Stenographisches Protokoll

71. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 17. April 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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71. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 17. April 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 17. April 1997: 9.01 – 18.21 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG)

2. Punkt: Erste Lesung des Antrages 416/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebshilfegesetz geändert wird

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 420/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz i. d. F. von 1929 geändert wird

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 415/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 und das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert werden

5. Punkt: 4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle

6. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

9. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll

11. Punkt: Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen), samt Vorbehalten


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12. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 9

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 439/A (E) betreffend Euro-Informationskampagne und deren Leitung gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 13. Mai 1997 zu setzen 27

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 27

Redner:

Mag. Doris Kammerlander 124

Dr. Ewald Nowotny 125

Mag. Cordula Frieser 126

Mag. Johann Ewald Stadler 127

Mag. Helmut Peter 128

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 129

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 130

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 27

Antrag der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen, die Regierungsvorlage 609 d. B.: 4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle, in der Fassung des Ausschußberichtes 663 d. B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Finanzausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 90, 135

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidenten Dr. Heinrich Neisser 142

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls 143

Fragestunde (15.)

Bundeskanzleramt 9

Dr. Jörg Haider (117/M); MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Johann Schuster (113/M); MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Dr. Heide Schmidt, DDr. Erwin Niederwieser, Ing. Wolfgang Nußbaumer

Mag. Dr. Heide Schmidt (119/M); Dr. Josef Cap, Dr. Michael Krüger, MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Arnold Grabner (115/M), Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Mag. Helmut Peter

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (120/M); Klara Motter, Annemarie Reitsamer, Anna Elisabeth Aumayr, Georg Schwarzenberger


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Dr. Michael Krüger (118/M); Dr. Gertrude Brinek, Klara Motter, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Walter Posch

Franz Morak (114/M); MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Helmut Dietachmayr, Mag. Dr. Heide Schmidt, Ing. Walter Meischberger

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 9

Ausschüsse

Zuweisungen 26, 74, 85, 88

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Verrat von Arbeitnehmerinteressen (2303/J) 93

Begründung: Reinhart Gaugg 95

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 99

Debatte:

Dr. Jörg Haider 104

Rudolf Nürnberger 107

Franz Kampichler 109

Dr. Volker Kier 110

Mag. Doris Kammerlander 112

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 114

Sophie Bauer 117

Johannes Zweytick 118

Sigisbert Dolinschek 120

Gabriele Binder 122

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend Vermeidung der kalten Progression – Ablehnung 115, 123

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (503 d. B.): Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (657 d. B.) 28

Redner:

Herbert Scheibner 28

Peter Schieder 32

Hans Helmut Moser 35

Dr. Michael Spindelegger 39

Mag. Doris Kammerlander 42

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 46

Dr. Franz Löschnak 48

Wolfgang Jung 50

Dr. Karl Maitz 53

Mag. Terezija Stoisits 54

Anton Gaál 57

Dr. Harald Ofner 59


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Karl Donabauer 60

Mag. Johann Ewald Stadler 62

Karl Donabauer (tatsächliche Berichtigung) 63

Wolfgang Großruck 64

Annahme des Gesetzentwurfes in 657 d. B. 65

2. Punkt: Erste Lesung des Antrages 416/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebshilfegesetz geändert wird 67

Redner:

Edith Haller 67

Helmut Dietachmayr 69

Katharina Horngacher 70

Anna Elisabeth Aumayr 71

Dr. Volker Kier 73

Zuweisung des Antrages 416/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 74

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 420/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz i. d. F. von 1929 geändert wird 74

Redner:

Mag. Terezija Stoisits 74

Mag. Walter Posch 77

Dr. Andreas Khol 79

Dr. Harald Ofner 80

Dr. Volker Kier 83

Georg Wurmitzer (tatsächliche Berichtigung) 85

Zuweisung des Antrages 420/A an den Verfassungsausschuß 85

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 415/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 und das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert werden 85

Redner:

Dr. Hans Peter Haselsteiner 86

Ing. Kurt Gartlehner 87

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 87

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 87

Zuweisung des Antrages 415/A an den Budgetausschuß 88

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (609 d. B.): 4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle (663 d. B.) 88

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 88, 133

Kurt Eder 90

Mag. Johann Ewald Stadler 91

Mag. Dr. Josef Höchtl 131

Mag. Helmut Peter 132

Mag. Dr. Josef Höchtl (tatsächliche Berichtigung) 132

Bundesminister Rudolf Edlinger 134

Annahme des Gesetzentwurfes in 663 d. B. 136


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen betreffend Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung – Ablehnung 92, 136

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (365 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen (658 d. B.) 136

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (505 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (659 d. B.) 136

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (545 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (660 d. B.) 136

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (556 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (661 d. B.) 136

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (585 d. B.) Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (662 d. B.) 136

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (558 d. B.): Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen), samt Vorbehalten (664 d. B.) 137

Redner:

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 137

Ing. Kurt Gartlehner 138

Dr. Alexander Van der Bellen 139

Bundesminister Rudolf Edlinger 139

Genehmigung der Staatsverträge in 658, 659, 660, 661, 662 und 664 d. B. 140

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 141

12. Punkt: Regierungsvorlage: Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen (577 d. B.) 141

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Redner:

Dr. Willi Fuhrmann 141

Genehmigung des Staatsvertrages in 577 d. B. 142


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Eingebracht wurden

Bericht 27

III-81 d. B.: Sonderbericht über das Beschaffungswesen im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung; Vierter und letzter Teilbericht; Rechnungshof

Anträge der Abgeordneten

Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz geändert werden (AVG-Novelle 1997) (440/A)

Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Maßnahmen zu einer Reform der Forschungsförderung in Österreich (441/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch und das Einkommensteuergesetz 1988 und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (EURO-Bilanzgesetz) (442/A)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Stopp der Gesetzesflut (443/A) (E)

Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 und das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Südtirolern mit österreichischen Staatsbürgern auf bestimmten Verwaltungsgebieten geändert werden (444/A)

Klara Motter und Genossen betreffend Entkriminalisierung von Cannabis (445/A) (E)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (446/A)

Anfragen der Abgeordneten

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Verrat von Arbeitnehmerinteressen (2303/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend den Entwurf zu einem technologiepolitischen Konzept 1996 der Bundesregierung (2304/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Weisung des Justizministeriums an die Staatsanwaltschaft Graz (2305/J)

Dr. Günther Leiner und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Handel mit Hormonpräparaten in Österreich (2306/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend problematische Gesetzesregelung bei Trunkenheit am Steuer (2307/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Tätigkeiten des "Vereins zur Förderung notleidender Menschen in der Dritten Welt – HUMANA" (2308/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Zeitschrift "MEDIZIN populär" (2309/J)


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Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Schuldenerlaß für Entwicklungsländer (2310/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Aussagen von Herrn Florian Krenkel in der "Passauer Neuen Presse" vom 11. 2. 1997 (2311/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung und Zusammenlegung von Gendarmerieposten und Wachzimmern in der Steiermark (2312/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Rechtsbereinigung (2313/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kommunalkredit (2314/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuer an ausländische Unternehmer (2315/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Überprüfung der Effizienz der Bestimmungen des Steuerrechts (2316/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vorgangsweise hinsichtlich der Firma DABO (2317/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltprüfung (2318/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltprüfung (2319/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltprüfung (2320/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Agenden der Abteilungen I und IV der Bundespolizeidirektionen (2321/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge für dienstnehmerähnlich Beschäftigte aufgrund des VfGH-Erkenntnisses (2322/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Präsentation Österreichs auf der ITB in Berlin und die Vorgangsweise der ÖW im allgemeinen (2323/J)

Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schulwachzimmer (2324/J)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Studienfortgang und Aufschubrecht in Wehr- und Zivildienst (2197/J)


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Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1967/AB zu 1959/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (1968/AB zu 2011/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1969/AB zu 1965/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1970/AB zu 2054/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1971/AB zu 2033/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Stampler und Genossen (1972/AB zu 1981/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (1973/AB zu 1989/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1974/AB zu 1966/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1975/AB zu 1999/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen (1976/AB zu 1990/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen (1977/AB zu 1978/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1978/AB zu 1976/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1979/AB zu 1947/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1980/AB zu 2121/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1981/AB zu 1993/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1982/AB zu 1994/J)


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 71. Sitzung des Nationalrates.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Preisinger, Rosenstingl, Gatterer, Haigermoser, Dr. Partik-Pablé, Fink, Schaffenrath, Dkfm. Holger Bauer, Dr. Puttinger, Öllinger und Dr. Salzl.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Bundeskanzleramt hat Mitteilung gemacht über Entschließungen des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt:

Frau Bundesministerin Mag. Barbara Prammer wird durch Herrn Bundesminister Dr. Caspar Einem vertreten, Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch durch Herrn Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek und Herr Bundesminister Dr. Farnleitner durch Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein. – Ich bitte um Kenntnisnahme.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben für die heutige Sitzung eine Fragestunde in die Tagesordnung aufgenommen, und ich beginne jetzt – um 9.01 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundeskanzleramt

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Haider an den Herrn Bundeskanzler. Der Herr Abgeordnete wird die Frage im Sinne der Geschäftsordnung verlesen. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

117/M

Wie können Sie es in einer Zeit, in der Sie den Österreicherinnen und Österreichern Einkommensverluste abverlangen, verantworten, daß eine Bezügereform beschlossen wird, die für Sie als Bundeskanzler eine massive Erhöhung Ihres Politikereinkommens um 1 Million Schilling auf 3,5 Millionen Schilling jährlich vorsieht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Lassen Sie mich eingangs noch einmal daran erinnern, daß es das Ziel des Konsolidierungspakets der Bundesregierung war, von jedem Österreicher einen gerechten Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes zu erbitten. –


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Ich glaube, daß uns das auch gelungen ist, daß auch die Politiker einen für sie gerechten Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes geleistet haben; es sei denn, wir hätten einen Fehler gemacht. Aber ich hoffe, daß auch Sie, wenn Sie Ihre Steuererklärung anschauen, merken, daß Sie einen gerechten Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes geleistet haben. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Da müssen wir etwas korrigieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Grundsatz: Es ist Ihnen sicher in Erinnerung, daß der Gesetzgeber selbst, der Nationalrat, am 9. Juli 1996 eine Entschließung verabschiedet hat, wonach eine Einkommenspyramide für Politiker von Bund, Ländern und Gemeinden sowie für Selbstverwaltungskörperschaften aufgestellt werden sollte und eine unabhängige Expertengruppe Vorschläge ausarbeiten sollte.

Es ist auch hinsichtlich der Zusammensetzung der Kommission am 13. September 1996 Einvernehmen erzielt und der Kommission ein Mandat erteilt worden.

Diese Kommission – den Vorsitz führte der Präsident des Rechnungshofes – hat am 2. Jänner 1997 das Ergebnis ihrer Beratungen dem Nationalrat übergeben, und auf Basis dieser Vorschläge der Kommission haben die vier Parteien, die sich in diesem Bereich zu einer gemeinsamen Vorgangsweise entschlossen haben, eine grundsätzliche Einigung über ein neues System der Politikerbezüge erzielt.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich habe unabhängig von diesen Beratungen mehrfach erklärt, daß ich für meine Person keine Erhöhung der Bezüge anstrebe. Sollte dies nach dem neuen System der Fall sein – das habe ich bereits mehrfach erklärt –, werde ich eine allfällige Bezugserhöhung gegenüber meiner bisherigen Bezüge als Finanzminister für karitative Zwecke zur Verfügung stellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Dr. Haider, bitte.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Damit geben Sie ja zu, daß durch Ihre Sparpaketmaßnahmen den "kleinen Leuten" Geld weggenommen wird, die Politiker aber etwas dazubekommen. Sie sagen dann halt: Ich verzichte! und ähnliches. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) – Sie werden es schon noch erwarten.

Ich frage Sie daher, ob es nicht gerechter wäre, in einer Zeit, in der einschneidende Sparmaßnahmen bei den unteren und mittleren Einkommensbeziehern auf der Tagesordnung sind, das freiheitliche Modell mit einer Höchstgrenze von 60 000 S netto für Politiker einzuhalten (weiterer Zwischenruf des Abg. Schwemlein ) , um damit eine Vorbildwirkung gegenüber der Bevölkerung, die wesentlich stärker zur Kasse gebeten wird, wahrzunehmen. – Dieser Betrag, den ein Politiker dann erhalten würde, entspricht immerhin dem Zwei- bis Dreifachen eines Durchschnittsgehalts.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich glaube, daß eine Orientierung an Nettobezügen in Österreich nicht nur sehr unüblich, sondern auch unfair wäre, weil die Orientierung an Nettobezügen im wesentlichen die volle Latte der Steuerabsetzbarkeit und ähnliches berücksichtigt. Das bedeutet, es kann ohne weiteres so sein, daß Sie bei 60 000 S netto auf 120 000 S brutto kommen oder ähnliches; das muß man ganz offen und fair sagen. Und es macht in der Öffentlichkeit selbstverständlich einen sehr viel besseren Eindruck, aus dieser Differenz zwischen Netto und Brutto politisches Kapital zu schlagen.

Ich meine, einen Grundsatz sollten wir aber schon beherzigen: Wenn der Nationalrat einer Kommission den Auftrag gibt, eine Gehaltspyramide für Berufspolitiker in Relation zur Verantwortung und zur Aufgabenerfüllung, eingebettet in die gesamtösterreichische Entwicklung, in das österreichische Gehaltssystem, zu erarbeiten, dann sollten wir diese unabhängige Expertenkommission nicht ad absurdum führen, sondern das Ergebnis zur Kenntnis nehmen. Und das halte


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ich für einen wesentlichen Beitrag. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Da ist unser Modell auch drinnen in der Kommission!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Dr. Petrovic. – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Besonders böses Blut in der Öffentlichkeit haben in Sachen Privilegien von Politikerinnen und Politikern die arbeitslosen Einkommen und die Politikerpensionen gemacht. Fälle solch arbeitsloser Einkommen hat es in der Vergangenheit nicht nur bei den Regierungsfraktionen, sondern sehr massiv auch bei der Freiheitlichen Partei gegeben.

Ich frage Sie daher: Warum haben Sie als Finanzminister – Sie haben gerade die Entschließung vom 9. Juli 1996 angesprochen – nicht viel früher agiert und eine Regierungsvorlage erstellt, nach der es keine arbeitslosen Politikereinkommen und keine Doppelpensionen mehr gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Petrovic! Ich darf hier noch einmal erwähnen, daß der Nationalrat bereits im Juli 1996 mit einem Entschließungsantrag den Auftrag gegeben hat, das in diese Richtung zu durchforsten. Sie wissen, daß ich erst ab Jänner 1996 Finanzminister war.

Aber ich hoffe, daß das, was nun von der Kommission vorliegt, auch Ihre Zustimmung finden wird. Wenn ich richtig informiert bin, handelt es sich ja um eine Vierparteieneinigung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfragen werden nicht gewünscht, damit ist die 1. Frage erledigt.

Wir kommen zur 2. Anfrage. – Herr Abgeordneter Schuster, bitte.

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage an Sie:

113/M

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie seit der Landeshauptleutekonferenz am 27. Februar dieses Jahres gesetzt, damit die Bundesstaatsreform vereinbarungsgemäß noch in diesem Jahr beschlossen werden kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um die Beantwortung, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Lassen Sie mich eingangs erwähnen, daß es den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich im Zusammenhang mit dieser Föderalismusdiskussion weniger wichtig ist, wie Bürokratie hin- und hergeschoben wird oder ähnliches.

Wir wollen diese Bundesstaatsreform nach zwei wesentlichen Zielkriterien angehen. Das erste: Wie können wir die Qualität der öffentlichen Dienstleistung für den Bürger verbessern? – Indem wir die Dienstleistungen möglichst bürgernahe erbringen. Und das zweite: Wie können wir die Effizienz verbessern? – Indem wir die Entscheidungsverantwortung mit der finanziellen Verantwortung zusammenführen, Mehrfachkompetenzen, Überlappungen beseitigen und ähnliches.

In diesem Sinne bekenne ich mich uneingeschränkt zu einem bürgernahen Föderalismus.

Es ist aber auch – und das ist, glaube ich, ein wesentlicher Schritt – zu sehen, daß wir im Sinne dieses Konsultationsmechanismus schon eine neue Qualität der finanziellen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern geschaffen haben.


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Wir haben uns nun im Sinne dieser konstruktiven Zusammenarbeit entschlossen, uns auf Basis des Perchtoldsdorfer Abkommens – und dieses ist unbestritten – noch einmal die Mühe zu machen, Bund und Länder gemeinsam, die Hoheitsverwaltung auf ihren verschiedenen Ebenen zu durchforsten und zu schauen, wo wir durch Kompetenzbereinigung, durch klare Entflechtung mehr Bürgernähe, weniger Verwirrung, eine Kostensenkung und bessere Effizienz erreichen können.

Die Bundesregierung hat dafür schon ein Arbeitsteam nominiert, und sie wird mit dem Arbeitsteam der Länder in diesem Sinne unverzüglich die Arbeit aufnehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Schuster, bitte.

