

Gestatten Sie mir aber doch einige Bemerkungen, nämlich zur Frage: Wie ist denn wirklich die steuerliche Situation in Österreich? Ich glaube, daß man Österreich nicht isoliert, sondern auch


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im Beziehungsfeld jener Länder, mit denen wir in wirtschaftlichem Kontakt stehen, betrachten sollte.

Zunächst möchte ich einmal festhalten, daß die Steuer- und Abgabenquote zum Zeitpunkt der letzten Erhebung in Österreich mit 42 Prozent unter dem Schnitt der Europäischen Union, wo er 42,5 Prozent beträgt, liegt. (Abg. Haigermoser: Das stimmt ja schon lange nicht mehr! Wann war die letzte Erhebung?) 1995, Wifo-Studie 1995! (Abg. Dr. Graf: 1987 war das! – Abg. Scheibner: Keine Polemik von der Regierungsbank aus! – Abg. Ing. Reichhold: Wer hat Ihnen denn diese Rede geschrieben? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Außerdem sind in den meisten OECD-Staaten die Steuern und Abgaben in den letzten 25 Jahren deutlich stärker gestiegen als in Österreich.

Die Lohnsteuer in Österreich ist heute in allen Einkommensgruppen – auch darüber brauchen wir meiner Ansicht nach nicht zu diskutieren, denn dazu gibt es Fakten – deutlich geringer als noch vor zehn Jahren. (Beifall bei der SPÖ.) Wir liegen bei der Einkommen- und Lohnsteuer unter dem OECD- und unter dem EU-Schnitt. (Abg. Dr. Haider: 97 Prozent Steigerung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Steuerbelastung in Österreich – natürlich verstehe ich schon: niemand zahlt gerne Steuer – ist also keinesfalls so hoch, wie das oft dargestellt wird. Die Steuerreformen der vergangenen Jahre waren im Gegenteil – ich glaube, das kann man ohne Übertreibung sagen – ein wichtiger Beitrag, um die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich, aber auch die Einkommen breiter Teile der Bevölkerung sicherzustellen. (Abg. Haigermoser: Warum sind wir dann auf den 18. Platz zurückgefallen?) – Sie haben zuerst gesagt, ich darf nicht polemisieren, daher darf ich jetzt nicht Stellung nehmen zu Ihrem Zwischenruf. Ich nehme an, daß das dann die Abgeordneten tun werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Das war jetzt sehr elegant!)

Österreich hat – auch das muß man in diesem Zusammenhang sagen – trotz aller Probleme – die ich nicht bagatellisieren möchte; da möchte ich nicht mißverstanden werden – eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Europa, obwohl wir an einer sehr exponierten Bruchstelle des Wohlstandsgefälles innerhalb Europas, nämlich an der Grenze zwischen dem Westen und dem ehemaligen Osten, liegen.

Unsere Wirtschaft – das möchte ich wirklich anerkennend für alle Teile der Wirtschaft sagen – hat diese außergewöhnliche Wettbewerbsherausforderung als Folge der Ostöffnung ebenso engagiert und erfolgreich wie den EU-Beitritt aufgenommen. Wir haben uns besser bewährt als viele andere, und ich glaube, wir sollten unser Licht nicht dauernd unter den Scheffel stellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe aber zu, daß ein Überdenken des Steuersystems in bestimmten Abständen erforderlich ist. Das ist unbestritten, denn ohne die Steuerreformen 1989 und 1994 wäre die Steuer- und Abgabenquote in Österreich weit über dem EU-Durchschnitt. Dann wäre auch die Unternehmensbesteuerung weit höher, und der Wirtschaftsstandort Österreich hätte nicht jene Attraktivität, wie das eben der Fall ist.

Hohes Haus! Wenn heute Vergleiche mit Steuerreformen in der Bundesrepublik angestellt und diskutiert werden, dann möchte ich schon auch feststellen, daß das ein Nachziehen vieler Maßnahmen bedeutet, die wir in Österreich bereits gesetzt haben. In Österreich beträgt der Spitzensteuersatz für Arbeitnehmer – unter Berücksichtigung der Urlaubs- und Weihnachtszahlungen – 43 Prozent, in der Bundesrepublik 53 Prozent.

In Deutschland gibt es sowohl eine Gewerbeertrag- als auch eine Gewerbekapitalsteuer. – In Österreich wurden, wie Sie wissen, beide Steuern abgeschafft.

In Deutschland soll die Körperschaftsteuer auf 35 Prozent gesenkt werden. – In Österreich beträgt sie 34 Prozent.

Wenn man heute die Lohn- und Einkommensteuerbelastung der europäischen Länder nach der OECD-Statistik vergleicht, sieht man, daß sie in Österreich, gemessen am BIP, bei 8,4 Prozent,


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in Deutschland bei 10,4, in der Schweiz bei 11,5, in Italien bei 11,9, in Belgien bei 14,5 und in Dänemark gar bei 27,7 Prozent liegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist nun unser Ziel? Ich glaube, man sollte sich darauf einstellen, daß wir selbstverständlich – ich habe das mehrmals in der Öffentlichkeit angekündigt – in einer mittelfristigen Zielsetzung unser Steuersystem nach allen Facetten überprüfen und die von uns beabsichtigte Zielsetzung auch zum Ausdruck bringen.

Ich meine, daß wir in der Vergangenheit durchaus richtige, wenn auch vielleicht aufgrund der Rahmenbedingungen nicht umfassende Weichenstellungen vorgenommen haben. Unsere Zielsetzung ist es, die Wirtschafts- und Währungsunion im Rahmen der Europäischen Union möglichst rasch und in der ersten Gruppe zu erreichen, denn durch die Wirtschafts- und Währungsunion wird das reale Wirtschaftswachstum mittelfristig spürbar höher werden, als das bei einer Nichtteilnahme der Fall wäre. Vor allem aber wird bei einer Teilnahme – auch das sagt die jüngste Wifo-Studie deutlich – die Beschäftigung klar steigen und damit die Arbeitslosenrate in einem zwar nicht so starken, aber durchaus bemerkenswerten Maße zurückgehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die nächste Etappe der Steuerreform – ich sage das, damit es keine Mißverständnisse gibt, in aller Öffentlichkeit und aller Klarheit – ist meiner Meinung nach jetzt zu überlegen, sie kann aber, wenn man die Situation, in der wir uns befinden, einigermaßen seriös beurteilt, nicht vor dem Jahr 2000 wirksam werden. Allerdings werde ich schon in den nächsten Tagen die Steuerreformkommission beauftragen, mit den Arbeiten zur Vorbereitung der Steuerreform 2000 zu beginnen, und ich erwarte mir bereits im nächsten Jahr erste sehr konkrete Vorschläge, damit man darüber in aller Offenheit und Öffentlichkeit diskutieren kann.

Die Steuerreformkommission soll meiner Meinung nach sorgfältig und auch in Ruhe arbeiten können. Ich möchte, daß unser Steuersystem einfacher, durchschaubarer und auch gerechter wird. Ich möchte, daß sich diese Kommission mit der Besteuerung von Kapital und Energieverbrauch ebenso beschäftigt wie mit der Frage der Entlastung des Faktors Arbeit. Dabei ist es selbstverständlich, daß auch eine schrittweise Harmonisierung des europäischen Steuersystems anzustreben ist.

Eine wichtige Frage – ich sage das auch in aller Deutlichkeit – wird jene der Familienbesteuerung sein, die allenfalls im Lichte eines zu erwartenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zu reformieren sein wird. Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen, daß bei einer solchen Reform grundsätzlich das bewährte österreichische System von Beihilfen und Steuerabsetzbeträgen aufrechtzuerhalten ist und es zugleich zu einer Entlastung der Familien kommen muß. Ich möchte, daß den Schwächsten am stärksten geholfen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige persönliche Schlußbemerkungen: Ich nehme meine Arbeit als Finanzminister sehr ernst. Ich kann und werde daher keine Versprechungen machen, die nicht einlösbar sind. Ich werde nicht versprechen, daß jeder mehr bekommt. Ich werde mich aber dafür einsetzen, daß das, was da ist, das, was wir gemeinsam erarbeiten, auch sinnvoll und gerecht verteilt wird.

Der Weg, auf dem sich unser Land befindet, ist in der Tat im Augenblick beschwerlich und mühsam. Aber es sind die Mühen des Aufstiegs, an dessen Ende höheres Wachstum, mehr Beschäftigung und geringere Arbeitslosigkeit zu stehen haben. Dazu stehe ich, dafür werde ich arbeiten, und das verspreche ich Ihnen auch hier. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek. Die weiteren Redezeiten betragen jeweils 5 Minuten. – Bitte sehr.

11.23

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat gerade erklärt, daß die letzte Lohn


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steuerreform eigentlich kaum drei Jahre zurückliege. Das stimmt schon, aber im Jahre 1993 betrug das Einkommen von Lohnsteuerpflichtigen 139 Milliarden Schilling, und im Jahr 1994 ist es um 4,3 Milliarden Schilling zurückgegangen.

Die letzte wirkliche Steuerreform erfolgte bereits im Jahre 1989. Damals gab es ein Lohnsteueraufkommen von 88 Milliarden Schilling; dieses ist bis zum Jahr 1996 auf 160 Milliarden Schilling angewachsen. Das bedeutet Mehreinnahmen von 72 Milliarden Schilling alleine aufgrund der Lohnsteuereinnahmen des Finanzministers. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

All das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurde auf dem Rücken der Arbeitnehmer, der unselbständig Erwerbstätigen in Österreich ausgetragen.

Durch das Ausverhandeln flexibler Arbeitszeiten, ohne gleichzeitig eine Steuerreform zu vollziehen, haben wir jetzt die Bescherung. Eine flexible Arbeitszeit nur auf dem Rücken der Arbeitnehmer, die eine Lohneinbuße erleiden, bedeutet, wie zum Beispiel bei mir im Betrieb zu sehen, daß, wenn jemand 12 500 S netto verdient, er im Jahr einen Einkommensverlust von netto 6 000 S hat – und das bitte bei einem so geringen Verdienst. Am meisten trifft das jene Bevölkerungsschicht, jene Arbeitnehmer, die zwischen 12 500 S und 25 000 S netto im Monat verdienen. Diese Arbeitnehmer werden extrem bestraft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich vermisse, daß der Österreichische Gewerkschaftsbund bei den Verhandlungen betreffend flexible Arbeitszeiten nicht gleich auch mit verhandelt hat, daß, wenn schon mehr Mobilität auf dem Arbeitsmarkt gefordert wird, diese Flexibilisierung sozusagen gleich durchgeführt wird, dann ein Abfertigungsanspruch auch bei Selbstkündigung schlagend wird. Ansonsten werden wir in ein paar Jahren überhaupt niemanden mehr haben, der noch eine Abfertigung bekommt, denn jene Mitarbeiter, die noch keinen Abfertigungsanspruch haben, werden auch in Zukunft diesen Anspruch nicht erreichen, weil sie eben vorher gekündigt werden. Damit ist aber der geforderten Mobilität auf dem Arbeitsmarkt auch nicht geholfen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was bedeutet dieses flexible Arbeitszeitmodell im großen und ganzen? Ich habe mit vielen Mitarbeitern gesprochen. Wir in unserem Betrieb haben ein Prämiensystem und Mitarbeiter, die viele Überstunden geleistet haben. Sie haben diese jedoch nicht deswegen gemacht, weil sie so arbeitswillig sind, sondern weil sie das Geld zum Häuslbauen oder zur Anschaffung einer neuen Wohnung einfach gebraucht haben. Und dieses Geld geht den Leuten jetzt ab. Viele meiner Kollegen müssen nun Einkommenseinbußen von 4 000 S bis 6 000 S im Monat hinnehmen!

Wenn jemand mit diesem Einkommen pro Monat rechnet, es aber dann nicht mehr bekommt, was bleibt ihm dann übrig? Durch die flexibilisierte Arbeitszeit haben diese Mitarbeiter eher Minusstunden, weil sie eine Teilzeitbeschäftigung nebenbei annehmen müssen, damit sie dort auch Geld verdienen, oder sie müssen pfuschen gehen. Sie werden ja geradezu in den Pfusch gedrängt, damit sie das Geld verdienen, das sie jetzt legal leider nicht mehr verdienen können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Da hast du schlechte Betriebsvereinbarungen getroffen!)

Herr Kollege Koppler! Hättest du dich und der gesamte ÖGB bei den Verhandlungen ein bißchen mehr für die Mitarbeiter eingesetzt, dann wäre vielleicht etwas Gescheiteres herausgekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Koppler! Mich wundert es nicht mehr, daß der ÖGB so einen Mitgliederschwund zu verzeichnen hat. Mir als ÖGB-Mitglied tut das ja ein bißchen leid, denn wenn ich heute Broschüren vom Österreichischen Gewerkschaftsbund mit der Aufforderung zur Mitgliederwerbung bekomme – zu wem soll ich denn gehen? Wen soll ich werben? Wer will denn noch beitreten?! Da jagt mich doch jeder zum Teufel. Ich darf nicht einmal mehr den Mund zu diesem Thema aufmachen. Das ist das Problem heute in den Betrieben! Das ist alles nicht so einfach! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, Herr Kollege Koppler, das trifft alle Arbeitnehmer, da geht es nicht nur um den Gewerkschaftsbund, der jetzt einen eklatanten Mitgliederschwund zu verzeichnen hat. Das ganze


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System der flexiblen Arbeitszeitgestaltung bringt natürlich auch eine gewisse Auswirkung auf das Sozialsystem in Österreich mit sich, das auf Solidarität aufgebaut ist. Wenn auf dem Arbeitsmarkt immer mehr Individualität verlangt wird, so stehen wir dann bei den Pensionen wieder vor einem Finanzierungsproblem. Der einzige Ausweg wäre eine private Vorsorge, aber nach den beiden Sparpaketen, die Sie uns beschert haben, ist eine Lebensversicherung steuerlich nicht mehr absetzbar und dadurch eben unattraktiv.

Die betriebliche Vorsorge liegt – wie ich vorher schon erwähnt habe – im Dornröschenschlaf. Wir haben zwar das Pensionskassengesetz in Österreich geschaffen, aber dieses ist leider weiterhin ein Stiefkind. Die Abfertigung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Herr Präsident! Ich komme sofort zum Schlußsatz. – Die Abfertigung gehört in eine überbetriebliche Pensionskasse eingezahlt, damit die Pensionen für die Mitarbeiter in Zukunft gesichert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Gleiche Redezeit.

11.28

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe manchmal den Eindruck, es muß so etwas wie ein Handbuch für Demagogen geben. Es ist schon interessant, überall auf der Welt ... (Abg. Mag. Stadler: Das hat Lenin geschrieben! – Abg. Dr. Haider: Lenin und Nowotny!) Sie fühlen sich angesprochen, Herr Kollege? Dafür kann ich nichts. (Abg. Mag Stadler: Das hat der Lenin geschrieben! Ich nehme an, daß Sie das gelesen haben!) Sie kommen schon noch dran!

Überall auf der Welt verfolgen nämlich Demagogen zwei sehr einfache Rezepte. (Abg. Ing. Reichhold: Daß dem ÖGB die Mitglieder davonlaufen, ist nicht Demagogie, sondern ein Faktum!) Rezept Nummer eins: Attackiere Ausländer und andere Minderheiten! Rezept Nummer zwei: Verlange Steuersenkungen, unabhängig von den wirtschaftlichen Folgen! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Am Wochenende war offensichtlich Punkt eins angesagt in der FPÖ. Und da ist schon interessant, wie Theorie und Praxis voneinander abweichen. Ich sehe heute in der Zeitung die Überschrift: Geldstrafe für die Grassers. Das Familienunternehmen des Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreters wurde 1994 verurteilt wegen illegaler Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist ja peinlich, was Sie da aufführen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das ist doch eine hochinteressante Angelegenheit, wobei es sowieso so ist, daß das Unternehmen Grasser eine ganze Reihe von Ausländern beschäftigt, was durchaus in Ordnung ist, nur illegal sollte man sie vielleicht nicht beschäftigen. Wenn Sie das bitte berücksichtigen wollen. (Abg. Dr. Haider: Sie haben gar keine Vorstellungen, sondern wollen die Leute nur belasten! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Was sich hier zeigt, ist ein – um das höflich auszudrücken – deutlich gespaltenes Bewußtsein bei der FPÖ. Die Ausführungen, die wir vorhin zur flexiblen Arbeitszeit gehört haben, zeugen genauso von gespaltenem Bewußtsein oder zumindest von gespaltener Zunge.

Auf der einen Seite wird nämlich in eine Richtung gesprochen, wenn man dann jedoch die Wirtschaftsvertreter der FPÖ hört, merkt man, daß diese in eine völlig andere Richtung sprechen. So geht es nicht! Das entspricht vielleicht dem Handbuch der Demagogen, ist aber keine seriöse Politik. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Was Sie heute hier herangezogen haben, ist der zweite Punkt, nämlich die Frage der Steuersenkung. Hiezu möchte ich ganz deutlich sagen: Die Vorstellungen der FPÖ zur Steuerpolitik


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sind erstens wirtschaftlich unseriös und gefährlich (Abg. Dr. Haider: Sie haben überhaupt keine Vorstellung und wollen die Leute nur belasten!) und zum zweiten deutlich unsozial. Ich bin durchaus bereit, das auch zu begründen.

Erster Punkt: Wenn es um Vorstellungen und Vorschläge zu Steuerreformen geht, muß man sich immer überlegen, wie groß denn eigentlich das Volumen ist und wie man das finanzieren will. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Darauf werden wir gleich zu sprechen kommen. Ich hoffe, Sie sind in der Lage, zuzuhören und zu argumentieren, denn nur vom Zwischenrufen werden Sie nicht gescheiter werden, Herr Kollege, vom Anhören aber vielleicht doch. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Oberlehrer! – Abg. Dr. Haider: Die Sozialisten sind für eine hohe Lohnsteuer, für niedrige Löhne und hohe Steuern! Ihnen muß man, glaube ich, einmal die Möglichkeit entziehen, in der "Kronen-Zeitung" ständig Ihre Blödheiten zu verzapfen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ausgangspunkt ist der Vorschlag einer Steuersenkung von zumindest 35 Milliarden bis 50 Milliarden Schilling. Jetzt ist die Frage, wie man diese Steuerausfälle finanziert. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.) Ich weiß, das ist Ihnen unangenehm, aber die Frage ist eben: Wie finanziert man das? Die Antwort ist meistens: Man senkt die Ausgaben. (Abg. Dr. Haider: Gut, daß Ihr Sozialisten für hohe Steuern und niedrige Löhne seid! Lohnkürzungen und Steuererhöhungen, das ist Ihre Politik!)

Jetzt muß man einmal fragen: Auf welche Weise soll das geschehen? Investitionen wollen wir nicht senken, Ausgaben zur Abdeckung öffentlicher Verschuldung können wir nicht senken; die sind fixiert.

Nächster Punkt: die Frage des öffentlichen Dienstes. Da sind wir ja bereits in einem sehr restriktiven Bereich.

Was daher in Wirklichkeit übrigbleibt von Ihren Steuersenkungsvorschlägen – und da sollten Sie jetzt zuhören, Herr Abgeordneter Haider (Abg. Dr. Haider: Lohnkürzungen und Steuererhöhungen!) –, ist, daß Sie das durch Senkungen bei den Sozialausgaben finanzieren müssen. (Abg. Dr. Haider: Das haben Sie doch selbst vorgeschlagen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dazu möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen: Dafür werden wir nicht zur Verfügung stehen. Wir sind nicht bereit, Sozialausgaben zu kürzen, damit Steuersenkungen gemacht werden, die vor allem den höheren Einkommen zugute kämen. Das ist für uns unsozial, und da gehen wir nicht mit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt betrifft Ihre besondere, aber unglückliche Liebe, Herr Haider, nämlich Ihre Liebe zur Notenbank. (Abg. Dr. Haider: Lohnkürzungen und Steuererhöhungen – das macht ihr!) Wenn Sie hier vorgeschlagen haben – und das ist der einzig konkrete Vorschlag –, eine Lohnsteuersenkung zu finanzieren, indem Sie Rücklagen der Notenbank auflösen wollen (Abg. Dr. Haider: Das haben Sie selbst gesagt und vorgeschlagen!) – aber doch nicht zur Steuerfinanzierung! –, dann müßte doch schon jeder Laienspieler wissen, daß man Rücklagen und eine Sonderdividende nur einmal auflösen und einmal auszahlen kann. Aber offensichtlich geht Ihr Horizont für wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht über ein Jahr hinaus! Davor werden wir Österreich schützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Ihre eigene Fraktion ist Ihnen schon davongelaufen! Kollege Khol applaudiert nur mehr! – Abg. Dr. Khol: Dem Nowotny kann man manchmal, aber nicht immer applaudieren!)

11.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

11.34

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal Herrn Bundesminister Edlinger dafür danken, daß er heute bei seiner Schwerpunktsetzung für die nächste Steuerreform die Familie genannt hat. Das ist für uns eine sehr wichtige Frage. Ich freue mich darüber, daß wir diesbezüglich einer Meinung sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Wenn wir über eine nächste Lohnsteuerreform reden, so meine ich, daß auch Ehrlichkeit dazu gehört. Diese Ehrlichkeit muß dort ihren Schwerpunkt haben, wo es darum geht, meßbare Größenordnungen anzusprechen. Ich glaube nicht, daß wir aufgrund unseres derzeitigen Programms des Schuldenabbauens und nicht Schuldenvermehrens große Sprünge machen und uns alles Mögliche wünschen können. Wir sollten heute keinen Wunschzettel präsentieren, sondern es geht um Schwerpunktsetzung und um Ehrlichkeit. (Abg. Dr. Haider: Im Liegen umfallen, das ist die Spezialität der ÖVP!)

Herr Kollege Haider! Gerade wenn wir über Ehrlichkeit reden, möchte ich schon in diesem Zusammenhang klarstellen: Das, was Sie in den letzten zwei Tagen zum Thema Ehrlichkeit geliefert haben, schlägt ja wohl wirklich dem Faß den Boden aus! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie, Herr Dr. Haider, haben in aller Öffentlichkeit einem Unternehmen Schaden zugefügt und Behauptungen aufgestellt, die gestern – ich bin gespannt auf Ihre Reaktion (Abg. Dr. Haider: Ich habe hier eine eidesstattliche Erklärung! Ihr werdet euch noch wundern, was ich euch noch vorlesen werde!) – vom betroffenen Unternehmer richtiggestellt werden mußten. Er hat im TV festgestellt, daß keiner der saisonbedingt gekündigten Mitarbeiter durch einen Ausländer ersetzt wurde. – Genau das Gegenteil von dem, was Sie, Herr Dr. Haider, einen Tag vorher im Fernsehen behauptet haben.

Meine Damen und Herren! Ehrlichkeit in der Politik muß einen Stellenwert haben, und das gilt besonders für Sie von der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Lukesch: Er soll das richtigstellen!)

Hohes Haus! Ich möchte mich aber jetzt auf jenen Schwerpunkt stürzen, der für unsere Partei der wichtigste ist, nämlich die steuerliche Entlastung der Familie. Wir glauben, daß die Entwicklung, wie wir sie derzeit beobachten, steuerliche Maßnahmen unbedingt notwendig macht. Warum? – Familien mit mehreren Kindern haben heute in Österreich materielle Sorgen wie nie zuvor. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Es geht dabei nicht darum, daß wir wollen, daß sich Familien mit mehreren Kindern einen Karibik-Urlaub leisten oder eine Großlimousine anschaffen können, sondern es geht darum, daß sie an unserer österreichischen Wohlstandsgesellschaft ein wenig mehr teilhaben können. Das ist für uns eine wesentliche Motivation, die Mehrkinderfamilie steuerlich zu entlasten. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Grund, meine Damen und Herren, ist die Chancengleichheit. Wir reden in diesem Haus so oft von Chancengleichheit. Die Chance für den Ehepartner soll es sein, sich zu entscheiden, ob er bei der Familie bleiben, ob er die Kinder erziehen will oder ob er außerhalb der Familie arbeiten will. Wo gibt es diese Chancengleichheit bei einer Mehrkinderfamilie? – Es gibt sie nicht, denn demjenigen, der mehr als zwei Kinder hat, bleibt keine Wahlfreiheit; er muß bei den Kindern bleiben. Ein Ehepartner fällt damit im Arbeitsprozeß aus – und das verringert das Familieneinkommen wesentlich. Das sind die Gründe, warum die Mehrkinderfamilie unbedingt steuerlich entlastet werden muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Der dritte Punkt reicht in die Rechtslage hinein. Es gibt ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das besagt, daß die derzeitige steuerliche Behandlung der Familie unter dem Grundsatz, der in unserer Verfassung verankert ist, nämlich dem Grundsatz der Gleichbehandlung, anders zu sehen ist, als das der Gesetzgeber derzeit macht. – Wir erwarten in naher Zukunft ein weiteres Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Das heißt, es gibt hier ein unbedingtes Muß, eine Neuregelung zu treffen.

Wir werden diese Notwendigkeit mit unserem Modell so gestalten, daß wir für jedes Familienmitglied ein steuerfreies Existenzminimum bei der steuerlichen Behandlung veranschlagen. Das heißt, für den Alleinverdiener oder für die beiden Verdiener gibt es einen Betrag und für jedes Kind gibt es einen davon abgestuften Betrag. So kommt man über den Weg von Absetzbeträgen zu einer unmittelbaren Reduzierung der Lohnsteuer von Familien mit mehreren Kindern.


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Ich glaube, daß damit den Zielvorstellungen, die wir von der ÖVP verfolgen, entsprochen wird, sodaß sich eine Familie sehr wohl darauf einstellen kann, mehr Einkommen zu haben, sodaß sich eine Familie bei der Chancengleichheit leichter tut, weil auch die Kindererziehung steuerliche Berücksichtigung findet, und wir glauben, daß wir damit auch der Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes entsprechen und mehr Steuergerechtigkeit schaffen.

Das ist unser Modell, meine Damen und Herren, und wir wollen dieses Modell verwirklichen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Dr. Haselsteiner. – Bitte.

11.38

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In Zeiten wie diesen über Lohnsteuer- und Einkommensteuerreform zu sprechen, gleicht natürlich bis zu einem gewissen Grad der Quadratur des Kreises. Warum? – Wir wissen doch, daß wir die letzten Finanz- und Budgetdebatten hier im Haus immer unter dem Eindruck von Budgetsanierungsmaßnahmen geführt haben. Neben der unabdingbaren Notwendigkeit, daß dieses Budget saniert werden müsse – unabhängig von Maastricht, wie ich das schon oft gesagt habe –, gebietet aber auch der gesunde Hausverstand, daß Schulden, wenn sie einmal in diesem Maße angehäuft wurden, nicht weiter wachsen dürfen. Ich sage das, damit wir hier nicht wieder in eine EU-Debatte kommen.

Tatsache ist, daß es ein Widerspruch ist, wenn man auf der einen Seite Budgetdefizite vermeiden, bestehende Schulden abbauen, auf der anderen Seite aber eine umfassende und damit wirkungsvolle Steuerreform einleiten soll, die ja nur darin bestehen kann, daß die Bürger dieses Landes weniger Steuern bezahlen und nicht mehr. Ich gebe zu, Herr Bundesminister für Finanzen, daß es Ihre Aufgabe ist, eine Priorität zu setzen.

Ich habe mich auch seinerzeit, als Herr Finanzminister Klima gesagt hat, er plane keine Steuerreform vor 1999, dazu geäußert und gemeint: Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß wir uns tiefgreifende, ergiebige Reformen vor 1999 leisten können.

Wir können uns das nicht leisten, und – diesen kleinen Hinweis erlaube ich mir, meine Damen und Herren von der Koalition – schuld daran sind Sie und Ihre Politik der letzten zehn Jahre! Sie haben es so weit gebracht, daß wir jetzt keinen Spielraum mehr haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Auf der anderen Seite, Herr Bundesminister, ist es so, daß man mit vielen kleinen, aufkommensneutralen Maßnahmen nicht bis zum Jahre 1999 oder 2000 warten müßte. Das haben wir auch schon von Ihrem Vorgänger gefordert, ebenso die auch von Ihnen angesprochene Vereinfachung und Klarheit. Das große Wort, den großen Anspruch der gerechteren Besteuerung möchte ich hier gar nicht einmal anschneiden, denn hiefür sind ja viel umfassendere und länger dauernde Debatten notwendig, aber vieles könnte schon erreicht werden, wenn wir uns nur auf das leicht Umzusetzende beschränken würden: Die Kollegen hier, die in einschlägigen Berufen, so zum Beispiel als Wirtschaftstreuhänder, tätig sind, haben bereits Dutzende von Vorschlägen gemacht, die auch in Antragsform vorgelegt wurden. Diese wurden überwiegend – ja ich würde sagen: fast ausschließlich – niedergestimmt. Ich kann mich an keinen erinnern, der angenommen worden wäre. Das wären auch Maßnahmen, die eine kleine Erleichterung für die Steuerpflichtigen dieses Landes bringen würden; da hätten wir einen Spielraum.

Auf der anderen Seite, Herr Bundesminister – da Sie jetzt Ihre Reformkommission beauftragen –, sind wir uns, was die Steuer betrifft, dessen bewußt, daß wir in einem Spannungsfeld zwischen drei verschiedenen großen Kreisen leben. Wir haben ein modernes, äußerst günstiges, innovatives Unternehmenssteuerrecht. Hier haben wir bereits einen Schritt vorwärts gemacht. Niemand, auch kein Oppositionspolitiker, kann daran vorbeigehen, das anzuerkennen. Wir sind in der Unternehmensbesteuerung einen großen Schritt voraus, insbesondere im internationalen Vergleich.


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Natürlich haben wir auf der anderen Seite gerade dadurch einen erheblichen Abstand bei den Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen, der schmerzlich spürbar wird. Insbesondere haben wir noch einen weiteren Abstand zur Kapitalertragsteuer, also zur Besteuerung von Kapitalerträgen, der noch einmal wirksam und spürbar wird. Es ist für mich noch immer nicht mit Gerechtigkeit zu vereinbaren, daß eine Einkunftsart mit 25 Prozent, die andere mit 34 Prozent und eine dritte mit 43 Prozent – wenn es Unternehmenssteuern sind, sogar mit 50 Prozent – besteuert wird. Diesbezüglich haben wir einen wesentlichen Handlungsbedarf. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas noch einmal erwähnen: Ich glaube, wenn wir nicht grundsätzlich umdenken und eine umfassende Ökosteuerreform zusammenbringen, wird es auch keine Tarifanpassung geben, die wir uns leisten können und die der Mühe wert wäre.

Bedauerlicherweise haben Sie, Herr Bundesminister für Finanzen, Ihrem ersten Wort, dem ich so zugestimmt hätte – Vereinfachung, mehr Transparenz und größere Gerechtigkeit –, etwas angefügt – Herr Spindelegger hat natürlich in diese Richtung gleich nachgestoßen –: die Familienbesteuerung.

Wir, die wir uns mit diesen Fragen beschäftigen, wissen doch, daß die Familienbesteuerung, daß die Familienpolitik in diesem Land gescheitert sind, sonst könnte es ja nicht sein, daß sich jetzt, nachdem Sie 20 oder noch mehr Jahre diese Art von Familienpolitik betrieben haben (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich komme schon zum Schlußsatz, Herr Präsident –, mehr Familien als jemals zuvor an der Armutsgrenze befinden.

Wenn Sie nicht umdenken, wenn Sie nicht aufspringen auf neue, zukunftsweisende Ideen, werden Sie neuerlich scheitern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit.

11.44

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, daß die Schwächsten bei der nächsten Lohnsteuerreform am stärksten profitieren sollen. Wenn Sie dieses Ziel tatsächlich durchsetzen, dann sind die Grünen voll auf Ihrer Seite. Die nächste Lohnsteuerreform muß tatsächlich zugunsten der unteren und mittleren Einkommen gehen. Ich bitte Sie, dabei auch die Frage der Sozialversicherungsbeiträge zu prüfen. Ich erinnere an die alte Lacina-Idee, Sozialversicherungsbeiträge im unteren Einkommensbereich zu senken und an anderer Stelle zu kompensieren.

Diese Idee ist nicht nur – auch, aber nicht nur – wegen der kalten Progression notwendig, sondern vor allem wegen der arbeitsmarktpolitischen Effekte, die wir uns davon erhoffen. Sie ist auch ein – zwar kleiner, aber immerhin – Beitrag zur Armutsbekämpfung in den unteren Einkommenssegmenten, und sie ist auch ein Beitrag dazu, die Distanz zwischen den Erwerbseinkommen und den Transfereinkommen nicht zu klein werden zu lassen.

Über die OeNB-Pensionen würde ich das nicht finanzieren, und zwar nicht nur deswegen nicht, weil das eine Einmalzahlung ist, wie Herr Kollege Nowotny schon sagte, sondern weil man mit allen Dingen, die die Notenbank betreffen, eine Spur sensibler umgehen muß. Von außen gesehen würde das unbedingt dahin gehend interpretiert werden, daß jetzt Österreich die Notenbank und damit indirekt die Notenpresse zur Finanzierung von Staatsausgaben heranzieht. Das kann keine positiven Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben, meine Kollegen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Bei der Postsparkasse war das etwas anderes, obwohl ich diese Maßnahme auch nicht befürwortet habe. Keine Frage! Aber Notenbankgeschichten – bitte nicht! (Abg. Dr. Haider: Die SPÖ will das selber!)


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Die Lohnsteuerreform ist notwendig, aber sie ist nicht die einzige Steuerreform, die an- und aussteht. Wir erhoffen uns noch in dieser Legislaturperiode – nicht bis zum Jahr 2000 oder noch später – Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung. Die Schätzungen in diesem Bereich schwanken zwischen 20 Milliarden und 100 Milliarden Schilling; ich weiß es auch nicht. Aber selbst wenn es nur 20 Milliarden sind, so ist das ein Ärgernis gegenüber dem ehrlichen Steuerzahler. Das betrifft nicht nur die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer, sondern auch die Steuern im umweltpolitischen Bereich. Ich glaube nicht, daß sich inzwischen die Situation in bezug auf den Altlastensanierungsbeitrag wesentlich gebessert hat.

Die zweite ausstehende Reform ist die Energiesteuerreform, die Ressourcensteuerreform – dazu wird Monika Langthaler noch etwas sagen –, um die Lohnsummenbesteuerung und die Belastung der Arbeit in Österreich generell zu senken.

Drittens: Es muß auf europäischer Ebene Maßnahmen gegen den Steuerwettbewerb vor allem im Bereich der Unternehmenssteuern geben. Die Gewinne sind inzwischen mobil geworden, und auf Dauer wird es nicht gehen, daß wir in Österreich nur Grund und Boden und jenen Faktor besteuern, der noch einigermaßen immobil ist, nämlich die Arbeitnehmer bis zu mittleren Einkommenskategorien. Da müssen auf europäischer Ebene analog den Umweltstandards gewisse Sockel eingezogen werden, sonst wird auf längere Sicht die Finanzierung des Sozialstaates untergraben.

Der zweite leidige Punkt in diesem Zusammenhang ist selbstverständlich die Kapitalertragsbesteuerung, auf die Kollege Haselsteiner schon hingewiesen hat.

Was den Spielraum dieser Reformen betrifft, ist richtig: Groß ist er nicht. Die OECD hat in ihrem letzten Jahresbericht darauf hingewiesen, daß ihrer Meinung nach das Maastricht-Defizit 1998 auf 3,4 Prozent des Sozialproduktes zu schätzen ist. Das ist ein guter halber Prozentpunkt über dem, woran wir uns – nolens volens – halten müssen, wenn man den Maastricht-Vertrag zähneknirschend akzeptiert. Und da fehlen schon einmal 12 Milliarden Schilling im Budget. Aber das soll kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen und gar nichts zu tun.

Abschließend, Herr Bundesminister – bei allem Respekt –: Bis zum Jahr 2000 werden wir uns mit diesen Steuerreformen nicht Zeit lassen können! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reichhold. – Bitte.

11.49

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Spindelegger! Zu den öffentlichen Aussagen Dr. Haiders betreffend ein Kärntner Unternehmen möchte ich Ihnen folgendes sagen:

Wir haben hier die eidesstattliche Erklärung eines Betriebsrates (der Redner zeigt ein Blatt Papier) , aus der hervorgeht, daß in diesem betreffenden Unternehmen massiv inländische und einige wenige ausländische Arbeitskräfte abgebaut wurden.

Ich zitiere weiter: "Die durch das Ausscheiden von inländischen Arbeitskräften freigewordenen Arbeitsplätze wurden mit ausländischen Arbeitnehmern, die in der Firma beschäftigt waren und die dem Unternehmen wesentlich weniger Kosten verursachten als die inländischen Arbeitskräfte, nachbesetzt."

Herr Spindelegger! Jetzt können Sie sich aussuchen, wer glaubwürdiger ist: ein Betriebsrat des betroffenen Unternehmens – oder jener Unternehmer, der sein Unternehmen bereits verkauft hat, aber im ORF großartige Erklärungen abgibt? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Rasinger: Recherchieren!)

Meine Damen und Herren! Etwas noch zum Thema "Goldschatz" und zu den Pensionsrücklagen der Nationalbank. Kollege Nowotny ist jetzt nicht mehr da, aber trotzdem möchte ich ihm sagen: Ähnliche Überlegungen werden ja selbst in der SPÖ angestellt. Am 18. Februar 1997 sind


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öffentliche diesbezügliche Erklärungen der SPÖ gemacht worden. Ich verstehe diese Aufregung nicht, und ich verstehe auch nicht, wieso da der FPÖ beziehungsweise Dr. Haider Unseriosität vorgeworfen wird. Das sind Doppelspielchen, die heute einfach nicht mehr ziehen! Täglich werden Sie von Ihren Halbwahrheiten überholt, ja eingeholt, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich komme aus einem Bundesland, das erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik, erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg eine Arbeitslosigkeit von mehr als 10 Prozent hat. Auch meine Heimatregion ist davon betroffen. Die "verlängerten Werkbänke", die ehemals angesiedelt wurden, sind in den Osten verschwunden, die Arbeitsplätze sind abgebaut worden, die verbliebene Restindustrie ist sehr grundstofforientiert und damit auch sehr krisenanfällig.

Das Rückgrat bilden die Gewerbebetriebe und die Landwirtschaft, allerdings werden die dort Tätigen durch die EU jetzt zur Abwanderung in Nebenjobs gezwungen.

Gerade in unserer Region waren die Erwartungen an das neue Kabinett Klima sehr groß. Bundeskanzler Klima hat aber die Menschen bereits enttäuscht: erstens durch eine mißlungene Regierungserklärung, die nichts als Seifenblasen zum Inhalt hatte, und zweitens durch eine substanzlose Rede anläßlich der von den Freiheitlichen einberufenen Sondersitzung zum Thema Arbeitslosigkeit (Abg. Dr. Fuhrmann: Beantragt! Einberufen hat sie der Herr Präsident!) , in der der neue Herr Bundeskanzler über Satellitenfernsehen und Telekommunikation philosophierte, aber keinerlei konkrete Ansätze für eine gute Beschäftigungspolitik anbieten konnte, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rasche Entscheidungen, rasche Maßnahmen wären gefragt!

Genau dieser Herr Klima ist ja vielen in unserer Region bereits gut bekannt. Ich bringe als Beispiel einen Betrieb: Die Firma Pagitz aus Friesach ist im Stahl- und Fassadenbau tätig, sie ist ein gutgeführter, traditionsreicher Betrieb und macht 56 Millionen Schilling Umsatz im Jahr. Der junge, dynamische Betriebsnachfolger investiert ständig. Und er hat natürlich auch mit dem Verlustvortrag kalkuliert. Durch Klima ist das jetzt nicht mehr möglich. 3 Millionen Schilling zusätzliche Kosten für den Betrieb gefährden zwar nicht die Existenz des Betriebes, aber es finden dort keine weiteren Investitionen mehr statt, durch die wiederum wertvolle Arbeitsplätze geschaffen worden wären.

Dieser junge Betriebsinhaber wollte eine Fassadenprüfstelle errichten, die einzigartig in Europa gewesen wäre und natürlich einen wirtschaftlichen Impuls für die gesamte Region bedeutet hätte. Er hat nun natürlich das Vertrauen in die Politik verloren, und er hat auch keinen finanziellen Spielraum mehr.

Als nächstes Beispiel bringe ich das eines Bauarbeiters aus unserer Region, der 20 000 S netto verdient. Ihm mußte man aufgrund der beiden Sparpakete die Stammarbeiterzulage um 20 Prozent kürzen. Die Leistungszulage wurde von 4 000 S auf 1 200 S gekürzt. (Abg. Haigermoser: Und für den Krankenschein muß er noch 50 S zahlen!) Die Trennungszulage wird jetzt umgangen. Dieser Bauarbeiter verdient jetzt aufgrund des Klima-Sparpakets nicht mehr 20 000 S, sondern nur mehr 16 000 S netto. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Selbstverständlich fragen sich die Leute: Wo ist denn da der Gewerkschaftsbund? Wo ist denn meine Vertretung? Warum soll ich denn noch SPÖ wählen, jene Partei, die in unserem Bezirk mittlerweile von der stärksten zur zweitstärksten Partei wurde, während die Freiheitlichen zur Nummer eins wurden? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Ja, warum soll man die SPÖ wählen?)

Der nächste Schlag: Flexibilisierung der Arbeitszeit. Erst kürzlich erklärte bei einem Betriebsbesuch in den Wietersdorfer Zementwerken der dortige Betriebsrat, und zwar coram publico: Unsere Arbeiter werden pro Monat 2 500 S weniger verdienen. Das kann aber auch bis zu 4 000 S gehen. Die Arbeiter sind enttäuscht von der Gewerkschaft, weil sie keine "Gegengeschäfte" – unter Anführungszeichen – in den Verhandlungen gemacht hat. Natürlich haben die Menschen Angst. Viele haben sich ein Haus gebaut, viele haben sich eine Wohnung gekauft, Darlehen sind zurückzuzahlen – und das Geld geht ihnen ab!


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es wurde heute schon gesagt, daß Sie nicht einmal in der Lage sind, die kalte Progression zu beseitigen, die inflationsbedingt die Lohnsteuer anteilsmäßig immer höher treibt. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sie haben auf die kleinen Leute vergessen, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber ich kann Ihnen sagen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (fortsetzend) : Selbstverständlich, Herr Präsident.

Wir Freiheitlichen werden mit ganzem Herzen für diese Menschen einstehen, da Sie von den Regierungsparteien dazu offensichtlich nicht in der Lage sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaufmann. – Bitte.

11.55

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Es werden hier immer wieder Gschichterln erzählt, die aber letzten Endes nicht nachprüfbar sind. Ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, daß wir mit Bundeskanzler Klima einen Mann haben, dem in einer europaweit wirklich sehr, sehr schwierigen Situation zugetraut wird, das Land in eine positive Zukunft zu führen. Und wir erleben das immer wieder durch hohe Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Meisinger: Das ist auch ein Gschichterl!)

Zurück zum eigentlichen Thema. Klar ist, daß von Zeit zu Zeit eine Anpassung des Steuertarifs erfolgen muß. Klar ist aber auch, daß es in einer Zeit, in der wir uns auf ein Konsolidierungspaket geeinigt haben und in der dieses Konsolidierungsziel auch erreicht und akzeptiert wird, geradezu absurd ist, eine Senkung der Steuertarife zu verlangen. Diese Senkung muß längerfristig erfolgen, aber natürlich nicht in der Zeit der Budgetkonsolidierung.

Klar muß weiters auch sein, daß aufgrund der niedrigen Inflationsrate und der leider niedrigen Lohn- und Gehaltszuwächse das Hineinwachsen in die kalte Progression relativ langsam erfolgt und daher auch eine geraume Zeit für eine entsprechende Steuer- und Tarifanpassung möglich ist.

Es ist richtig, daß die Lohnsteuer derzeit einen erklecklichen Anteil am Gesamtsteueraufkommen hat. Im Jahre 1997 werden wir Lohnsteuereinnahmen von mehr als 180 Milliarden Schilling haben; der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen steigt ständig. Vor allem werden die Zuwachsraten immer über den Lohnzuwachsraten liegen, was wir eigentlich nicht wollen. Bei der Lohnsteuer betrug die Zuwachsrate in den Jahren 1995/96 8 Prozent, in den Jahren 1996/97 wird sie 13 Prozent ausmachen. Es muß also klar sein, daß bei der nächsten Steuerreform die Lohnsteuerzahler zu den Gewinnern der Steuerreform zählen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den Unternehmenssteuern gibt es auch beträchtliche Steigerungen, insbesondere bei der Körperschaftsteuer. Man sollte in diesem Fall aber berücksichtigen, daß es da einige Einmaleffekte in den Jahren 1996 und 1997 gibt, daß vor allem in den Jahren 1992/93 einige Unternehmenssteuern, so etwa die Gewerbesteuer, die Vermögensteuer et cetera, weggefallen sind.

Tatsache ist, daß die Lohnsteuer stärker steigt als die Löhne, die Unternehmenssteuern weniger stark steigen als die Gewinne. Daher noch einmal: Die Gewinner bei der nächsten Steuerreform müssen die Lohnsteuerzahler, müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Minister! Noch ein Wort zur Mindest-KÖSt. Das Sparpaket, das vom Parlament beschlossen wurde, wurde deswegen akzeptiert, weil es relativ ausgewogen war. Auf der Unternehmerseite fällt aber nun ein Teil weg, nämlich eben diese Mindestkörperschaftsteuer. Es ist daher absolut notwendig, daß dafür eine Kompensation gefunden wird, eine Kompensation, die wieder von den Unternehmenssteuern herkommt, nicht aber eine, die von der Allgemeinheit,


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insbesondere von den Lohnsteuerzahlern, aufzubringen ist, da sonst dieses einmal vereinbarte Gleichgewicht nicht zum Tragen kommen kann.

Ein weiterer Punkt: Die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Lohnsteuer sind natürlich wesentlich geringer, als das bei anderen Steuerarten der Fall ist. Es muß daher eine Kompensation geben. Diese Kompensation ist die Begünstigung für den 13. und 14. Monatsbezug. Bei der nächsten Steuerreform muß es absolut dabei bleiben – Sie haben das ja, Herr Minister, schon einmal in der Öffentlichkeit gesagt –, daß die Begünstigung des 13. und 14. Monatsbezuges aufrechtbleibt, daß sich nichts an dieser Begünstigung ändert.

Bevor man diesen Ausgleich schafft, muß man einmal den Ausgleich zwischen Lohn- und Unternehmenssteuer schaffen. Erst dann, wenn das gelungen ist, kann man über jenen Punkt, den Sie meinen, reden. (Abg. Wabl: Das begünstigt aber die Besserverdiener! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Letzter Punkt ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nicht nur letzter Punkt, sondern Schlußsatz, bitte!

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (fortsetzend) : Mein Schlußsatz lautet: Für die schwachen Einkommensbezieher sind die Sozialleistungen des Staates bedeutender als kleine Vorteile im Steuersystem, und daher kann es eine Steuerreform nur dann geben, wenn das gesamte Sozialniveau des Staates – das ist unser erklärtes Ziel – auch tatsächlich aufrechtbleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Frieser. Gleiche Redezeit.

12.00

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Haider, wenn ich an die Verwirklichung Ihrer Steuerpläne denke, dann muß ich sagen: Das wäre, um mit Karl Kraus zu sprechen, eine gefährliche Drohung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Sie sind eine Architektin der Werkverträge, Frau Kollegin, und haben sich selbst gerichtet!) Wenn die Steuerpläne, die Sie in Ihrem Leitantrag darstellen (Abg. Dr. Haider: Da wird sich Herr Maderthaner aber freuen! Er hat mir nämlich gratuliert zu den Vorschlägen!), die Ergebnisse Ihrer Sommerkurse in Boston und Georgetown sind, dann empfehle ich Ihnen, sich Ihr Studiengeld zurückgeben zu lassen. Jeder Nationalökonom würde Sie mit einem Nicht genügend qualifizieren und Sie auffordern, eine neue Arbeit vorzulegen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Die Dame will einen Intelligenztest sehen! – Abg. Haigermoser: Nach dem Intelligenztest der Alkotest! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Mich schaudert, wenn ich an die populistischen und allzu einfachen "Zauberformeln" der "F" denke (Abg. Dr. Partik-Pablé: Uns schaudert vor der Untätigkeit der Regierung! – Abg. Mag. Stadler: So schaut man aus, wenn man einen Intelligenztest macht!), beginnend bei der neuen Facette der "ordentlichen Beschäftigungspolitik" des Herrn Grasser – dumpfe Rülpser aus Kärnten! (


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Abg. Haigermoser: Haben Sie die Werkverträge beschlossen? War das intelligent? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie sind uns die Antwort ob der Bestrafung der illegalen Ausländerbeschäftigung schuldig geblieben. Niemand von Ihnen hat es der Mühe wert gefunden, dazu Stellung zu nehmen. So geht das weiter – bis hin zu diesen krausen Steuervorschlägen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mich schaudert aus einem einfachen Grund (Abg. Haigermoser: Bitte in einfache Worte kleiden! Bringen Sie das so einfach wie möglich, damit wir dummen Menschen das auch verstehen! Haben Sie Mitleid mit uns!): Diese Steuervorschläge funktionieren nicht, und würden sie umgesetzt werden, so käme es danach zu einem grauenvollen Erwachen. Das ist nicht allein meine Meinung, Herr Dr. Haider, sondern auch Nationalökonomen, Steuerexperten und Währungsexperten haben Ihre Vorschläge (Abg. Dr. Haider: Haben Sie die Werkverträge beschlossen?) – um es salopp zu sagen – durch Sonne, Mond und Sterne geschossen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: War die Körperschaftsteuer intelligent? – Abg. Dr. Haider: Sie wissen ja gar nicht, wovon Sie reden! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie warnen vor einer Anheizung der Inflation, sie warnen vor dem Verlust des Triple-A ... (Abg. Haigermoser: Die Körperschaftsteuer: War das intelligent? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Am Wort ist Frau Abgeordnete Frieser!

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (fortsetzend): Herr Haigermoser! Es würde Ihnen nicht schaden, einmal etwas Vernünftiges aufzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.) Das geht bis hin zu den ungedeckten Budgetlöchern. (Abg. Mag. Stadler: Wenn Sie uns eine Unterrichtsstunde geben!) Das versuche ich pausenlos, Herr Stadler, damit auch Sie das verstehen. (Abg. Mag. Stadler: Wir sind leider nicht so intelligent wie Sie! Haben Sie Mitleid mit uns!) Ja, das ist das Problem, das betrachte ich als wirkliches Problem. Aber Sie geben mir jetzt eine Chance, Herr Stadler! Ihre Steuervorschläge kosten das Budget 210 Milliarden Schilling. (Abg. Ing. Reichhold: Millionen! – Abg. Mag. Stadler: Was stimmt jetzt: 200 Millionen oder 200 Milliarden?) Es ist Ihnen in keiner Zeile der Mühe wert, darzulegen, wie Sie diese Budgetlöcher stopfen wollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Es sieht so aus, als ob Sie nicht wissen, wovon hier die Rede ist!)

Ich möchte nun zur Realität kommen. (Abg. Ing. Reichhold: Was stimmt jetzt: 200 Millionen oder 200 Milliarden?) 210 Milliarden!

Zurück zur Realität! Der Herr Minister hat schon die Staatsquote in Österreich erwähnt. Österreich liegt mit 42 Prozent im Mittelfeld. Vor uns liegen Schweden, Finnland, Dänemark, Belgien und Deutschland. Nach uns rangieren neben Irland und Großbritannien Portugal, Italien und Spanien. Angesichts dessen frage ich die Herrschaften von der "F": Wollen Sie, daß wir in Österreich wirtschaftliche und soziale Zustände wie in Spanien haben – wie dort, wo diese grauenvolle "Schildlaus" herkommt? Ist Ihnen das ein Anliegen? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei Ihrer Politik wird es bald soweit sein!)

Meine Damen und Herren! Wir von den Regierungsparteien haben in den letzten Jahren durch die Steuerreformen einiges bewirkt. Wir haben eine Tarifsenkung bei der Einkommensteuer zustande gebracht, wir haben die KÖST reduziert, wir haben die Gewerbesteuer abgeschafft (Abg. Haigermoser: Mindest-KÖST!), wir haben die Vermögensteuer abgeschafft, und es freut mich, daß Sie, Herr Kollege Haselsteiner, dies lobend erwähnt haben. (Abg. Haigermoser: Na bravo!) Sie haben auch erwähnt, daß es Ungerechtigkeit in der Besteuerung gibt. Die Kapitalerträge sind mit 25 Prozent endbesteuert, nichtselbständige Einkommen werden mit Steuersätzen bis hin zu 50 Prozent Grenzsteuersatz bedacht.

Sie fordern Gerechtigkeit, sind aber eine Antwort schuldig geblieben auf die Frage: Wollen Sie den KEST-Satz und damit die Endbesteuerung erhöhen? (Abg. Dr. Haselsteiner: Im europäischen Gleichklang, Frau Kollegin!) Ich will damit sagen, daß Sie davor zurückscheuen, konkrete Vorschläge zu machen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Ich mache Vorschläge, die umsetzbar sind – im Gegensatz zu Ihnen! –Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich abschließend zu den Steuervorschlägen der "F" ein Zitat bringen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , ein Zitat von einem Mann (Abg. Ing. Reichhold: Schlußsatz!), der Ihr Denken, meine Damen und Herren, wie kaum sonst jemand kennt, weil er viele Jahre Ihr Querdenker und Ihr Vordenker war.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, bitte beachten Sie die Redezeit!

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (fortsetzend): Nur dieses Zitat des Herrn Mölzer, der sagt: "Wer an die Ansammlung von all ..." (Beifall bei der ÖVP.)

12.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nein, Frau Abgeordnete, die Redezeit ist beendet! Ich muß alle gleich behandeln.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Helmut Peter.

12.06

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! Herr Professor Nowotny hat uns eine Lehrstunde über Demagogie gegeben: Er hat die Freiheitliche Partei der Demagogie geziehen – und war selbst Demagoge.

Ich bin nicht der Meinung des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreters Grasser bezüglich seiner Vorschläge zur Beschäftigungspolitik. Aber, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, ich halte es für unerträglich, den Betrieb seiner Familie, an dem Herr Grasser nicht beteiligt ist und der von seinen Eltern geführt wird, hier in die Diskussion einzubeziehen. Wenn es in diesem Familienbetrieb eine illegale Beschäftigung gegeben hat, so bedauere ich das. Ich halte es aber im Sinne einer nicht existierenden Sippenhaftung sowie als Unternehmervertreter und Wirtschaftspolitiker für unerträglich, die Firmen von Verwandten und Bekannten von Politikern hier in die Diskussion hereinzuziehen – und genauso unerträglich ist es, umgekehrt die Handlungen von Politikern auf Firmen auszutragen. Ich bitte Herrn Professor Nowotny, das in Zukunft nicht wieder zu tun, denn das ist blanke Demagogie, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Freiheitlichen.)

Es ist sicherlich auch Demagogie – darin gebe ich Nowotny recht –, kurz vor Wahlen – und es gibt ja immer Wahlen – wieder Lohnsteuersenkungen zu verlangen. Jeder weiß, daß diese hier und heute nicht darstellbar sind. Die Nationalbankreserven zum 34. Mal zu verwenden, grenzt irgendwann an Lächerlichkeit. Wie oft wollt ihr (der Redner schaut in Richtung der Freiheitlichen) die Nationalbankreserven noch verwenden? Schließlich glaubt euch das nicht einmal mehr der letzte im Bierzelt. Das ist eine Art von Politik, die des Hohen Hauses nicht würdig ist. Immer wieder müssen wir uns den schwachsinnigen Vorschlag anhören: Verwendung der Pensionsreserven der Nationalbank! Das ist schon die fünfte Verwendung, die ich höre. So etwas Dummes ist mir noch nicht passiert, das ist doch unerträglich. Wofür halten Sie uns hier herinnen? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Fest steht aber auch, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie bewußt Zahlen zitieren, von denen Sie ganz genau wissen – darin ist Ihnen Frau Frieser gefolgt –, daß sie nicht stimmen. Wenn Sie heute sagen, die Steuer- und Abgabenquote in Österreich betrage 42 Prozent, dann sagen Sie doch bitte dazu, daß dies der Wert des Jahres 1995 ist! Sagen Sie bitte auch dazu, daß jetzt, im Jahre 1997, die Steuer- und Abgabenquote aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes wahrscheinlich bei 43,5 bis 44 Prozent liegt! Wenn Sie zitieren, dann zitieren Sie bitte mit Jahreszahl, dann zitieren Sie richtig! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Fest steht auch, daß die Lohnsteuer bis zum Jahr 2000, dem Jahr, in dem der Herr Finanzminister eine Reform machen will, auf 200 Milliarden Schilling, wenn nicht weit darüber steigen wird. Sie steigt wegen der viel zu starken Progression exponentiell. Herr Finanzminister, warum bezeichnen Sie das, was Ihre Vorgänger 1989 und 1994 getan haben, als Reform? – Das war keine Reform! Es war eine Progressionsminderung. Warum gehen Sie nicht wirklich eine Reform an? Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, daß ein immer größerer Teil der Österreicher nicht nur über ein unselbständiges Einkommen verfügt, sondern darüber hinaus weitere Einkommensteile erwirbt: im Selbständigenbereich, im Werkvertragsbereich, aus Vermietung und Verpachtung, im Bereich landwirtschaftlicher Einkommen; es sind zwar noch kleine, aber wachsende Teile.

Warum haben Sie nicht den Mut, eine wirkliche Reform zu machen? Warum haben Sie nicht den Mut zu sagen: Wir gehen zur Selbstveranlagung des mündigen Bürgers über, der in allen sieben Einkommensarten jährlich einmal dem Staat gegenüber sein Einkommen offenlegt, aus welchen Teil auch immer es sich zusammensetzt.


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63. Sitzung / Seite 27

Warum definieren Sie nicht neue Bemessungsgrundlagen für die Steuern und nehmen nicht die Vielzahl von Ausnahmen in Angriff, die es heute gibt, die Absetzbeträge hin und her, die es verunmöglichen, daß der einzelne eine Steuererklärung macht? Heute ist das Steuersystem, das Sie verwalten, so kompliziert geworden, daß Herr und Frau Österreicher nicht mehr in der Lage sind, selbst Steuererklärungen zu machen (Abg. Dr. Khol: Stimmt nicht!), sondern dafür die Hilfe von Steuerberatern brauchen – und selbst diese kennen sich manchmal nicht aus.

Wenn Sie wirklich eine Reform wollen, dann treten Sie in eine Diskussion ein, wie sie in Deutschland heute erfolgt. Dort wird gesagt: Laßt uns – in Deutschland sind sie noch nicht bei der Selbstveranlagung angelangt, werden aber hoffentlich dort hinkommen – alle Einkommen erfassen, die Ausnahmen dramatisch reduzieren und auf dieser Grundlage die Steuersätze reduzieren!

Wir haben eine viel zu früh einsetzende und zu hohe Progression vor allem bei den kleinen und unteren Einkommen. Es ist unerträglich, heute mit einem Einkommensteuersatz von 22 Prozent zu beginnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Finanzminister! Wenn Sie – Gott sei Dank – von der Harmonisierung der Steuern in Europa sprechen, dann haben Sie bitte auch den Mut, vom 13. und 14. Gehalt zu sprechen, denn die Besteuerung des 13. und 14. mit der Sechstelbegünstigung ist erstens unsozial, weil sie die hochverdienenden Unselbständigen stark bevorzugt, und zweitens ein Unikum in Europa. Sie haben von der Europäisierung der Steuerpolitik gesprochen. – Machen Sie eine Europäisierung, und beziehen Sie in eine Gesamtreform, die wirklich eine Reform ist, auch den 13. und 14. Monatsgehalt ein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Langthaler.

12.11

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Lassen Sie mich eingangs einige Worte zu den Ausführungen meines Vorredners bezüglich Demagogie bei dieser Debatte sagen.

Herr Abgeordneter Peter! Ich bin sehr gegen eine demagogische und unsachliche Auseinandersetzung, aber: Man kann sich mit Vorschlägen nur dann sachlich auseinandersetzen, wenn sie von einer Partei kommen, die sich an einen gewissen Grundkonsens der Demokratie hält, einen Grundkonsens, der darin besteht, daß man nicht immer Privates in den Vordergrund stellt, Leuten nachspioniert und auf der untersten Ebene argumentiert.

Genau das aber tut die Freiheitliche Partei, insbesondere Herr Haider, wenn er den Mund aufmacht, gerade zum Thema Ausländerpolitik. Auch bei der Steuerreform ist die Hälfte falsch, es ist reine Demagogie, und es ist schwierig, sich mit diesen Argumenten dann ausschließlich sachlich auseinanderzusetzen. So ist es auch bei dieser Steuerdebatte: All diese Vorschläge, die hier kommen, kann man einfach nicht ernst nehmen. Sie basieren einzig und allein auf dem populistischen Motiv: Wir nehmen die Steuern runter! Gleichzeitig will man aber, angefangen von einer Ökosteuer bis hin zu den sozialen Randbedingungen, alles verbessern.

Die Grünen haben zwei Schwerpunkte, wenn es um Steuerreform und Änderungen im geltenden Steuerrecht geht. Wir haben die Steuerreformen 1988/1989 und 1993/1994 stark kritisiert, weil die unteren und mittleren Einkommensschichten kaum davon profitiert haben. Das ist von Wifo und IHS immer wieder bestätigt worden. Beim obersten Zehntel der Einkommensbezieher kam es bei der letzten Steuerreform zu einem Einkommenszuwachs von rund 10 Prozent; das unterste Zehntel konnte nicht einmal 1 Prozent lukrieren.

Für uns stehen bei einer kommenden Steuerreform zwei Punkte im Vordergrund: Erstens müssen untere und mittlere Einkommensschichten davon profitieren, und zweitens muß es zu einer Ökologisierung des Steuerrechts kommen. Das darf keine Randerscheinung sein, sondern muß im Mittelpunkt stehen. Der Mittelpunkt einer Steuerreform muß die Ökologisierung sein, es muß das Grundprinzip gelten: weg von der hohen Besteuerung der Arbeitskraft, hin zur Besteuerung der Ressourcen!


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Ich möchte neuerlich betonen, daß es uns insgesamt nicht um eine Erhöhung der Abgabenquote in diesem Bereich geht, sondern eine Reform im großen und ganzen aufkommensneutral erfolgen muß. Daß das einfacher gesagt als getan ist, weiß ich selbst aus leidvoller Erfahrung. Wir versuchen derzeit, ein grünes Steuermodell zu konzipieren, basierend vor allem auf einer Ressourcensteuer im Bereich der Energie, das sich von unserem bisherigen Modell insofern stark unterscheidet, als wir in unserem ersten Vorschlag rund 20 Milliarden Schilling Besteuerung vorgesehen hatten, wovon zwei Drittel aufkommensneutral waren, wogegen wir jetzt versuchen, ein Volumen von 80 Milliarden Schilling zu 100 Prozent aufkommensneutral zu verschieben, und zwar unter den Voraussetzungen einer Senkung verschiedener Lohnnebenkosten und einer Besteuerung des Faktors Energie.

Wie schwierig das ist, Herr Finanzminister, sehen wir selbst bei der Durchrechnung und Durcharbeitung. Das ist in der Praxis tatsächlich kein einfaches Unterfangen. Was wir aber nachdrücklich von Ihnen verlangen, ist, daß das noch in dieser Legislaturperiode geschieht und daß auch Oppositionsparteien in solche Debatten und Diskussionen eingebunden werden. Es gibt von seiten der grünen Fraktion sehr viel an Vorarbeiten und an Know-how – im Gegensatz zur Meinung mehrerer Vorredner, daß es seitens der Opposition keine Vorschläge dazu gäbe. All unsere diesbezüglichen Vorschläge haben wir publiziert, die meisten von Ihnen kennen sie. Allein im Bereich der Ökologisierung und der Investitionsprogramme für Umweltmaßnahmen haben wir fünf Broschüren mit sehr detailreichen Vorschlägen publiziert, die zwar in vielen Bereichen hier sicherlich keinen Meinungskonsens fänden, von denen ich aber denke, daß es auch für große Regierungsparteien interessant wäre, unsere Vorschläge miteinzubeziehen. Dabei geht es nicht nur um die Besteuerung der Energie, sondern auch um die Besteuerung des Landschaftsverbrauches und die hier schon oft diskutierte Besteuerung von Abfällen.

Herr Finanzminister! Ich weiß nicht, ob Sie sich diesen Bereich schon angesehen haben: Wir haben ein Altlastensanierungsgesetz, in dessen Geltungsbereich seit vier Jahren jährlich rund 800 Millionen Schilling an Steuern – mehr oder weniger – hinterzogen werden. Dort ist es bis heute nicht gelungen, ein großes Vollzugsdefizit zu bereinigen. Es gibt die Möglichkeit einer Abwasserabgabe mit vielen verschiedenen Facetten, die in anderen Ländern schon eingeführt wurden. Aus deren Erfahrungen sollten wir lernen.

Schließlich, Herr Finanzminister, sind es nicht mehr nur die Grünen, die eine baldige Besteuerung der Ressourcen verlangen. Sie können in der "Financial Times" vom 14. Februar nachlesen, daß das alle führenden Ökonomen weltweit verlangen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Allein in Amerika sind es derzeit 2 000 Ökonomen, unter denen sich sechs Nobelpreisträger befinden. Es ist das mehr als grüne Phantasterei und muß Realität werden, Herr Finanzminister ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Redezeit!

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (fortsetzend): ..., und zwar noch in dieser Legislaturperiode. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. – Ich danke dem Herrn Finanzminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfrage: 2016/J.


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Beilage zur Anfrage: Zu 2013/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1691/AB bis 1700/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates):

10/ABPR.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird (580 der Beilagen),

Universitäts-Studiengesetz – UniStG (588 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert wird (2. BFG-Novelle 1997) (590 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird (591 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Austro Control Gesetz geändert wird (594 der Beilagen),

Immissionsschutzgesetz–Luft, IG-L (608 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 391/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung,

Antrag 392/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Konzept für den Abbau von Überstunden,

Antrag 393/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Untersuchung zur "Bit-Steuer",

Antrag 394/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend neue Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik,

Antrag 395/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Sozial- und Beschäftigungspolitik auf EU-Ebene;

Finanzausschuß:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (556 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Antrag 390/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Ausbildungsoffensive in Gesundheitsberufen für Österreicher/innen;

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (563 der Beilagen);


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Verfassungsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (576 der Beilagen);

Verkehrsausschuß:

Antrag 396/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Novellierung der Straßenverkehrsordnung im Hinblick auf Einsatzfahrzeuge;

Wirtschaftsausschuß:

Gewerberechtsnovelle 1997 (575 der Beilagen);

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz, mit dem das Forschungsorganisationsgesetz – FOG geändert wird (581 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters ist folgende Vorlage eingelangt, zusätzlich zu dem, was schriftlich bekanntgegeben wurde:

Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere Afrika, samt Erklärung (565 der Beilagen).

Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz schlage ich gemäß § 28a der Geschäftsordnung vor, von der Zuweisung dieses Verhandlungsgegenstandes an einen Ausschuß abzusehen und ihn auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen zu stellen.

Gibt es dagegen einen Einspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die
Anfragebeantwortung 1657/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, daß das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1657/AB der Anfrage 1641/J des Abgeordneten Rosenstingl betreffend Probleme mit der Mautvignette – dies betrifft den Wirtschaftsminister – abzuhalten. Die kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung um 15 Uhr statt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 4 bis 7 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir das so handhaben.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten zur heutigen Tagesordnung wie folgt erzielt: Es wurde eine Blockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, woraus sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.


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Das Hohe Haus hat darüber zu befinden. Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über das Volksbegehren (172 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Neutralität Österreichs und über den Antrag 110/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union (WEU) (592 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Wir gehen daher gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte sehr.

12.21

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Der heutige Verhandlungsgegenstand wurde durch ein Volksbegehren ausgelöst, das sich mit dem Thema der Neutralität und ihrer Bedeutung für die österreichische Sicherheitsentwicklung auseinandergesetzt hat, und gibt uns Freiheitlichen auch die Möglichkeit, zu hinterfragen, ob es überhaupt eine Sicherheitspolitik dieser Bundesregierung gibt. Denn man hat schon ein bißchen das Gefühl, daß hier Slalomläufer unterwegs sind: Die einen möchten, aber dürfen nicht, und die anderen wollen nicht, aber tun sehr oft etwas, was verräterisch klingt.

Wenn sich die SPÖ gegen eine Änderung der Neutralität stellt, aber gleichzeitig Herr Dr. Cap verkündet, daß die NATO eigentlich jetzt die richtige Alternative wäre, und dann wieder zurückgepfiffen wird – umgekehrt ist es auch bei der ÖVP so –, dann muß man sich die Frage stellen: Welche Linie gibt es diesbezüglich innerhalb dieser Regierung?

Das ist genauso, wie Sie es in vielen anderen Dingen gemacht haben, wie Sie es schon bezüglich EU-Beitritt gemacht haben, wo Sie auch versucht haben, den Leuten mit falschen Argumenten etwas einzureden: 43 000 neue Arbeitsplätze werden kommen. – In Wirklichkeit haben wir die höchste Arbeitslosigkeit seit den fünfziger Jahren! Dasselbe spielt sich beim Euro ab. In sogenannten kleinen Gesprächen wird gesagt: Fürchterlich, das bringt uns in große Turbulenzen! – Offiziell wird mit Millionenaufwand Propaganda für eine möglichst rasche Einführung einer europäischen Einheitswährung und für die Aufgabe des Schillings gemacht. Aber in dieser Frage, bei der es darum geht, daß Österreich seinen eigenen Werbespruch bei der EU-Abstimmung wahrmachen soll – einsam oder gemeinsam –, nämlich auch gemeinsam eine Sicherheitspolitik zu machen, sind Sie in hohem Maße säumig.

Es kann damit nicht genug sein, daß man jetzt wieder einen dürftigen Entschließungsantrag von seiten der Regierungsparteien verabschiedet, in dem drinnensteht: Es wird bis zum Jahr 1998 alles geprüft – einschließlich des Beitrittes zur Westeuropäischen Union. Sie wissen eines ganz genau: Der Außenminister Europas hat Ihnen ganz klipp und klar gesagt: Einen WEU-Beitritt ohne einen NATO-Beitritt gibt es nicht! Daher werden Sie sich endlich einmal bequemen müssen, Konkretes zu sagen. Bleiben Sie alleine, dann hätten Sie sich den EU-Beitritt schenken können. Wollen Sie eine gemeinsame Sicherheitspolitik, dann werden Sie auch zur NATO ja sagen müssen. Das ist die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Natürlich verstehe ich schon, daß gerade bei den Sozialdemokraten oft die Überlegung besteht, daß die NATO sozusagen ein militärisches Monstrum ist, das nicht ihren Vorstellungen entspricht. – Nun, das ist ja in Wirklichkeit in einem sich verändernden Sicherheitsstrukturkonzept nicht mehr der Fall. Die NATO wird immer mehr ein wirkliches Sicherheitsbündnis und ist sozusagen nicht mehr der Militärpakt, als der sie immer wieder beschworen wird. (Abg. Wabl: Die


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schießen dort mit Knödeln!) Das zeigt auch schon alleine die Behandlung der neuen Mitglieder, etwa daß die Mitglieder nicht mehr Atomwaffen auf dem eigenen Territorium aufstellen müssen.

Natürlich ist es auch richtig, daß es sinnvoller wäre, eine Sicherheitsarchitektur zu haben, die sozusagen die militärischen Grenzen durch ein Netzwerk der Zusammenarbeit ablöst. All das ist in Ordnung. Aber bis dorthin werden wir noch viele Schritte setzen müssen. Es wäre vielleicht im Rahmen der NATO-Strategie im Zusammenhang mit der Osterweiterung auch ganz vernünftig gewesen, herzugehen und parallel dazu vor allem Rußland ein großzügiges Angebot für einen Zusammenarbeitsvertrag zu machen. Damit würde man natürlich viele Probleme und viele Blockaden aus dem Weg räumen, weil sich Rußland zu Recht von einer sich erweiternden NATO-Gemeinschaft ein bißchen bedrängt fühlt, bei der sie an und für sich nicht dabei sein soll; ein bißchen mitreden darf sie wohl. Man hat das Gefühl, daß Rußland sozusagen in den asiatischen Bereich gedrängt werden soll.

Das darf nicht passieren. Wenn wir Europapolitik machen, wenn wir europäische Sicherheitspolitik machen, dann ist das ohne Einbindung Rußlands nicht möglich. Daher wäre der Gegenzug zur Erweiterung der NATO sicherlich ein vernünftiges Angebot für einen umfassenden Kooperationsvertrag im Bereich der Technologie, der Infrastruktur, der wissenschaftlichen Zusammenarbeit gewesen, das auch wir nachhaltig hätten unterstützen sollen.

Aber zurück zu dem Thema, das uns hier in Österreich interessieren muß. Ich glaube, daß wir viele gute Gründe haben, uns möglichst rasch für eine Mitgliedschaft in einem neuen gemeinsamen europäischen Sicherheitsbündnis zu entscheiden, das die Grundlage in der heutigen NATO-Organisation hat. Wir Freiheitlichen sind offenbar die einzigen, die das hier so unmißverständlich und auch geschlossen darstellen, während es bei den anderen noch etwas zaghaft kommt. – Warum?

Erstens: Ein wesentlicher Grund liegt darin, daß die Osterweiterung in ökonomischer Hinsicht derzeit überhaupt keinen Sinn macht. Europa als Idee war eine Friedensidee und keine ökonomische Idee. Sie wird ökonomisch unterfüttert, aber wenn man diese Friedensidee ernst nimmt, dann muß man zuerst einmal die Sicherheitsvoraussetzungen schaffen, damit es auch ökonomisch Sinn macht. Daher wäre es vielleicht nicht falsch, zu sagen, die Osterweiterung in wirtschaftlicher Hinsicht kann schon auch aus der Sicht Österreichs im Hinblick auf die Gefahr der Bedrohung von Arbeitsplätzen, im Hinblick auf die Gefahr der Konkurrenz durch Billigprodukte, die unseren Markt überschwemmen würden, mit denen wir nicht mithalten könnten und was uns noch einmal um 100 000 bis 120 000 Arbeitslose in Österreich mehr bringen würde, durch eine offensive Strategie beim Ausbau der Sicherheitspolitik kompensiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nehmen wir die betreffenden Länder sicherheitspolitisch zu uns herein und versuchen wir bei ihnen Verständnis dafür zu erwecken, daß wir die ökonomischen Erweiterungen nicht im gleichen Tempo vorantreiben können! Dann dienen wir dem Gedanken von einem gemeinsamen Europa, der da immer wieder beschworen wird, wesentlich besser.