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Da Sie sich so eindeutig zum Perchtoldsdorfer Pakt bekennen, folgende konkrete Frage dazu, da die Bundesstaatsreform auch einen Niederschlag in der Regierungserklärung gefunden hat: Welchen Zeithorizont haben Sie sich selbst gesetzt, daß noch im heurigen Jahr die Verwirklichung vor sich gehen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt – und zu dessen Erreichung sind wir, meine sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus, natürlich auf Ihre Unterstützung und Mithilfe, ich möchte nicht sagen "ausgeliefert", angewiesen –, daß zum Beispiel der Konsultationsmechanismus, wie er seitens der Regierungsparteien und der Vertreter der Landeshauptleutekonferenz, Städtebund-, Gemeindebundvertreter unterschrieben wurde, noch vor dem Sommer dieses Jahres hier im Hohes Haus verabschiedet werden soll.

Was die Weiterentwicklung der Bundesstaatsreform betrifft: Wir haben uns gemeinsam mit den Landeshauptleuten vorgenommen, bis Ende November dieses Jahres diese Evaluierung, wodurch weitere Verbesserungen erreicht werden können, abzuschließen und anschließend mit den notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu beginnen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Es gab im Herbst des vergangenen Jahres ein erfolgreiches Tierschutz-Volksbegehren, bei dem es um die Frage einer bundeseinheitlichen Kompetenz in Sachen Tierschutz ging. Die Tierschützerinnen und Tierschützer gehen davon aus, daß Sie als Bundeskanzler keine Änderungen in der Kompetenzsituation akzeptieren werden, solange nicht eine Bundestierschutzkompetenz gleichzeitig mit beschlossen wird. Gehen wir recht in dieser Annahme?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Dr. Petrovic! Ich glaube, daß wir im Hinblick auf eine gedeihliche Lösung Junktims in diesem Sinne in keinem Fall entwickeln sollen oder dürfen.

Sie kennen meine persönliche Meinung, ich trete für eine bundeseinheitliche Regelung des Tierschutzes ein, aber in einer Vereinbarung bedarf es der Zustimmung beider Partner. Und ich weiß, daß die Länder derzeit diesbezüglich große Bedenken haben. Das bedeutet: Ich kann Ihnen hier überhaupt nichts versprechen, sondern kann Ihnen nur noch einmal sagen, daß ich persönlich grundsätzlich der Meinung bin, daß es sinnvoll und wertvoll wäre, eine bundeseinheitliche Regelung für den Tierschutz zu haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Eine Zusatzfrage: Frau Dr. Schmidt, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Es ist für mich bemerkenswert, daß Sie in diesem Zusammenhang davon sprechen, daß es der Zustimmung


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der beteiligten Partner bedarf, denn beim Konsultationsmechanismus sind Sie von dieser Vorstellung offenbar nicht ausgegangen, denn da ist über den Kopf des Parlaments hinweg eine Vereinbarung getroffen worden, wiewohl die Kompetenz zur Regelung einzig und allein beim Parlament liegt, weil hier erst die Grundlage geschaffen werden muß. Sie aber gehen einfach von dem aus, was beschlossen werden wird.

Ich stelle da also einen unterschiedlichen Maßstab fest und frage Sie – auch im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung von Landesregelungen –, ob Sie über den einheitlichen Tierschutz hinausgehend auch die Absicht haben, sich dafür einzusetzen, daß die Landesgesetze insgesamt harmonisiert werden, sodaß wir nicht die Kuriosität neun verschiedener Regelungen haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Schmidt! Ich glaube, ich sollte noch einmal wiederholen, was ich zum Thema Konsultationsmechanismus gemeint habe, nämlich: Es handelt sich dabei um eine politische Vereinbarung, und es steht völlig außer Streit, daß diese politische Vereinbarung im Parlament zu diskutieren und im Parlament zu beschließen ist.

Ich habe klar – statt dem Wort "ausgeliefert" das Wort "angewiesen" suchend – darauf hingewiesen, daß es im Konsultationsmechanismus selbstverständlich hier im Parlament einer Diskussion und einer entsprechenden Beschlußfassung bedarf. Ich habe nie etwas anderes dazu gesagt, Frau Dr. Schmidt.

Was die generelle bundeseinheitliche Regelung – Gleichheit in allen neun Bundesländern – betrifft, möchte ich schon warnen und sagen, daß wir die unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern bei anderen Regelungsmaterien selbstverständlich zu beachten haben.

Ich trete also nicht dafür ein, daß wir jetzt in einer Gleichmacherei die unterschiedlichsten Sektoren für alle neun Bundesländer gleich regeln. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und bei der ÖVP.) Aber dort, wo es sinnvoll ist, wird die Gemeinsamkeit ergeben, daß wir das erreichen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler. – Nächste Zusatzfrage: Kollege Dr. Niederwieser, bitte.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Beim letzten Anlauf zur Bundesstaatsreform haben die Landeshauptleute spätestens zu dem Zeitpunkt das Interesse daran verloren, als wir im Parlament darangegangen sind, auch die demokratischen Organe in den Ländern zu stärken, sprich die Landtage und die Landesregierung.

Können Sie sich damit anfreunden, daß wir an diesem Weg festhalten, daß wir nämlich bei dieser Bundesstaatsreform nicht neue Landesfürsten schaffen, sondern die Landesregierungen als Kollegialorgane und die Landtage entsprechend stärken und stärker berücksichtigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Niederwieser! So wie es beim Konsultationsmechanismus schon mein Ziel war, keine einseitigen Regelungen zum Beispiel nur zwischen dem Bund und den Ländern zu treffen, sondern auch die andere Ebene der Hoheitsverwaltung, nämlich jene der Gemeinden einzubeziehen – also Bund–Länder, Bund–Gemeinden, aber auch Länder–Gemeinden –, um eine neue Qualität einer fairen Partnerschaft zu haben, so wird es auch hier darauf ankommen, daß wir jetzt nicht einseitig irgendwelche Machtzentren schaffen, sondern wir müssen unter "Föderalismus" mehr Bürgernähe und mehr Demokratie auf allen Ebenen der Hoheitsverwaltung verstehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Kollege Ing. Nußbaumer, bitte.


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Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer
(Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Sie haben in der Beantwortung der Erstfrage wenig oder eigentlich keine konkreten Maßnahmen angesprochen, vor allem nicht betreffend die Rolle des Bundesrates. Daher meine Frage: Haben Sie die Absicht, auch eine Reform des Bundesrates einzuleiten, wie sie im Perchtoldsdorfer Abkommen vereinbart war? Wenn ja: Welche Maßnahmen planen Sie? Wenn nein: Warum denken Sie nicht an eine Reform des Bundesrates?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe davon gesprochen, daß ich eine Arbeitsgruppe zwischen dem Bund und den Ländern eingesetzt habe – seitens des Bundes sind die Teilnehmer schon nominiert –, die sich nun gemeinsam mit weiteren konkreten Maßnahmen zur Verbesserung beschäftigen soll.

Es gibt seitens des Bundesrates zahlreiche Vorschläge für eine Reform des Bundesrates – sie sind vom Gesetzgeber abzustimmen, zu evaluieren und dann auch zu beschließen.

Also konkret: Es gibt einen Dialog darüber und noch keine festgelegten Entscheidungen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frage 2 ist beendet.

Die 3. Frage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Meine Frage an Sie:

119/M

Wie stehen Sie zu der Forderung des Liberalen Forums nach Errichtung einer Kunst- und Kulturstiftung, die allein den Ausstieg aus der Kameralistik und somit mehrjährige Planung, aber auch Chancenoptimierung für Fachwissen, Flexibilität und politische Unabhängigkeit ermöglicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Schmidt! Wenn man darüber nachdenkt, wie eine Kunst- und Kulturstiftung dotiert werden könnte, wird man sehr rasch wieder zu dem Ergebnis kommen, daß sie im Sinne der Kameralistik jährlich dotiert werden müßte. Die Alternative wäre, ein einziges Mal ein sehr großes Bundesvermögen in eine Stiftung zu übertragen – etwas, was nicht von vornherein möglich ist. Grundsätzlich kann man das aber durchaus überlegen.

Ihrer Frage entnehme ich zwei Schwerpunkte: der erste: Wie kann man eine mehrjährige Planung sicherstellen?, der zweite: Wie kann man Entscheidungen von politischer Einflußnahme unabhängiger machen und mehr auf Experten- und Fachebene stellen? – Dazu kann ich Ihnen sagen, daß meines Erachtens so wie in anderen Bereichen auch bei der Kunstförderung eine mehrjährige Planung sehr wichtig ist. Die Bundesregierung hat sich daher vorgenommen, über die notwendigen, vom Gesetzgeber vorgegebenen und sehr sinnvollen Jahresbudgets hinaus von sich aus ein Budgetprogramm zu erstellen, in dessen Rahmen eine mehrjährige Planung vorgenommen werden soll.

Was die Frage der Experten betrifft, ist – wie Sie wissen – mit den nun installierten Fachbeiräten ein hohes Maß an Unabhängigkeit bei fachlichen Expertisen gesichert. Noch mein Amtsvorgänger in diesem Bereich hat das interessante Modell der Kunstkuratoren eingerichtet, die in Eigen- und Ergebnisverantwortlichkeit ein neues Modell des Fördersystems entwickelt haben.

Ein grundsätzliches Ja also zu Ihren beiden Hauptanliegen, der mehrjährigen Planung sowie dazu, diese durch Fachbeiräte beziehungsweise Experten von einseitigen politischen Entscheidungen weniger abhängig zu machen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Es wird eine Zusatzfrage gewünscht.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Ich entnehme Ihren Ausführungen eigentlich eine Absage an das Stiftungswesen. Aber da ich davon ausgehe, daß es auch in Regierungskreisen kein Denkverbot in Richtung Verbesserungen gibt, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, sich entweder selbst mit den Modellen, die es in anderen Ländern zum Wohle der Kulturszene und damit der Gesellschaft gibt, vertraut zu machen oder – wenn Sie selbst als Bundeskanzler nicht die Zeit dazu finden – Ihrem Staatssekretär den Auftrag zu geben, sich nach den Fördersystemen anderer Länder zu erkundigen, um die Situation in Österreich zu verbessern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich habe mich nicht gegen Kunststiftungen ausgesprochen – wir haben meiner Ansicht nach in Österreich ein sehr gutes Stiftungsmodell zur Verfügung gestellt –, ich bezweifle nur, daß die Abhängigkeit von der Kameralistik, von der jährlichen Budgetdotierung für staatliche Kunstförderungen durch die Einrichtung eines Stiftungsmodells plötzlich beseitigt werden könnte.

Die grundsätzliche Idee eines Stiftungsmodells ist, daß ein bestimmtes Vermögen eingebracht wird, das in seinem Grundstock nicht angetastet wird, sondern von dem allein die Erträge für bestimmte Förderungen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Und ich halte es angesichts der momentanen Situation nahezu für technisch unmöglich, ein großes Bundesvermögen in eine Stiftung einzubringen.

Also: Offenheit in der Diskussion und in den Überlegungen, aber ein grundsätzliches Ja zu einer mehrjährigen Planung, zu Expertenbeiräten und zu einer Versachlichung der Entscheidungen im Bereich der Förderungen. – Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Schmidt! Das Modell einer staatlichen Stiftung wird aber, glaube ich, Ihre Ziele nicht von Anfang an erreichen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Kollege Dr. Cap.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Bundeskanzler! In all den Anfragen, die sich mit der Kunst- und Kulturförderung auseinandersetzen, schwingt ein wenig der Vorwurf mit, daß dieses Förderungssystem ineffizient wäre oder einem internationalen Vergleich nicht standhalten könnte beziehungsweise daß es hier so etwas wie politische Einflußnahme und Abhängigkeit gäbe. Wie ist Ihre Einschätzung des aktuellen Kultur- und Kunstförderungssystems?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter Dr. Cap! Sie wissen, daß die Entscheidungen im österreichischen Kunst- und Kulturförderungssystem auf Empfehlungen von Experten und Fachbeiräten zurückgehen und daher der Vorwurf, daß quasi der politischen Beliebigkeit eines Beamten oder sonst irgend jemandes Rechnung getragen würde – das steht immer wieder im Raum –, einfach nicht zutrifft. Es zeigt sich auch an der Vielfalt der spannenden Kunst in Österreich, die nun zu bemerken ist und von vielen Menschen als wohltuend empfunden wird, daß unser Kunstfördersystem gut funktioniert – auch im internationalen Vergleich.

Wenn wir etwas verbessern können – Kollege Scholten hat zum Beispiel das Modell der Kunstkuratoren mit mehr Eigenverantwortung eingerichtet –, dann werden wir es tun. Unser Kunstfördersystem ist aber von vielen anderen Ländern immer wieder als gutes Beispiel herangezogen worden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Abgeordneter Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Wie stehen Sie zur steuerlichen Begünstigung von Ausgaben zugunsten zeitgenössischer Künstler und einer damit


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verbundenen zumindest teilweisen Auflösung der durch das staatliche Gießkannenprinzip verursachten ideologischen Umarmung der Künstler?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.


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Bundeskanzler Mag. Viktor Klima:
Ich habe heute schon öfter darauf hingewiesen, daß es aus meiner Sicht die Experten und Fachbeiräte auf jeden Fall verhindern, daß es zu irgendwelchen ideologischen oder sonstigen "Umarmungen" kommt.

Was Ihre konkrete Frage betrifft, so müssen wir meiner Meinung nach ganz offen und ehrlich über die Zukunft unseres Steuersystems diskutieren. Wenn wir auf der einen Seite unser Steuersystem – und das ist der Auftrag an die Steuerreformkommission – in Zukunft vereinfachen, weniger Ausnahmen und Privilegien haben und mittel- und langfristig möglicherweise sogar einen Spielraum für die Anpassung der Sätze bekommen wollen, dann können wir auf der anderen Seite nicht ununterbrochen für jeden Zweck neue Steuerausnahmen und neue Privilegien schaffen. Das würde nicht funktionieren und wäre auch nicht ehrlich.

In diesem Sinne halte ich es für sehr vernünftig, daß der österreichische Staat über Experten- und Fachbeiräte sein effizientes Kunstfördersystem aufrechterhält.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Kollegin Dr. Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Es kommt, unabhängig davon, wie der Kunst- und Kulturbetrieb in Zukunft bewältigt wird – durch eine Stiftung oder im Rahmen des Budgets –, immer auch auf die Größe des zu verteilenden Kuchens an. Diesbezüglich – das hat schon Ihr Vorgänger gesagt – wird es jedoch zu keinen Steigerungen im Kunst- und Kulturbudget kommen, und das bedeutet bei steigendem Preisniveau de facto eine reale Einschränkung.

In welchen Bereichen müssen wir mit derartigen Sparmaßnahmen und Einschränkungen rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Petrovic! Die Vorarbeiten für die Budgets 1998 und 1999 sind im Gange. Ich kann Ihnen daher zu den Budgets der beiden kommenden Jahre keine konkreten Angaben machen. Wie die Jahre 1996 und 1997 zeigen, haben sich die Kunstförderung und die Kunstbudgets genauso entwickelt wie alle anderen Budgetbereiche.

Wir sollten aber klar und deutlich sagen, daß der Staat, der seine Finanzmittel im wesentlichen nur durch Beiträge der Steuerzahler bekommt, die Verpflichtung hat, sorgsam mit diesem Steuergeld umzugehen. Das bedeutet, daß wir auch im Bereich des Kunstbetriebes zum Beispiel die Organisation, die Bundestheater oder ähnliches mehr daraufhin untersuchen müssen, ob nicht durch effizienzsteigernde Maßnahmen mehr Sparsamkeit möglich ist. Was wir nicht tun wollen, ist, das, wozu der Staat aus meiner Sicht verpflichtet ist, nämlich zur Förderung der Avantgarde und der progressiven Kunst, einzuschränken. Trotzdem sind wir für Sparsamkeit auch im Bereich des Kunst- und Kulturbetriebes.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Damit kommen wir zum 4. Fragenkomplex betreffend Sport. – Herr Abgeordneter Grabner, bitte.

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

115/M

Welche Schwerpunkte werden Sie in der Sportpolitik setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um die Beantwortung.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Grabner! Wir haben in der Vergangenheit aus gutem Grunde zwei wesentliche Richtungen gleichzeitig betrieben: Die eine ist die Förderung des Breitensports – ein ganz wesentlicher Beitrag zur Gestaltung der gesellschaftlichen Freizeit und zur Erhaltung der Gesundheit. Das funktioniert als gutes Beispiel über die Bundessportorganisation und über die Dachverbände.

Die zweite Richtung, zu der wir uns bekennen, ist die Förderung des Spitzensportes in Österreich. Aus diesem Grunde wurde der Spitzensportausschuß, der gerade neu konstituiert wurde und sich eine zielgerichtete Förderung von Spitzensportlern vorgenommen hat, neu gestaltet.

Mir persönlich ist ein zweites Anliegen in dieser Richtung sehr wichtig, nämlich die soziale Absicherung der Sportler, damit niemand nach einer langen sportlichen Tätigkeit plötzlich vor gravierenden Existenzproblemen steht. Es wird daher die weitere Entwicklung etwa im Bereich der HSNS ein wichtiger Schritt sein.