Zweitens glaube ich, daß wir uns im klaren sein müssen, daß uns eine NATO-Kooperation Österreichs wahrscheinlich wesentlich billiger kommt als die Erfüllung des Erfordernisses, unser Heer auf einen Standard zu bringen, der die Verteidigungsfähigkeit garantiert. Denn: Eine Illusion werden Sie wohl nicht haben: daß Österreich mit der derzeitigen Verfassung seines Bundesheeres wirklich verteidigungsfähig ist. Das ist nicht gegeben. Wir haben zwar eine Heeresreform nach der anderen erlebt, aber diese haben darin bestanden, daß Minister Fasslabend irgendwelche Regimenter zugesperrt hat, die Leute nach Hause geschickt und ein paar Brigadiere neu ernannt hat. Daher haben wir in der österreichischen Heeresorganisation mehr Brigadiere und Generäle als die amerikanische Armee. Und wenn wir alleine bleiben, dann müssen Sie auch sagen, was Sie für das Bundesheer tun. – Sie tun nämlich gar nichts für das Bundesheer und gefährden damit die Sicherheit Österreichs ganz nachhaltig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Dritter Punkt: Ich glaube, daß es jetzt nach sieben Jahren Diskussion wohl an der Zeit ist, eine Entscheidung zu treffen. Ich habe im Jahre 1990 erstmals gesagt: Österreich wird seine Neutralität aufgeben müssen und in ein europäisches Sicherheitsbündnis, dessen Grundlage die NATO ist, gehen müssen. Damals gab es einhellige Kritik der Sozialisten, einhellige Kritik der ÖVP, die Kommentare in den Zeitungen lauteten: Das ist geistiger Landesverrat, das ist Landesverrat am Heiligtum Neutralität.

Heute denken Sie alle anders, weil Sie letztlich nicht umhinkommen werden, diese Entscheidung so zu treffen, daß die Feststellung der Freiheitlichen vom Jahr 1990 richtig ist. Es ist Ihr Problem, daß der geistige und intellektuelle Sickerprozeß so lange dauert, bis Sie erkennen, wo die richtigen sicherheitspolitischen Orientierungen liegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen noch etwas, gerade weil die Frau Staatssekretärin heute da ist: Sie organisiert die Präsidentschaft Österreichs in der EU, die in der zweiten Hälfte 1998 stattfinden wird. Österreich wird dann zwar die Präsidentschaft der EU innehaben, aber nicht wissen, was es sicherheitspolitisch will, und völlig gegen die Intentionen der gesamten europäischen Sicherheitspolitik verstoßen. Die Frau Staatssekretärin organisiert große Konferenzen, die österreichischen Steuerzahler dürfen 300 bis 350 Millionen Schilling für diese Großkonferenzen, für diesen Konferenztourismus auf den Tisch legen, aber es wird im Grunde genommen für Österreich dabei keine vernünftige Weichenstellung geben, weil man sich noch immer nicht im klaren ist, was man sicherheitspolitisch wirklich will.

Vielleicht wird es doch einmal einsichtig, daß, bevor wir diese Präsidentschaft übernehmen, wir mit uns selbst einmal ins Reine kommen sollten, was wir wollen. Das heißt, wir Freiheitlichen sind es ja, aber die Regierung sollte sich einmal klar werden, ob sie eine sicherheitspolitische Verantwortung für Österreich trägt. Wenn sie diese zu tragen hat, dann hat sie eine klare Entscheidung zu treffen, nämlich daß wir dort dazugehören sollten, wo Österreich am sichersten ist, und das ist in einem gemeinsamen Bündnis mit den anderen europäischen Staaten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das hat uns auch der Krieg am Balkan gezeigt. Es ist leicht, über die NATO die Nase zu rümpfen, aber das ist nichts anderes als ein billiger antiamerikanischer Reflex, den ein paar übriggebliebene Achtundsechziger heute noch haben. Im Grunde genommen müssen wir dankbar sein, daß es diese NATO gegeben hat, denn wer sonst hätte am Balkan auch nur annähernd einen solch effizienten Betrag leisten können, daß dort Sicherheit und Frieden – wenn auch brüchig – hergestellt werden können? Die Europäer sind sich bis heute noch nicht im klaren darüber, ob sie die Serben unterstützen sollen oder die Kroaten oder ob es Bündnisse geben soll. Das wissen wir in der Zwischenzeit. Es gibt ja auch hier Grenzgänger wie Herrn Klubobmann Khol, der sich darüber aufgeregt hat, daß ein österreichischer Dichter, nämlich Herr Handke, die Serben mit ihren ethnischen Säuberungen verteidigt, aber dann zum Vortrag des Herrn Handke im Parlament gegangen ist und ihm vor laufender Kamera herzlich für die großartigen Ausführungen, die er getätigt hat, gratuliert hat.

Diese Art der politischen Schleimspur, die sich durch Österreich zieht, muß endlich einmal gestoppt werden! Die Österreicher haben ein Recht darauf zu wissen, wo es sicherheitspolitisch langgeht, wo dieses Land steht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß Ihnen viele schon gesagt haben, wie im Grunde genommen die zukünftige Sicherheitsarchitektur ausschaut. Auch der Chef des Instituts für Höhere Studien, Professor Felderer, hat gesagt: Die Verteidigungsbereitschaft eines Landes ist ein wichtiges Standortkriterium für die Wirtschaft. Längerfristig seien Nachteile zu befürchten, wenn Österreich weder der NATO beitritt noch eigene Verteidigungsanstrengungen unternimmt. – Genau das ist es! Und Sie wissen nicht, was Sie tun. Wie bei Nestroy: "Wer ist stärker – i oder i?" Darum geht also das Tauziehen.

In Wirklichkeit ist das, meine Damen und Herren, eine wichtige Sache! Warum? – Weil wir keine Zeit zu verlieren haben. Entgeht Ihnen, daß die Slowenen nicht nur massive Anstrengungen unternehmen, in die EU zu kommen, sondern auch völlig offen für einen NATO-Beitritt sind?


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Wissen Sie, was das heißt? – Wenn wir das verschlafen, dann wird nicht mehr Österreich die Landbrücke zu Ungarn sein, sondern Slowenien. Dann wird Slowenien diese Funktion erfüllen. Dann werden die gesamten Infrastrukturentscheidungen auch der europäischen Sicherheitspolitik, angefangen bei den Straßen, der Telekommunikation, den Flughäfen, den Ausstattungen bis hin zu den Signalanlagen an Österreich vorbeigehen. Sie müssen dann den Österreichern erklären, daß wir zwar in ein paar Jahren dabeisein werden müssen, daß wir aber damals, als wir auch politische und ökonomische Vorteile gehabt hätten, als auch Arbeitsplätze und Investitionen damit verbunden gewesen wären, zugeschaut haben, das Geschäft den Slowenen überlassen und unsere wichtige Funktion im Rahmen der europäischen Sicherheitspolitik verloren haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Also weg mit diesem blöden antiamerikanischen Komplex hinsichtlich NATO! Die NATO ist eine wichtige Einrichtung für uns. Wenn wir diese Politik nicht gehabt hätten – etwa den NATO-Doppelrüstungsbeschluß –, wäre die Sowjetunion nie zusammengekracht. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen! Denn daß wir heute in Europa freier sind, verdanken wir einer Strategie, die die Achtundsechziger mit Demonstrationen und mit Gewalt zu unterbinden versucht haben. Heute sind sie die großen Friedensapostel, die durch die Welt wandern und nicht wissen, wie ihnen geschieht. Man muß auch konkret entscheiden können, wenn es darum geht, das eigene Land bestmöglich zu positionieren.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Es gefällt mir wirklich nicht, daß Rußland, die Ukraine, Moldawien, Rumänien und wie die östlicher gelegenen Länder alle heißen heute bereits einen Assoziationsstatus bei der NATO haben, das heißt, mitreden dürfen und wir die Letzten dort sind, bitte! Wir, die wir eine Landbrücke für die NATO in ein neues Gebiet darstellen, sind die Letzten bei all diesen Veranstaltungen, weil Sie nicht in der Lage sind, die Position Österreichs so festzulegen, daß wir dort mitreden können, bevor über uns entschieden wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das mache ich Ihnen zum Vorwurf! Wir Freiheitlichen haben Ihnen vor sieben Jahren gesagt, wo es langgeht. Vielleicht gelingt es Ihnen einmal, sich durchzuringen und eine klare Position einzunehmen. Aber dazu wird es halt notwendig sein, daß man auch dem Bürger gegenüber ehrlich ist. Die Wahrheit ist dem Bürger zumutbar! Die Wahrheit kann man ihm sagen, Frau Staatssekretär! Da muß man nicht, so wie die ÖVP im Internet, zwei Meinungen äußern. Ich zitiere das Internet der ÖVP, wo unter Neutralität steht: Die österreichische Neutralität ist seit 1955 ein fixer Bestandteil der Nachkriegsordnung für Europa. – Okay! Dann steht weiters drinnen: Mit dem Ende des Kalten Krieges hat sie aber ihre bisherige sicherheitspolitische Funktion für Österreich verloren. (Abg. Haigermoser: Wo steht das?) – Im ÖVP-Internet. (Abg. Haigermoser: Interessant!) Zwei Absätze weiter – nach dem Satz, daß sie die Funktion verloren hat – heißt es: Österreich soll auf jeden Fall an der Neutralität festhalten, um die Sicherheit seiner Bürger und die Unverletzlichkeit des Staatsgebietes und der Demokratie gewährleisten zu können. (Abg. Ing. Reichhold: Das haben sie von der SPÖ abgeschrieben!)

Jetzt frage ich mich wirklich: Was gilt? – Gilt erster Absatz: Funktion obsolet, verloren!, oder gilt letzter Absatz: festhalten an dem, was nichts mehr wert ist!? Das ist also ÖVP-Politik. Das ist die Politik der ÖVP, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Meine Damen und Herren! Es stellt sich jetzt die Frage: Wie ernst kann man eine solche Politik nehmen, die den Leuten alles und jedes erklären will? Sie üben ständig Kritik an freiheitlichen Vorschlägen, obwohl Sie in Wirklichkeit einmal in eine Klausur gehen und einmal darüber nachdenken sollten, was Sie eigentlich diesem Land antun, wenn Sie sich sicherheitspolitisch nicht entscheiden. Sie stellen den Verteidigungsminister, demontieren unser Heer, demotivieren unser Heer. Sie stellen den Außenminister und kommen zu keiner klaren sicherheitspolitischen Entscheidung. Sie erklären alles und jedes!

Meine Damen und Herren! Wie weit muß es denn noch kommen? – Heute schreibt sogar einer Ihrer auch politisch mit Ihnen verbundenen Kommentatoren, Herr Koller, in den "Salzburger Nachrichten" unter dem Titel "Österreichs Sicherheitspolitik erntet allgemeines Gelächter": Die


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österreichische Sicherheitspolitik wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Herr Vizekanzler Schüssel tritt in Bonn auf, an der Seite des mächtigen Helmut Kohl hält er vor einem ausgewählten Kreis von Diplomaten, Politikern und Militärbeobachtern eine Rede und versteigt sich dort zu dem Satz, daß Österreich seine Neutralität immer sehr dynamisch interpretiert hat und das auch in Zukunft tun wird. Allgemeines Gelächter!

Allgemeines Gelächter für die österreichische Außenpolitik, weil doch jeder weiß, daß dieses Theater im Grunde genommen nur dazu dienen soll, der österreichischen Bevölkerung Nebelgranaten zu schmeißen, damit sie nicht sieht, wo es wirklich hingeht. Die Reise geht doch längst schon in Richtung NATO! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben uns die Weichen dorthin gestellt. Die Reise geht schon längst dorthin. Haben Sie den Mut, das rechtzeitig zu sagen! Ordnen Sie die Kompetenzen! Entscheiden Sie in der Regierung! Dann werden Sie 1998, wenn wir den Vorsitz in der EU haben, glaubwürdig sein. Wir werden aber vor allem diesem Land einen guten Dienst erweisen, wenn wir gemeinsam in einem Sicherheitsbündnis sind und nicht in der Randlage alleine vor neuen Bedrohungen stehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 15 Minuten ein.

12.39

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Hohes Haus! Ich hätte mich ja gerne mit den Ausführungen des Kollegen Haider beschäftigt, so wie ich das immer tue, weil ich glaube, daß man auf die Argumente des anderen eingehen soll, aber auch er hat vor sieben Jahren für den Beitritt zur EU konsequent und ohne Slalom gekämpft. Und bevor wir die Ergebnisse der Verhandlungen hatten, waren Sie dagegen. Jetzt denke ich mir, ich soll Ihnen Zeit ersparen und uns Zeit ersparen ... (Abg. Dr. Haider: Sie waren selbst auf unserem Parteitag nach Vorliegen der Ergebnisse! – Abg. Dr. Khol: Aber wir sind jetzt Mitglied der EU!) Ja, aber Sie waren damals schon lange dagegen! Sie haben mich nur fair behandelt, habe ich gesagt. Jetzt will ich Ihnen Zeit ersparen, mir Zeit ersparen. Vielleicht kommt auch in fünf Jahren bezüglich der NATO bei Ihnen etwas anderes heraus, man ist da nie ganz sicher. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Für mich steht, wenn wir heute über die Neutralität diskutieren, die Sicherheit unseres Landes im Vordergrund. Die Sicherheit des Landes und seiner Bürger ist das vorrangigste Ziel der Außenpolitik und der Landesverteidigungspolitik. Es kann nur um die Diskussion gehen, welche Instrumente uns mehr Sicherheit geben. Das heißt, die Neutralität hat nur instrumentalen Charakter, sie ist nicht Ziel an sich.

Die Neutralität gab uns 1955 – das soll man nie vergessen – die Chance, wieder ein unabhängiges, ungeteiltes Land zu werden, eine freie Demokratie westlicher Prägung zu werden. Die Neutralität war nie Selbstzweck, sie war nie das Ziel an sich. Oberstes Gebot der Außenpolitik und der Landesverteidigung war, dem Lande Sicherheit zu geben.

Meine Damen und Herren! Man kann sich im Finanzbereich, im Wirtschaftsbereich, in der Ökologie irren, man kann oft auch nur schwer Fehler korrigieren. In einem Bereich ist es allerdings sehr gefährlich, sich zu irren, nämlich im Bereich der Sicherheitspolitik. Wenn man sich einmal irrt, kann man es möglicherweise nicht mehr korrigieren, weil man gar nicht mehr existiert. Fragen der Sicherheitspolitik haben existentiellen Charakter. (Abg. Wabl: Der ökologische Irrtum kann noch desaströser sein!) – Ich glaube, es kann keine größere Gefahr geben, als wenn Gefahr für das Land und für seine Existenz gegeben ist. Aufgrund dieser Gefahr bekommt die Sicherheitspolitik ihren Stellenwert.

In der Frage: Sind wir beim Schutz unseres Landes stärker allein, oder sind wir stärker im Verbund mit anderen?, sollten wir doch ein bißchen aus der Vergangenheit lernen. Wer hat uns am 11., 12. März 1938 geholfen, als wir vom nationalsozialistischen Großdeutschland annektiert beziehungsweise okkupiert wurden? – Binnen weniger Tage wurden alle Botschaften in Wien in Konsulate umgewandelt. Damit wurde die Annexion beziehungsweise die Okkupation de facto


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anerkannt. Wenigstens eine Anstandsfrist – soweit man in diesem Zusammenhang von "Anstand" reden kann – hätte man praktizieren sollen.

Mexiko hat als einziges Land wenigstens ein Protesttelegramm an den Völkerbund geschickt, bei dem wir auch Mitglied waren. Das war alles.

Meine Damen und Herren! Lernen wir aus der Vergangenheit! Einige Monate später hat man nicht nur die Besetzung eines Teils der Tschechoslowakei durch Hitler zur Kenntnis genommen, sondern auch mit prominenten Zuschriften zugestimmt. Auch diesbezüglich wäre einmal eine Aufarbeitung angebracht. – Warum?

Meine Damen und Herren! Es geht mir nicht darum, leichtfertig ein Urteil über die Vergangenheit zu fällen, sondern darum, dafür zu plädieren, daß wir aus der Vergangenheit lernen. Diese Dinge muß man mit größter Nüchternheit und größtem Realismus behandeln.

Ich wundere mich daher auch ein bißchen, daß fast jedermann, der zum Verhältnis NATO und Rußland Stellung nimmt, um das Sicherheitsbedürfnis Rußlands besorgt ist. Jeder Staat kann seine Sicherheitstheorie fixieren.

Wer gefährdet eigentlich Rußland sowohl jetzt als auch in überschaubarer Zukunft? – Normalerweise gibt es ein Sicherheitsbedürfnis der mittleren und kleineren Länder. Daher ist es verständlich, wenn Polen und die baltischen Länder alles tun, um den Beitritt zur NATO zu realisieren.

Rußland ist in den gigantischen Schwierigkeiten der Umstellung für sich selbst die größte Gefahr. Und dort liegt auch die größte Gefahr für die umliegenden Nachbarstaaten Rußlands.

Ich habe mich immer sehr konsequent – das gilt auch für die Zukunft – für eine massive politische und wirtschaftliche Hilfe für Rußland auf seinem Weg des Umbaus zur Demokratie und zu marktwirtschaftlichen Strukturen eingesetzt; selbst um das Risiko, daß man zu spät entdeckt, daß diese Hilfe letztlich nicht in einem überschaubaren Zeitraum zur Stabilität geführt hat. Rußland ist zu groß und zu wichtig, um nicht auf diesem Weg der Reformen zur politischen und sozialen Stabilität unterstützt zu werden.

Die Geschichte läßt aber auch nicht vergessen, daß nicht die baltischen Länder oder Polen Rußland besetzt haben, sondern in trauter Gemeinsamkeit das nationalsozialistische Großdeutschland und die kommunistische Sowjetunion im Ribbentrop-Molotow-Pakt die baltischen Länder zuerst in Einflußsphären aufgeteilt und sie dann – die einen kamen vom Osten, die anderen kamen vom Westen – besetzt haben. Hunderttausende Bürger dieser Staaten wurden nach Sibirien in den Archipel Gulag gesandt. Noch heute weiß man nicht, wo zwei Staatsoberhäupter der baltischen Länder nach ihrer Verschickung nach Sibirien verschwunden und umgekommen sind. Das heißt, zuerst wird mit Recht von diesen Ländern auf das eigene Sicherheitsbedürfnis und dann erst auf das der anderen gepocht.

Man bekommt auch einen etwas üblen Geschmack, wenn man sich erinnert, daß sowohl bei der Besetzung von Ungarn im Jahr 1956, beim ungarischen Freiheitskampf, als auch bei der Besetzung Prags, beim Prager Frühling, das Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion als Argument für den Einmarsch angeführt wurde.

Welcher politischen oder militärischen Allianz Polen oder andere Länder beitreten, ist nur von Polen, von den Bürgern dieser Staaten und von niemand anderem zu entscheiden. Das sollten wir sehr klar festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird schon wieder eine Sprache gebraucht, als wenn es selbstverständlich wäre, andere Staaten als Satelliten zu betrachten. Man spricht vom "nahen Ausland", um auf die Außenpolitik dieser Länder Einfluß zu nehmen. Gerade Österreich hat ein eminentes Interesse daran, daß die Souveränität unseres Landes und jedes Landes unserer Größe voll respektiert wird. Ich bin daher sehr froh, daß Außenminister Schüssel in Bonn in seinem sicherheitspolitischen Grundsatzreferat gesagt hat:


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"Niemand hat das Recht, Länder, die diesen Organisationen, nämlich EU, Westeuropäische Union, NATO, beitreten wollen, zu behindern oder zu blockieren." – Eine ruhige, aber feste Sprache ist hier angebracht und muß auch wiederholt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus der gleichen Haltung begrüße ich jede Bemühung der NATO, durch Gespräche mit Rußland das derzeitige europäische Sicherheitssystem, das sich im Dreieck Europäische Union, Westeuropäische Union, NATO entwickeln wird, auch um eine gesamteuropäische Komponente zu erweitern und Rußland einzubinden.

Aus den gleichen Gründen begrüße ich die Bereitschaft der NATO, vor allem Rußland und andere Länder, die Ukraine zum Beispiel, über ihre Intentionen zu informieren, so wie es Generalsekretär Solana und auch andere Mitglieder der NATO, vor allem die amerikanische Außenministerin, vor kurzem praktiziert haben.

Ich würde daher die politische Haltung gegenüber Rußland folgendermaßen zusammenfassen:

Kein Land hat das Recht, einen anderen souveränen Staat seine Sicherheitskonzeption vorzuschreiben oder gegen einen Beitritt zu entsprechenden Organisationen ein Veto auszuüben.

Die Reformen Rußlands – sowohl wirtschaftlich wie auch politisch – in Richtung Demokratie und marktwirtschaftlicher Ordnung müssen konsequent unterstützt werden.

Rußland soll über die Entwicklung der NATO zur NATO-Neu voll informiert werden.

Rußland soll auch mit dem Gewicht, das ihm aufgrund seiner Größe zukommt, in ein gesamteuropäisches Konzept der Sicherheitspolitik eingebaut werden.

Diesbezüglich sollten wir eine Linie haben, die Lehren aus der Vergangenheit gezogen hat, was für die zukünftige Stabilität Europas sehr wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns, wie oft das politische Konzept der Neutralität geholfen hat. Weder Norwegen noch Dänemark noch die Niederlande noch Belgien noch Luxemburg konnten sich mit dem Konzept der Neutralität gegen die Besetzung erfolgreich verteidigen. Die Schweiz und Schweden geben das Doppelte von unserem Teil für Landesverteidigung aus. Wenn nicht das eine, dann das andere. Wenn wir uns nicht alleine voll verteidigen können, dann sind wir verpflichtet, den Verbund mit den anderen zu wählen, wenn wir dazu die Möglichkeit haben. Daraus ergibt sich ein klarer Weg, meine Damen und Herren!

Lernen wir doch aus den Vorgängen in Jugoslawien! Beschlüsse des Sicherheitsrates, Beschlüsse der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Beschlüsse der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa haben nichts genützt, um der Aggression der serbischen Regierung Einhalt zu gebieten. Nichts hat es genützt! Nach fünfjährigen Verhandlungen kam es genauso wie am Beginn dieser furchtbaren Auseinandersetzungen zu Massenvertreibungen der Angehörigen dieser Länder, zu Massenvergewaltigungen, zu Massenmorden. Vukovar stand am Anfang, und Srebrenica mit 8 000 ermordeten Zivilisten steht am Ende dieser furchtbaren Entwicklung.

Meine Damen und Herren! Erst als die NATO eingriff, wurde dieser Fortsetzung der Massenmorde ein Ende gesetzt. Hätte man nur zwei Jahre politisch verhandelt und dann Völkerrecht und UNO-Charta ernst genommen und eingegriffen, würden diese 8 000 Zivilisten aus Srebrenica heute wahrscheinlich noch leben.

Meine Damen und Herren! Niemand kann sich angesichts der wachsenden Zerstörungskapazität über irgendeinen militärischen Konflikt freuen oder einem Hurra-Patriotismus Beifall klatschen. Aber angesichts der furchtbaren Zerstörungskapazität sind nach Benutzung der diplomatischen und politischen Mittel, wenn es nicht anders geht, wenn Menschenwürde und Menschenrechte nicht anders geschützt werden können, eben auch militärische Mittel zum Einsatz zu bringen. Diese realistische Sicht sind wir vor allem unserem eigenen Lande schuldig.


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Mit Recht hat der französische Außenminister nach der Aggression gegen Kroatien im UNO-Sicherheitsrat festgestellt: Macht ohne das Recht führt zur Tyrannei, aber das Recht ohne Macht wird lächerlich! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube daher, daß es richtig ist, daß sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat, in der ersten Jahreshälfte 1997 einen umfassenden Bericht über alle weiterführenden Optionen zu geben (Abg. Scheibner: 1998, Herr Minister!) , der nach der Diskussion 1998 beschlußreif sein soll.

Ich glaube, daß es nützlich ist, wenn man eine solch weitreichende Entscheidung auch sorgsam überlegt. Das kann keine Ausrede für eine Verzögerung sein, das soll aber auch keine Unmöglichkeit in sich bergen, mit der Opposition zu sprechen, denn da müssen wir, glaube ich, den breiten Dialog praktizieren. Das ist unsere gute Tradition. Und Ansätze zu diesem breiten Dialog sind bereits vorhanden. Die Ausführungen des Kollegen Cap sind ein solcher Ansatz.

Bei allen anderen Fraktionen gibt es auch solche Ansätze. Wenn der politische Wille vorhanden ist, sind solche Ansätze für einen breiten Dialog gegeben. Ich weiß, Kollege Wabl, wir leben in einer sonderbaren politischen Kultur. Wenn man dem sogenannten politischen Gegner Respekt zeigt, muß man darüber nachdenken, ob ihm das nicht schadet. Auch das wird sich ändern, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich jedenfalls war überzeugt, als ich die Beobachterposition bei der Westeuropäischen Union namens der Bundesregierung erklärte und den Vertrag über die NATO-Partnerschaft für den Frieden unterschrieb, daß wir auf diesem Weg in einer breiten Diskussion der Regierungsparteien und zwischen Regierung und Opposition eine Entscheidung fällen, die uns nach außen hin mehr Sicherheit und nach innen hin wegen des gegenseitigen Respekts mehr Stabilität bringen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser.

12.53

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 350 000 Bürgerinnen und Bürger haben ein Volksbegehren unterschrieben, das sind knapp über 6 Prozent der Wahlberechtigten. Ich glaube, daß es daher notwendig ist und wir hier in diesem Hohen Hause aufgefordert sind, diese Meinung auch zu respektieren, anzuerkennen und ernst zu nehmen. Wir müssen in diesem Hause im Rahmen dieser Diskussion die darin enthaltenen Fragen ernsthaft diskutieren und debattieren. Ich bin auch der Meinung, daß es längst fällig ist, daß wir in Österreich eine umfassende sicherheitspolitische Diskussion führen, daß wir endlich dazu kommen, daß uns klar wird, in welche Richtung eine Neuorientierung der österreichischen Sicherheitspolitik erfolgen soll.

Meine Damen und Herren! Die Zeit ist reif; die Zeit ist reif für Änderungen in der österreichischen Sicherheitspolitik. Meine Damen und Herren von der Regierung! Ich sehe es als ein Versäumnis, als ein arges Versäumnis an, wenn diese notwendige Diskussion nicht aktiv und offensiv geführt wird, wenn Sie immer wieder als Zauderer dastehen, wenn Sie immer ein sehr unklares Bild davon geben, was auf uns zukommen wird beziehungsweise welche Herausforderungen es tatsächlich zu bewältigen gilt, und vor allem, wenn Sie die Fakten nicht klar auf den Tisch legen.

Meine Damen und Herren! Ich empfinde es eigentlich als Zumutung, daß von namhaften Vertretern der Regierung verschiedene Erklärungen abgegeben werden. So hat beispielsweise der Verteidigungsminister erklärt, wir könnten der Westeuropäischen Union beitreten und gleichzeitig neutral bleiben. Alle Experten sagen: Das stimmt nicht.

Oder: Der Herr Außenminister erklärte im Ausland, der NATO-Beitritt sei eine Option. Kaum war er im Inland, relativierte er das und erklärte – wie einer Pressemeldung zu entnehmen war –:


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Wenn man weiß, wie es in der NATO weitergehen wird, dann kann das Parlament in Österreich entscheiden.

Meine Damen und Herren! Wenn der Außenminister aufgrund seiner Kontakte nicht weiß, wie die tatsächliche Entwicklung laufen wird, dann tut mir dieser Außenminister wirklich leid. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haselsteiner: Er ist noch nicht lange Außenminister!)

Das ist bedauerlicherweise der Fall, und offensichtlich hat er nicht wirklich Zeit, sich um das Außenministerium zu kümmern, weil er eben zu sehr mit innerparteilichen Angelegenheiten beschäftigt ist.

Meine Damen und Herren! Wir verlangen aber – ich halte das für eine zwingende Notwendigkeit – eine umfassendere und eine ernsthafte Diskussion. Aber nicht nur in der Bundesregierung! Es wird außerdem notwendig sein, daß sich auch dieses Hohe Haus mit den Optionen, mit den Möglichkeiten der zukünftigen österreichischen Sicherheitspolitik ernsthaft auseinandersetzt. Daher meine ich, daß es wirklich sinnvoll und zweckmäßig ist, daß wir jenen Weg, den wir schon beschritten haben, nämlich als auf Antrag der Liberalen am 5. Oktober 1995 eine parlamentarische Enquete getagt hat, in deren Rahmen das Thema besprochen werden konnte, fortsetzen. Wir müssen diese Diskussion auf parlamentarischer Ebene fortsetzen und allenfalls neuerlich die Möglichkeit einer Enquete nutzen.

Meine Damen und Herren! Nun zur Frage des Volksbegehrens als solches: Ich glaube, es ist ein legitimes Anliegen, wenn verlangt wird, daß über ein bestimmtes Thema eine Volksabstimmung durchgeführt werden soll. Die Volksabstimmung ist ein Element der direkten Demokratie, und ich glaube, daß sie als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie auch notwendig ist.

Wir Liberalen sind auch der Auffassung, daß grundsätzlich jedes Thema geeignet ist, einer Volksabstimmung unterzogen zu werden, und es ist das auch legitim. Aber ich möchte eine Einschränkung machen, und zwar eine Einschränkung in die Richtung, daß das nicht zweckmäßig erscheint, wenn Fragen sehr emotional besetzt sind, wie das beispielsweise bei Fragen der Menschenrechte der Fall ist. Solche Fragen sind nicht geeignet, einer Volksabstimmung unterzogen zu werden. Ebenso verhält es sich mit Fragen, die äußerst komplex sind, und das sind meiner Meinung nach auch Fragen der Sicherheitspolitik.

Daher glaube ich, daß es notwendig ist, sich grundsätzlich zuerst politisch zu entscheiden, welche Option, welche Perspektive die beste ist, und dann diese Entscheidung einer Volksabstimmung zu unterziehen. Wir Liberalen meinen, daß eine solche Volksabstimmung dann eine sinnvolle Ergänzung zur politischen Entscheidung wäre. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es muß uns aber klar sein, daß verfassungsrechtlich keine Notwendigkeit besteht, die Frage der Aufgabe der Neutralität einer Volksabstimmung zu unterwerfen, weil die Neutralität kein Prinzip der österreichischen Bundesverfassung ist, Herr Kollege Wabl! Es hat auch einmal den Versuch gegeben, die Neutralität als Grundprinzip oder als ein Prinzip der Bundesverfassung zu interpretieren, aber dieser Versuch ist dann Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre wieder begraben worden.

Das heißt, folgendes ist klar: Es wäre dieses Hohe Haus auch in der Lage und berechtigt, mit einer entsprechenden Verfassungsmehrheit über die Neutralität, über das Weiterbestehen des Neutralitätsgesetzes zu entscheiden. Aber es ist eine politische Frage, und nur in diesem Zusammenhang kann man abwägen, inwieweit eine Volksabstimmung zu einer bereits getroffenen Entscheidung durchgeführt werden soll. Wir Liberalen können uns eine derartige Volksabstimmung sehr wohl vorstellen.

Wir können aber den Intentionen dieses Volksbegehrens nicht folgen, weil die Intentionen dieses Volksbegehren darauf hinauslaufen – es sollte ein Artikel 1a eingefügt werden –, daß Verhandlungen über einen Beitritt oder zu einer Assoziierung mit supranationalen Organisationen, die eine gemeinsame Verteidigungspolitik betreiben oder anstrengen, nur aufgrund einer vorhergegangenen Volksabstimmung durchgeführt werden sollen.


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Meine Damen und Herren! Wenn das gemacht wird, wenn dem zugestimmt wird, dann würde das bedeuten: Wir haben ein Denkverbot, wir haben ein Redeverbot, wir haben ein Diskussionsverbot, wir haben ein Verhandlungsverbot. – Und das kann nicht im Sinne einer verantwortungsvollen staatspolitischen Tätigkeit dieses Parlaments oder der Bundesregierung sein, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wir vom Liberalen Forum wollen daher, daß zuerst die politische Entscheidung gefällt wird, und dann, wenn diese politische Entscheidung gefallen ist, ist es unserer Meinung nach auch demokratiepolitisch legitim und durchaus auch möglich, diese Entscheidung einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Meine Damen und Herren! Nun zur Frage der Neutralität, die ja auch Inhalt dieses Volksbegehrens war – es sollte die sicherheitspolitische Option der Neutralität festgeschrieben, einzementiert und als unverrückbar definiert werden –: Ich meine, wir sollten uns wirklich ernsthaft damit auseinandersetzen. Wir finden es daher sehr sinnvoll und sehr gut, daß der Außenpolitische Ausschuß seinen Beratungen im Unterausschuß Experten beigezogen hat, und aus dem Expertenhearing dort ist eindeutig und klar hervorgegangen, daß die Neutralität Österreichs den sicherheitspolitischen Anforderungen der Zukunft nicht mehr gerecht wird. Das, meine Damen und Herren, muß man auch in der politischen Diskussion entsprechend berücksichtigen. Die Neutralität Österreichs ist nicht mehr die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Man darf in die Neutralität auch nicht mehr hineininterpretieren, als tatsächlich mit ihr gemeint war.

Meine Damen und Herren! Was war mit der Neutralität im Jahre 1995 gemeint? – Die Neutralität war als ein sicherheitspolitisches Konzept, als ein Mittel zum Zweck, als ein Mittel, die Unabhängigkeit Österreichs zu erreichen, und nicht als Selbstzweck gedacht. Diese Unabhängigkeit haben wir Gott sei Dank erreicht. Die Neutralität war ein Mittel, die territoriale Integrität Österreichs zu erreichen.

Aber die Neutralität war immer eine militärische Neutralität, weil wir uns verpflichtet haben, keinem Militärbündnis beizutreten. Aber wir waren niemals politisch neutral, wir haben uns immer zu den Grundwerten der demokratischen Gesellschaftsordnung bekannt, wir haben uns immer zur Wertegemeinschaft der westlichen Demokratien bekannt. Das muß man auch einmal eindeutig feststellen und klar sagen. Wenn wir heute im Rahmen der Europäischen Union Mitglied dieser demokratischen Wertegemeinschaft sind, dann ist es auch legitim und richtig, sich ihr auch in sicherheitspolitischen Fragen anzunähern und dieser Option näherzutreten beziehungsweise diese ins Kalkül zu ziehen.

Meine Damen und Herren! Wirtschaftlich waren wir auch nie neutral. Wir haben uns klar zur freien Marktwirtschaft bekannt, wir waren nie Mitglied beispielsweise des COMECON, und daher sollten wir, glaube ich, die Neutralität so sehen, wie sie im Jahre 1955 die Gründerväter beschlossen haben, und zwar als ein sicherheitspolitisches Konzept mit einer klaren militärischen Zielsetzung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Die Neutralität Österreichs war ein Teil der Nachkriegsordnung, war ein Teil der Sicherheitsarchitektur nach dem Jahre 1955, aber heute ist diese alte Ordnung, diese Sicherheitsarchitektur Europas überwunden. Wir haben heute völlig geänderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen, und diese können und dürfen auch nicht wegdiskutiert werden. Sie sind gegeben. Wir haben seit dem Fall der Berliner Mauer, seit dem Demokratisierungsprozeß in Osteuropa, seit der Auflösung der Sowjetunion, seit der Auflösung des Warschauer Paktes ein geändertes geostrategisches Umfeld, und das hat natürlich auch Auswirkungen in sicherheitspolitischer Hinsicht.

Wir sind – und dieser Umstand wird in dieser ganzen Neutralitätsdebatte auch immer wieder vergessen – seit Anfang des Jahres 1995 Mitglied der Europäischen Union, und die Europäische Union hat eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit einer möglichen Weiterentwicklung in Richtung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die auch auf eine gemeinsame Verteidigung hinauslaufen soll.


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Meine Damen und Herren! Die Konturen der neuen europäischen Sicherheitsordnung sind auch klar erkennbar: eine Annäherung der entscheidenden Institutionen und Organisationen auf dem europäischen Kontinent, ein Sich-Zueinanderbewegen der Europäischen Union, der Westeuropäischen Union und auch der NATO, und zwar immer auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß diese Entwicklung von uns in der Diskussion anzuerkennen und zu akzeptieren ist, daß wir alle aufgefordert sind, dies in unsere Überlegungen mit einzubeziehen, und daß wir die alten Sicherheitskonzeptionen auch hinterfragen müssen in die Richtung, ob sie noch in der Lage beziehungsweise noch geeignet sind, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Wir müssen uns fragen, welche Möglichkeiten einer optimalen Sicherheit es für unser Land im Rahmen der Europäischen Union gibt.

Daher meinen wir, daß wir aus dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union sicherheitspolitischen Nutzen ziehen sollten. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß wir vom Liberalen Forum uns zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union bekannt haben. Es war damals für uns ein ganz wesentliches Argument, warum wir der Europäischen Union beitreten sollten, der Umstand, daß die Europäische Union im Prinzip als Friedenswerk gedacht war, und wir sind nun aufgefordert, dieses Friedenswerk fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Wir sollten jetzt, wo wir EU-Mitglied sind, aus dieser unserer Mitgliedschaft den maximalen Nutzen ziehen, und dieser ist aus meiner Sicht die volle Integration Österreichs in die europäischen Sicherheitsstrukturen. Die erste Chance, die sich für diese Integration meiner Meinung ergibt, ist, weil wir Mitglied der Europäischen Union geworden sind, der Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Mit einem Vollbeitritt zur Westeuropäischen Union könnten wir vor allem ein Mehr an Sicherheit erreichen, ein Mehr an Sicherheit, das von der Bevölkerung auch gewünscht wird, und zwar vor allem im Zusammenhang mit der damit verbundenen und auch zu unserem Vorteil gereichenden Beistandsverpflichtungen. Ich zitiere in diesem Zusammenhang das Ergebnis einer Umfrage des Gallup-Institutes, nachzulesen in der "Presse": 48 Prozent der Österreicher erwarten im Falle einer Bedrohung Hilfe von Nachbarstaaten. Ich meine, daß wir diesem Sicherheitsbedürfnis der Österreicher entgegenkommen sollten, daß wir, völkerrechtlich verpflichtet, diese Unterstützung und Hilfe auch bekommen könnten, egal welches Sicherheitsszenario wir als Grundlage annehmen.

Wir glauben, daß der Beitritt zur Westeuropäischen Union möglich ist, jetzt notwendig und sinnvoll ist, und meinen, daß wir diese Chance nutzen sollten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es wird in der derzeit laufenden Debatte so gerne polarisiert: hie Neutralität, hie NATO. Dabei wird auf einen Punkt immer wieder vergessen, nämlich darauf, daß die Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der Europäischen Union über die Westeuropäische Union gemacht wird. Wir sind der Meinung, daß es sinnvoll ist, in einem ersten Schritt die europäische Dimension der Sicherheitspolitik zu stärken. Die Westeuropäische Union ist das sicherheitspolititsche Instrumentarium der Europäischen Union und jenes Instrumentarium, über das die europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität entwickelt werden soll. Genau das fordern wir im Rahmen der sicherheitspolitischen Diskussion auf europäischer Ebene.

Mir ist schon klar, daß sich mit dem Beitritt zur Westeuropäischen Union auch die Frage nach dem NATO-Beitritt stellt, und wenn der erste Schritt gesetzt ist beziehungsweise wenn wir bereit sind, den ersten Schritt zu tun, dann werden wir auch über die Frage des NATO-Beitrittes diskutieren und sehen, welche Optionen beziehungsweise welche Rahmenbedingungen sich daraus ergeben.

Es ist klar, daß es notwendig sein wird, mit dem Beitritt zur Westeuropäischen Union auch das Verhältnis zur NATO entsprechend zu definieren (Zwischenruf des Abg. Scheibner ) – lieber Kollege Scheibner, laß mich ausreden! – und klarzustellen, daß das derzeitige Verhältnis zur NATO im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" nicht ausreichend ist und daß es daher


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notwendig sein wird, dieses schlampige Verhältnis – gestatten Sie mir diesen Vergleich – dann in geordnete Beziehungen überzuleiten und umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch darauf hinweisen, daß wir, weil wir für den Beitritt zur Westeuropäischen Union sind, auch einen diesbezüglichen Antrag eingebracht haben. Ich meine, daß es sinnvoll und notwendig gewesen wäre, Kollege Spindelegger, auf europäischer Ebene frühzeitig zu signalisieren, daß wir bereit sind, auch solidarisch an einem europäischen Sicherheitssystem teilzunehmen. Daher haben wir vorgeschlagen, daß wir bereits vor Beginn der Regierungskonferenz der EU uns klar positionieren. Wir haben als Mitglied der Europäischen Union die Möglichkeit, die Entwicklung der Westeuropäischen Union beziehungsweise die Entwicklung der Europäischen Union in eine bestimmte Richtung zu lenken, sie so, wie wir es uns vorstellen, mitzugestalten, mitzubestimmen und auch mitzuentscheiden. Das war die Motivation beziehungsweise der Grund, warum wir diesen unseren Antrag eingebracht und gestellt haben. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend: Leider Gottes nehmen die Regierungsparteien die Chance, heute vielleicht doch einen Schritt in der sicherheitspolitischen Debatte weiterzukommen, nicht wahr. Es wird wiederum ein sehr weich formulierter Entschließungsantrag eingebracht, ein Entschließungsantrag, der nichts Konkretes aussagt. Er enthält eine nichtssagende Entschließung. Wir werden daher diesen Ihren Entschließungsantrag ablehnen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Das Wort hat nunmehr Herr Abgeordneter Schieder.

13.11

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist schon darauf hingewiesen worden: Mehr als 350 000 Österreicherinnen und Österreicher haben das Neutralitäts-Volksbegehren unterzeichnet. Es ist daher geboten – und es ist auch eine Frage der demokratiepolitischen Kinderstube –, den Gegenstand der Verhandlung hier, nämlich dieses Neutralitäts-Volksbegehren, nicht bloß zum Anlaß zu nehmen, nicht bloß zum Aufhänger zu nehmen, eine allgemeine sicherheitspolitische Debatte durchzuführen, sondern auch in den Gegenstand selbst einzugehen.

Wir haben schon in der Begründung des Antrages, der im Ausschuß beschlossen wurde, darauf hingewiesen, daß das politische Anliegen dieser mehr als 350 000 Österreicherinnen und Österreicher sehr ernst zu nehmen ist, und daß es die Aufgabe des Außenpolitischen Ausschusses war, das Volksbegehren nicht nur politisch zu werten – und in diesem Punkt nehmen wir es ernst –, sondern auch rechtlich und legistisch zu beurteilen.

Zu dieser Frage wurden im Unterausschuß des Außenpolitischen Ausschusses in öffentlicher Sitzung namhafte Universitätsprofessoren gehört, und zwar Universitätsprofessor Dr. Manfred Rotter, Universitätsprofessor Dr. Schindler aus der Schweiz und Universitätsprofessor Dr. Heinrich Schneider.

Meine Damen und Herren! Mit großer Mehrheit kam der Ausschuß zur Auffassung, daß der von den Initiatoren des Volksbegehrens vorgelegte Gesetzestext aus verfassungsrechtlichen und formallegistischen Gründen, so sehr wir ihn politisch wertvoll werten, nicht tauglich ist. Am deutlichsten führte dies Professor Manfred Rotter aus, als er zur Frage des Artikels Ia Abs. 1, nämlich dem Unterlassungsauftrag an die Bundesregierung, bemerkte – und ich zitiere ihn –: Dieser Vorschlag des Volksbegehrens enthält keinerlei Klärung, Präzisierung oder gar Erweiterung der durch das zitierte Neutralitätsgesetz bereits geschaffenen Rechtslage, die den Aufwand einer Novellierung rechtfertigen könnte. Alle normativen Elemente dieses Teiles des Novellierungsvorschlages sind im Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs ausreichend, wenn nicht zweckdienlicher vorgegeben.

In Verbindung mit Artikel II, nämlich der Beauftragung der Bundesregierung mit der Vollziehung dieses Gesetzes, bemerkte Universitätsprofessor Rotter, daß die Verpflichtung der Bundesregierung, das Neutralitätsgesetz zu beachten, über jeden Zweifel erhaben klargestellt ist, eine Novellierung also entbehrlich ist. Für den Fall, daß die Betreiber des Volksbegehrens der


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Meinung seien, daß die Bundesregierung diese Verpflichtung bereits verletzt hätte, sagte Professor Rotter, sei der Hinweis gestattet, daß ein Aufdoppeln der bestehenden eindeutigen und klaren Rechtslage keine Sanktionswirkungen zu entwickeln vermag und somit auch aus dieser Sicht verfehlt ist.

Ändert also, meine Damen und Herren, Artikel Ia Abs. 1 die bestehende Rechtslage des Neutralitätsgesetzes nicht, so würde der des weiteren vorgesehene Artikel Ia Abs. 2 sehr wohl die Rechtslage verändern. Da verlangen die Antragsteller nicht bloß, wie es in den Medien wiedergegeben wurde, daß eine Volksabstimmung durchzuführen wäre, falls Österreich einer Organisation oder einem Bündnis der gemeinsamen Verteidigungspolitik beitreten oder einen solchen Beitritt anstreben würde, sondern auch, daß die Frage der Verhandlungen darüber einer vorherigen Volksabstimmung zu unterziehen wäre. Dagegen sprachen sich alle Universitätsprofessoren aus. Herr Professor Schneider hat vor diesem Verhandlungs- oder sogar Denkverbot, wie er es nannte, den Ausschuß ausdrücklich gewarnt.

Professor Rotter hat darauf verwiesen, daß diese Vorgangsweise, eine Volksabstimmung über diese Frage vorzusehen, wahrscheinlich wieder einer Volksabstimmung im Sinne des Artikels 44 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bedürfte, und er hat weitere Mängel angeführt und dann gesagt, daß aufgrund dieser inhaltlichen Mängel schon allein aus formallegistischen Gründen auch in diesem Punkt dem Novellierungsantrag nicht gefolgt werden solle. Dabei muß man fairerweise darauf hinweisen, daß er angemerkt hat, daß er eine Volksabstimmung, auch wenn sie verfassungsrechtlich nicht geboten sei, demokratiepolitisch für eine Selbstverständlichkeit hält. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Hochverehrter Herr Kollege! Um in der militärischen Sprache auf Ihren Zwischenruf einzugehen: Ihr Zwischenrufgeschütz ist entweder schlecht justiert oder falsch bedient, es arbeitet zu laut und es trifft daneben. Also denken Sie bitte darüber nach, oder üben Sie sich in dieser Frage. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Kollege Schieder, wie lange haben Sie das jetzt schon vorbereitet, dieses Zitat?)

Sie werden sich wundern: Erstens wäre für eine Vorbereitung keine Chance, und zweitens fällt mir auch aus der Situation etwas ein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das hat sich nicht so angehört!)

Meine Damen und Herren! Um aber zu der Frage der Volksabstimmung zurückzukommen: Ein künftiger Gesetzgeber wird diese Frage, falls sie sich für ihn stellen sollte, in der Zukunft einmal zu beurteilen haben. Wir binden ihn aber heute nicht verfassungsrechtlich in eine Richtung, sondern überlassen ihm selbst dann die zu treffende demokratiepolitische Entscheidung.

Zusammenfassend und klarstellend, meine Damen und Herren: Das Ablehnen des Volksbegehrens ist aus den genannten Gründen keine politische Wertung, kein Entscheid über unsere Neutralität in die eine oder andere Richtung und schon gar nicht ein Abgehen von der Neutralität selbst.

Die Neutralität hat unserem Land viel gebracht, sie wird von der Mehrheit der Österreicher getragen und hat – im Gegensatz zu anderen Ländern, so meine ich – auch in der heutigen Zeit für unser Land noch Bedeutung. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie ist dann lebendig, wenn wir sie lebendig machen! Sie hat dann Inhalte, wenn die Österreicher darunter etwas verstehen! Und wenn Sie meinen, das verpflichtet uns zu einer gewissen Verantwortung für die Welt, zu einer Friedenspolitik, dann sage ich Ihnen: Selbst dann, wenn das rechtlich nicht geboten ist, ist es demokratiepolitisch sehr, sehr gut, wenn die Menschen eines Landes für diese Ziele in der Welt eintreten! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Rechtlich ist es mit der Reduktion auf den innersten Kern der Neutralität, nämlich mit der Verweigerung der Kriegsbeteiligung und der uneingeschränkten Mitgliedschaft bei der EU und ihren Gemeinschaften, möglich geworden, im Gegensatz zu anderen neutralen Staaten von Anfang an voll und aktiv an Friedensmaßnahmen teilzunehmen. Aber schon vorher hat die Neutralität uns nicht daran gehindert, aktiv und solidarisch an Frie


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densmaßnahmen der UNO teilzunehmen, und zwar auch im Rahmen der KSZE, jetzt OSZE, und im Europarat.

Vielleicht sind wir in manchen Fragen einen eigenen Weg gegangen. Ein namhafter Experte auf diesem Gebiet hat einmal – ich weiß nicht, ob er es lobend oder kritisierend oder nur beschreibend gemeint hat – in Anlehnung an das Lied "I did it my way" unsere Vorgangsweise die "Frank-Sinatra-Neutralität" genannt. – Wir sind jedenfalls auch im Einklang mit anderen Ländern unseren Weg gegangen, und dieser Weg hat unserem Land geholfen, er war gut für unser Land. Meine Damen und Herren! Er ist auch noch gut für unser Land – und das sollte ja unser oberstes Ziel sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig zum Neutralitätsgesetz ist uns ein Antrag des Liberalen Forums auf sofortige Mitgliedschaft bei der WEU vorgelegen. Der Ausschuß konnte sich diesem Antrag mehrheitlich nicht anschließen.

Es liegt ein Entschließungsantrag vor, von dem manche sagen, er brächte nichts Neues. Tatsächlich wollte er auch nichts Neues bringen, sondern er wollte auf der Linie des Koalitionsabkommens, auf der Linie der Regierungserklärung Klima liegen. Er beauftragt die Bundesregierung, das zu tun, was sie vorhat, nämlich die Optionen zu prüfen und dem Parlament zu berichten.

Manche meinten in dieser Debatte, wir sähen in der NATO etwas Schreckliches. – Ich möchte betonen, meine Damen und Herren, daß die Veränderungen in der NATO von uns mit großer Aufmerksamkeit und auch Zustimmung verfolgt werden. Die Zunahme der Bedeutung von Konsultationsmechanismen, Krisenmanagement, humanitären Aktionen, Friedensschaffung im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden", aber auch der Combined Joint Task Forces bei den Fällen, die nicht unter Artikel 5 fallen, wird von uns ausdrücklich begrüßt. Österreich kann an vielen dieser neuen Aufgaben teilnehmen und tut das auch schon – auch ohne Mitglied der NATO und/oder der WEU zu sein.

Meine Damen und Herren! Ich sage es noch einmal: An all den wichtigen Aktionen, die für eine Mitgliedschaft ins Treffen geführt werden, können wir solidarisch teilnehmen. Der springende Punkt einer Mitgliedschaft ist der Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 6. (Abg. Scheibner: Das ist etwas Positives für uns!) Wir sehen, daß er an Bedeutung in der NATO verliert. Wir sehen, daß die alten Strukturen, die früher ausschließlich seinen Zielen dienten, zugunsten der neuen Handlungsmöglichkeiten zurückgedrängt werden. Aber er gilt noch – und in verschärfter Form auch in der WEU –, und das ist meiner Auffassung nach der rechtliche Prüfstein einer Organisation am Wege vom Militärbündnis zum Sicherheitssystem.

Der politische Prüfstein in Europa wird aber auch darin liegen, wieviel uns Sicherheit für alle bedeutet. Eine Erweiterung im Namen einer größeren Sicherheit, die zugleich auch neue Unsicherheit – zum Beispiel durch Rußland – schafft, kann einen unabsehbaren Rückschritt bedeuten.

Meine Damen und Herren! Es liegt kein Grund vor, innerstaatlich vorschnell und ohne die Entwicklung der nächsten Monate, in denen wichtige Sitzungen stattfinden, zu kennen, eine inhaltliche Festlegung anzupeilen. Dies umso mehr, als selbst jene Experten im Bereich der Landesverteidigung, die seit Jahren den sofortigen NATO-Beitritt verlangen – wie zum Beispiel jener Sektionschef, mit dem ich vor Tagen im Fernsehen diskutiert habe, oder jener Experte der Landesverteidigungsakademie, der in unserer Ausschußsitzung war –, uns bis heute nicht sagen können, wie hoch die Kosten eines Beitritts sein werden. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Der Sektionschef sagt, es wird nicht viel sein, wahrscheinlich einige 100 Millionen Schilling. Der Experte im Ausschuß sagt, es wird so quasi ein Mitgliedsbeitrag in Höhe von 1 bis 2 Milliarden sein. – Klar ist, daß man, wenn man etwas Derartiges vorhat, auch prüfen muß, ob man das wirklich will, was es bringt und was es kostet – und zwar in politischer Hinsicht, in finanzieller Hinsicht und auch in vielerlei anderer Hinsicht. (Abg. Dr. Graf: Die Frage ist: Was ist einem die Sicherheit wert?)


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Wenn Sie sagen, die Vorbereitung sei schlecht, dann muß ich Ihnen entgegenhalten, daß nicht einmal die Protagonisten in ihrem ureigensten Gebiet sagen können, wie die Vorbereitungen zum Beispiel auf dem Sektor der Finanzen aussehen. Das sollte einem doch auch zu denken geben, meine Damen und Herren. (Abg. Scheibner: Das ist doch fragenabhängig, Herr Kollege! Das muß man erst verhandeln!)

Hohes Haus! Die Sozialdemokratie hat unlängst ihre Positionen zur Außen- und Sicherheitspolitik neu festgehalten und festgestellt, daß Österreich – ähnlich wie Schweden, Finnland oder Irland – den Vorteil hat, keinem Militärpakt anzugehören, niemanden zu bedrohen und auch von niemandem bedroht zu werden. Diese Chance wollen wir nutzen und im Interesse einer gesamteuropäischen Sicherheit ausbauen.

Wir wollen ein europäisches Sicherheitssystem. Wir wollen alles tun, damit es zu keiner neuen Spaltung Europas kommt. Wir wollen eine neue Blockbildung vermeiden, weil wir wissen, daß die Sicherheit Europas die Sicherheit für die einzelnen Staaten, und zwar für alle Staaten Europas, voraussetzt. Die Sicherheit der einzelnen Staaten kann am besten in einem sicheren Europa ohne neue Gräben und Trennlinien gedeihen und gewährleistet werden.

Meine Damen und Herren! Die Herausforderung der Jahrhundertwende, an der wir stehen (Abg. Jung: Jahrtausendwende!) , ist nicht mehr, wie in der Vergangenheit, Kriege zu gewinnen. Wir müssen all unsere Kraft, all unsere Fähigkeiten, alles einsetzen, um Kriege zu verhindern . – Das ist die wirkliche Aufgabe der Sicherheitspolitik in unserer Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten.

13.28

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Minister, pardon, Frau Staatssekretärin! Jetzt hätte ich Sie schon fast zur Ministerin gemacht. Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schieder, trotz allen Bemühens, das Sie in Ihrer Rede vorhin etwas strapaziert haben, die Glaubwürdigkeit der Sozialdemokratie in der Frage der Neutralität zurückzugewinnen, muß ich Ihnen sagen, daß Ihre Rede zeitweise wie eine Beschwörungsformel geklungen hat, und zwar so wie die Beschwörung der bösen Schlange, die da aus dem Korb aufsteigt, wie man das immer auf dem Bild sieht. Man hatte den Eindruck, Sie stehen halt da und sagen: Wir wollen die Neutralität! Sie ist ja das Beste, und wir haben ja nie etwas anderes gewollt.

Auf der anderen Seite aber – und damit haben Sie in Ihrer Rede ja begonnen, und das war ja auch Ihre Position im Ausschuß – stützen Sie sich in Ihrer Argumentation in erster Linie auf die Expertenmeinungen und auf die legistische Interpretation eines Vorschlages. Da lassen Sie sehr schnell die eigentliche politische Diskussion beiseite, die unserer Meinung nach hier im Haus stattfinden sollte und nicht irgendwo anders, nicht zufällig und auch nicht für eine Stunde, nicht für zwei Stunden, nicht anläßlich irgendeiner Dringlichen Anfrage oder dann, wenn es Ihnen gerade wieder paßt, sondern hier und jetzt! Ab jetzt bis zum Frühjahr 1998 sollte unserer Meinung nach die politische Diskussion laufen, und zwar hier im Haus, zum Beispiel bei einer Enquete-Kommission. Dabei sollten sich die Abgeordneten vor allem ein eigenes Bild machen und nicht ihre Meinungsbildung so quasi an die Bundesregierung delegieren und abschieben, die ja, wie wir sehen und wie hier oft gesagt worden ist, in den letzten Monaten etwas in die Irre gelaufen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Es paßt daher auch ganz gut, mit einem Zitat unseres früheren Bundespräsidenten zu beginnen, der ja über alle Parteigrenzen hinweg sehr geschätzt ist.

Er hat uns im Februar dieses Jahres folgendes zur Frage der Neutralität und des Volksbegehrens zur Neutralität geantwortet – ich zitiere –:

"In der Sache selbst", schreibt Herr Dr. Kirchschläger, "geht meine Erfahrung dahin, daß sich die positive Auswirkung und die Ausstrahlung einer immerwährenden Neutralität nicht nach der innerstaatlichen Gesetzgebung des Neutralen richtet, sondern danach, ob die übrigen Staaten


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daran glauben, daß der Neutrale gewillt und in der Lage ist, seine Neutralität einzuhalten und sie auch in Zukunft zu praktizieren. Diese internationale Glaubwürdigkeit der Neutralität ist in Österreich weitgehend verlorengegangen."

Sehen Sie, genau das ist der Punkt! Sie hören sich im Ausschuß Expertenmeinungen an, dann stellen Sie sich hier heraus und zitieren die Universitätsprofessoren, aber Sie vergessen, daß es um die politische Glaubwürdigkeit, die Österreich hat oder nicht mehr hat, geht, und zwar in einem internationalen Zusammenhang, in der Außenpolitik, in Österreichs internationalen Verpflichtungen.

Sie haben in Österreich und im Ausland im letzten Jahr eine Salami-Taktik praktiziert, die ihresgleichen sucht: Sie sagen einmal ja zur NATO, einmal ja zur WEU – egal, ob das Fasslabend, ob das Khol oder ob das Schüssel sagt, gleichgültig, ob das Klima sagt, mit einem zögerlichen: Naja, wenn sich einmal etwas ändert, dann vielleicht doch!, oder vorher schon Vranitzky oder auch Kostelka. (Abg. Schieder: Bei einer Salami-Taktik schneidet man aber nicht verschiedene Würste in kleine Scheibchen, sondern immer nur dieselbe Wurst! Der Kommunist Rakosy hat das erfunden!) – Sie haben verschiedene Salamiarten! Da gibt es inzwischen viele Arten, und Sie schneiden immer wieder ein Scheibchen ab. Aber dann, wenn es zu brenzlig wird, stellen Sie sich hier heraus und sprechen Ihre Beschwörungsformeln, Sie seien ja ohnehin immer für die Neutralität gewesen und seien auch heute noch dafür. (Beifall bei den Grünen.)

Gleichzeitig wird aber – das ist auch schon gesagt worden – eine Verschleierungstaktik praktiziert. Im Ausschuß hat zum Beispiel Herr Minister Schüssel in einer sehr eindrucksvollen Rede dargestellt, was seiner Meinung nach umfassende Sicherheitspolitik ist. Dabei kann ich ihm in allem und jedem nur recht geben. Wenn er von umfassender Sicherheitspolitik spricht, dann meint er viel mehr als nur ein Militärbündnis: Da geht es um Krško, da geht es um Drogenpolitik, da geht es um Fragen wie Osttimor, und vieles andere mehr. All das muß man sehen in einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. – Ich kann nur sagen: Völlig richtig!

Allerdings frage ich mich dann, warum er und die meisten Minister, nämlich nahezu alle ÖVP-Minister, auch der frühere Außenminister, dann hier heraußen stehen und ihrerseits eine Beschwörungsformel sprechen, die etwas anders lautet, nämlich so: Da müssen wir mitmachen! Da können wir nicht am Rande stehen! Da können wir nicht zuschauen! Das ist wichtig, das ist jetzt wirklich das Wichtigste für diese gemeinsame Sicherheitspolitik. – Ganz entgegen den Ausführungen Ihres Außenministers im Ausschuß wird aber hier wieder reduziert auf die ausschließliche militärische Option.

Kommen Sie auch nicht mit folgendem: Versuchen Sie nicht, uns zu erklären, daß die NATO jetzt ein Friedensbündnis sei oder daß sich irgendetwas in der NATO geändert hätte. – Es hat sich überhaupt nichts geändert! Das einzige, was sich seit jenem berühmten und von Ihnen so oft zitierten NATO-Gipfel verändert hat, ist nur, daß es jetzt auch auf europäischer Ebene möglich ist, regionale Einsätze durchzuführen, und zwar mit Hilfe der WEU, die dann der europäische Arm der NATO sein wird.

Wenn Herr Kollege Moser hier steht und von einem WEU-Beitritt träumt und dabei völlig außer acht läßt, daß das der Briefkasten für die NATO ist, dann frage ich mich: Wollen sich die Liberalen wirklich mit dem Status einer Postkarte in einem Briefkasten zufriedengeben? (Abg. Scheibner: Kann sein!) Ist Ihre Politik sozusagen auf eine Grußkarte reduziert? Das klingt nach dem Motto: Da wollen wir auch dabei sein!, aber was das eigentlich ist und welche Briefkastenfirma dahinter steht, das interessiert Sie offensichtlich nicht mehr, das schieben Sie zur Seite, das tangiert Sie nicht. Dabei ist das das einzige, was sich bei diesem NATO-Gipfel geändert hat, den Sie so oft zitieren, um uns und vor allem der Bevölkerung weiszumachen, das Ganze wäre jetzt etwas völlig anderes. – Keine Rede davon!

Einerseits fragt der frühere Minister Kollege Mock: Wieso nehmen wir so viel Rücksicht auf Rußland, das wird sich wohl selbst zu verteidigen wissen?, und auf der anderen Seite spricht Herr Kollege Haider mit sehr entwaffnender Offenheit einmal das aus, was hinter den Kulissen ohnehin die ganze Zeit läuft, nämlich: Geben wir diesen Ländern doch die NATO-Oster


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weiterung, dann geben sie vielleicht endlich Ruhe, wenn es um die wirtschaftlichen Fragen geht, nämlich um die EU-Osterweiterung.

All das wirft eigentlich die Frage nach der zukünftigen europäischen Entwicklung auf, und zwar im Sinne einer umfassenden Sicherheitspolitik. Das, was Sie, Herr Mock, betreiben, und auch das, was Herr Haider betreibt, ist eine völlig einseitige, einäugige und höchst gefährliche Art von europäischer Politik und umfassender Sicherheitspolitik, denn eine wirklich umfassende Sicherheitspolitik umfaßt sehr wohl auch die wirtschaftliche Entwicklung jener Länder, die nicht in dem Maße entwickelt sind wie wir, gerade jener Länder, die mit Arbeitslosenzahlen und massiven wirtschaftlichen Problemen kämpfen. Aber das schieben Sie offensichtlich zur Seite und sagen: Das interessiert uns nicht, jetzt basteln wir einmal an dieser europäischen Sicherheitsarchitektur, und dann werden wir schon sehen. Diese Länder werden schon damit zufrieden sein, daß sie irgendwo dabei sind. Das andere brauchen wir nicht, das können wir uns ohnehin nicht leisten, und folglich brauchen diese Länder das auch nicht. – So schaut diese zynische Politik der Regierungskoalition aus! Es wurde hier halt einmal offen ausgesprochen: Das steht dahinter. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Moser hat auch gesagt, man könne zu allen möglichen Themen eine Volksabstimmung machen, das sei ja richtig und wichtig, aber zu so emotionellen, so heiklen, sensiblen und komplexen Themen solle man lieber keine Volksabstimmung machen. Das sei so ähnlich wie bei der Todesstrafe und den Menschenrechten. Die Sicherheitspolitik sei auch solch ein sensibler Bereich, da solle man das nicht machen.

Herr Abgeordneter Moser! Sie scheinen völlig zu vergessen, daß es dabei nicht um eine Frage geht, die man sozusagen "aus dem Bauch heraus", nach dem Gefühl entscheiden kann, sondern da geht es um ein Verfassungsgesetz! Es geht um eine Verfassungsbestimmung, die da einfach irgendwie, ohne Federlesen, ohne Befassung des Parlaments, geändert oder weggewischt werden soll. Um diese Frage geht es. Es geht auch nicht nur darum, daß das Parlament nicht eingebunden ist, sondern darum, daß, wenn es um die Änderung der Bundesverfassung geht, natürlich eine Volksabstimmung durchgeführt werden muß!

Stellen Sie sich bitte nicht hier heraus und tun Sie nicht so, als wäre das eine so furchtbar unangenehme und emotionelle Frage. Das entblößt ja wirklich nur Ihre Unkenntnis dessen, was die Neutralität ist, und zeigt nur auf, aus welcher Richtung Sie eigentlich kommen. (Beifall bei den Grünen.)

Wie hat denn die Antwort der Bundesregierung auf diese berechtigte Sorge einiger Hunderttausend Österreicherinnen und Österreicher, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, gelautet? – Dabei gebe ich Ihnen in einem recht: Das Volksbegehren mag unglücklich formuliert gewesen sein, und es hätten noch viel mehr Menschen unterschrieben, wenn es möglich gewesen wäre, eine Formulierung zu finden, die das ausdrückt, was der Inhalt der Besorgnis ist. Aber das ist ja die Schwierigkeit bei der Salami-Taktik, die ich beschrieben habe: daß man kaum auf legistische Art und Weise in einem Gesetztestext ausdrücken kann, worum es geht. Aber daß es in Ihrer Politik darum geht, daß praktisch täglich die Positionen verschoben und gewechselt werden, das haben schon sehr viele Menschen in Österreich mitbekommen. Mit diesen berechtigten Anliegen, mit diesen berechtigten Sorgen und mit dieser berechtigten Besorgnis geht diese Regierungskoalition in einer ganz eigenartigen Art und Weise um.

Sie scheinen ja auch zu vergessen, daß im Zuge des Beitrittes zur Europäischen Union der Bevölkerung viele Versprechungen gemacht, aber keine eingehalten worden sind. Und eines dieser Versprechen hat zum Beispiel gelautet: An der Neutralität wird nicht gerüttelt werden. Das war ja auch der Grund dafür, daß so viele Menschen dieses Volksbegehren unterschrieben haben. Aber was sagen Sie von ÖVP und SPÖ dazu? – Sie erklären in einem Antrag, das politische Anliegen der mehr als 350 000 Unterzeichner des Neutralitätsvolksbegehrens sei ernstzunehmen, und stellen dann den Antrag, daß die Bundesregierung alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen prüfen soll, insbesondere die Vollmitgliedschaft Österreichs bei der WEU.


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Diesen Zynismus muß man einmal aufbringen, das muß ich schon sagen – ganz egal, welche Meinung man zu den sicherheitspolitischen Optionen hat, über alle Grenzen hinweg. Darüber müßten Sie sich eigentlich im klaren sein. Einige Hunderttausend unterzeichnen ein Volksbegehren, und Sie beantworten das auf die Art – gerade in dieser Hinsicht haben die Menschen Sorge –, daß die Frage der Neutralität im nächsten Mistkübel landet, da die Bundesregierung die Vollmitgliedschaft in der Westeuropäischen Union prüfen soll. Das ist die zynische Antwort der Bundesregierung auf dieses Volksbegehren! (Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß schon, was dahintersteckt: Ihre Träumerei, Vollmitglied in der Westeuropäischen Union werden zu können und später auch in der NATO – mit einem Sondervertrag, einer Sonderregelung, wie immer diese auch aussehen mag, was die Beistandspflicht betrifft. Die Beistandspflicht ist ja etwas wirklich Lästiges, ist in der Tat jener Bereich, der stört, wenn man die Neutralität auch noch beachten will. Und beachten muß man sie ja wohl, da sie so viele Österreicher als wichtiges Faktum sehen.

Sie sagen: Da prüfen wir halt einmal, da treten wir einmal bei, da verhandeln wir einmal, und das mit der Beistandspflicht wird sich schon irgendwie regeln. Sie gehen in der Art und Weise wie auch schon in den letzten eineinhalb Jahren vor: Sie haben die Neutralität verletzt, indem Sie mit der NATO die "Partnerschaft für den Frieden" eingegangen sind, da die "Partnerschaft für den Frieden" ganz klar als Vorstufe der Mitgliedschaft in der NATO gesehen wird, auch von der NATO selbst so interpretiert und gesehen wird, da die "Partnerschaft für den Frieden" die Ausrichtung der nationalen Verteidigungseinrichtungen, die wechselseitige Transparenz bei den Verteidigungsplanungen und so weiter bereits vorsieht.

Sie haben die Neutralität durch den Beobachterstatus, den wir bei der Westeuropäischen Union haben, verletzt, da dieser Beobachterstatus hinsichtlich der Rechte und Pflichten mit der Vollmitgliedschaft gleichgestellt wird, vor allem im Hinblick auf die wechselseitige Informations- und Geheimhaltungspflicht – und das verletzt maßgeblich den neutralen Status eines Landes.

Sie haben die Neutralität schließlich verletzt, indem Sie diese Abkommen mit der NATO, mit der "Partnerschaft für den Frieden" – wie auch jetzt das Truppenstatut – dem Parlament überhaupt nicht zur Kenntnis gebracht haben, indem Sie eine Debatte, eine Abstimmung darüber im Parlament verweigert haben.

Daher stellen wir folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Zuleitung neutralitätsgefährdender Staatsverträge mit NATO und WEU ans Parlament

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, folgende neutralitätsrechtlich relevante Verträge und Übereinkommen dem Parlament zur Debatte und Beschlußfassung vorzulegen:

1. den am 10. 2. 1995 abgeschlossenen Vertrag zwischen Österreich und der NATO über die "Partnerschaft für den Frieden";

2. das am 12. 11. 1996 vom Ministerrat angenommene "Sicherheitsabkommen mit der WEU";

3. das am 16. 1. 1997 von Außenminister Schüssel und dem NATO-Generalsekretär Solana unterzeichnete NATO-PfP-Truppenstatut ("Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantik-Vertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen").

*****


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Unserer Meinung nach sind diese Vorlagen dringend dem Parlament vorzulegen, es hat darüber eine Debatte stattzufinden. Wir sind der Meinung, diese Vereinbarungen verletzen die Neutralität, und es sollten darüber eine politische Debatte und eine Einschätzung stattfinden! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Mag. Kammerlander vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

13.44

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst mit dem Wesen des in Verhandlung stehenden Volksbegehrens auseinandersetzen.

Ich persönlich habe größte Hochachtung vor allen Personen, die das Volksbegehren initiiert haben, und vor allen, die es unterzeichnet haben – vielleicht aufgrund einer ganz persönlichen Einschätzung der Neutralität, der Erklärung der Neutralität im Jahr 1955 und der damit verbundenen Freiheit Österreichs von Besatzungsmächten.

Ich bin durch mein Elternhaus geprägt: Meine Eltern haben unter der Naziherrschaft gelitten, aber im besetzten Niederösterreich auch unter der russischen Besatzung. Und ich weiß daher aus den Diskussionen in meiner Familie ganz unmittelbar, wie sehr die Neutralität damals auch mit der Freiheit Österreichs verbunden war, und zwar in einem ganz emotionalen Sinn.

Ich habe daher Hochachtung vor den Unterzeichnern, möchte für meine Generation aber in Anspruch nehmen, daß jene, die jetzt in dieser Gesellschaft das tragen, was diesen Staat ausmacht, auch ein Recht darauf haben, ihre Sicherheitspolitik für die nächsten Jahre selbst zu bestimmen (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler ) und nicht in dem verhaftet zu sein, was früher gewesen ist.

Ich glaube, daß es, da sich auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik derzeit soviel tut, sicher schlecht wäre, sofort der NATO beizutreten oder zu erklären: Egal, was passiert, wir werden auf jeden Fall neutral bleiben!

Es tut sich etwas im Rahmen der Regierungskonferenz der Europäischen Union, es geht um ein neues Verhältnis dieses Triangels von Europäischer Union, Westeuropäischer Union und NATO – wie immer das ausgehen wird. Es schaut so aus, als würde in der Europäischen Union eine Planungszelle herauskommen, als würde die Westeuropäische Union vielleicht einmal mit der Europäischen Union verschmolzen werden.

Es zeigt sich auf der anderen Seite eine NATO-Neu – "neu" im Sinne von neuen Mitgliedern. Aber als Generalsekretär Solana im Parlament war, hat er sehr wohl auch neue Zielsetzungen, neue Strukturen angesprochen, die damit einhergehen werden.

Drittens dürfen wir nicht vergessen, daß die UNO mit der Politik der letzten Jahre, mit Beschlüssen des Sicherheitsrates sehr aktiv in das Weltgeschehen eingegriffen hat – auch das haben wir vorher nicht gekannt.

Es tut sich also etwas auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik, und in diesem Jahr werden wichtige Termine stattfinden, die uns einen nächsten Schritt erleichtern werden.

Ich möchte aber aus Anlaß des Volksbegehrens folgendes klar festhalten: Ich halte es für sehr schlecht, daß wir uns jetzt die Hände selbst fesseln, daß wir nicht nach vor und nicht zurück schauen dürfen, nicht rechts und nicht links ausweichen dürfen, wie manche Fraktionen es in


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diesem Haus vorhaben. Denn Sicherheitspolitik ist, wie Alois Mock gesagt hat, eine Frage sehr langfristiger Einschätzung von Strukturen und etwas, wo man sehr verantwortungsvoll in die Zukunft blicken muß.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nun mit dem Antrag des leider abwesenden geschätzten Kollegen Moser auseinandersetzen. Er hat diesen Antrag auch heute verteidigt, ich möchte dazu aber folgendes klar festhalten – wenn man den Antrag liest, ergibt sich das eigentlich von selbst –: Es heißt im Antrag: Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend mit der Westeuropäischen Union in Verhandlungen bezüglich eines Vollbeitritts Österreichs zu treten und bis spätestens zum Ende der im März 1996 beginnenden EU-Regierungskonferenz die Beitrittsverhandlungen abzuschließen. (Abg. Scheibner: Das kannst du ihm aber nicht vorwerfen, wenn der Antrag ein Jahr lang nicht behandelt wird!)

Lieber Kollege Scheibner! Dazu möchte ich auch etwas sagen: Dieser Antrag der Liberalen ist am 28. Februar 1996 eingelangt (Abg. Scheibner: Das ist ein Jahr nicht behandelt worden!)  – das kann man nachlesen –, und bis zum Beginn der Regierungskonferenz – sie hat im März 1996 begonnen – sollten die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen sein. Ich glaube, das spricht für sich! (Abg. Scheibner: Wenn man sich bemüht hätte, schon!)

Der Antrag ist ein Jahr lang nicht behandelt worden, aber dennoch, glaube ich, brauchen wir uns heute nicht darüber zu unterhalten, ob man einem solchen Antrag zustimmen kann. – Man kann ihm nicht zustimmen, das möchte ich damit festhalten! (Beifall bei der ÖVP.)

Bei dieser Gelegenheit darf ich Kollegen Moser auch folgendes mitgeben: Man braucht nicht zu sagen, wie gut die eigene Verhandlungsposition ist, wenn man sich selbst eine Frist von nicht einmal einem Monat setzt, bevor man Verhandlungen beginnt. Ich glaube daher, Kollege Moser, daß dieser Antrag zwar vielleicht gut gemeint ist, aber von der Intention her auch für die Sicherheitspolitik Österreichs nicht sinnvoll erscheint.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nun ganz besonders deutlich an die Grünen wenden, von denen leider kein Abgeordneter mehr anwesend ist – aber das ist einmal so.

Es ist für mich sehr verwunderlich, wie sich die Sicherheitspolitik der Grünen gewandelt hat. Die Grünen versuchen, den Begriff der Neutralität, den keiner mehr so richtig will, jetzt für sich in Anspruch zu nehmen, und sagen: Wir sind die ersten Kämpfer für die Neutralität. Und das vor folgendem Hintergrund: Die Grünen, die in Österreich immer eine militärische Landesverteidigung abgelehnt haben, die zu Fragen der Landesverteidigung im umfassenden Sinn immer ein wirklich gestörtes Verhältnis hatten, versuchen, uns jetzt klarzumachen, daß sie die Wahrer und Schützer der Neutralität Österreichs sein werden. Und das, meine Damen und Herren, obwohl im Neutralitätsgesetz nicht nur steht, daß man keinen anderen Bündnissen beitreten soll, sondern im ersten Absatz klipp und klar auch verankert ist, daß zum Zweck der Unverletzlichkeit des Gebietes Österreichs dieses Land mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen ist.

Meine Damen und Herren! Ich warte ja geradezu darauf, daß die Grünen hier einen Aufrüstungsantrag für das Bundesheer einbringen, aber ich glaube, darauf werden wir lange warten – sie werden ihn nicht stellen. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Einen zweiten Punkt möchte ich anschließen – Frau Kollegin Kammerlander, ich freue mich, daß Sie wieder eingetroffen sind –: Wenn es Ihnen damals wirklich ernst war, die Abstimmung Österreichs betreffend den Beitritt zur Europäischen Union durch Ihr Ja in diesem Haus zu unterstützen, dann frage ich Sie: Welchem Bündnis sind Sie beigetreten? – Wir sind einer Europäischen Union beigetreten, die sich zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bekennt. Ich weiß nicht, welcher Europäischen Union Sie damals beitreten wollten. Wir sehen das realistisch, so, wie es ist.

In den GASP-Bestimmungen des Vertrages von Maastricht bekennt sich die Europäische Union auch dazu, in verteidigungspolitischen Fragen künftig zusammenzuarbeiten. – Das wollen Sie anscheinend nicht, aber Sie haben damals zugestimmt. Ich frage: Haben Sie Ihre damalige Zu


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stimmung widerrufen? – Nein, Sie haben es nicht. Ich nehme an, Sie stimmen dem nach wie vor zu, nur können Sie diesen Widerspruch nicht aufklären.

Ich möchte auch folgendes klar erwähnen: Dann, wenn es ernst wurde, haben Sie eine ganz andere Politik verfolgt. Als am Balkan der Krieg begann, in menschenverachtendster Weise seine Blüten zu treiben, hat Ihr Vertreter Peter Pilz verlangt, daß dort mit einer militärischen Aktion eingeschritten wird, hat Ihre außenpolitische Sprecherin verlangt, daß auch Österreich sich an militärischen Maßnahmen beteiligen soll. Ihre Neutralitätspolitik ist also: Dann, wenn es ernst wird, denken wir nicht mehr daran – aber vorher reden wir groß darüber. – Das ist keine Politik der Neutralität! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Grünen können sich wirklich nicht rühmen, ein großes und starkes Wort für sich in Anspruch zu nehmen, auf der anderen Seite aber nur das eine Detail herauspicken, das ihnen gerade angenehm ist. Das geht sicher nicht. Da Sie heute von Glaubwürdigkeit gesprochen haben, darf ich Ihnen versichern: Ihre Politik in Neutralitätsfragen ist mehr als unglaubwürdig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte zum Abschluß unseren Standpunkt noch einmal klar unterstreichen: Wir warten auf die in diesem Jahr stattfindenden wichtigen Ereignisse: auf einen Beschluß der NATO über neue Mitglieder, auf neue Strukturen dieser NATO-Neu, auf eine neue Organisationsform, wir warten auch noch ab, was die EU-Regierungskonferenz zu diesen Fragen beschließen wird, aber dann gehen wir ohne irgendein Tabu und ohne uns selbst die Hände zu fesseln daran, den für die Sicherheitspolitik Österreichs richtigen Weg zu wählen – und darin wird uns keiner beschränken! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten.

13.54

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Kollege Spindelegger hat in seinem Schlußsatz das Credo der Sicherheitspolitik der Österreichischen Volkspartei dargelegt: abwarten, zuwarten, was die anderen entscheiden, und dann vielleicht an irgend etwas teilnehmen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Du hast das nicht verstanden!) Du hast gesagt: Beobachten, abwarten, und dann überlegen wir uns, wie wir uns entscheiden. Und genau das werfen wir euch vor, Kollege Spindelegger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt ist nicht die Zeit zum Beobachten, jetzt ist nicht die Zeit zum Zuwarten und zum Zaudern, sondern es wäre jetzt endlich an der Zeit, nach sechs Jahren sicherheitspolitischer Entwicklung in Europa, auch für Österreich die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Kollege Spindelegger! Ihr sagt das ja auch im Vieraugengespräch, und – was mich immer besonders ärgert, wenn wir hier wieder darüber diskutieren – auch im Ausland wird von Vertretern der Volkspartei immer gesagt: Wir wollen in die NATO, da gibt es eine ganz klare Linie, das ist schon entschiedene Sache, wir können nur noch nicht, denn da gibt es noch ein paar Leute, die uns noch nicht so richtig lassen, aber es ist alles schon entschieden, wir machen das!

Kollege Spindelegger! Seid wenigstens so ehrlich, hier zu sagen, daß ihr das wollt, es aber noch nicht könnt oder dürft, daß das aber euer Wille wäre. Aber sagt dann hier nicht: In Wirklichkeit ist unsere Linie klar: Wir beobachten und warten. – Das ist eine unehrliche Politik, mit der ihr die ganze Zeit hier zu kämpfen habt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Mock! Ich teile selbstverständlich Ihre Analysen, die Sie gemacht haben. Und wenn Sie hier am Rednerpult stehen, erinnere ich mich auch immer daran, welchen Stellenwert die österreichische Außenpolitik unter Ihrer Führung noch gehabt hat. Ich erinnere nur an die Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien. Es war Österreich an der Spitze der demokratischen Staaten, das für die Unabhängigkeit dieser Staaten eingetreten ist. Umso mehr befürworte ich auch Ihr Angebot zum Dialog auch mit der Opposition.


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Ich verstehe nur nicht, Herr Dr. Mock, daß Sie gleich zu Beginn Ihrer Wortmeldung gesagt haben, daß Sie sich mit den Argumenten der Freiheitlichen gar nicht auseinandersetzen wollen, weil das so wie hinsichtlich des EU-Beitritts sei: Zuerst sind sie dafür, dann sind sie dagegen. – Herr Dr. Mock, das war eine Polemik, die ich von Ihnen bis jetzt nicht gewohnt war. Ich hoffe, daß das sozusagen nur durch die Linie Ihrer Partei bedingt war und nicht Ihre wahre Meinung ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Sie wissen, Herr Kollege Mock, daß die Frage EU-Mitgliedschaft eine ganz andere war, und wir merken ja leider – ich sage "leider" –, daß wir mit unseren Bedenken bezüglich der schlechten Vorbereitungen des EU-Beitritts, bezüglich des Verhandlungsergebnisses recht gehabt haben. Wäre damals die Vorbereitung besser gewesen, hätte man damals auf die Bedenken der Freiheitlichen gehört, hätten wir heute nicht diese Anti-EU-Stimmung in der Bevölkerung.

Genau darum geht es uns auch bei dieser Frage der Sicherheitspolitik, Herr Dr. Mock! Informieren wir doch jetzt – rechtzeitig! – die Bevölkerung offen und ehrlich. Führen wir offene Diskussionen, aber verschleiern und vernebeln wir nicht die Realität, und wundern wir uns nachher nicht darüber, daß wir in der Bevölkerung keine Unterstützung finden. Das wäre doch die richtige Linie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Schieder von den Sozialdemokraten hat gemeint, die Neutralität hätte nach wie vor ihren Zweck. Man vergißt dabei aber immer, dazuzusagen, welcher Zweck das ist, worin der so vielzitierte Kern der Neutralität liegt.

Kollege Fuhrmann! Vielleicht können Sie dann erklären, worin der Kern einer völkerrechtlich ernstgenommenen Neutralität für die Sicherheitsinteressen Österreichs liegt. Das hat man bis jetzt von niemandem gehört. Es wäre interessant, auch das in dieser Debatte anzuführen.

Ich bin sehr froh darüber – ich darf auch noch auf den Anlaß dieser Debatte replizieren –, daß wir durch dieses Volksbegehren, das heute auf der Tagesordnung steht, hier im Parlament endlich einmal mit einer sicherheitspolitischen Debatte beginnen; mit einer sicherheitspolitischen Debatte, die wir eigentlich längst hätten führen sollen – nicht heute, nicht gestern, sondern schon vor Jahren, meine Damen und Herren!

Kollege Haider hat es ja gesagt: 1990 haben wir als erste verlangt, die Frage der Neutralität und der Teilnahme Österreichs an Bündnissen in Europa zu diskutieren. Sechs Jahre, fast sieben Jahre hat man bei der Frage der österreichischen Haltung in diesem Bereich verloren. Aufgrund dieses Volksbegehrens ist das Parlament jetzt endlich gezwungen, auch die Regierungspositionen zu beleuchten. Denn die Fragen "Partnerschaft für den Frieden", Beobachterstatus bei der Westeuropäischen Union, all das ist ja an diesem Haus vorbeigegangen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Darüber hat es hier keine Entscheidung und auch keine Debatte gegeben.

Es wäre auch einmal interessant, darüber zu diskutieren, welchen Stellenwert die Volksvertretung in der Sicherheitspolitik einzunehmen hat, wenn Sie schon richtigerweise sagen, daß die Bevölkerung in diesem Bereich große Anteilnahme und großes Interesse zeigt.

Umso mehr hätten wir hier die Verantwortung, auch gegenüber der Regierung eine Position klarzulegen, nämlich wie die Meinung dieser Volksvertretung in der Sicherheitspolitik aussieht. Das wäre doch eine Aufgabe für uns. Ich hoffe, daß es nicht so ist wie in der Vergangenheit, daß Anträge, die diesen Bereich betreffen, in irgendwelchen Ausschüssen endgelagert, nicht behandelt oder nach kurzer Debatte abgelehnt werden, sondern daß wir im nächsten Jahr eine ordentliche und langfristige Debatte hier in diesem Haus führen können. Das wäre auch schon ein Fortschritt, ein Erfolg des Volksbegehrens, das heute hier zur Debatte steht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Wort noch zum Volksbegehren: Ich teile die Formulierung und die Intentionen nicht. Auf der anderen Seite muß man es, wenn man über die Bedeutung der Instrumente der direkten Demokratie spricht, trotz dieser gegenteiligen Meinung bedauern, daß eine derartige Initiative,


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die von 350 000 Österreichern unterschrieben wurde, nur dazu führt, daß wir heute darüber zwei, drei Stunden debattieren, es dann ablehnen und die Diskussion über diese Initiative damit beendet ist.

Vielleicht sollten wir auch an anderer Stelle darüber diskutieren und uns überlegen, wie man derartige Instrumente der direkten Demokratie insoweit ausbaut, als sie auch mehr Gewicht im parlamentarischen Geschehen bekommen sollen.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Ich glaube, all die Wortmeldungen, die wir bis jetzt gehört haben, zeugen auch ein bißchen von schlechtem Gewissen. Auch die Debatten, die jetzt in den Medien geführt werden, gehen ja in diese Richtung. Man traut sich nicht, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen, weil man ganz genau weiß, daß man vor dem EU-Beitritt Österreichs ja ganz etwas anderes gesagt hat, und weil man auch für gewisse Stimmungen und Strömungen in der Bevölkerung verantwortlich ist. Es ist doch kein Zufall, daß Meinungsumfragen belegen, daß – das ist sehr richtig – die Mehrheit der Österreicher für die Beibehaltung der Neutralität ist, aber gleichzeitig auch schon eine Mehrheit meint: Ja, ein NATO-Beitritt wäre für Österreich positiv, obwohl das eine das andere natürlich absolut ausschließt. Allein daran sieht man ja, welches Informationsdefizit es da gibt.

Man muß sich nur die Meldungen anschauen. Ich muß sagen, bei der SPÖ ist es relativ klar. Herr Cap, der heute nicht spricht, vertritt eine andere Meinung als der Rest seiner Partei, die dem Ganzen ablehnend gegenübersteht, eine Haltung, die wir nicht teilen, weil ich meine, daß es da noch Ressentiments gegenüber der NATO, gegenüber Amerika gibt, die wir eigentlich überwinden sollten, aber es ist eine klare Position. Dagegen kann man ankämpfen und dagegen kann man argumentieren.

Aber bei der Volkspartei ist es schwierig, weil man nicht genau weiß, wie deren Position gerade ist. Wie ist die Position? Außenminister Schüssel – er ist ja verantwortlich dafür – sagt einmal: Ja, eine NATO-Mitgliedschaft ist denkbar. Nur zwei Monate später sagt er: Kein Interesse an der NATO. Dann sagt er wieder: Ein Beitritt zur NATO kann sich ergeben. Wir wollen über die WEU-Schiene in die NATO. Einen Monat später: Nicht Kopfüber in das NATO-Bassin; NATO-Diskussion steht nicht zur Debatte.

Meine Damen und Herren von der Volkspartei! Auch das wäre notwendig, daß sich zumindest einmal der verantwortliche Ressortminister Schüssel entscheidet, wofür er und Sie sind. Dann erspart man sich auch derartige Dinge, wie sie jetzt bei diesen Vorträgen in Bonn passiert sind, daß man die österreichische Sicherheitspolitik der Lächerlichkeit preisgibt.

Wenn wir uns über die Neutralität unterhalten, Herr Kollege Fuhrmann, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Sie ja so am Kern der Neutralität festhalten, dann sollten wir uns doch auch einmal überlegen, was denn die Ursache für diese Neutralität, die Begründung, der historische Wert war. Da braucht man sich doch nur das Moskauer Memorandum anzusehen, in dem eindeutig festgehalten ist, daß der Status der dauernden Neutralität Österreichs die Bedingung Moskaus für den Abschluß eines Staatsvertrages gewesen ist. Selbstverständlich hat sich damals Österreich zu diesem Status durchringen können oder müssen, wenn auch nicht wirklich mit großer Freude, denn sonst hätten wir keinen Staatsvertrag und auch nicht die Unabhängigkeit bekommen. Die Neutralität war damals Mittel zum Zweck für die österreichische Unabhängigkeit – nicht mehr und nicht weniger. Das ist der große historische Wert. Aber das kann nicht dafür hergenommen werden, daß wir das heute als Dogma betrachten und meinen, daß das ein Teil der österreichischen Identität ist. Das ist doch wirklich nicht zu verstehen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Lesen Sie doch das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs aus dem Jahr 1955. Da geht das ja auch klar hervor:

"Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität." – 1955, Herr Kollege Fuhrmann! Man kann doch nicht sagen, seit 1955 hat


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sich nichts gewandelt, ist nichts passiert; wir nehmen dieses Gesetz aus 1955 nach wie vor ernst und als so gegeben, und das hindert uns daran, andere Optionen offenzulassen.

Es war doch in Wahrheit auch nicht so, daß Österreich diese Neutralität ernst genommen hat. Allein schon der UNO-Beitritt hat doch zu Problemen bei den Völkerrechtlern geführt. Das wurde umgangen, weil das Beitrittsansuchen schon aus 1947 datiert hat. Das heißt, wir hatten nicht die Problematik, als neutraler Staat der UNO beitreten zu müssen, weil die Neutralität 1947 kein Thema war. In allen anderen Bereichen haben wir doch seit 1955 scheibchenweise – wie das heute schon besprochen wurde – diese Neutralität aufgegeben.

Herr Kollege Fuhrmann! Im Moskauer Memorandum ist doch auch die Neutralität nach Schweizer Muster festgehalten. Was heißt denn das "nach Schweizer Muster"? – Das haben wir eben spätestens mit dem UNO-Beitritt aufgegeben. Das haben wir allein schon dadurch aufgegeben, daß wir nichts für unsere Landesverteidigung, nichts im Hinblick auf die Selbstverteidigungsmöglichkeit dieses Landes gemacht haben und daß wir in Wahrheit – und auch das sagt man nie dazu – unsere sicherheitspolitische Ausrichtung immer unter dem Schutzschild der NATO gesehen haben. Alle unsere Landesverteidigungsdoktrinen, unsere Landesverteidigungspläne haben sich danach ausgerichtet, daß wir im Ernstfall zwei, drei Tage lang eine Abhaltewirkung haben und hoffen, daß uns die NATO dann zu Hilfe kommt. Das war doch in Wahrheit unsere sicherheitspolitische Garantie. Die Neutralität war sicherlich eine außenpolitische Funktion Österreichs in der Zeit des kalten Krieges. Sicherheitspolitik haben wir aber immer unter der Schirmherrschaft der NATO gemacht. Das haben Sie nur den Österreichern nicht gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Heute sollten wir aber soweit sein, daß wir die Wahrheit sagen und uns für eine ernstzunehmende völkerrechtliche Realität einsetzen. Man sollte nicht von Kern und eigener Definition sprechen, denn eine völkerrechtliche sicherheitspolitische Neutralität nur dann Wirkung zeigt, wenn auch die anderen damit etwas anzufangen wissen. Das muß eine Außenwirkung haben. Da kann man nicht sagen, wir definieren selbst, wie wir uns da sehen. Welche sicherheitspolitische Funktion soll denn eine solche ernstgenommene Neutralität – also Isolierung von allen anderen Staaten und auch das Ernstnehmen der Aufgaben, die an solche Staaten gestellt sind – noch haben?

In Wahrheit, meine Damen und Herren, geht es nicht darum, ob Österreich weiterhin neutral bleiben soll, denn spätestens seit dem EU-Beitritt mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik haben wir auch nach außen dokumentiert, daß Österreich kein neutraler Staat mehr ist, sondern es geht darum – und da warten wir auf die Entscheidung –, ob wir in Zukunft einen Weg der Isolation, der selbständigen isolierten Landesverteidigung gehen oder ob wir Sicherheitspolitik gemeinsam mit anderen Staaten machen.

Da müssen Sie dann aber auch dazusagen, was das bedeutet, meine Damen und Herren vor allem von den Sozialdemokraten. Allein zu bleiben würde bedeuten, daß Österreich seine Landesverteidigung so hochrüsten muß, um sich gegen alle möglichen künftigen und nicht auszuschließenden Bedrohungen selbst zur Wehr setzen zu können. Das würde eine Verdreifachung, Vervierfachung unseres Landesverteidungsbudgets und auch die völlige Isolierung Österreichs in der internationalen Staatengemeinschaft bedeuten.

Der zweite Weg wäre, daß wir eben mit allen Rechten und Pflichten an der sicherheitspolitischen Integration Österreichs teilnehmen. Das ist doch die Vision Europas, meine Damen und Herren. Es gibt keine Wirtschaftsintegration, keine soziale Integration, keine Umweltintegration ohne sicherheitspolitische Integration. Darum sollte es uns doch gehen: die Demokratiebewegungen im Osten unumkehrbar zu machen und auch für unsere Zukunft und für künftige Generationen eine dauerhafte Friedensordnung aufzubauen. Da darf Österreich doch nicht abseits stehen – schon allein aufgrund seiner geopolitischen Lage. Da wäre es doch wichtig, daß auch wir Mitsprache haben, wie sich die europäische Sicherheitspolitik entwickelt, bevor Staaten wie Polen, Ungarn, Tschechien und Slowenien Mitglied dieser NATO werden. Ich verstehe nicht, daß man sagt: Die NATO muß sich dort entwickeln und muß das noch abdecken, aber wir selbst wollen dazu gar nichts beitragen, daß sie diese Entwicklung nimmt. Bei


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der EU hat das noch anders gelautet: Da haben Sie gesagt, Sie wollen hineingehen und dann verändern. Warum verwenden Sie diese Argumentation nicht auch in der Frage der Sicherheitspolitik?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir nicht weiterkommen, wenn wir Greuelmärchen bringen von Atomwaffenstationierungen. Es ist nicht einmal de facto möglich, daß in Österreich, wären wir NATO-Mitglied, von der NATO Atomwaffen stationiert werden, da die NATO keine landgestützten Atomwaffen mehr hat. Es ist auch eindeutig festgestellt, daß es keine fremden Truppenstationierungen in den neuen Mitgliedstaaten geben wird.

Noch ganz zum Schluß zu den Kosten. Auch das ist so ein Argument. Niemand könne die Kosten beziffern, wurde hier kritisiert. Das ist ja ganz klar, meine Damen und Herren: weil jedes Mitgliedsland, jeder Mitgliedswerber einen separaten Vertrag mit der NATO abschließt. Da gibt es ganz unterschiedliche Bedingungen. Und auch das läge in unserer Verantwortung, daß wir das einmal zur Kenntnis nehmen.

Deshalb sind wir dafür, nicht nur die Pflichten zu übernehmen – so wie wir es jetzt machen –, sondern auch die Rechte in Anspruch zu nehmen und mit allen Rechten und Pflichten an dieser sicherheitspolitischen Integration weiterzuarbeiten und mitzuarbeiten. Deshalb bringe ich einen Entschließungsantrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend rasche Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit NATO und WEU

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend in Verhandlungen mit den Staaten des Nordatlantikvertrages (NATO) und den Vertragspartnern der Westeuropäischen Union (WEU) über einen Beitritt Österreichs zu diesen Sicherheitsorganisationen einzutreten."

*****

Meine Damen und Herren! Einen zweiten Entschließungsantrag möchte ich noch einbringen, der die NATO-Vollversammlung behandelt. Das ist das parlamentarische Gremium der NATO, in dem wir als Beobachter in der letzten Reihe sitzen, während vor uns Albanien, Rußland, Bulgarien und Rumänien über die Entwicklung dieses Sicherheitssystems vollberechtigt mitverhandeln können, weil diese alle einen Assoziierungsstatus haben. Unser Antrag geht in die Richtung, zumindest mit Albanien bei dieser Integration gleichzuziehen. Wir wollen auch – und das ist unabhängig von einem NATO-Beitritt – in dieser NATO-Vollversammlung diesen Assoziierungsstatus für Österreich erwirken.

Deshalb bringe ich zum Schluß noch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend die Erreichung des Status eines assoziierten Mitgliedes in der Parlamentarischen Versammlung der NATO (NAA) für Österreich

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend Verhandlungen mit der NATO aufzunehmen, um für Österreich den Status eines assoziierten Mitgliedes in der Nordatlantischen Versammlung (NAA) zu erreichen."

*****


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Handeln Sie endlich! Keine Verschleierungen, keine Vernebelungen, sondern jetzt wäre es Zeit, endlich die sicherheitspolitischen Weichen für Österreich zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden von Abgeordnetem Scheibner vorgetragenen Entschließungsanträge sind geschäftsordnungsgemäß unterstützt und werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. Sie wünschen eine Redezeit von 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Die freiheitliche Politik ist nach Qualtinger: Ich weiß nicht, wo ich hinfahre, aber dafür bin ich schneller dort!)

14.11

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Nicht, Khol, nimm mir das nicht weg! Das habe ich mir gerade noch aufgeschrieben, als ich dem Kollegen Scheibner zugehört habe.

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, daß Herr Klubobmann Khol mir gegenüber keinen unfreundlichen Akt setzen wollte, indem er in einem Zwischenruf das Zitat von Qualtinger gebracht hat, wo es geheißen hat: "Ich weiß zwar nicht, wo ich hinfahre, aber dafür bin ich früher dort."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch mir ist das vorher, Herr Kollege Scheibner, eingefallen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Geh, Graf, vielleicht könntet ihr paar, die ihr jetzt herinnen seid, einmal die demokratische Kultur haben, auch uns zuzuhören, die nicht eurer Meinung sind, anstatt immer dreinzuschreien! Ich weiß, das ist Methode im FPÖ-Klub, aber ich würde ganz gerne mit dem Kollegen Scheibner auf einer sachlichen Ebene diskutieren. Daher könnte man vielleicht einmal ein bisserl ruhig sein auf Ihrer Seite.

Kollege Scheibner! Als Sie in Ihrem Debattenbeitrag gemeint haben – es war ziemlich am Anfang Ihrer Rede –, es sei falsch von der Regierung und von den Regierungsparteien, jetzt noch zu beobachten und zu warten, und man sollte jetzt endlich einmal etwas tun – das war so der Sukkus Ihrer Aussage; Sie nicken, ich habe Sie also nicht falsch verstanden –, da ist mir auch das eingefallen, was Khol gerade vorher gesagt hat, aber in etwas abgewandelter Form. Fürchten Sie nicht, daß Sie in die Situation kommen könnten, daß Sie sagen: "Ich weiß zwar nicht genau, wo ich jetzt gleich hinein will, aber die Hauptsache ist, daß ich früher drinnen bin."

Kollege Scheibner! Meine Damen und Herren von der FPÖ und auch vom Liberalen Forum! Das geht in Richtung des Abgeordneten Moser und seines Debattenbeitrages. Ich glaube, wir können uns doch in diesem Hohen Haus über eines einig sein: Die NATO ist noch im Umbau begriffen, und die finalen Strukturen dieser NATO sind nach wie vor offen. Da können Sie doch bitte nicht einer verantwortungsvollen Politik den Vorwurf machen, die sagt: Jetzt sehen wir uns das einmal an! Wir sind ja auch dabei! Wir können ja mitreden! Wir haben ja auf verfassungsrechtlicher Basis vorgesorgt, daß wir bei der Erarbeitung eines europäischen Sicherheitssystems selbstverständlich vollberechtigt mitreden, vollberechtigt mittun können. Aber die Entscheidung, ob und in welcher Form wir dann im Endausbau dabeisein wollen, behalten wir uns vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, auch wenn ich mich an den Debattenbeitrag des Kollegen Dr. Haider erinnere, daß ein ganz wesentlicher inhaltlicher Unterscheidungspunkt zwischen uns in dieser Frage folgender ist: Haider und auch Scheibner haben ständig, wenn auch nicht wörtlich, so doch inhaltlich, von einem europäischen Sicherheitsbündnis gesprochen.

Meine Damen und Herren von der FPÖ und auch Kollege Moser! Ich habe den Eindruck, Sie sind ein wenig mit geistigen Scheuklappen behaftet, weil Sie nur in Richtung eines Militärbündnisses denken. Wir unterscheiden uns von Ihnen in dieser Frage dadurch, daß wir mitdiskutieren und mitarbeiten – nicht nur wollen, sondern es auch tun – an der Erstellung eines europäischen Sicherheitssystems für die Zukunft. Meine Damen und Herren! Das ist ein bißchen mehr als ein Militärbündnis. Wo es eben ausgerichtet ist aus der vergangenen ... (Zwi


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schenruf.) Also ich bin da unverdächtig. Das ist kein antiamerikanischer Reflex bei mir. Ganz im Gegenteil! Ich bin bekannt dafür, daß ich sehr USAphil bin. Ich verweise nur auf das Konzept der NATO als Militärbündnis, als Verteidigungsbündnis – Artikel 5, Artikel 6 –, auch mit seinen Verbindungen zur WEU. In einem gebe ich allen recht, die sagen: Eine Vollmitgliedschaft bei der WEU macht nur Sinn, wenn man auch bei der NATO ist. Denn das eine ohne das andere wäre sicher sinnlos.

Meine Damen und Herren! Ich betone – und das unterstütze ich vollinhaltlich als Sozialdemokrat, als Mitglied dieser sozialdemokratischen Fraktion; darum finde ich auch den Entschließungsantrag durchaus gescheit, den wir heute einbringen und beschließen werden –: Wir wollen mitarbeiten an der Erstellung eines vernünftigen europäischen Sicherheitssystems für die Zukunft, also nicht nur für das kommende Jahrhundert, sondern auch das kommende Jahrtausend. Wir wollen nicht nur über die Gestaltung eines Militärbündnisses oder einiger Militärbündnisse nachdenken und daran arbeiten, sondern über ein künftiges europäisches Sicherheitsmodell mit flexiblen Strukturen, wie Krisenmanagement, Coalition of the willing, Ad-hoc-Koalitionen, Case-by-case-Operationen. Das muß es aufweisen. Da wollen wir dabeisein, und da werden wir dabeisein können, weil wir unsere Verfassungsrechtslage im Zusammenhang mit unserem Beitritt zur Europäischen Union darauf eingerichtet haben.

Deshalb wäre es auch schlecht – um noch einmal auf den Anlaß dieser heutigen Debatte zurückzukommen –, wenn wir in diese Verfassungsrechtslage so eingreifen würden, wie es dieses Volksbegehren gerne hätte, nämlich dahin gehend, daß man die Außenvertretungskompetenz der Bundesregierung und des Bundespräsidenten so ändert, daß die nicht einmal in den Gesprächen, die über ein vernünftiges zukünftiges europäisches Sicherheitssystem zu führen sein werden, reden dürften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb – Schieder hat das ja schon sehr ausführlich gesagt – kann man nicht für dieses Volksbegehren sein, auch wenn man seine Intentionen, die in Richtung Aufrechterhaltung der Neutralität gehen, zum derzeitigen Zeitpunkt hundertprozentig unterstreichen kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.18

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, die Neutralität hat ihre wichtige Rolle gehabt. Ich sehe es auch so. Zwischen Warschauer Pakt auf der einen Seite und einem anderen Pakt auf der anderen Seite war es zu dem Zeitpunkt das klügste, neutral zu sein, um nicht das Schicksal unserer Nachbarländer erleiden zu müssen. Das war eine Entscheidung, die 1955 berechtigt war. Jetzt haben wir 1997.

Ich bin auch in einer Zeit erzogen worden, in der mir mein Vater sagte, daß die Neutralität wichtig ist, um unsere Unabhängigkeit zu zementieren. Aber ich habe nie mitbekommen, daß es wichtig war, nicht mehr weiter zu denken. Ich habe mitbekommen, daß Österreich sich positionieren und jederzeit überprüfen muß, ob die Position richtig ist. Deshalb war schon damals, als ich geboren wurde, die Meinung meines Vaters: Wir gehören in die Europäische Union – damals hieß es natürlich noch anders – hinein. Es hat lange gebraucht, diesen Weg zu gehen. Jetzt werden wir wahrscheinlich wieder lange brauchen, um den nächsten Schritt zu tun, der in Richtung einer vernünftigen Sicherheitsstruktur geht.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht etwas, was man uns vorwerfen sollte, sondern man sollte das Parlament beglückwünschen, daß endlich einmal Bewegung in diese Materie hineinkommt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In der Beziehung möchte ich Herrn Kollegen Spindelegger bitten, den Antrag, den wir 1996 eingebracht haben, so zu lesen, daß die Verhandlungen nicht bis März 1996 abgeschlossen werden, sondern daß die Verhandlungen der Regierungskonferenz spätestens 1996 beginnen


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werden. Wir sollten aber bis zum Abschluß der Regierungskonferenz zu einem Ergebnis kommen. Das war die Intention des Antrages. So ist es auch hingeschrieben. Vielleicht sind die Kommastellen nicht passend beziehungsweise nicht vorhanden. Aber im Prinzip entspricht der Antrag der Tatsache, daß es mehr als ein Jahr Zeit gegeben hätte, Verhandlungen aufzunehmen. Das ist bis jetzt nicht der Fall gewesen.

Wir würden uns auch wünschen, daß die WEU eine andere Bedeutung in Europa erhält. Es ist im Moment ja nur so ein Torso, ein Rumpf von Gedanken, es steckt aber keine Effektivität dahinter. Einerseits sehe ich das Problem in der NATO, daß die Vetomöglichkeit, die zum Beispiel von der Türkei jetzt angedroht worden ist, sicherlich nicht einer ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Entschuldigen Sie eine Sekunde. Herr Abgeordneter Spindelegger! Telefonieren Sie? (Abg. Wabl: Wahrscheinlich führt er mit Rüstungsfirmen ein Telefonat!) – Nein, bitte, das ist absolut unzulässig im Plenum.

Entschuldigen Sie. Fahren Sie fort, Frau Dr. Gredler.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (fortsetzend): Ich wollte zur NATO sagen, daß ich es eigentlich für unzulässig halte, wenn Länder wie die Türkei mit Veto drohen, um Aktivitäten zu verhindern. Ich halte es für sinnvoll, wenn man in einem Bündnis ist, daß man auf der einen Seite nicht gezwungen werden muß, bei Aktivitäten mitzutun, auf der anderen Seite aber nicht Aktivitäten bremsen sollte, die dieses Bündnis vorhat.

Frau Kollegin Kammerlander hat gesagt, daß die Verfassungsänderungen einer Volksabstimmung unterzogen werden sollten. Ich stimme Ihnen nur bedingt zu. Sie regen ja selbst eine Verfassungsänderung in der jetzigen parlamentarischen Sitzung an, die nicht zwingend einer Volksabstimmung unterzogen werden sollte. Ich glaube, daß die weibliche Bezeichnung von Landeshauptmann zum Beispiel nicht ein Thema ist, das man unbedingt jetzt in diesem Forum auch noch mitbeschließen sollte. Deshalb kann ich Ihnen da nicht beipflichten, wenn Sie da eine Verpflichtung haben wollen. Sie haben aber absichtlich, glaube ich, meinen Vorredner Moser mißverstanden, oder Sie haben Hörschwierigkeiten.

Wir haben gesagt, daß wir uns nicht dagegen verwahren, eine Volksabstimmung zu machen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Herr Kollege Wabl! Beruhigen Sie sich ein bißchen. Man hört Sie hier vorne so schlecht. Vielleicht könnte ich ein bißchen aufklärend wirken. Sie haben gesagt, die WEU ist eine Briefkastenfirma. Die WEU ist momentan überhaupt keine Firma. Darunter leiden wir. Ich glaube aber, daß die Intention der WEU dahin geht, daß sie unabhängig ist, daß sie eingebettet ist in einem Organ, das sich Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik der EU nennt, und so parlamentarische Kontrolle erhält. Auf der anderen Seite ist es so, daß die NATO-Neu eigentlich definiert hat, daß die Positionen der Europäer autonom gefunden werden können, daß Beschlüsse autonom gefaßt, die Durchführung von Aktionen autonom gemacht und die Mittel, die verwendet werden, autonom gestaltet werden können. Da, glaube ich, ist die NATO sicherlich in einer Position, die wir eigentlich unterstützen, indem wir sagen: Genau so eine Unabhängigkeit wollen wir innerhalb Europas. Es ist uns aber ganz bewußt, daß auf der anderen Seite die Rolle Amerikas nicht ganz zu vergessen ist.

Was natürlich jetzt die Situation verkompliziert, ist einerseits die Finanzierung. Die Erweiterung der NATO kostet 461 Milliarden Dollar. Da ist noch offen, wer wann diese Finanzierung zu übernehmen hat. Auf der anderen Seite kann man nicht verlangen, daß in diesem Falle Rußland seine Rolle als einer der wichtigen Staaten auf der Welt verliert und daß nur mehr Amerika sozusagen die wichtigste Rolle zu spielen hat. Ich glaube schon, daß wir da fair genug sein und ein Abkommen mit Rußland garantieren sollten. Die Interpretation der Russen geht in die Richtung, daß sie zuerst ein Veto eingelegt haben und jetzt eigentlich nur mehr Sicherheitsgarantien verlangen. Daher ist auch dort eine Öffnung sichtbar. Das ist durchaus etwas, was uns auch am Herzen liegt, weil Rußland für uns sicherlich ein wichtiger Partner ist, und zwar nicht nur wirtschaftlich gesehen, sondern auch ein wichtiger Partner, um den Frieden in Europa zu gestalten.


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Kollege Haider – er ist im Moment nicht da – hat über die klare Position – er hat das anders genannt –, über die geschlossene Position der F seit 1990 bezüglich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU und des NATO-Beitritts gesprochen. 1990 hat Herr Haider gesagt: Nein zur EU, aber ja zur NATO. In der Kombination, muß ich sagen, war das einzigartig und selbstverständlich nicht nachzuvollziehen. Ich kann nicht einerseits gegen die EU sein, aber andererseits für die gemeinsame europäische Sicherheits-, Außen- und Verteidigungsstruktur eintreten. Ich glaube, er hat sich 1990 selbst widersprochen. (Abg. Dr. Graf: Sie bringen die Jahreszahlen durcheinander!) Das ist ein Weg, der eigentlich nahtlos bis jetzt fortgesetzt wurde. Ich kann daher dem nicht folgen.

Ich glaube aber wirklich, daß wir in Europa eine gemeinsame Sicherheitspolitik unter Mitwirkung der Österreicher und Österreicherinnen von Beginn an brauchen. Ein Zuschauen, Abwarten und möglicherweise Teetrinken, Herr Kollege Spindelegger, ist sicherlich nicht das, was ich unter politischer Verantwortung verstehe. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

14.27

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns von der Volkspartei war und ist zum Thema Neutralität ein Grundsatz entscheidend. Dieser Grundsatz lautet: Was für die äußere Sicherheit der österreichischen Bevölkerung das Beste ist, das haben wir zu vertreten, und zwar in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Vergangenheit ist es eindeutig. In der Zeit des kalten Krieges, in der Zeit des Eisernen Vorhanges war die Neutralität richtig und als Schlüssel für den Staatsvertrag zielführend. In der Gegenwart sind wir verpflichtet, für unser Land, für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger an den neuen Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen in und für Europa aktiv und solidarisch teilzunehmen.

Dazu aus jüngster Zeit die Kommentare von drei bedeutenden Publizisten: Hugo Portisch, als Kenner und Kommentator der österreichischen Zeitgeschichte unbestritten, in einem Exklusivinterview zu seinem 70. Geburtstag im "Kurier", Kurt Seinitz, Leiter der außenpolitischen Redaktion der "Kronen Zeitung" zur Neutralität nach Schweizer Muster und Georg Hoffmann-Ostenhof, außenpolitischer Chef des "profil". Lassen Sie mich diese drei Zitate bringen.

Hugo Portisch: "Die Neutralität hat uns während des Kalten Krieges genützt. Vor einem echten Krieg hätte sie uns nicht eine Sekunde geschützt. ... In der ersten Sekunde eines Ost-West-Krieges wären die Russen marschiert, wären die Amerikaner marschiert. Ein russischer General hat uns auf einer Landkarte gezeigt, wie Wien eingekreist worden wäre, wo die ungarischen Truppen marschiert wären."

Zum Schweizer Muster – Kurt Seinitz: "Gibt es einen Grund, weshalb es gut ist, einer großen Gemeinschaft anzugehören, dann ist es das Beispiel der Frustration der Schweiz über die Folgen ihres Neins zur EU: Das dynamische Finanzzentrum Europas hat sich nach Luxemburg verlagert, und auch sonst sind die wirtschaftlichen und politischen Zukunftsaussichtender Schweiz nicht rosig. Die Schweiz gerät ins Abseits. Schuld ist das Festkrallen an einem überholten Neutralitätsbegriff ...

Österreich droht wie die Schweiz ins europäische Abseits zu geraten. Das ist langfristig vor allem für unsere Wirtschaft nicht gut, so wie es überhaupt keinen Grund gibt, auf neutrale Isolation stolz zu sein."

Drittes Zitat: Georg Hoffmann-Ostenhof, ein zweifellos anerkannter Kommentator der internationalen Politik, sagt: Den Österreichern ist in Sachen Neutralität "die Wahrheit zumutbar". Acht Jahre nach der Wende in Osteuropa ist die Neutralität "ein überholtes Institut" und hat "keine reale Bedeutung" mehr. Während sie im kalten Krieg "sehr effektiv war", müssen wir uns jetzt fragen: "Neutralität zwischen was?"


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Meine Damen und Herren! Zukünftig haben wir einerseits die Signale aus der Bevölkerung zu hören, und dieses Volksbegehren ist ein solches Signal, sowie andererseits die Führungsverantwortung der Politik wahrzunehmen. Wir von der Volkspartei sind zu beidem bereit, denn für uns heißt politisch arbeiten immer sowohl dienen als auch führen.

Das Gebot der Stunde lautet daher: Für die bestmögliche äußere Sicherheit sind die neuen außenpolitischen und verteidigungspolitischen Verhältnisse zu beobachten. Das heißt, wir haben die Ergebnisse der zurzeit tagenden Regierungskonferenz über eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der Europäischen Union, bei der das Verhältnis EU – WEU zu klären sein wird, die Ergebnisse des im Juli in Madrid stattfindenden NATO-Gipfels zum Thema Osterweiterung und das Ergebnis der Verhandlungen über eine gemeinsame Sicherheitscharta zwischen Rußland und der NATO zu beachten.

Wir wollen im Rahmen der Europäischen Union im sicherheitspolitischen Verbund mit den westlichen Demokratien solidarisch handeln, wir wollen unsere Vermittlerrolle zu den neuen Demokratien im Osten und Südosten Europas aufrechterhalten, und wir wollen im Rahmen der Vereinten Nationen weiterhin unseren Beitrag für den Frieden in der Welt leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Unser aller Aufgabe ist es, Überzeugungsarbeit nach innen und nach außen zu leisten, damit wir zur rechten Zeit – das ist das entscheidende – die richtige Entscheidung treffen. Dafür steht die Volkspartei. (Abg. Wabl: Das gelingt aber nicht!) Wir können deshalb auch den Entschließungsanträgen des Kollegen Scheibner nicht zustimmen, weil sie in sich nicht schlüssig, die Versammlung betreffend zum Teil sogar sachlich unrichtig und verfrüht sind. (Abg. Scheibner: Das ist aber jetzt interessant!) Die Versammlung, der wir beide als Beobachter angehören, ist ein eigener organisatorische Körper, der in einer losen Verbindung zur NATO steht. Wenn im Entschließungsantrag steht, wir sollen mit der NATO verhandeln, um eine Assoziation zur NAA zu erreichen, dann ist das leider in sich unrichtig, nicht schlüssig und im wesentlichen verfrüht. (Abg. Scheibner: Sie wollen es nur nicht!)

Bei Frau Kollegin Kammerlander werde ich den Verdacht nicht los, auch wenn sie uns, die wir für eine ordentliche Landesverteidigung eintreten, immer wieder bezichtigt, kriegstreiberisch zu sein und mit der Kriegsindustrie in Verbindung zu stehen (Abg. Wabl: Das stimmt ja auch!) – Sie sagen, es stimmt, Herr Kollege –, es geht ihr gar nicht um die Neutralität, sondern darum, dieses Thema als Vehikel für ihr eigentliches Ziel zu benutzen, nämlich die Abschaffung des Bundesheeres. (Abg. Mag. Kammerlander: So etwas Böses!)

Darf ich Ihnen einen Beweis vorlegen? Aus dem Landtagsklub der Grünen in der Steiermark kam folgende Presseaussendung – Sie sollten sich das genau anhören – zum Thema Leistungsschau des Bundesheeres. Zuerst wird gegen die Leistungsschau protestiert – das ist natürlich jedermanns Recht –, und dann kommt der Text, den ich als ungeheuerlich empfinde: "Als besonders ekelhaft empfinden wir die Köderung von Kindern mit martialischen Kriegsgeräten und anderen, als harmlose Spielerei getarnten Programmpunkten. Wir rufen die Verantwortlichen in Militär und Politik auf" – jetzt müssen Sie genau zuhören! –: "Nehmt eure blutigen Pfoten von unschuldigen Kindern! Österreich hat wahrlich andere Sorgen, als sich weiterhin eine" – bitte genau zuhören! – "grenzdebile Armee zu leisten, die nur dazu gut ist, jungen Männern das Leben zu vergällen." (Abg. Scheibner: Skandal! – Abg. Dr. Khol: Das ist ja unerhört!) Armeen sind grundsätzlich sinnlos und dumm, sagen die Grünen. Das österreichische Heer freilich ist nur zu einem gut, nämlich es abzuschaffen!

Was immer Sie auch als Vehikel benutzen, um dieses Ziel zu erreichen, Sie werden uns nicht daran hindern, eine ordentliche Sicherheits- und Verteidigungspolitik in diesem Land zu machen, wie es unserer Verantwortung entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

14.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Sie haben das Wort. (Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)


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63. Sitzung / Seite 61

14.36

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Leider ist Kollege Mock nicht mehr da, denn ich hätte mich nach den sehr niveauvollen Ausführungen des Kollegen Maitz gerne mit einem Zitat von Herrn Mock auseinandergesetzt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Niveauvolle Presseaussendung aus dem Hause der Grünen! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ich glaube nämlich, daß er nach der Aufgabe der Außenpolitik durch die Sozialdemokraten ein sehr wesentliches Stück der österreichischen Neutralitätspolitik mitbestimmt und Außenminister Schüssel ein wesentliches Stück der Neutralitätspolitik ausgehöhlt hat. Der Satz, den Mock zitiert hat, lautet: "Macht ohne Recht wird zu Tyrannei, Recht ohne Macht wird lächerlich."

Meine Damen und Herren! Dieser Satz hat viel Wahres in sich. Es ist überhaupt keine Frage, daß Macht ohne Recht zur Tyrannei wird. Diesbezüglich kann ich Kollegen Mock nur klar und deutlich beipflichten. Diesem Satz folgend, frage ich Sie aber: Welches Recht verfolgen denn Militärbündnisse? Welchem internationalem Recht folgen Führer großer Nationen, die an gewisse Erdteile einen Hegemonialanspruch stellen? – Das ist die entscheidende Frage, die wir uns stellen müssen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Friedenssicherung ist unser Ziel!)

"Recht ohne Macht wird lächerlich", Herr Kollege Maitz. Vieles andere wird auch lächerlich, aber Recht ohne Macht wird insbesondere dann lächerlich, wenn es keine Durchsetzungsmöglichkeiten gibt. Ich habe geglaubt, es sei Konsens in diesem Haus, daß es Anliegen eines Rechtsstaates, einer Demokratie oder mehrerer demokratischer Staaten nur sein könne, sich zusammenzuschließen, um gemeinsames internationales Recht zu pflegen und diesem zum Durchbruch zu verhelfen.

Meine Damen und Herren! Das ist die entscheidende Frage. Die Frage, die wir jetzt zu beantworten haben, Herr Kollege Maitz, ist nicht, wie modern die NATO ist. Die NATO ist ein Militärbündnis, auch wenn Sie noch so oft das "neu" hinzufügen, auch wenn sie noch so oft praktisch bildlich meinen, das sei die "oberneue" NATO mit "Megaperls"; sie zwingt Krieg raus und Frieden rein. Das ist nicht die entscheidende Frage, Herr Kollege Maitz. Die Frage ist, ob die NATO eine Militärbündnis ist, ja oder nein, und diese Frage hat der Herr Bundeskanzler mit einem eindeutigen Ja beantwortet.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich gibt es in der NATO nicht nur wildgewordene Militaristen und Korruptionisten wie zum Beispiel den Vorgänger von Herrn Solana, der im Zusammenhang mit Ankäufen von Militärgerät wegen Korruption abtreten mußte. Es gibt Militärskandale und Korruptionsskandale sonder Zahl, weil der große Bruder Drogenmafia mit dabei ist. Das ist bekannt, das steht heute nicht zur Diskussion, auch wenn der militärische Komplex eine wesentliche Rolle bei der in Europa und weltweit diskutierten Bündnispolitik spielt.

Die entscheidende Frage, die wir hier zu beantworten haben, ist eine andere: Welches Sicherheitssystem fußt auf internationalem Recht? Ist das ein Militärpakt unter Vorherrschaft eines sehr großen Landes, das in seiner Geschichte viele positive, aber auch viele negative Seiten gezeigt hat?

Ist es das, was wir anzustreben haben, Herr Kollege Maitz, Herr Mock, Frau Kollegin Gredler und alle anderen? Ist das die unsere neue Sicherheitsphilosophie, daß wir uns dem stärksten Bündnis dieses Kontinents anschließen, oder ist es für ein kleines demokratisches und rechtsstaatliches Land nicht angebracht, sich Systemen anzuschließen, die internationales Recht stärken, die all das stärken, von dem wir auf dieser Welt zuwenig haben?

Herr Maitz! Es ist nicht das Problem Europas, zu wenig militärische Strukturen zu haben, es ist nicht das Problem dieser Erde, zu wenig militärisches Potential, zu wenig Soldaten, zu wenig militärischen Gerät zu haben, um die Menschen x-fach zu vernichten. Das ist nicht das Problem! Das Problem ist, daß Recht ohne Macht lächerlich wird, weil jene, die Macht ausüben, sich nicht an internationales Recht halten.

Warum gibt es den Konflikt Amerikas mit der UNO? Warum kann eine Supermacht bestimmen, wer der nächste Generalsekretär der UNO wird? Warum ist das so? Hat das mit internationalem


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63. Sitzung / Seite 62

Recht zu tun oder mit Macht, die nicht durch Recht kontrolliert wird? Das ist die entscheidende Frage. Deshalb sind wir in einem kleinen Land, das seit dem Zweiten Weltkrieg eine hervorragende Tradition hat, verpflichtet, jenes internationale Recht und jene Macht zu stärken, die durch Recht kontrolliert wird. Das ist entscheidend und nicht die Frage, ob wir militärische Strukturen weiterhin verbessern. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es wird hier immer wieder von Rußland geredet. Jemand von Ihrer Seite, der momentan wahrscheinlich nichts mehr zu reden hat, Ihre Nummer zwei im Europawahlkampf, hat gemeint, er ist nicht dafür, daß Rußland in die NATO integriert wird. Aber lassen wir das einmal beiseite und orientieren wir uns an jenen Menschen in Ihrer Partei, die seriös an das Thema herangehen.

Die Frage ist doch, meine Damen und Herren: Wie wird Friede gesichert? Sie werden mir beipflichten, daß das ein umfassendes Paket ist. Die militärische Struktur ist das letzte Mittel, das – nach sorgfältigster Abwägung – eingesetzt werden darf. Herr Maitz! Jeder Schilling, jeder Dollar, den Sie in dieser Situation noch in einen militärischen Apparat stecken, ist Diebstahl an den Armen unserer Erde! Das sollten Sie sich vergegenwärtigen! Das ist unser Problem! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Habe nie was anderes gesagt!)

Meine Damen und Herren! Sie sollten sich bei Ihrem Abgesang einmal damit konfrontieren (Abg. Dr. Maitz: Das ist Demagogie! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – das ist nicht Demagogie, das ist Realität, Herr Maitz –, was 24 Abfangjäger für das Budget unseres Landes bedeuten, für ein Land, in dem den Menschen ein Sparpaket zugemutet wird. Das bedeutet 20 bis 30 Milliarden Schilling an sauer verdientem Geld. Das heißt es, Herr Maitz! Das bedeutet für viele Alleinerziehende und für viele Pensionisten, weniger zu haben. Und das ist das Problem, das Sie den Menschen erklären sollten! Was heißt es denn, Herr Maitz, Kampfpanzer zu kaufen? (Abg. Dr. Maitz: Sie wollen abschaffen!) Herr Maitz! Nein, ich rede nicht vom Abschaffen. Das ist eine Vision, die selbstverständlich nicht nur ein legitimes, sondern ein korrektes System und eine korrekte Änderung für unsere Politik bedeutet.

Was bedeutet es denn, Kampfpanzer zu kaufen? Die Niederländer rüsten aufgrund von OSZE und KSZE ab, und wir kaufen diese Panzer für satte 2 Milliarden Schilling. Ist das Ihr Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens? Ist das Ihr Beitrag zur ökologischen Sicherheit?

Auch reden Sie von Migrationsströmen. Im Ausschuß für Landesverteidigung müssen wir uns anhören, daß bereits die subkonventionelle Bedrohung sehr elementar, wesentlich und wichtig ist. Sie werden die ersten sein, die bewaffnete Einheiten an die Grenzen schicken, weil Menschen aufgrund der ökologischen und sozialen Katastrophen über die Grenzen wollen und glauben, in Österreich Frieden finden zu können.

Ist es nicht vernünftiger, all dieses Geld in die Sicherung des Friedens zu investieren? Aber nicht in den militärischen Bereich, womit unserer Erde randvoll ist, sondern in den sozialen Bereich, in den ökologischen Bereich, in den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Maitz! Reden Sie doch einmal mit den Gruppen und NGOs, die sich um die Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas, Südamerikas und Asiens kümmern, wieviel Geld die haben. (Abg. Dr. Maitz: Da tun wir mehr als Sie – sowohl als auch! Da tun wir mehr, als Sie jemals gewußt haben!) Sowohl als auch? – Dann schauen Sie sich doch einmal an, welches Budget Österreich für diesen Bereich hat. Das ist lächerlich im Vergleich zu dem, was Sie für Rüstung ausgeben wollen!

Was ist mit den Radpanzern? 550 weitere "Pandur" haben Sie im Landesverteidigungsrat beschlossen, gemeinsam mit Herrn Moser, gemeinsam mit den Sozialdemokraten, gemeinsam mit Herrn Scheibner und mit Herrn Jung. Was kostet denn das? – 5,5 Milliarden Schilling! Wo sind den die Beschlüsse, die analog zu Ihrer großen Friedenssicherung existieren? Herr Scheibner! Wo sind Infrastrukturverbesserungen in diesen Dimensionen für die Reformländer? Dafür gibt es nicht einmal einen Bruchteil davon. (Abg. Scheibner: Die Überlebenssicherung für die Wirtschaft!)


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Ich gebe Ihnen recht. Es gibt keine Sicherheit zum Nulltarif. Die Frage ist: In welchen Bereich stecke ich dieses Geld hinein? Woher nehme ich dieses Geld? Ich sage Ihnen, diese Investitionen, die Sie im militärischen Bereich unter dem Titel "minimale Ausrüstung" machen wollen ... (Abg. Dr. Maitz: In einem notwendigen Minimum! Was Sie hier meinen, ist irrational!) Hören Sie doch auf! Herr Kollege Maitz, das ist irrational!

Schauen Sie, genauso wie im nationalen Bereich kann die Sicherheit auch im individuellen Bereich folgendermaßen aussehen:

Ich fühle mich durch den Herrn Schieder bedroht. Was werde ich machen? Ich werde schauen, ob er körperlich stärker ist als ich, werde vielleicht Kung-Fu lernen, werde mir vielleicht ein Messer besorgen, dann sehe ich, er hat auch ein Messer, dann werde ich mir einen Revolver besorgen, dann sehe ich, er hat auch einen Revolver, dann werde ich mir ein Maschinengewehr besorgen. (Abg. Schieder: Versuchen Sie es mit den Waffen des Geistes! – Abg. Dr. Fekter: Das ist unmöglich!) Die Sicherheit erhöht sich nur durch die Waffen des Geistes und durch gemeinsam festgeschriebenes Recht, wonach der Herr Schieder zur Kenntnis nimmt, daß ich sein Leben respektiere und er meines. (Abg. Dr. Graf: Kollege Schieder hat eine Maschinenpistole!)

Es muß dafür eine übergeordnete Instanz geben, die nicht einfach irgendeine Supermacht sein kann. Und da ist es mir vollkommen egal, Herr Maitz, ob diese Supermacht Rußland, USA, Japan oder China heißt. Ich akzeptiere als österreichischer Volksvertreter internationales Recht, das durch gemeinsame Beschlüsse der Völkergemeinschaft zustande gekommen ist und nicht durch irgendwelche Führer in irgendwelchen westlichen oder östlichen Hemisphären. Merken Sie sich das, Herr Maitz! (Abg. Dr. Maitz: Was ist, wenn sie sich nicht daran halten?)

Herr Kollege Maitz! Dazu kommt noch, daß Sie nicht einmal im Ansatz bereit sind, die Wahrheit über die Kosten eines NATO-Beitritts zu sagen. Der amerikanische Kongreß hat sich zumindest bemüht, die Gesamtkosten zu errechnen. Allein die Kosten einer NATO-Erweiterung betragen die für den gesamten NATO-Bereich ungefähr so viel wie das halbe Budget Österreichs.

Ich weiß, daß im amerikanischen Kongreß Verrückte sein sollen, daß Herr Haider sagen wird, ich solle doch mit dem billigen Antiamerikanismus aufhören. Es ist aber nicht Antiamerikanismus, denn ich schätze die amerikanische Nation mit ihren Menschen, die dort arbeiten und wissenschaftliche sowie menschliche und soziale Leistungen erbringen.

Die Frage ist nochmals: Welches Sicherheitssystem ist von einem kleinen neutralen Land anzustreben? Ihr Gerede über das moderne neue "NATO-Super-Megaperls-Militärbündnis", das nur mehr dem Frieden verpflichtet ist, ist ein billiges, altes Instrument gegenüber einer ethisch klaren Verpflichtung im Sinne der Neutralität und in dem Versuch – ob er gelingt, ist eine andere Frage –, mit allen anderen Nationen zusammenzuarbeiten, die im neutralen Bereich weiterarbeiten, die auch versuchen, Atomwaffen aus Friedens- und Sicherheitszonen zu verbannen, sie militärisch auszudünnen, und die weiters das dabei freiwerdende Geld für die positive Entwicklungszusammenarbeit verwenden, um damit eine lange anhaltende friedliche Entwicklung zu unterstützen.

Was hat denn bisher das militärische Eingreifen im Irak, in Panama, in Somalia und in Äthiopien gebracht? (Abg. Dr. Maitz: Bosnien!) In Bosnien hat man erst eingegriffen, als das Land schon ausgeblutet war. Das war schon das Ende, Herr Maitz! Das sollten Sie sich vergegenwärtigen.

Die militärische Komponente hat eine Berechtigung, aber sie wird immer schmäler und schmäler, und wir wünschen uns, daß sie ganz, ganz schmal wird, hingegen der andere Bereich, in dem wir die sozialen und ökologischen Komponenten unserer Gesellschaften stärken können, immer stärker und stärker.

Das ist die Aufgabe, die wir Grüne uns gestellt haben und – ich habe den Eindruck – auch die Sozialdemokraten und auch jene in Ihrer Fraktion, Herr Kollege Maitz, die wirklich an einem Frieden arbeiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.50


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich um 15 Uhr die Debatte zur Behandlung einer Anfragebeantwortung unterbrechen muß.

14.50

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich bin nicht der Pflichtverteidiger des Herrn Kollegen Mock, aber das, was er heute zur FPÖ gesagt hat, hat doch eine gewisse Berechtigung. Herr Kollege Scheibner, wenn Sie sich herstellen und sagen, Sie waren deswegen gegen den EU-Beitritt, weil Österreich schlecht auf den EU-Beitritt vorbereitet war, und gleichzeitig sagen, wir sollten jetzt der NATO beitreten, erhebt sich doch die Frage: Glauben Sie, daß Österreich heute besser für einen NATO-Beitritt vorbereitet ist, als es 1994 für einen EU-Beitritt war? (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt der Argumentationsgroteske: Herr Kollege Haider hat gemeint, ein NATO-Beitritt brächte mehr positive ökonomische Effekte als ein EU-Beitritt. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Zahlen, die über die Kosten zu diesem Thema auf dem Tisch liegen, geht das weit über die Nettobeiträge Österreichs zur Europäischen Union hinaus. Und ich frage mich schon heute, wie Sie die Kurve in der NATO-Frage irgendwann wieder einmal kratzen werden. In ein, zwei, drei, vier, fünf Jahren werden Sie nämlich wahrscheinlich das genaue Gegenteil von dem behaupten, was Sie heute hier gesagt haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das werden wir uns dann anschauen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme der These des Kollegen Spindelegger nicht zu, der gemeint hat, Neutralität sei ein Begriff, den keiner mehr so recht wolle. Ich glaube, angesichts eines Volksbegehrens mit 350 000 Unterzeichnungen, das hier im Parlament liegt, kann man nicht davon sprechen, daß Neutralität niemand mehr so recht will.

Dazu kommt noch, daß es ganz klare verfassungsgesetzliche Grundlagen gibt, und dazu kommt auch noch, daß im Zuge der EU-Diskussion alle gesagt haben, der Beitritt zur Europäischen Union heißt nicht Aufgabe der Neutralität. (Abg. Scheibner: Sie haben das gesagt, nicht alle!) Das hat auch der seinerzeitige Außenminister Dr. Mock gesagt. Kollege Schieder hat ausgeführt, warum es verfassungsrechtlich nicht sinnvoll ist, dem Text des Volksbegehrens zu folgen. Ich würde es aber, sollte sich Österreich irgendwann einmal dazu entschließen, nicht mehr neutral sein zu wollen, sondern und sich in ein Militärbündnis begeben zu wollen – WEU und NATO sind und bleiben klarerweise Militärbündnisse –, demokratisch fair finden, diese Frage einer Volksabstimmung zu unterziehen, denn ich meine, wenn man eine so weitreichende Entscheidung anstrebt, ist der demokratische Konsens in der Bevölkerung genauso erforderlich, wie es beim EU-Beitritt der Fall war. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir Sicherheitspolitik diskutieren und über Sicherheit im großen Rahmen – nämlich in der europäischen Dimension – reden und in dem Zusammenhang über NATO-Alt, NATO-Neu debattiert wird, sollten wir uns vielleicht die Debatte vergegenwärtigen, die aktuell geführt wird.

Die alte NATO hat ja der erste Generalsekretär der NATO, Lord Ismay, einmal sehr treffend und ein wenig süffisant beschrieben. Er hat gemeint, sie dient dazu, die Russen draußen zu halten, die Amerikaner drinnen zu halten und die Deutschen unten zu halten. (Abg. Dr. Khol: Sehr gut!) – Das war der alte Slogan, der der NATO zugrunde gelegt wurde. Es stellt sich die Frage: Ist diese alte NATO heute auch noch vorhanden, oder ist die neue NATO etwas anderes?

Mit großem Interesse vernehmen wir, daß es gerade in den USA – und täuschen wir uns nicht, lesen Sie in der "Financial Times" alle Kommentare nach: die entscheidende Kraft der NATO sind die Vereinigten Staaten von Amerika, ohne sie geht nichts, und nur was sie wollen, geht in dieser NATO – eine höchst interessante Diskussion über die NATO-Osterweiterung gibt, in der unterschiedliche Argumente abgewogen werden. (Abg. Mag. Stadler: Klassenfeind!)


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63. Sitzung / Seite 65

Diejenigen, die derzeit in der Administration das Sagen haben, gehen offensichtlich von drei Grunddeterminanten der NATO-Neu aus. Erstens: Die NATO soll als Stabilitätsfaktor der europäischen Sicherung nach innen und nach außen erhalten bleiben. Sie gehen zum zweiten davon aus, daß die NATO ein Beitrag sein soll, die Neuordnung Mittel- und Osteuropas nicht alleine den Deutschen zu überlassen, und zum dritten gehen sie davon aus, daß bei Bedarf auch zur Neuordnung von Konflikten an der europäischen Peripherie die Mittel der Pax Americana zum Einsatz kommen – drei durchaus diskussionswürdige Thesen.

Dem steht gegenüber, daß zum Beispiel der Doyen der amerikanischen Sicherheitspolitik, George Kennan, in einem beachteten Beitrag in der "New York Times", der auf Deutsch auch in der "Zeit" zur Verfügung steht, gemeint hat, die Ausweitung der NATO sei der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Ära nach dem kalten Krieg. Solch eine Entscheidung, so stehe zu erwarten, werde die nationalistischen antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der öffentlichen Meinung Rußlands anheizen und sich in einer nachteiligen Entwicklung der russischen Demokratie niederschlagen, mit all den negativen Konsequenzen für die Ost-West-Beziehungen. – George F. Kennan, der Doyen der amerikanischen Sicherheitspolitik.

Und die These des Herrn Kollegen Haider, die er heute vertreten hat, nämlich daß es besser wäre, eine NATO-Osterweiterung durchzuführen als eine EU-Osterweiterung, ist übrigens auch in der "New York Times" gerade diese Woche von Herrn Professor Mandelbaum von der John Hopkins University aufgegriffen worden, der kritisch zur NATO gemeint hat, die Westeuropäer wollten den Knochen der NATO-Erweiterung nur darum hinwerfen, um osteuropäische Länder von der Europäischen Union fernzuhalten. Unter dem Titel "NATO or Tomato" heißt es da, die Westeuropäer wollen die NATO-Osterweiterung nur deswegen, weil sie in Zukunft keine Tomaten aus Osteuropa kaufen wollen. Und genau diese Diskussionen finden heute in den USA statt.

Wenn Herr Kollege Mock gemeint hat, es ist das souveräne Recht jedes einzelnen Staates, seine Sicherheitspolitik autonom festzulegen, dann muß man sagen, daß eine etwaige NATO-Osterweiterung in Richtung Rußland natürlich auch Konsequenzen hätte. Es wäre genauso das Recht der russischen Duma, zum Beispiel die neuen Beschränkungen im Bereich der Nuklearrüstung nicht zu ratifizieren, ebenso wie es dort andere legitime Rechte gibt. Wenn man Sicherheit in einem größeren Maßstab bedenkt, stellt sich dann aber die Frage: Führen diese Entscheidungen für uns und für Gesamteuropa zu einer stabileren Situation – ja oder nein? Ich meine, daß eine nicht akkordierte Vorgangsweise in dem Zusammenhang unsere Sicherheit eher reduziert.

Das, was Sie auf der Ebene der Ideologieproduktion betreiben, indem Sie sagen, daß Österreich infolge einer Nichtmitgliedschaft bei der NATO isoliert wäre, ist doch absolut lächerlich! Ein Mitglied der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der OECD, aller internationaler Organisationen bis auf die NATO und die WEU kann per Definition nicht international isoliert sein. (Abg. Scheibner: Sicherheitspolitisch!) Ihre Vorschläge sind nicht von dem Bedürfnis nach Sicherheit in Österreich getragen, sondern vom Bedürfnis der Ideologieproduktion, des parteipolitischen Populismus, der nicht im Interesse des Friedens und der Sicherheit dieses Landes ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Eine Rede altmarxistischer Diktion!)

14.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich unterbreche jetzt die Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 und werde um 15 Uhr die Anfragebeantwortung aufrufen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.59  Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme nun die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1657/AB

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten mit der Zahl 1657/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodaß sich deren Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 57a Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von maximal 10 Minuten zusteht. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Herr Abgeordneten Mag. Stadler, als Antragsteller des Verlangens die Debatte zu eröffnen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, wir haben die Debatte über diese Anfragebeantwortung unter anderem deswegen verlangt, weil sie in einzelnen Punkten objektiv unrichtig ist.

Ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie dem Hohen Haus wissentlich falsch geantwortet haben. Aber ich unterstelle, daß Sie den Firmensalat, der sich rund um die ASAG, ASG, ÖSAG und die Mautgesellschaft ereignet hat, wahrscheinlich immer noch nicht im Griff haben.

Ich habe hier ein Protokoll der Aufsichtsratssitzung der ÖSAG vom 13. Jänner, und dieses Protokoll liest sich – meine Sekretäre und ich haben beim Studium dieses Protokolls wirklich Tränen gelacht – wie ein Drehbuch eines Kabaretts. Herr Bundesminister! Leider ist es aber eine Realsatire, die sich im Verantwortungsbereich Ihres Vorgängers und in Ihrem eigenen Verantwortungsbereich zugetragen hat, was nicht uninteressant ist, denn das kommt eben davon, wenn man Ministersekretäre zu Aufsichtsratsmitgliedern und zu Funktionären in öffentlichen Unternehmungen macht.

Das beginnt einmal damit, daß man in dieser Aufsichtsratssitzung festgehalten hat, daß man das Vertriebssystem wie folgt organisiert hat: Man hat unter anderem, Herr Bundesminister, jene rund 2 600 Trafiken, die auch die Lotto-Toto-Berechtigung haben, ins Vertriebssystem aufgenommen. Meine Damen und Herren! Es war für jeden Vignettenkäufer in der Tat eine Frage des Glücksspiels, ob er überhaupt eine Vignette bekommt. Das war zu Jahresbeginn eine durchaus marktkonforme Lösung, wenn man beabsichtigt hat, das zu einem Glücksspiel zu machen. (Abg. Ing. Meischberger: Nur 6 aus 45!) Ja, es war zunächst eine wilde Glücksspielangelegenheit, ob man überhaupt eine Vignette bekommt. Es war erhellend, was die Herrn hier zum besten gegeben haben.

Ein Vertreter des Aufsichtsrates sagte folgendes wörtlich: Die österreichische Mautgesellschaft war ursprünglich der Meinung, daß ein Vertriebsengpaß – das war ja objektiv zu Jahresbeginn feststellbar – zum Jahresanfang durch weniger strenge Kontrollen überbrückt werden könne. – Tatsächlich aber läßt das Gesetz diesen Spielraum nicht zu, meine Damen und Herren!

Man hat gesagt: Wir wissen, daß es einen Vertriebsengpaß geben wird. Seit Ende November ist bekannt, daß wir eine Firmenfehlentscheidung getroffen haben, als wir unsere Freunde in Chicago mit dem Auftrag bedacht haben. Aber wir haben gedacht, daß man das durch weniger strenge Kontrollen überbrücken kann. – Man hat sich aber nicht die Mühe gemacht, festzustellen, ob das nach dem Gesetz zulässig wäre!

Herr Minister! Das ist aber nicht der zentrale Punkt unserer Kritik. Der zentrale Punkt unserer Kritik betrifft Ihre Feststellung, daß bei der Herstellung dieser Vignetten der Bestbieter zum Zuge gekommen ist. Herr Bundesminister, das ist objektiv falsch! Es ist auch objektiv falsch, daß es


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sich bei dieser ARGE, die in Wahrheit unter der Führung einer gewissen Firma Swarco steht, die rein zufällig eine Tiroler Firma ist, so wie auch jener Herr Generaldirektor Unterholzner, der der Bruder eines früheren Landeshauptmannsekretärs ist, ein Tiroler ist, die Alpenstraßengesellschaft ... (Abg. Anschober: Das ist sehr verdächtig!)

Natürlich darf man Tiroler sein. Ich bin auch zur Hälfte Tiroler, das ist keine Schande. Aber ich bediene, meine Damen und Herren, nicht meine Freunde bei Auftragsvergaben, wie das in diesem Falle geschehen ist, und zwar mit der Begründung, es handle sich um eine österreichische Firma und es handle sich um den Bestbieter! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tatsache ist, Herr Bundesminister, daß diese Firma laut Aufsichtsratsprotokoll ihren Sitz in Chicago hat. Ich weiß nicht, wie weit Österreich schon reicht, aber bis nach Chicago, soviel ich weiß, nicht. Spätestens seit dem letzten Wiener Wahlkampf wissen wir, daß Chicago keine österreichische Stadt ist!

Herr Bundesminister! Es ist auch falsch, daß es sich bei dieser Firma um den Bestbieter handelt. Sie wissen ganz genau, daß diese Firma mit 34,8 Millionen Schilling Angebotssumme deutlich über der Bestbieterfirma mit 33,2 Millionen Schilling Angebotssumme gelegen hat. Das wird damit begründet, daß diese Firma die Qualität der Vignette garantieren kann, fixe Lieferzeiten garantieren kann, daß sie die Kapazität hat, das alles zu garantieren. Und weil das alles gar so interessant war, hat man auch noch einen Ministeralbeamten in das ferne Chicago geschickt. Es haben auch verschiedene andere beauftragte Unternehmen gleich mehrfach ordentliche Reisen nach Chicago unternommen. Daher konnte man diese Firma nicht mehr kritisieren, als es soweit war, als das Debakel – oder das Desaster, wie es im Protokoll heißt – auf der Hand lag.

Herr Bundesminister! Ihre Antwort ist daher objektiv unrichtig. Es handelt sich nicht um eine österreichische Firma, sondern es handelt sich laut Aufsichtsratsprotokoll um eine amerikanische Firma. Und es handelt sich nicht um den Bestbieter, sondern, wie ich behaupte, mittlerweile sogar um den Schlechtestbieter, der da zum Zug gekommen ist. Ich werde Ihnen das anhand des Aufsichtsratsprotokolls auch noch beweisen.

Es heißt etwa auf Seite 15 des Protokolls – ich darf zitieren, Herr Bundesminister, vielleicht glauben Sie es den Herren vom Aufsichtsrat etwas lieber als mir –, was die Lieferzeiten anlangt, die für den Zuschlag an die Firma in Chicago so entscheidend waren: "Es überrascht, daß dies nicht hervorgestrichen wurde, denn dies war der Entscheidungsgrund für die Firma in Chicago. Es wurde damals der Zuschlag ausdrücklich nicht an die Billigstbieterfirma Forster in Waidhofen an der Ybbs vergeben, da dargestellt wurde, daß die Produktionskapazitäten der Chicagoer Firma eine entsprechende Sicherheit bieten würden. Ein Mengenproblem bei der Neueinführung war schon damals als Möglichkeit erkannt worden" – man hat es damals bereits erkannt! –, "welches für Nachbestellungen sehr kurze Reaktionsfristen benötigte. Es ist nicht vorstellbar, einen Vertrag mit vierzehntägiger Lieferfrist abzuschließen und bei deren Nichteinhaltung nicht entsprechend zu reagieren. Darüber hinaus dürfte aber die Ursache des Ganzen in der Struktur der Straßengesellschaften zu suchen sein." – Jetzt sagen sie, bei ihnen selber, bei der Struktur ist die Ursache zu suchen!

"Bei Unternehmen, die zwangsläufig zusammenarbeiten müssen, gibt es schon Kommunikationsprobleme" (Heiterkeit bei den Freiheitlichen), "umso mehr bei solchen Unternehmen, die in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen, wie dies bei der ASAG oder ÖSAG der Fall ist."