Drittens müssen wir uns dazu bekennen, internationale Großereignisse in Österreich zu veranstalten, da sie eine Werbewirkung haben, die sportliche Betätigung insgesamt stimulieren und auch die Aufmerksamkeit auf die Attraktivität unseres Landes lenken. Ich glaube daher, daß aus diesem Maßnahmenbündel heraus wesentliche Impulse – auch bei sparsamer Verwendung der Steuermittel – in Richtung Breiten- und Spitzensport gehen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter, bitte.

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Wie stellen Sie sich als Sportminister die Zukunft der HSNS vor – Stichworte: gesetzliche Verankerung, Aufnahme von Frauen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich hatte schon anläßlich einer Veranstaltung des Österreichischen Olympischen Komitees Gelegenheit, mit dem dafür zuständigen Bundesminister für Landesverteidigung Gespräche zu beginnen. Ich halte es für sehr wichtig, daß wir diese effiziente Art der Unterstützung von Spitzensportlern über die HSNS nicht auf Männer beschränken, sondern daß wir auch den Frauen die Möglichkeit geben, über die HSNS Spitzensport auszuüben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Kollege Kopf, bitte.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Es wird allerorten die hohe gesundheits- und sozialpolitische Bedeutung des Sports betont, auch Sie haben das eingangs getan. Nun lese ich aber im "Standard" vom 15. April 1997 unter anderem, daß die Bundessportförderungsmittel für das Jahr 1997 um 12 Millionen Schilling gekürzt werden sollen. Ich nehme an, es wird sich um eine Bindung handeln.

Trotzdem stelle ich folgende Fragen: Welche Projekte sind, wenn diese Meldung stimmt, davon betroffen? Wie ist diese Kürzung mit der großen Bedeutung des Sports im Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge und unsere Sozialpolitik vereinbar, zumal man auch noch lesen muß, daß beispielsweise das Kunstbudget von einer solchen Maßnahme nicht betroffen sein soll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich halte es für sehr wichtig, daß sich auch der Bereich der Sportförderung den allgemeinen Entwicklungen in allen Ressorts unterordnet. Die Regierung wird sich daher die Aufgabe stellen, die allgemeine Bindung, die Sie angesprochen haben, nicht in der unmittelbaren Unterstützung der Sportler selbst, auch nicht in der unmittelbaren Unterstützung von wesentlichen laufenden Projekten, sondern nur im Bereich der Verwaltung und der Organisation des Sportwesens zur Wirkung zu bringen.

Es gibt somit konkret dort, wo es um die Unterstützung der Sportler selbst geht, keine Einsparungen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Verehrter Herr Bundeskanzler! Ein Hauptproblem im österreichischen Sportwesen ist – neben der lähmenden Verpolitisierung durch das Dachverbandswesen – die fast lückenlose Trennung des allgemeinen Sports vom Schulsport.

Inwieweit werden Sie, verehrter Herr Bundeskanzler, die diesbezüglichen Ankündigungen Ihres Vorgängers in der Regierungserklärung vom 13. März 1996, nämlich eine Zusammenführung von Schul- und Vereinssport vorzunehmen, verwirklichen? Wann wollen Sie damit beginnen, und wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich halte es für sehr wesentlich, daß wir erstens die sportlichen Aktivitäten unserer Jugend in den Schulen aufrechterhalten und verstärken und daß wir zweitens den Übergang von der sportlichen Tätigkeit in der Schule in den Vereinssport erleichtern. Diesbezügliche Gespräche sind schon – auch mit den Sportverbänden – begonnen worden. Ich werde Ihnen dann unverzüglich berichten, wenn es konkrete Ergebnisse gibt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Mag. Peter.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Es gibt drei österreichische Regionen, die sich um die Olympischen Winterspiele 2006 bewerben: Kärnten, Salzburg und nun auch Kitzbühel. Welche umfassenden Maßnahmen werden Sie als Sportminister setzen, um diese Bewerbungen maximal zu fördern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Mag. Peter! Die österreichische Bundesregierung – auch ich persönlich – spricht sich für die Unterstützung einer österreichischen Bewerbung für diese Winterspiele aus (Beifall des Abg. Grabner ) , weil das unserer Meinung nach für unseren Fremdenverkehr, aber auch für unseren Sport eine wichtige Angelegenheit ist.

Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich seitens der österreichischen Bundesregierung in diesem Haus keine Vorlieben erkennen lasse, möchte aber sagen: Es ist vorher der innerösterreichische Entscheidungsprozeß bezüglich dieser drei Bewerbungen abzuschließen. Anschließend wird es eine klare und sehr positive Unterstützung einer österreichischen Bewerbung für die Abhaltung der Winterspiele geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Die 5. Anfrage zum Thema Gentechnik formuliert Frau Dr. Petrovic. – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

120/M

Sprechen Sie sich für ein Verbot des Einsatzes der Gentechnik in der österreichischen Lebensmittelproduktion durch entsprechende Änderung des österreichischen Lebensmittelgesetzes aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Petrovic! Es fällt mir jetzt, nach dem Vorliegen der Ergebnisse des Gentechnik-Volksbegehrens, sehr leicht, die


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Qualität der Zustimmung erfreut zu begrüßen, da ich schon vorher gesagt habe, daß die Richtung dieses Volksbegehrens auch von mir persönlich unterstützt wird.

Wir sollten jedoch zum Kern der Sache kommen: Wir haben heute internationale Vereinbarungen, die uns ein Verbot des Importes von Lebensmitteln, die in ihrer Genkette angepaßte Substanzen beinhalten, nicht gestatten. Wir werden uns aber auf internationaler Ebene sehr dafür engagieren, die Regeln und den Rahmen zu verbessern.

Es kann nicht dabei belassen werden, nur klar und offen zu sagen, daß wir kein Importverbot für die Lebensmittel, die in ihrer Herstellung mit in Teilbereichen genmodifizierten Substanzen vermischt wurden, aussprechen können. Daher haben wir uns dazu bekannt, den Österreicherinnen und Österreichern eine klare und umfassende Kennzeichnung anzubieten, sodaß sie die Chance haben, genmodifizierte Lebensmittel klar zu erkennen und selbst zu entscheiden, was sie aus den Regalen nehmen.

Alles andere wäre unwahr, denn man würde damit den Eindruck erwecken, genmodifizierte Lebensmittel könnten von Österreich ferngehalten werden. Ich bin gegen eine Täuschung der Bevölkerung, und daher treten wir für eine umfassende Kennzeichnungspflicht ein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Die Novel-Food-Verordnung ruft den Eindruck hervor, daß Kennzeichnungen nicht wirksam sind. Auch die österreichische Kennzeichnungsverordnung wirkt in der Praxis nicht – ich habe noch kein einziges Kennzeichen gesehen. Aber ein Verbot nach dem österreichischen Lebensmittelrecht ist absolut möglich. Sehen Sie nicht, daß es ein Wettbewerbsvorteil für die österreichische Landwirtschaft und für die österreichische Lebensmittelproduktion wäre, wenn alle Waren "Made in Austria" frei von Gentechnik wären?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Petrovic! Sie wissen, daß ich die Proponenten dieses Volksbegehrens zu einem Dialog eingeladen habe, einem Dialog nicht nur mit mir, sondern auch mit den zuständigen Bundesministern und dem Herrn Vizekanzler. Ich habe das getan, weil ich mir gut vorstellen kann, daß die österreichische Landwirtschaft einen positiven Marketing-Effekt daraus erzielen kann, daß sie sagt: Unsere Produktion ist frei von genmodifizierten Substanzen, Vorstoffen und ähnlichem mehr.

Es ist zu überlegen, im Sinne eines positiven Marketing-Konzeptes zum Beispiel im Bereich des biologischen Landbaues eine Positiv-Kennzeichnung einzurichten, aus der klar hervorgeht, daß jene Produkte, die von Österreichern auf dem Markt angeboten werden – vom Saatgut über das Futtermittel bis zum fertigen Produkt –, nachweislich keine genmodifizierten Substanzen enthalten. (Abg. Rossmann: Das heißt "genmanipuliert", nicht "genmodifiziert"!) Das wäre ein konkretes, in Ihrem Sinne positives Marketing-Kennzeichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Motter.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben sich anläßlich des erfreulichen Ausganges des Gentechnik-Volksbegehrens dahin gehend geäußert, daß Sie sich für die Umwelthaftung bei Gentechnik-Unfällen einsetzen werden.

Meine konkrete Frage lautet: Was werden Sie beziehungsweise die Bundesregierung zur Schaffung wirkungsvoller Haftungsregelungen unternehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich halte das für einen sehr wesentlichen Punkt im Rahmen der Diskussion um Freisetzungen und um die Folgen der Anwendung genmodifizierender Technik. Aus diesem Grund wird die österreichische Bundesre


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gierung, insbesondere der dafür zuständige Justizminister, möglichst rasch eine Haftungsregelung hinsichtlich der Folgen von Gentechnik insgesamt ausarbeiten. (Abg. Dr. Schmidt: Seit einem Jahr liegt ein Antrag im Haus!)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Herr Bundeskanzler.

Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben sich schon für eine möglichst lückenlose Kennzeichnung von gentechnisch veränderten oder mit Hilfe von Gentechnik hergestellten Lebensmitteln ausgesprochen. Wir haben aber einen offenen internationalen Markt und importieren Waren nicht nur aus EU-Ländern. – Ich füge hinzu, daß ich die Novel-Food-Verordnung für nicht ausreichend halte.

Was gedenken Sie zu tun, um eine möglichst lückenlose Kennzeichnung, wie sie von der österreichischen Bevölkerung vehement gewünscht wird, auch bei ausländischen Lebensmitteln, insbesondere bei Lebensmitteln aus Ländern, die nicht der EU angehören, durchzusetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe bereits gesagt, daß es mir als wesentlich erscheint, den Österreicherinnen und Österreichern klare und ehrliche Informationen darüber zu geben, ob genmodifizierte Bestandteile in einem Lebensmittel vorhanden sind oder ob das Lebensmittel frei von genmodifizierten Bestandteilen ist. Daher ist die durchgängige Kennzeichnungspflicht ein wesentlicher Punkt.

Wie in anderen Bereichen auch hat die von Österreich vertretene Position, die jetzt durch das Volksbegehren unterstützt wird, dazu geführt, daß es im Rahmen der Europäischen Union zu einem Umdenkprozeß gekommen ist. Zuletzt hat sich EU-Kommissar Fischler dafür ausgesprochen, auf der Ebene der Europäischen Union eine Verbesserung der Novel-Food-Verordnung – der Kennzeichnungsverordnung für Lebensmittel – im Hinblick auf die Einbeziehung von Saat- und Futtermitteln zu erreichen.

Ich bin überzeugt davon, daß mit der Unterstützung, die das Gentechnik-Volksbegehren gibt, die österreichischen Abgeordneten und Regierungsmitglieder in Brüssel erfolgreich sein werden bei ihrem Versuch, die internationalen Regeln zu verbessern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Eine Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Aumayr. – Bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Sie haben sich im Rahmen des SPÖ-Parteitages in Oberösterreich klar und deutlich gegen den Einsatz von genmanipuliertem Saatgut in der Landwirtschaft ausgesprochen.

Meine Frage an Sie: Wie werden Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten als SPÖ-Vorsitzender und als Bundeskanzler Österreichs verhindern, daß genmanipuliertes Saatgut in Österreich zum Einsatz kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundeskanzler antwortet als Bundeskanzler. – Bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe mich klar und deutlich dafür ausgesprochen – das gilt auch für mich persönlich –, daß ich das Recht haben möchte, Lebensmittel zu kaufen, die frei von genmodifizierten Zusatzstoffen oder Vorstoffen sind.

Wir werden daher die durchgehende Regel der Kennzeichnungspflicht als wichtigsten Bestandteil ansehen. Wir werden uns auch bemühen, die Positiv-Kennzeichnung umzusetzen – das habe ich schon gesagt –, mit deren Hilfe hervorgehoben wird, welche Produkte aus österreichischer Produktion frei von genmodifizierten Saatstoffen, Futtermitteln, Zusatzstoffen und ähnlichem sind. Aber ich habe immer deutlich gemacht, daß wir uns an bestehende internationale Vereinbarungen zu halten haben. Wir sind keine Rechtsbrecher.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Kollege Schwarzenberger, bitte.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Die österreichischen Bauern sind sicher bereit, genügend gentechnikfreie Lebensmittel zu produzieren, wenn vor allem zwei Bedingungen erfüllt werden: erstens die lückenlose Kennzeichnung nicht nur der inländischen, sondern auch der importierten Produkte und zweitens die Erzielung eines Markterlöses, der die eventuellen Mehrkosten abdeckt.

Sind Sie bereit, zumindest im Rahmen der Europäischen Union auf eine lückenlose Kennzeichnung zu drängen, die nicht nur die Lebensmittel, sondern auch Futtermittel und Saatgut beinhaltet, damit der Bauer bei zugekauften Futtermitteln weiß, ob diese gentechnikfrei sind oder nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich halte eine umfassende Kennzeichnung auch der Futtermittel und des Saatgutes für sehr wesentlich, weil der Bauer sonst nicht entscheiden kann, ob das Produkt, das er anbietet, frei von genmodifizierten Zusatzstoffen oder Vorstoffen ist. Daher ist es unser Ziel, auch in diesem Bereich die Entwicklung auf europäischer Ebene voranzutreiben. Ich bin davon überzeugt, daß wir dafür nicht nur von den österreichischen EU-Abgeordneten, sondern auch von EU-Kommissar Fischler viel Unterstützung erhalten werden.

Sie wissen, daß wir insgesamt dafür eintreten, den biologischen Landbau zu unterstützen, weil er ein Markenzeichen für österreichische Qualität in der Vermarktung sein kann. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir kommen zur 6. Anfrage; sie betrifft den Komplex der Bundestheater. Die Frage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

118/M

Welche konkreten Reformschritte werden Sie bezüglich der österreichischen Bundestheater bis zum Ende der Legislaturperiode setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um die Beantwortung, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich glaube, daß wir im Bereich der Budgetausgaben auch in Zukunft die Sparsamkeit im Umgang mit den Steuergeldern als wichtigstes Prinzip aufrechterhalten müssen. Für mich ist es unerläßlich, auch im Bereich des öffentlichen Dienstes – im wesentlichen zählen die Bundestheater mit ihren Mitarbeitern zu diesem Bereich – konsequente Sparsamkeit zu üben.

Ich bin aber striktest dagegen, daß es sich der Arbeitgeber – das ist im wesentlichen die Bundesregierung – leichtmacht, indem er nur sagt: Gespart wird, indem man den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes auch in Zukunft Nullohnrunden zumutet. – Das ist nicht möglich, das ist unfair, und so wird es nicht gehen. (Beifall des Abg. Verzetnitsch. )

Es wird auch nicht möglich sein, alle Organisationen unverändert zu lassen, weniger oder gar kein Personal mehr aufzunehmen und alle Einsparungen über Arbeitsverdichtung zu Lasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen. So wird es auch nicht gehen!

Das heißt, wir müssen die Effizienz der Verwaltung überprüfen. Schon mein Vorgänger hat ein Projekt eingeleitet, mit dessen Hilfe im Bereich der Bundestheater eine Struktur gefunden werden soll, die mehr Transparenz, mehr Offenheit und mehr Eigenverantwortung in der Führung der einzelnen Theater sicherstellt, ohne daß das Bekenntnis der öffentlichen Hand und des Staates zur Unterstützung der Bundestheater in Zweifel gezogen wird.


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Es wäre sinnvoll, in diesem Bereich mehr Klarheit und Transparenz zu schaffen. Dies könnte dadurch geschehen, daß die Kosten, statt sie auf viele Ressorts aufzuteilen – wie zum Beispiel die Kosten für die Bewachung auf das Innenministerium –, klar und eindeutig der Organisationseinheit "Theater" zugeordnet werden. Daher wird die nun eingesetzte Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit einem international bekannten, in diesem Bereich erfahrenen Berater eine neue Struktur für die Bundestheater vorschlagen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Kollege Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Jetzt weiß ich, warum die Fragestunde "Fragestunde" und nicht "Antwortstunde" heißt: weil Sie die Fragen nach konkreten Reformen überhaupt nicht beantwortet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich möchte es neuerlich mit einer konkreten Frage versuchen.

Sie wissen, daß die Neubesetzung der Funktion des Burgtheater-Direktors ansteht. Auf der anderen Seite stehen die Ausgliederung der Bundestheater sowie deren neue Strukturierung zur Diskussion. Erachten Sie es nicht für sinnvoll, zunächst, und zwar sehr schnell, die Neuordnung der Bundestheater, auch gesellschaftsrechtlich, durchzuführen, und erst dann den neuen Burgtheater-Direktor zu bestellen, weil es notwendig ist, daß der neue Burgtheater-Direktor hinter der Reform steht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zuerst: Ich erwarte schon, daß Sie den Begriff "Fragestunde" so interpretieren, daß Sie nicht nur Fragen stellen, sondern auch Antworten bekommen. So, wie ich Ihre Frage nicht beeinflusse, werden Sie mir erlauben, Ihnen eine umfassende Antwort zu geben.

Ich habe Ihnen klar und präzise gesagt, daß eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden ist, die sich mit der Struktur der Bundestheater unter dem Einfluß internationaler Beratungserfahrung auseinandersetzt und Vorschläge ausarbeiten wird. (Abg. Rossmann: Das ist die siebente Arbeitsgruppe, von der Sie in dieser Fragestunde reden!)

Zu Ihrer konkreten, zweiten Frage, Herr Abgeordneter: Es ist sehr wichtig, daß wir rasch eine Entscheidung bezüglich der Nachfolge des Burgtheater-Direktors treffen. Wir haben uns das für ungefähr Ende April vorgenommen. Es wäre unmöglich, bis Ende April die organisatorischen Rahmenbedingungen für eine Veränderung der Organisation im Bereich der Bundestheater zu setzen. Das wissen Sie genausogut wie ich. Ebenso wäre es unmöglich, eine Entscheidung über die Nachfolge des Burgtheater-Direktors erst nächstes Jahr zu treffen, weil – wie Sie hoffentlich wissen – im Regelfall eineinhalb bis zwei Jahre nötig sind, um eine Theatersaison zu planen.

Es ist daher notwendig, die Entscheidung über den Burgtheater-Direktor gegen Ende April zu treffen. Hingegen wird eine konkrete und ordentliche Ausarbeitung der Reform der Bundestheater sicher länger brauchen. (Abg. Böhacker: Bis zum übernächsten Burgtheater-Direktor!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Frau Kollegin Dr. Brinek, bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Sie haben eine Strukturreformgruppe angesprochen. Wird sich diese Gruppe am ROI-Bericht und den darin genannten Empfehlungen hinsichtlich einer Effizienzsteigerung durch Organisationsmaßnahmen orientieren? Auf welche Weise werden Sie die aus den Einsparungen gewonnenen Mittel in bezug auf die Programmgestaltung des neuen Direktors einsetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, es geht dabei um zweierlei. Erstens geht es darum, mit dem ROI-Bericht innerhalb bestehender Strukturen Möglichkeiten der Effizienzsteigerung zu finden. Und die Mittel, die aus der Eigenanstrengung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorgehen, sollen dem Haus die Chance geben, eine


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höhere Qualität zu erreichen und in Zukunft vielleicht eine Art Rücklage für neue, spannende Produktionen und ähnliches zu bilden.

Zweitens wird derzeit untersucht, ob über die Rationalisierung in bestehenden Strukturen hinaus eine Verbesserung der gesamten Struktur erreichbar ist. Dies wirkt noch stärker motivierend. Denn wenn man etwas ein spart, kann man etwas an sparen, um eine international stärker beachtete und teurere Produktion auf die Bühne zu bringen.

Also: Mehr Verantwortung für das eigene Budget ist eines der wesentlichen Ziele der neuen Strukturreform.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Zusatzfrage: Kollegin Motter.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Auch wir Liberalen sind der Auffassung, daß der Bundestheaterverband in seiner jetzigen Form dringend reformiert gehört. Wir fordern daher – wir haben schon konkrete Forderungen –, daß die drei Bundestheater in einen eigenen Wirtschaftskörper, der im Besitz des Bundes bleibt, umgewandelt werden und eine übergeordnete schlanke Holding für das Marketing und die Werkstätten zuständig ist.

Ich weiß, daß Sie eine Holding eingesetzt haben, möchte aber trotzdem konkret wissen, wie Sie zu unserer Forderung stehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es gibt mehrere Modelle für eine organisatorische Veränderung – daß diese notwendig ist, ist unbestritten. Da es mehrere Modelle gibt, bitte ich Sie zu beachten, daß es keinen Sinn hat, Festlegungen zu treffen, bevor die Expertengruppe die Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle evaluiert hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Frau Dr. Petrovic, bitte.


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Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic
(Grüne): Herr Bundeskanzler! Ich halte es für sehr bedauerlich, daß Sie in Sachen Neubestellung einer Burgtheater-Direktorin oder eines -Direktors keinen objektivierten Suchprozeß unter Einschaltung von Expertinnen und Experten bevorzugt und auch nicht offengelegt haben, wer Sie in dieser Angelegenheit berät.

Nun sind zwei Personen im Gespräch, nämlich Klaus Bachler und Frank Baumbauer. Ich frage Sie jetzt nicht, wen Sie persönlich bevorzugen, sondern ich frage Sie: Nach welchen Kriterien wird diese Entscheidung getroffen werden? Welche Maßstäbe werden angelegt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Mit zahlreichen nationalen und internationalen Experten des Theater- und Kunstlebens wurden viele Gespräche geführt, auch wurden hinsichtlich zahlreicher Kandidaten für die Funktion des Burgtheater-Direktors Überlegungen und Evaluierungen angestellt.

Bitte verstehen Sie, daß ich mich einer Aussage darüber entschlage, welche Kandidaten und wie viele Kandidaten Gegenstand unserer Überlegungen sind. Ich kann Ihnen aber hinsichtlich der Kriterien sagen, daß wir weiterhin danach trachten werden, das Burgtheater als das führende deutschsprachige Theater mit vielen Chancen für zeitgenössische Kunst, vielen Chancen für moderne österreichische Kunst zu erhalten. Das wird eines der wesentlichen Kriterien bei der Auswahl des Burgtheater-Direktors sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Mag. Posch, bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Durch welche Maßnahmen soll bei den diskutierten Reformschritten die ästhetische Kontinuität auch als bewußte Antithese zur "Verhaiderung" Österreichs (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) und das hohe Niveau der künstlerischen Qualität der österreichischen Bundestheater gesichert bleiben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich halte es für sehr wesentlich, daß bei aller Effizienzorientierung im Rahmen dieser Neuordnung eines gewährleistet wird: die Unabhängigkeit in der Programmgestaltung, in der Auswahl der Autoren und Stücke, in der Auswahl der Regisseure und der Schauspieler. Es darf kein staatlicher Eingriff in den Kunstbetrieb erfolgen. Es ist wichtig, Autonomie und Freiheit der Kunst zu gewährleisten. – Und das werden wir garantieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Nun zum Thema Film. – Kollege Morak, bitte.

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

114/M

Welche Maßnahmen werden Sie angesichts der Tatsache setzen, daß der Anteil der öffentlichen Finanzierung im Bereich Film nur rund 2 Prozent der gesamten Kultursubventionen ausmacht, damit Österreich im Bereich der Filmwirtschaft nicht den Anschluß an die europäische Entwicklung verliert?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich glaube, daß wir den österreichischen Film unterschätzen. Denken Sie zum Beispiel daran, daß – ich glaube, es ist das erste Mal seit 25 Jahren – heuer in Cannes wieder ein österreichischer Film läuft. Das ist ein sehr gutes Zeichen für die Qualität des österreichischen Films. Ich glaube, daß Michael Haneke mit seinem Film "Funny Games" gute Chancen in Cannes hat. Darüber hinaus hat er, wie Sie wissen, mit dem ORF Kafka verfilmt. Auch Andreas Gruber hat in diesem Bereich einen sehr guten und international bekannten Namen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! In den letzten sieben Jahren hat sich der Bundesbeitrag an das Filminstitut verdoppelt, und der Produktionswert ist insgesamt von 6 auf 15 Prozent gestiegen. Wir dürfen nicht außer acht lassen, daß die Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Quelle zusätzlicher Unterstützungen und Fördermittel für die österreichischen Filmschaffenden ist.

Wir wollen aber auch – und das muß man ganz klar sagen – im Bereich der Filmförderung neue Akzente und neue Schwerpunkte setzen. So wollen wir zum Beispiel mit der Einführung der Referenzfilmförderung zusätzliche Impulse in Richtung mehr Qualität im österreichischen Film geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): In einer Sitzung des Kulturausschusses zum Thema "Die Lage des österreichischen Films" hat einer der Experten gesagt, daß die österreichische Filmförderung weniger Filmförderung, sondern mehr Sozialförderung wäre. – Wie bewerten Sie diese Aussage?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Erstens habe ich als Sozialdemokrat nichts gegen Sozialförderung, aber ich gehe schon davon aus, sehr geehrter Herr Abgeordneter, daß wir mit der Filmförderung auch das Ziel erreichen, einen international beachteten Film in Österreich weiterhin zu unterstützen. Aus diesem Grunde – ich erwähne noch einmal die Überlegungen bezüglich einer Neuordnung der Filmförderung – ist ja auch das Referenzfördermodell ein Schritt in Richtung Fokussierung auf Qualität.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Frau Dr. Petrovic. – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Werden Sie bei künftigen Modellen der Filmförderung danach trachten, daß erstens – unter Beachtung allfälliger Unvereinbarkeiten – die Filmschaffenden selbst einbezogen werden in alle Lösungen, und zweitens, daß die Autonomie des österreichischen Films auch gegenüber dem ORF gewahrt bleibt; was heißt, daß nicht nur Filme gefördert werden, die "fernsehtauglich", also "ORF-tauglich" sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, wir sollten hier die durchaus positive Rolle des ORF nicht unterschätzen. Gerade vorhin habe ich erwähnt, daß Michael Haneke zurzeit mit dem ORF "Das Schloß" von Kafka verfilmt und, so glaube ich, einen hervorragenden Film macht. Der ORF unterstützt das schon sehr positiv, aber wir werden sicher nicht zulassen, daß gleichsam eine Vereinnahmung der österreichischen Filmförderung durch den ORF erfolgt und nur mehr das gefördert wird, was der ORF will. Da können Sie sicher sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Kollege Dietachmayr.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundeskanzler! In Zeiten, in denen um jeden Arbeitsplatz gekämpft wird, mag vielleicht die Filmförderung hier auch einen kleinen Beitrag leisten, auch wenn mir bewußt ist, daß das nicht sehr viel ausmachen wird. Aber sind durch die geplanten Maßnahmen zur Förderung der österreichischen Filmwirtschaft Ihrer Meinung nach Effekte im beschäftigungspolitischen Bereich zu erwarten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten die Beschäftigungswirkung des künstlerischen Bereiches insgesamt nicht unterschätzen. Wir wissen, daß die amerikanische Filmindustrie – es ist nicht alles Qualität, was von dort herkommt, wie sich ja bei der "Oscar"-Verleihung gezeigt hat – oder die amerikanische Software als Beispiele der Informationsgesellschaft sehr positive Beschäftigungswirkungen hat. Es ist daher ganz wichtig, auch diesen Gesichtspunkt zu beachten. Es hat sich bei einem Netto-Produktionswert von etwa 1,7 Milliarden Schilling im österreichischen Film tatsächlich auch ein beschäftigungspolitischer Effekt in einem hochqualifizierten, freien Berufsbereich ergeben. Daher ist uns auch von dieser Seite eine Fokussierung im Sinne eines Referenzfördermodells für den öffentlichen Film sehr wichtig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Frau Dr. Schmidt, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Ich höre – Sie haben vorhin darauf nicht geantwortet –, daß die Filmschaffenden in die derzeitigen Arbeiten zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes eben nicht eingebunden sind.

Konkrete Frage – in der Hoffnung auf eine konkrete Antwort –: Was gedenken Sie zu tun, um die Filmschaffenden in die derzeitigen Arbeiten über die Novellierung des Filmförderungsgesetzes einzubinden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Staatssekretär Wittmann, der sich dieser konkreten Arbeiten annimmt, sagt mir, daß es darüber laufend Gespräche gibt. Es stimmt nicht, daß die Filmschaffenden nicht eingebunden sind, sondern es gibt derzeit laufend Gespräche mit dem Dachverband, der eben in diese Aktivitäten eingebunden ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Meischberger.

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Meine Frage betrifft die Auswahlkommission. Die Filmauswahlkommission ist jene Kommission, die letztlich beschließt, welcher Film als Projekt förderungswürdig ist und welcher nicht. Es gab in letzter Zeit


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eine relativ heftige Debatte über diese Auswahlkommission. Man weiß ja, daß jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag für Filmförderung vergeben wird. Jetzt ist es so, daß diese Kommission als Kollegialorgan arbeitet und dabei auch direkt oder indirekt Projekte gefördert werden, die Mitglieder dieser Auswahlkommission betreffen. Jetzt gibt es da ein relatives ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um die Frage, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (fortsetzend): ... Mißtrauen gegenüber dieser Kommission.

Meine Frage lautet: Werden Sie sich dafür einsetzen, daß das Intendantenprinzip bei der Filmförderungsvergabe eingeführt wird, damit man Verantwortlichkeiten festlegen und Mißtrauen eben beseitigen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen und wie Sie betont haben, sind wir ja derzeit in einer Diskussion über die Neugestaltung der Filmförderung. Hier soll und muß man dem Prinzip der klaren Verantwortung folgen, wobei man aber natürlich nicht vergessen sollte, daß es ja auch vieler breiter Expertenmeinungen bedarf. Aber grundsätzlich soll es in Richtung einer klaren Verantwortung gehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Wir haben 7 Fragen erledigt. Ich danke allen Beteiligten und erkläre die Fragestunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen:

Zurückziehung: 2197/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1967/AB bis 1982/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (666 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird (656 der Beilagen),

Antrag 435/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend die Legalisierung von Cannabis;


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Rechnungshofausschuß:

Sonderbericht des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung; Vierter und letzter Teilbericht (III-81 der Beilagen);

Unterrichtsausschuß:

Antrag 438/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Einführung eines Ethikunterrichts als Wahlpflichtfach;

Verfassungsausschuß:

Antrag 439/A (E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Euroinformationskampagne und deren Leitung;

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 436/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Erforschung und Dokumentation der Bedeutung der Kulturpflanze Hanf.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Gaugg und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 2303/J der Abgeordneten Gaugg und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend "Verrat von Arbeitnehmerinteressen" dringlich zu behandeln. Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen werden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 439/A (E) der Abgeordneten Mag. Kammerlander und Genossen betreffend Euro-Informationskampagne und deren Leitung eine Frist bis 13. Mai 1997 zu setzen.

In diesem Zusammenhang liegt das von fünf Abgeordneten gestellte Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage soeben bekanntgegeben wurde, wird die Kurzdebatte im Anschluß an diese Dringliche Anfrage stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluß dieser Debatte erfolgen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die Tagesordnung selbst betrifft, liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 6 bis 11 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen. Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es wurde für alle Debatten eine Gesamtredezeit von 7 "Wiener Stunden" vereinbart. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98, Freiheit


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liche 91, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten. Darüber hat das Plenum des Nationalrats zu befinden. Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das einstimmig so festgelegt.

1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (503 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (657 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nunmehr zum 1. Punkt.

Wird eine mündliche Berichterstattung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann können wir sogleich in die Debatte eingehen.

Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner mit einer freiwilligen Redezeit von 15 Minuten. – Bitte.

10.10

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Entsendegesetz, das heute hier im Hohen Haus zur Beschlußfassung vorliegt, hat, wie viele Materien dieser Bundesregierung, eine sehr lange Geschichte. Spätestens seit der Mitgliedschaft und dem Beitritt Österreichs zur "Partnerschaft für den Frieden" ist klar, daß wir in diesem Bereich dringend eine gesetzliche Neuregelung der Frage brauchen, unter welchen Umständen und mit welchem Mechanismus es in Hinkunft möglich sein wird, österreichische Soldaten beziehungsweise österreichische Zivilbedienstete und Zivilangehörige in das Ausland zu schicken. (Auf der Besuchergalerie bildet eine Personengruppe durch rote Buchstaben auf weißen T-Shirts das Wort "neutral". – Zettel werden von der Galerie geworfen.)

Wie immer: Es ist das eine lange Geschichte. Warum? – Weil anscheinend von dieser Bundesregierung keine Materie ordentlich behandelt werden kann, die Fragen des Bundesheers oder der Landesverteidigung betreffen. (Abg. Mag. Stadler: Sind das Ihre Gesinnungsgenossen da oben, Herr Minister?)

Wir haben immer wieder verlangt, endlich dieses Entsendegesetz in den Ausschuß zu bringen, aber anscheinend hat es hier sehr starke Widerstände innerhalb der Koalition gegeben. Das hat dazu geführt, daß man etwa im Vorjahr, als österreichische Militärakademiker in Amerika an einer Übung im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" teilgenommen haben, für die mitzunehmenden Waffen, für die Sturmgewehre, Ausnahmeregelungen nach dem Kriegsmaterialiengesetz gebraucht hat, um die Übungsteilnahme zu sichern. Deshalb haben wir immer wieder nach dieser gesetzlichen Regelung verlangt, und wir waren sehr froh, als das auch endlich im Ausschuß diskutiert wurde.

Herr Verteidigungsminister! Interessant war, daß die Vorlage, die wir dann bekommen haben – ich weiß nicht, wie sehr Ihr Ressort in die Formulierung involviert war –, doch einige – ich sage es einmal vorsichtig – stilistische Mängel hatte. Das haben alle Fraktionen festgestellt. Daher hat es auch einen Unterausschuß gegeben, und es hat in diesem Unterausschuß – das muß ich als Oppositionsredner durchaus zugeben – eine sehr gute Arbeitsmöglichkeit, eine sehr offene Diskussion gegeben, weil eben offensichtlich auch andere Mitglieder dieses Ausschusses der Meinung waren, daß es doch einige Punkte in dieser Gesetzesvorlage gibt, die einer Erklärung bedürfen, daß man noch die eine oder andere Klarstellung in diese Materie einbringen könnte.