Meine Damen und Herren! Da wird von einem Konkurrenzverhältnis gesprochen! Raufen sich die um Autofahrer, darum, welcher Autofahrer über den Brenner fährt oder welcher Autofahrer über die östlichen Autobahnen fährt? Das ist das Konkurrenzverhältnis, daher konnte das nicht gut gehen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das ist ein Kabarett!) Es ist ein wildes Kabarett!

Weiters wird gesagt, daß man Schadenersatz geltend machen müsse. Der Herr Bundesminister hat auf unsere Frage gesagt, daß die Kosten für den entstandenen Schaden selbstverständlich dem Auftragnehmer, id est Firma in Chicago, angelastet würden. Dazu heißt es hier im Auf


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sichtsratsproktoll: "Hinsichtlich von Schadenersatzforderungen besteht Kriegszustand mit den Lieferanten. Andererseits müssen aber die Probleme so abgewickelt werden, daß dieser seinen Lieferverpflichtungen weiter nachkommt. Dies ist keine einfache Situation, bei der entsprechend taktisch vorgegangen werden muß, damit nicht plötzlich die Vignettenlieferungen überhaupt ausbleiben." (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, so schaut es also aus! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Er hat das Parlament belogen!)

Lieber Holger, er weiß ja nicht, was sich in diesem Kabarettzirkus eines Firmengeflechtes von Parteisekretären abspielt. "Die Problematik stellt sich wie bei einem Flugzeugabsturz multikausal dar. Ursächlich ist das Zusammenkommen vieler Umstände." – Eine wirklich erhellende Erkenntnis! – "Im nachhinein kann man dann immer leichter reden, und man ist gescheiter geworden, wenn die Probleme erst einmal entstanden sind." – Ende des Zitats.

Ganz kraß jedoch, Herr Bundesminister, wird es erst. So heißt es auf Seite 18: "Im November ..." (Das rote Licht am Rednerpult beginnt zu blinken.) Herr Präsident, das kann nicht stimmen mit der Lampe, ich rede doch noch nicht 10 Minuten. (Widerspruch des Präsidenten Dr. Brauneder. ) – Okay, dann komme ich zu einer entscheidenden, erhellenden Passage im Protokoll. Ich zitiere: "Im November 1996 wurde nämlich anhand des erhaltenen Musters erkannt, daß der Kleber der Folie sehr stark ist, und es muß befürchtet werden, daß dies ein erneutes Öffentlichkeitsthema werden könnte, wenn sich die Vignette schwer von der Scheibe löst." – Herr Bundesminister! Verkaufen Sie das nächste Mal Scheiben und Vignetten, dann haben Sie dieses Problem auch gelöst. – "Es muß befürchtet werden, daß die Selbstzerstörungstechnik besser funktioniert als der Kleber und daher Rückstände auf der Scheibe bleiben, die sich nur schwer entfernen lassen. Die ÖMG sollte deshalb nicht so viel auf einmal bestellen, um dem Produzenten die Chance zu lassen, die Klebstoffqualität nochmals bei seinem Lieferanten zu verbessern." Und jetzt kommt der zentrale Satz: "Eben ist eine Hiobsbotschaft eingetroffen: Ein Autofahrer hat dem ÖAMTC gemeldet, er habe eine Vignette gekauft, nach Vereisung der Scheibe die Heizung eingeschaltet, worauf die Vignette herunterfiel." Also zunächst pickt sie so sehr, daß die Scheibe kaputtgeht, und jetzt fällt sie herunter.

"Eine Kollegin ist in dieser Angelegenheit bereits auf dem Weg zum ORF. Es steht zu befürchten, daß es nun ein weiteres Thema gibt, daß sich die Vignette frühzeitig löst. Das Problem ist, eine Vignette zu finden, die bei plus 90 ° Celsius, bei minus 20° Celsius und bei hundertprozentiger Luftfeuchtigkeit auf der Windschutzscheibe ebenso klebt wie bei 20 Prozent Luftfeuchtigkeit und die ein Jahr hält."

Herr Bundesminister! In welcher Klimazone befindet sich eigentlich Ihr Aufsichtsrat? Können Sie mir eine Talschaft in Österreich nennen, die diese klimatischen Bedingungen erfüllt?

Ich kann Ihnen anhand mehrerer Beispiele – die Zeit läßt es aber leider nicht zu – erläutern, daß es sich da um eine sagenhafte Kulmination von Inkompetenz, wirtschaftlicher Unfähigkeit und völligem Sekretärsdenken bis hin zur Freunderlwirtschaft handelt. Es genügt nicht, eine Briefkastenfirma aufzulösen, Herr Bundesminister, wie Sie das gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Es wurde angedeutet, Herr Bundesminister, daß es beim Road-Pricing die noch größeren Probleme gibt, man belobt Sie sogar, bereits Erfahrungen gesammelt zu haben. Herr Bundesminister! Sie haben enormen Handlungsbedarf, denn das Debakel des nächsten Jahres ist vorprogrammiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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15.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.13

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte die vom Anfragesteller gestellten zusätzlichen Fragen 1 bis 12 wie folgt beantworten:

Zu den Anfragen 1, 4 und 5 über das Reflexionsverhalten der Vignette:

In den Ausschreibungsunterlagen zur Vignette war folgende Grundanforderung an die Eigenschaft der Vignette enthalten – ich zitiere –: "Bei besonderen Materialien, zum Beispiel retroreflektierende Folien et cetera, muß eine Materialzulassung beziehungsweise Prüfung existieren, die das Anbringen an Fahrzeugen verkehrsrechtlich erlaubt." In einem mir vorliegenden Gutachten des lichttechnischen Instituts der Universität Karlsruhe hat der Hersteller nachgewiesen, daß die Vignette einen Rückstrahlwert von rund einem Zehntel des Wertes, der eine Signalwirkung für andere Verkehrsteilnehmer darstellen könnte, besitzt. Damit ist klargelegt, daß sie – ich zitiere – "nicht als lichttechnische Einrichtung betrachtet werden kann".

Zu den Fragen 2, 3, 7 und 8, Erlassung der Mautordnung:

Der von der ÖMG erarbeitenden Mautordnung wurde nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesminister für ... (Abg. Mag. Stadler: Herr Bundesminister! Das haben Sie ja schon schriftlich beantwortet!) – Es sind dies die Antworten auf die Zusatzfragen, die Abgeordneter Rosenstingl heute gestellt hat. Ich nehme dazu Stellung. (Abg. Mag. Stadler: Es gibt ja keine Zusatzfragen, die gestellt wurden!) Es sind mir hier Fragen übermittelt worden, die Herr Abgeordneter Rosenstingl gestellt hat. Auf diese antworte ich hiermit. (Abg. Mag. Stadler: Beachten Sie die Geschäftsordnung! Es ist keine Dringliche! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Es sind dies die Fragen, die offenbar in diesem Zusammenhang mit mir zu diskutieren sind. Ich kann mit Ihnen, Herr Abgeordneter, nicht über das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung diskutieren, an der ich nicht teilgenommen habe. Ich kann mit Ihnen darüber diskutieren, welche Konsequenzen ich daraus gezogen habe. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wir diskutieren eine Anfragebeantwortung!)

Ich gestatte mir, Herr Präsident, die Fragen zu beantworten, die mir schriftlich übermittelt worden sind und die in Ihrem Kerngehalt immer wieder ... (Abg. Mag. Stadler: Können Sie die dem Hohen Haus zur Verfügung stellen? Die haben wir nicht!) Haben Sie die nicht geschickt? – Okay! (Abg. Mag. Stadler: Woher haben Sie diese Anfragen?)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Bundesminister! Sie sind am Wort, und die Art der Beantwortung ist ganz Ihrem Ermessen anheimgestellt. Bitte fahren Sie fort.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner (fortsetzend): Ich halte nochmals zur Diskussion, in der immer wieder behauptet wird, die Mautordnung sei zu spät erlassen worden, fest: Die Mautordnung wurde im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" am 11. Dezember 1996 kundgemacht. Die Mautordnung wendet sich nicht an die Hersteller und Verkäufer, sondern an den Konsumenten, konnte daher nicht rechtzeitig diskutiert werden. Nun, ich lasse das stehen.

Wenn es niemanden interessiert, daß ich diese Fragen beantworte ... (Abg. Haigermoser: Die sind gar nicht gestellt worden! – Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß der Herr Bundesminister am Wort ist. Wie er Fragen beantwortet, liegt ganz in seinem Ermessen. Dazu können die Abgeordnete danach Stellung nehmen. Ich bitte Sie fortzufahren, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner (fortsetzend): Herr Präsident! Dann werde ich davon Gebrauch machen, daß ich auf jene beiden Fragen, die Herr Abgeordneter Stadler konkret gestellt hat, antworte und in bezug auf den Rest der Fragen darauf verweise, daß sie jederzeit neuerlich an mich gestellt werden können.


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Zur ersten Frage betreffend Bestbieter: Wie Ihnen und mir aus den Protokollen bekannt ist, hat es mehrere Anbieter gegeben. Nach der Bundesvergabeordnung hat man versucht, einen Bestbieter zu evaluieren; das lag nicht in meiner Entscheidungskapazität. Man hat als Bestbieter die Firma Swarco etabliert, die in einer Betriebsstätte in Chicago produzieren läßt. Ich habe auch in der ersten Anfragebeantwortung nichts anderes gesagt.

Zum zweiten, zu den Konsequenzen: Ich habe nicht nur die Auflösung der Geschäftsführergesellschaft ÖMG veranlaßt, sondern ich habe weiters veranlaßt, daß es eine klare Aufgabenteilung zwischen ASG und ÖSAG gibt. Die ÖSAG wird künftig ausschließlich für die Vignette zuständig sein, die ASG für die Vorarbeiten zum Road-Pricing, sodaß die auch aus dem Protokoll ersichtlichen Differenzen zwischen den beiden Geschäftsführungen und zwischen den beiden Firmen beseitigt sind.

Dritter Punkt: Auf längere Sicht gesehen: Was immer an Vorgängen zu beurteilen ist, wird im Augenblick durch eine Rechnungshofprüfung untersucht. Ich habe keinen Grund, dieser Prüfung vorzugreifen, ergehe mich daher nicht in Mutmaßungen, was das Ermitteln des Bestbieters anlangt. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP.)

15.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Stadler. Die Geschäftsordnung ist bekannt. 2 Minuten Redezeit.

15.18

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sie haben soeben behauptet, daß Sie auf die Vergabe an die Chicagoer Firma keinen Einfluß hatten, respektive Ihr Ministerium; Sie persönlich waren damals noch nicht Minister.

Dies ist unrichtig! Richtig ist vielmehr, daß die Österreichische Mauterrichtungsgesellschaft eine Briefkastenfirma war, die durch ein Steuerungsgremium, das insgesamt siebzehnmal getagt hat, bestimmt war. Und in diesem Steuerungsgremium war neben Vertretern der ÖSAG auch das Wirtschaftsministerium vertreten, und dort wurden alle Entscheidungen einvernehmlich, das heißt, auch mit Zustimmung des Vertreters des Wirtschaftsministeriums, gefaßt (Abg. Haigermoser: Aha! Schurke!) , insbesondere auch die Tatsache, daß die ÖSAG die Ausschreibung des Auftrages getätigt hat und die ASAG die Auftragsvergabe an die Chicagoer Firma gemacht hat. Das wurde mit Zustimmung des Wirtschaftsministeriums durchgeführt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Rosenstingl vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Anschober: Der Rosenstingl liest jetzt die Fragen vor!)

15.19

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ganz typisch, was bei der Abwicklung der Autobahnvignette geschehen ist. Herr Bundesminister, es ist wirklich bedauerlich, daß bei Ihnen im Haus Kooperation und Koordinierung so schlecht funktionieren: Ihre Mitarbeiter bereiteten anscheinend irgendwelche erläuternden Bemerkungen zu meiner Anfrage, die ich schriftlich gestellt habe, für den heutigen Tag vor, und Sie wissen nicht einmal, daß dies nicht von mir stammt, sondern von Ihren Leuten, und nun behaupten Sie, ich hätte Zusatzfragen gestellt, welche Sie beantworten wollen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Ich teile Ihnen mit: Ich habe heute keine Zusatzfragen gestellt. Wir haben heute nur eine Besprechung der Beantwortung der Fragen, die in meiner schriftlichen Anfrage enthalten sind, verlangt, aber keinerlei Zusatzfrage gestellt. Es wäre sinnvoll, Herr Bundesminister, daß Sie sich, wenn Sie in dieses Hohe Haus kommen, ordentlich vorbereiten, um sich dem Thema stellen zu können, und unsere Anfragen ernst nehmen. Das, was Sie betreiben, Ihre Unernsthaftigkeit, ist wirklich eine Verhöhnung dieses Hauses! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Keine Polemik vom Rednerpult!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade Ihnen von der ÖVP ist es vielleicht gleichgültig, daß Österreich lächerlich gemacht wurde. Ich weiß warum: Sie tragen mit Ihrer Regierungspolitik ja vieles dazu bei, daß Österreich im Ausland lächerlich gemacht wird. Daher ist es Ihnen gleichgültig, daß Österreich durch diesen Vignettenskandal lächerlich gemacht wurde.

Frau Kollegin! Ihnen als Präsidentin der Wirtschaftskammer ist es vielleicht auch gleichgültig, daß durch diesen Vignettenskandal der Tourismus in Mitleidenschaft gezogen wurde, denn Ihnen ist ja alles gleichgültig. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das einzige, worauf Sie noch Wert legen, sind Ihre Posten in der Regierung, daß Sie da drinnen bleiben, daß Sie schön verteilen können. Sie machen weiterhin einen Unsinn nach dem anderen. Aber wir werden das immer aufzeigen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Jawohl!)

Herr Bundesminister! Das, was Sie jetzt auf eine angeblich von mir gestellte Zusatzfrage, die ich gar nicht gestellt habe, geantwortet haben, war schon wieder unrichtig. Sie haben nämlich behauptet, daß die Mautordnung nicht an den Hersteller geht. Herr Bundesminister! Ich würde Sie bitten: Lesen Sie den § 4 Abs. 1 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes durch, dann werden Sie wie wir alle zur Kenntnis nehmen können, daß das, was für das Road-Pricing gilt, in der Zwischenzeit natürlich analog auch für die Vignettenausschreibung gilt. Sie sind verpflichtet, die Mautordnung zu erstellen und auch die Beschaffenheit der Vignette bekanntzugeben. Das haben Sie jedoch nicht getan, weil Sie die Mautordnung erst am 2. Dezember 1996 erlassen haben. Am 11. Dezember, glaube ich, wurde sie dann veröffentlicht. Das heißt, der Verkauf des Mautpickerls erfolgte bis zu diesem Zeitpunkt in einem gesetzlosen Raum. Das mag auch ein Grund dafür gewesen sein, warum es dann zu diesem Chaos gekommen ist.

Den Gesetzesbeschluß gab es ja wesentlich früher. Sie schreiben in Ihrer Antwort: Wir haben leider keine Zeit gehabt, in vielen Monaten eine Mautordnung zu erlassen. Herr Bundesminister! Das hat nichts mit einem Zeitproblem zu tun, sondern das hat mit Unfähigkeit zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn wenn ich innerhalb von vielen Monaten nicht in der Lage bin, die Mautordnung zu erlassen, dann ist das kein Zeitproblem, sondern ein Problem der sachlichen Zuständigkeit in diesem Bereich.

Herr Bundesminister! Mich würde interessieren, wie Sie die Einführung des Road-Pricing, das wir Freiheitlichen ablehnen, bewerkstelligen wollen, wenn Sie dafür sind, daß das dieselben Leute machen sollen, die für die Einführung der Vignette verantwortlich sind. Herr Bundesminister! Nein, danke, das will ich in Österreich nicht erleben! Ich lehne und wir Freiheitlichen lehnen das Road-Pricing ab. (Abg. Rosemarie Bauer: Ist das überhaupt Thema der Anfrage?) – Frau Kollegin, lesen Sie die Anfrage! Sie behandelt auch das Road-Pricing. Machen Sie keinen Zwischenruf, wenn Sie nicht wissen, was in der Anfrage steht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Sie sagen ja immer, Sie hätten gar nichts gefragt!)

Herr Bundesminister! Das Road-Pricing lehnen wir auch deswegen ab, weil wir die Autofahrer schützen wollen, weil wir nicht zulassen wollen, daß Sie aufgrund Ihrer verfehlten Budgetpolitik jetzt die Autofahrer mit 50 Groschen pro Kilometer enorm belasten wollen. Herr Bundesminister! Man könnte – leider ist bei einer AB-Besprechung die Zeit viel zu kurz – weiter ausführen, was sich da kabaretthaft noch abgespielt hat.

Ich darf zum Schluß auf das Aufsichtsratsprotokoll eingehen, auf die Feststellungen, die die hohen Aufsichtsräte getroffen haben und die auch Sie mit zu verantworten haben. Da steht als Feststellung, als Zusammenfassung, daß nicht nur der Sieg, sondern auch die Niederlage viele Väter hat. (Abg. Mag. Stadler: Ja, viele Väter!)


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Peter Rosenstingl (fortsetzend): Unter anderem steht dann unter Punkt 5: Man wird weiter über dieses Problem sprechen. Herr Bundesminister! Hören Sie auf zu sprechen, machen Sie irgend jemanden anderen dafür verantwortlich, Sie sind sicher nicht in der Lage, diese Probleme zu lösen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.24


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63. Sitzung / Seite 73

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.24

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist ein unbestrittenes Recht der Freiheitlichen, hier eine Besprechung einer Anfragebeantwortung zu verlangen. Ich weiß aber nicht, wieweit Ihnen aufgefallen ist, welche Signale im Rahmen dieser Besprechung ausgesandt wurden. Das erste Signal war, daß sich der Herr Kollege Stadler mit seiner Fraktion unterhalten hat. Ich bin voller Erwartung auf meinem Platz gesessen und habe mir gedacht, es ist doch gut, wenn jemand bei einer Anfragebeantwortung nachfragt, und ich mache mir daher Notizen zu den neuen Fragen und Dingen, die der Kollege Stadler aufwirft. Dazu steht bei mir: Stadler – nichts. Es ist nichts Neues von ihm gekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Na geh!)

Ich habe mir beim Kollegen Rosenstingl aufgeschrieben: Nichts Neues vom Kollegen Rosenstingl. Meine Damen und Herren! Sagen wir einmal grundsätzlich ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen, Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der Herr Abgeordnete Schwemlein ist am Wort, und ich bitte, bei den Zwischenrufen wie auch am Rednerpult auf die Wortwahl zu achten.

Herr Abgeordneter, bitte fahren Sie fort.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (fortsetzend): Danke vielmals. Meine Damen und Herren! Über die Problematik in Verbindung mit der Vignette zu diskutieren ist legitim, ist in Ordnung, hat auch stattgefunden. Aber ich meine, Herr Bundesminister, wir sollten gut überlegen, ob es sinnvoll ist, jene Personen beziehungsweise jene Gesellschaft, die die Vignette geregelt hat, mit der Einführung des Road-Pricing zu betrauen. Da haben Sie, würde ich meinen, keine gute Empfehlung abgegeben.

Meine Damen und Herren! Wir haben die Vignette doch deshalb eingeführt, weil wir einen Schritt weiter in Richtung Kostenwahrheit gehen wollten. Zweifelsohne hat es Probleme mit der Vignette gegeben. Wir sollten sie aber unter dem Gesichtspunkt betrachten, daß wir damit zu mehr Gerechtigkeit zwischen dem Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr kommen. (Abg. Haigermoser: Diese Rede sollten Sie bei den Pendlern im Pinzgau halten!) Des weiteren ist es doch ein ganz entscheidender Schritt, daß wir uns nicht einem Lobbyismus unterwerfen, denn es ist wichtig und wesentlich, daß Österreich auf seine doch sehr sensiblen Zonen aufpaßt, und daß wir berechtigterweise auch über die Vignette Mittel einfordern, um den Umweltschutz in Österreich sicherstellen zu können.

Ich möchte folgendes noch festhalten, weil ich meine, daß es eine der letzten positiven Botschaften oder der Auslöser für viele positive Botschaften ist: Herr Bundesminister! Ich finde es sehr gut, daß es Verbesserungen gibt, vor allem Verbesserungen auch für die Tourismuswirtschaft. Es ist höchste Vordergründigkeit, meine Damen und Herren, wenn jemand argumentiert, die Nächtigungszahlen wären aufgrund der Vignette zurückgegangen. Das ist schlichtweg falsch, das stimmt nicht! (Abg. Haigermoser: Nein!) Die Abwicklung der Vignette war sehr wohl ein Problem, aber deren Einführung hat zu keiner Reduktion der Nächtigungszahlen geführt.

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, folgende Positiva hier kundtun: Wir schaffen es sehr wohl, daß es für die Behinderten in Zukunft eine Befreiung geben wird, und vor allem werden wir erreichen, was im Hinblick auf die bevorstehenden Feiertage ganz wichtig ist, daß bei unseren Urlaubsgästen nicht weiterhin die starre Regelung exekutiert wird, daß sie gelockert wird. So gesehen, Herr Bundesminister, kann man mit umgangssprachlichen Worten sagen: Da haben Sie noch die Kurve gekratzt und eine Lösung gefunden, die sicherlich vertretbar ist. Ich glaube aber, daß es unser primäres Ziel sein muß, von der Vignette wegzukommen hin zu einem Road-Pricing, denn nur das Road-Pricing wird es ermöglichen, daß wir zu einer Gerechtigkeit innerhalb der Verkehrsträger kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Die Nahversorgung können Sie zusperren!)

15.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. König vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.30

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Klubobmann Stadler! Es ist für einen Klubobmann schon etwas eigenartig, wenn er eine Besprechung einer Anfragebeantwortung verlangt und dann zu den Fragen, die angeblich nicht beantwortet wurden, gar nichts sagt, sondern hier ein Theater abzieht und gleichzeitig den Minister kritisiert, wenn dieser das tut, was die Freiheitlichen schriftlich verlangt haben, nämlich sich an die Fragen zu halten, die Rosenstingl gestellt hat. Das ist wirklich ein sehr eigenartige Verhaltensweise eines Klubobmanns! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. Abg. Mag. Stadler: Es war falsch, was der Herr Minister geantwortet hat! Völliger Unsinn!) – Hören Sie zu, ich habe nur 5 Minuten Redezeit!

Sie haben außerdem allen Grund gehabt, etwas anderes zu sagen, denn die zwei wesentlichen Behauptungen in Ihrer Anfrage waren: Es wäre erstens das Mautpickerl nicht dem Kraftfahrgesetz entsprechend und müßte daher bei der jährlichen Überprüfung wegen der Rückstrahlwirkung beanstandet werden. Der Minister hat Ihnen geantwortet, daß das sogar durch ein Gutachten aus Karlsruhe geklärt ist. Also die Anfragebeantwortung war in Ordnung. (Abg. Haigermoser: Halleluja!)

Sie behaupten weiters, daß der Bestbieter nicht der Bestbieter war. Es geht nicht um den Billigstbieter, es geht um den Bestbieter. Der Minister sagte Ihnen, daß er diesbezüglich den Rechnungshof beauftragt hat. Ja was wollen Sie eigentlich noch mehr? Sind Sie für die Verantwortung der Unternehmen, die selbständig sind, einen Vorstand haben, einen Aufsichtsrat haben und ihre Entscheidungen zu verantworten haben? Wofür sind Sie denn eigentlich in einem Rechtsstaat? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Diese Rede ist deiner nicht würdig! Du weißt es wirklich besser!)

In Wahrheit ist es so, daß die Österreicher überall mit Ausnahme von Deutschland Maut zahlen müssen, und es ist nur recht und billig, daß die Ausländer bei uns auf den Autobahnen auch Maut zahlen. Die Pickerllösung ist eine einfache und praktikable Lösung, abgesehen von den Kinderkrankheiten, die es zweifelsohne gegeben hat. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Nein, nicht so einfach wegschieben!

Herr Kollege Haigermoser! Gehen Sie nach Bayern, der dortige Ministerpräsident Stoiber hat gesagt: Wir müssen es den Österreichern nachmachen!, weil auch die Deutschen einsehen, daß die Vignette eine adäquate Lösung der Beteiligung an den Kosten für die Autobahnen ist. Die EU, von der man gesagt hat, sie würde das aufheben, hat das auch anerkannt. Also greifen wir bitte nicht Österreich an und sagen wir nicht, die Ausländer hätten recht, wenn sie nicht kämen, weil Österreich nur abkassieren will. Das ist nicht der Fall. Ein bißchen mehr österreichische Haltung in diesem Zusammenhang wäre angebracht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haigermoser: ... Chicago!)

Gerade Sie sollten es unterlassen, von Chicago zu reden. Sie haben in Chicago sogar einen EU-Abgeordneten eingekauft, der sich in der EU nicht sehen läßt. Also bitte reden Sie nicht davon! Das ist wirklich das Letzte. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Keine Unwahrheiten verzapfen!)

Entweder sie waren Bestbieter – dann war es in Ordnung. Oder sie waren es nicht – dann wird das der Rechnungshof feststellen. Sie sollten sich eigentlich zum Rechnungshof bekennen, denn er ist ein parlamentarisches Organ. Die Pickerllösung ist zweifelsohne die wirtschaftlichste und einfachste Form der Bemautung der Autobahnen, und die jetzige flexible Lösung hebt sich sehr, sehr positiv von jener in der Schweiz ab. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) – Das ist Ihnen unangenehm. (Abg. Mag. Stadler: Das amüsiert mich!) In der Schweiz müssen Sie für eine Fahrt die Jahresmaut bezahlen. So schauen die tatsächlichen Verhältnisse aus. Sie sollten


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sich mehr an die Wahrheit und an die Realität halten, als nur Propaganda und Unterstellungen zu verbreiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor vom Herrn Abgeordneten Rosenstingl eingebrachte Antrag, der Nationalrat möge die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis nehmen, steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.34

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Da mittlerweile auch Herr Abgeordneter König den Patriotismus entdeckt hat, möchte ich mich eher Herrn Abgeordneten Schwemlein zuwenden, denn ihm ist inhaltlich schon einiges entgegenzuhalten.

Herr Abgeordneter Schwemlein! Sie wissen doch genau, daß die Vignette keineswegs aus Umweltgründen eingeführt worden ist, sondern damit die Bundesregierung die ASFINAG mit ihren 70 Milliarden Schilling Schulden aus dem Budget herausbekommt und diese nicht mehr in die laut Maastricht anzuführenden Schulden eingerechnet werden. Das ist der wahre Grund. Denn: Nur dann, wenn die ASFINAG entsprechende eigenständige Einnahmen hat – und es dürfen diese Einnahmen nicht zu 50 oder mehr Prozent durch Steuern gedeckt sein –, können Sie sie aus dem Budget herausnehmen. Das war der eigentliche Grund, die Vignette einzuführen, und kein anderer.

Das wollte ich hier deutlich festhalten, denn damit ist auch folgendes klargeworden: Die Budgetpolitik dieser Bundesregierung ist gescheitert. Sie schlägt mittlerweile in vielen Bereichen – so zum Beispiel im Bereich der Vignette, Herr Abgeordneter Schwemlein – auf die Österreicher und Österreicherinnen durch. Nur: Gesagt wird es nicht, zugegeben wird es nicht! – Das ist der eine Bereich.

Meine Damen und Herren! Heute wurde hier gesagt – und das haben auch Sie, Herr Abgeordneter Schwemlein, gesagt –, daß es ein Road-Pricing deshalb geben muß, weil dies eine ökologische Maßnahme wäre. Dem ist entgegenzuhalten, daß bisher von der Bundesregierung alle ökologischen Maßnahmen ausschließlich zur Budgetsanierung verwendet worden sind. Doch nicht einmal das ist Ihnen gelungen! Aber Sie haben das auf diese Weise verkauft. Damit ist auch dieses Argument in Mißkredit gebracht worden, Herr Abgeordneter Schwemlein, und das wird bei einer zukünftigen Steuerreform ein Problem sein. Oder wie erklären Sie sich denn, Herr Abgeordneter, daß die Person, die für die Ausschreibung der Vignette verantwortlich war, auch für die Einführung des Road-Pricing in Österreich zuständig sein soll? Kann es ein verantwortungsbewußtes Vorgehen von Herrn Bundesminister Farnleitner sein, wenn man schon bei dieser einen, kleineren Maßnahme gesehen hat, welche Schwierigkeiten auftreten, für ein reines Investitionsvolumen nur zur Einführung des Road-Pricing von rund 4 Milliarden Schilling dieselbe Person verantwortlich zu machen?

Ich sage Ihnen: Auch das geht schief. Das ist etwas, was wir nicht durchziehen, sondern ganz im Gegenteil verhindern sollten. Dies haben die Liberalen hier auch sehr klar gesagt. Wir wollen, Herr Abgeordneter Schwemlein, aus ökologischen Gründen eine Steuerreform, aber wir sind nicht bereit, Ihnen die Mauer zu machen, wenn hier einfach ein Grund vorgeschoben wird, den in Wahrheit niemand in dieser Bundesregierung einhalten will.

Sie wissen auch, Herr Abgeordneter Schwemlein, daß in Deutschland Großversuche mit dem Road-Pricing gemacht wurden und daß die Deutschen klar und deutlich gesagt haben, für den PKW-Verkehr sei das nicht machbar. Sie wissen, daß allein für die Südosttangente bei einer Funktionsfähigkeit von 99,9 Prozent letztlich 50 000 Fehlbuchungen im Jahr und entsprechend viele Verfahren zu erwarten sind.

Herr Abgeordneter Schwemlein! Es mag Ihnen vielleicht nicht wichtig erscheinen, aber Sie haben sowohl bei der Vignette als auch in diesem Zusammenhang nicht in Rechnung gestellt, daß


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wir mit hohen bürokratischen Auflagen zu kämpfen haben und daß dies daher der falsche Weg ist.

Meine Damen und Herren! Es ist interessant, daß in bezug auf die öffentliche Verwaltung und die privaten Unternehmer ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird. Der Herr Bundesminister führt – er ist momentan etwas abgelenkt von der Frau Abgeordneten Tichy-Schreder – in seiner Anfragebeantwortung jedenfalls aus, daß es eine sehr kurze Zeit war, innerhalb der man diese Mautordnung habe erstellen müssen. Er spricht von sechs Monaten. Ich darf Sie nur daran erinnern, Herr Bundesminister, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, daß Sie privaten Unternehmern sogar rückwirkende Bestimmungen zumuten. Das ist etwas, was Sie mit Leichtigkeit beschließen. Aber wenn es darum geht, daß jemand, der aus dem Kammerbereich kommt, etwas umzusetzen hat, dann sind auf einmal sechs Monate zuwenig. Das ist doch etwas, Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, das allenthalben gesehen wird. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Mag. Barmüller! Es sind Auflagen von seiten der EU gekommen!) – Mir ist noch etwas sehr wichtig, Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, und ich habe nur noch eine Minute Redezeit, daher muß ich mich jetzt darauf beschränken: Das Chaos, das beim Verkauf der Vignetten angerichtet worden ist, hat die Reputation Österreichs massiv geschädigt. Das wissen Sie. Das einzige Glück für den Herrn Bundesminister ist, daß dies nicht in klare Zahlen zu fassen ist, denn sonst würde er nicht mehr als Bundesminister hier sitzen. Aber wir wissen es. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, meine Damen und Herren, betrifft die Dauer des Pickerls. Ich freue mich, daß es Vertretern des Tourismus offenbar gelungen ist, mittlerweile eine etwas flexiblere Lösung zustande zu bringen. Es war offensichtlich dem Herrn Bundesminister nicht möglich, von Anfang an zu sagen, man könne es jedem einzelnen überlassen, die Vignette zu entwerten. Damit hätte der Tourismus in Österreich keinen Schaden erlitten, und damit hätten sich diejenigen, die einen Kurzurlaub bei uns machen wollten, das selbst einteilen können. Das wäre doch wohl jedem in der Privatwirtschaft eingefallen. Nur: Wenn es ein sozialpartnerschaftlich akkordierter Kompromiß ist, dann wird das offenbar nicht umgesetzt.

Meine Damen und Herren! Der dritte Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der dritte Punkt müßte eigentlich schon der Schlußsatz sein, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (fortsetzend): Der dritte Punkt, der zugleich mein Schlußsatz ist, Herr Präsident: Es geht darum, daß Reiseveranstalter, die Busse haben, doch die Möglichkeit erhalten sollten, nicht für jeden Bus eine Vignette kaufen zu müssen, sondern eine Wechselvignette zu bekommen. Das wäre leicht einzuführen und im Sinne der Wirtschaft durchaus sinnvoll. Herr Bundesminister! Machen Sie das! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.40

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin seit mittlerweile zwei Monaten ein begeisterter Hörer von Ö 3, vor allem des Ö 3-Morgenweckers. Dort tritt jeden Tag der "Vignetten-Man" auf; noch häufiger als in diesem Parlament! Heute habe ich lange gewartet, und es ist ein ganz schlimmer Morgen geworden: Heute ist der "Vignetten-Man" nicht erschienen, er ist ausgeblieben.( Abg. Dr. Fuhrmann: Weil er den Weg nicht fand!) – Richtig, weil er den Weg nicht gefunden hat. (Zwischenrufe.) Hier gibt es viele Hörer und Hörerinnen von Ö 3, merke ich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da haben wir eine Parallele zu dieser Besprechung einer Anfragebeantwortung: Auf Ö 3 ist heute der "Vignetten-Man" ausgeblieben, beim Kollegen Stadler sind die Neuigkeiten ausgeblieben, diese sind nicht aufgetreten.


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Herr Kollege Stadler! Was Sie uns da erzählt haben, ist wirklich Schnee von vorgestern. Wir diskutieren in diesem Haus seit zwei Monaten – vielleicht ist das Ihrer Aufmerksamkeit entgangen – das gleiche Thema. (Abg. Mag. Stadler: Haben Sie das Protokoll?) – Ich sage Ihnen etwas ganz anderes; hören Sie zu! – Mit zweimonatiger Verspätung springen Sie auf einen Zug auf, der längst abgefahren ist. Sie, Herr Kollege Stadler, sind mit Sicherheit nicht auf der Höhe dieser Debatte, da fehlt Ihnen jegliche Aktualität. (Abg. Mag. Stadler: Wir haben Ihnen die Möglichkeit geschaffen, heute zu zeigen, daß Sie der Größte sind!)

Herr Kollege Stadler! Vielleicht ist Ihnen entgangen, daß die Grünen aufgedeckt haben, daß es bei dieser Vignette das völlige Versorgungschaos gibt, daß es dabei riesige Materialprobleme gibt, daß es da Fragwürdigkeiten bei der Vergabe und enorme Verluste gibt. Man kann zumindest Verluste in zweistelliger Millionenhöhe festmachen. Diese wurden ja von der Finanzprokuratur bereits eingemahnt und definitiv öffentlich dargestellt.

Herr Kollege Stadler, ich muß Ihnen schon sagen: Wenn Sie öfters in den Sitzungen des Hohen Hauses wären, würden Sie wissen, daß die Aufsichtsratsprotokolle längst in diesem Haus vorgetragen und öffentlich präsentiert worden sind. Das ist nichts Neues! Das ist von vorgestern, Herr Kollege Stadler. (Abg. Mag. Stadler: Ich bin öfter da als Sie! Ich bin ständig da! Sie sind zum Teil nicht einmal mehr in den Ausschüssen vertreten! Das ist unglaublich! In zahlreichen Ausschußsitzungen gibt es überhaupt keine Grünen!)

Auf Initiative der Grünen ist längst durchgesetzt worden, daß es eine Organisationsreform gibt. Ich halte das für richtig, für einen richtigen Schritt in die richtige Richtung. Es muß noch einiges weitergehen, aber wir haben eine Entwicklung in diese Richtung. Wir haben zweitens durchgesetzt, daß es Reparaturbemühungen gibt. Ich halte das, was gestern realisiert wurde, auch für einen Schritt in die richtige Richtung. Und wir haben drittens durchgesetzt, daß es eine Rechnungshofsonderprüfung gibt. Herr Kollege Stadler, selbst Sie sollten den Anstand haben, das Kontrollgremium dieses Hauses arbeiten zu lassen und dann anzuerkennen, was bei der Prüfung herauskommt. Dann sehen wir schwarz auf weiß, welche Konsequenzen, welche politische Verantwortung es gibt und was der Punkt ist.

Noch etwas dazu: Die gesamte Organisationsstruktur, die gesamte Vorbereitung, das gesamte Maßnahmenpaket, die gesamte Frage der Mauterrichtungsgesellschaft wurde von den Vorgängern des Ministers Farnleitner fixiert. Herr Minister Farnleitner löffelt hier eine Suppe aus, die Schüssel und Ditz eingebrockt haben. Dort werden wir diese Frage nach Vorliegen des Rechnungshofberichtes auch thematisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stadler! Sie sind aus noch einem Grund nicht auf der Höhe der Debatte: Das eigentliche Chaos findet nicht mehr bei der Vignette statt, sondern längst schon bei der Vorbereitung des Road-Pricings. Nun kommt ein massiver Vorwurf: Wir haben eine Bundesregierung, die im vergangenen Frühling ein Bundesstraßenfinanzierungsgesetz mit den Stimmen der Abgeordneten von SPÖ und ÖVP beschlossen hat, und nun gibt es eine Partei, die einen wesentlichen Punkt dieses Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes, nämlich die Einführung des Road-Pricings, offen ablehnt; es gibt eine derartige Aussage des Verkehrssprechers der ÖVP und eine solche Aussage des Vizekanzlers von vergangener Woche hier bei der Sondersitzung.

Herr Minister Farnleitner! Ich würde mir bei aller Fairneß erwarten, daß Sie uns heute eine Antwort auf die Frage geben – das kann auch in der Diskussion zu den Tagesordnungspunkten 4 bis 7 sein, wo wir ähnliche Themen abhandeln werden –: Wie ist denn das jetzt mit der ÖVP? Steht die ÖVP noch zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz, will die ÖVP das Road-Pricing noch einführen? Wenn nein, wie Kukacka und Schüssel bereits dargelegt haben, wie wollen dann genau diese Politiker die Straßenbauprojekte, die ihre Länder fordern, finanzieren? Ich würde ersuchen, daß es darüber noch Aufklärung in diesem Plenum gibt, denn ich glaube, es ist eine eigenartige Situation, wenn eine Partei, nämlich die Österreichische Volkspartei, gegen ein von ihr mit beschlossenes Gesetz ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.


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Abgeordneter Rudolf Anschober
(fortsetzend): ... und gegen den eigenen Wirtschaftsminister Stimmung macht und politisch Position bezieht. Da bedarf es einer Aufklärung! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Rosenstingl, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Nichtkenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist damit abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über den 1. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Es liegt die Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Jung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Angezeigt wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten.

15.46

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vom Pickerlskandal wieder zurück zum sicherheitspolitischen Durcheinander, das bei uns in der Republik herrscht. Ich darf etwas auf den Theaterdonner des Kollegen Wabl eingehen, den er in seinem Auftritt vor dieser Unterbrechung geliefert hat und dem in vielen Punkten zu widersprechen wäre. In einem Bereich stimme ich allerdings mit ihm überein – es ist schade, daß er jetzt nicht da ist; ich weiß nicht, ob er mir das abnimmt, ich kann es ihm nur versichern –: Er hat gesagt, er hoffe, daß der militärische Bereich in der Sicherheitspolitik eine immer schmälere Rolle spielen wird, und er wünsche sich, daß diese eines Tages ganz schmal sein wird. Ich teile diesen Ihren Wunsch, Herr Kollege Wabl. Der Unterschied in unserer Auffassung ist allerdings: Ich fürchte, wir sind noch nicht soweit.

Kollege Wabl hat dann auch den Kollegen ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Der Lärmpegel ist so hoch!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich bitte, dem Herrn Abgeordneten zuzuhören beziehungsweise den Lärmpegel entsprechend zu senken.

Abgeordneter Wolfgang Jung (fortsetzend): In Österreich muß man gewohnt sein, daß Sicherheitspolitik kein sehr relevantes Thema ist. Man übergeht es gern. Es ist auch unangenehm. So ist das auch jetzt zu beobachten.

Herr Kollege Wabl hat dann auch das Beispiel des Kollegen Schieder mit dem Messer und der Pistole gebracht und gemeint, daß es doch besser sei, sich friedlich zu einigen und sich an die Gesetze zu halten. Ich pflichte ihm auch darin bei. Aber was macht er – und jetzt sei nicht Kollege Schieder angegriffen –, wenn dieser sich zum Beispiel nicht an diese Regelung hält und das Messer einsetzt? Das ist die Problematik, und das ist eben der Grund, warum wir auch eine militärische Komponente in der Sicherheitspolitik brauchen. Denn wenn es darauf ankommt, dann habe ich im Zweifelsfall gegen einen so gewichtigen Gegner lieber einen Partner an meiner Seite, der mir hilft, diesen aufzuwiegen.

Nun zur Sicherheitspolitik in Österreich: Wie "schwergewichtig" dieses Thema ist – ich will die Frau Staatssekretärin hier nicht abwerten –, sieht man an der Besetzung der Regierungsbank: kein Außenminister, kein Verteidigungsminister, kein Kanzler. Die Sicherheitspolitik interessiert sie ja gar nicht – oder aber sie haben vielleicht Angst, daß ihnen einige konkrete Fragen gestellt würden, die sie vielleicht irgendwann einmal konkret beantworten müßten. (Abg. Dr. Khol: Herr


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Kollege Jung! Der Außenminister ist krank!) – Auf Sie, Herr Kollege Khol, komme ich noch zu sprechen.

Viele von uns haben am vergangenen Sonntag die Sendung "Zur Sache" gesehen und da den, möchte ich sagen, durchaus traurigen Auftritt der Kollegen Khol und Schieder miterlebt. In der "Presse" hat Andreas Unterberger darüber geschrieben, und zwar unter dem bezeichnenden Titel – nein, nicht die "Blitzgneißer", das ist aus dem "Kaisermühlen-Blues" – "Die Langsamdenker". Ich zitiere: "Alles andere als ein Fortschritt Richtung Klarheit sind jedoch die gewundenen inhaltlichen Positionen, die dabei von den Regierungsparteien eingenommen werden. Je öfter man sie hört, umso klarer wird, wie sehr die Regierungslinie von Taktik und der Angst bestimmt ist: Wie sage ich’s meinem Kinde?"

Diese Angst ist es wirklich, die das Leitmotiv unserer Regierenden – oder sollte man nicht besser sagen: der Getriebenen – bestimmt. Die EU-Staaten machen nämlich – und das wissen Sie alle, bei jedem Besuch hören wir es aufs neue – Druck auf Österreich. Und das Märchen, daß wir in der EU mit einer gemeinsamen Sicherheitspolitik als Österreicher auf Dauer neutral bleiben können, zerrinnt und hält der Realität genausowenig stand wie das Märchen von den anonymen Sparbüchern, vom Beibehalt des Schillings oder von den gesicherten Pensionen. Sie haben Angst davor, den Österreichern zu sagen, daß die Neutralität zwar einmal ein wirksames Mittel zur Erhaltung und vor allem zur Wiedergewinnung unserer Souveränität und zum Loswerden der Besatzungsmächte war, aber daß sie schon kurz darauf mißbraucht wurde, um den Österreichern vorzugaukeln, eine Neutralitätserklärung allein würde schon Sicherheit geben.

In Wahrheit waren wir nie wirklich neutral, nicht nach dem Muster der Schweiz. Wir waren nicht politisch neutral und waren schon gar nicht militärisch neutral, denn dazu waren wir nicht in der Lage. Das Bundesheer war nie in der Lage, diese Aufgabe, die eigentlich an es gestellt wurde, zu erfüllen. Das hat Kollege Kostelka klar erkannt, als er nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes gesagt hat: Jetzt ist das Bundesheer einmal in der Lage, seinen Auftrag zu erfüllen.

Sie haben damit den Bürgern dieses Landes Scheinsicherheit vorgegaukelt, die – zugegebenermaßen – gerne angenommen wurde. Garantiert wurde unsere Freiheit aber bis zum Schluß des Zusammenbruchs des Warschauer Paktes einzig und allein durch die Interessen, die logischerweise auch die NATO in unserem Raum gehabt hat, weshalb sie unsere Sicherheit garantiert hat.

Wir waren – das hören die Herren von Regierungspartei nicht gerne – nur sicherheitspolitische Trittbrettfahrer. Aber damit ist es jetzt vorbei, man läßt uns nicht mehr, man erlaubt uns nicht einmal mehr die Illusion, nur in die WEU zu gehen und uns damit die "böse" NATO zu ersparen.

Ich verstehe ja den Seelenschmerz der Altachtundsechziger in der SPÖ, die früher gegen die NATO demonstriert und "Ho Ho Tschi Minh!" gerufen haben. Es wird ihnen aber ebensowenig wie der ÖVP erspart bleiben, endlich einmal deutlich zu sagen, wie sie es mit der österreichischen Sicherheitspolitik halten.

Da wird noch gezögert und kokettiert: In die NATO hinein. – Vielleicht, wenn wie unsere Bedingungen annimmt, wenn sie den Artikel 5 – ihr Kernstück –, die Beistandspflicht, herausnimmt. Ja glauben Sie wirklich, Herr Kollege Schieder, daß die nur darauf gewartet haben, daß wir jetzt kommen und ihnen Vorschriften machen, wie sie ihre Verträge zu gestalten haben, wir, die Draußenstehenden, die in der letzten Reihe sitzen? – Kollege Scheibner hat es heute bereits gesagt.

Abgesehen davon wäre es ein haarsträubender Unsinn, wenn gerade wir, als eher exponierter Staat, auf diese Beistandspflicht verzichten wollten, denn wenn es um Gefährdungen geht, dann ist in Zukunft Spanien vielleicht weniger gefährdet, und die Gefahr, daß wir Spanien helfen müssen, ist geringer als umgekehrt. Außerdem können wir nur auf diese Art und Weise, nämlich durch das vollständige Hineingehen, das machen, was Sie die ganze Zeit fordern, nämlich die Arbeitsteilung im Bündnis, um uns auf diese Art und Weise zumindest einen Teil der Kosten zu ersparen.


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"Österreich ist neutral und Österreich bleibt neutral", meinte Kollege Kostelka noch am 20. 9. 1996 in diesem Hohen Hause. Und Kollege Schieder wähnte den Herrn Bundespräsidenten im Irrtum, der meinte, die Neutralität halte den Veränderungen nicht stand und zwinge Österreich zu neuen Überlegungen. Wir sind gerade dabei, Herr Kollege, diese neuen Überlegungen – entgegen Ihrer Meinung – anzustellen. Wachen Sie auf, Herr Kollege Schieder! Machen Sie mit und arbeiten Sie im Interesse Österreichs an diesen neuen Überlegungen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das geht aber sicherlich nicht, indem man jetzt auf einmal als Nothilfe eine auf den Kern reduzierte Neutralität konstruiert. Es geht nicht darum, zuzuwarten, wie sich die NATO entwickelt, es geht nicht darum, abzuwarten, in welche Richtung der Wagen fährt. Wir wollen mitreden können! Wir wollen mitbestimmen können! Das geht nur dann, wenn wir drinnen sind, und nicht, wenn wir zusehen und warten, was die mit uns machen. Dann passiert uns noch das gleiche wie in der EU: Ohne Wenn und Aber sind wir drinnen. Nur ein bißchen Neutralität, wie Sie es gerne hätten – das wird nicht gehen.

Noch dazu haben Sie eine Regierungsvorlage – und das halte ich schon für gefährlich, was hier läuft – über ein Entsendegesetz im Verfassungsrang vorbereitet, über die wir übermorgen beraten werden. Damit wollen Sie heimlich, still und leise, sozusagen durch die Hintertür, die Neutralität abschaffen. Das halte ich für höchst unfair! Sie erlauben damit die Bündnismitgliedschaft in jedem Bündnis, und Sie erlauben damit den Einsatz der Waffen bis zum Kampf, bis hin zum bewaffneten Krieg – und das mit einem Gesetz im Verfassungsrang, das das Neutralitätsgesetz aufheben würde!

So können Sie mit uns nicht argumentieren! Wir sind der Meinung, daß die Österreicher in der Lage sind, zu erkennen, was auf sie zukommt. Wir müssen diese Debatte mit ihnen führen, denn sie sind reif genug, darüber informiert zu werden. Von uns allen sollen sie informiert werden. Dazu sind wir gemeinsam mit Ihnen bereit – aber nicht in Form einer Mogelpackung!

Die Österreicher vertragen die Wahrheit und brauchen auch keine Geschichten à la Fasslabend, daß die Neutralität nichts kostet, obwohl der Minister ganz genau auf seinem Schreibtisch liegen hat, welche Teilkosten zumindest bereits bevorstehen. (Abg. Schieder: Sie wissen, was auf seinem Schreibtisch liegt?)

Wir müssen zuerst einmal festlegen, was wir wollen, und erst dann können wir die Konsequenzen daraus ableiten, hat der Minister Fasslabend gesagt. (Abg. Schieder: Heißt das, Sie wissen was auf seinem Schreibtisch liegt?) Ich nehme an, daß er das liest, was an Informationen so hereinkommt. (Abg. Schieder: Sie wissen also, was auf seinem Schreibtisch liegt!) Was auf Schreibtisch liegt, nicht, aber ich nehme an, daß er sich informiert, und ich hoffe, daß er gut informiert ist. (Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Schieder –: Was wollen Sie damit sagen? – Abg. Schieder: Anscheinend wird das ausspioniert!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz, bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Wolfgang Jung (fortsetzend): Noch einmal: Minister Fasslabend sagte: Wir müssen festlegen, was wir wollen, und erst dann können wir die Konsequenzen daraus ableiten! Da stimme ich ihm zu. Aber wann wissen Sie denn, was Sie wollen? Sie sind sich doch selber und auch innerhalb der Parteien nicht einig. Handeln Sie endlich einmal! Tun Sie etwas im Interesse Österreichs! Es ist nicht fünf Minuten vor zwölf, es ist schon fünf Minuten nach zwölf in der Frage der Bündnismitgliedschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Karlsson.

15.55

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich bin sehr froh, daß Sie hier sind, und ich möchte auch anmerken, daß der Herr Außenminister sowohl im Unterausschuß als auch im Ausschuß den Abgeordneten Rede


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und Antwort gestanden hat. Ich halte Sie – im Gegensatz zu meinem Vorredner – nicht für geringer. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre für mich jetzt verlockend, mich über die krausen Argumente meines Vorredners zu verbreiten oder über die Argumente der FPÖ überhaupt, die zwar sagt – das hat auch mein Vorredner wieder gesagt –, die österreichische Neutralität wäre nur unter dem Schutz der NATO sicher gewesen, wenn die NATO sich aber erweitert, dann führt das zu Unsicherheit für uns. (Abg. Scheibner: Woher haben Sie das jetzt wieder?) Also diese absurde Logik muß einmal jemand erklären. Abgeordneter Scheibner folgert daraus, daß wir aufrüsten müssen, denn dann ist rundherum die NATO, die uns bis jetzt angeblich beschützt hat. (Abg. Scheibner: Sie haben ein sehr selektives Wahrnehmungsvermögen!) Sie ist dann das Gefährliche, das Unsicherheit für uns bringt.

Ich will mich nicht weiter mit dieser krausen Argumentation beschäftigen, aber, weil da das Wort von den Achtundsechzigern gefallen ist, festhalten: Ich war im Gegensatz zu Herrn Haider und Co. und manchen, die damals politisch noch nicht einmal interessiert waren und sich nur in sehr rechten Kreisen herum ... (Abg. Scheibner: Haben Sie auch "Ho Tschi Minh!" geschrieen?) Herr Scheibner, Sie waren angeblich arbeitslos. Ich war auf der Straße und habe für die Freiheit der Tschechoslowakei demonstriert, ich habe gegen die russischen Panzer demonstriert, ich habe demonstriert, daß sich der tschechische Frühling verbreiten kann! (Beifall bei der SPÖ.) Ich bin auch stolz darauf, und Sie können mich hundertmal "Achtundsechzigerin" schimpfen, das ist mir egal! (Abg. Dr. Krüger: Frau Kollegin, wollen Sie jetzt die Achtundsechziger abwerten?)

Ich habe aber ein anderes Problem – es ist eine sachliche Frage, die mir Sorgen macht, die jedoch von den oberflächlichen Populisten gar nicht angesprochen wird –: Der Herr Außenminister hat im Ausschuß gesagt – und Abgeordneter Khol hat das auch im Fernsehen wiederholt –, es gebe ja keine Kriege in Europa, es werde nie eine Gefährdung geben, es werde keine bewaffneten Auseinandersetzungen geben.

Das ist innerhalb der EU nur teilweise richtig, denn – wir haben einen historischen Fall gehabt – es gibt nach wie vor EU-Mitgliedstaaten, die Territorien außerhalb Europas, sogenannte Überseeterritorien haben, und zwar in verschiedenster Konstruktion und in verschiedenster Gefährdung. Der Falkland-Malvinas-Konflikt hat genau diese Problematik deutlich gemacht und genau gezeigt, wann die Neutralität sehr wohl einen ganz unmittelbaren Sinn haben kann, nämlich zu dem Zeitpunkt, zu dem wir nicht gezwungen sind, alte koloniale Konflikte beistandsmäßig auszutragen, sondern uns sehr wohl neutral verhalten können. Es hat sich in diesem Konflikt damals auch Irland neutral verhalten, was zum Beispiel die Sanktionen gegenüber Argentinien betroffen hat.

Da ist nun abzuklären: Was heißt Beistandspflicht? Wie wird sich Österreich verhalten können?

Letztes Argument: Es ist um die gemeinsame Initiative der Neutralen in der EU sehr still geworden. Ich glaube jedoch, daß man genau mit jenen Aspekten, die sicherheitspolitisch hier sehr wohl lauern, diese gemeinsame Initiative der Neutralen in die Verhandlungen einbringen sollte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

15.59

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Frau Staatssekretärin! Ich habe vor zirka zwei Jahren namens der freiheitlichen Fraktion in diesem Hohen Hause einen Entschließungsantrag eingebracht, der in seinem Kern folgenden Wortlaut hatte: Die Bundesregierung möge die Frage einer Vollmitgliedschaft Österreichs bei der WEU einer eingehenden Prüfung unterziehen. – Sie haben damals diesen Antrag gemeinsam abgelehnt.

Nun, Hohes Haus, zwei Jahre später, sind auch Sie soweit, denn wir haben einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Schieder und Spindelegger, also der Regierungskoalition, vor


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liegen, der mehr oder minder völlig wortgleich dasselbe beinhaltet: "Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Frage einer Vollmitgliedschaft Österreichs in der WEU einer umfassenden Prüfung zu unterziehen." (Abg. Scheibner: Gut im Abschreiben!)  – Zögerlich kommt ihr! Langsam, spät kommt ihr, aber ihr kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gaál: Gut überlegt!) Ja, ja, ich werde Ihnen gleich etwas dazu sagen, Herr Kollege. Ich werde Ihnen gleich sagen, um welchen Preis Sie so lange überlegen.

Ich habe vor zirka einem Jahr hier einen Antrag zu vertreten gehabt, der die Bundesregierung aufgefordert hat, zu überprüfen, inwieweit eine Mitgliedschaft Österreichs bei der NATO zielführend und zweckmäßig ist. – Auch diesen haben Sie – wieder gemeinsam – abgelehnt.

Wir werden heute wiederum ... (Abg. Schieder: Sie werden es heute auch nicht besser verstehen!) Sie können das ja heute korrigieren, Herr Kollege Schieder. Wir haben heute wieder solch einen Antrag hier im Hohen Hause eingebracht, und ich nehme an, ich fürchte, Sie werden ihn heute – so wie vor einem Jahr – wieder ablehnen. Ich bin aber gleichermaßen überzeugt davon, daß in etwa einem weiteren Jahr, in maximal zwei Jahren auch bei Ihnen diesbezüglich wieder der Groschen gefallen sein wird und Sie dann in einem Jahr, in zwei Jahren den freiheitlichen Antrag abschreiben und als Ihren eigenen hier einbringen werden, weil Sie erkennen, erkennen müssen – das ist keine große intellektuelle und politische Leistung –, daß eine Vollmitgliedschaft bei der WEU, die Sie jetzt prüfen, letztendlich auf eine NATO-Mitgliedschaft hinauslaufen wird, weil eine Vollmitgliedschaft bei der WEU mit einer Mitgliedschaft bei der NATO weitgehend identisch ist und sein muß.

Und jetzt, Herr Kollege, zu Ihrer Feststellung, daß Sie langsam, bedächtig und überlegt vorgehen. Aber wissen Sie, diese Überlegung und diese langsame und zögerliche Vorgangsweise hat den Preis, daß wir die "NATO-Neu" nicht mitgestalten werden und nicht entscheidend mitformen können. Da geht es auch um den ökonomischen Preis, der damit verbunden ist, denn da gibt es Infrastrukturen, die errichtet werden, da gibt es kompatible Waffensysteme, die angeschafft werden, et cetera pp. Auch einen ökonomischen Preis werden wir also für diese Ihre zögerliche Haltung bezahlen. Vor allem aber werden wir dann auch die mittlerweile neugeschaffenen politischen Strukturen der "NATO-Neu" schlicht und einfach zu übernehmen haben.

Der Grund dafür, daß Sie diese Haltung an den Tag legen, ist heute schon mehrfach dargelegt worden – ich schließe mich dem an –: Es ist letztlich so, daß Sie aus politischen Gründen, aus Feigheit vor der Wahrheit, aus Handlungsunfähigkeit dieser Bundesregierung schlicht und einfach an der Fiktion, die Neutralität könne aufrechterhalten werden, festhalten wollen. Daher sagen und behaupten Sie – auch aus diesem Entschließungsantrag, der uns heute vorliegt, geht das hervor –, daß die Neutralität mit einer vollen Teilnahme an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU respektive der WEU vereinbar ist.

Die interessierte und informierte Öffentlichkeit wartet gespannt darauf, wie lange Sie diesen komischen Eiertanz, diesen unglaubwürdigen Eiertanz zum Schaden Österreichs noch fortzusetzen gedenken. Mir verschafft es eine gewisse Genugtuung, daß Ihnen meine Fraktion, meine Partei auch in dieser Frage wieder um ein, zwei, drei Schritte voraus ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser; es ist die zweite Wortmeldung. Restredezeit: 2,5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.05

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich möchte in der mir zur Verfügung stehenden Zeit noch ganz kurz auf die eingebrachten Entschließungsanträge eingehen.

Nicht antworten möchte ich auf die vor allem von den Grünen dargestellten Positionen zur Westeuropäischen Union. Ich darf Frau Kollegin Kammerlander nur wirklich dringlichst ersuchen, sich wenigstens über die vorhandenen Institutionen und auch über die Möglichkeiten, die seitens der


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Westeuropäischen Union gegeben sind, zu informieren, denn so, wie sie das dargestellt hat, entspricht es nicht den Tatsachen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es notwendig ist, die Bundesregierung aufzufordern, diesem Hohen Hause die Verträge vorzulegen und zur Kenntnis zu bringen, die in der Zwischenzeit mit der NATO oder mit der Westeuropäischen Union abgeschlossen worden sind. Das wäre nicht nur eine Sache des guten Tons, sondern auch sinnvoll und notwendig, um eine faire, umfassende und sachlich fundierte Diskussion über die zukünftige Perspektive der österreichischen Sicherheitspolitik führen zu können. In diesem Bereich darf es keinen Informationsvorsprung der Bundesregierung gegenüber dem Parlament geben, sondern es wird notwendig sein, daß das Parlament über dieselben Informationen verfügt wie die Bundesregierung. Daher wollen wir diesem Antrag zustimmen.

Zu den beiden Anträgen der freiheitlichen Fraktion: Meine Damen und Herren! Ich halte es wirklich für sinnvoll und notwendig, zunächst den Schritt der europäischen Dimension zu setzen, das heißt, zunächst in Verhandlungen mit der Westeuropäischen Union einzutreten, so wie wir es vorgeschlagen haben.

Ich weiß schon, Herr Kollege Scheibner, daß wir um die Frage der Mitgliedschaft in der NATO nicht herumkommen, aber es wird sinnvoll sein, zuerst Verhandlungen mit der Westeuropäischen Union aufzunehmen und dann, wenn sich daraus ein Erfordernis ergibt, in Verhandlungen mit der NATO einzutreten.

Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf den zweiten Antrag, den Antrag betreffend Einreichung des Assoziiertenstatus für die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung der NATO – diesem Antrag werden wir nicht zustimmen –, ist keine Kompetenz der Bundesregierung gegeben. Es ist unsere autonome Entscheidung, das heißt, es ist die Entscheidung des Parlaments, sich an die Parlamentarische Versammlung der NATO zu wenden, und es ist Sache der Nordatlantischen Versammlung und der Geschäftsordnung der Parlamentarischen Versammlung der NATO, daß der Ständige Ausschuß mit Dreiviertelmehrheit beschließen kann, ein Mitgliedsland, das nicht dem NATO-Bündnis angehört, einzuladen. Das heißt, wir bekommen eine Einladung, aber wir sollten sagen, daß wir Interesse daran hätten.

Es liegt auf der einen Seite nicht in der Entscheidung der Regierung, das zu machen, sondern es ist unsere autonome Entscheidung, also die Entscheidung des Parlaments, und auf der anderen Seite müssen wir eine Einladung dazu bekommen. Daher ist es auch aus sachlichen Gründen nicht möglich, diesen beiden Entschließungsanträgen die Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 592 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.  (E 43.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 592 der Beilagen hinsichtlich des Textes des Volksbegehrens zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte gegebenenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.


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Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 592 der Beilagen hinsichtlich des Antrages 110/A (E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Zuleitung neutralitätsgefährdender Staatsverträge mit NATO und WEU an das Parlament.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend rasche Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit NATO und WEU.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend Erreichung des Status eines assoziierten Mitgliedes in der Parlamentarischen Versammlung der NATO für Österreich.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (171 der Beilagen) zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes (603 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.11

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vor rund eineinhalb Jahren wurde ein Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes durchgeführt, das eine sehr beachtliche, ja die außerordentlich beachtliche Unterstützung durch 460 000 Österreicherinnen und Österreicher erfahren hat. Und fürwahr, dieses Anliegen ist nicht nur ein unterstützenswertes, sondern ein in einem hohen Maße dringliches, denn beim Tierschutz liegt tatsächlich sehr viel im argen.

Wir haben in diesem Zusammenhang eine überaus uneinheitliche Rechtslage. Wir haben im Zuge der Beratung dieses Volksbegehrens ein großes Hearing durchgeführt, bei dem uns der berühmte Wissenschafter Festetics haargenau beschrieben hat, wie groß die geographischen "Kenntnisse" von Tieren in Österreich sein müßten, um ihre Rechte zu wahren, und wie widersinnig diese unterschiedliche Regelung tatsächlich ist.

460 000 Unterstützungserklärungen verlangen, daß wir uns mit dieser Angelegenheit sehr eingehend, sehr gründlich, sehr offen und auch sehr ehrlich auseinandersetzen. Aufgrund der bisherigen Beratungen kann ich nur sagen, daß die Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes ein Gebot der Zeit ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Meine Damen und Herren! Ich fordere Sie von allen Fraktionen dieses Hauses auf, in weiterer Folge im Ausschuß mit uns die Arbeiten an einem solchen Bundes-Tierschutzgesetz zu einem Abschluß zu bringen und einen entsprechenden Beschluß des Nationalrates in absehbarer Zeit – nämlich noch in diesem Jahr – herbeizuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich tue das deswegen, weil aufgrund der bisherigen Beratungen im Ausschuß und im Unterausschuß klargeworden ist, daß Tierschutz nicht im Widerspruch zum Föderalismus steht. Die Schweiz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist fürwahr kein zentralistisch organisierter Staat, und wenn es die Schweiz vor rund zehn Jahren fertiggebracht hat, die Kompetenzen für den Tierschutz von den Kantonen an den Bund abzutreten, dann wird das dem föderalistischen Österreich wohl auch guttun. Es wird ihm keine föderalistische Zacke aus der Krone brechen.

Aber das ist nicht alles. Die Beratungen im Unterausschuß haben auch ergeben, daß es nicht nur eine Frage der humanitären Einstellung, des Respekts vor dem Lebewesen Tier ist, eine solche Bundes-Tierschutzkompetenz zu schaffen und darüber hinaus ein Ausführungsgesetz, ein Bundes-Tierschutzgesetz, sondern auch eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft.

In Österreich gibt es mehr Biobauern als im restlichen EU-Landwirtschaftsraum insgesamt, und diese Biobauern produzieren heute schon das Fleisch nach Regelungen, die dem sogenannten Tiergerechtheitsindex entsprechen. Dieser Tiergerechtheitsindex sollte unserer Ansicht nach die Grundlage eines Bundes-Tierschutzgesetzes sein. Es ist nämlich in diesem Zusammenhang der Nachweis zu erbringen, daß es nicht nur eine tiergerechtere Lösung gibt, sondern auch eine wirtschaftlichere, indem man über eine tiergerechte Haltung zu besserem Fleisch und zu höheren Fleischpreisen kommt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Leider kann der Ausschuß kein positives Ergebnis seiner Arbeit vorlegen, da nur vier Fraktionen dieses Hauses für die Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes sind, wir aber aus einer Reihe von Gründen auch die fünfte Fraktion dabeihaben wollen und müssen. Ich glaube daher, wir sollten gemeinsam die beschlossene Begutachtung unseres Entwurfes und der anderen im Ausschuß beratenen Texte durchführen und Schritt für Schritt an der Konkretisierung eines solchen Bundes-Tierschutzgesetzes arbeiten.

Ich bin überzeugt davon, daß die Kraft der Argumente – so wie in der Schweiz – auch in Österreich letztendlich überzeugen wird und nicht kleinkarierte parteipolitische Perspektiven, auf welcher Seite auch immer, vorherrschen werden.

Ich darf den Initiatoren, allen voran der Präsidentin des Wiener Tierschutzverbandes, Frau Loubé, sehr herzlich für ihre Bemühungen danken und darf alle Tierfreunde Österreichs auffordern, einen Meinungsbildungsprozeß in Richtung eines solchen Bundes-Tierschutzgesetzes mitzutragen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.17

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Universitätsprofessor Dr. Antal Festetics, den Herr Klubobmann Kostelka vorhin genannt hat, hat in seinem Einleitungsreferat beim Hearing im Unterausschuß des Verfassungsausschusses am 20. November 1996 – ich habe hier das Protokoll – eine Reihe von Ungereimtheiten, in erster Linie allerdings bei den Jagdgesetzen und bei den Heimtieren, aufgezeigt. Ich bitte alle, sich davon zu überzeugen: Es ist von Universitätsprofessor Festetics in diesem Zusammenhang kein einziges Beispiel von landwirtschaftlicher Nutztierhaltung angesprochen worden. Das bedeutet, wir haben dort Maßnahmen zu setzen, wo es Mängel gibt.

So hat Universitätsprofessor Dr. Antal Festetics vor allem kritisiert, daß in mehreren Bundesländern, darunter auch in Wien und im Burgenland – ich zitiere –, die barbarische Ampu


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tation von Hundeschwänzen und Hundeohren gestattet ist, weil es überhaupt keine Vorschriften gibt. Die Folgen: ein lebhafter Kupiertourismus zwischen den Ländern. – So wortwörtlich im Impulsreferat von Professor Festetics. (Die Abgeordneten der Grünen stellen Kartons mit der Aufschrift "Ein Recht für Tiere" auf ihren Bänken auf.)

Er zeigte in seinem Impulsreferat insbesondere auch auf, daß Pferderennen, in denen die Tiere ja zu Höchstleistungen getrieben werden, auch mit Tierquälerei in Verbindung zu bringen sind.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die österreichische Landwirtschaft ist im europäischen Vergleich eine sehr kleinstrukturierte. Wir in Österreich haben im Durchschnitt 19 Rinder beziehungsweise 8 Kühe je Betrieb, und wir haben im Durchschnitt 30 Schweine pro Betrieb. Das heißt, es ist von seiten der Bauern ein intensiver Kontakt zu den Tieren vorhanden. Und bei den österreichischen Bauern ist auch ein sehr hohes Umwelt- und Tierschutzbewußtsein vorhanden.

Herr Klubobmann Kostelka hat bereits darauf hingewiesen, daß Österreich mehr Biobauern hat als alle anderen EU-Länder zusammen. In Österreich sind es nämlich 23 000, während es in den 14 anderen EU-Ländern nur 17 000 Biobauern gibt. Das zeigt, wie sehr naturverbunden unsere Bauern sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf unseren Bauernhöfen ist der Tierbestand in der Regel das höchste Gut, hängt doch davon auch der wirtschaftliche Erfolg ab.

In den vergangenen Jahren haben daher die Bundesländer nach langjährigen Verhandlungen für den Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung Vereinbarungen nach Artikel 15a B-VG abgeschlossen und umgesetzt. Alle neun Landeshauptmänner haben diese Vereinbarung unterschrieben, auch jene von Wien und dem Burgenland. In der Zwischenzeit sind in den Ländern von den Landtagen auch die landwirtschaftlichen Nutztiergesetze beschlossen worden, und alle Gesetze sind durch den Ministerrat gegangen, ohne daß diese Landesgesetze vom Ministerrat beeinsprucht worden wären. Das heißt, man hat zur Kenntnis genommen, daß die Länder die entsprechenden Regelungen getroffen haben.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit diesen Vereinbarungen haben sich die Länder zu bundeseinheitlichen Normen in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung verpflichtet; sie wurden dann auch durch die entsprechenden Landesgesetze ergänzt. Damit ist in Österreich in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung der EU-weit strengste Tierschutz gewährleistet.

Selbst Götz von Langheim, der Präsident der Österreichischen Tierschutzvereinigung, der hier zuhört, hat in einer Pressekonferenz zugegeben, daß diese Artikel-15a-Vereinbarungen zumindest dem Standard der EU-Richtlinien entsprechen, in vielen Bereichen aber sogar höhere Standards ausweisen.

Zum Tiergerechtheitsindex von Dozent Bartussek, der eine Art Benotung beziehungsweise Einstufung darstellt: Unter 11 Punkten wäre es ein Nicht genügend, zwischen 11 und 15 Punkten wäre es ein Genügend – er schreibt hier, das wäre der Mindeststandard eines gesetzlichen Tierschutzes, und er schreibt auch: Vorschlag für ein Bundestierschutzgesetz.

Dann kommt die nächste Stufe: 16 bis 20 Punkte: Befriedigend. Auch Professor Bartussek sagt, das ist der Mindeststandard des Salzburger Nutztierschutzgesetzes. Das heißt, es ist bereits ein höherer Schutz für die Nutztiere vorhanden, als hier immer wieder als Bundesvorschlag von Professor Bartussek vorgetragen worden ist. – Die Länder haben sich also sehr ernsthaft mit diesem Thema befaßt und den größtmöglichen Schutz erreicht.

Bereits mit 21 Punkten wäre die Biobauern-Stufe erreicht. Das wären nur fünf Punkte mehr als der Mindeststandard, den das Salzburger Nutztierschutzgesetz bereits aufweist, obwohl diesem Nutztierschutzgesetz von den Grünen und von der SPÖ nicht zugestimmt wurde. Es ist im Salzburger Landtag mit den Stimmen der Österreichischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei beschlossen worden, obwohl darin ein sehr hoher Standard und auch schon der Tiergerechtheitsindex als gesetzliche Grundlage verankert worden sind. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine geschätzten Damen und Herren! Der Streit in der Frage des Tierschutzes hat sich hauptsächlich auf die Kompetenzfrage verlagert, nur, so meine ich, mit der Kompetenzfrage selbst kann man Tierleid nicht mildern. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind der Auffassung, daß in einem Staat, der neun Bundesländer umfaßt – und zumindest wir von der Österreichischen Volkspartei bekennen uns zu den Bundesländern –, diesen nicht alle Kompetenzen entzogen werden können. Noch dazu sind bisher mit den Bundesländern keine diesbezüglichen Verhandlungen geführt worden.

Es sind die Bundesländer zum Beispiel für das Kindergartenwesen, die Jugendwohlfahrt, das Behindertenwesen, die Sozialhilfe, das Rettungswesen, aber auch für die Krankenhäuser, das Baurecht, das Jagdrecht, den Naturschutz zuständig sind – ja warum dann nicht auch für den Tierschutz, wodurch die Kompetenz abgerundet wäre, weil alle Kompetenzen im Zusammenhang mit der Landwirtschaft auf Landesebene zu finden sind? – Wir teilen hier die Kompetenzen nicht auf, sondern dort, wo es vorgesehen ist, sollten bundeseinheitliche Regelungen auf hohem Niveau verhandelt werden. Wir haben in verschiedenen Bereichen einfach die Verhältnismäßigkeit verloren. (Von der Galerie werden Flugblätter in den Saal geworfen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, ich unterbreche Sie nur ganz kurz.

Ich bitte, diese Demonstrationen hier zu unterlassen. Ich müßte andernfalls die Galerie räumen lassen. (Zwischenrufe.)

Herr Abgeordneter, wenn Sie bitte fortfahren.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (fortsetzend): Was meine ich damit? – Es darf zum Beispiel ein Vorbestrafter keine Tiertransporte mehr durchführen. Das ist bereits im Gesetz verankert. Ein Vorbestrafter darf aber sehr wohl einen Schulbus fahren, und er darf auch die Kindergartenkinder führen. Da sind also schon gewisse Unverhältnismäßigkeiten festzustellen.

Das gilt auch, was das Strafausmaß angeht. Die Strafe in Höhe von 100 000 S, die im SPÖ-Gesetz vorgeschlagen wird, entspricht, was den Betrag angeht, im Durchschnitt dem Jahreseinkommen eines Bauern. Es muß unserer Meinung nach doch eine gewisse Verhältnismäßigkeit gegeben sein – ohne jene, die Gesetze übertreten, schützen zu wollen.

Nicht geregelt ist in mehreren Bundesländern die Heimtierhaltung; es sind ja auch schon Beispiele angeführt worden. Wir brachten deshalb bereits am 13. 6. 1996 im Nationalrat einen Entschließungsantrag ein. Im Punkt 2 dieses Antrages verlangten wir im Sinne eines umfassenden Tierschutzes eine Vereinheitlichung des Strafausmaßes, bessere Regelungen für die Haus- und Heimtierhaltung, für die Pelztierhaltung, von Tiertransportfragen und das Verbot bedenklicher Praktiken in der Heimtierhaltung.

Die Bundesregierung wurde ersucht, sich an diesbezüglichen Vereinbarungen über bundesweit gemeinsame Standards mit den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG zu beteiligen und dabei auf ein hohes Tierschutzniveau einzuwirken.