Auch wir haben unsere Vorschläge eingebracht. Es gab eine Redaktionssitzung, und es hat eigentlich so ausgesehen, als ob wir diesbezüglich zu einem Konsens kommen würden. Plötzlich, in der letzten Sitzung dieses Unterausschusses – und dann auch in der Ausschußsitzung selbst –, war das ein bißchen anders. Anscheinend hat es da zuvor Gespräche zwischen den Regierungsfraktionen gegeben. Die Österreichische Volkspartei, die sich auch vorher schon bei


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allen Abänderungsversuchen mürrisch gezeigt hat, hat sich da ausnahmsweise einmal durchgesetzt – allerdings in negativer Hinsicht. Diese notwendigen, wichtigen und interessanten Abänderungen konnten dann doch nicht so umgesetzt werden, wie das eigentlich von der Atmosphäre im Ausschuß her zu erwarten gewesen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist schade, denn ich glaube, in einigen wichtigen Punkten hätte man noch Verbesserungen erzielen können.

Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, daß es ein bißchen schwierig war, mit der Regierungsseite zu diskutieren. Herr Verteidigungsminister! Sie waren ja nicht anwesend bei diesen Ausschußberatungen, es wäre daher interessant, wenn Sie uns heute hier Ihre Sicht der Dinge zu diesem Gesetz, auch was die praktische Durchführung anlangt, kundtun würden. Es ist ja auch wichtig, wenn wir hier ein Gesetz beschließen, was die Folgen eines derartigen Gesetzes sind. Mit dieser Frage werden sich heute auch noch Kollegen von mir ausführlich beschäftigen.

Uns von der Opposition, wenn wir Abänderungsanträge, wenn wir Entschließungsanträge oder Initiativanträge einbringen, wird immer gesagt: Ja, dann müßt ihr aber auch eine Folgenabschätzung in bezug auf die Kosten machen! – Bei diesem Gesetz fehlt uns das ein bißchen, und es war uns leider auch im Ausschuß nicht möglich, darüber zu debattieren. Der Herr Staatssekretär war zwar anwesend, aber er hat sich nicht gerade durch Diskussionsfreudigkeit ausgezeichnet. Ich hatte auch irgendwie den Eindruck, daß er sich nicht wirklich mit dieser Materie beschäftigt hat und daher eben nicht sehr kundig war. Es war zwar ein Experte des Verteidigungsministeriums dort, und wir haben beantragt, daß dieser zu Wort kommen soll, was aber leider abgelehnt wurde. Man hat gesagt, der sitzt zwar dort und hört zu, aber man will eigentlich nicht, daß der uns in dieser Materie Informationen gibt. – Eine sehr merkwürdige Vorgangsweise, wenn es darum geht, eine so wichtige Materie ordentlich zu diskutieren.

Wir wollten in diesem Ausschuß auch Informationen bekommen über einen konkreten Anlaßfall, der unserer Meinung nach aufgrund des Entsendegesetzes umgesetzt werden soll: damals der geplante Albanien-Einsatz. Im Ausschuß wurde uns gesagt: Da kann es noch keine Informationen geben, denn erstens wird der Albanien-Einsatz nicht aufgrund dieses Entsendegesetzes durchgeführt, und zweitens gibt es ja noch gar keine Kriterien, noch gar keine Information dafür, wie das ablaufen, wie das dann wirklich konkret geschehen wird.

Interessanterweise hören wir jetzt wieder genau das Gegenteil: Erstens soll dieses Entsendegesetz quasi die Grundlage für diesen Albanien-Einsatz bilden, und zweitens ist taxfrei festgehalten worden: Wenn wir auch nicht wissen, unter welchen Umständen wir dort hingehen, auch wenn wir nicht wissen, was der konkrete Auftrag sein wird, wer diesen Einsatz leisten wird und in welchem Rahmen er abgeführt werden wird, auf jeden Fall wissen wir aber, daß wir dort hinuntergehen. Herr Verteidigungsminister, wir wissen zwar nicht wohin, Hauptsache ist, wir sind schneller dort!

Angeblich sollen ja schon die Druckmaschinen in der Staatsdruckerei laufen, um dieses Gesetz, wenn Sie es jetzt hier beschließen, noch schnell im Bundesrat durchzubringen. Vielleicht kommt der Herr Bundespräsident noch am Wochenende schnell zum Unterschreiben, damit dann am Montag auch die Staatsdruckerei dieses entsprechende Bundesgesetzblatt in Druck bringen kann.

Das ist doch wirklich sehr merkwürdig bei einer Vorlage, die so lange blockiert worden ist, daß man das hier als Anlaßgesetzgebung jetzt so husch-pfusch über die Bühne bringen möchte, und zwar für einen Anlaßfall, der ja angeblich gar nicht unter dieses Gesetz fällt.

Ich stimme jenen Rednern durchaus zu, die meinen – das wird uns auch noch beschäftigen, Herr Verteidigungsminister –, daß dieser Albanien-Einsatz in diesem Entsendegesetz keine Deckung findet, denn da müßten Sie uns einmal folgende Frage beantworten: Im Rahmen welcher internationalen Organisation oder der OSZE findet dieser Albanien-Einsatz denn eigentlich statt? – Bis jetzt kennen wir keinen Beschluß einer internationalen Organisation, der diesen Einsatz rechtfertigen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Bei diesem Entsendegesetz zeigt sich ja auch in anderen Paragraphen, daß man sich vor einer Grundsatzentscheidung drückt: Wollen wir in Zukunft solidarisch und gemeinsam mit anderen Staaten europäische Sicherheitspolitik mitgestalten – oder wollen wir isoliert sein, wollen wir alleine bleiben? Diese Entscheidung sind Sie schuldig geblieben. Auf der einen Seite sagen Sie: NATO noch nicht – das haben wir auch gestern wieder vom Herrn Klubobmann Khol gehört. Man müsse noch abwarten, wie sich alles gestaltet und nicht "kopfüber" in diese NATO "hineinspringen". Das wollen Sie nicht, Herr Kollege Khol, aber Sie wollen kopfüber in den Albanien-Einsatz gehen, wofür die Grundlagen überhaupt nicht klar sind! (Abg. Dr. Khol: Ja, ja, kopfüber hinein!) In dieses Schwimmbecken ohne Wasser springen Sie aber gerne hinein. Sie können das auch gerne machen, Herr Kollege Khol! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist Ihnen unbenommen, aber Sie werden von uns keine Unterstützung hiefür finden.

Da ich ja auf Ihre Aussagen repliziere, möchte ich Ihnen auch eine Antwort auf Ihre gestrigen Ausführungen hier geben, als Sie gesagt haben: Bei den Freiheitlichen ist das typisch: Sie sind zwar für die NATO, aber wenn es dann konkret um einen Einsatz geht, sind sie dagegen. – Herr Kollege Khol! Erstens ist das gar kein Einsatz im Rahmen der NATO, und zweitens haben wir gesagt, wir können doch nicht in solche Einsätze gehen, ohne diese Grundsatzentscheidung getroffen zu haben! (Abg. Dr. Khol: Das ist das Problem! Es geht um Solidarität!)

Das werfen wir Ihnen vor: Sie übernehmen immer mehr in einer Art vorauseilendem Gehorsam die Verpflichtungen aus einer Bündnismitgliedschaft, ohne aber die Rechte in Anspruch zu nehmen, daß Österreich als vollberechtigtes Mitglied auch an der Umsetzung und Planung solcher Einsätze mitarbeiten kann. Das ist es ja, was wir Ihnen vorwerfen – und das sieht man auch in diesem Gesetz! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Albanien, Herr Kollege Khol und Herr Verteidigungsminister. Wie schaut denn das jetzt in der konkreten Umsetzung aus? Wir haben ja jetzt gehört, wie verärgert man auch innerhalb des Heeres, innerhalb der Truppe ist – nicht innerhalb Ihres Ressorts. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn Sie auch wieder einmal zur Truppe gehen und sich dort anschauen würden, wie das umgesetzt wird. Da werden jetzt Leute angerufen, die sich grundsätzlich einmal für Auslandseinsätze gemeldet haben, denen gesagt wird: Du fährst da hinunter! – Der sagt dann, eigentlich kann er jetzt nicht, weil er in seiner Einheit, in seinem Regiment bei einer Übungsvorbereitung ist. Antwort: Na ja, das kannst du natürlich schon ablehnen, es gilt ja der Grundsatz der Freiwilligkeit, aber es muß dir dann klar sein, daß du nie wieder in irgendeinen Auslandseinsatz gehen kannst. Zypern, Golan, das ist alles für dich gestrichen! (Abg. Mag. Stadler: Nötigung! – Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Es ist natürlich klar, was der macht. Der ist jetzt in einer Zwickmühle: Entweder muß er seine Einheit, sein Regiment im Stich lassen, oder er verzichtet auf Dauer auf die Möglichkeit, in internationale Einsätze zu gehen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Grund für Kündigung!) Das sind Tatsachen, Herr Minister, die Sie nicht wissen. Gehen Sie einmal "hinunter" zur Truppe! Hören Sie sich an, was dort alles passiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nächster Punkt: Ihr Generaltruppeninspektor sagt, 100 Millionen Schilling kostet dieser Einsatz. 100 Millionen Schilling, die wir nicht haben, sagt Generaltruppeninspektor Majcen. Kennt er sich nicht aus? Weiß er nicht, wovon er spricht, Ihr oberster Militär in Ihrem Ressort? Oder wie schaut das aus?

Herr Bundesminister! Wir wissen ganz genau, daß das Bundesheer immer mehr unter der Budgetknappheit leidet, aber für diese Dinge ist anscheinend Geld vorhanden. Was das für die Moral der Truppe bedeutet, wenn man sagt, für die Auslandseinsätze wird plötzlich Geld aufgestellt, da wird Infrastruktur aufgestellt, da muß man natürlich anderes Gerät beschaffen, da muß man entsprechendes Gerät bereitstellen, aber für die eigenen Soldaten hat man das nicht, die haben noch immer das Uraltgerät, die alten Helme, keinen Splitterschutz, nichts, das muß man aber auch bedenken. Da sagt man: Lieber Freund, wenn du ins Ausland gehst, wenn du Albanien verteidigst, dann bekommst du eine ordentliche Ausrüstung, wenn du Österreich, wenn du dein Land verteidigst, dann mußt du eben mit dem 50, 60 Jahre alten Glumpert auskommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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So kann es nicht gehen, Herr Minister! Man kann nicht per Inserat für solche Einsätze Personal suchen, man kann nicht alle Töpfe im Inland leeren, damit man in einer Art vorauseilendem Gehorsam die Rahmenbedingungen für Herrn Vranitzky organisiert. Zuerst die Grundsatzentscheidung in der Sicherheitspolitik, dann eine ordentliche Vorbereitung, Ausbildung, aufgestellte Truppen, entsprechende Infrastruktur, budgetäre Absicherung – und erst dann in solche Einsätze gehen! Dafür werden Sie dann auch unsere Zustimmung erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch auf diese Schere in der Sicherheitspolitik hinweisen. Auf der einen Seite spricht man in den Erläuterungen von solidarischer und vorbehaltloser Teilnahme an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, eine Seite weiter in den Erläuterungen wird aber auf die Bedingung der völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der dauernden Neutralität hingewiesen. Das ist ein eklatanter und klassischer Widerspruch: vorbehaltlose Teilnahme an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der dauernden Neutralität!

Sie haben im § 1 festgehalten, daß Österreich aufgrund dieses Gesetzes an allen Friedenseinsätzen der NATO, der OSZE und aller anderen internationalen Organisationen teilnehmen kann. Das ist natürlich mit einer Neutralität unvereinbar! Dem stimmen wir auch zu, ist ja in Ordnung! Aber dann sagen Sie das der Bevölkerung auch offen und ehrlich (Beifall bei den Freiheitlichen), daß Sie sich endlich wirklich von diesem Prinzip verabschiedet haben, und tun Sie nicht so, als ob das alles nicht der Realität entsprechen würde!

Nächster Kritikpunkt: die parlamentarische Kontrolle. Sie haben hier festgehalten, daß der Hauptausschuß vor Einsätzen dann nicht zu befragen ist, wenn es die Dringlichkeit der Lage erfordert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß es einen dringlichen Fall gibt, wo sich zwar drei Minister koordinieren können, wo man aber nicht binnen 24 oder 48 Stunden den Hauptausschuß des Parlaments einberufen und vorab über diese Entsendung entscheiden kann.

Meine Damen und Herren! Der Einsatz österreichischer Soldaten oder Zivilpersonen im Ausland ist eine ganz wichtige Materie. Da müssen die Volksvertretung und das Parlament in allen Fällen vor der Entscheidung mit eingebunden sein, bevor diese Österreicher ins Ausland gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch die Frage der Freiwilligkeit ist ungenügend gelöst. Warum schafft man nicht die Möglichkeit, daß es für Berufssoldaten vorab eine Verpflichtungserklärung gibt, daß man fixe Truppen aufstellen kann und auch die Möglichkeit für Grundwehrdiener geschaffen wird, nicht im Einzelfall diese Freiwilligkeit abzuberufen, und der dann einen Tag vor der Übung sagt: Nein, nach Preßburg möchte ich nicht fahren. Nach Allentsteig müßte ich zwar fahren, dem könnte ich mich nicht entschlagen, aber einer Übung nach Preßburg kann ich mich auch einen Tag vor der Übung entschlagen. Es wäre ausreichend, wenn der Präsenzdiener bei Antritt seines Grundwehrdienstes diese Erklärung abgibt, meine Damen und Herren.

In diesem Sinn werden wir auch Abänderungsanträge einbringen.

Letzter Punkt: Folgekosten. Damit wird sich auch mein Kollege Jung noch beschäftigen. Es ist hier zwar festgehalten, daß aufgrund des Gesetzes keine zusätzlichen Kosten entstehen, aber es ist doch wohl klar, daß diese Einsätze, die jetzt in immer stärkerem Ausmaß auf das Bundesheer zukommen werden, eine ganze Fülle von Folgekosten erfordern. Es wird überhaupt nichts darüber ausgesagt, wie das Geld aufgebracht werden soll. Sie selbst sagen immer, das geht dann schon aus dem normalen Budget, Sie wissen aber ganz genau – wie das auch der Generaltruppeninspektor gesagt hat –, daß dieses Geld nicht vorhanden ist. Ich glaube, auch das ist unverantwortlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir werden einen Abänderungsantrag zu all diesen Punkten hier einbringen, werden sehr differenziert abstimmen, werden uns auch ansehen, wie Sie diese Abänderungsanträge behandeln.


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Noch einmal: Im Grundsatz sind wir selbstverständlich dafür, daß Österreich in Zukunft gemeinsam mit den anderen Staaten Sicherheitspolitik für Europa organisiert – dazu gehören auch Einsätze von Österreichern im Ausland –, aber da muß man zuerst die Grundsatzentscheidung treffen, dann die entsprechenden Vorbereitungen durchführen und dann mit Zustimmung dieses Parlaments diese Einsätze beschließen, wenn auch die budgetären Vorkehrungen getroffen sind. So aber zäumen Sie das Pferd von hinten auf, und da fällt es uns wirklich sehr schwer, diese Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. – Er hat das Wort.

10.26

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen ins Ausland oder das, wie es in der Kurzfassung heißen wird, KSE-BVG ist ein wichtiges Gesetz, das weit über den Fall, der jetzt damit im Zusammenhang steht und der möglicherweise der erste Einsatzfall sein wird, nämlich Albanien, hinausreicht.

Es wurde richtigerweise schon darauf hingewiesen, daß weitgehende Vorbereitungen stattgefunden haben und daß es vor allem darum gegangen ist, das bisher geltende Entsendegesetz an die geänderte Lage, die neuen Notwendigkeiten – also zum Beispiel Teilnahme an der "Partnerschaft für den Frieden", Gemeinsame Außenpolitik et cetera – anzupassen und auch von der Formulierung "internationale Organisationen" wegzukommen. Schließlich soll dadurch dem entsendenden Organ auch ermöglicht werden, nicht nur geschlossene Kontingente von Angehörigen des Bundesheeres, von Angehörigen der Wachkörper des Bundes und von Personen, die sich zur Dienstleistung für den betreffenden Einsatz verpflichtet haben, sondern auch einzelne Personen ins Ausland entsenden zu können. Hierbei ist zum Beispiel an solche zivile Experten gedacht, die im Zuge von Katastrophenfällen eingesetzt werden können, aber auch Wahlbeobachter und andere könnten unter gewissen Bedingungen darunterfallen.

Mit dem Entsendegesetz in seiner neuen Form wird auch dem erweiterten umfassenden Sicherheitsbegriff Rechnung getragen, und es wird auch der Absicht Österreichs und vieler anderer Staaten und auch Organisationen Rechnung getragen, nicht erst dann zu handeln, wenn schon etwas passiert ist, sondern auch vorbeugend bei der Bewältigung von Krisen oder Ursachen, die zu Kriegen führen können, schon etwas an Hilfe zu geben, an Monitoring zu geben, Personen zu entsenden, die etwas beobachten, die vermitteln und die dadurch dazu beitragen, daß es erst gar nicht zu einem Einsatz militärischer Art kommen muß.