Laut Tierschutzvolksbegehren vom vergangenen März, also vom März 1996, wird im § 3 Abs. 5 die Förderung von artgerechter Tierhaltung sowie die Finanzierung von Maßnahmen, die zur Umstellung auf artgerechte Tierhaltung erforderlich sind, verlangt. In allen Landestierschutzgesetzen sind diese Förderungen verankert. Wir bestehen daher darauf, daß jene Gebietskörperschaft beziehungsweise jenes Ressort, welches Auflagen erteilt, die weit über die EU-Bestimmungen hinausgehen, aus Wettbewerbsgründen die Mehrkosten, die auf dem Markt nicht erzielt werden können, zu vergüten hat.

Die Bilder, die von Tiertransporten geliefert worden sind, sind wirklich schrecklich, nur hat dieses Tiertransportgesetz nichts mit Landeskompetenz zu tun, sondern ist ein Bundesgesetz. Dieses Bundesgesetz ist aber leider nicht EU-konform und kann deshalb nicht vollzogen werden.


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Wir haben in der vergangenen Woche erfahren, daß der Verwaltungsgerichtshof eine Strafe für einen deutschen Frächter aufgehoben hat, weil Ausländer bei der Durchfahrt durch Österreich nicht bestraft werden können, da unser Gesetz nicht den EU-Richtlinien entspricht. Auch Österreicher, die bestraft werden, bekämen, wenn sie zum Europäischen Gerichtshof gingen, recht, der Bescheid würde aufgehoben werden.

Deshalb verlangen wir, daß das österreichische Tiertransportgesetz endlich EU-konform gestaltet wird. Wir Bauern würden uns verpflichten, nach den bestehenden strengeren Regelungen, nämlich 6 Stunden und 300 Kilometer auf Autobahnen und 150 Kilometer auf Bundes- und Landesstraßen, vorzugehen, uns gewissermaßen einzuschränken, um damit auch das AMA-Gütesiegel zu erreichen.

Andererseits würden dann für all jene, die durch unser Land fahren, EU-konforme Regelungen gelten. Dazu benötigen wir aber dringendst eine Novelle, die der Verkehrsminister vorzulegen hat, und darüber hinaus auch eine Ausdehnung des Gesetzes, da wir nur ein Tiertransportgesetz-Flugzeug, also den Luftverkehr betreffend, haben, das EU-konform ist, ein Tiertransportgesetz-Straße, das noch nicht EU-konform ist, und wir haben kein Tiertransportgesetz-Schienenverkehr. Gerade bei Verschubarbeiten auf der Schiene passieren aber gräßliche Tierquälereien.

Ich erinnere daran, daß vor drei Jahren im Bereich des Bahnhofes Schwarzach/St. Veit bei Verschubarbeiten so grob fahrlässig umgegangen wurde, daß zwei Pferde notgeschlachtet werden mußten, weil sie so stark verletzt wurden.

Für diesen Bereich verlangen wir dringendst und baldigst Regelungen. Wir österreichischen Bauern haben es nämlich satt, als Tierquäler hingestellt zu werden. Auch die Experten im Unterausschuß haben erklärt, daß die österreichischen Bauern sehr viel auf Tierschutz und Tierpflege halten. Wir brauchen daher nur jene Bereiche zu regeln – ohne die Kompetenzen groß zu verschieben –, in denen es jetzt noch keine Regelung gibt, die regelungsbedürftig sind. Damit hoffen wir den Tierschutz in Österreich endlich einen weiteren Schritt vorwärts zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich die Frau Klubobfrau der Grünen fragen, ob ihre visuelle Artikulierung eines kurzen präzisen Anliegens den Verzicht auf die verbale Artikulierung bedeutet. (Abg. Dr. Petrovic: Keineswegs!) Bedeutet sie nicht.

Ich nehme zurück, daß das Ihren ganzen Klub betrifft, denn Abgeordneter Van der Bellen hat sich dem offenkundig nicht ganz angeschlossen.

Sie ziehen also Ihre Wortmeldungen trotz dieser Demonstration nicht zurück. (Abg. Dr. Khol: Vielleicht ziehen Sie die Papierln zurück!)

Ich würde bitten, zu überlegen, ob es nicht mit der Demonstration genug ist. Wir haben alle gesehen, daß "ein Recht für Tiere" gefordert wird, und das mehrfach. Ich glaube, Ihrem Anliegen ist Genüge getan – und wird auch noch.

Wenn Sie wollen, werden die Zettel nicht von Ihnen, sondern von jemand anderem weggeräumt.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

16.32

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Kollegen Schwarzenberger in aller Kürze: Selbstverständlich sind Verbesserungen im Bereich der Tiertransporte gefragt, und wir Freiheitliche werden jederzeit Verbesserungen in bezug auf Tier


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transporte zustimmen. Ich ersuche Sie, diesbezügliche Gesetzesvorlagen einzubringen, und wir werden diese selbstverständlich gerne unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute einen Zwischenbericht des Verfassungsausschusses, in dem derzeit das Tierschutzvolksbegehren beraten wird. Gestatten Sie mir vorneweg die Klarstellung, daß die FPÖ seit vielen Jahren für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz und für die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung eintritt. Wir Freiheitliche haben daher das Tierschutzvolksbegehren begrüßt und auch massiv unterstützt – allen voran unser Bundesparteiobmann Jörg Haider, der in Sachen Tierschutz wie auch in vielen anderen Fragen seit Jahren eine klare Linie vertritt. Frau Kollegin Horngacher, daran könnten Sie und die ÖVP sich ein Beispiel nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gleichzeitig möchte ich mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei den Initiatoren des Tierschutzvolksbegehrens und bei allen Unterzeichnern ganz herzlich bedanken.

Die Positionen der einzelnen Fraktionen sind einigermaßen klar bezogen. Während sich vier Fraktionen für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz und für die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung aussprechen, ist die ÖVP – wie bei den meisten Tierschutzfragen – wieder einmal dagegen. Ich sage ganz bewußt, daß die Positionen der einzelnen Fraktionen einigermaßen klar bezogen sind, weil ich nicht weiß, was ich von den Aussagen des Klubobmanns Kostelka halten soll, wenn er sagt, die SPÖ werde dieses Problem nicht zur Koalitionsfrage machen, wenn die ÖVP nicht wolle, werde es eben kein Bundes-Tierschutzgesetz geben. (Abg. Mag Stadler: Scheinheilig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, daß man mit einer derartigen Haltung nicht in Verhandlungen eintreten kann. Man kann doch nicht diesbezügliche Anträge einbringen und dann nur deshalb, weil es Schwierigkeiten mit der ÖVP gibt, einfach sagen: Tut uns leid, aber der Koalitionspartner will eben nicht!

Die SPÖ wird hier nicht nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!, agieren können, sondern es werden klare Positionen bezogen werden müssen, zumal sich vier Fraktionen – das habe ich bereits erwähnt – für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz ausgesprochen haben und im Parlament die notwendige Zweidrittelmehrheit mit Sicherheit gegeben wäre.

Es werden sich auch die über 460 000 Unterzeichner des Tierschutzvolksbegehrens mit einer derartigen Haltung der SPÖ nicht zufriedengeben und sich gepflanzt vorkommen. Es werden sich die verschiedenen Tierschutzorganisationen gepflanzt und auch politisch mißbraucht vorkommen. Glauben Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und SPÖ: Wir Freiheitliche werden nicht zulassen, daß fast eine halbe Million Unterzeichner dieses Tierschutzvolksbegehrens an der Nase herumgeführt werden. Wir werden nicht zulassen, daß diesbezüglich wieder einmal nichts passiert, sondern wir werden auch weiterhin die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung und ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz vehement einfordern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es darf doch nicht sein, daß aufgrund unterschiedlicher, teilweise mangelhafter neun Landestierschutzgesetze die Tiere in den einzelnen Bundesländern einen verschiedenen Stellenwert haben. Es darf doch nicht sein, daß Tiere in manchen Bundesländern schlechter gestellt sind als in anderen Bundesländern und schwarze Schafe unter den Tierzüchtern und Tierhaltern diese unterschiedlichen Bestimmungen ausnützen und von einem Bundesland ins andere Bundesland ausweichen, dorthin, wo es weniger hohe Tierschutzstandards gibt, und dann dort weiterhin ihr Unwesen treiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungen im Unterausschuß und die durchgeführten Hearings haben die Notwendigkeit eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes eindeutig aufgezeigt. Dabei wurde auch von den Experten klargelegt, daß es dadurch keinesfalls zu einem Nachteil für die heimische Landwirtschaft kommen muß, sondern daß die Beurteilung der Nutztierhaltung nach dem Tiergerechtheitsindex in Verbindung mit einem Tierschutzsiegel sogar eine Chance für unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft wäre – dies vor allem dann, wenn man


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zur Beurteilung von Lebensmitteln neben den Qualitätskriterien marketingmäßig auch die Haltungskriterien anführen würde.

Auch gleichen sich die teilweise etwas höheren Produktionskosten großteils dadurch aus, daß es durch eine optimale Tierhaltung zu einer beträchtlichen Leistungssteigerung und auch zu einer Verringerung der Krankheitsanfälligkeit der Tiere kommt. Das ist ein Faktum, das man gerade in Zeiten von BSE, von zunehmenden Tierseuchen, aber auch im Hinblick auf ein Umdenken bei den Konsumenten nicht unterschätzen sollte.

Ich hoffe daher noch immer auf ein Umdenken bei der ÖVP, denn die Beurteilung nach dem TGI, nach dem Tiergerechtheitsindex, ist ein sehr flexibles Kompensationsmodell, wie uns vorgestellt wurde, bei dem über das gesamte Jahr verschiedene Haltungs- und Aufstallungsformen gegeneinander aufgerechnet werden. Sämtliche österreichischen Biobetriebe – das haben wir heute bereits gehört –, zirka 23 000 an der Zahl, haben sich schon eineinhalb Jahre freiwillig dieser Beurteilung nach dem TGI unterzogen. Sie haben damit durchwegs positive Erfahrungen gemacht und Vertrauen bei den Konsumenten gewonnen, sodaß auch die Biobauern für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, für bundeseinheitliche Regelungen eintreten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weit über 90 Prozent der Bauern praktizieren eine gute, eine hervorragende Tierhaltung, und dies in ihrem eigenen Interesse, weil gut gehaltene Tiere gesünder und leistungsfähiger sind. Ebendiese vielen Bauern, diese über 90 Prozent, hätten auch keinerlei größere Umstellungsprobleme.

Daß diese Umstellung auf bundeseinheitliche Richtlinien und tiergerechte Haltungssysteme funktioniert, hat uns ja die Schweiz vorgezeigt. Es funktioniert dann, wenn ausreichend lange Übergangsfristen geschaffen werden und wenn dort, wo dies notwendig ist, diese Umstellung im notwendigen Ausmaß gefördert wird.

Herr Kollege Schwarzenberger! Sie haben auf unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft verwiesen. Sie haben darauf verwiesen, daß in Österreich pro Betrieb im Durchschnitt lediglich 30 Schweine, in der EU aber 80 Schweine gehalten werden und daß den durchschnittlich 18 Rindern in Österreich 42 Rinder in der EU gegenüberstehen. Wenn hier die kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft ins Treffen geführt wird, wenn ich mir die durchschnittliche Zahl der Nutztiere pro Tierhalter in Österreich im Vergleich zur EU anschaue, so muß ich sagen: Ich glaube, daß unsere Chance nur in der besseren Qualität, verbunden mit der tiergerechten Haltung, liegen kann und nicht in der Massentierhaltung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich muß es unser Ziel sein, den Tierschutz auch in der EU zu verbessern. Im Rahmen der Regierungskonferenz muß der Tierschutz in den Römischen Verträgen gleichberechtigt mit den wirtschaftlichen Zielen der EU verankert werden. Nur: Wir müssen diese Probleme zuerst im eigenen Land lösen, denn wie können wir eine EU-weite Harmonisierung und Verbesserung im Tierschutz verlangen, wenn wir nicht einmal imstande sind, innerhalb Österreichs diese Probleme zu lösen? (Abg. Schwarzenberger: Bei der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung haben wir sie ja gelöst!)

Herr Kollege Schwarzenberger! Sie haben hier verschiedenes von sich gegeben, das Ihre Haltung gerade in bezug auf Tierschutz ganz eindeutig dokumentiert: Sie wollen keine Verbesserung in Sachen Tierschutz! Sie sind in vielen Belangen kurzsichtig. Die ÖVP wird aber auf Dauer ihre Position nicht aufrechterhalten können! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Ich bin selbst sogar Biobauer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir in Österreich sind immer sehr bedacht auf unseren guten Ruf als Kulturnation, und wir erheben den Anspruch, hochzivilisiert zu sein. Aber leider, Herr Kollege Schwarzenberger, steht unsere alltägliche Praxis im Umgang mit Tieren oftmals im Widerspruch dazu.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz, bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (fortsetzend): Ich bin beim Schlußsatz, Herr Präsident.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt haben wir die Chance, mit einer Harmonisierung und mit einer Verbesserung im Tierschutz einiges wiedergutzumachen. Nutzen wir diese Chance, ich fordere Sie dazu auf! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

16.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.43

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Volksbegehren zur Schaffung eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes, das von 460 000 Menschen unterschrieben worden ist, und der Umstand, daß aufgrund des § 24 Abs. 2 der Geschäftsordnung bis spätestens 20. März ein Bericht des Verfassungsausschusses über das gegenständliche Volksbegehren vorzulegen ist, geben uns heute wieder die Möglichkeit, über den Tierschutz zu sprechen.

Auch ich möchte meinen Dank an die Initiatoren des Tierschutzvolksbegehrens richten, wie dies auch meine Vorredner bereits getan haben.

Für uns Liberalen sind Tiere leidensfähige Lebewesen, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Und da es für Tiere keine Landesgrenzen gibt, ist eine art- und tiergerechte Haltung für das gesamte Bundesgebiet zu fordern, wobei aus unserer Sicht sowohl Gesetzgebung als auch Vollziehung in der Kompetenz des Bundes liegen sollen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir wissen, daß die einzigen bundeseinheitlichen Regelungen auf diesem Gebiet derzeit die sogenannten 15a-Vereinbarungen zwischen den Ländern sind, die allerdings nur Mindeststandards für die Haltung von Nutztieren in der Landwirtschaft festlegen und vom kleinsten gemeinsamen Nenner getragen sind.

Andere Bereiche des Tierschutzes, wie zum Beispiel die Heimtierhaltung, Tiere im Zirkus, im Zoo oder im Tierhandel, werden von diesen Vereinbarungen gar nicht erfaßt. Zudem – und das wissen wir auch – stellen die sogenannten 15a-Vereinbarungen über Tierhaltungsstandards eine Nivellierung nach unten dar und entsprechen keineswegs den neuen Erkenntnissen einer artgerechten Tierhaltung.

Meine Damen und Herren! Wie bekannt, wurde hier im Hohen Haus ein vielbeachtetes Hearing zum Thema Tierschutz abgehalten. Darüber hinaus konnten wir auch anläßlich diverser Plenardebatten des öfteren die diesbezüglichen Standpunkte der Parteien hier im Hohen Haus zur Kenntnis nehmen.

Faktum ist auch – und das ist wirklich fast einmalig, möchte ich sagen –, daß sich vier Parteien in dieser Materie, die sehr wichtig ist, einig sind, einig darüber, daß der Tierschutz, gerade weil er durch die Länderkompetenz nicht zufriedenstellend ist, bundeseinheitlich geregelt werden soll. (Abg. Großruck: Das stimmt ja nicht! Das ist falsch!)

Argumente dazu wurden schon genügend ausgetauscht, und gerade die echten Fachexperten wie die Universitätsprofessoren Bartussek, Troxler, Konrad, Festetics, die zudem auch die Situation in der Landwirtschaft sehr gut kennen, haben sich beim Hearing wie auch beim letzten Unterausschuß für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz ausgesprochen. Lediglich die Landwirtschaftskammern mit ihren Kämmerern und die ÖVP blocken noch ab.

Herr Kollege Schwarzenberger! Ich gebe Ihnen völlig recht, daß Tierschutz weitgehender sein muß als bisher. Die Jagd, das Schlachten, das Schächten, den Sport mit Tieren, um nur einige zu nennen, müssen wir sicher auch einer gründlichen Durchleuchtung unterziehen, und all das sollte auch gesetzlich geregelt werden. (Abg. Schwarzenberger: Das habe ich auch verlangt im Antrag!)


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Herr Kollege Schwarzenberger! Ihre Ausführungen betreffend die Länderkompetenz, die Sie hier ständig wiederholen, nämlich daß wir den Ländern etwas wegnehmen wollen, sind falsch. Denn es ist eine Tatsache, daß die Länder, was den Tierschutz betrifft, ihren Verpflichtungen bisher nicht überall nachgekommen sind. Auch das müssen Sie heute zur Kenntnis nehmen – wie schon des öfteren. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Das stimmt nicht! – Abg. Schwarzenberger: Festetics hat kein einziges negatives Beispiel von den Nutztieren gebracht!)

Frau Generalsekretärin Rauch-Kallat! Ihr Argument beziehungsweise das Ihrer Partei, Sie wollen sich verstärkt für den Tierschutz in Europa einbringen, weil der Tierschutz keine Grenzen kennt, ist für mich so lange absurd, solange Sie vehement neun Landesgesetze verteidigen, die im allgemeinen, wie wir alle wissen, auf einem niedrigen Niveau, was den Tierschutz betrifft, liegen. Und ich stelle die Frage: Sind die Tiere im übrigen Europa anders als in Österreich?

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei? Was halten Sie von den neuesten Aussagen des Agrarlandesrates Rupert Wolfgruber aus Salzburg – nachlesbar in der heutigen Lokalbeilage der "Salzburger Nachrichten" – anläßlich der Fakten, daß in der Europäischen Union 50 Milliarden Schilling pro Jahr für die Förderung des Exports von Rindern in sogenannte Drittländer bereitgestellt werden und an den Exporteur bis zu 10 000 S pro Rind bezahlt werden?

Meine Damen und Herren! Ich setze voraus, daß Sie vom Tierleid, allein durch die unsinnigen Lebendtransporte ausgelöst, in Kenntnis sind, und zitiere nun eine Aussage von ÖVP-Landesrat Wolfgruber: Die Aufregung um Lebendtiertransporte sei medial gesteuert. In höchstens einem Prozent der Fälle – Herr Kollege Schwarzenberger, bitte hören Sie mir jetzt zu! – komme es bei Transporten zu Beanstandungen. Da könne man nicht generell von Tierquälerei sprechen. Weiters sagt er: Ich neige nicht zur Meinung, daß Tiere ein Bewußtsein haben. – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Solange hochrangige Politiker aus Ihren Reihen solche Meinungen kundtun, ist Mißtrauen angesagt, und man kann gar nicht genug für den Tierschutz unternehmen.

Meine Damen und Herren! Die Initiative der Sozialdemokraten, der Antrag betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz von Tieren, ist begrüßenswert. Aber, Herr Kollege Kostelka – er ist jetzt nicht hier –: Die Überzeugungsstrategie der sanften Art gegenüber Ihrem Koalitionspartner darf nicht zu lange dauern, sonst sieht der Gesetzesantrag wie eine Alibiaktion aus, zumal sich bereits heute eine Zweidrittelmehrheit hier im Hohen Haus für ein bundeseinheitliches Gesetz feststellen läßt. Ich bitte Sie wirklich: Gehen Sie nicht sehr sanft mit Ihrem Koalitionspartner um, denn den größten Teil der Bevölkerung haben Sie bereits hinter sich! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Klubobmann Khol! Ich möchte Sie persönlich ansprechen. Ich freue mich, wenn es stimmt, daß Sie – wie wir im letzten Unterausschuß feststellen konnten – eine Bekehrung vom Saulus zum Paulus durchgemacht haben. Wenn ich Ihren Aussagen, die ich heute in der "Presse" gelesen habe, Glauben schenken darf, kann ich feststellen, daß sich Ihre Partei nicht für alle Zeiten gegen eine Verschiebung der Tierschutzkompetenz von den Ländern zum Bund sperren wird. Ich weiß nicht, ob das stimmt, was in der "Presse" stand. Ich hoffe es auf jeden Fall und würde mich sehr freuen, wenn Sie schön langsam zur Ansicht kämen, daß wir uns nicht dagegen auflehnen können und Tierschutz nicht unbedingt in der Kompetenz der Länder bleiben muß.

Meine Damen und Herren! Zum Begutachtungsverfahren der Anträge, denen wir zugestimmt haben, möchte ich festhalten, daß wir sicher noch zusätzliche Informationen bekommen werden. Wovor ich aber heute schon warnen möchte, ist: Das Verfahren darf nicht dazu benützt werden, von der Quantität der Begutachtungen auf die Qualität zu schließen, denn dieses Verfahren hat es in sich: Es werden wieder hauptsächlich die Kammern, alle Ämter der Landesregierungen und die Verbindungsstellen der Bundesländer befragt. Diese sind aber nicht unbedingt repräsentativ für das Meinungsbild aller betroffenen Fachleute oder auch der Gesamtbevölkerung.


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Eine bescheidene Frage sei mir in diesem Zusammenhang gestattet: Welche Erkenntnisse sollen der Bundestheaterverband oder der Bundesfeuerwehrverband beisteuern, während zum Beispiel die Hochschule für Bodenkultur oder die Tierschutzvereine und -verbände nicht erfaßt sind?

Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Antrag der Abgeordneten Khol und Kollegen an den Verfassungsausschuß und auf den Anhang, nach dem die Anträge vorzulegen sind. Ich hoffe doch, daß dieses Einbeziehen von Institutionen, die sich mit Tieren befassen, nachträglich nachgeholt werden kann.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch einmal auf die Frage der Tiertransporte zu sprechen kommen. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Kernbestimmung unseres Tiertransportgesetzes gegenüber Transporten aus Drittländern für nicht anwendbar erklärt hat, müssen wir uns ohnehin einen neuen Anlauf überlegen und schauen, ob wir die Frage der Tiertransporte nicht gleich in ein neues Tierschutzgesetz integrieren können.

Wir haben uns darüber hinaus auch auf europäischer Ebene um dieses Thema zu kümmern. Hier möchte ich die Österreichische Volkspartei aufrufen, gerade gegenüber ihrem Parteifreund Kommissär Fischler tätig zu werden, zumal aus einer Anfragebeantwortung an Europaabgeordneten Frischenschlager klar hervorgeht, daß die Europäische Kommission amtlich feststellt, daß die Transportkosten für die Ausfuhr von Lebendtieren zum Beispiel von Irland nach Ägypten bei ungefähr 168 bis 210 Ecu pro Tonne und die Transportkosten für gefrorenes Rindfleisch bei ungefähr 84 Ecu pro Tonne liegen.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß wir Lebendtiertransporte nicht verbieten können, aber ich rufe alle österreichischen EU-Abgeordneten auf, sich dafür einzusetzen, daß wenigstens bei Lebendtierexporten keine Subventionen mehr bezahlt werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich unterstütze deshalb in diesem Zusammenhang den Entschließungsantrag betreffend Abschaffung der Subventionen für Lebendtierexporte der Kollegin Dr. Petrovic, den sie noch einbringen wird. Ebenso werden die Liberalen dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Petrovic betreffend die Reparatur des österreichischen Tiertransportgesetzes-Straße ihre Zustimmung geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt.

16.55

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Petrovic stellt eine Tafel mit der Aufschrift "G – Ein Recht für Tiere" vor sich auf das Rednerpult. – Abg. Haigermoser: Sie müssen alles nachmachen, Frau Kollegin! Für Taferl haben wir das Urheberrecht!) Der freie Warenverkehr ist in der Europäischen Union grundrechtlich abgesichert. Das bedingt, daß Tiere als Waren behandelt und über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg wie Waren gehandelt werden. Das Tierleid, das dabei entsteht, ist grenzenlos, tatsächlich grenzenlos.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wie wollen Sie denn in Brüssel für einen einheitlichen europäischen Tierschutz auf hohem Niveau argumentieren, wenn wir in Österreich neun ganz verschiedene Gesetze, neun ganz unterschiedliche Schutzniveaus und vor allem neun unterschiedliche Behördenzuständigkeiten haben, die Verfolgungen von Übertretungen der Gesetze sogar innerhalb des Bundesgebietes unmöglich machen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)  – Welche Glaubwürdigkeit soll diese Argumentation haben?

Das, meine Damen und Herren, ist mittlerweile Ihre Masche. Es ist Ihre Art und Weise, nicht offen und ehrlich zu sagen: Nein, wir wollen den Tierschutz nicht. Denn Sie wissen, daß das nicht sehr populär ist. Deswegen schieben Sie es auf irgendwelche Vereinbarungen, von denen Sie wissen, daß sie so nicht funktionieren, und Sie schieben es auf die höhere Ebene der EU, von der Sie wissen, daß dort nichts passieren wird, wenn nicht einzelne Staaten eine Vorreiterrolle übernehmen.


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Meine Damen und Herren! Halten Sie sich doch vor Augen, wie die Entwicklung in Sachen Tierschutz war. Herr Abgeordneter Schwarzenberger! Herr Klubobmann Khol! Selbstverständlich wird niemand etwas dagegen haben, wenn wir ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz um die Nutztierhaltung, um den Schutz der Tiere, die gejagt werden, der Tiere in Zoos und bei Schaustellungen aller Art erweitern. Ich lade Sie herzlich ein: Arbeiten Sie mit, aber benützen Sie doch nicht irgendwelche Vereinbarungen als Argument. Es glaubt Ihnen niemand mehr – niemand in diesem Haus und auch niemand in der österreichischen Tierschutzbewegung –, daß Sie wirklich ein einheitliches und höheres Schutzniveau haben wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Bei den Nutztieren haben wir es bereits geschafft!) Nein, Herr Abgeordneter Schwarzenberger, wir haben es leider nicht geschafft!

Wir haben in Österreich in vielen Gebieten noch eine klein- und mittelbäuerliche Landwirtschaft. In der Regel sind dort die Tierqualen nicht so groß wie in der industriellen Tierhaltung, aber es gibt auch da Probleme. Vor allem sind nach wie vor die Beratungsleistungen der Kammern, also die Beratungsleistungen, die von offizieller Seite geleistet werden, für die Bauern in höchstem Maße irreführend. Noch immer wird den Bauern in den Belangsendungen der ÖVP, die in der Früh im Radio laufen, vermittelt, daß Tierschutz ein Kostenfaktor ist, daß Tierschutz etwas wäre, was die österreichischen Bäuerinnen und Bauern stärker belastet als die anderen europäischen Bauern – genau das ist Ihr Trugschluß! Tierschutz ist kein Kostenfaktor, sondern Tierschutz wäre, wenn man ihn konsequent versteht, durchführt und kontrolliert, ein zwingendes Verkaufsargument für österreichische Produkte und damit eine Möglichkeit, effizient Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie immer wieder, wie etwa hier vom Rednerpult aus, sagen, das seien Bilder aus dem Ausland, die über das Fernsehen ins Haus geliefert werden, das gebe es bei uns nicht, dann wissen Sie, daß Sie bewußt die Wahrheit verdrehen.

Leider werden auch Tausende Nutztiere aus Österreich unter schlimmen Bedingungen gehalten und unter noch schlimmeren Bedingungen mit massiven Förderungen und Stützungen der Europäischen Union exportiert. Ethik und Humanität bleiben dabei auf der Strecke. Ethik und Humanität scheinen bei einem pervertierten marktwirtschaftlichen System, das jeden Bezug zu Werten und auch zum gesunden Menschenverstand verloren hat, nur mehr Störfaktoren zu sein. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Abgeordneter Schwarzenberger hat gesagt, die österreichischen Bauern seien naturverbunden. Viele sind es sicher, wenn man sie läßt, wenn man sie dabei fördert und unterstützt. Die ÖVP ist es sicher nicht. Die ÖVP fühlt sich ganz offensichtlich gewissen Lobbys stärker verbunden: den Großviehhändlern, den Exporteuren, der Transportclique. Dies sieht niemand in Österreich anders, und Sie werden es mit noch so vielen Zwischenrufen nicht entkräften können.

Meine Damen und Herren! Ich bringe deswegen zwei Entschließungsanträge ein. Sie haben hier Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, wie ernst Sie es mit Ihrem Tierschutzbewußtsein meinen.


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Reparatur des österreichischen Tiertransportgesetzes-Straße

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zur Änderung des Tiertransportgesetzes-Straße vorzulegen, die im Sinne des § 2 (1) VStG ausdrücklich auch die Strafbarkeit von Tiertransporten normiert, bei denen ein Teil der Fahrzeit und -strecke bereits im Ausland zurückgelegt wurde.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Motter und Genossen betreffend Abschaffung der Subventionen für Lebendtierexporte

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen der Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Europäischen Union für eine Abschaffung der Exportsubventionen für Lebendvieh einzutreten. Insbesondere wird der Landwirtschaftsminister aufgefordert, sich im Agrarministerrat dafür einzusetzen, daß die Erstattungen für Lebendvieh in Drittländer abgeschafft werden und anstelle von lebenden Tieren Kühlfleisch exportiert wird.

*****

(Abg. Dr. Khol: Da sehen Sie, daß die Bundeskompetenz nicht hilft, Frau Kollegin! Die Bundeskompetenz schützt kein Tier!) Herr Abgeordneter Khol, so ist es nicht, daß dieses Gesetz an sich unwirksam wäre. Es ist eine kleine Bestimmung, die ihm fehlt. Vor allem: Es ist eine geschlossene Kette der Tierquälerei. Wir haben eine leider noch nicht gebrochene Tendenz in Richtung Intensivierung. Wir haben sehr viele Biobäuerinnen und -bauern, wir haben noch viele klein- und mittelbäuerliche Betriebe, aber ein immer größerer Anteil von Tieren wird von ein oder zwei Prozent der Tierhalter gehalten. Es tritt eine dieser schlimmen Konzentrationen mit fortgesetzter Tierquälerei ein. Der nächste Schritt in Richtung Intensivierung ist vorgezeichnet.

Meine Damen und Herren! 1988 wurden bereits im "Spiegel" die extremen Praktiken der Hormonmafia beklagt. Damals war die EU noch ganz auf dem Kurs, diese intensivere landwirtschaftliche Nutztierhaltung zu legalisieren. Man sprach davon, daß die Tierschützer gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse argumentieren, denn die Gefährlichkeit dieser Hormone sei ja nicht bewiesen. Mittlerweile ist das der Fall; mittlerweile hat sich die Spirale weitergedreht; mittlerweile ist es so, daß eben diese Hormonmafia auch vor Attacken auf Menschen nicht zurückschreckt. Allein in Belgien gab es zehn körperliche Attacken auf Ermittler, auf Tierärztinnen und -ärzte, die sich mit diesen Praktiken nicht mehr abfinden. Diese Art der Intensivierung der Landwirtschaft zieht notwendigerweise auch illegale Praktiken nach sich: von den gefälschten Ohrmarken bis hin zu den Hormonskandalen.

Der nächste Schritt der Intensivierung ist auch schon da, ohne daß dieses Haus entsprechend reagiert, weil eine Partei hier auf Blockade geschaltet hat. Es steht bereits das Klonen von Tieren vor der Tür, ohne daß eine entsprechende Analyse der Gefahren und der Risiken stattgefunden hat. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses Haus kann diesen Willen auch mit den Mitteln des Gesetzes bekunden, aber nicht nur. Sicherlich handelt es sich auch um Maßnahmen der Bewußtseinsbildung, aber die moralischen Werte, wie sie in der Bevölkerung verankert sind – und sie sind verankert, sie finden ihren Ausdruck in einem Volksbegehren, das Hunderttausende Unterschriften erhalten hat –, müssen sich auch im Gesetz widerspiegeln.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß zu dem Thema, das wohl auch in Sachen Tierschutz momentan die größte Aktualität hat und – wie gesagt – ein Ausfluß der Intensivierung in der Landwirtschaft ist, ein Ausfluß der anonymen Ketten, wo niemand mehr weiß, wie ein Tier gelebt hat, wohin es verkauft, wie es transportiert und geschlachtet wurde. Wir können die arbeitsteilige Produktion nicht umkehren. Ich denke, wir sollen und müssen es auch nicht, aber wir müssen uns bewußt werden, welche Prozesse dahinterstehen. Wir müssen sie wieder sichtbar machen, wie der Journalist Manfred Karremann und viele mutige Journalistinnen und Journalisten es getan haben und weiter tun.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Ich möchte es Ihnen nicht ersparen, mich auch mit einem aktuellen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs auseinanderzusetzen, das eine sehr deutliche Sprache spricht. Es wäre zumindest wichtig, daß die gesetzliche Antwort in Österreich


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einheitlich und vollziehbar ausfällt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit Tiertransporten entschieden, daß eine Strafbarkeit für nach dem österreichischen Gesetz zu weite Fahrtstrecken, wenn diese im Ausland zurückgelegt worden sind, in Österreich nicht gegeben ist, sofern der Sitz der Gesellschaft, die diese Transporte durchgeführt hat, nicht in Österreich liegt.

Hier liegt das Erkenntnis vor. Es betrifft Transporte in der Dauer von 23 Stunden, 20 Stunden, 21 Stunden 30 Minuten, Entfernung mindestens 1 017 Kilometer, 1 200 Kilometer. Der Beschuldigte, der sich gegen einen Bescheid zur Wehr gesetzt hat, ist der Vorsitzende des Vorstandes der Raiffeisen Viehverwertung Garrel-Bösel-Cloppenburg; das ist eine eingetragene Gesellschaft.

Meine Damen und Herren! Wenn der Vollzug des Tierschutzes in Europa, für den Sie sich ja so einsetzen, so aussieht, daß eine Teilorganisation von Raiffeisen 23, 21, 20 Stunden lang über Tausende Kilometer Tiere transportiert, somit an immensem Tierleid mit beteiligt ist, und dann eine Strafe von 20 000 S als zu hoch empfindet, dann frage ich Sie: Wie ist die Haltung Ihres Landwirtschaftsministers zu beurteilen, der eine Anhebung dieser Subventionen für Lebendviehtransporte verlangt? Wie sehen Sie das selbst? Ist das glaubwürdig in bezug auf Ihre Presseaussendungen zum Tierschutz? Noch mehr Geld für ein System, das nicht marktwirtschaftlich ist, das sofort zusammenbricht, wenn Sie diese Subventionen streichen. 20 000 S an Strafe für einen Transport, wo für ein einziges dieser Tiere, etwa für ein einziges Rind etwa 7 000 S, 8 000 S im Mindestfall an Förderung kassiert werden, das ist ein Butterbrot an Strafe, und auch das ist dem Herrn Vorsitzenden des Raiffeisenvorstandes zuviel.

Meine Damen und Herren! Ich garantiere Ihnen, daß dieses Urteil in jeder europäischen Tierschutzzeitschrift zu lesen sein wird. Es wird insgesamt – und ich bedauere das, weil derartige Schritte dann meist sehr undifferenziert sind – der Raiffeisenorganisation sicherlich nicht zum Nutzen gereichen. Es liegt an Ihnen, in Österreich zumindest einmal den ernsthaften Willen zu zeigen, eine Vorreiterrolle zu übernehmen und nicht mit Mätzchen und Ausreden eigentlich ein Chaos, eine Unnachvollziehbarkeit einzuzementieren, damit wir wirklich überzeugt auch in Brüssel sagen können: Wir haben es in Österreich auf allen Ebenen abgestellt, bei der Tierhaltung und beim Transport. Wir können mit Fug und Recht verlangen, daß in Europa ähnliche Standards eingehalten werden.

Wie gesagt, würden Sie das auch nur ein bißchen mit dem Herzen nachvollziehen, dann würden Sie endlich auch erkennen, daß das ein riesengroßer Wettbewerbsvorteil für unsere bäuerliche Landwirtschaft sein könnte. Aber offenbar fühlen Sie sich der schon lange nicht mehr verpflichtet. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Die Demonstrationen, die Volksbegehren, die Unterschriftenlisten und auch die Verbreitung der Wahrheit über Ihre Haltung im Hohen Haus, über die Haltung von Gesellschaften wie der Raiffeisen-Viehverwertung, all das wird seine Wirkung haben, und ich garantiere Ihnen, es wird, und zwar bald – das wird nicht zurückzuhalten sein –, ein einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz in Österreich geben, aber vielleicht wird es dann die ÖVP nicht mehr geben. (Beifall bei den Grünen.)

17.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Frau Kollegin Dr. Petrovic und der gemeinsame Antrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Motter entsprechen den Bestimmungen der Geschäftsordnung und stehen mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ludmilla Parfuss. – Bitte sehr.

17.11

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Dr. Schmidt: Sie haben noch immer das Taferl da stehen!) Von mir aus kann es bleiben.


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63. Sitzung / Seite 96

Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Schwarzenberger: Sagen Sie auch "G-Ein Recht für Tiere"?) Das Recht des Tieres ist auch mein Recht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Tierschutz und der Wunsch nach einer einheitlichen Regelung sind, wie der Wiener Tierschutzverein in seiner Jubiläumsausgabe berichtet, bereits vor 150 Jahren zur Sprache gebracht worden. Aufgrund des Erfolges des Tierschutzvolksbegehrens, das fast eine halbe Million Österreicherinnen und Österreicher unterschrieben haben, hat auch das Parlament einen Arbeitsauftrag zu erfüllen.

Unsere Fraktion ist sich der Problematik im Tierschutz voll bewußt. Wir haben auch sehr konkrete Beiträge für ein einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz in Österreich eingebracht, denn es muß allen Tieren Schutz gewährt werden. Das fordert auch das Tierschutzvolksbegehren.

Der SPÖ-Entwurf für ein bundeseinheitliches Bundes-Tierschutzgesetz ist darauf ausgerichtet, Heimtieren, Wildtieren, Nutztieren und Sporttieren ein ihrer Art entsprechendes qualfreies Leben zu gewährleisten. Außerdem sieht unser Entwurf ganz wichtige organisatorische Bestimmungen vor, wie zum Beispiel die Einrichtung eines Tierschutzbeirates, einer Tierschutzanwaltschaft beziehungsweise Tierschutzorgane sowie Strafbestimmungen bei Vergehen. Ich meine, das ist ein ganz, ganz wichtiger Bereich.

In den Unterausschußsitzungen haben sich, wie wir schon gehört haben, bereits vier Parteien für eine bundeseinheitliche Lösung ausgesprochen. Ich möchte an dieser Stelle hervorstreichen, daß es immer eine sehr konstruktive und engagierte Diskussion in den Ausschüssen gegeben hat. Das ist als sehr positiv anzumerken.

Den Expertenrunden, beginnend mit dem Tierschutz-Hearing im November 1996 bis zu den Informationssitzungen, die letzte Woche stattgefunden haben, ist ganz herzlicher Dank auszusprechen. Die Mehrheit der Experten hat sich eindeutig für ein Bundes-Tierschutzgesetz ausgesprochen, sowohl beim Auftakthearing als auch in den weiteren Ausschußsitzungen.

Es gilt nun, die Bauernvertreter zu überzeugen, daß die Umsetzung des Gesetzes in der Landwirtschaft, und nur um die kann es wohl gehen, keineswegs nur Kosten, sondern vor allem auch eine Chance bringen wird. (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. ) Die 20 Biobauern in Österreich berichten von sehr, sehr guten Erfolgen, Herr Kollege, und auch einer steigenden Nachfrage bei ihren Produkten.

Herr Kollege Schwarzenberger! An dieser Stelle möchte ich auf Ihre Wortmeldung eingehen. Ich kann berichten – und das wird Sie sehr freuen –, daß das Schienentransportgesetz seitens des Verkehrsministeriums demnächst in den Ministerrat eingebracht wird.

Sie haben ferner das AMA-Gütesiegel angesprochen. Herr Kollege! Das AMA-Gütesiegel ist ungenügend. Nur ein Beispiel: Schafe, die aus Tschechien importiert werden, werden in Österreich geschlachtet und gelten dann als österreichische Schafe, das heißt, sie bekommen ein AMA-Gütesiegel. Das kann wirklich nicht im Sinne eines Bauernvertreters sein. (Abg. Schwarzenberger: Nein, beim AMA-Gütesiegel muß auch die Mast in Österreich stattfinden! Das wäre ein Betrug, was Sie hier sagen!) Ich habe die Information, daß das so gehandhabt wird. (Abg. Schwarzenberger: Importierte Tiere dürfen nicht das AMA-Gütesiegel tragen! – Beifall bei der SPÖ.) Entschuldigung, ich muß fortsetzen, weil ich meine Redezeit einzuhalten habe.

Geschätzte Damen und Herren! Die Bauern wissen, daß ... (Abg. Schwarzenberger: Beim Frischfleisch müssen 100 Prozent aus Österreich sein!) – Herr Kollege! Darf ich fortfahren?

Die Bauern wissen, daß der durch Seuchenmeldungen verunsicherte Konsument nur durch eine glaubhafte Deklarierung der Qualitätsprodukte wiedergewonnen werden kann. Das kann ja nur im Sinne der Landwirtschaft sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Dieses Problem wird sich in Zukunft noch verstärken, denn die Krise der Landwirtschaft aufgrund der Massentierhaltung ist noch nicht überwunden. Das wissen wir doch alle! Sogar die EU-Strategie geht in Richtung biologischer Landbau und tiergerechte Haltung. Das Förderungssystem ist teilweise schon danach ausgerichtet.

Geschätzte Damen und Herren! Was wollen wir? Der Vorwurf, Herr Kollege Schwarzenberger, wir wollten die Bauern schädigen, stimmt genauso wenig wie der, daß alle Bauern Tierquäler sind. Es geht uns vielmehr darum, die Ängste und Einwände der Bauern auszuräumen und darauf aufmerksam zu machen, daß der Tierschutz auch die Bauernschaft schützen kann. Denn der Tierschutz schützt die Landwirtschaft vor Auswüchsen, und – wie Frau Kollegin Petrovic auch gesagt hat – er schützt die Fleischwirtschaft vor verhängnisvollen Irrtümern. Das wissen wir! Er verhindert auch eine übermäßige Zentralisierung und eine Konzentration der Nutztierproduktion, welche auch den Konsumenten und der Landwirtschaft schaden.

Geschätzte Damen und Herren! Es war eine durchaus positive Entwicklung, als sich 1993 die Bundesländer auf eine gemeinsame Vereinbarung über den Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft mit der Verpflichtung für die Länder, die den in den Vereinbarungen enthaltenen Mindestvorschriften entsprechenden Bestimmungen zu erlassen, einigten. Das ist die sogenannte und von der ÖVP oft zitierte Artikel-15a-Vereinbarung betreffend Nutztierhaltung. (Abg. Rauch-Kallat: Die jetzt schon dem TGI gerecht wird! Gott sei Dank!) Frau Kollegin! Diese Vereinbarung war durchaus ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber jetzt kommt’s: Diese Vereinbarung wäre bis September 1996 von allen Bundesländern umzusetzen gewesen. Tatsächlich umgesetzt haben diese Mindestvorschriften lediglich Wien, die Steiermark und Kärnten, kundgemacht haben sie die Länder Niederösterreich und Burgenland, und Entwürfe gibt es von Oberösterreich und Salzburg. Untätig waren bisher Tirol und Vorarlberg. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Herr Kollege! Man sieht, daß das Engagement für Tiere und für den Schutz der Tiere recht unterschiedlich ist. Ich möchte nur auf einen Bericht im "Wiener" hinweisen, wonach – das mußte ich mit Entsetzen feststellen – in Vorarlberg Hunde und Katzen gegessen werden. Das ist ein ganz ausführlicher Bericht, ihn zu lesen würde ich Ihnen empfehlen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Weiters entspricht die Artikel-15a-Vereinbarung nicht den gültigen EU-Richtlinien (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer ), und das wissen Sie auch. Selbst Kommissar Fischler hat in der letzten Hauptausschußsitzung darauf aufmerksam gemacht, daß diese Richtlinien noch nicht umgesetzt sind, und er hat sie eingefordert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege und Frau Kollegin von der ÖVP! Die Artikel-15a-Vereinbarung ist unzureichend! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie kann nur als Vorstufe beziehungsweise als Instrument zur Bewußtseinsbildung dienen, denn die Ländervereinbarung kann – und das wissen Sie auch – einseitig aufgehoben werden, wenn der Landeshauptmann mit der einheitlichen Regelung nicht einverstanden ist. Die Lebensbedingungen verschiedener Tierarten werden außerdem überhaupt nicht geregelt.

Meine Damen und Herren! Es klingt doch wie Hohn, wenn die Vollversammlung der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich davon spricht, daß die Artikel-15a-Vereinbarung absolut ausreicht, um das Ziel eines umfassenden Tierschutzes in Österreich zu erreichen. Das stimmt einfach nicht! Seien wir doch ehrlich, und geben wir das zu!

Die genannten Versäumnisse sind daher schwerwiegende Gründe für ein einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz. Der SPÖ-Entwurf übernimmt einerseits die EU-Richtlinien, umfaßt gleichzeitig aber auch all jene Bereiche, die bisher noch nicht geregelt wurden. Es sind dies, wie schon angesprochen, die Haustiere, die Wildtiere, Sporttiere, Zoo- und Zirkustiere, der Tierhandel sowie Tierpensionen und so weiter.


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Der SPÖ-Entwurf enthält eigentlich nur Selbstverständlichkeiten, die in den Landesgesetzen freilich keine sind. Diese Selbstverständlichkeiten ergeben sich aber aus ethischen, konsumentenpolitischen, gesundheitlichen und ökologischen Gründen. Anerkannte Experten – das haben Sie gehört, und das wissen Sie – geben uns recht. Man könnte eine Reihe von Beispielen aufzählen.

Geschätzte Damen und Herren! Sämtliche Anträge der Fraktionen werden zur Begutachtung ausgesandt. Wir erwarten weitere Vorschläge im Sinne eines umfassenden Tierschutzes in Österreich. Wir hoffen auf Qualitätsverbesserung, Frau Kollegin Motter – sie ist allerdings jetzt nicht da –, denn Tierschutz ist nicht nur eine Frage der politischen Zuständigkeit, sondern auch eine Frage der persönlichen Anständigkeit – um mit den Worten von Professor Festetics zu sprechen.

Herr Präsident! Abschließend beantrage ich, den Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (171 der Beilagen) gemäß § 72 Abs. 6 GOG nochmals an den Verfassungsausschuß zu verweisen, um weitere Beratungen vornehmen zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Rückverweisungsantrag, den die Frau Abgeordnete soeben verlesen hat, ist ausreichend unterstützt, soweit ich sehe, sogar von allen fünf Fraktionen. Er wird dann abgestimmt werden.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Schwarzenberger zu Wort gemeldet. Sie kennen die Spielregeln.

17.21

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Parfuss hat gesagt, die durch die Artikel-15a-Vereinbarung sozusagen erzwungenen landesgesetzlichen Regelungen seien in Salzburg und Oberösterreich nur im Entwurf vorhanden.

Das ist falsch. In beiden Bundesländern sind die Landesgesetze bereits beschlossen. In Salzburg ist – zugegebenermaßen – erst im Herbst 1996 das letzte dieser Landesgesetze mit den Stimmen der ÖVP und der Freiheitlichen Partei beschlossen worden. Nach Unterlagen von Dozent Dr. Bartussek, der einen Tiergerechtheitsindex aufgestellt hat, entspricht der Mindeststandard des Salzburger Nutztierschutzgesetzes 1996 sogar 16 bis 20 Punkten. Damit ist er höher als der Vorschlag für das Bundes-Tierschutzgesetz. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

17.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat zu Wort. – Bitte sehr.

17.23

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Tierschutzvolksbegehren, das von 460 000 Österreicherinnen und Österreichern unterstützt wurde, zielt vor allem auf die Verbesserung des Tierschutzes ab, sieht aber neben einer bundesgesetzlichen Regelung des Tierschutzes auch die Tiervolksanwaltschaft und einige andere Punkte vor, vor allem auch die finanzielle Förderung des Tierschutzes. Wir haben im Unterausschuß und im Ausschuß, das heißt in Experten-Hearings, lediglich über die materiellen Formen und über Kompetenzverschiebungen diskutiert. Ich bedauere das ein wenig, weil über die anderen Teile des Tierschutzvolksbegehrens, vor allem über konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation, nicht ausreichend diskutiert wurde.


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Die Experten-Hearings waren überaus interessant. Ich bin sehr froh, daß durch die Behandlung dieses Tierschutzvolksbegehrens im Parlament eine umfangreiche Information der Abgeordneten ermöglicht wurde.

Die Experten haben sich primär mit der Heimtierhaltung, mit Jagd- und Fischereirechten, mit dem Schlachten und Schächten von Tieren und mit Tiertransportfragen beschäftigt. Sie haben bei der Nutztierhaltung vor allem immer wieder auf den Tiergerechtheitsindex, der zum Beispiel – wie Abgeordneter Schwarzenberger schon mehrfach angeführt hat – in den nach der Artikel-15a-Vereinbarung beschlossenen Landesgesetzen bereits enthalten ist, gepocht. Diese Artikel-15a-Vereinbarungen wurden vor dem Tierschutzvolksbegehren geschlossen, und zwar auf Initiative der Österreichischen Volkspartei und der Bauern, die dabei von sich aus etwas schneller waren. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Umsetzung der Artikel-15a-Vereinbarung in den Bundesländern – sie setzt die Mindeststandards, die Rahmenrichtlinien, zu denen sich alle neun Bundesländer, also alle neun Landeshauptleute, verpflichtet haben, fest – hat auch zur Folge gehabt, daß es in einigen Bundesländern, zum Beispiel in Salzburg, zu besseren Lösungen gekommen ist, als es diese Mindeststandards vorsehen. Ein Bundesgesetz, welches sich aber am niedrigsten Standard orientiert – das befürchtet die Österreichische Volkspartei bei einem Bundesgesetz –, würde für einige Bundesländer sogar eine Verschlechterung bedeuten. Dazu wird die Österreichische Volkspartei sicher nicht ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ein Bundesgesetz ist aber noch lange keine Garantie dafür, daß die Einhaltung oder der Vollzug des Gesetzes auch gewährleistet ist – ganz zu schweigen davon, daß der von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegte Entwurf zum Bundes-Tierschutzgesetz nicht nur Widersprüche in sich hat, sondern auch 38 neue Gesetze und eine Unzahl von Verordnungen notwendig machen würde. Was das an Zeitaufwand bedeutet, können Sie daran ermessen, daß zum Beispiel beim Bundes-Tiertransportgesetz die entsprechenden Verordnungen von den Verkehrsministern bis jetzt noch immer nicht erlassen wurden und damit auch ein entsprechender Vollzug noch nicht gewährleistet ist.

Meine Damen und Herren! Gerade das Tiertransportgesetz zeigt, wie wichtig EU-weite Regelungen sind. Wir haben in den letzten Wochen trotz dramatischer Bilder von der österreichisch-deutschen Grenze erlebt, daß Tiertransporte, die aus der EU kommen, in Österreich nicht belangt werden können, weil das Tiertransportgesetz der Europäischen Union nicht jenen strengen Standards entspricht, die sich Österreich auferlegt hat. Das zeigt, daß nicht nur beim Tiertransportgesetz, sondern auch bei der Nutztierhaltung EU-weite Regelungen notwendig sind, insbesondere deshalb, weil wir den österreichischen Bauern faire Wettbewerbsbedingungen in Europa sichern wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Petrovic ist leider nicht mehr da. (Abg. Schwarzenberger auf die leeren Plätze der Grünen zeigend –: Soviel "Interesse" haben sie an der Diskussion!) Wenn sie sagt, sie mache sich Sorgen um die österreichischen Bauern, dann kommt mir fast das Lachen, weil die Grünen genau mit den Bestimmungen, die sie hier verfolgen, unglaublich viele österreichische Bauern zum Sterben, zum Verlust ihres Arbeitsplatzes verurteilen und damit den österreichischen Bauern ihre Existenzgrundlage entziehen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Steindl. ) Meine Damen und Herren! Das wird die Österreichische Volkspartei sicher nicht zulassen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Soviel "Interesse" haben die Grünen an der Debatte! – Abg. Wurmitzer: Die Grünen sind Schnitzel essen!)

Wir treten daher sehr intensiv für eine EU-weite Regelung des Tierschutzes ein. Wir sind für Rahmenrichtlinien, die die Europäische Union in allen ihren 15 Mitgliedstaaten als verbindlich vorsieht. Es gibt auch eine entsprechende Initiative des Außenministers und Vizekanzlers Dr. Schüssel, den Tierschutz in die EU-Verträge aufzunehmen.


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Meine Damen und Herren! Ich bedauere sehr, daß im Ausschuß bisher neben den Experten-Hearings im politischen Teil ausschließlich über Kompetenzverschiebungen, nicht aber über konkrete Verbesserungen im Tierschutz diskutiert wurde.

Die ÖVP bekennt sich daher zur Rückverweisung des Antrages an den Ausschuß. Wir sind sehr froh darüber und werden uns bei der weiteren Behandlung sowohl des Tierschutzvolksbegehrens als auch der verschiedenen Anträge, die von den einzelnen Parteien vorliegen – auch des Entschließungsantrages der Österreichischen Volkspartei –, vor allem für tatsächliche Verbesserungen im Tierschutz einsetzen.

Meine Damen und Herren aller Fraktionen! Wir laden Sie sehr herzlich zur Mitarbeit dabei ein. Wenn es Ihnen nämlich nicht nur um Kompetenzverschiebungen, sondern auch um tatsächliche Verbesserungen im Tierschutz geht, werden Sie dazu schwer nein sagen können. (Beifall bei der ÖVP.)

17.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. Er hat das Wort. Die Uhr ist auf 5 Minuten eingestellt.

17.30

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Bauernkind bin ich dazu erzogen worden, mit jenen Geschöpfen, die unsere Existenz bedeuten, in Ehrfurcht und Würde umzugehen. Daher bekenne ich mich voll zum Tierschutz!

Ich bekenne mich auch deshalb zum Tierschutz, weil er eine echte Chance für die kleinbäuerlichen Betriebe in Österreich darstellt. Ich bekenne mich dazu, weil er der beste Garant gegen die bedrohlichen Entwicklungen in der Massentierhaltung ist, die uns Erscheinungen wie BSE-Krise, Gentechnik und Klonung bringt und auch Seuchen wie Hühnerpest und Schweinepest sowie Antibiotika-Resistenzen provoziert. Jeder Konsument – ich verstehe das – bekommt einen Horror vor Lebensmitteln, wenn täglich in den Zeitungen über die Auswirkungen der Massentierhaltung zu lesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher glaube ich, daß der Tierschutz jener Schlüssel sein kann, den wir brauchen, um zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zurückzufinden, die sowohl im Sinne der Bauern, der Kleinbauern, der kleinbäuerlichen Struktur in Österreich als auch der Konsumenten ist. Auf die Vorteile für die Konsumenten zu achten ist für die Landwirtschaft wichtiger denn je zuvor. Gerade wir Bauern haben die Wünsche und die Bedürfnisse der Konsumenten im Auge zu behalten. Es ist daher eine Chance für Österreich, die Tierschutzbestimmungen ernst zu nehmen.

Wenn aber von den österreichischen Produzenten verlangt wird, daß die Standards hinsichtlich des Tierschutzes höher sein müssen als jene der Europäischen Union, dann muß auch für Wettbewerbsgleichheit gesorgt werden. Man kann sich nicht zur Europäischen Union bekennen, aber zugleich ständig ganze Sektoren dadurch benachteiligen, daß sie unter schwierigeren Bedingungen zu produzieren haben. Es müssen seitens des Staates entsprechende Förderungen fließen, damit die Investitionen, die eine Erhöhung der Standards im Tierschutzbereich nach sich ziehen, auch vorgenommen werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem, was ich immer wieder ein bißchen aus den Äußerungen des Kollegen Schwarzenberger heraushöre, meine ich, daß es keinen Sinn hat, sich gegen die Anliegen der Konsumenten zu stellen und zu sagen: Nein, wir wollen den Tierschutz nicht. Ich glaube, Kollege Schwarzenberger, du hast es auch schon etwas abgeschwächt, aber deinen Zwischenrufen, deinen persönlichen Gesprächen mit mir ist zu entnehmen, daß seitens der ÖVP in dieser Frage eher eine defensive Haltung eingenommen wird. Ich glaube, daß da eine offensive Haltung wichtiger wäre. Man soll nicht übertreiben und nicht das Kind mit dem Bad ausschütten, aber ich glaube, man sollte als Politiker mit Weitblick in die Offensive gehen und Umstellungen sowie Investitionen in der Landwirtschaft fordern,


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damit dort, wo höhere Tierschutzstandards jetzt noch nicht erreicht sind, dieses Niveau endlich herbeigeführt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das habe ich in meiner Rede verlangt, daß, wenn sie vorgesehen sind, höhere Standards bezahlt werden müssen!) Ja, aber in persönlichen Gesprächen sieht es bei euch immer wieder anders aus. Ich bin schon sehr vorsichtig geworden, was die Geradlinigkeit des Bauernbundes anlangt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, daß wir auch Gefahr laufen, das Thema zu verschlafen. Herr Kollege Schwarzenberger! Als im Jahre 1989 Kollege Haupt ein Importverbot für Rindfleisch aus England forderte, weil damals schon von BSE die Rede war, wurden wir nicht ernst genommen. Oder: Als das Fütterungsverbot für Tiermehl gefordert wurde, und zwar auch von unserer Fraktion (Abg. Schwarzenberger: Seit 1990 in Kraft!), wurden wir – ich habe die Protokolle nachgelesen – zum Teil als Nestbeschmutzer beschimpft. Ich glaube, wenn Sie sich jetzt auch im Tierschutzbereich defensiv verhalten, dann verschlafen Sie wieder einmal eine für Österreich und die österreichischen Bauern wichtige Entwicklung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genauso lehne ich es ab, liebe Kollegen von der SPÖ, wenn Sie hier neue Feindbilder schaffen. Ich glaube, es hat keinen Sinn, auf die Bauern loszugehen und sie als die größten Tierquäler darzustellen. (Abg. Huber: Das tut ja niemand!) Der Kostelka-Entwurf geht uns nicht weit genug, da er sich fast ausschließlich auf die Landwirtschaft konzentriert. Dieser Entwurf müßte sich auch auf andere Bereiche erstrecken (Abg. Dr. Maitz: Wie der Bauernbund gesagt hat!), wie etwa den gesamten Jagd- und Fischereibereich oder die Kleintierhaltung und die Liebhaberei. Das sind Bereiche, die, wenn auch im Kleinen, große Bedeutung für den Tierschutz haben. Keine Feindbilder, liebe Kollegen von der SPÖ!

Heute wurde viel von Kontrolle gesprochen, aber sehen Sie sich die Situation in Österreich einmal an: Die einzigen Landesräte, die kontrollieren – sie haben ja die Zuständigkeit –, sind freiheitliche Landesräte: Landesrat Thaler in Salzburg und Landesrat Grasser in Kärnten. Wo sind die Landesräte der anderen Parteien in den anderen Bundesländern, die heute an den Grenzen Kontrollen bei den Tiertransporten durchführen? – Es ist nichts darüber zu hören. Ich weiß nicht, ob die Gesetze, die wir in Österreich schon haben, auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit – auch von Ihren Kollegen in den Regierungsparteien – umgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Grasser kontrolliert ausländische Bären!)

17.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Er hat das Wort für etwa 10 Minuten.

17.36

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! (Abg. Dr. Feurstein – auf die leeren Bänke der Grünen weisend –: Vollkommen allein gelassen!) Damit ich mir den Applaus der ÖVP sichere, werde ich zuerst den Wortlaut einer Erklärung der österreichischen Bischöfe vorlesen (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist zuwenig!), und zwar die Forderung nach artgerechter Tierhaltung.

Die Bischöfe mahnen in einer Erklärung zur Schöpfungsverantwortung und artgerechten Tierhaltung. Vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens besitze die gesamte Schöpfung einen gottgewollten Eigenwert und sei nicht allein zum Nutzen der Menschen da. Die Bischöfe fordern daher in ihrer Erklärung alle Anstrengungen, um die Nahrungsmittelproduktion zu einer bodenbezogenen, kreislauforientierten, bäuerlichen Landwirtschaft hinzuführen. Die Entwicklung sollte in Richtung einer umweltgerechten Produktion und einer artgerechten Tierhaltung gelenkt werden. Die artgerechte Tierhaltung müsse für Produzenten, Handel und Konsumenten zu einem wichtigen Qualitätsmerkmal werden, fordern die Bischöfe und fügen hinzu: Christen, die ihre Schöpfungsverantwortung ernst nehmen, kann Tierleid nicht gleichgültig sein.


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Ich habe mir gedacht, jetzt kommt ein Applaus von der ÖVP. Da meine Fraktion nicht anwesend ist, breche ich meine Rede ab. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.)

17.38


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Da Herr Abgeordneter Gradwohl nicht da ist, frage ich Frau Abgeordnete Huber, ob sie für die SP-Position das Wort ergreift. (Abg. Huber bejaht dies.) – Bitte sehr.

17.38

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was hat der Konsumentenschutz mit dem Tierschutz zu tun? Diese Frage habe ich bereits bei der ersten Lesung gestellt. Ich möchte heute noch einmal betonen, daß meiner Ansicht nach ein sehr enger Zusammenhang zwischen beiden Bereichen besteht. Denn wenn sich der vermeintlich leckere Rindsbraten in letzter Konsequenz nach ein paar Jahren mit neurologischen Ausfällen – sprich: Jacob-Creutzfeldt-Syndrom – beim Tafelspitzfan zurückmeldet, wenn man am besten schon vor dem Verzehr eines Hendls einen Termin beim Arzt haben sollte und wenn das Schnitzel – überspitzt formuliert – das Antibiotikum ersetzt, dann hat das sehr viel mit den unterschiedlichen Bestimmungen in den einzelnen Ländern betreffend Tiertransporte zu tun, vor allem aber auch mit den Zuständen in den Ställen und mit der Befindlichkeit der Nutztiere.

Denn exzessive Massentierhaltung – ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der lebenden Kreatur – und die Mutation von Schwein und Kuh zum reinen Fleischlieferanten sind jene negativen Voraussetzungen, die die Tiere krank machen. Diese Krankheiten müssen dann mit Arzneien bekämpft werden, deren Rückstände sich in letzter Konsequenz auf unseren Tellern wiederfinden.

Eine artgerechte Tierhaltung braucht keine Leistungsförderer und keine medikamentöse Prävention. Daher plädiere ich für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, das für möglichst hohe Standards eintritt: ein Gesetz, das auf das Wohlergehen unserer Nutztiere abstellt, ein Gesetz, das die Voraussetzungen für gesundes und gutes Fleisch schafft, und ein Gesetz, das auch dem Konsumenten Sicherheit bietet.

Bevor die Vertreter des ÖVP-Agrarflügels gleich wieder empört aufschreien, möchte ich eines klarstellen: Bei uns Bauern hat Gott sei Dank rechtzeitig ein Umdenkprozeß eingesetzt. Ich kann den österreichischen Bauern nur "Bravo!" zurufen, weil sie immer stärker auf naturnahe Landwirtschaft umstellen. Dabei möchte ich ausdrücklich festhalten, daß der illegale Pharmacocktail in den Futtertrögen bei uns nicht nur nicht erlaubt, sondern auch Gott sei Dank nicht üblich ist.

Wohin die Reise geht, wenn es keine strengen Haltungs- und Fütterungsvorschriften gibt, hat eine in der Februar-Ausgabe des Magazins "Konsument" publizierte Untersuchung ans Tageslicht gebracht. EU-weit wurden in 2 Prozent der Proben Antibiotika im Schnitzel nachgewiesen. In Österreich wurde lediglich ein schwarzes Schaf unter 300 Proben ausgemacht. Das ist zwar ein Fall zuviel, aber dennoch ist das ein relativ gutes Zeugnis für die österreichischen Bauern. In Irland hingegen fand man in jeder sechsten Schweinefleischprobe 17 Prozent Bestandteile, die nicht ins gesunde Schwein gehören. Daher stimme ich der ÖVP zu, daß es jetzt wichtig und hoch an der Zeit ist, sich europaweit für bessere Tierschutzbestimmungen einzusetzen. Ich frage Sie aber: Warum beginnen wir damit nicht in unserem Land und versuchen, die neun unterschiedlichen Tierschutzgesetze auf möglichst hohe und gute Standards zu vereinigen?

Ich als Konsumentensprecherin muß für dieses einheitliche Tierschutzgesetz eintreten, weil wir Regelungen brauchen, die mit der nicht artgerechten Tierhaltung aufräumen. Hühner in Legebatterien, angebundene Schweine, gemästete Gänse stehen unter Streß, und Streß erzeugt Krankheit, und Krankheiten müssen behandelt werden. Damit schließt sich der Kreis. Daher fordere ich mit allem Nachdruck speziell von den Damen und Herren von der ÖVP: Stimmen Sie im Ausschuß einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz zu, denn Tierschutz ist nicht zuletzt auch Konsumentenschutz! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. Redezeit: 10 Minuten.

17.43

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! 460 000 Unterschriften zum Volksbegehren waren der Ausgangspunkt einer monatelangen Diskussion, einer zu Recht monatelangen Diskussion, einer zu Recht hervorgerufenen Emotionalisierung, Polarisierung und teilweise – bedauerlicherweise – auch Polemisierung.

Meine Damen und Herren! So wie heute die Debatte verläuft, kann man an den Tierschutz nicht herangehen: mit Schuldzuweisungen und der Projizierung von europäischen Mißständen auf Österreich, um zu suggerieren, daß es in Österreich so zuginge wie in den anderen EU-Ländern. So kann man an die Problematik des Tierschutzes und deren Diskussion nicht mit Ernsthaftigkeit herangehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Diskussion ist notwendig für die Bewußtseinsbildung, sie ist gut für das Nachdenken und Aufrütteln und sollte der Bevölkerung bewußt machen, daß nicht Gesetze allein Mißbrauch und Quälerei verhindern können, sondern daß es auf die persönliche Einstellung jedes einzelnen zum Tier, zu anderen Geschöpfen ankommt. Dazu bekenne ich mich. Dafür ist die Diskussion, die wir heute führen, gut: um ein Bewußtsein dafür zu schaffen, daß wir Ehrfurcht vor der Schöpfung haben sollen und müssen.

Es ist auch gut, wenn Filme, Fotos und Pressebeiträge ins Haus geliefert werden, die uns aufzeigen, wie in europäischen Ländern – nicht in Österreich, meine Damen und Herren! – teilweise mit Tieren umgegangen wird und welche Verbrechen an Tieren geschehen. Dagegen müssen wir uns aussprechen, dagegen müssen wir uns verwahren, und dagegen müssen wir ankämpfen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das Volksbegehren beziehungsweise die nachfolgende Diskussion erweckt einen falschen Eindruck. Man bekommt den Eindruck, als ob die österreichische Landwirtschaft gleichzusetzen wäre mit einer "Tierquäler-GesmbH" und jeder Tierhalter auch ein Tierquäler wäre. Ich verwahre mich auch ganz entschieden dagegen, daß die Österreichische Volkspartei mit Flugblättern und lancierten Pressemeldungen als Tierquäler-Partei hingestellt wird, nur weil wir eine andere Auffassung von Bürokratie und von maß- und sinnvollem sowie effizientem Tierschutz haben, als andere Parteien dies vielleicht haben.

Meine Damen und Herren! Wir lassen uns Tierquälerei und die Mißachtung des Tierschutzes nicht in die Schuhe schieben! Im Gegenteil: Als Angehörigen einer christlich-sozialen Volkspartei ist uns von unserer Einstellung her geboten, Ehrfurcht vor der Schöpfung und den Tieren zu haben. Das beweisen wir auch mit den Gesetzen, die wir jetzt schon in Österreich haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns als christlich-soziale Volkspartei zu einem umfassenden, wirksamen und effizienten Tierschutz. In der Auffassung sind wir verschiedener Meinung. Wir glauben, daß die Länderkompetenzen genügen, die wir in Österreich haben. Wir wissen, daß die Artikel-15a-Verträge teilweise viel besser als die europäischen Standards sind. Ich war bei den Hearings anwesend und muß den Teilnehmern hohe Bereitschaft zur Sachlichkeit attestieren. Dazu gemeldet hatte ich mich deswegen, weil ich mich meinem Empfinden nach selbst als Tierschützer und Tierliebhaber bezeichne und darüber hinaus dachte, daß ich mich an dieser Diskussion beteiligen muß, weil sie mich selbst betrifft.

Wir haben gehört, daß über 90 Prozent der Landwirtschaft in Ordnung sind. Präsident Jäger von der Tierärztekammer und andere Experten haben das bestätigt. Es ist also in Österreich kein Handlungsbedarf gegeben. Hingegen besteht auf europäischer Ebene Handlungsbedarf, weil dort nach wie vor Tierquälereien an der Tagesordnung sind. Wir in Österreich haben den Tierschutz mit guten Landesgesetzen geregelt.


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Meine Damen und Herren! Die Auffassungsunterschiede darüber, ob mehr Bürokratie und mehr Amtsschimmel besser seien als gute Landesgesetze, können nicht sinnvollerweise zu einer Diskussion darüber führen, ob eine Partei das Tierquälen mehr oder minder in ihren Grundsätzen verankert hätte. Dagegen verwahre ich mich, das ist falsch und unrichtig! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben deshalb einen Entschließungsantrag eingebracht, der den umfassenden Tierschutz europaweit regeln soll. Ich befinde mich, wenn ich so sagen darf, mit Frau Kollegin Motter in einem Boot, was die Tiertransporte anlangt. Auch ich bin der Meinung, daß Lebendtransporte von Schlachttieren zumindest nicht mehr gefördert, wenn nicht sogar verboten werden sollten, denn dann würde es sich aufhören, daß mit Billigimporten aus Holland, Belgien oder anderen EU-Ländern die österreichische Landwirtschaft unterlaufen wird. Das gehört beschlossen, Frau Kollegin Motter, darin bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung und, wie ich glaube, alle anderen hier im Parlament vertretenen Parteien ebenfalls.

Deshalb ist es notwendig – ich appelliere wie Sie an die österreichischen Europa-Abgeordneten –, in Brüssel Lobbyismus für den Tierschutz zu betreiben, in Brüssel das Thema Tierschutz zu behandeln und Regelungen herbeizuführen, die europaweit greifen. Denn Tierschutz und Tierleid kennen, wie wir gehört haben, keine Grenzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie ich bereits gesagt habe, gibt es Auffassungsunterschiede. Auch meiner Meinung nach wäre ein Bundeskompetenz-Gesetz, demgemäß wir 36 Gesetze ändern und neu beschließen müßten, nicht zielführend.

Es hat kein Tier etwas davon, wenn wir hier zwar ein Bundesgesetz beschließen, aber dann die Kompetenz, die Durchführung und die Verordnung erst wieder den Ländern überlassen bleiben, so wie es vorgesehen ist. Was soll das? – Wir nehmen den Ländern die Kompetenzen, beschließen ein Bundes-Tierschutzgesetz und geben dann den Ländern die Kompetenzen wieder zurück.

Meine Damen und Herren! Das ist Bürokratie, das ist Amtsdschungel, der keinem Tier etwas nützt, der keinem Tier etwas bringt. Es geht auch – das müssen wir auch diskutieren – um die rechtliche Absicherung der Tierschutzarbeit und um die staatliche Ausfallshaftung. Es geht bei dieser Gesetzesvorlage auch um sehr viel Geld. Es geht um den Aufbau der Bürokratie und Tieranwaltschaften, die auch aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden sollen. Darüber müssen wir diskutieren.

Es gehört folgendes auf den Tisch gelegt: Was kostet es? Was wird es kosten, wenn dieses Gesetz exekutiert werden soll? – Danach werden wir weiterreden. Ich glaube, daß es notwendig ist, diese Diskussion zu führen und mit den Ländern im Einklang zu marschieren, mit den Ländern einen Schulterschluß zu bilden und zu fragen: Was können wir gemeinsam für den Tierschutz in Österreich machen? – Wir können nicht einfach glauben: Wir machen ein Bundesgesetz, und damit sind wir aus der Verantwortung entlassen, und die Tiere werden geschützt.

Mit einem Gesetz, meine Damen und Herren, schützen wir kein einziges Tier. Nur zwei "Tiere" schützen wir damit: Einerseits füttern wir die Zeitungsenten mit Schlagzeilen und andererseits schützen wir mit dem Tierschutzgesetz den Amtsschimmel. Wie der Amtsschimmel wiehert, meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen noch kurz erläutern, obwohl es mit dem Tierschutz nichts zu tun hat, aber es ist zu befürchten, daß auch der bundesweite Tierschutz darunter leidet.

Es betrifft die Magistratsabteilung 37 in Wien. Am 22. Juni 1993 stellte ein mir bekannter Architekt ein Ansuchen um Bekanntgabe der Bauart des Gehsteiges und der Aussteckung, weil jemand ein Gebäude errichten wollte. – Ich betone: im Jahr 1993! – Am 11. Februar 1997 kam das Schreiben zurück, und der Architekt wurde aufgefordert, binnen 14 Tagen eine Vollmacht nachzureichen, sonst wäre das Ansuchen nicht mehr rechtsgültig. Vier Jahre lang, meine Damen und Herren, ist das Ansuchen bei der Magistratsabteilung 37 gelegen, und jetzt wird der Eingeber aufgefordert, innerhalb von 14 Tagen die Vollmacht nachzureichen.

Ich wollte Ihnen damit nur drastisch vor Augen führen, was mehr Bürokratie heißt, was mehr Bürokratismus heißt. Es bringt dem Tier nichts, wenn wir hier ein Gesetz beschließen, das nicht


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exekutierbar ist. Lassen wir die Kompetenz dort, wo es am besten ist, nämlich bei den Ländern, und sehen wir zu, daß wir ein europaweites Tierschutzgesetz bekommen, das unseren Intentionen, nämlich einem umfassenden Tierschutz, entspricht! (Beifall bei der ÖVP.)

17.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koller. Er hat das Wort.

17.53

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Das Tierschutz-Volksbegehren haben 460 000 Österreicherinnen und Österreicher unterschrieben. Der Tierschutz wird durch neun Ländergesetze geregelt. Eine Zersplitterung in neun Gesetze und etliche Verordnungen behindert den Vollzug des Tierschutzrechtes. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Deshalb brauchen wir ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz.

Einige Beispiele: Die Kastration ohne Betäubung ist in Kärnten und Tirol bei bis zu zwei Monate alten Tieren erlaubt, in der Steiermark und im Burgenland bei bis zu vier Wochen alten Tieren und in Oberösterreich bei bis zu drei Wochen alten Tieren. Oder: Das Schächten ist in Wien, in der Steiermark und in Kärnten erlaubt, in allen anderen Bundesländern aber verboten. Sie sehen, wie wichtig aufgrund der unterschiedlichen Regelungen ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tierschutz, Tierleid kennen keine Grenzen. Abgeordneter Donabauer hat das im Ausschuß gesagt, und er hat auch gesagt, er ist vom Saulus zum Paulus gereift. Lieber Kollege Donabauer! Es ist sehr gefährlich, die Bibel zu zitieren, besonders die Apostel, denn unter den Aposteln war auch einer, der Judas hieß. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Was soll das?) Das beweist einmal mehr die Doppelbödigkeit der ÖVP: Im Ausschuß schöne Worte, aber wenn es an das Eingemachte geht, dann ist die ÖVP dagegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Bundes-Tierschutzgesetz wäre nur ein Vorteil für die Landwirtschaft. Die Bauern könnten nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. Die Bauern sind nämlich auch Beratungsopfer. Die Stallbauweisen wurden den Bauern oft regelrecht aufgezwungen. Von den Kammerberatern wurden den Bauern oft viel zu teure, nicht artgerechte Stallungen empfohlen. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Ein klassisches Beispiel dafür ist der Kurzstand, ein anderes der Kuhtrainer. Das sind Beispiele einer nicht artgerechten Tierhaltung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir müssen flächendeckend zu einer artgerechten Tierhaltung kommen. Beim Hearing wurde von Vertretern der Landwirtschaftskammern, von Vertretern des Landwirtschaftsministeriums behauptet, Österreich sei innerhalb der EU beim Tierschutz vorbildlich. Der Vertreter des Gesundheitsministeriums wiederum hat behauptet, Österreich müsse im Bereich des Tierschutzes erst auf EU-Standard gebracht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir fordern klare Regelungen. Schächten darf nur durch eine Fachkraft im Inlandsschlachthof erfolgen. Wir wollen keine Lebendtiertransporte in islamische Staaten und keine Subventionen für Lebendtiertransporte. Wir fordern auch Übergangsfristen und Beihilfen für Betriebsumstellungen in der Landwirtschaft. (Abg. Schwarzenberger: Auch nicht mehr für Zuchtvieh?)

Zusammenfassend ist zu sagen: Tierschutz darf sich nicht nur mit der Nutztierhaltung befassen, sondern es gehören auch in freier Natur lebende Tiere, Heimtiere und Tiere in Streichelzoos mit einbezogen. Tierschutz muß das Anliegen aller sein! Wir Freiheitlichen wollen keine Förderung des Stierkampfes in Spanien, wie dies die EU-Abgeordnete Schierhuber von der ÖVP unterstützt. Wir lehnen auch das Gänsestopfen in Ungarn und den Vogelfang in Italien strikte ab. Wir wollen ein in Europa vorbildliches Tierschutzgesetz, bei dem sowohl die Interessen der Bauern als auch die der Konsumenten berücksichtigt werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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63. Sitzung / Seite 106

17.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte sehr.

17.57

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe heute die Debatte sehr genau und eingehend verfolgt, und über weite Strecken dieser Diskussion habe ich eigentlich den Eindruck vermittelt bekommen, daß wir alle ohnehin im Grunde dasselbe wollen. Fast alle Redebeiträge hörten sich so an, als könnte am Ende dieses Tagesordnungspunktes ein einstimmiger Beschluß gefaßt werden. Leider wird dem nicht so sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Tierschutz-Volksbegehren hat gezeigt, wie sensibel dieses Thema von einer breiten Bevölkerungsschicht beurteilt wird. 460 000 Unterschriften sind nicht einfach vom Tisch zu wischen. Zu Recht wird darauf hingewiesen, daß der jetzige Zustand untragbar ist. Es versteht kein Mensch, daß innerhalb eines Staates derart unterschiedliche Schutzstandards möglich sind. Unzählige Beispiele sind heute in der Diskussion bereits angeführt worden. Das kann es doch einfach nicht sein. Ich will Sie damit verschonen, weitere Beispiele aufzuzeigen, aber eines ist klar: Das kann nicht der Weisheit letzter Schluß sein.

Von den Kollegen von der ÖVP wurde heute des öfteren von einem Wettbewerbsnachteil gesprochen. Ich sage Ihnen, in Wirklichkeit ist genau das Gegenteil der Fall: Gerade durch die unterschiedlichen Behandlungen in den einzelnen Bundesländern gibt es Wettbewerbsnachteile. Und wenn Kollege Großruck damit argumentiert, daß wir solch ein umfassendes Tierschutzgesetz nur im Einklang mit der Europäischen Union durchsetzen und einführen sollten, dann darf ich Ihnen sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß das in Wirklichkeit ein Hinausschieben des Problems ist. Wir müssen zuerst – das sage ich ganz deutlich – bei uns aufräumen und dürfen nicht immer darauf warten, daß es andere für uns tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Tiertransportgesetz ist ebenfalls heute schon angesprochen worden. Ich muß sagen: Damit ist uns wirklich ein guter Kompromiß gelungen. Damit sind wir Vorreiter in ganz Europa.

Ich würde mir aber wünschen, daß bei der Vollziehung dieses Transportgesetzes die Länder ein bisserl konstruktiver mitarbeiten. Ich weiß schon, es gibt keine Probleme in Oberösterreich, in Salzburg und in Kärnten, aber von den anderen Bundesländern höre ich zumindest, daß es überhaupt nicht funktioniert. Und das gehört geändert, das gehört abgestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch zwei Bemerkungen zu den europäischen Lebendtiertransporten. Wer vergangene Woche die Medienberichte verfolgt hat, der war Zeuge dieser abscheulichen Praktiken, die mit horrenden Summen, noch dazu aus EU-Töpfen, subventioniert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Geld bekommt nicht der Bauer, sondern hier cashen ausschließlich die Viehhändler und die Transportlobbies ab. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der, wie ich meine, umgehend abgeschafft gehört!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz ist unabdingbar notwendig. Wir stehen dazu. 15a-Verträge sind kein taugliches Instrument, um einen umfassenden Tierschutz zu gewährleisten. Natürlich muß in erster Linie das Gespräch mit den Hauptbetroffenen gesucht werden. Und gerade im Bereich der Landwirtschaft muß es doch möglich sein, die Knackpunkte herauszuarbeiten, herauszufiltern, um festzustellen, was uns trennt oder wo die Befürchtungen liegen.

Ich sage ganz deutlich: Ohne Mitwirkung der Betroffenen wird es nicht gehen. Es bringt überhaupt nichts, wenn etwas ohne Bewußtseinsbildung angeschafft wird. Das funktioniert nicht. Aber ich meine, daß wir zumindest die Chance nicht vergeben sollten, es zu versuchen. Vielleicht gelingt in den nächsten Wochen oder Monaten doch noch ein Kompromiß.


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An die Adresse des Kollegen Reichhold gerichtet möchte ich sagen: Die SPÖ schafft keine Feindbilder, sondern versucht, Achsen zwischen Landwirtschaft, Tierschützern, Tierärzten und vor allem Konsumenten zu schaffen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

18.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Er hat das Wort. Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt.

18.02

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr viel ist Ihnen zu diesem wichtigen Thema Tierschutz nicht eingefallen, auch Ihnen nicht, Herr Kollege Koller! Sie haben wieder einmal in Ihrer beeindruckend angenehmen Art hier Ihre Pflichtleseübung gehalten. Und wenn Sie gesagt haben, ich bin vom Saulus zum Paulus geworden, dann stehe ich dazu und beziehe es auch auf die Tatsache (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), daß ich sagte: Die Art der Diskussion, wie wir uns bei diesem Thema letzten Endes bemüht haben, hat mir gefallen. Ich war anfangs über diese Enquete skeptisch, auch über die Fachberatung mit Experten im Ausschuß. Aber das war positiv, das hat Sinn gemacht, und dazu stehe ich. Und deshalb bin ich da ein Paulus. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine zweite Sache: Wir müssen mit den Schreckensbildern fertig werden, die uns zutiefst – zutiefst! – berühren. Es hat keinen Sinn, immer zu sagen, was alles passiert. Wir müssen etwas tun und müssen auch aufzeigen, wo all das passiert. Ein Großteil dieser Szenarien, nein, besser gesagt, all diese Tiertransporte, die gezeigt wurden, sind irgendwo in Europa passiert. Es ist schrecklich, daß so etwas passiert ist! Wir müssen das ändern. Aber mit einem Bundes-Tierschutzgesetz alleine werden wir es nicht schaffen. Wir haben es auch mit dem Bundestiertransportgesetz nicht geschafft, diesbezüglich Ordnung in unserem Land zu bekommen. Und es kann doch niemand der bäuerlichen Gruppe oder gar der ÖVP unterstellen, daß wir hier säumig waren!

Meine Damen und Herren! Wo bleibt denn die Verordnung zum Tiertransportgesetz betreffend Schienenverkehr? (Abg. Parfuss: Kommt!) Ja, sie kommt! Sie könnte schon dasein. Wo bleiben, bitte, die Kontrollen? Auch wenn hier gelobt wurde, daß es ein paar Bundesländer machen und ein paar nicht so genau, muß ich sagen, daß das Bundessache ist. Das hat gemeinsam erledigt zu werden.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube auch, daß es wenig Sinn macht, Biobauern und Bundes-Tierschutzgesetz in Einklang zu bringen. Ich sage Ihnen, die bäuerliche Tierhaltung ist im großen und ganzen in Ordnung. Das hat uns auch Herr Präsident Dr. Jäger im Ausschuß bestätigt. Ich bedanke mich in aller Form bei ihm, denn er hat als Praktiker gezeigt, was draußen los ist. Wir Bauern sind darum bemüht, Tiere vernünftig zu halten, denn wir leben ja mit ihnen, sie sind unsere Partner, und sie sind auch jene, die unseren Betrieben die Existenzgrundlage schaffen. Wir sind doch nicht verrückt und machen etwas, was das Tier nicht braucht oder nicht vertragen kann.

Umstellungsprämien – wir hören die Botschaft gerne. Aber ich frage Sie: Hat das dann auch etwas mit Dr. Kostelkas Sozialstaffel zu tun, daß Sie dann sagen können: Ui, da rinnen so viele Hunderttausende Schilling!? Wir lassen uns mit diesem Thema nicht in die Zwickmühle bringen. Wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam etwas Ordentliches zu schaffen. Ich glaube, es ist ein Umdenken gefordert und nicht ein Abwerten. Es ist beschämend, was man hier in diesem Hohen Haus getan hat.

Es ist ungeheuerlich, uns als Tierquälerpartei zu bezichtigen. Es ist auch ungeheuerlich, wenn Sie hier ausführen, daß wir schuld daran wären, daß das Tiertransportgesetz nicht vollzogen worden ist. Mahnen Sie bitte jene zur Pflichterfüllung, die hier Handlungsbedarf haben. Es ist ungeheuerlich, wenn Sie uns hier vorwerfen, daß wir die Herodes-Prämie akzeptieren, obwohl unser Minister Mag. Molterer in Brüssel eine Trendwende herbeigeführt hat. Erkennen wir doch auch das Positive! Wir sind hier Pioniere gewesen. Ich freue mich darüber, und ich bin stolz darauf. Wir werden mit allen, die uns sachlich begleiten, diesen Weg weiter beschreiten.


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Es ist ungeheuerlich, wenn Sie uns hier die Verfütterung von Tiermehlen vorwerfen. Professor Troxler hat im Ausschuß gerade die Verfütterung von Tiermehlen an Nichtwiederkäuer angeregt, um den Kreislauf zu schließen. Es ist ungeheuerlich, wenn Sie uns vorwerfen, daß wir gentechnisch veränderte Futtermittel verfüttern. Bitte unterstellen Sie uns das nicht! Wir haben die Futtermittel zu nehmen, die am Markt angeboten werden. Und wir sind mit Ihnen allen gemeinsam dabei, gerade diese ganze Entwicklung um die Genmanipulation möglichst ordentlich zu steuern. Frau Bundesministerin! Ich glaube, diesbezüglich haben wir viel zu tun.

Es ist ungeheuerlich, wenn Sie uns hier vorwerfen, daß wir nicht an einer Tierkennzeichnung interessiert wären. Wir arbeiten seit Monaten daran! Helfen Sie uns auf allen Ebenen, sodaß wir das bald durchbringen.

Ein Weiteres möchte ich hier anführen, nämlich daß wir Tierschutzregelungen nicht nur für den landwirtschaftlichen Bereich, sondern für alle Bereiche brauchen. Ich habe hier Pressemeldungen gesammelt, und in all diesen Ausführungen finden Sie keine einzige Verfehlung bei landwirtschaftlichen Tierhaltungen, sondern ausnahmslos bei Haustierhaltungen. Wir müssen auch diese bitte mit hineinnehmen. Deshalb fordere ich einen umfassenden Tierschutz für alle Tiere. Vielleicht können wir das mit nach Hause nehmen. Es ist einmal so, und das muß auch einmal so gesehen werden. Ich glaube, die Schildkröte im Wohnzimmer hat wenig Spaß, und ich glaube, daß sich die Katze ohne Freiheit auch gequält fühlen muß. Auch der Hund wird im "Käfig" Wohnung keine Freude haben. Und der Hund, der 20 Stunden im Auto bei plus 40, 50, 60 Grad in den Urlaub mitfahren darf und draußen warten muß, bis sein Frauchen oder Herrchen zu Mittag gespeist hat, wird auch wenig Freude haben. Sehen wir auch das einmal, bitte, und reden wir auch darüber!

Zum Schluß kommend: Wir treten ein für das Wohlbefinden der Tiere, und zwar ohne Unterschied – das ist unser Anliegen –, also sowohl der landwirtschaftlichen Nutztiere als auch der Haustiere. Wir treten deshalb dafür ein, weil wir Verantwortung für die Sicherung der bäuerlichen Existenzen, für faire Wettbewerbsbedingungen und für ein europaweites Gesetz verspüren und auch haben. Und wenn Sie daran zweifeln, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sie alle sind im EU-Parlament vertreten, ermuntern Sie doch Ihre Kollegen, daß in Europa unser Vorschlag nicht nur gehört, sondern auch angenommen und umgesetzt wird. Sie haben es in der Hand! Helfen Sie uns! Wir meinen es wirklich ehrlich. Wenn es nicht gelingt, dann sind Sie in der Pflicht.

Es ist ungeheuerlich, wenn Sie hier über die Antibiotika-Verfütterung an Tieren dozieren. Ich bitte Sie, das hat doch nichts mit Tierschutz zu tun!

Weisen Sie uns nach, daß ein österreichischer Bauer beteiligt ist! Für Dinge, die anderswo passieren, machen Sie nicht uns verantwortlich! Ein Tierschutzgesetz löst dieses Problem bei Gott nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sagen: Tierleid hat keine Grenzen und kennt keine Grenzen. Deshalb brauchen wir eine europaweite Lösung, wie wir sie vorschlagen. – Ich würde Sie bitten, dieses Thema und diese Angelegenheit ab nun und in aller Zukunft mit etwas mehr Gefühl, mit etwas mehr Sachlichkeit, mit etwas mehr Bezug zu den Tieren zu diskutieren. Denn Gesetze alleine lösen diese Probleme nicht.

Belehrungen, wer immer sie macht, bringen uns keinen Schritt weiter. Ich glaube, wir haben uns gemeinsam der Verantwortung zu stellen. Sie haben in uns einen korrekten Gesprächspartner, aber nur für brauchbare Lösungen, die wir auch morgen in unserem Land durchstehen können! (Beifall bei der ÖVP.)

18.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Baulöwen!)

18.11

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Die Baulöwen verdienen auch Tierschutz. Ich muß sagen, sie hätten es so notwendig wie selten zuvor, die Löwen, denn diese sitzen schon fast in einem Käfig mit Stacheln.


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63. Sitzung / Seite 109

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, einige von Ihnen haben noch den Kinderreim im Ohr: Quäle nicht das Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.

Natürlich sind wir heute – mit einigen Ausnahmen – nicht mehr Tierquäler zum Scherz, aber unsere industrielle Gesellschaft ist aus wirtschaftlichen Überlegungen ein Tierquäler großen Stils und großen Umfanges geworden. Wir beklagen alle, daß wir einen wichtigen Wirtschaftszweig in diese Transformation gebracht haben – weg von der Landwirtschaft, hin zur Industrie.

Wir verwenden Methoden, und wir verwenden Grundsätze, wie sie in der Industrie sinnvoll sind, nämlich zum Beispiel die Kostendegression der Größe, die Rationalisierungseffekte bis zum letzten möglichen Äuzerl. Aber wir wissen heute – wir werden fast täglich daran erinnert –, daß wir einem großen Irrglauben aufgesessen sind. Wir wissen, daß Massentierhaltung, Lebendviehtransport und Hormonfütterung nicht nur tierquälerisch, nicht nur schädlich und nicht nur bedauerlich von diesem Aspekt her sind, sondern daß es danach auch noch eine viel größere und eine viel wirkungsvollere Keule gibt, die uns selbst trifft: der BSE-Skandal, die Schweinepest, die Salmonellenverseuchung. All diese Dinge sind von uns Konsumenten letztendlich auszutragen, und das ist nur ein Aspekt dieses großen und umfassenden Bereiches.

Wenn wir uns aber über diese Themen unterhalten – Herr Kollege Schwarzenberger, das wissen Sie –, dann sagen wir immer: Das ist eine EU-Angelegenheit; das können wir nicht mehr autonom regeln. – Diesbezüglich haben Sie natürlich recht. Es ist im wesentlichen eine EU-Angelegenheit, und es ist auch dort der Hebel anzusetzen.

Wir haben folgendes immer beschworen, als wir noch um den EU-Beitritt geworben haben: Wir werden dort laut vernehmbar und wirkungsvoll mitgestalten, wir werden die Stimme erheben, wir werden der EU in wichtigen Bereichen und bei wichtigen Themen unseren Stempel aufdrücken. – Das war mit ein Grund, warum die Bevölkerung Österreichs in solch großem Ausmaß dem EU-Beitritt die Zustimmung gegeben hat, nämlich unsere aktive Rolle. Jetzt haben wir in diesem Zusammenhang auch noch das Glück, daß wir in der EU einen Kommissar haben, der Österreicher ist, der Landwirtschaftsminister war und der seine Wurzeln – wie viele von uns, auch ich – in der bäuerlichen Bevölkerung beziehungsweise im bäuerlichen Bevölkerungsteil hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es tut mir leid, daß mein Großvater ... (Abg. Dr. Leiner: Der Urgroßvater vielleicht!) – Nein, noch mein Großvater. Ich könnte es auch beweisen, aber es ist wahrscheinlich Ihnen gegenüber nicht der Mühe wert.

Wenn ich aber noch einmal auf das vorher Gesagte zurückkommen darf und wenn Sie, Frau Fekter, mir "mit Ihren Wurzeln" folgen würden, dann müssen wir doch feststellen, daß ein EU-Land, wenn es in der EU glaubwürdig die Stimme erheben möchte, irgend etwas vorleben muß. Es ist doch unerträglich, daß wir sagen: Die Massentierhaltung, die Subvention für den Export von Lebendvieh und die Transportsubventionen sind abzuschaffen!, aber selbst im Inland nicht einmal dazu kommen, eine Kleinigkeit zu regeln, und zwar eine in diesen Dimensionen vergleichbare Winzigkeit – und das ist ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich verstehe Ihre Argumentation nicht. Ich glaube, Verantwortung zu spüren, Herr Donabauer, ist zuwenig. Verantwortung muß man tragen und nicht verspüren. Sie gehen heraus und sagen: Wir verspüren Verantwortung, und alle Tiere – ja selbstverständlich alle, nicht nur die Nutztiere, sondern auch die Haustiere, auch die Schildkröten, die von Ihnen strapaziert wurden – verdienen ein Tierschutzgesetz! – Aber warum nicht ein bundeseinheitliches, Herr Donabauer?! (Abg. Schwarzenberger: Der Bund muß erst Strukturen schaffen!)

Herr Schwarzenberger! Wenn Sie sagen, das sei bürokratieaufblähend, dann muß ich sagen, das stimmt schlicht und ergreifend nicht. Der Aufwand an Bürokratie hängt vom Gesetzesinhalt ab. Aber Sie werden mir doch nicht erklären, daß neun Landesgesetze besser sind und besser


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zu administrieren sind als ein einziges Bundesgesetz! Das ist eine vorgeschobene Schutzbehauptung. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Herr Schwarzenberger! Sie trauen sich nicht, weil es in einzelnen Bundesländern Widerstände gibt, vor denen Sie w. o. geben. Hier gibt es wirtschaftliche Interessen. Damit gefährden Sie den Ruf unserer Bauern, die nicht Massentierhalter sind, die ein anständiges Verhältnis zu ihrem Tier haben – hart, aber herzlich. Das gefährden Sie damit. Sie werfen sie damit tendenziell in einen Topf, weil Sie so tun, als wäre ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz gegen die Bauern oder gegen die ländliche Bevölkerung gerichtet. Und das ist nicht wahr! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ein Tier in der Steiermark oder in Kärnten oder in Tirol kann nach denselben Normen, die dieses Haus zu verabschieden hat, behandelt werden. Es widerspricht jeglicher Logik, daß zwischen Kärnten, Steiermark oder Tirol diesbezüglich Unterschiede bestehen, Herr Schwarzenberger! (Abg. Schwarzenberger: Haben Sie schon je etwas von 15a-Verträgen in der Bundesverfassung gehört?)

Herr Schwarzenberger! Geben Sie eine Ruhe! Nichts hindert dieses Haus, mit Mehrheit ein Bundestierschutzgesetz zu verabschieden, wenn es die Mehrheit wollte. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Von seiten der Berichterstatterin wird kein Schlußwort gewünscht.

Daher kommen wir jetzt – hart, aber herzlich – zur Abstimmung.

Es liegt ein Fünfparteienantrag vor, ein Antrag der Abgeordneten Schieder, Dr. Khol, Koller, Dr. Petrovic und Motter, das Volksbegehren 171 der Beilagen an den Verfassungsausschuß zurückzuverweisen.

Ich darf jene Damen und Herren, die für diesen Rückverweisungsantrag stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist einstimmig angenommen.

Damit wird die Materie im Verfassungsausschuß weiterberaten, und es erübrigt sich die Abstimmung über den Gegenstand selbst.

Damit haben wir den 2. Punkt der Tagesordnung erledigt.

3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Bericht der Bundesregierung (Zu III-58 der Beilagen) gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1995 (566 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Ein Verlangen auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

18.19

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Tagesordnungspunkt, dem wir uns jetzt zuwenden, wird volkstümlich "Volksgruppenbericht" genannt, und das ist für mich gleich ein wesentlicher Einstieg, denn es handelt sich bei der Materie, die wir hier behandeln, eben nicht um einen Volksgruppenbericht, sondern es handelt sich, wie sich der Bericht auch selbst korrekt bezeichnet, um einen Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung, und zwar in diesem Falle im Jahr 1995.


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Das ist genau genommen bereits eine politische Bewertung, denn der Umstand, daß wir in diesem Haus keinen Volksgruppenbericht, sondern ausschließlich einen Bericht über die Volksgruppenförderung behandeln können, weil es einen echten Volksgruppenbericht nicht gibt, zeigt, daß wir die politische Auseinandersetzung mit den Fragestellungen, die sich mit der Volksgruppenproblematik verbinden lassen, offenbar scheuen. Sonst würden wir uns nicht auf die Förderung alleine beschränken, sondern auch den politischen Gehalt einer wohlverstandenen Volksgruppenpolitik mit diskutieren. Und das ist schade. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zum Bericht selbst sind aber auch ein paar nicht ganz unwichtige politische Bemerkungen zu machen. Er ist eine zahlenmäßige Darstellung dessen, was an finanziellen Mitteln geflossen ist. Er ist soweit auch recht übersichtlich, aber er ist zum Teil auch aufschlußreich.

Zum Beispiel zeigt sich, daß der Umstand, daß insbesondere die beiden Regierungsparteien gelegentlich ihre Volksgruppenarbeit auch dazu instrumentalisiert haben, daß sie parteinahe Volksgruppenorganisationen finanzieren, eine überschießende Tendenz bekommen kann. Wir haben auf Seite 5 des Volksgruppenberichts eine Position, die sich mit der Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitik im Burgenland befaßt, von der ein Insider weiß, daß es sich um eine ÖVP-nahe Organisation handelt. Dazu ist in der Debatte im Ausschuß hervorgekommen, daß Förderungsmittel, die diesem Verein – durchaus richtigerweise – zugeflossen sind, für einzelne Aktionen, unter anderem auch für die Produktion einer Compact Disc mit Musik, verwendet wurden. Das ist sehr gut, aber leider ist auf der Compact Disc als Förderer die ÖVP aufgeschienen. Das ist etwas, was im Ausschuß hervorgekommen ist. (Abg. Kiss: Was erzählen Sie für einen Blödsinn?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Es geht um die Terminologie! – Herr Abgeordneter Dr. Kier, Sie sind am Wort.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (fortsetzend): Es ist in der Diskussion im Ausschuß hervorgekommen ... (Abg. Kiss: Worüber reden Sie?) – Herr Kollege Kiss, bitte unterbrechen Sie mich nicht! Sie haben dann Gelegenheit, hier zu sprechen, und wenn das nicht richtig sein sollte, dann werden Sie das gerne sagen können. Ich berichte das, was im Ausschuß hervorgekommen ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Das ist dort unwidersprochen geblieben, und das war etwas, worüber wir diskutiert haben. Es wurde hervorgehoben, daß sich die Volksgruppenförderung der Bundesregierung am Ende einer langen Kette von Abläufen in die Förderung einer politischen Partei verwandelt hat. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Ich meine, das ist deswegen hier anzumerken, weil das ein sorgloser Umgang sowohl mit den Volksgruppen als auch mit den Förderungsmitteln ist. Jetzt ist das geförderte Produkt im Zweifelsfall in Ordnung und die Förderungsabsicht erfüllt, aber die dahinterliegende Fehletikettierung – damit ich mich so ausdrücke, daß das Kollegen Kiss nicht noch einmal reizt –, die Fehletikettierung der Förderungsmittel ist nicht sympathisch.

Sie werden mir erlauben, Herr Kollege Kiss, daß ich sage, das ist mir nicht sympathisch, und es ist außerdem auch schade, daß Sie mit Zwischenrufen versuchen, mich niederzurufen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das finde ich schade, denn wer die Wahrheit fürchtet, muß sie durch Lärm überdecken. Es tut mir leid. (Abg. Kiss: Sie wissen leider gar nicht, wovon Sie reden!)

Dessenungeachtet sage ich Ihnen noch einmal: Es ist mir schon recht, daß der parteipolitisch zugeordneten Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitik im Burgenland Förderungsmittel zufließen. Dagegen wehre ich mich keine Sekunde, weil es der kroatischen Minderheit völlig unbenommen bleiben muß, in welcher Form, in welchen Vereinen und wie sie sich organisiert.


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63. Sitzung / Seite 112

Nur das, was im Ausschuß thematisiert wurde, wollte ich öffentlich vortragen, weil das wichtig ist. Sie können es hundertmal, zweihundertmal oder dreihundertmal dementieren – im Ausschuß wurde das diskutiert, und das ist die Sache, die ich hier öffentlich machen wollte. Im Ausschuß hat es kein Geschrei gegeben, weil der Ausschuß nicht öffentlich war. Das ist der Unterschied, und ich benütze eben die Gelegenheit hier, Sachen öffentlich zu machen, die Sie sonst hinter den Polstertüren halten. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Herr Kollege Kiss! Im übrigen fand am vergangenen Wochenende, genau gesagt am Samstag, ein eintägiger Volksgruppenkongreß in Oberwart statt. Das ist in einem Bundesland, das Ihnen bekannt ist. Dort war Ihre Fraktion nicht nennenswert vertreten, also waren Sie offenbar nicht daran interessiert. Es ist nämlich um Arbeitsmarkt und Volksgruppen gegangen, also um eine reine Sachfrage, und man konnte sich dort auch nicht besonders berühmen, sondern man mußte an einer Diskussion teilnehmen. Es war außerdem der zweite Jahrestag von Oberwart, weswegen das gemacht wurde. Es war Kollege Ofner da, sonst habe ich niemanden aus diesem Hohen Hause bemerkt. Ich sage Ihnen das nur, weil das auch manchmal die Diskussion seriöser machen würde, wenn Sie – in diesem Fall war das nicht weit von Ihrem Wohnort entfernt und daher zumutbar – an solchen Dingen teilnehmen würden. Ich sage es nur, mir ist das wirklich wichtig.

Das war eine Veranstaltung, die nicht spektakulär war, die einfach nur der Arbeit und den Volksgruppen gewidmet war, aber offensichtlich war es für Sie nicht interessant.

Zu einem weiteren Aspekt dieses Berichtes: In diesem Bericht scheinen leider – das haben wir auch im Ausschuß diskutiert – auch Positionen auf, die eigentlich nicht in diesen Bericht gehören. Der damalige Staatssekretär Schlögl, der im Ausschuß das Bundeskanzleramt vertreten hat, hat dann auch eingeräumt, daß er das ähnlich sieht. Es scheint zum Beispiel die Position "Bundesministerium für Arbeit und Soziales" im Volksgruppenförderungsbericht auf. Da fragt man sich: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert die Volksgruppen? – Man stutzt. Im übrigen waren die Damen und Herren des Arbeitsmarktservice im Rahmen des zweiten Oberwarter Volksgruppenkongresses – durchaus ganz freimütig – bereit, zu erklären, daß es aus diesem Titel tatsächlich keine Volksgruppenförderung gibt.

Dann sieht man, daß hier auf das Opferfürsorgegesetz Bezug genommen wird. In dem Bericht wird bedauernd ausgeführt, daß man aufgrund des Datenschutzes leider die genaue Anzahl jener Roma und Sinti, die aufgrund ihrer Verfolgungen durch das Dritte Reich auch Zuwendungen nach dem Opferfürsorgegesetz bekommen haben, nicht spezifizieren und beziffern kann, aber dem Grunde nach merkt man in diesem Bericht halt an, daß unter dem Titel "Opferfürsorgegesetz" eben Roma und Sinti und auch Kärntner Slowenen Mittel erhalten haben.

Ich habe im Ausschuß gefragt: Ist das Volksgruppenpolitik, wenn wir im Rahmen eines Opferfürsorgegesetzes den Opfern eines Terrorregimes Zuwendungen zuweisen, oder ist das eine individuelle Wiedergutmachung beziehungsweise eben eine partielle Schadloshaltung? Hat das mit Volksgruppenpolitik etwas zu tun? – Staatssekretär Schlögl mußte zugeben, daß das eigentlich nicht wirklich hineingehört, daß man das wahrscheinlich nur hineingeschrieben hat – das sage ich Ihnen jetzt –, damit die Beträge höher werden, damit man so tun kann, als ob man mehr für die Volksgruppen getan hätte, als man tut. Und das ist wieder schade. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Auch das Bundesministerium für Finanzen scheint hier auf, und das ist fast noch etwas skurriler. Das Bundesministerium für Finanzen macht nämlich im Rahmen des Berichtes über die Förderung der Volksgruppen geltend, daß die Republik Österreich anläßlich der 75. Wiederkehr des Jahrestages der Kärntner Volksabstimmung dem Land einen einmaligen Zweckzuschuß in der Höhe von 25 Millionen gegeben hat.

Ich weiß nicht, was das – im Verständnis dieses Berichts – mit Volksgruppenpolitik zu tun hat. Da ist eine Zahl aufgenommen worden, mit deren Hilfe so getan wird, als ob wir mehr tun würden, als wir tun. Das ist etwas, was die Volksgruppen schon zu interpretieren wissen. Es gefällt den Betroffenen nicht, wenn von der Bundesregierung ein Bericht vorgelegt wird, in dem


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höhere Beträge stehen, als sie bei seriöser Betrachtungsweise der Volksgruppenförderung zukommen.

Auch das mußte der damalige Staatssekretär, der nunmehrige Bundesminister für Inneres, durchaus einräumen. Ich zitiere bewußt seine Worte, denn es hat mir imponiert. Er sagte: Das war unsensibel. – Ich erwarte mir, daß im nächsten Bericht, in jenem über das Jahr 1996, solche Positionen nicht mehr aufscheinen. Wir haben das nicht notwendig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir haben es nicht notwendig, die Zahlen im Bereich der Volksgruppenförderung künstlich aufzublasen. Was von der Grundhaltung anzunehmen ist, das hat uns an und für sich – so würde ich sagen – die Zwischenrufphase deutlich gemacht. Es ist kein ernsthafter Wille vorhanden, Volksgruppenpolitik als etwas anderes aufzufassen als etwas, womit man sich schmücken kann. Ich finde, das ist nicht gut. – Insbesondere Kollege Kiss ist schon wieder ungehalten. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Sie selbst sind in einer Lage, in der ich das nicht von Ihnen erwartet hätte. (Abg. Kiss: In welcher?) – Ich meine einfach, Herr Kollege Kiss, Sie haben es nicht notwendig, den Anliegen der Volksgruppen in dieser Weise einen schlechten Dienst zu erweisen, indem Sie das, was ich über den Ausschuß berichtet habe, einfach nur bestreiten, obwohl Sie ganz genau wissen, daß es so war. (Abg. Kiss: Ich kann es ja beweisen, daß es falsch ist! Ich behaupte nicht etwas, sondern ich weiß, daß es falsch ist!)

Ich würde verstehen, daß Sie nervös sind, wenn ich den Anspruch erheben würde, daß diese Förderungsmittel zurückzuzahlen sind. Das habe ich aber gar nicht gesagt. Dann wären Sie vielleicht beweispflichtig. (Abg. Kiss: Sie haben davon keine Ahnung!) Aber ich bin der Meinung, daß das eine Frage der politischen Kultur ist. Aber im Sinne Ihrer politischen Kultur ist es eben korrekt, daß da "Partei" draufpickt, wenn "Republik" draufstehen sollte, und das sagt meiner Meinung nach mehr über die Staatsgesinnung Ihrer Fraktion aus als alles andere. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

18.31

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mein Vorredner hat kritisiert, daß der vorliegende Volksgruppenbericht nur ein dürres Zahlenwerk sei, das nichts über die wahre Befindlichkeit der Volksgruppen aussagt, und hat daraus drei Beispiele zur Untermauerung dieser seiner Feststellung herausgegriffen, wobei ich gleich sagen muß, daß ich in einer Sache durchaus mit dem Abgeordneten Kier übereinstimme, nämlich wenn er meint, daß zum Beispiel das Opferfürsorgegesetz in der Volksgruppenförderung nichts zu suchen hat.

Trotzdem täte man dem Bericht unrecht und würde man der Volksgruppenförderung unrecht tun, würde man das so zur Kenntnis nehmen, wie es der Abgeordnete Kier getan hat, weil tatsächlich der Bericht gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes wesentlich mehr über die Volksgruppenförderung aussagt. So ist beispielsweise dem Bericht zu entnehmen, daß im Jahre 1995 insgesamt 53 Millionen Schilling für Vereinsförderung ausgegeben wurden. Daraus kann man politische Schlüsse ziehen. Diese Förderung umfaßt Kulturvereine, Kirchen, wissenschaftliche Zentren, Musikschulen, Elternvereine, Sportverbände, Bibliotheken, Kulturzentren und anderes mehr. Wenn man diese Zahl mit jener des Jahres 1988 vergleicht, als für die gesamte Volksgruppenförderung 4,4 Millionen Schilling ausgegeben wurden, dann kann man feststellen, daß diese Förderung in diesem Zeitraum um insgesamt 1 200 Prozent angestiegen ist. Auch von 1994 auf 1995 ergibt sich eine stattliche Erhöhung der Ansätze von rund 39,8 Millionen Schilling auf 53 Millionen Schilling.

Neben dieser Volksgruppenförderung gibt es aufgrund des Volksgruppengesetzes eine Fülle weiterer Maßnahmen seitens des Bundes, der Länder und der Gemeinden. So fördert das


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Bundeskanzleramt nach dem Presseförderungsgesetz die kroatische Presse mit insgesamt 375 000 S und die slowenische Presse mit insgesamt 967 000 S. Es fördert das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten im Schulbereich Veranstaltungen, Lehrmittel und anderes mehr mit insgesamt 10 Millionen Schilling. Es fördert das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung slowenische Verlage, das "Offene Haus Oberwart" und so weiter auch mit rund 10 Millionen Schilling.

Es gibt auch zahlreiche Aufwendungen seitens der Länder. Allein der Mehraufwand im Bereich der Schulverwaltung aufgrund der Bestimmungen des Minderheitenschulgesetzes für Kärnten beträgt 83 Millionen Schilling. Man kann also nicht sagen, daß nichts getan würde.

Ich gebe allerdings zu, daß hinsichtlich der Befindlichkeit der Volksgruppen noch vieles verbesserungswürdig wäre. Ich konzediere, daß es im Bereich des Kindergartenwesens Defizite gibt. In erster Linie sind aber dafür die Gemeinden zuständig. Wenngleich das Bundeskanzleramt die Anstellung zweisprachiger Kindergärtnerinnen fördert, gibt es trotzdem noch viele Ressentiments vor Ort zu überwinden. In Kärnten gibt es fünf private und sieben öffentliche Kindergärten mit zweisprachigen Gruppen, im Burgenland gibt es in 25 Gemeinden zweisprachige Kindergärten für Kroaten beziehungsweise vier für Ungarn. Für die vorschulische zweisprachige Erziehung wären aber Fortschritte wünschenswert und für die Volksgruppen im Hinblick auf die weiterführenden Schulen vorrangig.

Erfreulich ist das Ansteigen der Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht in Kärnten. Wenngleich die Hälfte der angemeldeten Kinder überhaupt keine Slowenischkenntnisse mitbringt, gibt es dennoch eine deutlich veränderte positive Tendenz, was Zeichen eines insgesamt toleranteren Klimas in Kärnten ist.

Monieren möchte ich die mediale Versorgung der Volksgruppen durch den ORF, obzwar es viele Fortschritte gibt. Der ORF hat ein hervorragendes Programm: Das slowenische TV sendet wöchentlich eine halbe Stunde zu einer guten Zeit am Sonntag, und es gibt insgesamt 50 Minuten täglich Radio. Vor allem die Versorgung über das Radio ist eine wesentliche Grundlage für das Überleben einer Sprache, und gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seinem kulturellen Auftrag ist die Sprache ethnischer Minderheiten eine große Bereicherung und daher sehr, sehr wichtig.

Aber es gibt in zahlreichen anderen europäischen Staaten eine ausgezeichnete, teilweise bessere mediale Versorgung der ethnischen Minderheiten. In Italien strahlt die RAI im Hörfunk Vollprogramme für die Südtiroler aus Bozen aus, für die Slowenen und für die Aostataler aus Triest aus. Slowenien zum Beispiel sendet für die italienische Volksgruppe sowohl im Hörfunk als auch im TV ein Vollprogramm aus Koper aus. In vielen anderen Staaten gibt es auch hervorragende Förderungen.

Der ORF hat mit Blue Danube einen hervorragenden multilingualen Sender beziehungsweise eine Frequenz. Ich könnte mir durchaus für den Alpen-Adria-Raum eine ähnliche Institution beziehungsweise eine ähnliche Frequenz vorstellen.

Herr Staatssekretär! Als ersten Punkt möchte ich folgendes urgieren: Es hat im vorigen Jahr einen einstimmigen Entschließungsantrag gegeben, in welchem gefordert wurde, die Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten dem Parlament zur Ratifikation zuzuleiten. Ich würde bitten, dies umgehend zu tun. Ich meine, daß wir nicht auf andere Staaten zu warten brauchen, sondern daß Österreich durchaus diese Rahmenkonvention bereits ratifizieren kann.

Zum zweiten möchte ich eine Novelle zum Volksgruppengesetz unter Einbindung aller relevanten Kräfte, die wünschenswert wäre, urgieren. Ich hoffe, daß es in diesem Punkt einen Konsens und ein gemeinsames Vorgehen auch innerhalb der Volksgruppen gibt. Ein Konsens wäre für ein neues Gesetz, für eine Volksgruppengesetznovelle unabdingbar, in der eine gesamtösterreichische repräsentative Konferenz der Volksgruppenbeiratsvorsitzenden, die gesetzlich legitimiert ist, zu grundsätzlichen Fragen, die alle oder mehrere Volksgruppen betreffen, Stellung zu


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nehmen, vorgesehen ist. Eine solche Konferenz wäre ein ganz wichtiges Kontroll- und Regulativorgan zur Wahrung der Interessen der österreichischen Volksgruppen. Aber auch die Erweiterung der Mitspracherechte der Volksgruppenbeiräte wäre ein großer Fortschritt.

Desgleichen urgiere ich die Verankerung einer Staatszielbestimmung im Gesetz – sei es auch mit einer Verfassungsbestimmung –, wonach sich Österreich zu seiner sprachlichen und kulturellen Vielfalt bekennt. Das wäre in diesen Zeiten ganz, ganz wichtig. Die inhaltlichen Schwerpunkte einer solchen Bestimmung könnten beispielsweise die Förderung des interkulturellen Dialogs, der Schutz der Freiheit des Bekenntnisses sowie der Schutz vor diskriminierenden oder gewalttätigen Drohungen und Handlungen sein. Ich hoffe, daß wir in diesem Bereich in der nächsten Zeit zu einem Fortschritt gelangen.

Abschließend möchte ich sagen, daß es in den letzten Jahren doch eine erfreuliche Tendenz der Volksgruppenförderung gegeben hat. Intelligente Gesellschaften haben ohnedies keine Zeit für Haß und Intoleranz, nur kulturell verarmende Gesellschaften brauchen Nationalismus und Fremdenhaß.

Österreich hat allen Grund und tut gut daran, seine Volksgruppen gut zu behandeln. Die heute in Österreich lebenden ethnischen Gruppen sind eine Erinnerung an die ethnische Vielfalt Europas und im besonderen Österreichs. Es war der österreichische Deutschnationalismus, der schon eine Reform der Monarchie in Richtung Gleichberechtigung unmöglich gemacht hat, und die österreichischen Nationalsozialisten haben schließlich das Ihre in der Zeit von 1938 bis 1945 dazu beigetragen, nicht nur Hunderttausende Juden zu unterdrücken, zu verfolgen und zu ermorden, sondern auch die sogenannten Zigeuner und in abgestufter Form und mit differenzierter mörderischer Konsequenz die nach der NS-Ideologie rassisch minderwertigen slawischen Volksgruppen zu verfolgen, zu benachteiligen und zu diskriminieren.

Die Republik Österreich hat daher allen Grund, Toleranz gegenüber den Volksgruppen zu üben. Die Position zu den Minderheiten ist ein Indikator für die generelle Befindlichkeit im Land. Die Assimilation ist ohnedies schon sehr, sehr weit fortgeschritten. Unsere Kultur ist jedoch ohne die Einflüsse anderer Kulturen nicht denkbar. Daher, Herr Staatssekretär, ersuche ich Sie, auch in Zukunft der Bedeutung der Volksgruppen für die kulturelle Vielfalt und das kulturelle Erbe bei der Volksgruppenförderung entsprechend großes Augenmerk zu schenken und damit die Voraussetzungen für ein weiteres gedeihliches und tolerantes Zusammenleben zu schaffen.

Weil es einen Antrag beziehungsweise eine Initiative der steirischen Slowenen gibt, in den Volksgruppenbeirat aufgenommen zu werden, und weil nach dem Volksgruppengesetz die gleiche Anzahl von Volksgruppenvertretern vorgesehen ist und daher eine Aufstockung notwendig wäre und wir uns nicht sicher sind, ob die Kärntner Slowenen damit einverstanden sind (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: 0,5 Promille!) , sind wir dafür, daß das Bundeskanzleramt prüfen möge, auf welcher rechtlich korrekten Basis die steirischen Slowenen hier einbezogen werden könnten. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Haben Sie eine Ahnung, wie viele es gibt?)

Daher stellen die Abgeordneten Posch und Steibl folgenden Entschließungsantrag (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Der ist törisch! Nicht nur vorlesen, sondern auch nachdenken, was du sagst!) :

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Posch, Ridi Steibl und Genossen betreffend steirische Slowenen und Volksgruppenbeirat

Der Bundeskanzler wird ersucht, unter Einbeziehung der betroffenen Landesregierungen zu prüfen, inwieweit eine Vertretung der steirischen Slowenen im Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe eingerichtet werden kann.

*****


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(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Der hat keine Ahnung, wovon er redet!)

18.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben referierte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit zur Verhandlung und zur Abstimmung.

Zum Wort gelangt als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

18.41

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er, poštovane dame i gospodo! (Abg. Dr. Fuhrmann: Dobar ve#er!) Dobar ve#er, gospodin Wittmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz besonders herzlich den Herrn Staatssekretär Dr. Wittmann hier begrüßen, denn er ist jetzt der vierte Staatssekretär, mit dem ich zu tun habe, seitdem ich Minderheitensprecherin der Grünen bin. Ein bißchen kommt es mir so vor, als wäre das Thema Volksgruppenpolitik innerhalb der Bundesregierung eine Art Wanderpokal: Begonnen haben wir mit dem jetzigen Klubobmann, damals Staatssekretär, Kostelka (Abg. Dr. Kostelka: Ich war es vier Jahre!) , dann war es der Dr. Einem, dann war es der Herr Mag. Schlögl, jetzt ist es der Herr Dr. Wittmann. (Abg. Dr. Kostelka: Was wir Ihnen an Abwechslung bieten!) Wer weiß, wer nächstes Jahr zuständig ist. Aber, Herr Dr. Wittmann, das ist kein Mißtrauen Ihrer Person gegenüber, sondern eher ein Mißtrauen gegenüber dem jeweiligen Bundeskanzler, wo ich mich frage, wie ernst er es mit den Agenden in Volksgruppenangelegenheiten meint. Es wäre wünschenswert, da einmal eine gewisse Kontinuität entstehen zu lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob mein Vorredner, Herr Mag. Posch, der eigentlich im Vergleich zu den Reden, die es in den Vorjahren gegeben hat, als Regierungspolitiker Volksgruppenpolitik lobten, eine erstaunliche Rede gehalten hat, weil sie auch durchaus selbstkritisch war, die genauen Zahlen hier genannt hat, aber es ist wahrlich angebracht, hier festzustellen, daß sich die Volksgruppenförderung in den letzten Jahren sehr erhöht hat. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß das vielleicht auch damit zu tun hat, daß es in den letzten Jahren aktive Volksgruppenpolitiker und Volksgruppenpolitikerinnen gegeben hat und daß das einen ursächlichen Zusammenhang hat. Es stehen jetzt den österreichischen Volksgruppen immerhin 53 Millionen Schilling in Form von Förderungen zur Verfügung, um für den Erhalt der Volksgruppen in diesem Land Arbeit zu leisten und sich für den Erhalt der Sprache und der Kultur der Volksgruppen einzusetzen. So definiert es auch das Volksgruppengesetz.

Ich möchte die Kritik an dem Bericht, die Herr Dr. Kier in einigen Punkten vorgebracht hat, nicht noch einmal vorbringen, sondern diese nur unterstreichen und sagen: Der Bericht ist nichts anderes als eine Kassaabrechnung, in welcher aufgelistet ist, welcher Verein und welche Partei wieviel Geld bekommt. Substantielle volksgruppenpolitische Aussagen trifft er keine. Umso wichtiger ist diese Debatte im Plenum des Nationalrates, um Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, daran zu erinnern, worum es geht.

Wir haben letztes Jahr um diese Zeit und vor zwei Jahren um diese Zeit tragische Momente – auch im Hohen Haus – erlebt. Nach den Mordanschlägen von Oberwart war allen Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat die Betroffenheit anzusehen, die es darüber gab. Seither ist viel Zeit oder genug Zeit vergangen, in der man Gelegenheit gehabt hätte, auch von seiten der Regierungsverantwortlichen aktiv zu werden. Aber es ist nur die Zeit vergangen, die Aktivität vermisse ich in sehr vielen Feldern.

Der Herr Dr. Kier hat die mangelnde Präsenz von Politikerinnen und Politikern bei der Veranstaltung, die am Wochenende in Oberwart stattgefunden hat, bemängelt. Ich selber war aus familiären, aus privaten Gründen dort nicht anwesend. Voriges Jahr war ich dort. Es war eine interessante Veranstaltung. Besonders bedauerlich ist aber, daß diejenigen Parteien dort nicht vertreten waren, die es in der Hand haben, da Entscheidungen zu treffen, die die Mehrheit hier im Hohen Haus haben. Es ist lobenswert, wenn der Herr Dr. Kier und der Herr Dr. Ofner und die Terezija Stoisits sich immer wieder mit Volksgruppenorganisationen treffen, auseinandersetzen, mit ihnen diskutieren. Aber wir setzen uns alleine, wie Sie wissen, da nicht durch. Dazu


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brauchen die österreichischen Volksgruppen Ihre Stimme. Ich habe daher einen Vorschlag im Ausschuß gemacht. Der damals noch zuständige Staatssekretär Mag. Schlögl hat – ich bin ganz vorne neben ihm gesessen und habe das genau beobachtet – sehr interessiert zugehört und dann zustimmend genickt, was ja wesentlich ist. Diskutiert wurde damals ein dann nicht eingebrachter Vorschlag zur Änderung des Volksgruppengesetzes von Dr. Khol und Dr. Kostelka. Diese Initiative gab es nicht zuletzt deswegen, weil die Volksgruppenorganisationen so drängten. Diese Diskussion ist dann allerdings abgebrochen worden, es gibt sie im Moment nicht.

Jetzt gibt es lobenswerterweise – und das möchte ich ganz, ganz deutlich sagen – auf Anregung des Präsidenten eine Initiative aller Fraktionen dieses Hauses, eine Veranstaltung zu diesem Thema im Mai dieses Jahres abzuhalten, wovon ich mir persönlich und auch für meine Fraktion einiges erhoffe. Ich hoffe, daß der Herr Staatssekretär Wittmann Zeit haben wird, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, denn Sie sind für uns unser Mann in der Regierung; unter "unser Mann" meine ich unser Mann für Volksgruppenanliegen. Diese Veranstaltung hat auf jeden Fall Sinn. Aber sie wird vor allem dann für die österreichische Volksgruppenpolitik von besonderer Bedeutung sein, wenn es im Vorfeld dazu auch schon Überlegungen und Bestrebungen gibt, etwas vorzubereiten.

Ich habe schon ein bißchen Angst, daß wir, die Volksgruppensprecher der Parteien, dann dort sitzen werden und jeder dort seine Position darstellen und auch ein bißchen Eigenreklame machen wird und die Veranstaltung ohne konkrete Ergebnisse enden wird. Mein Vorschlag wäre, diesen Punkt schon im Vorfeld zu klären, damit sich meine Befürchtung nicht bewahrheitet.

Diese Veranstaltung ist ja nicht zufällig für den 12. Mai terminiert, um den Tag des Abschlusses des Staatsvertrags von Wien am 15. Mai, der ja die "Magna Charta" des Volksgruppenrechtes in Österreich ist, nämlich dessen Artikel 7. Daß diese Veranstaltung genau zu diesem Zeitpunkt stattfindet, hat für uns auch einen hohen symbolischen Wert. Deshalb bitte ich die beiden Klubobmänner, ihre Initiative auszubauen und fortzusetzen. Es muß endlich auch etwas passieren! Es kann sich nicht darauf beschränken, daß nur "kleine Papiere" produziert werden.

Ich habe, obwohl schon angekündigt, meinen Antrag auf Änderung der Bundesverfassung und auf Schaffung einer, wie es jetzt gerne heißt, Staatszielbestimmung, wo es um ein ausdrückliches Bekenntnis der Republik zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt in diesem Land geht, nicht eingebracht. Ich habe es deshalb nicht getan, um bis zum Mai die Möglichkeit zu haben, daß wir hier einen Konsens finden, weil das Themen sind, die nur konsensual lösbar sind. Da macht es wenig Sinn, wenn eine Partei auf parlamentarischer Ebene Initiativen setzt, die dann nicht einmal ignoriert werden. Ich verweise auf einen Antrag, der von allen Parteien positiv aufgenommen wurde, in welchem es um eine Vertretung der Volksgruppen auch im Hörer- und Seherbeirat des ORF geht; jetzt liegt er schon ewig dort, und nichts geschieht. Nur der Zuspruch ist zuwenig. Es muß hier wirklich aktiv gehandelt werden.

Meine Damen und Herren! Was das Geld für die Volksgruppen betrifft, so muß ich wie alljährlich die Selbstbedienung der Parteien bei der Volksgruppenförderung kritisieren. Permanent wird zwar jetzt in unserem Land davon gesprochen, daß man nicht in alte Politikmuster zurückfallen soll, daß die Zeiten der fünfziger Jahre vorbei sind, Proporz trachtet man abzubauen, "Entpolitisierung" und "Privatisierung" lauten die Schlagworte, aber in der Volksgruppenpolitik, vor allem wenn es um das Geld geht, sind wir in der absoluten Fünfziger-Jahre-Steinzeit. Bei der Volksgruppenförderung bedienen sich die Parteien mit einer Unverschämtheit, die mir als Politikerin peinlich ist.

Deshalb warne ich auch davor, das besonders laut zu sagen, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, das schlechte Licht fällt auf die Volksgruppen, wenn man hört, welches Verständnis von Volksgruppenförderung SPÖ und ÖVP – und die Schuld trifft beide zu gleichen Teilen – haben. Ich meine das Beispiel, das Herr Dr. Kier in bezug auf den Landtagsabgeordneten Niki Berlakovich gebracht hat. – Weil mich Dr. Fuhrmann anschaut: Das ist jetzt einmal die ÖVP; man muß das ein bißchen aufteilen. In den letzten Jahren war es immer die SPÖ, die im Blickpunkt meiner Kritik stand, heute widme ich mich der ÖVP.


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Herr Landtagsabgeordneter Niki Berlakovich geht zu CD-Präsentationen und präsentiert dort eine CD einer hervorragenden burgenländisch-kroatischen Popgruppe – er präsentiert sie als sein Geschenk, er hat sie gefördert. Sein Name war auf der CD in der Edition aufgedruckt, und es schaut so aus, als ginge es um sein Geld.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niki Berlakovich hat dort nicht sein Geld verteilt. Er hat Geld verteilt, das aus Volksgruppenförderungsmitteln stammt. (Abg. Kiss: In welcher Eigenschaft?) Wo kommen wir denn hin, wenn österreichische Politiker Mittel, die das Gesetz der Volksgruppenförderung widmet, wie ihre eigenen wie Mäzene in der Gegend verteilen? – Das ist das Selbstverständnis, das da dahintersteckt.

Wo kommen wir denn hin, wenn es so weitergeht wie seit 1988: Die ÖVP-Organisation der Gemeindevertreter, die Organisation von ÖVP-Mandataren, hat 2 250 000 S bekommen – nur dafür? (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Die SPÖ-Seite: 2,7 Millionen Schilling. Wenn dieses Geld für Volksgruppenaktivitäten verwendet würde, wäre es ja nicht so schlimm, aber was passiert wirklich damit? – Zum Beispiel wird Geld zur Deckung von Infrastrukturkosten direkt in die Kassen von Landesparteiorganisationen überwiesen. (Abg. Kiss: Welcher Partei?) Der Verband der SPÖ-Mandatare überweist die Telefonkosten direkt an die SPÖ-Burgenland. (Abg. Dr. Graf: Parteienfinanzierung ist das! Das nennt man "Parteienfinanzierung"!)

Das stinkt doch wirklich zum Himmel. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bitte beginnen Sie endlich, das abzustellen, damit nicht wieder eine Peinlichkeit wie jene der letzten Jahre auftritt, als 92 Prozent der Mittel, die diese Organisationen aufwenden – diese Summen stimmen für beide Parteien; das sind Zahlen direkt aus dem Volksgruppenbericht beziehungsweise aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom ehemaligen Bundeskanzler Dr. Vranitzky –, für die Infrastruktur aufgewendet wurden. Arbeiten können die nichts, denn sie haben dafür ja kein Geld mehr. Sie haben ja nur 8 Prozent der Mittel, um kulturelle Aktivitäten zu starten, um etwas zu unterstützen. Die Mittel fließen in die Miete für die SPÖ-Burgenland, in Telefonkosten für die SPÖ-Burgenland. (Abg. Dr. Graf: In die Parteikasse fließen sie!) Das ist direkt in die Parteikasse, und das ist auf der SPÖ-Seite genauso wie auf der ÖVP-Seite. (Abg. Kiss: Das ist eine glatte Lüge! Für die ÖVP verwahre ich mich dagegen! Das ist eine glatte Lüge!)

Herr Kollege Kiss! Wenn du Altbundeskanzler Dr. Vranitzky der Lüge in parlamentarischen Anfragebeantwortungen bezichtigst, wird er sich zu wehren wissen. Das hat er mir in einer Anfragebeantwortung geschrieben. Ich weiß, daß das abgrundtief peinlich ist. (Abg. Kiss: Das ist eine glatte Lüge!) Wäre es nicht die Wahrheit, dann müßte Kollege Kiss jetzt auch nicht so laut zwischenrufen. Den Volksgruppen ist damit nicht gedient!

Uns geht es darum, zu arbeiten. Uns geht es darum, das Volksgruppengesetz zu novellieren, eine Staatszielbestimmung zu schaffen. (Abg. Dr. Graf: Deswegen ist er ja nicht mehr Bundeskanzler!) Und diesbezüglich erhoffe ich mir mit Hilfe der Initiative von Präsidenten Fischer und mit der Hilfe von Herrn Dr. Wittmann, dem neuen Staatssekretär, bis zum Mai konkrete Ergebnisse. Und ich hoffe, daß die nächste Diskussion anläßlich der Beschlußfassung der Novelle zum Volksgruppengesetz oder des B-VG stattfindet. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für den Ausdruck "Das ist eine glatte Lüge!" erteile ich im Sinne der bisherigen Praxis einen Ordnungsruf.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Kiss gemeldet. (Abg. Dr. Graf: Wer hat den Ordnungsruf erhalten?)  – Der Abgeordnete Kiss ist am Wort. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

18.55

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Abgeordnete Stoisits hat hier behauptet, die ÖVP hätte aus Mitteln der Volksgruppenförderung Zuwendungen erhalten. – Diese Behauptung ist unrichtig. Ich weise sie als wahrheitswidrig zurück.


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Wahr ist: Aus Mitteln der Volksgruppenförderung können nach dem Volksgruppenförderungsgesetz nachweislich keine politischen Parteien unterstützt werden. Jeder Beitrag, der an Volksgruppen fließt, ist dem Bundeskanzleramt belegmäßig nachzuweisen und abzurechnen. Außerdem werden sämtliche Mittel über den Rechnungshof ein zweites Mal kontrolliert.

Frau Kollegin Stoisits! Sie behaupten hier zum wiederholten Male wider besseres Wissen im Schutze Ihrer Immunität etwas, was so in der Sache nicht stimmt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Jetzt betreibst du Kindesweglegung oder was?)

18.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

18.56

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon hochinteressant, wie die Oppositionsparteien manchmal mit der Wahrheit umgehen, gerade in einem Bereich, in dem es angeblich um so viel Toleranz und die Notwendigkeit von Ehrlichkeit geht.

Bei aller Wertschätzung gegenüber der Kollegin Stoisits muß ich wirklich sagen: Ich wünsche mir öfters, daß gerade die Grünen und in der Folge das Volksgruppenzentrum einen Ansatz eines gemeinsamen Miteinander-Arbeitens haben und nicht Menschen, die sich für die Minderheiten und die Volksgruppen einsetzen, noch diffamieren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Elmecker. )

Der Volksgruppenförderungsbericht, über den wir zurzeit diskutieren, ist ein Bericht über die Förderungen einzelner Volksgruppen und deren Organisationen und deren so wichtige Arbeit in den Regionen. 1988 wurde mit 5 Millionen begonnen, daß wir heute bei 53 Millionen angekommen sind, ist sicher ein Erfolg; auch das muß man sehen. Es ist das eine erfreuliche Steigerung.

Es ist auch zu begrüßen, daß es Vereine gibt, die Lobbying für diese Volksgruppen betreiben, die im Bereich der Bewußtseinsbildung arbeiten, in kulturellen und in anderen Bereichen. Daß solche Gruppen auch in den Parteien verankert sind, muß man, glaube ich, auch zugestehen.

Bundesminister Schlögl hat ja auch gesagt, daß es auch den anderen Parteien zusteht, aktiv zu werden – ich meine, aktiv auch beim Arbeiten, nicht nur beim Reden. Sie könnten genauso, wenn Sie konkrete Vorschläge oder Projekte einbringen, Förderungen erhalten, liebe Kollegin. (Abg. Mag. Stoisits: Das ist ein Blödsinn! – Abg. Großruck: "Das ist ein Blödsinn!", hat sie gesagt!) Blödsinn ist des öfteren etwas von der Opposition.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich verstehe überhaupt nicht, warum jetzt solch eine Diktion einreißt.

Abgeordnete Ridi Steibl (fortsetzend): Die geförderten Vereine werden sehr streng kontrolliert. Es ist auch geplant, daß in der nächsten Zeit ... (Abg. Kiss: Weil seitens der Kollegin Stoisits mit Sachen aufgewartet wird, die nachweislich nicht den Tatsachen entsprechen, Herr Präsident, die glatte Lügen sind!) Ja, genauso ist es. Ich glaube, daß wir hier einmal ehrlich reden müssen, daß wir keinen negativen Lobbyismus betreiben sollten, sondern für die Volksgruppen, für die Minderheiten arbeiten sollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geplant ist überdies, daß es für alle Rechtsträger der Volksgruppen klare Richtlinien über eine korrekte Abrechnung geben wird. Das ist auch gut so und notwendig.

Wenn wir über den Volksgruppenförderungsbericht sprechen, müssen wir auch sagen, daß er auch im Ausschuß enderledigt hätte werden können. Aber nein, auf Antrag von ÖVP und SPÖ ist er ins Plenum gebracht worden, um daneben auch über sehr wichtige konkrete Punkte der Volksgruppenangelegenheiten zu diskutieren.


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Der erste Punkt ist die Verbesserung beziehungsweise die Weiterentwicklung des Volksgruppengesetzes. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.) Die ÖVP hält dabei an den Grundrechten des österreichischen Minderheitenrechts fest. Wir wissen, daß wir über den Artikel 7 hinausgehend noch Unterstützung brauchen und an einer Weiterentwicklung arbeiten müssen, aber nur im Konsens mit allen Volksgruppen. Es kann dazu eine Staatszielbestimmung gehören, die Aufwertung der Volksgruppenbeiräte sowie die Einbeziehung in die Begutachtungsverfahren der Volksgruppenangelegenheiten.

Die Beiräte, sei es der kroatische, der ungarische, der slowakische oder der tschechische Volksgruppenbeirat, sind alle dafür gewesen und mitgegangen, nur die Vertreter des Volksgruppenzentrums, mit ihrem Obmann Karel Smolle, dem Generalsekretär Mikl und dem Herrn Präsidenten Pipp, der auch im Rat der Kärntner Slowenen federführend ist, sind dagegen, suchen keinen Dialog und haben einen eigenen Antrag eingebracht. Das ist natürlich ihr Recht, aber man muß auch überlegen, wie wir die ersten Schritte machen können, um danach weitere Schritte setzen zu können.

Weiters ist festzuhalten, daß das österreichische Minderheitenschutzgesetz in mehrfacher Hinsicht ein positives Beispiel für die Entwicklung in Europa darstellt und daß wir gut daran täten, den Vorschlag Khol – Kostelka auch umzusetzen, was jedoch leider nicht so einfach ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens zur Forderung, zur Urgenz der Kollegin Stoisits, die sehr viel über die Medien arbeitet, während es in der konkreten Umsetzung bei ihr manchmal Probleme gibt.

Zur Ratifizierung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten ist zu sagen, daß dazu im Europarat derzeit Verhandlungen laufen und es noch offene Fragen, wesentliche Elemente betreffend, gibt, wie zum Beispiel die Zusammensetzung des sogenannten beratenden Ausschusses. Vieles ist erst in groben Umrissen geregelt, und das Bundeskanzleramt sagt auch dezidiert, daß diese Vorlage, an der intensivst gearbeitet wird, dem Parlament noch nicht zugewiesen werden kann.

Der dritte Punkt, auch sehr stark über die Medien gespielt, ist die Einbeziehung von Vertretern der slowenischen Volksgruppe der Steiermark in den bestehenden slowenischen Volksgruppenbeirat. Es ist keineswegs in Abrede zu stellen, daß in der Steiermark auch österreichische Staatsbürger leben, deren Muttersprache Slowenisch ist und die Slowenisch auch als Umgangssprache verwenden.

Bezüglich der Anerkennung der slowenischen Minderheit in der Untersteiermark ist es sicher kein Fehler, weiter daran zu arbeiten, obwohl natürlich einige Fehler passiert sind, weil auch wir manchmal natürlich im Umgang mit unserer Geschichte Schwierigkeiten haben. Tatsache ist, daß seit 1994 zwei Vertreter der slowenischen Minderheiten im Beirat der slowenischen Volksgruppe kooptiert sind. Wenn ein Vertreter auszieht, weil ihm bei den Verhandlungen das eine oder andere Mal etwas nicht zu Gesicht steht, dann kann das nicht alle betreffen, dann muß man mit der betreffenden Person reden.

Der Verfassungsausschuß des Steiermärkischen Landtages hat eingehende Beratungen geführt, und zwar nicht nur mit den Ausschußmitgliedern, sondern er hat auch eingehende Gespräche mit den Bürgermeistern, den Betroffenen, den Gemeinderäten, den Menschen, die in der Untersteiermark leben, geführt und mit ihnen vereinbart beziehungsweise beschlossen, daß bei der nächsten Ausschußsitzung im März 1997 ein Antrag gestellt werden wird, welcher der Regierung zur Stellungnahme vorgelegt und einer positiven Erledigung zugeführt werden soll.

Ich glaube, daß, wenn die Liberalen mit Herrn Barmüller einen Entschließungsantrag einbringen wollen, bei dem, obwohl von den neun Abgeordneten der Liberalen fünf davon leicht unterschreiben könnten, nur einer unterschreibt und sie die steirischen Abgeordneten um eine Unterstützung bitten, das sehr populistisch ist. (Abg. Dr. Schmidt: Was ist daran populistisch?)

Abschließend: Für die Zukunft der Minderheiten und die Volksgruppenarbeit in Österreich muß der Angelpunkt die Stärkung der Selbstverantwortung und Selbständigkeit werden. Der Schutz


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der Minderheiten ist der ÖVP ein Anliegen – hoffentlich ist dies auch ein Anliegen der anderen, speziell der Opposition. (Beifall bei der ÖVP.)

19.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Abgeordneter hat sich Herr Mag. Barmüller zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.06

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kier hat bereits ausgeführt, daß der Bericht über die Förderungen, die den Volksgruppen in Österreich zuteil werden, sehr numerisch ist, daß ihm die politische Dimension fehlt. Der Antrag, den Frau Abgeordnete Ridi Steibl bereits angesprochen hat, ist einer jener Anträge, Frau Abgeordnete, die genau jene politische Dimension näher beleuchten sollen. (Abg. Steibl: Das ist nicht notwendig!) Daß es ein konkret steirisches Problem ist, ist nichts Schlechtes, wir beide sind uns darin doch einig.

Meine Damen und Herren! Entgegen dem, was Frau Abgeordnete Ridi Steibl interpretativ gesagt hat, war es in der Steiermark bisher so, daß, obwohl dort österreichische Staatsbürger mit slowenischer Muttersprache leben und die Steirische Landesregierung ein Anhörungsrecht in der Frage hat, ob österreichische Staatsbürger mit slowenischer Muttersprache mit Sitz und Stimme im Volksgruppenbeirat vertreten sein sollen oder nicht, die Landesregierung das bisher immer vehement abgelehnt hat.

Frau Abgeordnete Ridi Steibl! Es ist nicht so, wie Sie vermuten, daß bezüglich dieses Themas der populistische Weg gesucht wird. Ich gehe sogar darüber hinaus: Sie haben gesagt, daß, wenn ich die steirischen Abgeordneten ersuche, sie sollen das unterstützen, das doch zu offenkundig sei. – Sie haben vollkommen recht. Ich habe diesen Antrag deshalb alleine gestellt und meine Fraktion auch darum gebeten, ihn alleine stellen zu können, damit er nicht im vorhinein als ein Parteiantrag klassifiziert wird.

Nicht nur die steirischen Abgeordneten sind aufgerufen, darüber zu entscheiden, ob sie wollen, daß dieser Antrag behandelt wird, sondern alle Abgeordneten dieses Hauses sind aufgefordert, sich darüber eine Meinung zu bilden und aufzustehen oder sitzen zu bleiben, wenn es darum geht, daß die österreichischen Staatsbürger der Steiermark mit slowenischer Muttersprache mit Sitz und Stimme im Volksgruppenbeirat vertreten sein sollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Abgeordnete Steibl! Daß auch von den Regierungsparteien reagiert und ein entsprechender Antrag gestellt wurde, ebenfalls die steirischen Slowenen und den Volksgruppenbeirat betreffend, finde ich positiv. Es ist ein reaktiver Antrag – Abgeordneter Kiss wird mir das zugestehen –, denn es geht dabei nicht um CDs, die angeblich gesponsert worden sind, sondern darum – und das ist der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Anträgen (Abg. Kiss: So schauen sie auch aus!) –, daß die Regierungsfraktionen die Bundesregierung oder den Bundeskanzler konkret aufrufen, zu untersuchen und zu prüfen, inwieweit eine Vertretung der steirischen Slowenen im Volksgruppenbeirat eingerichtet werden kann. Es ist überhaupt keine Frage, daß dies möglich ist, wenn es die politische Mehrheit in diesem Lande, in diesem Hause, will. Über die Zeit der Prüfung sind wir aber längst hinaus.

Meine Damen und Herren! Faktum ist, daß von der Steirischen Landesregierung – es sei darauf hingewiesen, daß bei den Landesregierungen ein Proporzsystem herrscht, wovon in der Steiermark die ÖVP als auch die SPÖ und die FPÖ betroffen sind – bisher keine Bereitschaft bekundet wurde, sondern das Gegenteil davon gemacht wurde, den steirischen Slowenen oder den österreichischen Staatsbürgern mit slowenischer Muttersprache in der Steiermark ihre entsprechende Vertretung, die ihnen an sich nach dem Staatsvertrag zustünde, zukommen zu lassen.

Ich meine, daß Ihr Antrag deshalb zu kurz greift, weil Sie nur geprüft haben wollen. Natürlich ist das möglich, die Frage ist aber, ob wir die Vertretung einrichten, und nicht, ob wir prüfen sollen oder nicht. Die Liberalen stehen dafür, daß wir eine solche Vertretung einrichten, und wir wollen das nicht zu einer parteipolitischen Sache machen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Meine Damen und Herren! Um diese Sache nicht zu zerreden, möchte ich noch einmal klar festhalten: Wir wollen nicht, daß nur geprüft wird. Frau Abgeordnete Ridi Steibl! Wir möchten, daß die österreichischen Staatsbürger mit slowenischer Muttersprache in der Steiermark in Zukunft mit Sitz und Stimme im Volksgruppenbeirat vertreten sind. Derzeit haben sie nur Beobachterstatus, das heißt, sie dürfen zuhören, aber sie dürfen nicht abstimmen.

Wir meinen, daß ihnen jene Rechte, die ihnen nach dem Staatsvertrag zustehen, auch wirklich gewährt werden sollten – besser heute als morgen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

19.10

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn man die Auseinandersetzung zwischen Frau Abgeordneter Stoisits und Herrn Abgeordneten Kiss aufmerksam verfolgt hat, konnte man nur schmunzeln, denn in gewissem Sinn hatten beide recht.

Natürlich gibt es eine Art Umwegrentabilität bei der Volksgruppenförderung. Geld aber hat kein Mascherl, das heißt, daß die Millionenbeträge oder viele Hunderttausende Schilling aus der Kasse der Republik in die Kassen von parteinahen Gruppierungen der ÖVP und der SPÖ fließen. Insofern hat Terezija Stoisits recht. Sie hat sich darüber aufgeregt.

Und der Pauli Kiss hat auch recht, wenn er da im Brustton der Überzeugung darauf hingewiesen hat, daß das nicht die ÖVP bekommt, und er hat inkludiert, daß es wahrscheinlich auch nicht die SPÖ bekommt. Beide Parteien treten in entsprechenden Verkleidungen auf. Auf Seite 3 des Förderungsberichtes steht das "Präsidium der SPÖ-Mandatare aus kroatischen und gemischtsprachigen Gemeinden", das 625 000 S bekommt, und nur zwei Seiten weiter hinten, auf Seite 5, steht die "Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitiker im Burgenland" (der ÖVP) mit 850 000 S. (Abg. Kiss: Wo steht dort ein Wort über die ÖVP?)

Jetzt kannst du herauskommen und sagen, daß das auch nicht stimmt! Als du meiner Vor-Vorrednerin gesagt hast, daß das nicht die ÖVP sei, habe ich noch schmunzeln können. Wenn du jetzt wieder sagst, daß das nicht stimmt, dann wende dich vertrauensvoll an das Bundeskanzleramt und sage, sie hätten einen Druckfehler eingebaut. – Es ist aber wirklich so! Es gibt die Umwegrentabilität, aber man tritt schamhafterweise nicht unter seinem richtigen Namen auf, sondern läßt für sich durch Gruppierungen die Hand aufhalten. Das ist ein Faktum! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss begibt sich in die Nähe des Rednerpults.)

Ich würde mich mit dem Thema lieber weniger befassen, weil man sich genieren muß. (Der Redner wendet sich an Abg. Kiss. ) Zeige mir deinen Zettel! Gib ihn her! Schlag Seite 5 auf! – Nein, gib ihn mir gleich, ich mache das für dich! (Der Redner nimmt ein Schriftstück von Abg. Kiss . – Abg. Kiss : Was steht da alles drauf?) Ich sage es dir gleich! Es ist die "Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitiker im Burgenland". Schüchtern und dezent kommt er heraus und fragt: Wo steht "ÖVP"? – Nirgends! Es ist die ÖVP, es ist eine Gliederung der ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Du kannst uns auf die Dauer nicht pflanzen, lieber Pauli. Ich schätze dich sehr, du kannst noch die Terezija Stoisits einschüchtern ... Jetzt grinst er schon! Jetzt haben wir dich schon "aufgemacht", mein lieber Freund! (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Natürlich steht nicht "ÖVP" da, das ist eine Vereinigung von ÖVP-Kommunalpolitikern. Du kannst schon herauskommen, sage es mir, ich sage auch das gleich. (Abg. Kiss: Tatsächliche!) Jetzt nimmt er es wieder mit! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Den Schmäh kannst nicht einmal im Burgenland anbringen!)