Es ist ja einer der wesentlichsten Punkte der internationalen Arbeit, all das an Instrumentarien und Möglichkeiten zu nutzen, all das zu befördern, was mithilft, Kriege zu verhindern, und sich nicht bloß darauf zu konzentrieren, daß man dann in Auseinandersetzungen eingreift.

Es gab weitgehende Einigkeit über den Entwurf, und es ist eigentlich bedauerlich, daß über die grundsätzlichen Absichten, über viele Veränderungen – es hat ja tatsächlich Veränderungen gegenüber der Regierungsvorlage gegeben, weil sie in einigen Punkten unscharf gewesen ist –, daß über so viele Dinge – über die Absicht und über viele Details – Einigkeit gefunden wurde und daß dann bei einzelnen Punkten, die im Vergleich zum Ganzen nur eine untergeordnete Rollen spielen, keine Einigung zu finden ist. Es ist traurig, daß das dann dazu führen muß, daß das ganze Gesetz, das ganze Gedankengut, der Entwurf als solcher von der Opposition abgelehnt wird.

Ich möchte nun zu den einzelnen Punkten Stellung nehmen. Einer der wesentlichen Punkte der öffentlichen Debatte war das, was Frau Abgeordnete Pollet-Kammerlander für ihre Fraktion gestern oder vorgestern in einer Aussendung behauptet hat, daß nämlich durch dieses Entsendegesetz die Neutralität "entsorgt" werde, und in einem Zeitungsinterview hat sie dann noch ein Stückchen zugelegt. Ja, ja, Frau Kollegin, was tut man nicht "täglich Alles", um in die Zeitung zu kommen! Es stimmt aber nicht, daß durch dieses Entsendegesetz die Neutralität berührt oder


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außer Kraft gesetzt oder – wie Sie es, um ein besonders plastisches Bild zu zeichnen, nennen – "entsorgt" wird.

Die Formulierung "im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen" ist auch nicht so eine Art Synonym, das verwendet wird, damit man das Wort "Neutralität" nicht verwenden muß, gleichsam so wie in der berühmten Geschichte von Böll "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen", in der er den Ausdruck "Gott" durch "jenes höhere Wesen, das wir verehren" ersetzt und immer dieses lange, nicht so deutliche Synonym verwendet. Also es ist nicht so, daß wir statt "Neutralität" "völkerrechtliche Verpflichtungen" sagen.

Ich hätte nichts dagegen gehabt, die Neutralität zu erwähnen, aber zu sagen, sie sei "entsorgt" oder nur durch diese nichtssagende Formulierung ersetzt worden, damit man das Wort "Neutralität" nicht verwenden müsse, so als ob es giftig sei – das entspricht nicht den Tatsachen.

Schon in den Erläuterungen wurde klar darauf hingewiesen, daß der Ausdruck "völkerrechtliche Verpflichtungen" mehr ist als bloß ein Synonym für Neutralität, daß darunter mehrere Dinge fallen, auf die Bedacht zu nehmen ist. Zumindest – aber nicht ausschließlich – ist dies der Artikel 2 Z 5 der Satzung der Vereinten Nationen; das sind weiters Beschlüsse des Sicherheitsrates nach den Kapiteln VI und VII der Satzung der Vereinten Nationen; das sind gemeinsame Standpunkte und gemeinsame Aktionen der Europäischen Union nach Artikel J.2 und J.3 des Vertrages für die Europäische Union; das sind die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts nach Artikel 9 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz; das ist zum Beispiel auch das Erfordernis der völkerrechtlichen Einwilligung des Empfangsstaates hinsichtlich der Gewährung des Aufenthaltsrechtes; das ist weiters auch noch der Grundsatz der internationalen Zusammenarbeit, wie er etwa im Prinzip IX in der Schlußakte von Helsinki, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, in der Erklärung über die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leitenden Prinzipien enthalten ist; und das sind natürlich auch die den Inhalt der immerwährenden Neutralität bestimmenden völkerrechtlichen Normen.

Es stimmt auch nicht, Frau Kollegin Kammerlander, was Sie sagen und was in Zeitungen wiedergegeben wurde, daß bei der Aufzählung nur die OSZE und die anderen Dinge enthalten seien, aber nicht einmal in der Beschreibung, was alles unter den Begriff "völkerrechtliche Verpflichtungen" fällt, die Neutralität erwähnt würde. Ich empfehle Ihnen, die Seite 8 der Regierungsvorlage aufzuschlagen, den Finger zu nehmen und zu zählen (der Redner demonstriert dies): erste, zweite, dritte Zeile, vierte, fünfte, sechste, siebente, achte, neunte, zehnte, in der elften Zeile. (Abg. Wabl – beide Hände in die Höhe haltend –: Das sind schon elf! Sie haben geschummelt! Ich habe nur zehn Finger!) Am Ende der zehnten und in der elften Zeile finden Sie den Hinweis auf den "Inhalt der immerwährenden Neutralität". (Abg. Wabl: Sie haben geschummelt!) Also selbst in dieser Kleinigkeit muß ich Ihnen beweisen, kann ich Ihnen beweisen, daß das nicht stimmt. Es stimmt nicht, wie Sie es beschrieben haben, und es stimmt inhaltlich nicht.

Klar ist, daß auch auf die Neutralität Bedacht zu nehmen ist. Wir haben zudem auch noch in einer Ausschußfeststellung festgelegt, daß durch dieses Gesetz keine weitere Beitragspflicht entsteht. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Sie können schreien, soviel Sie wollen, Sie können behaupten, was Sie wollen. (Abg. Wabl: Wie wir schreien, bestimmen wir!) Ich glaube, es paßt Ihnen in den politischen Kram, der Regierung zu unterstellen, das sei ein Gesetz gegen die Neutralität, denn da kommen dann junge Menschen, die sich hinstellen und sagen: Unsere Neutralität darf nicht aufgegeben werden!, da kommen alte Menschen, die fragen: Was geschieht hier? (Abg. Wabl: Kollege Schieder! Was wird "täglich Alles" dazu sagen?)

Sie erzeugen damit unbegründete Angst und schaden der Neutralität, wenn Sie behaupten, hier sei sie nicht mehr enthalten. Sie ist drinnen, und die Bundesregierung hat darauf Bedacht zu nehmen. (Abg. Wabl: Was steht in "täglich Alles"?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Schieder! Der Herr Abgeordnete Wabl hat nur Probleme mit den elf Zeilen. Das war das Problem. (Abg. Wabl: Was steht in "täglich Alles" zur Neutralität?)


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Abgeordneter Peter Schieder
(fortsetzend): Herr Präsident! Ich wollte hier nicht auch noch eine Entwicklungshilfe im Zählen geben. Ich habe gesagt, er soll einen Finger nehmen und herunterzählen: erste, zweite, dritte, vierte Zeile. (Abg. Wabl: Ich habe nur zehn Finger!) Dazu brauche ich nicht mehr Finger. Da zähle ich mit einem Finger: eins, zwei, drei. Das wird ihm doch möglich sein, das lernt man heutzutage. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Wabl! Damit ist das aufgeklärt, daß Sie auch mit einer Hand bis elf zählen können. (Heiterkeit. – Abg. Wabl: Ich kann nur bis zehn zählen!)

Jetzt ist wieder Abgeordneter Schieder am Wort.

Abgeordneter Peter Schieder (fortsetzend): Aber natürlich, wenn da schon die Probleme beginnen, dann sieht man wahrscheinlich auch nicht, was wirklich alles in einer Regierungsvorlage enthalten ist.

Zu den Debatten, die hier noch zur Frage Hauptausschuß geführt worden sind: Ich sage es noch einmal, wie es ist. Bei der tatsächlichen Entsendung macht es die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates. Also für die wirklichen Aktionen, bei denen auch Einheiten eingesetzt werden et cetera, ist es klargestellt: Es kann – so wie bisher – nur im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß geschehen. Für gewisse andere Dinge ist auch eine abgestufte Zustimmung oder Information des Hauptausschusses vorgesehen.

Ich hätte es auch für möglich gehalten, es in all diesen Fällen dem Hauptausschuß zu geben, nicht abzuwarten, Herr Minister, wie der Hauptausschuß entscheidet, sondern ihm nur auch die Information zuzustellen. Das wird so vielen Stellen im Heer und außerhalb des Heeres mitgeteilt, da wäre Ihnen, glaube ich, kein Stein aus der Krone gefallen, wenn Sie es auch dem Hauptausschuß gesagt hätten. Aber wir nehmen zur Kenntnis: Sie haben die Sorge, daß das verlangsamt. Vielleicht können wir bei einer passenden Gelegenheit noch einmal darüber reden.

Umgekehrt haben wir – ich sage es gleich offen – einen Wunsch von Ihnen blockiert. Sie wollten, wie uns ausgerichtet wurde, am Schluß in den Verhandlungen die Frage der Freiwilligkeit noch dahin gehend ändern, daß es leichter gemacht wird. Sie wollten – nicht bei Präsenzdienern, sondern bei Angehörigen des Bundesheeres –, daß sich jemand nur einmal in seinem Leben freiwillig für so etwas melden muß und der dann aufgrund der einmaligen freiwilligen Meldung immer quasi verpflichtend herangezogen werden kann.

Das ist ein Vorschlag, den man in der Zukunft, wenn alles auf dem Tisch liegt, vielleicht wirklich ernsthaft beraten muß, weil ja ein Zustand kommen kann, daß man keine Leute für so etwas findet oder wo es sehr schwierig wird. Nur glauben wir, daß eine so wesentliche Frage, wenn es sich um eine Regierungsvorlage handelt, an der das betreffende Ministerium federführend oder unter anderen federführend mitgewirkt hat, nicht erst am Schluß der Ausschußberatungen eingebracht werden kann, sondern daß das mit ausgesendet, mit begutachtet gehört. Da sind dienstrechtliche und andere Dinge davon betroffen, und die sollten alle in Ruhe beraten werden.

Also dieses Nein von uns zu dieser Quasifreiwilligkeit, die zu einer Zwangsverpflichtung führt, ist kein Nein für immer, sondern wir wollen diese Materie nur in Ruhe besprechen, sobald die Unterlagen mit allen Folgen auf dem Tisch liegen. Dann kann man sicher in Ruhe darüber sprechen, denn wir verschließen uns nicht der Tatsache, daß es auch dienstliche Notwendigkeiten geben kann, so etwas eines Tages zu machen. Für Präsenzdiener darf das allerdings nie gelten, sondern es ist klar, daß hier jedesmal eine schriftliche, freiwillige Erklärung erfolgen muß; bei minderjährigen Präsenzdienern auch die der Erziehungsberechtigten.

Eine weitere Änderung, die gefunden wurde, betrifft das Kriegsmaterial. Die Idee ist an sich richtig. Wir haben in Österreich ein Gesetz, das die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial unter bestimmten Bedingungen verbietet beziehungsweise an bestimmte Bewilligungen bindet. Soldaten, Polizisten oder Gendarmen fahren diese Einsätze natürlich bewaffnet. Ich möchte es so formulieren: Es wäre tatsächlich unsinnig, zu sagen, in jedem dieser Fälle müßte es eigentlich ein Verfahren nach dem Kriegsmaterialgesetz geben.


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Der Grundgedanke war also richtig, aber dieses richtige Gedankengut war in untauglicher Form in der Vorlage enthalten. Da stand nämlich einfach, daß für diese Einsätze das Kriegsmaterialgesetz nicht gilt. Das hätte aber genaugenommen auch heißen können – obwohl ich niemandem unterstellen will, daß er so etwas tun würde –, daß etwa ein Wahlbeobachter oder irgendein Experte mit einem Lawinenhund einen Einsatz macht und dann mit 200 Panzern zurückkommen kann, die er im Ausland eingekauft hat, weil das Kriegsmaterialgesetz für ihn nicht gilt. (Abg. Scheibner: Im Handgepäck?) Ich weiß nicht, ob die Fluglinie das zulassen würde. – Er könnte also theoretisch mit Panzern zurückkommen, weil das Kriegsmaterialgesetz für ihn nicht gilt.

Das war nie beabsichtigt, aber der Text war einfach unscharf formuliert. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Schieder! Unsere Hunde sind derzeit besser als unsere Panzer!) – Das hat aber nichts mit dem Kriegsmaterialgesetz zu tun, Herr Kollege! – Daher ist nunmehr folgende neue Formulierung gefunden worden: Die gesetzlichen Bestimmungen über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial sind nicht auf das den entsendeten Personen zugeteilte Kriegsmaterial anzuwenden. – Das ist jetzt klar, drückt das aus, was beabsichtigt war, und läßt keine Mißdeutungen mehr zu.

Wir haben in zwei Ausschußfeststellungen auch andere Mißdeutungen klargestellt, vor allem jene, über die schon vorweg gesagt wurde, da gebe es noch diesen oder jenen Fehler. Genau diese Punkte haben wir jetzt klargestellt, damit es keine Mißinterpretationen mehr geben kann.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist in seiner Absicht oder in seinen wesentlichen Bestimmungen nunmehr auf der Höhe der Zeit, trägt dem Gedankengut der solidarischen Teilnahme Rechnung und bringt keine zusätzlichen Beistandspflichten für Österreich. Dieses Gesetz hätte vielleicht nach den Wünschen des einen oder anderen in manchen kleineren Punkten noch verbessert werden können, so wie viele Gesetze. Es ist schade, daß diese kleinen Punkte nun wahrscheinlich dazu führen werden, daß dieses wichtige Anliegen hier keine einhellige, sondern nur die Zustimmung der beiden Regierungsparteien finden wird. Aber allein das ist schon wichtig: daß Regierungsparteien gemeinsam und rasch in der Lage sind, auf Anforderungen, die die Entwicklung in Europa mit sich bringt, zu reagieren und dem modernen Gedankengut betreffend die solidarische Teilnahme an Maßnahmen für Frieden und Menschenrechte in Europa durch ein entsprechendes Gesetz Rechnung zu tragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.44

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute ein Bundesverfassungsgesetz über die Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland, und ich meine, daß diese Neufassung des Entsendegesetzes schon längst fällig war. Es ist deswegen höchst an der Zeit gewesen, das bisherige Entsendegesetz seitens des Parlaments zu überarbeiten, weil das bisherige Entsendegesetz unzureichend war und wir nach den geltenden gesetzlichen Grundlagen eigentlich nicht mehr die Möglichkeit hatten, aktiv an den friedenssichernden Maßnahmen in Europa oder in der Welt teilzunehmen.

Was wir Liberale wollen, ist, daß Österreich sich engagiert und in das europäische Sicherheitssystem einbringt. Wir wollen, daß Österreich aktiv an den verschiedensten Einsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen sowie im Rahmen der internationalen Organisationen teilnimmt. (Abg. Scheibner: Meinen Sie: "Wir Generäle"?) Nein, sicher nicht. Wir Liberalen wollen, daß Österreich an aktiven Einsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen teilnehmen kann, damit Österreich seinen Beitrag zur Sicherheit und zum Frieden in dieser Welt leistet.

Meine Damen und Herren! In der heutigen Diskussion hat Herr Kollege Schieder gemeint, daß dadurch die Neutralität nicht berührt werden würde. Ich bin jedoch der Ansicht, daß gerade die Tatsache, daß wir eine Neuregelung des Entsendegesetzes brauchen, Ausdruck dafür ist, daß


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die Neutralität längst überholt ist (demonstrativer Beifall des Abg. Jung ) , daß die Neutralität keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft mehr ist.

Ich meine, daß das Gesetz zum Ausdruck bringt, daß nur so der umfassende sicherheitspolitische Ansatz gewährleistet werden kann, und wir nur so in der Lage sind, solidarisch an den Aktivitäten in Europa teilzunehmen, Herr Kollege Schieder. Und genau das ist es ja, was auch Sie wollen. (Abg. Schieder: Darf ich einen sachlichen Zwischenruf machen? – Meinen Sie, daß ein Staat, der nicht neutral wäre, gar kein Entsendegesetz braucht, weil er das nicht rechtlich regeln muß? Hängt das damit zusammen?) Herr Kollege Schieder! Jeder Staat wird eine gesetzliche Grundlage brauchen. (Abg. Schieder: Richtig! Das hängt nicht mit der Frage der Neutralität zusammen, sondern mit Recht, Gesetz und Ordnung!)

Jeder Staat wird eine gesetzliche Grundlage brauchen, um Truppen zur Teilnahme an friedenssichernden Maßnahmen entsenden zu können. Daher ist der Konnex mit der Neutralität als solcher nicht herzustellen. Frau Kollegin Kammerlander hat sicherlich nicht recht, wenn sie daraus etwa ableitet, daß damit die Neutralität "entsorgt" werden würde. Das sind zwei Paar Schuhe! Wir sind der Meinung, die Neutralität ist ohnehin bereits überholt, die Neutralität ist keine Antwort mehr auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen von heute, sondern unsere Aktivitäten sollten im Rahmen eines integrierten europäischen Sicherheitssystems erfolgen. Daran sollen und müssen wir voll aktiv teilnehmen!