Er wird tatsächlich berichtigen, daß auf Seite 5 eine Gruppierung von ÖVP-Kommunalpolitikern draufsteht, aber auf Seite 3 in der Klammer nicht "ÖVP" dabei steht. (Abg. Kiss: Das hast du


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behauptet!) Das wird er berichtigen, aber wir alle wissen, wie es wirklich ist, und jeder im Burgenland kann es erzählen.

Mein lieber Pauli! Wenn du mir jetzt auch eine Lüge nachsagst, dann werde ich dir "helfen", aber außerhalb des Parlaments. Das traust du dich aber eh nicht. Das hast du leicht einer Dame gegenüber machen können, aber bei mir bist du eher etwas zurückhaltend. (Unruhe und Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Die Volksgruppenförderung ist von 1994 auf 1995 immerhin von zirka 38 Millionen auf fast 53 Millionen angestiegen. Das ist ein Fortschritt! Man muß dazu aber auch sagen, daß dieser finanzielle Segen die einzelnen Volksgruppen, auf die nach arithmetischen Grundsätzen so halbwegs gleichmäßig verteilt worden ist, nicht gleichmäßig segensreich getroffen hat, denn der Status der Volksgruppen und damit auch ihr finanzieller Bedarf ist sehr unterschiedlich.

Ich wiederhole, was ich bei anderen Gelegenheiten bereits öfters erwähnt habe: Noch immer sind es die Roma und Sinti, die einen derart großen Nachholbedarf zu stillen haben, auch in sozialer Hinsicht, aber auch die Beseitigung echter Diskriminierung betreffend, daß sie mit den Beträgen, die sie bekommen, auch wenn es sich um Millionensummen im niedrigen Bereich handelt, nicht das Auslangen finden können.

Bei den Roma und Sinti hat sich, zumindest im Burgenland – in den anderen Bereichen siedeln sie nicht in dieser geschlossenen Form – nichts geändert. Noch immer haben ihre Häuser keine Unterkellerung und keinen festen Fußboden, sondern einen gestampften Erdboden, noch immer sind ihre Häusergruppen, in jeder Hinsicht, am Rand eines Ortes angesiedelt, außerhalb des Ortsgebietes. Die Roma und Sinti haben nach wie vor keine Wasserversorgung, keine entsprechende Entsorgung, häufig keinen elektrischen Strom und keinen Telefonanschluß.

Sie haben nicht nur mit einem ungeheuren Ausmaß an Arbeitslosigkeit zu kämpfen, sondern auch mit Analphabetismus, wie wir ihn uns in Mitteleuropa überhaupt nicht mehr vorstellen können. Sie müssen überall bei Null oder unter Null anfangen. Alles, was auf diesem Sektor in den letzten Jahren versprochen worden ist, ist nicht gehalten worden. Es wurde alles vergessen! Wer sich das dort anschaut, der wird sich davon überzeugen können: die Not ist echt und die Diskriminierung alt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor kurzem erst hat sich die Proponentin eines im Burgenland neu zu gründenden Roma-Vereins bemüht, für die Gründungsversammlung in einem Gasthaus ein Extrazimmer zu bekommen. Sie ist mit ihrem Anliegen aus 14 Wirtshäusern "hinausgeflogen", nachdem sie erklärt hatte, mit wem sie dieses Extrazimmer dort teilen möchte. Sie hat in eine Gemeindelokalität, auf ein Gemeindeamt, in ein Sitzungslokal gehen müssen, um mit einer Gruppe von Menschen, die einen sozialen Verein für die Roma – im Bezirk Güssing war das – gründen wollten, um endlich unter Dach und Fach kommen zu können. – Das sind die Dinge, mit denen wir uns vordringlich beschäftigen müssen.

Man kann die finanziellen Mittel nicht arithmetisch aufteilen und beurteilen, denn die Roma brauchen viel mehr, als sie bekommen. Bei anderen Volksgruppen ist das, obwohl natürlich alle Geld brauchen, weniger dringend als bei diesen Ärmsten der Armen. Ich lade alle hier im Hohen Haus ein, sich das an Ort und Stelle anzuschauen, zum Roma-Verein und in seine Räume in Oberwart zu gehen, sich anzuhören, was die dort – gar nicht dick auftragend und ganz ruhig und sachlich – erzählen, wenn es darum geht, erst einmal die Sprache zu Papier zu bringen, wenn es darum geht, mittels bildlicher Darstellungen Erwachsenen beizubringen, wie einzelne Gegenstände oder Tiere heißen und wie man diese schreibt. – Das ist bewegend und rührend zugleich!

Meine Damen und Herren! Es bedarf einer stärkeren Zuwendung, als das derzeit der Fall ist, finanziell, vor allem aber auch menschlich. Man muß ihnen menschlich entgegenkommen, ihr Mißtrauen überwinden und eine Brücke schlagen. Auch wenn das manchmal aus der Sicht derer, die dazu aufgerufen sind, nicht einfach und nicht leicht erscheinen mag, ist es ein Gebot der Stunde. Nur zu versprechen, wenn Journalisten in der Nähe sind, den Roma nur freundlich


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zuzulächeln, wenn die Fernsehkameras laufen, und anschließend alles wieder zu vergessen und in Zeiten, die vor Jahren und Jahrzehnten angesagt waren, zurückzufallen, das ist eine Vorgangsweise, gegen die wir uns, ich persönlich und meine Freunde in der Fraktion, zutiefst wehren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Glück geht es nicht allen Volksgruppen so schlecht. Am Samstag hat, einer meiner Vorredner hat es schon erwähnt, der 2. Oberwarter Volksgruppenkongreß stattgefunden. Das Hauptreferat wurde von dem namhaften Innsbrucker Universitätsprofessor Steinicke gehalten, der sich mit der Situation der Volksgruppen in Österreich sehr fundiert auseinandergesetzt hat. Er hat den Standpunkt vertreten – wir freuen uns darüber –, daß es bei anderen Volksgruppen, vor allem bei den Slowenen in Kärnten, bereits zu einer Wende gekommen sei, eine "Trendwende in Südkärnten" hat er es genannt. Er stellte fest, daß der Abbröckelungsprozeß, der Assimilierungsprozeß, der dort lange Zeit geherrscht hat, schon gebrochen scheint. Das heißt, daß die slowenische Volksgruppe in Kärnten, ihrer Konsistenz nach, an Terrain gewonnen hat und im Begriff ist, sich weiter zu festigen und zu verstärken.

Ich möchte damit nicht sagen, daß die Slowenen in Kärnten nicht nach wie vor entsprechender Förderung bedürfen, aber es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, daß es Abstufungen in der Bedürftigkeit, in der Notwendigkeit, ihnen unter die Arme zu greifen, in der Hierarchie der einzelnen Volksgruppen gibt.

Es ist von Vorrednern intensiv die Problematik Slowenen in der Steiermark behandelt worden. Ich schlage vor, daß man sich dieser Frage und dieses Problems einmal beiderseits der Grenze zwischen Österreich und Slowenien annimmt, daß man prüft, was man tun kann für Slowenen in der Steiermark oder, wie es jemand genannt hat, für österreichische Staatsbürger slowenischer Zunge in der Steiermark und gleichzeitig und im Gleichklang für slowenische Staatsbürger deutscher Zunge, also Altösterreicher deutscher Zunge in Slowenien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man sollte sich grenzüberschreitend beider Probleme annehmen, im Bemühen, sie im Gleichklang einer Lösung zuzuführen. Vielleicht wäre so am ehesten etwas zu erreichen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.2


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1

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Kiss hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, mit der Behauptung zu beginnen, die Sie berichtigen wollen. Redezeit: 2 Minuten. (Abg. Dr. Graf: Lächerlich macht er sich da! Eine Verhöhnung des Parlaments!)

19.21

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der vormalige Justizminister, aktive Rechtsanwalt und Abgeordnete Ofner hat hier tatsachenwidrig zitiert, und zwar aus dem Förderungsbericht der Bundesregierung III-58 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XX. Gesetzgebungsperiode, Seite 5: Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitiker (Abg. Dr. Graf: Bei welcher Partei sind denn die? Sind das FPÖ-Mandatare?) im Burgenland, Klammer: (ÖVP).

Ich berichtige tatsächlich: In den parlamentarischen Unterlagen steht auf Seite 5 zum Titel Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitiker im Burgenland natürlich nicht der Klammerausdruck ÖVP. (Abg. Dr. Graf: Wie viele Parteien sind darin vertreten?) Somit ist diese Behauptung, die im Schutze der Immunität aufgestellt wurde, tatsachenwidrig. (Beifall bei der ÖVP.)

19.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, wozu melden Sie sich? (Abg. Dr. Ofner: Ich melde mich zu einer persönlichen Erwiderung, daß falsch zitiert worden ist!) Herr Abgeordneter, das ist nicht möglich. (Abg. Dr. Ofner: Dann melde ich mich zu Wort!) Gut.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte, Sie haben das Wort.

19.23

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Volksgruppenförderung in Österreich hat in den letzten Jahren erfreulich stark zugenommen. Die Beträge, die den Volksgruppen zur Verfügung stehen, sind stark gestiegen. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, gibt es eine ganze Reihe von Organisationen und Vereinen, die Fördermittel bekommen und damit ihrem Auftrag gerecht werden können, das kulturelle Erbe ihrer Volksgruppe weiterzutragen, weiterzuentwickeln und zu pflegen.

Kollege Barmüller hat gesagt, daß das vor allem ein numerischer Bericht sei und die politische Dimension fehle. Ich würde das nicht so streng betrachten. Ich denke, daß dieser Bericht eine sehr interessante und wertvolle Aufstellung der Mittel bringt, die vor allem vom Bundeskanzleramt für die Volksgruppenförderung eingesetzt werden. Und es zeigt sich einfach auch aus der Aufgliederung und Aufzählung der Organisationen, wie breit die Palette ist und daß sehr unterschiedliche Organisationen für ihre politische und kulturelle gesellschaftliche Arbeit gefördert werden. Das scheint mir doch sehr, sehr wichtig zu sein.

Ich möchte mich als Wiener Abgeordnete auf die Volksgruppen konzentrieren, die in Wien vertreten sind. Und wenn ich mir die Fördermittel ansehe, die für die einzelnen Volksgruppen zur Verfügung stehen, so möchte ich feststellen, daß es sehr erfreulich ist, daß sich die Mittel für die tschechische Volksgruppe auf eine ganze Reihe von Organisationen aufgliedern. Es freut mich sehr, daß sich die tschechische Volksgruppe in den letzten Jahren konsolidiert hat, daß sie es nach einer Reihe von Problemen geschafft hat, den Volksgruppenbeirat zu konstituieren und daß sich das bestens bewährt und die Volksgruppe viel besser zur Geltung kommt und auch viel stärker gefördert wird als früher.

Der wichtigste Posten an Fördermitteln für die tschechische Volksgruppe stellt die Renovierung des Schulgebäudes der Komenský-Schule dar. Es wurden darüber hinaus auch namhafte Beträge für die Schule überhaupt, vor allem aber für den Elternverein gewährt. Ich freue mich darüber, ich halte es für ganz wichtig, daß diese Schule gefördert wird, eine Schule, die wirklich verankert ist in der Tradition Wiens, in der Generationen von Wiener Tschechen ausgebildet worden sind, die dort ihre Sprache behalten konnten und zugleich für das Leben in Wien qualifiziert wurden, und die in vielen Bereichen sehr Wichtiges für die Wiener Kultur, für die Wiener und für Wien insgesamt beigetragen haben und beitragen.

Ich habe dem Bericht entnommen, daß es innerhalb des tschechischen Beirats nach wie vor Organisationen gibt, die zumindest im Titel noch die Tschechen und die Slowaken führen, wie zum Beispiel der Kulturklub der Tschechen und Slowaken, die Vereinigung der Tschechen und Slowaken, der Minderheitsrat. Ich habe mich erkundigt, weil mich interessiert hat, ob das bedeutet, daß es noch eine Gemeinsamkeit und eine gemeinsame Zusammenarbeit der beiden Volksgruppen in diesen Vereinen gibt. Es scheint dies aber nicht der Fall zu sein, was ich persönlich bedauere, denn ich merke, daß zwischen beiden Volksgruppen ein starkes Mißtrauen besteht, vor allem von seiten der slowakischen Volksgruppe, was sich historisch leicht erklären läßt. Aber ich bedaure trotzdem, daß es keine bessere Zusammenarbeit gibt.

Die slowakische Volksgruppe hat jetzt auch schon seit längerem einen eigenen Volksgruppenbeirat, und auch da bewährt sich das ganz ausgezeichnet. Ich habe heute die Gelegenheit gehabt, mit Vertretern der Volksgruppe zu sprechen und habe gefragt, ob sie einen Auftrag für mich haben, ob es irgend etwas gibt, was ich heute hier in dieser Debatte vorbringen soll. Sie haben gesagt, sie sind sehr zufrieden – ich glaube, sie sind manchmal ein bißchen zu zufrieden. Man soll durchaus als Minderheit eigene Forderungen aufstellen und nicht zu bescheiden sein. Sie haben aber jedenfalls gesagt, daß sie zufrieden sind, was sie sich aber sehr wünschen würden, ist, daß das Volksgruppengesetz möglichst bald novelliert wird.

Ein Wort auch zur Volksgruppe der Roma in Wien. Der Beirat ist 1995 konstituiert worden, und auch das hat sich zweifellos ganz positiv auf die Arbeit und auf die Möglichkeit der Vereine und Institutionen ausgewirkt. Der Kulturverein der österreichischen Roma hat seit kurzem ein eigenes Büro und ein Zentrum in Döbling, also in meinem Bezirk. Auch das ist etwas, was mich besonders freut.


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Ich bin immer in Kontakt mit dem Vorsitzenden des Beirates, der zugleich der Vorsitzende des Kulturvereines ist, Rudolf Szarkösi, der sehr bekannt ist für seine engagierte Arbeit und der etwas tut, das, wie ich glaube, gerade bei der Volksgruppe der Roma sehr wichtig ist: Er versucht, den Widerstand und die Vorurteile gegen diese Volksgruppe abzubauen, er berichtet über das tragische Schicksal der Roma und Sinti während des Nationalsozialismus in Schulen, trägt in Volkshochschulen vor und diskutiert darüber. Ich glaube, daß es eine ganz wichtige Arbeit von Volksgruppenvertretern ist, für ihre Volksgruppe und auch für Verständnis und gegenseitiges Verständnis zu werben.

Die Erfassung der eigenen Geschichte und die Vermittlung dieser Geschichte ist für die Volksgruppen selbst, für ihr eigenes Selbstverständnis, aber auch für die anderen Teile der Bevölkerung, die sich mit diesen Fragen nicht so auseinandergesetzt haben, wichtig. Ich denke, daß dies das Wissen, aber auch das Verständnis gegenüber anderen Volksgruppen und Menschen fördert.

Abschließend möchte ich noch einmal kurz auf den Gesetzesantrag auf Novellierung des Volksgruppengesetzes eingehen. Es hätte ja vor kurzem eine gemeinsame Besprechung der Volksgruppenbeiräte geben sollen. Diese Besprechung konnte aufgrund der Regierungsumbildung leider nicht stattfinden. Ich hoffe aber, daß das möglichst bald nachgeholt wird, denn der Antrag scheint mir doch in sehr hohem Maße geeignet zu sein, das Volksgruppengesetz zu verbessern und vor allem den Volksgruppenbeiräten mehr Bedeutung und Gewicht zu verleihen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch sagen, daß für die Sozialdemokraten in diesem Land die Arbeit für die Volksgruppen, die Unterstützung der Volksgruppen eine Verpflichtung ist, der wir gerne mit ganzem Herzen nachkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

19.31

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich seit Beginn dieser Diskussion, wie man eine bewußt wahrheitswidrige Behauptung, die man im Schutze der Immunität aufstellt, zum wiederholten Male, wider besseres Wissen, anders nennen kann als eine glatte Lüge. (Abg. Dr. Ofner: Er beharrt auf seinem Verhalten!)

Und genau mit diesem Mittel wird hier im Hohen Haus von der Kollegin Stoisits agiert. Sie hat natürlich im Plenum nicht mehr wie im Verfassungsausschuß behauptet, daß eine CD, die die Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitiker herausgebracht hat, mit dem Wort "ÖVP" versehen sei oder von der ÖVP finanziert oder von der ÖVP herausgegeben worden sei. Das hat sie hier nicht mehr getan, aber es hat genügt, daß Kollege Kier seitens der Liberalen herauskommen ist und gesagt hat: Im Verfassungsausschuß ist hochgekommen – das akzeptiere ich, das war eben die Kollegin Stoisits –, daß es eine CD gibt, die unverschämterweise den Titel ÖVP im Impressum trägt.

Frau Kollegin Stoisits! Wider besseres Wissen behaupten Sie, daß die CD "CUJTE" – das ist auch interessant, das heißt nichts anderes als: Hör zu!, hör zu, Kollegin Stoisits –, aus Mitteln der Volksgruppenförderung finanziert sei, vom Bundeskanzleramt belegmäßig abgerechnet, vom Rechnungshof naturgemäß kontrolliert, mit dem Impressum ÖVP versehen sei.

Kollegin Stoisits! Das ist falsch. Das wurde zum wiederholten Male von Ihnen behauptet. Ich habe hier die Original-CD. Sie haben nie die CD vorgelegt, sondern nur in diese Richtung im Ausschuß argumentiert, ohne den Beweis zu führen. Ich beweise hier und jetzt, daß Sie bewußt gelogen haben, und ich stehe dazu! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn dies, Frau Kollegin Stoisits, Ihr Mittel ist, um Volksgruppenpolitik in Österreich zu betreiben, dann sind Sie auf dem Holzweg. Gerade die Grünen, die doch permanent das Wort Toleranz, permanent das Wort Nächstenliebe oder welche schönen Dinge und Illusionen auch im


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mer auf den Lippen führen, leben im Tagesbetrieb, leben in der Politik das Gegenteil dessen und argumentieren und agieren, wie es die größten Agitatoren zu üblen Zeiten nicht getan haben. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Frau Kollegin Stoisits! Es gibt ja jemanden, der sich dann, wenn es wirklich darauf ankommt, auch entsprechend rächen kann: Es rächt sich der Wähler. Und es gibt ja ein schönes Indiz dafür, wie weit man mit Politik, wenn sie polemisch ist, wenn sie agitatorisch angelegt ist, wenn sie unter die Gürtellinie schlägt, kommt: das ist der Wähler, der burgenländische Wähler, der Wähler in den kroatischen Gemeinden des Burgenlandes. Die letzte Nationalratswahl 1995, die Landtagswahl 1996, die Europawahl 1996 haben einen schlüssigen Beweis gebracht. Die Grünen, insbesondere Sie mit Ihrer Argumentation, Frau Kollegin Stoisits, sind klassisch abgewählt worden, sind, um es in Ihrer Diktion zu sagen, eigentlich in den kroatischen Gemeinden des Burgenlandes ja nicht einmal mehr in Spurenelementen wahrnehmbar.

Sie, Frau Kollegin Stoisits, tragen Ihren Teil dazu bei, daß die Grünen zumindest im Burgenland so dastehen, nämlich nackt und bloß und ohne Stimmen. Bedienen Sie sich anderer Mittel, gehen Sie mit der Wahrheit korrekt um, seien Sie diejenige, die das tut, was ein aufrechter Parlamentarier tut, nämlich das zu sagen, was er beweisen kann, und nicht bewußt zu lügen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine Feststellung: Jeder, der in diesem Haus sitzt, weiß, daß auf den Vorwurf "Lüge" als einen direkten persönlichen Vorwurf ein Ordnungsruf steht.

Herr Abgeordneter Kiss! Präsident Dr. Fischer hat Ihnen vorhin für den Begriff "Lüge" einen Ordnungsruf erteilt. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für die Formulierung: "Sie haben bewußt gelogen".

Ich möchte aber hier schon an das Haus appellieren. Es weiß jeder Abgeordnete um die Sanktion für diese Ausdrucksweise. Manchmal habe ich das Gefühl, daß das geradezu sozusagen provoziert wird. Ich bitte wirklich, in Zukunft zu berücksichtigen, daß der Gebrauch des Wortes "Lüge" als direkter Vorwurf an jemanden in diesem Haus einen Ordnungsruf nach sich zieht. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wieso eigentlich?) Herr Abgeordneter! Schauen Sie in den Kommentaren zur Geschäftsordnung nach, so werden Sie finden, daß das seit jeher so war.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Zweite Wortmeldung. Zur Verfügung stehende Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

19.37

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt nichts tatsächlich zu berichtigen beim Herrn Kollegen Kiss. Ich möchte Sie nur fragen, ob Herr Dipl.-Ing. Niki Berlakovich ÖVP-Landtagsabgeordneter ist? Ist er das – ja oder nein? (Abg. Mag. Steindl: Na und?)

Er ist es, schreibt seinen Namen auf eine CD, die ausschließlich aus Volksgruppenfördermitteln produziert wurde, und schmückt sich mit Steuermitteln. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist eine Vorgangsweise, die ich aufs schärfste verurteile, und das ist eine Politik, die sich die Volksgruppenangehörigen nicht länger gefallen lassen werden. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Wenn Paul Kiss beleidigt ist, weil man ihn abgewählt hat als Volksgruppensprecher seiner Partei, dann ist das sein Problem. (Abg. Dr. Schwimmer: Sie geben zu, bewußt die Unwahrheit gesagt zu haben!) Aber die Volksgruppen werden sehr wohl registrieren, daß er sich nicht mehr für ihre Anliegen interessiert, sondern nur mehr für meine Person, was mich freut. (Beifall bei den Grünen.)


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19.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Dr. Ofner hat sich zum zweiten Mal zu Wort gemeldet. Sie haben eine freiwillige Redezeit von 5 Minuten bekanntgegeben. Sie hätten noch eine Redezeit von 10 Minuten, Herr Abgeordneter. – Bitte.

19.38

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Kiss hat es wirklich nicht leicht. Ich beneide ihn überhaupt nicht, denn er ist offenbar nach dem Motto unterwegs: Angriff ist die beste Verteidigung. Er soll uns einmal sagen, wer sich hinter der Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitiker im Burgenland wirklich verbirgt. Sind das ausschließlich ÖVP-Kommunalpolitiker oder nicht, Paul Kiss? (Abg. Kiss: Nein! – Abg. Mag. Stoisits: Natürlich!) Na geh! Sag mir noch irgendeinen anderen, der da dabei ist.

Dann frage ich dich: Auf dieser CD oder was immer es ist sind zwei Titel drauf: der Name des Herrn Dipl.-Ing. Niki Berlakovich – ich weiß nicht, wer das ist, ist das ein Musiker oder vielleicht ein Abgeordneter? (Abg. Kiss: Der Obmann des Vereins!) Und was ist er sonst noch? (Abg. Kiss: Bauer!) Bei welcher Partei ist er denn? Kroate wird er schon sein. Ist er vielleicht ein ÖVP-Kroate? Oder was sonst? (Abg. Dr. Khol: Tierarzt!)

Was steht auf der CD noch drauf? Steht vielleicht auf der CD: Arbeitsgemeinschaft kroatischer Kommunalpolitiker in Burgenland? (Abg. Dr. Schwimmer: Darf ein Kroate kein ÖVPler sein?) Du redest laut, aber ich habe ein Mikrophon. Du hast es nicht leicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das heißt mit anderen Worten, die ÖVP-Vereinigung kassiert, sie tut so, als würde sie aus der eigenen Tasche, aus den Ersparnissen der Großmutter für die Volksgruppe etwas tun, und in Wahrheit sind es unser aller Steuergelder, die vom Bundeskanzleramt ausgeschüttet werden, und dann tun die Herren Niki Berlakovich und die Arbeitsgemeinschaft dieser ÖVP-Kommunalpolitiker so, als ob sie großzügig aus ihrem Erbteil die Volksgruppe bedenken würden. – Du hast es nicht leicht, lieber Paul! (Beifall bei den Freiheitlichen, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

19.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag des Verfassungsausschusses, den vorliegenden Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung im Jahr 1995 (Zu III-58 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme dieses Berichtes ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen worden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Posch, Steibl und Genossen betreffend steirische Slowenen und Volksgruppenbeirat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entschließungsantrag ist mit Mehrheit angenommen worden. (E 44.)

Abgeordneter Mag. Barmüller hat einen Selbständigen Antrag betreffend Aufnahme der steirischen Slowenen in den Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe eingebracht, der nur eine Unterschrift trägt, nämlich die Unterschrift des Mag. Barmüller.

Dieser Antrag ist somit nicht genügend unterstützt.

Ich stelle daher gemäß § 26 Abs. 5 Geschäftsordnung die Unterstützungsfrage und bitte jene Damen und Herren, die diesen Antrag zusätzlich unterstützen wollen, die dies also noch nicht durch ihre Unterschrift zum Ausdruck gebracht haben, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Unterstützungsfrage hat die Mehrheit gefunden. Die erforderliche zusätzliche Unterstützung ist gegeben. Der Antrag wird unverzüglich vervielfältigt und verteilt werden.


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4. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage (424 der Beilagen): Bundesstraßengesetznovelle 1996 (595 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 166/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Nord-Umfahrung Enns (596 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 200/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die umgehende Realisierung von ausschreibungsreifen Straßenbauprojekten im Bundesland Kärnten (597 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 201/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Verwirklichung eines Maßnahmenpaketes zur Stützung der krisengeschüttelten Bauwirtschaft (598 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 4 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

19.43

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Für die Freiheitlichen ist die Bundesstraßengesetznovelle kein kontroversielles Thema, das möchte ich einleitend sagen, weil wir immer dafür eingetreten sind, daß es zu verwaltungstechnischen Vereinfachungen und Deregulierungen dann kommen soll, wenn diese im Interesse der Wirtschaft liegen und wenn diese die staatliche Bürokratie abbauen.

Die gegenständliche Novelle, meine Damen und Herren, ist keine Angelegenheit von weitreichender Bedeutung, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, wenn Sie so wollen, ein taugliches Instrument, eines von mehreren tauglichen Instrumenten, weshalb wir hier gerne unsere Zustimmung geben.

Meine Damen und Herren! Es ist uns bewußt, daß sich der Verwaltungsaufwand aufgrund des bestehenden Umweltverträglichkeitsgesetzes erhöht, und wir stehen auch zu wesentlichen Bestimmungen des UVP-Gesetzes. Aber umso notwendiger erscheint es uns, daß es auf der anderen Seite auch zu Vereinfachungen kommt, wenn es beispielsweise um die Erlassung von Straßenverordnungen oder um geringfügige Änderungen im Bundesstraßenverzeichnis geht.

So weit, so gut zum Bundesstraßengesetz. In den Verhandlungen im Ausschuß hat es ja darüber weitgehenden Konsens gegeben, mit Ausnahme der Grünen, die die Frage des Straßenbaus wieder einmal zur Grundsatzdebatte erheben wollten. Wir haben uns den Argumenten der Regierungsfraktion angeschlossen.

Mit in Verhandlung stehen aber drei weitere Anträge der freiheitlichen Fraktion, und da herrscht, wie nicht anders zu erwarten war, kein sehr großer Konsens.


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Meine Damen und Herren! Die Anträge, die von uns vor acht Monaten, im Mai 1996, eingebracht worden sind, sind zunächst einmal acht Monate auf Eis gelegen – wie das mit oppositionellen Anträgen so üblich ist –, um dann mit geradezu haarsträubenden Argumenten im Ausschuß von den vier anderen Fraktionen abgelehnt zu werden, niedergestimmt zu werden.

Das stört mich nicht weiters. Interessant dabei ist nur, daß sich auch der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, bei dem bekanntlich die Bundesstraßenkompetenz liegt, für keinen der freiheitlichen Anträge als zuständig erklärt hat. Er hat zwar ein Ressort, in dem die öffentliche Bauwirtschaft angesiedelt ist, aber er hat sich nicht für zuständig erklärt – ganz egal, ob es sich um die Nord-Umfahrung der Ennstrasse handelt oder um das Kärntner Bundesstraßenprogramm oder um unseren Antrag über flankierende Maßnahmen zur Belebung der Bauwirtschaft. Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, haben im Ausschuß dauernd den gleichen Stehsatz verwendet, Sie seien schlichtweg nicht zuständig. (Abg. Blünegger: Wofür ist er dann zuständig?)

Kollege Blünegger! Mir fällt schon lange auf, daß der Herr Bundesminister seine Ressortverantwortlichkeit gerne negiert, und zwar tut er das immer dann, wenn es unangenehm wird.

Ich erinnere daran, daß der Herr Bundesminister auch in der Frage der Vignettenaffäre gemeint hat, er sei eigentlich nicht zuständig für die Vergabe und für die Abberufung der Geschäftsführer, denn dafür gebe es ja Aufsichtsräte und so weiter.

Herr Bundesminister! Sie flüchten – ich hoffe, daß Sie mir das nicht krumm nehmen, aber das ist eine Feststellung – bei unangenehmen Dingen gerne in die Nichtzuständigkeit, und das kann es doch wohl nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht muß ich angesichts der sich mehrenden Unzuständigkeiten in Zukunft meine Frage umkehren und fragen, wofür Sie eigentlich zuständig sind. Das ist mir auch recht, aber sagen Sie das dem Hohen Haus, sagen Sie das den Parlamentariern, und lassen Sie uns nicht länger im unklaren.

Meine Damen und Herren! Was das Kärntner Bundesstraßenprogramm betrifft, so möchte ich festhalten, daß der Herr Bundesminister den Ausschuß falsch informiert hat. Ich unterstelle Ihnen nicht, Herr Bundesminister, damit man mir nicht irgendwelche unlauteren Absichten in die Schuhe schiebt und mich des Populismus bezichtigt, daß Sie, Herr Bundesminister, wissentlich die Unwahrheit gesagt haben, aber Sie sind mit ziemlicher Sicherheit falsch informiert worden oder Sie haben etwas negiert beziehungsweise nicht zur Kenntnis genommen, was man Ihnen sehr wohl gesagt hat. Es ist schlimm genug, wenn Sie das negieren oder nicht wissen, denn Fehlinformation gepaart mit diesem Unzuständigkeitssyndrom, das ist schon eine Sache, die meines Erachtens nicht tragbar ist.

Herr Bundesminister! Sie haben im Ausschuß gesagt, es liege nicht an Ihnen, sondern am freiheitlichen Baureferenten, wenn in unserem Entschließungsantrag die geforderten Kärntner Bauvorhaben nicht realisiert würden. Das haben Sie im Ausschuß gesagt. Ich bin der Sache auf den Grund gegangen. Ich habe nochmals beim Kärntner Baureferenten nachgefragt. In unserem Entschließungsantrag gibt es unter dem Kapitel "Instandsetzungsarbeiten" insgesamt 16 Bauvorhaben. Acht von diesen 16 Bauvorhaben haben Sie, Herr Bundesminister, im Zuge der Budgetgespräche mit dem Kärntner Baureferenten, mit dem Amt der Kärntner Landesregierung abgelehnt. Für die acht verbliebenen Bauvorhaben unter dem Kapitel "Instandsetzungen", einschließlich Tauernautobahn und A 2, haben Sie auch noch nicht alle Mittel freigegeben. Aber Sie sagen im Ausschuß, Sie seien nicht zuständig, und ich möge mich an den Straßenbaureferenten des Landes Kärnten wenden, der soll das machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Also ich muß Sie schon fragen, Herr Bundesminister, wie Sie sich das eigentlich vorstellen, ob der Ausschuß ein Jux oder eine Veranstaltung zur allgemeinen Belustigung ist. Tatsache ist: Ein Teil dieser Anträge wurde von Ihnen, von Ihrem Ministerium abgelehnt, für einen anderen Teil sind die Mittel nicht freigegeben, und nur ein ganz kleiner Teil befindet sich im Stadium des


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Realisiertwerdens. Was nicht heißt, daß sie schon realisiert werden, aber da können in Kürze die Bauarbeiten beginnen.

Meine Damen und Herren! Das ist die Wahrheit, und ich habe auch die offizielle Bestätigung für das, was ich gesagt habe, vom Amt der Kärntner Landesregierung hochoffiziell eingeholt, ich werde Ihnen das auch geben. Hier ist ganz klar angeführt, daß im Jahr 1997 rund 80 Millionen Schilling von der Bundesstraßenverwaltung umgesetzt werden können.

Dann ist da eine ganze Reihe von Projekten angeführt, in Summe zwar 200 Millionen Schilling, aber die Landesregierung schreibt: Ein Teil davon, 80 Millionen – Dinge, die in unserem Antrag drinnenstehen –, könnte realisiert werden. Und Sie sagen im Ausschuß, wir mögen uns an den Kärntner Landesbaureferenten wenden. – Wunderbar!

Herr Bundesminister! Die Aussage, die Kärntner hätten das Geld und es wäre seitens des Ministeriums zur Verfügung gestellt, ist damit, glaube ich, auch ganz eindeutig widerlegt. Bauaufträge in der Höhe von 80 Millionen Schilling sind zwar – gemessen an anderen Bauvorhaben – nur eine Kleinigkeit, aber immerhin, sie sind tendenziell dazu geeignet, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Immerhin kann man mit Projekten in Höhe von 80 bis 100 Millionen Schilling auf die Dauer von 6 bis 8 Monaten etwa 200 Leute am Bau beschäftigen, also in der Bausaison, und darüber hinaus gibt es natürlich Multiplikatoreffekte, von denen ich hier gar nicht reden möchte.

Tatsache ist aber, daß das ein wesentliches Signal in einem lokalen Umfeld wäre, um gegen die Arbeitslosigkeit vorzugehen. Sie haben das jedoch unterlassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann nicht umhin, Herr Bundesminister, von Ihnen einzufordern, daß Sie sich auch in Zukunft dieser Sache annehmen. Ich kann Sie nur auffordern, sich Ihr Budget nochmals anzuschauen, Umschichtungen vorzunehmen und vielleicht mit den Kärntner Landesbaureferenten noch einmal zu sprechen. An uns wird es sicher nicht liegen. Wir lassen uns sicher nicht den Vorwurf gefallen, populistisch gehandelt zu haben, wie das im Ausschuß wegen der Kärntner Gemeinderatswahlen formuliert wurde (Abg. Anschober: Nein!) , sondern wir wollen ein Zeichen setzen für eine offensive Beschäftigung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Abschließend appelliere ich an Sie, unsere Vorschläge besonders dann, wenn sich das, was Sie im Ausschuß gesagt haben, als unrichtig herausstellt, in Zukunft ernster zu nehmen. Es wäre ein klares Signal von Ihnen, und Sie würden dann wahrhaft ein besserer Minister für öffentliche Wirtschaft sein, wenn Sie sich von Ihrem Amtsvorgänger Schüssel, der alles negiert hat, was von freiheitlicher Seite kam, wohltuend abheben würden. Noch sind Sie kein besserer Minister, aber Sie haben die Chance, es zu werden. Bitte strengen Sie sich an, an uns soll es nicht liegen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Peter: Herr Minister! Jetzt haben Sie alle Chancen dieser Welt!)

19.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

19.55

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diese Bundesstraßengesetznovelle ist notwendig, weil sich der Verwaltungs- und Zeitaufwand durch das Umweltverträglichkeitsgesetz drastisch erhöht hat, gerade bei kleineren Projekten an Aus- und Umbauten von Straßenstücken, bei der Errichtung von Kreuzungsumbauten, also bei Kreisverkehrseinrichtungen, die dazu dienen, daß der Verkehr im Kreuzungsbereich flüssiger wird.

Gravierende Veränderungen, die eventuell erforderlich werden, sollten allerdings mit der Vorgangsweise in den EU-Ländern abgestimmt werden.

Mit dieser Novelle sollen nicht die Anliegen der Bürger und des Umweltschutzes beeinträchtigt werden. Es muß aber sichergestellt sein, daß ausverhandelte Vorhaben, die notwendig sind,


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auch rasch umgesetzt werden können. Mit dieser Novelle werden die Rechtsfolgen des Bundesstraßenplanungsgebietes verlängert. Es wird zu einer Erleichterung von Anschlüssen des untergeordneten Straßennetzes an Zubringerstraßen kommen. Es kann bei Zustimmung von betroffenen Ländern und Gemeinden der Bau von zusätzlichen Einzelrampen in bestehende Anschlußstellen oder Knoten schnellstens realisiert werden.

Auch neu zu errichtende Bundesstraßen, Schutzbauten, die etwa zur Vorbeugung gegen Hochwasser, Erdrutsch und anderer Umweltkatastrophen oder zur Behebung von solchen Katastrophenschäden notwendig sind, können ohne Bürgerbeteiligungsverfahren rasch realisiert werden. Es kann nicht im Sinne des UVP-Gesetzes sein, Schutzmaßnahmen vor Naturkatastrophen einer aufwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, wenn rasch gehandelt werden muß. Auch wird die Anmeldung einer zweiten Richtungsfahrbahn, wenn der Abstand zur Fahrbahn nicht mehr als fünf Meter beträgt, als Sonderfall einer Verbreiterung der Straße angesehen.

Eine Ausnahme vom Bauverbot, das innerhalb einer Schutzzone an bestehenden Bundesstraßen A, S und B besteht, soll durch die Zustimmungserklärung der Bundesstraßenverwaltung erlangt werden können. Ein Behördenverfahren ist vorgesehen, wenn diese Zustimmung verwehrt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weniger Bürokratie und Verwaltungsaufwand sind Forderungen, die der Bürger tagtäglich an die Politik richtet. Weniger Bürokratie schafft Arbeit. Mit dieser Gesetznovelle können wir in dieser Richtung sicherlich einen Beitrag leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gerade in einer Zeit, in der auf dem Arbeitsmarkt Probleme bestehen, müssen vom Bausektor Impulse für eine Beschäftigung ausgehen. Die Bundesregierung reagiert auch dementsprechend. Wirtschaftsminister Farnleitner legt für 1997 ein Programm vor, das beschäftigungssichernde Maßnahmen beinhaltet. Gerade die Bauwirtschaft hat eine hohe Beschäftigungswirksamkeit, weil dadurch auch das Baunebengewerbe positive Impulse erhält.

Das Wirtschaftsministerium wird in den Hochbau zirka 8,8 Milliarden und in den Straßenbau an die 10,5 Milliarden Schilling investieren. Weiters sind Baumaßnahmen im Umweltschutzbereich, in der Umweltförderung, in der Siedlungswasserwirtschaft geplant; in der Altlastensanierung sollen ebenfalls weitere 6 Milliarden Schilling investiert werden. Im Landwirtschaftsministerium sind für Maßnahmen innerhalb der Schutzwasserwirtschaft 2,6 Milliarden Schilling geplant, um nur einige Beispiele aus dem Beschäftigungsprogramm der Bundesregierung zu nennen.

Da mein Vorredner, Kollege Firlinger, gefragt hat, wofür denn dieser Wirtschaftsminister überhaupt zuständig ist, möchte ich seinem Vorwurf entgegentreten, denn gerade die von mir vorhin genannten Maßnahmen sind es, wofür sich der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten voll eingesetzt hat, damit diese auch innerhalb der Bundesregierung umgesetzt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Trotz dieser notwendigen Sparmaßnahmen im Bundeshaushalt ist es einfach notwendig, daß die Beschäftigungspolitik nicht vernachlässigt wird. Mit diesen Vorhaben können zirka 50 000 Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Damit ist also die Bauwirtschaft ein wichtiger Motor für die österreichische Konjunktur.

Ich darf zu dieser Novelle des Bundesstraßengesetzes noch folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kurzbauer, Eder, Freund und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Das Bundesstraßengesetz in der Fassung des Ausschußberichtes (595 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Die Ziffer 24 lautet wie folgt:

"24. Im Verzeichnis 3, Bundesstraßen B, lautet die Beschreibung der Strecke der B 14 Klosterneuburger Straße:

‘Schwechat/Rannersdorf (B 301) – Wien [Simmering-Handelskai-Nußdorf] – Klosterneuburg – St. Andrä – Alte Donaubrücke Tulln (B 19).’"

Die Ziffer 28 lautet wie folgt:

"28. Im Verzeichnis 3, Bundesstraßen B, lautet die Beschreibung der Strecke der B 19 Tullner Straße:

Altlengbach (A 1) – Neulengbach – neue Donaubrücke bei Tulln-Göllersdorf (B 303), einschließlich St. Christophen (B 19) – St. Christophen (A 1)."

*****

Geschätzte Damen und Herren! Als Abgeordneter der Österreichischen Volkspartei begrüße ich die Änderungen des Bundesstraßengesetzes sowie die Impulse auf dem Bausektor und stimme natürlich dieser Novelle gerne zu. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

20.01

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Angst, ich werde die 15 Minuten nicht ausschöpfen! So viele wichtige Kapitel im Verkehrs- und im Bautenbereich und so wenig Redezeit für die Grünen – an und für sich ein Jammer! Aber trotzdem gilt: Ruck, zuck, schnell durch!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Ausschuß unsere Meinung betreffend das Bundesstraßengesetz klar und deutlich deponiert. Erste Frage: Warum kommt es in so kurzen Zeitabständen zu so vielen Novellen? Damit stellt man dem Gesetzgeber und den Parteien, die diese Gesetze beschlossen haben – Stichwort "UVP-Gesetz" –, kein allzu gutes Zeugnis aus. Kritikpunkt Nummer zwei: Immer dann, wenn es um den Ausschluß von Bürgern geht, sind ÖVP und leider Gottes auch SPÖ sehr rasch zur Hand, und dann heißt das "Verwaltungsvereinfachung". Der ausgeschlossene Bürger ist eine "Verwaltungsvereinfachung". Das ist eine etwas eigentümliche Formulierung. Die ausgeschlossenen Bürger werden sich auch dafür bedanken.

Ich stimme dem durchaus zu, was die Bundesarbeitskammer grundsätzlich zur Begutachtung formuliert hat, nämlich daß es zu laufenden Demontageschritten in den letzten Monaten – Stichworte "UVP-Gesetz-Novelle", "Bundesstraßengesetznovelle" vom vergangenen November – gekommen ist. Die Bundes-AK stellt in vollkommener Übereinstimmung mit den Grünen wortwörtlich fest – ich zitiere –: Diese Regelungen werden insgesamt dazu führen, daß der Verkehrsträger Straße weiterhin gegenüber dem Verkehrsträger Schiene erheblich bevorzugt wird. Die Bundesarbeitskammer ist daher der Ansicht, daß bei derartigen Neu-, Zu- und Umbauten eine Prüfung der Umwelt, bei der auch verkehrsträgerübergreifende Aspekte berücksichtigt und verkehrspolitische Ziele beurteilt werden, weiterhin vorgenommen werden soll. Allenfalls notwendige Verbesserungen sollen im Rahmen des UVP-Verfahrens, und zwar dadurch im UVP-Gesetz, realisiert werden.


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Das ist das Problem. Wir haben damit Materien aus dem Umweltausschuß in den Bautenausschuß verlagert, und wer die unterschiedlichen Besetzungen, die unterschiedlichen Interessenlagen von Bautenausschuß und Umweltausschuß kennt, weiß, daß dies natürlich seinen Grund hatte. Wir werden diesem weiteren Demontageschritt, was Bürgerbeteiligung betrifft, nicht zustimmen können.

Ein weiterer Punkt: die Nordumfahrung Enns. Das ist für mich ein klassisches Beispiel, wie man in der Straßenbau- und Verkehrspolitik meines Erachtens unseriös vorgeht, und zwar ist es völlig gleichgültig, um welches Bundesland es sich handelt. Knapp vor Wahlen kommen die jeweils betroffenen Bürgermeister mit einer langen Wunschliste. Beim Kärntner Straßenbauprojekt ist das auch so. Die Liste wird dem Minister aus der Schublade heraus serviert, und dieser würde wahrscheinlich ein 15- bis 20mal so großes Straßenbaubudget wie das derzeitige brauchen, um all die regionalen Interessen, die noch dazu verkehrspolitisch manchmal – nicht in diesem konkreten Fall – höchst fragwürdig sind, tatsächlich befriedigen zu können.

Es gibt in der oberösterreichischen Öffentlichkeit die Darstellung, daß es eine Inbetriebnahme dieser Nordumfahrung Enns bis zum Jahr 2005 geben wird. Ich erspare mir jetzt die Seitenhiebe in Richtung Antragsteller, wie falsche Zuständigkeit. Die Frage ist natürlich, ob der Wirtschaftsminister für eine Prioritätenreihung zuständig ist oder eher die eigene Landesbehörde. Aber die entscheidende Frage ist: Kann tatsächlich dieses Versprechen, das der oberösterreichischen Öffentlichkeit gegeben wurde, nämlich die Fertigstellung bis zum Jahr 2005, realisiert werden?

Von meiner Seite war sehr, sehr positiv zu vermerken, daß der Hauptpunkt der Kritik vom Minister selbst in der Ausschußsitzung dargestellt wurde, wenn ich mich recht erinnere. Der Herr Minister wird mich sicherlich korrigieren, wenn ich ein falsches Zitat bringe. Er hat auch kritisiert, daß man einen Wachstumsknoten im Hafenbereich – das Projekt ist grundsätzlich positiv, das Hafenprojekt Enns ist ein spannendes Projekt – ohne den notwendigen Verkehrsinfrastrukturanschluß realisiert. Das ist hanebüchen, und aufgrund dieser Situation haben wir gewaltige Verkehrsprobleme in Enns, in Asten. Wir haben viel zu geringe Verlagerungsraten auf die Schiene und stehen mittlerweile vor einer Situation, die für die regionale Bevölkerung völlig untragbar geworden ist. Es gibt auch Sicherheitsrisken, wie etwa Gastransporte mitten durch eine dicht verbaute Ortschaft. Das kann nicht akzeptiert werden, da liegt ein klassischer politischer Planungsfehler vor.

Der Herr Minister hat im Ausschuß gemeint, das sei eigentlich ein Fall für die Literatur. Ich kann mich dem nur anschließen. Da muß jetzt schnell repariert werden. Ich selbst glaube, daß eine Reparatur durch einen Autobahnanschluß in diesem Bereich kurzfristiger und sparsamer wäre. Aber das muß man sich im Detail anschauen.

Die gleiche Situation haben wir in Kärnten. Gemeinderatswahlen stehen bevor, und jetzt wird noch rasch eine lange Liste von Straßenbauprojekten, die gefordert werden, im Parlament eingebracht. Jeder Lokalpolitiker kann dann sagen: Bitte, das haben wir ohnehin dem Wirtschaftsminister vorgelegt, wenn der kein Geld springen läßt, dann ist das nicht unsere Schuld! Die schwarzen Regionalpolitiker sagen dazu: Das ist halt Wien. Sie verschweigen, daß es sich da um einen ÖVP-Politiker handelt. Die roten Politiker sagen dazu: Das ist der ÖVP-Politiker von Wien. Und die Freiheitlichen sagen dazu: Na typisch, das sind die Altparteien von Wien.

Kollege Reichhold, so kann man verkehrspolitisch nicht weiterkommen! (Abg. Ing. Reichhold: Kollege! Wir haben unseren Antrag vor einem Jahr eingebracht! Da war noch keine Rede von Gemeinderatswahlen!) Gut, dann ist es eben die Gunst der Zeit, daß ausgerechnet knapp vor den Kärntner Gemeinderatswahlen jetzt diese Anträge im Plenum zur Abstimmung stehen.

Herr Minister! Ich kann Ihnen nicht ersparen – und ich stelle diese Frage jetzt zum dritten Mal –, mir die Frage zu beantworten, die die Finanzierung von vielen Straßenbauprojekten betrifft: Wie hält es da die ÖVP? Ich habe das heute schon einmal angezogen: Wie hält es die ÖVP tatsächlich mit dem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz, das sie selbst mit der Sozialdemokratie vor rund einem Jahr beschlossen hat und das konkret die Einführung des Road-pricing vorsieht,


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und zwar 1998 für LKW, 2001 für PKW, aus dessen Einnahmen die gerade von den ÖVP-Regionalpolitikern so geforderten Straßenbauprojekte finanziert werden sollen?

Herr Minister! Sie haben im Ausschuß keine Antwort gegeben, und Sie haben mir auch heute noch keine Antwort gegeben. Ich stelle zum dritten Mal die Frage: Wie steht Ihre Österreichische Volkspartei zum Road-pricing? Wenn die ÖVP tatsächlich das will, was Kukacka und Schüssel sagen, nämlich eine Einführung des Road-pricing nur im europäischen Gleichklang, dann muß ich Sie fragen, Herr Minister: Wer soll dann die Straßenbauprojekte finanzieren, die zwar ich nicht brauche, aber die ÖVP-Regionalpolitiker laufend fordern? Bedeutet das eine Finanzierung aus dem Normalbudget – trotz Budgetkrise? Ich persönlich kann mir das nicht vorstellen. Ich würde mir die klare, seriöse Antwort erwarten, daß eine derartige Finanzierung aus dem Normalbudget ganz einfach illusorisch und auch nicht sinnvoll ist, wenn man gleichzeitig bei diversen Sparpaketen Mindestpensionisten, Alleinerzieherinnen et cetera zur Kasse bittet.

Und wenn nein, heißt das eine neue Prioritätenliste für den Straßenbau? Denn wenn das Road-pricing nicht kommt und keine Querfinanzierung aus dem Normalbudget erfolgt, dann sind etliche Straßenprojekte nicht finanzierbar. Das muß man fairerweise und seriöserweise sagen. Wenn zumindest 3 bis 4 Milliarden Schilling an Einnahmen durch das fehlende Road-pricing und durch die Reduzierung auf die Vignetteneinnahmen wegfallen, dann fehlen laut Adam Riese 3 bis 4 Milliarden Schilling pro Jahr zur Finanzierung der von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der ÖVP, geforderten Straßenbauprojekte. Irgendwie müssen Sie nicht nur mir, sondern auch der Öffentlichkeit erklären, wie dieser Zaubertrick funktionieren soll.

Ich bin froh, daß Kollege Firlinger heute das Baukonzept der Freiheitlichen nur mehr gestreift hat, ganz im Gegensatz zur Ausschußsitzung, wo es eine eher peinliche Debatte aufgrund diverser Formulierungsunterschiede zu den real existierenden und manchmal doch sehr unterschiedlichen Vorschlägen freiheitlicher Politiker im Laufe der Tage, Wochen und Monate gegeben hat.

Letzter Punkt: ein tatsächlicher Beitrag zur Ankurbelung der Bauwirtschaft von grüner Seite. Zumindest oberösterreichische Politiker, Frau Kollegin Fekter, ersuche ich, jetzt sehr aufzupassen, wenn es um das Ankurbeln der Bauwirtschaft geht. (Abg. Dr. Fekter: Lambach!) Da hört die Kollegin Fekter gleich zu, und ich bin froh, daß ich mir ihrer Stimme sicher sein kann.

Es geht um folgendes: Wir alle haben mit Freude vernommen – das ist ein erster großer gemeinsamer Erfolg der tschechischen und österreichischen Umweltbewegung –, daß die Autobahnstrecke Prag – Linz von tschechischer Seite her nicht gebaut werden soll. Alle Politiker in Oberösterreich, quer durch die politischen Lager, waren sich darüber im klaren, daß das ein positives Signal ist. Ich weiß schon, ein bißchen Beton in der Region wäre nicht schlecht, aber wir werden schon noch andere Projekte finden, zum Beispiel eine Schienentrasse, wo sogar mehr Beschäftigungseffekte erzielbar sind als im Straßenbaubereich.

Der Vorschlag aller politischen Parteien in Oberösterreich war als Alternative der Ausbau der Summerauer Bahn, der Bahnstrecke zwischen Linz und Prag. Damit dieses Projekt endlich konkret wird, bringen wir heute einen Entschließungsantrag zur Umsetzung dieses Ausbaus ein. Ich möchte diesen jetzt vortragen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Anschober, Freundinnen und Freunde betreffend Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zwischen Linz und Prag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird aufgefordert, folgende Maßnahmen zu setzen bzw. einzuleiten:


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1. Durchführung eines bilateralen Verkehrsgipfels des österreichischen und tschechischen Verkehrsministeriums zur Erarbeitung gemeinsamer Lösungsvorschläge für die Verkehrsprobleme zwischen Prag und Linz.

2. Umfassender und rascher Ausbau der Bahnstrecke Prag – Linz mit größtmöglicher Verlagerung des Straßen(transit)verkehrs auf die Schiene.

3. Gemeinsame Suche nach Finanzierungsmodellen im europäischen Rahmen."

*****

Den 3. Punkt halte ich für besonders wichtig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kurz vor der oberösterreichischen Landtagswahl werden Sie doch das realisieren, was Sie in unserer gemeinsamen Heimat Oberösterreich immer ankündigen, und ich bin mir daher ganz sicher, daß dieser grüne Antrag eine überwältigende Mehrheit in diesem Haus bekommen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

20.12

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die gegenständliche Novelle des Bundesstraßengesetzes beinhaltet im wesentlichen Verwaltungsvereinfachungen im Zusammenhang mit der Erlassung von Trassenverordnungen, Erleichterungen hinsichtlich der Ausnahme vom Bauverbot entlang der Bundesstraßen sowie eine Änderung des Bundesstraßenverzeichnisses. Durch die Novelle soll es zu einer schnelleren Realisierung von geringfügigen Aus- und Umbaumaßnahmen an bestehenden Bundesstraßen kommen.

Betroffen sind zum Beispiel Kreuzungsumbauten, der Bau von zusätzlichen Einzelrampen bei bestehenden Anschlußstellen oder -knoten und die Anlegung einer zweiten Richtungsfahrbahn, die in einem Abstand von nicht mehr als fünf Metern zur bisherigen Fahrbahn verläuft. Dabei ist es natürlich wichtig, einen Ausgleich zwischen den notwendigen Verfahrensbeschleunigungen – ich sage hier einen "Ausgleich", Herr Kollege Anschober – und den berechtigten Bürgerinteressen und den Belangen des Umweltschutzes zu finden. Dieser Ausgleich soll auch dazu führen, daß wir gerade in Zeiten wie diesen möglichst rasch zu Beschäftigungseffekten kommen.

Im Zusammenhang mit dem Straßenbau möchte ich nunmehr auf ein Thema zu sprechen kommen, das bereits seit Jahren diskutiert wird, nämlich die Neustrukturierung und die Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes. Wie ich bereits mehrfach auch von dieser Stelle aus betont habe, steht im Bereich der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes in Österreich derzeit die Fusionierung von ASFINAG, ÖSAG und ASG im Vordergrund. Dies nicht nur, meine Damen und Herren, um die Straßenschulden der ASFINAG aus der öffentlichen Schuld ausgliedern zu können, sondern insbesondere auch, um funktionierende Strukturen im Bereich der Straßensondergesellschaften zu schaffen, die in Hinkunft hoffentlich weniger Beiträge zur internationalen Kabarettkultur liefern werden, als wir das bereits erlebt haben.

Meine Damen und Herren! Das Konzept zur Neuordnung des hochrangigen Straßennetzes ist hinlänglich bekannt, sodaß ich es hier wohl nicht mehr ausführen muß. Allerdings häufen sich, sowohl was die Ausgliederung der ASFINAG-Straßenschulden als auch was die Einführung des Road-pricing für LKW angeht, in letzter Zeit nicht gerade beruhigende Meldungen.

Ich möchte zum einen anführen, daß die möglichst rasche Umsetzung des Road-pricing für LKW – wir haben ja ein Gesetz hier beschlossen mit Zeitplan und genauen Rahmenbedin


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gungen – für mich nach wie vor außer Zweifel steht, zumal die technische Umsetzbarkeit von der Industrie stets bestätigt wird. Dieses Haus hat konkrete Zeitpunkte für die Umsetzung beschlossen, und diese, so meine ich, sollten wir auch einhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum zweiten ist bedauerlicherweise im Bereich der Fusionierung der Straßengesellschaften eine Situation eingetreten, die mich fatal an die letzte Zusammenlegung der Straßensondergesellschaften, an der ich auch schon mitgearbeitet habe, erinnert. Suboptimale Lösungen stehen plötzlich im Raum, da einige Bundesländer offensichtlich die anstehenden Notwendigkeiten bewußt oder unbewußt einfach verkennen.

Die verschiedentlich gehörte Aussage, Österreich würde auch ohne Ausgliederung der ASFINAG die Konvergenzkriterien erreichen und daher bestehe kein Zeitdruck, geht am Kern der Sache meines Erachtens vorbei. Selbst wenn das Verschuldungskriterium auch so erreicht würde, wofür freilich die Länder keine Garantie abgeben, bedeutet ein Nichtagieren im Bereich der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes ein Fortschreiben zum Teil ineffizienter Strukturen.

Ich darf daran erinnern, daß anläßlich der Zusammenlegung der Straßensondergesellschaften auf nunmehr zwei dies damals auch nur als erster Schritt angesehen wurde, dem die Fusionierung folgen sollte. Wenn daher von bestimmten Bundesländern das Fusionierungsmodell abgelehnt wird, so erwarte ich mir doch zumindest einen Gegenvorschlag, der beiden genannten Zielen auch gerecht wird. Insbesondere das Problem der Auftragsverwaltung muß hier gelöst werden, um der neuen Straßengesellschaft die von der Europäischen Union unter anderem verlangte vollständige Rechnungsführung und Entscheidungsfreiheit in der Ausführung der Hauptfunktionen, somit auch der Erhaltung, zu ermöglichen.

Sollte statt der Fusionierung der Straßensondergesellschaften mit der ASFINAG eine Art Holding eingerichtet werden, so ist dies auch ein Modell, aber sicherlich nicht die optimale Lösung. Eine derartige Holding müßte jedenfalls eindeutig als Muttergesellschaft und nicht als bloße Beteiligungsverwaltung fungieren. Das heißt, ihr wären alle strategischen Funktionen und Entscheidungen, etwa hinsichtlich Finanzierung, Controlling, Planung oder Implementierung des Road-pricing, zu übertragen. Road-pricing ist überhaupt in der Planung meines Erachtens auf professionelle Beine zu stellen.

All diese angeführten Probleme müssen in den kommenden Wochen gelöst werden. Für politisch motivierte Geplänkel bleibt einfach keine Zeit mehr. Ich appelliere daher, meine Damen und Herren, nochmals an die Politiker der betroffenen Gebietskörperschaften, hier möglichst rasch einen Konsens mit dem Bundesminister für Bauten zu erzielen. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Tichy-Schreder. )

20.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

20.18

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe sehr aufmerksam der Rede meines Vorredners gelauscht, und ich muß sagen, es ist schon etwas belustigend, wenn man jetzt die Ausgliederung der Straßenverwaltungen in die Sondergesellschaften so bejubelt. Sie kennen doch die empirischen Erhebungen über die Kostenvergleiche zwischen den Straßensondergesellschaften und den Landes- und Bundesstraßenverwaltungen, die bei den Ländern angesiedelt sind. Die Erhaltungskosten pro Fahrstreifenkilometer sind in den Sondergesellschaften ... (Abg. Eder: Die bleiben ja bei den Ländern!) Ja schon, aber es gibt einen Vergleich zwischen jenen Streckenabschnitten, die in der Verwaltung der Länder liegen, und jenen, die über die Sondergesellschaften betreut werden. Und Sie können einfach nicht abstreiten, Herr Kollege, daß dort die Erhaltungskosten pro Fahrstreifenkilometer im Durchschnitt um 20 bis 25 Prozent höher liegen. Das ist ein Beweis dafür, daß noch erhebliche Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen gegeben wären.


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Ich muß Ihnen wirklich sagen: Diese Konstruktion ist nur deshalb noch aufrechtzuerhalten, weil sie – ich sage das jetzt bewußt provokant – dafür mißbraucht wird, um die Maastrichtkriterien zu erreichen. Verstehen Sie daher auch unsere Position: Wir Freiheitliche haben diesen Lösungen nie etwas abgewinnen können, weil sie ineffizient sind, weil sie nicht rationell genug durchgeführt werden und weil sie natürlich auch Doppelgleisigkeiten zwischen Bund, Ländern und den Sondergesellschaften provozieren. Da entstehen sehr große Leerläufe, die natürlich in der internen Abwicklung der Projektumsetzung hinderlich sind. Ich glaube, daß man sich wirklich zu einem schlanken Staat bekennen sollte, um auch da zu guten Strukturen zu gelangen.

Aber jetzt, Herr Bundesminister, zum eigentlichen Grund meiner Wortmeldung. Ich habe heute schon die Möglichkeit gehabt, kurz auszuführen, wie die Situation im Bundesland Kärnten ausschaut. Die Arbeitslosenrate betrug Ende Jänner in Österreich rund 9 Prozent. In Kärnten hingegen waren es nicht 9 Prozent, sondern knapp 15 Prozent, genau 14,9 Prozent.

Diese Entwicklung hat sich bereits im Jahre 1994 während der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union abgezeichnet. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie viele prominente Bundespolitiker damals vor den Nationalratswahlen, vor den EU-Beitrittsverhandlungen und vor der Abstimmung nach Kärnten gekommen sind und zur Kärntner Bevölkerung gesagt haben: Freunde, ihr braucht keine Angst zu haben, wir machen eine sogenannte Aufhol-Milliarde, damit werden Sonderprojekte im Bundeshochbau, im Bundesstraßenbau durchgeführt! – Heute, drei Jahre nach diesen Versprechungen, müssen wir feststellen: Es ist so gut wie nichts nach Kärnten geflossen.

Es war der ehemalige Bundeskanzler in Kärnten, der in einer Pressekonferenz groß diese Aufhol-Milliarde versprochen hat, später war dann der Finanzminister in Kärnten, der das wiederholt hat, es war auch Bundesminister Schüssel als damaliger Wirtschaftsminister und Baureferent des Bundes in Kärnten, der den Kärntnern die Millionen versprochen hat. Wir waren schon ganz schwindlig und haben gedacht, jetzt geht endlich einmal etwas weiter. Nichts ist gekommen!

Die Burgenländer haben sich bei der Ziel-1-Gebiet-Regelung durchgesetzt, bekommen also anteilsmäßig von der Europäischen Union mehr Geld. Kärnten wurde – zumindest vor dem EU-Beitritt – eine Ziel-2-Gebiet-Regelung versprochen. Auch diese haben wir – das hat sich allerdings erst nach dem EU-Beitritt herausgestellt – nicht bekommen, weil dieses Gebiet mit anderen Regionen Österreichs abgetauscht worden ist.

Durch diese ständigen Benachteiligungen, durch diese Versprechungen, die seitens der Bundespolitik gegenüber Kärnten immer wieder abgegeben, aber nicht gehalten worden sind, sind wir natürlich ins Hintertreffen geraten und haben heute eine äußerst bedrohliche Situation im Bereich der Beschäftigung in Kärnten.

Das war auch meine Motivation, warum ich, Kollege Anschober, nicht erst jetzt, vor den Gemeinderatswahlen, sondern schon vor fast einem Jahr diesen Antrag hier im Haus eingebracht habe. Daß er heute, vor den Gemeinderatswahlen in Kärnten, diskutiert wird, soll uns recht sein, allerdings sehe ich keinen Zusammenhang, und wenn Sie ehrlich sind, werden auch Sie keinen Zusammenhang erkennen können.

Trotzdem – und das ist der Punkt, auf den ich Sie, Herr Bundesminister, ansprechen muß –: Wenn ich heute feststelle, daß Kärnten wieder nur die normalen Tranchen bekommt, wie sie auch andere Bundesländer bekommen, und kein Wort mehr davon gesprochen wird, daß die Versprechungen, die Ihre Vorgänger in Kärnten gemacht haben, auch eingelöst werden, dann müssen wir Freiheitliche hier vehement aufschreien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann nur an Sie appellieren, Herr Bundesminister, wenngleich ich weiß, daß Sie persönlich nichts dafür können, weil Sie zum damaligen Zeitpunkt die politische Verantwortung nicht getragen haben. Trotzdem sind Sie aus der politischen Pflicht nicht zu entlassen. Alles andere wäre für mich glatter Wortbruch. Ich appelliere daher an Sie, nicht wortbrüchig zu werden, sondern diese Versprechungen endlich einzulösen und Kärnten mit einer höheren Tranche, mit


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einem Sonderbauprogramm zu beteilen, um die Arbeitsplatzsituation in Kärnten zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

20.23

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich den Tagesordnungspunkten, die wir unter einem verhandeln, einzeln zuwenden und mich zunächst mit der Bundesstraßengesetznovelle kurz befassen.

Wir haben ihr schon im Ausschuß zugestimmt, und sie wird auch im Plenum unsere Zustimmung finden, weil es immerhin eine Novelle ist, die bedeutet, daß wir einen kleinen Schritt zu einer effizienteren Verwaltung hin tun. Allerdings meine ich, daß diese Novelle deswegen notwendig wurde, weil eine umfassende Reform der Abläufe bis heute nicht stattgefunden hat, nämlich eine umfassende Reform, die bewirken würde, daß wir diese schrittweise, diese salamitaktikartige Genehmigung von Projekten – ein Projekt, das begonnen hat, braucht zunächst eine Genehmigung, dann wird es erst verhandelt, dann erfolgt eine neue Genehmigung, dann kommt die UVP, und das Projekt verändert sich wieder –, daß wir diese Schrittfolge von Quasigenehmigungen verändern in einen stufenweisen Ablauf, an dessen Ende die Rechtsform der Genehmigung steht. Damit würden wir uns dieses Deregulieren mittels neuer Regulierung vielleicht manchmal ersparen.

Aber es erfolgt in diesem Fall immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, und wir sind froh, daß diesmal ein Weg gewählt wurde, der das Ziel, das man verfolgen muß, etwas klarer im Auge hat, nämlich umweltverträglichen Straßenbau – das allerdings schnell, zügig und wirtschaftlich. Daher meine ich, daß diese Novelle eben auch aus dem Blickpunkt einer Oppositionspartei zustimmungsfähig ist.

Was die Tagesordnungspunkte 5 bis 7 anlangt, so ist die Sache etwas komplexer, denn es sind die Anliegen, die hinter diesen Anträgen stehen, für sich genommen, wenn man sie auf die grüne Wiese stellt, attraktiv. Aber bei der Nordumfahrung Enns apert halt ein Problem aus, das den Herrn Bundesminister nur marginal berührt, denn die Tatsache, daß sich hier zwei Bundesländer, nämlich Niederösterreich und Oberösterreich, strukturpolitisch unvernünftig verhalten, sich nicht rechtzeitig koordinieren, politisch versagt haben, wird nicht besser werden dadurch, daß wir den Bundesminister mit einer Entschließung zu etwas auffordern, was er gar nicht selber herstellen kann. Natürlich teilt er die politische Verantwortung in diesem Fall, aber er ist der passive Teil in diesem Spiel, derjenige, der mit erleidet, was dort nicht geschieht.

Daher ist das Anliegen zwar richtig, denn es wäre sicher sehr sinnvoll, sich um diesen Wachstumsknoten, der durch den Hafen Enns entsteht, konsequent zu kümmern, aber der Entschließungsantrag, der unter Tagesordnungspunkt 5 in Verhandlung steht, würde das nicht verändern. Denn daß das Parlament diese Meinung vertritt, kann ein aufmerksamer Beobachter, der dieser Debatte gefolgt ist, erkennen, aber ich glaube nicht, daß ein Landeshauptmann vom Zuschnitt eines Pühringer sich dadurch wirklich irritiert zeigen wird. Der wird weiter das machen, was er für richtig hält, und sich vielleicht eher mit dem Projekt Lambach befassen als mit dem Wachstumsknoten Enns. Er wird seine Verewigung in Projekten suchen, die vielleicht sein Namensschild tragen können (Abg. Mag. Firlinger: Pühringer-Promenade!) , aber die Nordumfahrung Enns ist dafür natürlich nicht so gut geeignet. Daher muß man verstehen, daß er nicht so besonders daran interessiert ist.

Außerdem hätte das Projekt Hafen Enns tatsächlich eine wirtschaftspolitische Bedeutung und eine infrastrukturelle Auswirkung, und zwar eine positive. Aber das scheint nicht Stand der Wirtschaftspolitik in Oberösterreich zu sein, und auch – das sage ich jetzt ganz bewußt im Hinblick darauf, daß wir im Herbst in diesem Land Wahlen haben – der für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständige Landesrat in Oberösterreich scheint das Problem nicht erkannt zu haben. Wenn er es erkannt hätte, hätte er wahrscheinlich etwas gemacht, denn er ist ja sonst auch sehr


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schnell mit seinen Sprüchen (Abg. Aumayr: Nur bei den Sprüchen!) , nicht aber offenbar bei den Handlungen. (Abg. Ing. Reichhold: Wer ist das? – Abg. Aumayr: Der Leitl!)

Was die Frage der im Bundesland Kärnten offenen Projekte anlangt, bin ich jetzt natürlich innerlich sehr gespalten – das sage ich Ihnen ganz ehrlich –, denn ich bin mir dessen bewußt, daß der Antrag sicherlich völlig korrekt und völlig sachlich (Abg. Ing. Reichhold: Sie sind ja ein alter Kärntner!) – ja, ja – die offenen Projekte wiedergibt, weil ich mir vorstellen kann, daß der zuständige Landesrat, der der Fraktion der Antragsteller nicht fernsteht, in der Lage ist, unter Zuhilfenahme seiner Mitarbeiter die offenen Projekte annähernd lückenlos aufzulisten. Es ist auch im Ausschuß, was die Projektauflistung anlangt, von seiten der Regierungsvertreter, von seiten des Herrn Bundesministers und seiner Damen und Herren aus dem Ressort kein Widerspruch gekommen. Also die Projektliste wurde nicht bemängelt.

Es wurde uns allerdings – und das wäre etwas, was schon noch zu diskutieren sein wird – mitgeteilt – und zwar sehr plausibel und im Prinzip im Ausschuß auch nicht wirklich widersprochen; das möchte ich hier schon deutlich sagen –, daß sich die Projekte bereits in einem Zustand befinden, in dem die tatsächliche abwicklungsmäßige Federführung bereits auf den Straßenbaureferenten des Landes übergegangen ist. Der Vorsitzende des Bautenausschusses, Kollege Schwimmer, hat formuliert, eigentlich sei das quasi ein Mißtrauensvotum gegen den Kärntner Landesstraßenbaureferenten.

Jetzt wird das vielleicht nicht für jedes einzelne Projekt auf dieser Liste zutreffen, aber offenbar gibt es hier einen Abwicklungsstau – das ist erkennbar –, und es gibt offenbar auch (Abg. Ing. Reichhold: Kein Geld!) Finanzmittel dafür. Vielleicht nicht ausreichend. (Abg. Ing. Reichhold: Kein Geld! Es gibt kein Geld, Herr Kollege!) Ich sage ja, Herr Kollege Reichhold, vielleicht nicht ausreichend; Kollege Anschober hat das schon beleuchtet. (Abg. Ing. Reichhold: Reine Versprechungen!) Möglicherweise sind eben die zögerliche Haltung der Bundesregierung rund um das Road-pricing und die dadurch nicht zustande gebrachten Einnahmen im Sinne von Kostenwahrheit im Verkehr ein Grund dafür, daß die Budgetansätze hiefür knapp sind.

Nur: Das ist ein anderes Problem. Das ist letztlich ein Problem a) der Budgetierung – das ist durch das Bundesfinanzgesetz möglicherweise schon etwas verdorben, sage ich jetzt einmal, weil das Bundesfinanzgesetz nicht mehr vorsieht –, es ist b) ein Problem der gesamten Haltung der Bundesregierung zur Philosophie Kostenwahrheit im Verkehr, ja oder nein, sprich Road-pricing mit planbaren Einführungszeiträumen und so weiter. Da herrscht allgemeines Schweigen vor.

Wir haben inzwischen den Vignettenman zur Welt gebracht und uns selbst nebenbei auch noch im Tourismus schwer beschädigt. Ich möchte das noch einmal anmerken: Das hat vielleicht mehr an Ausfall von Einnahmen bei der Umwegrentabilität gekostet, als wir in der Phase eins der Vignetten verdient haben. Das wird immer eine Dunkelziffer bleiben, aber es steht zu befürchten, daß es zumindest keine gute Imagepolitik war. Doch Image ist etwas, was man im Tourismus dringend braucht, denn Leute kommen aufgrund einer immateriellen Einschätzung her und auch aufgrund der Hoffnung, daß sie vernünftige Preise vorfinden. Wenn sie eine negative Einschätzung haben, bleiben sie aus. – Das ist nur eine Fußnote dazu gewesen.

Eines steht für mich allerdings fest: Offenbar ist diese Liste auch deswegen so lange, weil es einen Projektstau gibt, der möglicherweise auch vom Landesstraßenbaureferenten und stellvertretenden Landeshauptmann mitzuverantworten ist. (Abg. Mag. Firlinger: Nein, nein, das hat andere Ursachen!) Das können wir hier nicht verhandeln, aber ich weiß eines sicher, Herr Kollege Firlinger: Der nämliche Straßenbaureferent hat sich eine Zeitlang damit beschäftigt, wie er die Vergaben, die er zu machen hat, anders steuern könnte. Es ist inzwischen eine semantische Verwirrung aufgetreten, ob das eine Weisung war, daß Unternehmen nicht zum Zug kommen sollen, welche nicht ausschließlich Inländer oder EU-Bürger beschäftigen, oder ob es nur ein Diskussionsprozeß innerhalb der Landesverwaltung war. Das ist nicht bekannt.

Jedenfalls hat er sich offenbar damit beschäftigt, wie er Aufträge nicht vergibt. Denn das steht für mich fest: Wenn er diese Philosophie im Lande Kärnten im Bereich der von ihm abzu


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wickelnden Vorhaben tatsächlich durchführen wollte, dann hätte er so gut wie gar kein Projekt mehr vergeben können und dann hätte er auch keine Schmerzen mehr mit allenfalls zu knappen Budgetansätzen gehabt. Wenn ich nämlich jedes Unternehmen, das unter den Definitionsbegriff des Landeshauptmann-Stellvertreters Grasser fällt, nicht mehr beauftragen kann – das war ja die Idee, und das ist auch weiterhin Programm, höre ich; das ist nur momentan am Rechtsstaat steckengeblieben –, dann könnte ich so gut wie keinen Bauauftrag mehr ausschreiben, denn ich müßte damit rechnen, daß irgendwo in der Kette des Unternehmens wenigstens die Putzfrau, die dort beschäftigt ist, möglicherweise nicht die österreichische oder eine EU-Staatsbürgerschaft besitzt. Und dann bekäme ich ein Problem.

Wenn sich jemand, der für die zügige Abwicklung von Projekten zuständig ist, mit solchen Fragen beschäftigt, die ich politisch jetzt gar nicht weiter vertieft bewerten will, dann kommt er vielleicht gerade noch dazu, die offene Liste der nicht erledigten Projekte bei seiner Nationalratsfraktion abzugeben, aber offenbar nicht zu seinem eigentlichen Geschäft. Das ist mein Eindruck. Es tut mir leid, denn ich bin an sich in Kärnten aufgewachsen, und daher ist mir alles, was für Kärnten gut ist, lieb und wert. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Haigermoser: Schlimm genug für Kärnten! – Abg. Ing. Reichhold: Herr Kollege, eine Zwischenfrage!) Bitte, ich bin ganz Ohr, ich bin debattenfreudig. (Abg. Ing. Reichhold: Wären Sie einmal bereit, nach Kärnten zu kommen und bei einem Sprechtag dabeizusein, wo Sie arbeitswillige junge Kärntner haben, soviel Sie wollen?)

Ja, Herr Kollege Reichhold, das ist ein Problem. Es ist erkannt, es ist akzeptiert, aber das kann nicht dazu verführen, daß man alle Grundsätze des Rechtsstaates über Bord wirft und das erste Mal in dieser Republik das Mittel der Rechtsordnung verwendet, um eindeutige Absichten durchzusetzen. Das löst das Problem nicht! (Abg. Ing. Reichhold: Sie haben gesagt, es kann kein Bau mehr durchgeführt werden, dabei gibt es so viele Arbeitslose!)

Schauen Sie, wenn Sie das für ein Problem halten – und das ist ein Problem –, dann ist es im speziellen ein Problem des Versagens der Kärntner Wirtschaftspolitik, und darin ist Ihre Partei durch die Proporzregelungen maßgeblich miteingebunden – maßgeblich! –, und das ist kein ... (Abg. Mag. Barmüller: Es hat sogar einen Landeshauptmann gegeben!) Es hat einen freiheitlichen Landeshauptmann gegeben, es gibt einen freiheitlichen Landeshauptmann-Stellvertreter, und Kärnten ist eines der Länder, das nicht ... (Abg. Ing. Reichhold: Da haben wir 4 Prozent Arbeitslose gehabt!) ... und Kärnten ist eines der Länder ... (Abg. Ing. Reichhold: 4 Prozent Arbeitslose haben wir gehabt unter Landeshauptmann Haider! Jetzt haben wir 15 Prozent!)

Herr Präsident! Können Sie mir vielleicht zum Wort verhelfen, denn es geht mir jetzt schon ein bißchen auf die Nerven. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Kärnten ist eines der Bundesländer (anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) , das unter vitaler Verantwortung der Freiheitlichen offenbar miserable Wirtschaftsdaten ausweist. Das ist richtig. Ich rede nicht von Alleinverantwortung, aber von Mitverantwortung, und gerade der angesprochene Landeshauptmann-Stellvertreter führt ein Wirtschaftsressort. (Abg. Mag. Barmüller: Aber schlecht!)

Ich weiß, daß die Strukturprobleme in Kärnten schwierig zu lösen sind (Abg. Ing. Reichhold: Er scheitert an der Bundespolitik!) , aber das kann nicht dazu verführen, das darf nicht dazu verführen, daß man eklatante Rechtsverletzungen zum Mittel der Alltagsverwaltung macht. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn er das haben will, dann muß er Gesetze ändern, aber einstweilen gibt es in diesem Land in keiner der Gebietskörperschaften eine Mehrheit, die sich dazu bereit findet, Gesetze zu beschließen, die so eindeutig sind, wie das, was Landeshauptmann-Stellvertreter Grasser mit einer Weisung erreichen wollte.

Es ist legitim, so ein Ziel zu verfolgen. Wir werden das Ziel immer ablehnen, und zwar nicht das Ziel, Inländer zu beschäftigen, sondern das Ziel, mit solchen Mitteln Menschen zu diffamieren. Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie das offen sagen und sich Mehrheiten dafür suchen, und ich werde mich dafür einsetzen, daß es dafür keine Mehrheiten gibt, aber das gewöhnliche


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Verwaltungshandeln eignet sich dafür nicht. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Das ist rechtswidrig! Und wenn jemand im Verwaltungshandeln rechtswidrige Schritte setzt, dann muß er sich gefallen lassen, daß man das auch sagt. Und das habe ich gemeint. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß wir hier einen Zielkonflikt haben, ist evident. Sie wissen aber ganz genau, daß die Problematik der strukturellen Arbeitslosigkeit, insbesondere auch in der Bauwirtschaft, kein spezifisch kärntnerisches Problem ist, sondern daß sie ganz Österreich beschäftigt. Daß wir hier aufgrund von Produktivitätssteigerungen und rückläufigem Bauvolumen teilweise ein echtes Problem haben, wissen Sie. Sie wissen, daß wir ein verhatschtes Ausländerregime haben. Das alles wissen Sie. Aber das – das war hier einmal zu sagen – war nicht der richtige Weg. Das war nicht nur rechtswidrig – es wurde zurückgenommen, höre ich –, das war auch populistisch, und das war natürlich ausschließlich auf die Landtagswahlen hin getimed. (Abg. Mag. Firlinger: Das haben wir schon im Ausschuß widerlegt! Das ist falsch!)

Das kann ich verstehen. Das ist eine Art, PR zu machen. Ich verstehe das schon, aber es ist unredlich, weil man damit unseren arbeitslosen Bauarbeitern, die österreichische Staatsbürger oder vielleicht auch EU-Bürger sind, vorgaukelt, daß man mit solchen Mitteln ihr Problem löst. Man löst es aber mit diesen Mitteln nicht. Das ist höchstens vielleicht, eventuell, vorübergehend schmerzstillend, aber das Problem löst man nicht.

Außerdem macht man das um einen sehr hohen Preis, nämlich um den Preis der Aufgabe von fundamentalen Rechtsgrundsätzen der Verfassung, von fundamentalen Grundsätzen der Menschenrechtskonvention. Das ist ein Preis, der ein bißchen hoch ist. Zumindest für uns wäre er zu hoch, und ich weiß mich hier relativ einig mit der überwiegenden Mehrheit des Hauses. Das ist ein Preis, der zu hoch ist, und da kann in den Zeitungen geschrieben werden, was immer will, und verdreht werden, was immer will, das bleibt Sache.

Ich wollte das hier in diesem Zusammenhang sagen, denn wer sich so besorgt um sein Bundesland gibt, gleichzeitig aber den Leuten ein X für ein U vorgaukeln will, der verliert für mich irgendwo an demokratischer, an humanitärer und mitmenschlicher Glaubwürdigkeit, und es war mir einfach wichtig, das hier zu sagen.

Deswegen meine ich, daß das, was Kollege Schwimmer, ein altgedienter Parlamentarier, der weit davon entfernt ist, einfach nur zu polemisieren, als Ausschußvorsitzender einmal gesagt hat, nämlich daß es sich hier eigentlich um den Versuch handelt, einen Mißtrauensantrag gegen den Kärntner Straßenbaureferenten durchzubringen, seine Richtigkeit hat. Dem habe ich als wesentlich dienstjüngerer Parlamentarier und nicht Vorsitzender dieses Ausschusses nichts hinzuzufügen. Er wird wohl recht gehabt haben mit seiner Einschätzung.

Zum Tagesordnungspunkt 7: Das ist jetzt der makabre Antrag, das ist nämlich ein Antrag, der eine Mischung von interessanten Ansätzen enthält – ich erspare es mir jetzt, sie hier zum Vortrag zu bringen –, denn da sind Gedankengänge enthalten, die – würde ich sagen – wirtschaftspolitisch positiv einzuschätzen und daher für sich genommen aufgrund ihrer Sachlichkeit fraktionsneutral sind. Das könnten wir diskutieren. Aber es sind auch Elemente enthalten, die sozusagen – Kollege Anschober hat das schon angedeutet – hochinteressant aus ihrer wirtschaftspolitisch-historischen Dimension heraus sind.

Wir haben erst vor kurzem hier in diesem Haus, nämlich am 18. Feber, eine Sitzung gehabt, bei der uns mit Kraft vorgetragen wurde, der Investitionsfreibetrag müsse abgeschafft werden, und zwar ganz schnell, denn das ermögliche – in einem bestimmten Kontext – die Schaffung von Arbeitsplätzen. Heute verhandeln wir den Antrag der Kollegen Prinzhorn, Schöll und Haigermoser, in dem sich die Forderung findet, daß der Investitionsfreibetrag bei bestimmten Projekten – insbesondere im Bereich der Bauwirtschaft für unmittelbar Betriebszwecken dienende Bauinvestitionen – angehoben werden soll. (Abg. Mag. Peter: Was stimmt jetzt?)

Jetzt frage ich mich: Ist das die wirtschaftspolitische Halbwertszeit, die durch Terminabläufe zu einer Verwerfung geführt hat? Es kann ja sein, daß man etwas, was man im Mai 1996 für richtig


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gehalten hat, nämlich die Anhebung des Investitionsfreibetrages, im Jänner oder Februar 1997 als falsch erkennt. Das kann sein.

Es ist für mich aber nicht vorstellbar, warum man dann im Ausschuß diesen Antrag nicht zumindest in diesem Punkt zurückgezogen hat. Der Antrag wäre trotzdem noch aufrecht geblieben, wenn man diese Passage durch einen Abänderungsantrag zurückgezogen hätte.

Zweiter Aspekt: Wir haben in der Sondersitzung vom 18. dieses Monats gelernt, daß nach Auffassung der freiheitlichen Fraktion das Bauen von Tunnels jedenfalls für den Arbeitsmarkt völlig unbedeutend und eigentlich überflüssig ist. Das war eine Aussage, die hier mehrfach gemacht wurde und auch Element von Entschließungsanträgen war, mit der Begründung, daß bekanntlich die Anzahl der unmittelbar physisch Beschäftigten bei Tunnelbauvorhaben nicht sehr hoch ist. – So weit, so gut. In diesem Entschließungsantrag erfolgt jedoch explizit die Aufforderung, den Bau von Tunnels zu forcieren, weil das besonders günstig für die Arbeitsplätze und für die Bauwirtschaft sei.

Da erhebt sich wieder die Frage: Was ist richtig? Das, was in diesem Antrag steht, oder das, was wir während der Sondersitzung gehört haben? – Ich meine: Da der Antrag älteren und die Sondersitzung jüngeren Datums ist, hätte man sehr wohl die Möglichkeit benützen können, im Rahmen der Beratungen im Ausschuß den Antrag in diesem Punkt zu korrigieren.

Daher meine ich, um zum Schluß zu kommen, denn meine Kollegin deutet mir und ich fürchte, die Restredezeit wird sonst zu knapp: Dieser Antrag ist ein Beweis für wirtschaftspolitische Beliebigkeit und Inkompetenz. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Ing. Reichhold hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet.

Herr Abgeordneter! Sie haben 2 Minuten Redezeit. Beginnen Sie mit der Behauptung Dr. Kiers, die Sie berichtigen wollen. – Bitte.

20.41

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Dr. Kier behauptete, daß Landeshauptmann-Stellvertreter Grasser eine Weisung gegeben hätte, die rechtswidrig war. – Das ist falsch.

Erstens war das keine Weisung, zweitens war das nicht rechtswidrig. Ich führe als Beweis ... (Zwischenrufe des Abg. Mag. Barmüller und des Abg. Dr. Kier. ) Eben! Erstens war das keine Weisung. (Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Und wenn es eine gewesen wäre, dann wäre sie nicht rechtswidrig gewesen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. ) Jetzt paß einmal auf, Barmüller! Ich lese dir jetzt eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 24. 2. dieses Jahres vor, sie ist also ganz frisch. Darin steht: "Die seitens des Büros des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Grasser vorgeschlagene" – in Klammern – "(unverbindliche) Empfehlung in den Ausschreibungsbedingungen, wonach Bauunternehmer ersucht werden, bei der Durchführung von öffentlichen Bauvorhaben auf die kritische Lage des heimischen Arbeitsmarktes Bedacht zu nehmen, erscheint zulässig." Daher ist das nicht rechtswidrig, Herr Volker Kier! (Abg. Mag. Barmüller : Das war vor zwei Tagen, bevor das Ganze ruchbar geworden ist!) Ich weiß nicht, brauchst du Beruhigungstabletten? Du bekommst dann welche, aber jetzt hör zu! (Abg. Mag. Barmüller: War es vielleicht ein weisungsgebundener Beamter, der das schreiben mußte, der dem Grasser unterstellt ist?)

Zweiter Punkt: Abgeordneter Kier behauptet, daß die strukturelle Arbeitslosigkeit gleichmäßig über Österreich verteilt ist. – Auch das ist falsch. Die strukturelle Arbeitslosigkeit ist in Kärnten überdurchschnittlich hoch. Ich bringe den Beweis, Herr Kier: Während die Langzeitarbeitslosigkeit von 1995 auf 1996 in Österreich um 4,9 Prozent anstieg, erhöhte sich die Langzeitarbeitslosigkeit in Kärnten nicht um 4,9 Prozent, sondern um 20 Prozent. Und das ist der Grund,


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warum wir Initiativen für ein Bundesland fordern, das nicht in den Genuß der Ziel 1-Gebietsförderung der EU gekommen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

20.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Es wäre jetzt natürlich verlockend, auf die Schmutzkübelkampagne durch den liberalen Sympathieträger Dr. Kier einzugehen. Als Oppositionspartei setzen wir uns aber lieber mit der Regierung auseinander als mit den anderen Oppositionsparteien. Nur soviel: Die Liberalen können sich noch so andienen, die Ampel wird wahrscheinlich nicht zustande kommen. Aber dienen Sie ruhig weiter! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es wird allerdings weder der Regierung noch den Kärntner Arbeitslosen helfen, wenn Sie Ihre Ausführungen auf diese Weise fortsetzen.

Sehr geehrter Herr Minister! Bei der vergangenen Sitzung des Bautenausschusses habe ich gelernt, für wie viele Dinge Sie eigentlich nicht zuständig sind. Wir haben dort gesehen, daß Sie für den Straßenbau, den Infrastrukturausbau, für Planungsarbeiten beziehungsweise für Maßnahmenpakete zur Ankurbelung der Bauwirtschaft eigentlich nicht zuständig sind.

Herr Minister! Ihr Ministerium wurde einmal als "Mammutministerium" bezeichnet. Mammuts sind ausgestorben, große Ministerien gibt es jedoch noch immer. Da erhebt sich die Frage, ob ein derart großes Ministerium, wenn die Kompetenzen so gering sind, wie Sie es im Bautenausschuß dargestellt haben, überhaupt notwendig ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle hier in diesem Haus bekennen uns dazu, daß wir eine gut ausgebaute Infrastruktur brauchen und daß eine vorrangige Aufgabe des Staates der Ausbau der Infrastruktur zur Erhaltung gesunder, prosperierender Unternehmen ist. Vor einem Jahr haben Sie hier bejubelt, daß es Milliarden für die Bauwirtschaft geben wird. Es ist interessant, wie schnell sich alles verändert: Ich habe hier ein Bild vom 11. April 1996. Inzwischen sind viele aus dieser illustren Runde, nämlich rund 80 Prozent der dort abgebildeten Minister, bereits in der politischen Versenkung verschwunden. Damals wurde von einer Elefantenrunde gesprochen. Man sprach von 33 Milliarden Schilling, die investiert werden. Man sagte: Jetzt werden die Ärmel hochgekrempelt und es geht los! Am nächsten Tag, am 12. April, schreibt die steirische "Kleine Zeitung": "Statt Milliardenpaket eine Kurve da, eine Brücke dort." – Und genau das ist wahrscheinlich der Grund, warum wir jetzt dieses Gesetz brauchen, um nämlich Kleinstprojekte reibungslos durchzuziehen, weil vielleicht wenigstens von diesen Impulse für die Bauwirtschaft ausgehen.

Es steht in der Zeitung, daß das Jahr 1996 kein besonders gutes Jahr für die Bauwirtschaft gewesen ist, weil nur sehr wenige ausschreibungsreife Projekte vorlagen, aber es werde das Jahr der Ausschreibungen werden. Und nachdem dann richtig ausgeschrieben worden ist, wird 1997 so richtig losgelegt; dann wird zu bauen begonnen!

Was aber ist in diesem Jahr tatsächlich geschehen? – Etwas Wesentliches ist geschehen: Wir haben die Vignette bekommen, deren Erlöse ja dazu dienen sollten, die Projekte im Umfang von 33 Milliarden Schilling im Rahmen dieser Infrastrukturoffensive so richtig in Gang zu bringen. Die Vignette haben wir also, ob sich aber die Erlöse erwartungsgemäß eingestellt haben, wissen wir nicht. Zu etwas hat die Einführung der Vignette allerdings geführt: Wir sind im Ausland zum Gespött geworden. Das hat darin gegipfelt, daß es sogar einen Aufruf gegeben hat, den Urlaub nicht in Österreich zu verbringen. Aber davon haben wir ja im Verlauf der kurzen Debatte über die Vignette heute schon ausreichend gehört!

Herr Minister! Sie sagen, die Länder seien säumig. – Ich sage Ihnen, daß meine Überzeugung die folgende ist: Es gibt keinen Baureferenten einer Landesregierung, der nicht sofort, wenn Geld zur Verfügung stünde, dafür sorgen würde, daß zu bauen begonnen wird. Denn was will der Baureferent eines Landes? Er will seine Erfolgsbilanz verbessern, denn er möchte wahr


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scheinlich länger in der Landesregierung sein – ganz egal, welcher Farbe er angehört – und vielleicht ein weiteres Mal wieder von seinen Wählern gewählt werden. Und dazu braucht er eben eine Erfolgsbilanz!

Nun zu dem Antrag betreffend Aufnahme der Nordumfahrung Enns in die Prioritätenliste: Sehr geehrter Herr Minister! Es handelt sich dort um einen Glücksfall. Dort gibt es ein prosperierendes, aufstrebendes Wirtschaftsgebiet. Ich habe vorher gesagt, daß wir diese Infrastrukturausbauten forcieren wollen, da wir vor allem auch wissen, daß von diesem sich entwickelnden Gewerbegebiet und diesem neuen Hafen auch ein gewisses Gefahrenpotential ausgeht. Denn es wird dort immerhin Flüssiggas, das bekanntermaßen als entsprechend gefährlich einzustufen ist, gelöscht und muß dann durch ein Wohngebiet transportiert werden. Da gibt es selbstverständlich ein gewisses Gefahrenpotential. – Das aber nur nebenbei.

Wir wollten diese Nordumfahrung Enns. Wir haben wirklich darum gebeten, diese auf die Prioritätenliste zu setzen. Es ist ja keine Katastrophe, wenn etwas auf eine Prioritätenliste gesetzt wird. Aber auch das wurde abgeschmettert. Man hätte ja ganz einfach sagen können: Der Vorschlag kommt von den Freiheitlichen, und weil er von den Freiheitlichen kommt, wird er nicht auf die Prioritätenliste gesetzt. Ich meine allerdings, daß das eine etwas magere Begründung ist, da meiner Auffassung nach die verkehrspolitische Lösung der Anbindung dieses aufstrebenden Wirtschaftsgebietes an die Autobahn wirklich eine wichtige Maßnahme ist. Ich denke, daß jede Verschleppung dieses Projekts diesem aufstrebenden Gebiet schadet. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. ) Ich habe all diese Reden über Infrastrukturmaßnahmen und über eine Infrastrukturoffensive als Sonntagsreden entlarvt.

Ich möchte als regionaler Abgeordneter des Mürztals noch ganz kurz auf den Semmering-Schnellstraßentunnel zu sprechen kommen: Sie haben uns in der letzten Anfragebeantwortung vom 29. Jänner – also erst vor kurzem – wieder Hoffnung gemacht: Am 28. Februar ist Anbotseröffnung, und im April 1997 wird zu bauen begonnen. Ich hoffe, daß die Realisierung des Baus dieser notwendigen Straße wirklich beginnt. Ich habe mir den Baubeginn im April 1997 dick in meinem Kalender vorgemerkt, und ich werde dann jeden Tag den Semmering bereisen und schauen, ob mit den Baumaschinen dort wirklich schon zu arbeiten begonnen wird. Ich denke, daß das wirklich ein Lichtblick ist. Die Bauwirtschaft ist die Triebkraft der Konjunktur. Und Sie, Herr Wirtschaftsminister, haben die Kurbel in der Hand, um diesen Motor zu starten! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. 10 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte.

20.51

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mein Kollege Karl Freund hat schon eingehend von diesem Rednerpult aus auf die Bundesstraßengesetznovelle hingewiesen und besonders den Bereich der Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung unterstrichen. Auch in der Debatte im Bautenausschuß hat man sich mit diesem zentralen Anliegen gebührend auseinandergesetzt, und heute hat eine Reihe von Rednern – Firlinger, Schöggl, Reichhold, Anschober, Kier – auch im Zusammenhang mit ihren Debattenbeiträgen im Ausschuß hier das Wort ergriffen.

Auch ich möchte aus meiner Sicht ganz kurz noch einiges sagen. Ich habe mir meine Unterlagen angeschaut, und es ist mir ein Anliegen, den Herrn Minister vor gewissen sehr einseitigen Beschuldigungen in Schutz zu nehmen.

Herr Kollege Firlinger! Sie haben hier genau zitiert, was im Ausschuß gesprochen wurde. Ich habe auch mitgeschrieben: Der Herr Minister hat betreffend das Programm in Kärnten geantwortet, daß es für Kärnten bereits bewilligte Projekte im Umfang von 160 Millionen Schilling gibt. Ich habe ganz genau mitgeschrieben! Das war die Antwort, das sage ich nur dazu. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. ) Das betrifft Kärnten, Herr Kollege!


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Daß es in allen Bundesländern im Moment noch viel mehr Wünsche als finanzielle Möglichkeiten gibt, ist eine zweite Sache. Die Planung und die Baukompetenz liegen ohnehin auch beim Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter, aber bekanntlich kann man erst etwas umsetzen, wenn auch alles im Detail fertig ist: bewilligt, geplant, durchgeführt.

Auf das andere gehe ich nicht ein, Herr Abgeordneter Kier hat schon darauf hingewiesen. Abgeordneter Kier hat zum Beispiel auch die Meinung des Abgeordneten Schwimmer zitiert. Wenn ich Ihnen jetzt sage, was Abgeordneter Kier gesagt hat, dann werden Sie sich auch daran erinnern: Er hat damals gemeint, daß das Ganze wohl auch ein bißchen im Blickpunkt der Kärntner Wahlen zu liegen scheint. – Das ist wahr! Wenn heute schon so viel aus dem Ausschuß zitiert wird, dann möchte ich das auch sagen.

Betreffend die Nordumfahrung Enns wird auch noch in Erinnerung sein, daß es sowohl im Detail als auch insgesamt zwischen beiden Bundesländern noch sehr viel an Koordination bedarf, bis man soweit ist, um das tatsächlich freigeben zu können. Die Umfahrung Enns ist natürlich auch eine wichtige Sache. (Abg. Mag Firlinger: Man hat ein Industriegebiet geplant und auf die Straßen nicht geachtet! Das hat der Minister im Ausschuß zugegeben!) Er hat auch gesagt, daß es zwischen den zwei Bundesländern und im Detail noch einiges zu tun gibt. Abgeordneter Anschober hat das auch gerade bestätigt. Ich will meine Zeit aber jetzt nicht damit verbrauchen, daß ich auf all diese Zwischenrufe und Aussagen eingehe.

Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen um die große Bedeutung der Bauwirtschaft und insbesondere auch des Straßenbaus für die Konjunktur sowie für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Daher sind Verfahrensvereinfachungen sowie Projektbeschleunigungen auch regionalpolitisch von besonderer Bedeutung. Auf diesem Gebiet hat der Minister für Beschleunigungsmaßnahmen sehr viel Verständnis. In diesem Zusammenhang erwähne ich das positive Beispiel des Vollausbaus der Anschlußstelle Selzthal der Pyhrn Autobahn A 9 im Sinne des Baugipfels der Bundesregierung, des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 sowie auch der kürzlich vorgesehenen Maßnahmen beider Minister, Farnleitner und Hostasch.

Konkret wird daher am 7. März mit Herrn Bundesminister Farnleitner, Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic, dem Straßenreferenten Landesrat Ressel sowie dem Vorstand der ÖSAG, Generaldirektor Dr. Schragl, der offizielle Startschuß für diese Lückenschließung zum Betrag von 600 Millionen Schilling gegeben werden. Das ist ganz wesentlich, denn es dient all den Kriterien, die ich angesprochen habe. Damit wird der Bau der zweiten Ennsbrücke in Angriff genommen, ab Herbst der Bau der zweiten Tunnelröhre. Damit wird das Nadelöhr geschlossen, und dann erfolgt die Auffüllung dieser Baulücke. Dann ist der Knoten Selzthal voll ausgebaut.

Diese Maßnahmen im Volumen von 600 Millionen Schilling werden in wenigen Tagen beginnen können und werden im Jahre 2000 abgeschlossen sein. Wir können damit die Verkehrssicherheit erhöhen, die Verkehrsflüssigkeit steigern und für die Beschäftigung und die Arbeitsplätze einen entscheidenden Beitrag gerade auch seitens des Ministeriums leisten. Als Ennstaler Abgeordneter danken ich Ihnen, Herr Minister, und allen befaßten Stellen des Bundes und des Landes Steiermark sehr herzlich für dieses Beschleunigungsprogramm. Denn dieses ist für unser gesamtes Gebiet und auch für die Weiterführung der Verkehrswege von ganz großer Bedeutung.

Darüber hinaus gelten laut Bundesstraßenfinanzierungsgesetz folgende Projekte als erste Charge: Völkermarkt – Klagenfurt, Wels – Sattledt, Schön – St. Pankraz, Fertigstellung des Laimbergtunnels, auf Selzthal bin ich näher eingegangen, denn das ist in meinem Bereich, St. Martin – Neuthal, schließlich und endlich die Umfahrung Landeck und der Semmering-Straßentunnel an der S 6, auf den gerade mein Vorredner näher eingegangen ist. In Landeck wurde im übrigen mit den Baumaßnahmen schon begonnen.

Laut aktuellem Zwischenstand des Bauwirtschaftsprogramms 1997 der Minister Farnleitner und Hostasch sind weitere beschäftigungssichernde Maßnahmen des Bundes mit über 30 Milliarden Schilling Volumen und einer Auswirkung auf über 50 000 Arbeitsplätze wirksam.


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Mein Kollege Freund ist im Detail auf das eingegangen, was in den Wirtschaftsressorts Bundeshochbau und Straßenbau, im Umweltschutzbereich, im Siedlungswasserbau, im Umweltbereich, in der Altlastensanierung und in der Schieneninfrastruktur des Verkehrsbereiches vorgesehen ist. Ich brauche daher nicht näher darauf einzugehen.

Zum Schluß erlaube ich mir noch, auf die nach wie vor prekäre Situation hinzuweisen, die im Ennstal wegen der Nichterledigung der ennsnahen Trasse bis heute herrscht. Mir ist völlig klar, Herr Minister, daß das nicht Ihre erste Aufgabe ist! Es gilt jetzt vor allem, die Interessen der Steiermark und der EU in Angriff zu nehmen. Ich darf Sie jedoch sehr herzlich ersuchen, daß Sie dennoch, wo immer Sie die Möglichkeit haben, im eigenen Haus oder bei Gesprächen innerhalb der EU, Ihren Einfluß geltend machen, damit auch diese so wichtige Investition betreffend das Selzthaler Kreuz möglichst bald in Angriff genommen wird. Wir alle haben ein Recht darauf, sowohl die, die dort leben, als auch die Wirtschaft und unsere Gäste, daß diese 20 Jahre lang bestehende Engstelle im Ennstal möglichst bald durch eine gezielte bautechnische Maßnahme nahe der Enns in Form einer Bundesstraße beseitigt wird. – Für Selzthal sage ich besonderen Dank, aber auch für die Beschleunigung von Programmen insgesamt in allen Bundesländern. (Beifall bei der ÖVP.)

20.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

20.59

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über diese Novelle wurde schon sehr viel gesprochen, daher möchte ich dieses Thema jetzt nicht mehr strapazieren.

Ich werde natürlich auch – ebenso wie all meine Kollegen – die Thematik vom Blickwinkel meines Bezirks aus beleuchten und darauf hinweisen, was da und dort noch fehlt beziehungsweise noch offen ist.

Ich bin sehr froh, daß sich Kollege Anschober heute sehr für die Schaffung der Infrastruktur beim Ennshafen eingesetzt hat. Normalerweise hat man den Eindruck, daß es sich beim Kollegen Anschober, wenn man "Auto" und "Straße" sagt, ähnlich verhält wie beim Teufel und dessen Großmutter. Daher bin ich heute froh, daß auch Kollege Anschober jetzt die Straßen offenbar ein bisserl mehr liebt. Das ist eigentlich ein großer Erfolg! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte sagen, daß mir der Ausspruch des Herrn Bundesministers im Ausschuß, daß wir nun endlich arbeiten lassen sollen, sehr gut gefallen hat. Herr Bundesminister! Ich glaube aber, daß wir bei den Milliarden, die jetzt in der sogenannten "Pipeline" liegen, nicht diesem Teerpappen-Effekt unterliegen dürfen. Ich habe heute mit einigen Herren aus der Bauwirtschaft geredet, und ich habe den Eindruck, daß diese auf die Projekte warten. Diese Novelle ist notwendig und richtig, aber ich glaube, man müßte dort auch organisatorisch etwas tun, Herr Bundesminister!

Ich glaube, daß es notwendig ist – darauf hat mein Kollege Eder schon hingewiesen –, zusammenzulegen und mehr zu strukturieren bei dem ganzen Straßenkomplex. Man sollte noch eine Runde drehen, sich das überlegen und in nächster Zeit wirklich etwas tun. Denn es hat keinen Sinn, wenn Sie Projekte vorschlagen, das Parlament diese beschließt und das Ganze dann irgendwo in der Etappe hängenbleibt. Denn dann können uns wir Politiker – und auch Sie sich, Herr Bundesminister! – anschütten lassen, wenn all das nicht so abläuft, wie wir es uns wünschen.

Jetzt komme ich zu dem "netten" Entschließungsantrag der FPÖ. Er ist grundsätzlich in einigen Punkten plausibel.

Kollege Firlinger ist jetzt nicht da, aber Kier hat schon darauf hingewiesen, daß es im Ausschuß sehr spannend gewesen ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Firlinger hat zwei Tage nach der Sondersitzung eine neue Wirtschaftswunderwaffe der FPÖ eingebracht. Er hat


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jedoch etwas vergessen. (Abg. Ing. Reichhold: Jetzt ist Firlinger da, Peter!) Ja! Herr Kollege Firlinger verhielt sich im Ausschuß irgendwie staatstragend. Einige haben gemurmelt: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nehmt uns das nicht übel: Firlinger bringt jetzt, zwei Tage nach dem Bündnis der Arbeit, wieder einen Antrag ein. – Das muß man sich vorstellen: Zwei Tage nach dem Bündnis der Arbeit wird wieder ein neues Programm vorgestellt! Firlinger trug einen dunkeltaubengrauen Anzug wie Kreisky, ein seriöser Kreisky-Schüler! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Ganz genau! Wir waren alle schon nervös. Einige von uns haben gesagt: Jetzt müssen wir vielleicht zurücktreten, denn es gibt jetzt ein neues Bündnis für Arbeit, zwei Tage nach dem vom 18.! Moment! (Abg. Dr. Löschnak: Und was ist gekommen?) Es war ein neues Bündnis für Arbeit – Referent: Firlinger, Autor: Prinzhorn, für das Datum verantwortlich: der Klubobmann; und darüber er.

Jetzt lese ich Ihnen etwas vor: Kollege Haider hat in der Sondersitzung gesagt: "Herr Vizekanzler! Streichen wir den Investitionsfreibetrag und geben wir den Unternehmern die Möglichkeit, durch eine Steuerreform den nichtentnommenen Gewinn steuerfrei im Unternehmen zu investieren, und schaffen damit in dem Lande einen Investitionsboom von 15 bis 20 Milliarden Schilling zusätzlich ... Das wäre es doch, worum es gehen könnte!" – Haider im O-Ton am 18.2.1997.

Am 20.2.1997 wurde dann folgender Antrag eingebracht – Firlinger Referent, Autor Prinzhorn –: "Erhöhung des Investitionsfreibetrages um 3 Prozent, um unmittelbar dem Betriebszweck dienende Bauinvestitionen und damit auch die österreichische Bauwirtschaft zu fördern."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im 2. Punkt wurde es noch lustiger. Da schreibt Firlinger, man solle in den Bau von Autobahnen, Schienenwegen und Tunnels investieren. Haider sagte jedoch zwei Tage früher: Tunnels sind unnötig, umweltschädlich, unwirtschaftlich.

Das ist also keine Wunderwaffe. Es verhält sich eher so, wie es im "profil" steht: "Haiders Wundertüte. Mit seinem Bündnis für Arbeit will Jörg Haider 190 000 Jobs schaffen. Experten schmunzeln da nur." (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Weil Sie so frech und lustig sind, lese ich Ihnen noch etwas vor. Ich habe jetzt das morgige "NEWS" in der Hand: "Überraschende Wende im Fall Grasser" lese ich da. Ich erspare Ihnen jetzt einiges. Das ist vielleicht besser für Sie. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich zitiere nur etwas: Bis zu diesem Vorfall hatte das Autohaus Grasser insgesamt 14 Ausländer aus Polen, Slowenien, Kroatien, Jugoslawien, Bosnien als Mechanikerhelfer, Lackierer und Autowäscher eingesetzt. Am 20. 2. 1994 wurde das Autohaus Grasser zu einer Geldstrafe von 5 000 S wegen Beschäftigung illegaler Ausländer verurteilt. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenrufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Heute sind nur 19 Mitarbeiter und nur noch ein Ausländer aus einem EU-Staat beschäftigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Nehmen Sie das ein bißchen ernst! Bleiben Sie ein bißchen seriös! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

21.05

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich muß leider auch noch einmal auf die Ausführungen des Kollegen Firlinger zu sprechen kommen, der zu Beginn hier gesagt hat, daß Sie vor acht Monaten schon einen entsprechenden Antrag eingebracht haben. Das mag richtig sein. Allerdings, Herr Kollege Firlinger, waren Sie vor acht Monaten noch nicht bei dieser Partei. Sie können also den Antrag nicht eingebracht haben.

Als zweites haben Sie von der "Nordumfahrung Ennstrasse" gesprochen. Solche Sachen kommen eben heraus, wenn man nicht weiß, worüber man spricht. Das hat nämlich nichts mit der


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"Ennstrasse" zu tun, sondern es geht um eine Nordumfahrung der Stadt Enns. Das nur zur Richtigstellung.

Ich möchte ganz kurz sagen, daß die sozialdemokratische Fraktion den Antrag der FPÖ deshalb ablehnt, weil wir uns nicht an diesem Ballspiel zwischen Bund und Land beteiligen. Tatsache ist nämlich – das geht aus diesem Antrag hervor –, daß eine Prioritätensetzung vom Wirtschaftsminister verlangt wird. Jeder weiß jedoch, daß die Prioritäten in Wirklichkeit im jeweiligen Bundesland gesetzt werden. Hinsichtlich der Wichtigkeit dieser Umfahrung von Enns bestehen überhaupt keine Zweifel, wenn man weiß, daß in den Ennshafen bisher über 500 Millionen Schilling an Steuergeldern investiert worden sind und daß dort eine sehr massive Betriebsansiedelungspolitik betrieben wird, die gerade in Zeiten wie diesen unheimlich wichtig ist.

Meine Damen und Herren! Viele Firmen, zum Beispiel Kaindl mit über 300 Arbeitsplätzen oder Gaz-Prom, machen ihre Standortentscheidung selbstverständlich davon abhängig, ob eine entsprechende Straßenanbindung gegeben ist. Mittelfristig könnten in diesem Industrieansiedlungsgebiet einige tausend Arbeitsplätze geschaffen werden.

Derzeit entsteht im Hafengebiet Enns – das ist auch bedeutend – eines der größten Flüssiggaslager Österreichs. Die Zufahrt zu diesem Hafengelände ist eine Siedlungsstraße, an der paradoxerweise in einigen Wochen von der Stadt Enns ein großer Abenteuerspielplatz für Kinder errichtet wird. Daß aufgrund dessen, daß der zuständige Straßenbaureferent im Land Oberösterreich, Landesrat Hiesl, die Prioritäten nicht so setzt, wie sie tatsächlich gesetzt werden sollten, die Volksseele kocht, muß hier auch einmal dargestellt werden.

Die Prioritäten, die der oberösterreichische Baulandesrat setzt, decken sich leider nicht mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten im Zentralraum Linz. So wird etwa im Mühlviertel – und ich gönne es den Mühlviertlern – eine Falkenstein Landesstraße gebaut, die täglich von 700 Fahrzeugen befahren wird. Im Vergleich dazu befahren im Zentralraum Linz die Umfahrung Traun, die jahrzehntelang gefordert wurde, bis zu 30 000 Fahrzeuge pro Tag.

Dazu muß ich schon sagen, daß es bezeichnend ist, wenn der Bundesminister in der Ausschußsitzung wörtlich sagt – ich habe das Zitat mitgeschrieben –: "Das ist literaturreif, daß es eine Hafenanlage und eine Betriebsansiedlung gibt, ohne daß eine entsprechende Straßenanbindung geplant wird." In diesem Punkt müssen wir dem Bundesminister wirklich recht geben!

Kollege Anschober! Ihnen möchte ich sagen, wenn Sie das hier locker mit den oberösterreichischen Landtagswahlen in Zusammenhang bringen: Das verhält sich beileibe nicht so, denn diese Umfahrung von Enns wird schon seit über 20 Jahren vehement gefordert, und es ist wirklich Sache des jeweiligen Baureferenten, auch entsprechende Prioritäten zu setzen. Das hat meiner Meinung nach mit Wahlen überhaupt nichts zu tun.

Sie alle wissen, daß es gerade vor einigen Tagen einen sehr pikanten Vorfall in Enns gegeben hat. Die Bevölkerung von Enns hat an einer Kundgebung am Stadtplatz teilgenommen, oder, besser gesagt, die SPÖ-Enns hat zur Unterstützung für den Bau der Nordumfahrung Enns eine Kundgebung am Stadtplatz von Enns veranstaltet. Daraufhin – wahrscheinlich auch deshalb, weil das durch die Medien gegangen ist – hat der zuständige Landesrat die angekündigte Vorstellung der Nordumfahrung Enns plötzlich abgesagt, ist nicht gekommen, sondern hat den zuständigen Beamten zu der Veranstaltung geschickt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen aufgrund der Zeitknappheit nicht die zahlreichen Pressemeldungen vorlesen, die in den letzten Wochen gekommen sind, sondern nur ein paar Überschriften zitieren: "Autobahnknoten für Ennshafen überfällig", "Ennshafen: Ruf nach Autobahnanschluß", "Tauziehen um Nordumfahrung", "Angst um die Kinder", "Zorn auf den Landesrat", und so weiter. Die Zahl derartiger Meldungen hat gerade in den letzten Wochen stark zugenommen.

Abschließend möchte ich aus einem Leserbrief eines Ennsers zitieren, der in den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 24. Februar unter anderem schreibt: "Zum Erstaunen der Bürger sind genau die Politiker, die den Betonmoloch Ennshafen der Bevölkerung aufgezwun


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gen haben, jetzt diejenigen, die den Sparknoten Eckmayr-Mühle" – genau das ist nämlich der springende Punkt – "und damit den Erfolg des Hafens Enns mit allen Mitteln verhindern wollen."

Wir verlangen, daß rasch entschieden wird, daß ein Teil der Nordumfahrung mit dem Anschluß Eckmayr-Knoten gebaut wird, damit der Schwerverkehr dort fahren kann und somit die Bevölkerung entlastet wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Firlinger: Warum habt ihr der Entschließung dann nicht zugestimmt?)

21.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

21.12

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Ich meine, es ist gerechtfertigt, im Zusammenhang mit der vorliegenden Bundesstraßengesetznovelle und der Situation in der Bauwirtschaft darauf hinzuweisen, daß mit Investitionen natürlich immer Beschäftigungseffekte verbunden sind. Bauinvestitionen sind, wie wir wissen, in einem hohen Ausmaß inlandswirksam, da die Importquote im Bau vielfach gering ist. Es wird 1997, wenn ich die Informationen Ihres Ministeriums richtig gelesen habe, Bauvorhaben des Bundes im Ausmaß von insgesamt rund 38 Milliarden Schilling geben. Ich meine, daß es wichtig ist, darauf hinzuweisen, daß nicht nur die Vorhaben von Bedeutung sind, sondern daß vor allem auch sichergestellt werden muß, daß es zum Abschluß der Planungen und zum Baubeginn kommt. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, daß auch da keine Verzögerungen eintreten. – Zu dem genannten Volumen von 38 Milliarden Schilling kommen natürlich auch noch Vorhaben der Länder und Gemeinden. Insgesamt sind also auch die damit verbundenen Beschäftigungseffekte größer.

Wichtig scheint mir auch, daß jede Investition nicht nur einen Ersteffekt bewirkt, sondern daß auch die dadurch ausgelösten zusätzlichen Lieferungen und Leistungen Wertschöpfung bedeuten. Durch höheres Einkommen ist vielfach auch ein Anstieg der Kaufkraft im Bereich der Beschäftigten damit verbunden. Auch dies dient der Belebung der Wirtschaft.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut nimmt bei Bauinvestitionen einen Multiplikator von 1,6. Das heißt, bei einer Investitionssumme von beispielsweise 100 Millionen Schilling kommen als Sekundäreffekt noch rund 60 Millionen Schilling an Wirtschaftsbelebung, an Wertschöpfung dazu, die durch diese 100 Millionen Schilling Investitionssumme ausgelöst werden. Der Infrastrukturausbau des Bundes verbessert daher nicht nur die Standortqualität Österreichs, sondern sichert auch Beschäftigung im Ausmaß von mehr als 50 000 Arbeitsplätzen.

Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Prinzhorn von den Freiheitlichen hat in seinem Antrag eine Befürchtung ausgesprochen. Er befürchtet, daß ein starkes Ansteigen der Zahl von EU-Arbeitskräften – insbesondere aus Spanien, Portugal und Griechenland – in Österreich einsetzen könnte, und er macht sich Sorgen, daß dieser Umstand zu einem Sozial- und Lohndumping bei uns führen könnte. Ich möchte, bevor ich auf diese Sorge eingehe, nur darauf hinweisen, daß es bemerkenswert ist, daß ein Mitglied des Hohen Hauses Anträge stellt, aber dann bei der Diskussion seines eigenen Antrages gar nicht im Saal anwesend ist, offensichtlich also etwas Besseres vorhat, als sich hier um seinen Antrag zu kümmern und vielleicht die Argumente der anderen zu seinem Antrag zu hören. Aber das ist eben in die Kategorie des Sittenbildes der Freiheitlichen einzureihen. (Abg. Dr. Stippel: Das ist typisch!)

Ich glaube, daß die Freiheitlichen auch in dieser Frage wieder einmal zwei Gesichter zeigen. Mit dem einen Gesicht sagen sie: Wir machen uns Sorgen, daß die armen Portugiesen einem Lohndumping unterliegen und ausgebeutet werden könnten!, während sie gleichzeitig oder kurz vorher – also mit dem zweiten Gesicht – verlangen, daß wir in Österreich die Kollektivvertragslöhne senken, damit Bewegung auf dem Arbeitsmarkt entsteht und Arbeitsplätze leichter geschaffen werden können. Auf der einen Seite also die Sorge um den "armen, kleinen Portugiesen", und auf der anderen Seite die Forderung, doch gleich für alle die Löhne zu senken. Das zeigt einmal mehr die Haltung der Freiheitlichen im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt.


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Was ist in Wahrheit der Fall? – Tatsache ist, daß die vielen angekündigten Spanier, Portugiesen und Griechen gar nicht gekommen sind, gar nicht in unser Land "hereingeströmt" sind, wie es Herr Abgeordneter Prinzhorn besorgt gemeint hat. Wahr ist auch, daß die kollektivvertraglichen Löhne sicher nicht gesenkt werden – jedenfalls nicht, solange es soziale und demokratische Gewerkschaften gibt. Wenn es allerdings vielleicht einmal freiheitliche Gewerkschafter geben sollte (Abg. Auer: Gott bewahre uns!), dann könnte ich nicht mehr abschätzen, wie dann die Kollektivvertragspolitik ausschauen würde.

Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Abschließend möchte ich daher allen Bauarbeitern – sowohl den Inländern als auch den ausländischen Arbeitnehmern im Baube-
reich –, die vielfach bei jedem Wetter und oft trotz höchster Unfallgefahr tätig sind, und das bei Tag und bei Nacht, einmal für ihre Leistungen herzlichen Dank sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Freund. )

21.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

21.18

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Als Kärntner Abgeordneter möchte ich natürlich zum Antrag von Herrn Ing. Reichhold betreffend die Realisierung der ausschreibungsreifen Bundesstraßenbauprojekte in Kärnten Stellung nehmen. Dieser Antrag reiht sich ja meiner Meinung nach so wie viele F-Oppositionsanträge in die Reihe jener Anträge ein, mit denen kurz vor Wahlen – es ist allgemein bekannt, daß in Kärnten in eineinhalb Wochen Gemeinderatswahlen stattfinden – Wählerfang betrieben werden soll.

Bei genauer Betrachtung des Entschließungsantrages, lieber Kollege Reichhold, fällt auf, daß er sehr eilig geschrieben worden sein muß (Abg. Ing. Reichhold: Im Mai 1996 haben wir ihn eingebracht! – Abg. Mag. Firlinger: Das kommt davon, daß ihr die Anträge immer so versandeln laßt!) , da nicht einmal die Straßenbezeichnungen richtig sind. In dem einen Antrag steht nämlich, daß die B 100 die Plöckenpaßstraße ist. – Bei mir ist das aber noch immer die Drautalstraße.

Als Kärntner Abgeordneter bin ich natürlich jederzeit sehr daran interessiert, daß alle ausstehenden Bauvorhaben einer raschen Realisierung zugeführt werden, dies natürlich auch im Hinblick auf die derzeitige Arbeitsmarktsituation in der Baubranche in meinem Bundesland.

Lieber Kollege Reichhold! Hier ist wohl jedem klar, daß dieser Entschließungsantrag eigentlich den falschen Adressaten aufweist. Als ehemaliger Straßenbaureferent von Kärnten kennst du ja die üblichen Gepflogenheiten, wonach Straßenbauvorhaben zunächst nach dem Prioritätenkatalog gereiht, dann in der Landesregierung beschlossen und schließlich dem Bund vorgelegt werden. Entsprechend dem Budget und dem Verhandlungsergebnis werden die Mittel in der Folge dem Land zur Verfügung gestellt. Für das Jahr 1997 stehen für die Bundesstraßen A und B insgesamt 880 Millionen Schilling zur Verfügung.

Mir ist schon klar, daß man sich als Referent auch zu den Prioritäten bekennen und weniger dringende Vorhaben – das ist halt die eher unpopuläre Aufgabe in der Politik – auf zukünftige Jahre verschieben muß. Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Grasser, der derzeit in Österreich für negative Schlagzeilen sorgt, hat diese Prioritätensetzung ja selbst beantragt. Daher liegt es meiner Meinung nach auch in seinem Verantwortungsbereich, für eine entsprechende Umsetzung zu sorgen.

Ich unterstütze aber selbstverständlich jedes Bemühen, welches unser Straßennetz in Kärnten verbessert, und befürworte vor allem die praktizierte Vorgangsweise, daß jene Straßenbauprojekte, die einen größeren gesellschaftlichen Nutzen bringen, früher realisiert werden. Dem wird mit dem von der Landesregierung beschlossenen Bauprogramm entsprechend den finanziellen Möglichkeiten des Landes wie des Bundes Rechnung getragen.


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Aufgrund des guten Gebarungserfolges hoffe ich, daß noch zusätzliche finanzielle Mittel für diesen Zweck zur Verteilung gelangen können. 80 Millionen Schilling sind ja heute bereits in Aussicht gestellt worden. Ich bitte Sie, Herr Wirtschaftsminister, für Kärnten noch zusätzliche Mittel bereitzustellen. Dieses Geld kann dann für die Bauwirtschaft, für Infrastrukturmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Tourismus, für Verkehrssicherheitseinrichtungen, Umweltschutz und dergleichen verwendet werden.

Hohes Haus! Die Freiheitlichen haben diesen vorliegenden Antrag bei der Beratung im Bautenausschuß aber anscheinend selbst nicht so ernst genommen, weil insgesamt bei der Abstimmung nur mehr zwei F-Abgeordnete dafür gestimmt haben. Der Antragsteller Reichhold hat mir zwar versichert, daß er nicht auf Wahlkampftour war, sondern daß er krank gemeldet war; wir nehmen das auch so zur Kenntnis.

Da dieser Entschließungsantrag offensichtlich nur aus wahltaktischen Gründen gestellt worden ist, großteils im Bauprogramm schon enthalten und somit teilweise hinfällig ist, kann meine Fraktion derartigen Alibi-Aktionen keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

21.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Reichhold gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie kennen die Bestimmungen. 2 Minuten maximale Redezeit.

21.22

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte die Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Abgeordneten Karl Gerfried Müller, tatsächlich berichtigen. Er hat hier gemeint, wir Freiheitlichen hätten die Plöckenpaßstraße mit der Drautalbundesstraße verwechselt. Das ist nicht der Fall. Es handelt sich in diesem Antrag um die B 110 Plöckenpaßstraße und den Ausbau des Kleinen Tales, eine sehr lawinengefährdete, rutschgefährdete Straße. (Abg. Müller, der zu seinem Platz gehen wollte, kommt zurück zum Rednerpult, hält dem Redner eine Unterlage hin und zeigt mit dem Finger auf ein bestimmtes Wort: Kannst du nicht lesen?) Kollege Müller! B 110 steht hier, das ist hier ersichtlich.

Ich möchte das berichtigen: Das ist die Plöckenpaßstraße. Die Drautalstraße kann gar nicht in diesen Antrag aufgenommen werden, weil sie noch nicht ausschreibungsreif ist, wie du selbst weißt.

Herr Präsident! Zweite Berichtigung: Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Gerfried Müller, hat vorhin gemeint, daß ein Großteil der in unserem Antrag angeführten Vorhaben ohnehin verwirklicht wird. Das ist nicht der Fall. Von den 21 Vorhaben, die angemeldet worden sind, werden lediglich acht verwirklicht. Für den Rest hat das Land Kärnten kein Geld, obwohl dem Land Kärnten diese Mittel von vielen Bundespolitikern bei diversen Wahlkämpfen versprochen wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Sophie Bauer: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

21.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Elmecker gemeldet. – Bitte.

21.24

Abgeordneter Robert Elmecker (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf am Schluß dieser Debatte noch einen Entschließungsantrag einbringen, der uns im Zusammenhang mit neuen Verkehrsentwicklungen bei uns im Mühlviertel notwendig zu sein scheint.

Es ist ja bekannt, daß die tschechische Regierung in der Vorwoche bekanntgegeben hat, daß sie nicht mehr daran denkt, die Autobahn von Prag über Budweis nach Linz auszubauen. Daher bekommt auch die Verkehrsdiskussion bei uns eine andere Qualität. Wir meinen, daß man diese Autobahn tatsächlich nicht bauen sollte, dafür aber ein Ersatz geschaffen werden muß,


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der das große Verkehrsaufkommen, das wir im Mühlviertel seit der Öffnung der Grenze feststellen, auch entsprechend entlasten kann, nämlich über die Bahn.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elmecker, Mühlbachler, Schuster und Kollegen betreffend Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zwischen Linz und Prag, eingebracht im Zuge der gemeinsamen Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 bis 7 betreffend Berichte des Bautenausschusses (595 – 598 der Beilagen)

(Abg. Anschober: Sind Mühlbachler und Schuster jetzt auf dem Antrag drauf oder nicht?) Bei dir sind sie nicht drauf. (Allgemeine Heiterkeit.)

Die tschechische Regierung hat vergangene Woche das endgültige Aus für das Autobahnprojekt Prag – Staatsgrenze Österreich (– Linz) beschlossen. Damit muß das Verkehrsaufkommen verstärkt durch den öffentlichen Verkehr bewältigt werden. – Gemeint ist damit die Bahn.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird ersucht:

in bilateralen Verhandlungen mit dem tschechischen Verkehrsminister gemeinsame Lösungsvorschläge für die Verkehrsprobleme zwischen Prag und Linz auszuarbeiten, wobei der Schwerpunkt ein umfassender und rascher Ausbau der Bahnstrecke Prag – Linz mit größtmöglicher Verlagerung des Straßen(transit)verkehrs auf die Schiene sein sollte. Zur Finanzierung der Vorhaben sollten auch Finanzierungsmodelle im europäischen Rahmen angesprochen werden."

*****

(Abg. Mag. Stadler: Ihre eigene Fraktion fragt, ob Sie müde sind! Posch fragt, ob Sie müde sind! Bevor Sie zu schlafen anfangen, ...) Herr Kollege Stadler, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich habe den Antrag eingebracht, der uns für das Mühlviertel so wichtig erscheint, um den Ausbau der Bahn voranzutreiben, um damit den Gütertransit auf die Bahn zu bringen und nicht so wie bisher zu viel Straßenbelastung zu haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.28


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht worden, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Herr Abgeordneter Anschober gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Ich ersuche Sie, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

21.28

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe tatsächlich folgendes zur Berichtigung. Frau Kollegin Fekter hat mich eigentlich darauf gebracht.

Der gegenständliche Antrag, der soeben hier eingebracht wurde, wurde bereits einmal eingebracht, nämlich als Antrag Anschober. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das gleichzeitig ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Das ist keine tatsächliche Berichtigung.

Abgeordneter Rudolf Anschober (fortsetzend): Ich wollte dies geklärt haben.

21.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte, Herr Abgeordneter. Zweite Wortmeldung.

21.29

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Reichhold hat in einer nicht zu übertreffenden Selbstsicherheit hier meine Aussagen berichtigt. Ich stelle klar, daß der offizielle Antrag 200/A (E) vom 22. Mai 1996, jener Antrag, der allen Abgeordneten zugegangen ist, unter B 100 die Bezeichnung "Plöckenpaßstraße" trägt. (Beifall bei der SPÖ.)

21.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters entfällt.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, ihren jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 595 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Kurzbauer, Eder und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffern 24 und 28 des Gesetzentwurfes bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Kurzbauer, Eder und Genossen abstimmen.

Ich ersuche im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies geschieht abermals durch die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen .

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht in 596 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Bericht ist damit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht 597 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht 598 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Im Falle einer Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Dies ist abermals die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Anschober und Genossen betreffend Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zwischen Linz und Prag.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Elmecker, Mühlbachler und Genossen betreffend Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zwischen Linz und Prag.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht mit Stimmeneinheit. Der Antrag ist damit angenommen. (E 45.)

8. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (504 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (593 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Eine Wortmeldung liegt nicht vor.

Meine Damen und Herren! Wir treten damit sogleich in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich lasse abstimmen über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 593 der Beilagen.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinheit angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls stimmeneinhellig angenommen. Der Gesetzentwurf ist daher – ich stelle das ausdrücklich fest – in dritter Lesung angenommen.

9. Punkt

Erste Lesung des Antrages 370/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort hat zunächst die Antragstellerin Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.33

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Prammer! Ich freue mich und finde es sehr schön, daß Sie bei der ersten Lesung eines solchen Gesetzes anwesend sind.


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Dieser Gesetzesantrag hat eine Genesis, die Sie alle kennen, nämlich die, daß es seit nicht allzu langer Zeit in der Steiermark eine Landeshauptfrau gibt, und sich bei dieser Gelegenheit die Debatte daran entzündet hat, ob das nun eine Landeshauptfrau oder eine Frau Landeshauptmann ist.

Einige wußten es besser und haben gemeint, daß die Frau Klasnic sich nicht Landeshauptfrau nennen kann. Sie mögen jetzt lächeln oder schmunzeln, vor allem die männlichen Kollegen von der ÖVP, aber diese Debatte ist dennoch nicht so lächerlich, wie Sie glauben, denn sie entlarvt einiges. Sie entlarvt zum Beispiel den Umstand, daß es bis dahin noch nie eine Frau in einer solchen Funktion gegeben hat, und das ist bedenklich genug!

Sie entlarvt auch, daß die Sprache natürlich ein Spiegel des Bewußtseins ist. Das ist genau das, was ich bei Ihnen dann, wenn Sie das so lächerlich finden, nur noch einmal bedauernd feststellen kann. Denn eigentlich – und damit komme ich auch schon zum Kern des Ganzen – ist dieser Antrag nämlich eine Selbstverständlichkeit und ist auch bereits in der Verfassung im Artikel 7 geregelt. Dieser sieht vor, daß natürlich die Amtsbezeichnungen in der Form verwendet werden können, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringt. Darüber hinaus wird im Absatz 3 auch noch gesagt, daß Amtsbezeichnungen beziehungsweise Titel in der Form verwendet werden können, die das auch zum Ausdruck bringt.

Das eigentlich Betrübliche daran war aber, daß sich dann in der Steiermark die Diskussion daran entzündet hat, daß man – ich sage ganz bewußt "man", denn es waren männliche Kommentatoren, die das gesagt haben – das in Abrede gestellt hat und gesagt hat: Das ist einfach natürlich ... (Ruf bei der ÖVP: Der Dachstein!)

Sie können ruhig weiterblödeln! Ich aber sage Ihnen: Zu Recht hat es seinerzeit einen Brief an die Richterinnen des Verfassungsgerichtshofes gegeben, als es in jenem Fall der zwei Frauen, die ein Hochschulstudium absolviert und die Bezeichnung "Magister" erhalten haben, diesen bewußten Bescheid des Verfassungsgerichtshofes gegeben hat. Der Verfassungsgerichtshof hat dem Einspruch damals recht gegeben. Danach hat dieses Hohe Haus – Sie waren wahrscheinlich mit dabei, viele von Ihnen – das Hochschulstudiengesetz geändert und den Titel "Magistra" eingeführt. (Abg. Dr. Nowotny: Gott sei Dank!)

Ich kann Ihnen auch diesen Brief, der dahin ging, daß eben in umgekehrter Weise einmal alle Männer mit weiblichen Formen angeredet werden sollen, in Erinnerung rufen, um Ihnen klar und bewußt zu machen, was das bedeutet. Das ist ein Spiegel, den Sie offensichtlich sonst nie vorgehalten bekommen.

Zurück zu meinem Antrag, zur erwähnten Gesetzesänderung. Es sieht nichts anderes vor, als daß ein für alle Mal in der Formulierung klarzustellen ist, daß eben konkret das weibliche Korrelat zum Landeshauptmann die Landeshauptfrau und zum Bezirkshauptmann die Bezirkshauptfrau ist. Warum? – Um einerseits allen falschen Behauptungen den Boden zu entziehen, ihnen den Anlaß zu nehmen, und um auf der anderen Seite eine einheitliche feministische Form einzuführen, damit es nicht zu solch eigenartigen Formulierungen wie zum Beispiel "Landeshauptmännin" und ähnlichem kommt.

Zuletzt sei mir noch erlaubt, zu sagen, daß ich weiß, daß das alles keine sehr glückliche und vermutlich auch keine wirklich befriedigende Form ist, wie nun das Geschlecht des jeweiligen Inhabers, der jeweiligen Inhaberin einer solchen Funktion ausgedrückt werden kann, und daß es wahrscheinlich besser wäre, eine Form zu finden, die insgesamt neutraler ist. Aber das wäre eine sehr große Reform, und auf eine solche möchte ich nicht warten. Sie würde viele Formen einschließen. Es gibt heute schon den Kaufmann und die Kauffrau, es gibt den Gemeinderat und die Gemeinderätin, es gibt den Stadtrat und die Stadträtin, es gibt den Obmann und die Obfrau. Es gibt viele solche Formen, die im Bewußtsein der Menschen heute schon viel selbstverständlicher sind als der Titel Landeshauptfrau oder Bezirkshauptfrau.

Ich bin aber optimistisch genug, daran zu glauben, daß es irgendwann einmal so viele weibliche Amtsinhaberinnen und Funktionsträgerinnen geben wird, daß die Bezeichnungen "Landeshauptfrau" und "Bezirkshauptfrau" eine Selbstverständlichkeit sein werden, so wie heute die Bezeich


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nungen Gemeinderätin und Stadträtin bereits selbstverständlich sind. Bis es soweit ist, soll dieser Spiegel des Bewußtseins Ihnen helfen. Daher dieser Gesetzesantrag.

Ich appelliere an Sie alle, diesem Gesetzesantrag im Ausschuß die Zustimmung zu geben und die Änderung zu beschließen. Denn es handelt sich, wie gesagt, nur mehr um die Korrektur einer Bezeichnung beziehungsweise zweier Bezeichnungen, was bisher einfach übersehen worden ist.

Ich meine, ich muß Ihnen nicht vorlesen, was dieses Haus schon alles beschlossen hat, was die sprachliche Gleichstellung betrifft. Es handelt sich um eine Selbstverständlichkeit – fast möchte ich sagen: eine Lappalie –, aber sie gehört beschlossen und durchgeführt. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Sie wissen aber schon, daß Frau Klasnic "Frau Landeshauptmann" genannt werden will?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Grünen.)

21.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

21.40

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! "Die Mächtigen haben seit jeher dafür gesorgt, daß nur sie im Besitz der Sprache bleiben. Sie haben es durch Sprachmacht und Sprachgewalt getan, das heißt durch Verbote und Gebote." – Das sagt die Linguistin Senta Trömel-Plötz, die Begründerin der feministischen Linguistik. Und die bedeutende österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann hat gesagt: "Keine neue Welt ohne neue Sprache."

Die Sprache ist unser wichtigstes Verständigungsmittel. Die Sprache wirkt bewußtseinsbildend. Der Wandel der Sprache wirkt auf unser Bewußtsein und verändert unmittelbar die soziale Welt. Die sprachliche Gleichstellung ist ein Teil der rechtlichen und sozialen Gleichstellung.

Die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten hat eine Studie in Auftrag gegeben: "Kreatives Formulieren, Leitlinien zu geschlechtsgerechtem Sprachgebrauch". Diese Studie wird, soviel ich weiß, in den nächsten Tagen vorgestellt werden. Ich bin schon sehr gespannt darauf. Ich glaube, daß das ein Thema ist, das man nicht unterschätzen und über das man sich nicht lustig machen soll. Daher bin ich durchaus dafür, daß wir die Diskussion über die Formulierung in Art. 7 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes verstärken.

Ich denke, wir sollten das tun, aber wir dürfen uns nicht mit solchen Dingen begnügen. Wir dürfen uns dadurch nicht ablenken lassen von den ganz zentralen Fragen, die uns unter den Nägeln brennen: die steigende Arbeitslosigkeit bei Frauen, die Diskriminierung am Arbeitsplatz, die mangelnde Partnerschaft in der Familie und das Problem, daß es für Frauen sehr schwer ist, Beruf und Familie in Einklang zu bringen.

Das, was in diesem Antrag angesprochen ist, kann nur ein Aspekt sein, aber auch damit muß man sich befassen. Ich meine, daß wir abgesehen davon aber ein ganzes Paket von frauenfördernden Maßnahmen brauchen, und das sollten wir gemeinsam in Angriff nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

21.42

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Frauenrollen und Frauenbilder haben sich gewandelt und sind im Wandel begriffen. Frauen erreichen heute Funktionen, die ihnen viel zu lange vorenthalten wurden. Man dachte gar nicht daran, daß Frauen solche Funktionen jemals erreichen können. Deswegen gibt es Funktionsbezeichnungen wie zum Beispiel "Landeshauptmann" oder "Bezirkshauptmann", weil es früher völlig undenkbar war, daß Frauen in diese Funktionen kommen.


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Das wichtigste für uns von der Volkspartei ist nicht der Titel, sondern die Tatsache, daß Frauen in diese Funktion kommen können. Und ich glaube, in den Köpfen der ÖVP hat das Umdenken insofern funktioniert, als erstmals eine Frau die Spitzenfunktion eines Landes ausübt. Das ist das wichtigste! (Beifall bei der ÖVP.)

Viele Funktionsbezeichnungen sind nach wie vor auf Männer zugeschnitten. Wie Kollegin Kammerlander bereits ausgeführt hat, glaube auch ich, daß es heutzutage nicht mehr sinnvoll ist, aus der Militärsprache übernommene Funktionsbezeichnungen beizubehalten. Ich glaube, wir sollen uns über neue Funktionsbezeichnungen, in denen weder der Begriff "Mann" noch "Frau" dezidiert enthalten ist, Gedanken machen und wirklich Funktionsbezeichnungen finden und anwenden, die sowohl Frauen als auch Männer tragen können und die leicht adaptierbar sind. Deswegen meine ich, daß wir den längeren Weg wählen und noch nachdenken sollten, einen Weg, der à la longue sicherlich der beste und der sinnvollste ist. (Beifall bei der ÖVP).

Ich glaube, Kollegin Kammerlander hat schon davon gesprochen. Ich möchte aber auch an die ehemalige Präsidentin des Nationalrates Marga Hubinek erinnern, die hier ganz vorbildhaft dafür gearbeitet hat, daß Funktionsbezeichnungen wie zum Beispiel "Amtsrätin" möglich wurden. Auf diese Weise ist es viel leichter, auf die Frauen Rücksicht zu nehmen. Seit der Verfassungsänderung 1988 ist klargestellt, daß alle Funktionsbezeichnungen in einer Form verwendet werden können, die das Geschlecht des Amtsinhabers beziehungsweise der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. – Ich glaube, das ist ganz wichtig.

Wir müssen auch – und ich bin froh, daß das in Ihrem Antrag enthalten ist – selbstbewußt sagen, daß wir bei neueren Gesetzen sehr wohl peinlichst genau versuchen, diese geschlechtsneutral zu formulieren. Manchmal führt das fast zu Sprachverwirrungen. Ich möchte zum Beispiel aus dem Universitätsstudiengesetz ganz kurz zitieren:

"Mit der Zulassung wird die Antragstellerin oder der Antragsteller als ordentliche oder außerordentliche Studierende oder außerordentlicher oder ordentlicher Studierender Angehörige oder Angehöriger dieser Universität oder Hochschule."

Ich glaube, manchmal wird diese Art der geschlechtsneutralen Formulierung schon in einem Maße betrieben, daß wir nicht Klarheit, sondern eher Sprachverwirrung schaffen, indem wir bemüht sind, Frauen und Männer in jedem Satz vorkommen zu lassen. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang Gedanken machen, wie wir das besser machen könnten! (Abg. Schieder: Am verwirrendsten ist das Wort "Generalsekretärin", denn darin sind Mann und Frau, General und Sekretärin, enthalten!)

Da Sie gerade "Sekretärin" sagen, fällt mir noch etwas ein. Die grundsätzlichen Gedanken meiner Fraktion habe ich bereits eingebracht. Ich möchte nur noch sagen: Ich glaube, das wichtigste ist, daß das Umdenken in den Köpfen stattfindet. Daß das noch nicht der Fall ist, zeigte sich heute wieder, als Kollege Jung bei der Neutralitätsdebatte sagte: "Ach, nur die Frau Staatssekretärin ist hier!" – Das ist das Problem! In den Köpfen muß eine Änderung stattfinden. Daß dieser Wandel auf dem Papier vollzogen wird, genügt nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

21.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordnetem Mag. Stadler vor. – Bitte.

21.46

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Pollet-Kammerlander! Ich weiß nicht, wie ich Sie ansprechen soll! Ihr Name hat auch eine sehr männliche Form. Soll ich sagen: Kammerländerin, Kammerlanderin oder – die russische Version – Kammerlanderova? (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Frau Kollegin! Diese Debatte ist mit Sicherheit nicht lächerlich, aber sie ist die unnötigste und nachrangigste Debatte dieser Legislaturperiode. Meine Damen und Herren! Wegen Frau Landeshauptfrau Klasnic die Bundesverfassung zu ändern ... (Abg. Nürnberger: Das ist eine Verhöhnung!) Ich mache Ihnen noch ein paar Vorschläge! (Weiterer Zwischenruf des


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Abg. Nürnberger. ) Klären Sie mich auf, Herr Kollege Koppler! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ach so, Nürnberger heißt er! Sehen Sie, so bekannt sind Sie in diesem Haus!

Herr Kollege Nürnberger! Klären Sie mich auf: Sollen in Zukunft beim Bundesheer, wenn dereinst Damen zum Bundesheer dürfen, Angelobungen der "Jungmänner und Jungfrauen" vorgenommen werden? Wie stellt man sich das vor, meine Damen und Herren? Wie soll das in Zukunft gehen? (Abg. Schieder: Ha, ha, ha!) Das ist wirklich eine "unglaublich wichtige" Angelegenheit!

Es gibt 300 000 Arbeitslose in diesem Land. Die Tatsache, daß das Schwergewicht der Verarmung von einer Million armutsbedrohter Menschen in diesem Land bei den Frauen liegt, schert die Damen und Herren von den Linken offenbar nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wichtig sind für Sie nur geschlechtsneutrale Titel! Wichtig ist, daß in Zukunft eine Landeshauptfrau nicht mehr "Landeshauptmann" heißt, sondern "Landeshauptfrau" oder "Landeshauptmensch". Erklären Sie mir, wie dann Schachner-Blazizek heißen soll: "Stellvertretende Landeshauptfrau"? Wie soll das gehen? Erklären Sie mir das einmal! Das ist absurd, das ist lächerlich! Das ist die unnötigste Debatte, die in dieser Legislaturperiode geführt wird. Wir werden den Antrag ablehnen und keine Silbe mehr verlieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte. Sie haben eine Restredezeit von 3 Minuten.

21.48

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Vielen Dank, Herr Präsident! Ich habe auf dem Weg einen Zettel bekommen, der von einem Mann für einen Mann geschrieben worden ist: "Si tacuisses, philosophus mansisses." Herr Stadler! Hätten Sie geschwiegen, wären Sie ein Philosoph geblieben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Ich glaube, Sie repräsentieren nicht nur einen, der auf den Gefühlen von Frauen herumtrampelt, sondern überhaupt eine Herde von Elefanten in diesem Haus! (Abg. Haigermoser: Das sagen ausgerechnet Sie!) Das sage ich, weil ich der Meinung bin, daß man sich ernsthaft mit diesem Thema zu befassen hat. Man kann nicht ein Thema, das manchen Frauen wichtig ist, als lächerlich abtun!

Es geht darum, daß wir einem Antrag folgen möchten, den die Liberalen bereits am 20. September 1995 erstmals und im Jänner 1996 noch einmal eingebracht haben, der nach einem einstimmigen Beschluß bereits in Begutachtung ausgeschickt worden ist und daher jetzt hier nur mehr sozusagen eine Verstärkung erfährt.

Ich bewundere, daß es beim UStG gelungen ist, die weiblichen und männlichen Bezeichnungen durchzuhalten. Man spricht darin von "Dekan" und "Dekanin". Morgen werden wir über eine Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz sprechen, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen und Berufstätige erlassen wird. In diesem ist das natürlich nicht der Fall, da hat man sich nicht darum gekümmert, daß es in den Schulen auch Frauen gibt, die etwa auch Schulleiterinnen sind. Da ist das schon wieder unwichtig geworden.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang Karl Kraus, der sicherlich kein Feminist ist, Herr Stadler, der aber 1912 schrieb: "Frauenrechtler mögen verzweifeln, aber es läßt sich nun einmal nicht ändern: Die Sprache hält es mit dem Mann, sie ist noch immer nicht emanzipiert." – Seit 1912, Herr Stadler, hat sich daran nichts geändert! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß, daß Herr Stadler sehr oft überfordert ist, aber ich vertraue auf die Männer, und deshalb möchte ich ihm nicht absprechen, daß er vielleicht auch einmal lernen kann und sich nicht mehr lustig machen wird über Familiennamen von Angehörigen des Parlaments. Denn das war wirklich zu viel! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Wissen Sie, Herr Stadler: Gewalt an Frauen beginnt dann, wenn aus Frauen Objekte werden, von denen man reden kann wie von einem Ding! Und genauso haben Sie sich jetzt aufgeführt! Diskriminierung beginnt, wo Sprache, Existenz, Geschichte, Arbeit, Leistung und ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, um den Schlußsatz, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (fortsetzend): Diskriminierung beginnt, wo Sprache, Existenz, Geschichte, Arbeit, Leistung und Kompetenz von Frauen verschwiegen werden. Sie, Herr Stadler, verweigern die Kompetenz von Frauen in Funktionen! (Abg. Mag. Stadler : Wie macht man aus einer Hebamme eine geschlechtsneutrale Person?)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (fortsetzend): Deshalb möchte ich an Sie appellieren, sich noch einmal zu überlegen, welche Ungeheuerlichkeit Sie jetzt begangen haben! (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. Sie haben noch 2 Minuten Restredezeit.

21.53

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin Brauneder! Meine sehr geehrten Damen! (Lebhafte Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ, dem Liberalen Forum und den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte beachten Sie, daß auch das Präsidium Interesse an den Ausführungen der Redner und natürlich auch der Rednerinnen hat. – Danke schön.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es scheint sich offenbar so zu verhalten, daß Frau Kollegin Stadler Schwierigkeiten hat, zwischen Titeln und Namen zu unterscheiden. Aber das wird schon noch kommen! Wenn irgend jemand Zweifel an der Notwendigkeit einer wirklich durchgehenden Berücksichtigung weiblicher Titel und Berufsbezeichnungen gehabt hat, dann wird sie diese, wie ich meine, nach den Ausführungen der Frau Kollegin Stadler wohl nicht mehr haben! (Abg. Mag. Stadler: Frau Antun Petrovic!)

Sprache ist immer verräterisch. Ich habe noch nie gehört, daß irgend jemand von einer "Frau Bediener" gesprochen hätte. Das heißt, daß dort, wo es um untergeordnete, gesellschaftlich nicht sehr geschätzte Funktionen geht, weibliche Bezeichnungen wie "Bedienerin" immer schon akzeptiert waren. Bei den Funktionen ganz oben hingegen waren weibliche Bezeichnungen stets sehr, sehr rar. Daher bin ich überzeugt davon, daß die gesamte Bundesregierung mit der Frau Bundeskanzlerin an der Spitze diese Regelung sehr begrüßen und die Frau Bundespräsidentin sie gerne gegenzeichnen würde. (Beifall bei den Grünen.)

21.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 370/A dem Gleichbehandlungsausschuß zu.

Für den Vorwurf des Herrn Abgeordneten Dkfm. Bauer an Herrn Bundesminister Farnleitner, er habe das Haus angelogen, und für den Gebrauch des Wortes "Lüge" erteile ich Herrn Abgeordneten Dkfm. Bauer einen Ordnungsruf.

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 397/A bis 403/A eingebracht wurden.


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Ferner sind die Anfragen 2017/J bis 2053/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 27. Februar 1997, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21.56 Uhr