Meine Damen und Herren! Der Albanien-Einsatz wurde heute schon angesprochen. Ich betone, daß die heutige Beschlußfassung über das Entsendegesetz nichts mit dem Albanien-Einsatz zu tun hat. Wir Liberalen sagen ja zum Albanien-Einsatz, wir meinen, daß ein solcher Einsatz der Ausdruck einer engagierten, aktiven Teilnahme ist, aber darüber wird heute im Parlament nicht entschieden. Diesbezüglich wird es notwendig sein, daß der Hauptausschuß des Nationalrates entsprechende Unterlagen bekommt und in die Beratungen eingebunden wird, bevor ein endgültiges Ja ausgesprochen werden kann.

Ob derzeit die Planungen seitens des Verteidigungsminsteriums schon in diese Richtung laufen, sei dahingestellt.

Ich möchte dazu nur noch eines feststellen – auch Kollege Scheibner ist in seiner Wortmeldung darauf eingegangen –: Herr Bundesminister! Die derzeit laufenden Vorbereitungen für den Albanien-Einsatz zeigen, daß es bislang nicht gelungen ist, den Beschluß des Ministerrates aus dem Jahr 1993 über die Aufstellung von vorbereitenden Einheiten entsprechend umzusetzen. Diese Einheiten sind noch nicht einsatzbereit, obwohl dies gemäß heeresinterner Planungen notwendig gewesen wäre.

Es zeigt sich ganz klar, was wir brauchen. Das, was wir benötigen, sind erstens organisatorisch verfügbare Einheiten und ist zweitens vor allem die finanzielle Absicherung derartiger Auslandseinsätze. Wie sich zeigt, nehmen diese Auslandseinsätze massiv zu, aber es fehlen dafür die finanziellen Voraussetzungen.

Es geht einfach nicht an, daß das ständig aus dem laufenden Budget finanziert wird! Wir müssen eine Möglichkeit, eine Regelung finden, wie diese Auslandseinsätze oder die Einsätze des Bundesheeres generell finanziert werden, weil diese nicht zu Lasten der Modernisierung des Bundesheeres, nicht zu Lasten des Betriebsaufwandes gehen dürfen. Das ginge nämlich zu Lasten der Ausbildung, zu Lasten von Übungen, und das kann doch nicht der Sinn und Zweck sein.

Insgesamt erreichen derzeit die finanziellen Aufwendungen für die Einsätze des Heeres – ob Assistenzeinsatz oder allgemeine Einsätze im Ausland – bereits die Milliardengrenze. Es fehlen derzeit daher einfach die finanziellen Voraussetzungen und die finanziellen Mittel. Herr Bundesminister! Es wird an Ihnen liegen, im Parlament die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu schaffen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Ohne das Budget zu belasten!) Das wäre natürlich ein Ansatz, Herr Kollege Haselsteiner, darüber wird noch zu diskutieren sein.


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Meine Damen und Herren! Eines muß aber klar sein, und das möchte ich auch meinen Fraktionskollegen sagen: Wenn es zu jenen Aufgaben des Bundesheeres, wie sie im Wehrgesetz definiert sind, zusätzliche Aufträge für das Bundesheer gibt, die über die normalen Friedensaufgaben hinausgehen, dann muß dafür auch die finanzielle Bedeckung sichergestellt werden. (Abg. Dr. Haselsteiner: Durch Umschichtungen!) Wenn eine solche Entscheidung getroffen wird, dann hat sich die politische Führung auch mit dieser Frage auseinanderzusetzen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Jung. – Abg. Jung: Der Haselsteiner klatscht nicht! ) Ich meine, eine zusätzliche budgetäre Absicherung derartiger Einsätze des Bundesheeres müßte doch möglich sein.

Meine Damen und Herren! Ich wiederhole: Eine Neuregelung der Entsendung von Einheiten des Bundesheeres ins Ausland war höchst notwendig. Ich bedauere außerordentlich, daß mit diesem Gesetz kein wirklich großer Wurf gelungen ist. Ich bedauere, daß – obwohl sich zunächst eine sehr positive Arbeit im Ausschuß abgezeichnet hat – die Vorschläge und Abänderungsanträge, die von uns Liberalen eingebracht worden sind, dann eigentlich am Widerstand des Herrn Kollegen Schieder gescheitert sind.

Ich bin nicht ganz der Auffassung des Kollegen Scheibner, daß die Österreichische Volkspartei den eigentlichen Widerstand geleistet hätte, sondern ich meine, es lag an den Sozialdemokraten. Ich komme später noch darauf zurück. Ich bedauere das. Wir Liberalen werden diesem Gesetz unsere Zustimmung daher nicht geben.

Wir meinen, daß es nicht sein darf, daß es in einer so sensiblen Materie wie etwa jener der Anlaßfälle für die Entsendung von Einheiten weiterhin Unklarheiten gibt. Es gibt trotz der gesetzlichen Festlegung auch weiterhin Interpretationsmöglichkeiten, vor allem, was die Anlaßfälle für die Entsendung von Einheiten betrifft. Wir haben eine Einschränkung der Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments, des Hauptausschusses des Nationalrates. Das ist für uns nicht annehmbar. Das ist nicht akzeptabel.

Es sind auch noch andere Fragen offengeblieben, von denen wir meinen, daß sie gerade im Rahmen der Vorberatungen zu diesem Entsendegesetz schon längst hätten geklärt werden müssen. Da dieser Gesetzentwurf ja schon fast über ein Jahr in Diskussion steht, hätten auch andere Fragen, wie etwa die der Freiwilligkeit oder die der Aus- und Einfuhr von Waffen, entsprechend geregelt werden müssen, sodaß man hier zu einer gesamtheitlichen, umfassenden Regelung hätte kommen können.

Ich möchte nun einige Argumente anführen, warum wir diesen Gesetzentwurf ablehnen werden. Zunächst meine ich, daß in einer so sensiblen Frage wie der Festlegung der Anlaßfälle für die Entsendung von Einheiten ins Ausland absolute Klarheit bestehen muß. Ich bedauere, daß diese Klarheit durch jene Formulierungen, die in diesem Entwurf nunmehr festgelegt wurden, nicht gegeben ist.

Wir Liberalen haben beantragt, daß wir uns an die Terminologie und an die Systematik anlehnen, die auch seitens der Vereinten Nationen gepflogen wird und wie sie in der "Agenda für den Frieden" in einem Bericht des Generalsekretärs vom Jänner 1992 an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen festgelegt ist.

Meine Damen und Herren! Aus diesem Bericht geht klar hervor, was seitens der Vereinten Nationen unter friedenssichernden Maßnahmen zu verstehen ist oder, besser gesagt, was mit Maßnahmen zur Sicherung des Friedens gemeint ist. Dabei kann jedenfalls von einem sehr breiten Ansatz ausgegangen werden. Dieses breite Spektrum umfaßt Maßnahmen der vorbeugenden Diplomatie, Maßnahmen der Friedensschaffung und der Friedenssicherung, aber auch Maßnahmen der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit.

Dieses gesamte Maßnahmenpaket ist terminologisch, begrifflich seitens der Vereinten Nationen unter dem Begriff "Sicherung des Friedens im Geiste der Charta der Vereinten Nationen" zusammengefaßt. Diese Klarstellung wollten wir, und ich meine, daß diese Klarstellung auch notwendig gewesen wäre, damit wir uns nicht auf den engen Begriff der Friedenssicherung durch militärische Maßnahmen nach Herstellung eines Waffenstillstandes nach bewaffneten Ausein


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andersetzungen beschränken, sondern damit wir bereits im Vorfeld durch präventive, durch diplomatische Maßnahmen einen aktiven Beitrag zur Friedenssicherung setzen.

Wir wollten aber auch in der Konfliktfolgezeit durch konkrete Maßnahmen stabilisierend wirken. Das wurde verabsäumt, und ich meine, daß wir dadurch der Sache keinen guten Dienst erwiesen haben. Das ist mit ein Grund – Herr Kollege Schieder, ich sage Ihnen noch einmal: es ist am Widerstand der SPÖ gescheitert –, warum wir die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht geben wollen.

Ein weiterer Grund für unsere Ablehnung ist, daß die Mitwirkungsrechte, die Mitgestaltungs- und Mitentscheidungsmöglichkeit des Hauptausschusses des Nationalrates leider Gottes eingeschränkt worden sind, und zwar mit einer sachlich nicht gerechtfertigten Begründung. Es wurde nämlich festgelegt, daß bei einer besonderen Dringlichkeit, bei Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe die Mitwirkung des Nationalrates dahin gehend eingeschränkt wird, daß die Entscheidung an die Bundesregierung delegiert und der Nationalrat in der Folge nur mehr darüber informiert wird.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht gerechtfertigt, in solchen Fällen liegt keine Dringlichkeit vor. Und in jenen Fällen, in denen die Dringlichkeit wirklich gegeben ist, etwa bei Maßnahmen von Such- und Rettungsdiensten, hat ohnehin der Verteidigungsminister die Möglichkeit, rasch und umfassend zu helfen.

Herr Kollege Spindelegger! In all jenen Fällen, die Herr Kollege Khol heute früh im "Morgenjournal" angeführt hat, etwa bei Katastrophen, bei Lawinenabgängen, bei Hochwasser et cetera, haben wir bereits – unter Bezugnahme auf § 1 Z 1 lit. c, nämlich Maßnahmen der Such- und Rettungsdienste – die Möglichkeit, rasch und umfassend zu helfen. Es besteht keine Notwendigkeit, dabei den Nationalrat oder den Hauptausschuß des Nationalrates einzubinden. Es ist aber auch keine Notwendigkeit gegeben, bei anderen Anlaßfällen – nämlich für Maßnahmen humanitärer Hilfe oder Katastrophenhilfe – eine Dringlichkeit zu verlangen, weil ja das Verteidigungsministerium selbst – ich zitiere aus dem betreffenden Erlaß des Verteidigungsministeriums – eine Vorbereitungszeit von – Sie werden es nicht glauben – zwei Wochen festgelegt hat. Das heißt, in dieser Zeit wird es ohne Schwierigkeiten möglich sein, eine Zustimmung des Nationalrates herbeizuführen. Ich meine daher, daß diese Dringlichkeit nicht überzeugend begründet werden kann.

Ein weiterer Punkt ist die Frage der doppelten Freiwilligkeit. Herr Bundesminister! Es ist mir unverständlich, daß – obwohl es in dieser Frage ein klares Verlangen seitens des Generaltruppeninspektors und eine klare Meinungsäußerung und Willensäußerung Ihrerseits gegeben hat – diese doppelte Freiwilligkeit nach wie vor gegeben ist. Offensichtlich kann sich die ÖVP in dieser Frage gegen die Sozialdemokratische Partei nicht wirklich durchsetzen. Derartige Bestimmungen behindern alle vorbereitenden Maßnahmen für den Einsatz des Bundesheeres im Rahmen der internationalen Organisationen.

Es ist auch nicht wirklich verständlich, warum wir von jemandem, der sich freiwillig zum Bundesheer gemeldet hat, der als Berufssoldat oder als Zeitsoldat Dienst im Bundesheer macht, plötzlich eine weitere freiwillige Meldung verlangen, wenn es darum geht, daß das Bundesheer eine Aufgabenstellung wie etwa einen Einsatz im Ausland erfüllt.

Derartige Regelungen behindern die vorbereitenden Maßnahmen, derartige Regelungen sind kontraproduktiv. Wir hätten heute die Möglichkeit und die Chance gehabt, die legistischen Voraussetzungen für eine entsprechende Neuorientierung des Einsatzes sowie des Dienstrechtes des Berufskaderpersonals zu schaffen und zu beschließen.

Diese Chance haben Sie wieder versäumt. Obwohl es gewisse Absichtserklärungen seitens der Sozialdemokratischen Partei gibt, bin ich nicht sicher, ob zu einem späteren Zeitpunkt diese Möglichkeiten noch gegeben sein werden.

Ich bin froh, daß die Klarstellung im Zusammenhang mit der Ein- oder Ausfuhr von Kriegsmaterialien getroffen worden ist, damit Herr Kollege Schieder ruhig schlafen kann. Er hat als


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Beispiel gebracht, daß eine Einheit als Infanterieeinheit ins Ausland geht und dann plötzlich mit Panzern zurückkommt. Ich meine, meine Damen und Herren, ein derartiges Beispiel ist wohl an den Haaren herbeigezogen. Aber wenn Herr Kollege Schieder, wenn die SPÖ dadurch ruhiger schlafen kann, dann soll es von mir aus so sein. Eine wirkliche Notwendigkeit hätte nicht bestanden.

Ich komme auch gleich zu den Ausschußfeststellungen, die interessanterweise in einigen Fällen beschlossen worden sind, wo es keine wirkliche Notwendigkeit dazu gegeben hat. Dort, wo eine Klarstellung sinnvoll gewesen wäre, ist diese nicht erfolgt. Dort, wo aber aus meiner Sicht im Prinzip ohnehin alles klar ist, hat man eine Ausschußfeststellung getroffen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ein Beispiel: Es wurde festgestellt, daß Österreich durch dieses Entsendegesetz keine zusätzlichen Beistandspflichten erwachsen. Da kann ich nur sagen: No na! Weiters wurde festgestellt, daß es einen inhaltlichen Unterschied zwischen humanitären und Rettungsmaßnahmen auf der einen Seite und Maßnahmen der Krisenbewältigung und der Herbeiführung des Friedens auf der anderen Seite gibt. Der Hinweis auf die Petersberger Erklärungen ist völlig unnotwendig, ebenso der Hinweis, daß sich der Waffengebrauch bei humanitären Einsätzen nur auf Fälle der Selbstverteidigung beschränkt. – Meine Damen und Herren! No na!

Daher glaube ich, daß das Ganze im wesentlichen nur eine Augenauswischerei war. Es wäre notwendig gewesen, begriffliche Klarstellungen dort zu treffen, wo es in einem sehr sensiblen Bereich tatsächlich Sinn gemacht hätte, nämlich klar zu definieren und damit auch legistisch zu determinieren, in welchen Anlaßfällen es zu einer Entsendung von Einheiten und von Personen des Bundesheeres in das Ausland kommen kann. Das wäre sinnvoll und notwendig gewesen. Es wäre auch sinnvoll und notwendig gewesen, die Mitwirkung des Hauptausschusses des Nationalrates nicht weiter einzuschränken, sondern im Gegenteil, es ist eigentlich eine ureigene Aufgabe der Volksvertretung, über die Entsendung von Truppen in das Ausland zu entscheiden, und das hätte eher noch ausgebaut werden können.

Aber da all diese sehr wesentlichen Maßnahmen, wie mir scheint, nicht geregelt worden sind, werden wir auch dieser Novelle die Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster ist Abgeordneter Dr. Spindelegger zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten.

11.03

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Was kann mit diesem neuen Gesetz wirklich bewirkt werden? – Ich glaube, wenn wir über Entsendung reden, muß der erste Punkt dabei sein, daß wir an eine mittlerweile gut geführte Tradition Österreichs anknüpfen können.

Meine Damen und Herren! Seit 1960 hat sich Österreich an 25 Missionen beteiligt, 36 000 freiwillige Österreicher waren im Einsatz der Friedenssicherung in dieser Welt – 36 000 Österreicher, die ein hervorragendes Bild für Österreich in dieser Weltgemeinschaft abgegeben haben. Wer von Ihnen irgendwo im Ausland einen Einsatz des österreichischen Bundesheeres im Rahmen einer Friedensmission gesehen hat, wer von Ihnen mit Kommandanten, mit Vertretern des betroffenen Landes Gespräche geführt hat, der kann sicher bestätigen, daß das zu einem Profil Österreichs in der Außenpolitik ganz entscheidend beigetragen hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. )

Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir uns auch bei diesen 36 000 freiwilligen Österreichern dafür bedanken müssen, daß sie sich in diese Missionen begeben haben, die oft wirklich gefährlich waren und sie selbst in eine neue Situation gebracht haben.

Meine Damen und Herren! Das neue Gesetz geht aber auf einige Punkte ein, die bisher unbefriedigend gelöst waren. Ich darf Sie an ein konkretes Beispiel erinnern: 1988 gab es im


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damals noch festgefügten Osten, in der Sowjetunion, ein Erdbeben in Armenien, ein Erdbeben, bei dem Dutzende von Häusern von Zerstörung bedroht und Tausende von Menschen betroffen waren. Es war also notwendig, unmittelbar Hilfe zu leisten. Das damals geltende Gesetz hat aber die Möglichkeit einer Hilfe nur auf Ersuchen einer internationalen Organisation vorgesehen. Damals gab es kein Ersuchen einer internationalen Organisation, sondern ein Ersuchen der Sowjetunion. Wir haben zwei Tage damit verbracht, bis sich endlich irgend jemand bereit erklärt hat, ein solch formales Ersuchen an Österreich zu richten, zwei Tage, die abgegangen sind im Dienste der Rettung von Menschen.

Daher ist es eine wesentliche Verbesserung, daß heute diese Formalvoraussetzung für die Entsendung von Soldaten, nämlich daß diese nur aufgrund eines Ersuchens internationaler Organisationen erfolgen kann, nicht mehr gegeben ist, sondern wir selbst entscheiden können, ob wir solidarisch an solchen Aktionen teilnehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein dritter Punkt ist anzufügen. Es gibt eben auch Veränderungen in dieser internationalen Gemeinschaft, ob es sich heute um Missionen der OSZE handelt, ob wir im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union etwas zu sagen und mitzuwirken haben oder ob es um die "Partnerschaft für den Frieden" geht. Drei Organisationen, drei neue Anforderungen, zu denen wir uns bekennen, die aber in diesem Gesetz bisher nicht vorgesehen waren. Daher gibt es auch eine, würde ich sagen, wesentliche inhaltliche Weiterentwicklung.

Jetzt gibt es einen Anlaßfall, und zwar den Einsatz Österreichs in Albanien. Meine Damen und Herren! Aus diesem Anlaßfall heraus ergibt sich die Notwendigkeit, ganz unmittelbar gesetzliche Änderungen herbeizuführen. (Abg.


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Scheibner: Im Ausschuß haben wir gesagt, das ist nicht notwendig! – Abg. Jung: Vor Tisch kam es anders!) Herr Kollege Scheibner, es erheben sich zwei Fragen, die wirklich seriös beantwortet werden müssen. Die erste Frage dabei ist eine inhaltliche, die uns überhaupt in jeder Frage eines Auslandseinsatzes betrifft: Sollen wir uns überhaupt irgendwo beteiligen? Wenn andere einander den Schädel einschlagen wollen, sollen sie es doch tun! Warum sollen wir dort mit dabei sein?

Meine Damen und Herren! Wer diese Frage betreffend Albanien zu beantworten hat, der steht wohl vor zwei Herausforderungen. Zunächst stellt sich die Frage: Wo liegt Albanien? (Abg. Jung: Wenn das eine Herausforderung ist!) Wenn ich mir die Entfernung von Wien nach Tirana anschaue und sie mit der Entfernung von anderen europäischen Städten vergleiche, dann stelle ich fest, daß es sich um die gleiche Entfernung wie nach Neapel, Hamburg oder Bukarest handelt. Das heißt, wir sind unmittelbar vor Ort. Es handelt sich wirklich um eine Bedrohung in unserer unmittelbaren Nähe. Wenn ich mir anschaue, daß am Balkan ja nicht gerade eine Stabilitätszone vorliegt, sondern Ereignisse wie diese sehr wohl um sich greifen können, dann muß ich sagen, daß wir Österreicher betroffen sind.

Es gibt noch einen zweiten Punkt, meine Damen und Herren. Wir reden gerne immer über Europa und die große Friedensaufgabe. Und alle von uns stimmen gerne diesem großen Ziel zu. Aber dann, wenn es konkret wird, wenn wirklich in Europa selbst Konflikte wie diese ausbrechen, sollen wir einfach sagen, wir sind neutral, wir können eigentlich in dieser Frage leider nichts in dieser Richtung tun? Meine Damen und Herren! Das wäre wirklich unglaubwürdig! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Das machen Sie immer nur bei den Rechten, die uns entschlagen werden, die Verpflichtung wollen Sie nicht! ) Ich glaube daher, wir müssen sehr wohl in dieser Richtung aktiv werden.

Ein zweites Argument, das im Rahmen dieses Albanieneinsatzes bekannt geworden ist, stammt von der FPÖ. Haider sagt in der "Ganzen Woche", der Einsatz sei zu gefährlich. Nun liegt in dieser Argumentation durchaus etwas, worüber man nachdenken muß, denn ungefährlich ist es dort sicher nicht. Ich glaube aber, gerade dieses Gesetz trägt dazu bei, daß wir dieses Risiko, das bei jedem Einsatz gegeben ist, zu einem kalkulierbaren Risiko machen, indem wir ein Vorauskommando schicken, indem wir exakt beurteilen, wie sich die Situation in Tirana derzeit darstellt, bevor wir Soldaten dorthin schicken. Ich glaube daher, gerade das ist ein Punkt, warum wir dieses neue Gesetz brauchen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Herr Kollege! Sie selbst haben im Ausschuß gesagt, daß das Gesetz mit dem Albanieneinsatz überhaupt nichts zu tun hat!)

Jetzt möchte ich zum unseriösen Teil dieser Argumentation kommen. Wenn uns die FPÖ erklärt, daß dieser Einsatz zu gefährlich ist, dann ist zunächst einmal bemerkenswert, daß Jörg Haider und seine Truppe jetzt auf einmal Mutlosigkeit, ja Angst zeigen. Aber das sei nur eine Nebenbemerkung. Auf der anderen Seite fordern Sie, wir sollen der "NATO alt" heute beitreten, die besagt, daß ein Angriff auf einen Staat als Angriff auf alle Staaten zu werten ist. (Abg. Scheibner: Sie sind für die Neutralität!) Da würden Sie gerne auch unsere Soldaten nach Alaska schicken. Sie würden sie zu jedem Einsatz der NATO auf dieser Welt schicken. Das wäre Ihnen nicht zu gefährlich. Aber dieser Einsatz ist Ihnen zu gefährlich. Das ist eine Politik, meine Damen und Herren, die interessant ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie kennen sich nicht aus! )

Ich möchte sie mit etwas anderem vergleichen, was wir in Europa kennen. Es gibt eine hervorragende Bezeichnung für diese Art der Politik, sie stammt aus einem kleinen Ort in Luxemburg und lautet: "die Echternacher Springprozession". Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Nach diesem Motto üben Sie Politik aus: drei Schritte vorwärts, zwei zurück, vier Schritte vorwärts, fünf zurück. – Das ist Ihre Art der täglichen Politik, wie Sie sie auch in diesem Haus betreiben, und das ist zu ächten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Jung: Die Sprünge der ÖVP sind auch nicht leicht zu verfolgen!)

Diese Sprünge sehen wir tagtäglich von der FPÖ. (Abg. Scheibner: Das ist lächerlich! – Abg. Dr. Khol: Das ist gescheit!) Ich möchte mich aber damit gar nicht weiter auseinandersetzen, sondern wieder zu einem seriösen Thema kommen. Ich bin sehr verwundert darüber, daß Kollege Moser, der im Ausschuß sehr konstruktive Beiträge geleistet hat, einige seiner Argumente, die vielleicht aus seiner Sicht zutreffen mögen, jetzt dazu nützt, dem ganzen Gesetz die Zustimmung zu verweigern. Kollege Moser, das halte ich für unseriös. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut


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Moser. )

Ich möchte mich mit dem von Ihnen angeführten Umstand, daß der Hauptausschuß in einem Punkt nicht mitbestimmen kann, näher beschäftigen. Es ist unbestritten, daß bei jeder Maßnahme der Friedenssicherung der Nationalrat über den Hauptausschuß in die Entscheidung mit eingebunden ist, der einvernehmlich festzustellen hat, ob diese Maßnahme stattfinden soll. Es ist auch unbestritten, daß bei jeder Maßnahme der humanitären Hilfe und Katastrophenhilfe im Regelfall der Nationalrat mit eingebunden ist. Es geht hier also nur um den Fall einer besonders dringlichen Situation, wenn etwa entschieden werden muß, ob ein Vorauskommando nach Albanien entsendet werden soll, das beurteilen soll, ob die Situation gefährlich ist oder nicht. (Abg. Hans Helmut Moser: Das ist eine gesamte Einheit! Eine gesamte Einheit wird entsendet!) Sie sagen nun, dabei sei der Hauptausschuß nicht eingebunden, und die Bundesregierung könnte im Wege der zuständigen Bundesminister vorweg eine Entscheidung treffen.

Herr Kollege Moser! Ich möchte Ihnen nun an einem konkreten Beispiel erklären, wieso das in der Praxis eigentlich nicht zu trennen ist. (Abg. Dr. Khol: Erklär es gut! Er versteht schwer!) Es gibt in diesem Gesetz doch den Punkt der Rettungsaktionen, bei dem klar ist, daß der zuständige Bundesminister gemeinsam mit der Bundesregierung sofort der Entsendung zustimmen kann.

Nehmen wir an, in einem Nachbarland Österreichs, etwa in Italien, gibt es eine Hochwasserkatastrophe. Nehmen wir weiter an, daß dort Soldaten im Einsatz sind, um die Menschen vor diesem Hochwasser zu retten. Herr Kollege Moser! Ich frage Sie nun: Wenn nun dieser Einsatz in einem Dorf zwar beendet ist, aber unmittelbar darauf dem nächsten Dorf dabei geholfen werden muß, dieses Hochwasser abzuwenden, indem man dort zum Beispiel Sandsäcke aufschüttet, dann handelt es sich um keine unmittelbare Rettungsaktion mehr, sondern bereits um Katastrophenhilfe. Würden Sie in diesem Fall sagen: Nein, ihr dürft dort nicht hinfahren, erst muß der Hauptausschuß in die Entscheidung eingebunden werden!? Was würde ein Brigadekommandant Moser zu dieser Vorgangsweise sagen? (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Ich denke, er würde sagen: Lassen wir das! Lassen wir das in der Praxis doch einfach so durchgehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Lieber Kollege Moser! Der Praktiker in dir ist vielleicht mittlerweile abhanden gekommen, aber ich meine, das ist ein gutes Argument und ein Beispiel, das zeigt, daß diese beiden Dinge im Grunde nicht zu trennen sind. (Abg. Kiss: Wo hat der sein Handwerk gelernt?)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den Standpunkt der Grünen gar nicht mehr näher eingehen. Aber ich möchte Sie, Frau Kollegin Kammerlander, schon fragen: Wem gegenüber wollen Sie denn die Neutralität, die Sie so gerne in den Vordergrund rücken, bei einem Einsatz in Albanien ausüben? Wem gegenüber wollen Sie denn neutral sein? – Den Geplünderten gegenüber, den Räubern gegenüber, den Mördern gegenüber? (Abg. Mag. Kammerlander: Es fragt sich nur, wo die Räuber sitzen!) Wie wollen Sie sich neutral verhalten? – Neutralität ist in diesem Zusammenhang nicht das richtige Wort. Einsatz vor Ort, Friedenssicherung, das sind die richtigen Bezeichnungen für diese Maßnahme. Daher werden wir diesem Entwurf gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

11.14

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Herr Klubobmann Khol muß schon Gott anrufen, damit er diese Debatte halbwegs heil übersteht. Herr Kollege Khol! Bei soviel eigenartiger Argumentation, die Ihre Fraktion in den letzten zwei Tagen zu dem Thema Neutralität hier geboten hat, müssen Sie wirklich Gott anrufen, um diese Tage überstehen zu können. Das verstehe ich.

Sie alle wundern sich darüber, daß die Grünen den Standpunkt vertreten, daß mit diesem Gesetz die Neutralität entsorgt würde. Es ist mir klar, daß Sie von der Regierungskoalition das nicht sehen wollen. Es ist mir völlig klar, weshalb ÖVP und SPÖ sagen: Das stimmt nicht. Denn wenn Sie das so sehen könnten, dann hätten Sie ja das Gesetz oder einiges in diesem Gesetz anders formuliert.

Herr Kollege Schieder! Aus welchen Beweggründen Sie auch immer meinen mögen, das sei günstig, muß ich doch darauf hinweisen, daß Sie zum Beispiel erst jüngst beim Parteitag wieder an der Neutralität festgehalten und beschlossen haben, daß Österreich auf absehbare Zeit keinem Militärpakt beitreten soll. Dann aber beschließen Sie hier ein Gesetz mit, das ohne Zweifel – und auch ohne Ihren Widerspruch – alle Eventualitäten abdecken soll. Dieses Gesetz soll – das ist im Ausschuß ganz offen diskutiert worden (Abg. Schieder: Das ist doch keine Beistandspflicht nach § 51!) – alle Eventualitäten abdecken, angefangen damit, daß Österreich zwar jetzt neutral ist, bis zu jener Eventualität, daß Österreich irgendwann einmal einem dieser Militärbündnisse WEU oder NATO beitritt. Es ist klar: Sie müssen hier offensichtlich entsprechend den Beschlüssen Ihres Parteitages einen ganz besonderen Hochseilakt aufführen.

Die Neutralität kommt im Gesetzestext gar nicht mehr vor! Sie haben hier Ihre Finger bemüht, um bis elf zu zählen. Das ist der Punkt: Der Begriff Neutralität, der Hinweis darauf, daß eine der wesentlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs die Neutralität ist, taucht nur mehr in den Erläuternden Bemerkungen auf. Vorne steht: unter Bedachtnahme auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen. Im Gesetzestext werden dann zwei Verpflichtungen aufgezählt, nämlich jene der UNO und jene der Schlußakte von Helsinki. Was wir kritisieren, ist, daß eine der wesentlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen, nach denen sich in der Außenpolitik Österreichs sehr viel zu richten hat, nämlich die Verpflichtung zur Neutralität, nicht erwähnt wird. Sie wird nur in den Erläuternden Bemerkungen erwähnt.

Es steckt doch wohl etwas dahinter, wenn in dem alten Entsendegesetz "unter Bedachtnahme der immerwährenden Neutralität" steht, aber in einem neuen Entsendegesetz diese wesentliche Verpflichtung nur mehr als Erläuterung vorkommt. Irgend etwas müssen Sie sich wohl dabei


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gedacht haben, wenn Sie das so formuliert haben. (Abg. Schieder: Es gibt noch mehr völkerrechtliche Verpflichtungen!) Denn es wäre kein Problem gewesen, wie Sie auch selbst sagen, das anders zu formulieren. Es wäre kein Problem gewesen, und wir werden einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen, in dem wir verlangen, daß im Gesetzestext im § 1 darauf Bezug genommen wird.

Warum sind wir in diesem Punkt so penibel? – Weil wir der Meinung sind, daß viele dieser Entsendemaßnahmen, um die es da geht, danach ausgerichtet und auch bewertet werden müssen. Wenn es in der Folge um Entsendemaßnahmen gehen wird, wird das einfach verlorengehen. Warum? Hier wird von Friedenssicherung geredet. Sie und die anderen preisen an, daß wir zu dem umfassenden Begriff der Friedenssicherung kommen, der Friedenserhaltung wie auch Friedensschaffung – also auch mit Waffen – beinhaltet.

Genau da gibt es aber ein Problem, wenn es um die Neutralität geht. (Abg. Hans Helmut Moser: ... Prävention!) Prävention ist klar. Aber genau da, bei dieser Friedensschaffung, sehen wir Probleme mit der Neutralität und sagen (Abg. Schieder: Auch unter UNO-Auftrag?) – Moment! –: Gut, es kann auch noch Situationen geben, bei denen das möglich wäre; aber diese gilt es genau zu prüfen. Diese Prüfung wird allerdings nicht stattfinden, denn "unter Bedachtnahme der immerwährenden Neutralität" steht in dem Gesetz nicht mehr drin. Es sind – noch einmal: eher unklar formuliert, so zum Vergessen, zum Drüberstreuen – nur die völkerrechtlichen Bestimmungen erwähnt, aber nicht die Neutralität.

Sie haben gesagt, daß das im Rahmen der Vereinten Nationen erfolgen soll. Früher hieß es: "auf Ersuchen einer internationalen Organisation". Meiner Meinung nach ist das qualitativ etwas anderes als die Formulierung "im Rahmen von internationalen Organisationen". Denn hier ist nicht mehr klar von vornherein festgeschrieben, unter welchem politischen Mandat etwas stattfindet, es findet "im Rahmen" statt. Genau da gibt es die ersten Schwierigkeiten mit dem Albanien-Einsatz. In welchem Rahmen findet bitte dieser Einsatz statt? Das können Sie mir nicht beantworten. Das wird mir niemand von Ihnen beantworten können. Denn er findet in überhaupt keinem Rahmen statt. Er findet auf kein Ersuchen statt, er findet in keinem Rahmen statt. Die Resolution der Vereinten Nationen spricht von "einzelnen Mitgliedstaaten" und nicht von einem Einsatz der Vereinten Nationen. Sie spricht nicht davon, daß er im Rahmen der Vereinten Nationen, im Rahmen der Europäischen Union oder im Rahmen der OSZE oder wo auch immer stattfinden soll.

Diese Resolution der UNO spricht davon, daß einzelne Mitgliedstaaten diese Maßnahmen ergreifen werden, und weiters davon, daß die Vorhaben dieser einzelnen Mitgliedstaaten unterstützt werden.

Ich finde es interessant, daß ausgerechnet der Chefredakteur einer Zeitung, die der ÖVP nahesteht, wie ich meine, von einer "Kanonenbootpolitik" spricht. Er spricht zu Recht von einer "Kanonenbootpolitik", wenn man bedenkt, was sich im konkreten Fall in Albanien anbahnt.

Sie glauben, ein Solidargesetz zu schaffen. Ich sage Ihnen: Sie schaffen ein Interventionsgesetz! Sie schaffen ein Gesetz, das Tür und Tor für jegliche Formen von Interventionen, die irgendwelchen Ländern einfallen, öffnet – aus welchen politischen oder historischen Interessen auch immer.

Es wäre auch noch zu prüfen, wer sich aller und unter welcher Federführung in Albanien beteiligt, welche historische Rolle er gespielt hat und so weiter. Aber das wird nicht mehr geprüft werden, wenn Sie dieses Gesetz beschlossen haben werden, denn damit werden Tür und Tor für Interventionen jeglicher Art geöffnet. Ich wäre ja froh, wenn diese Aktion in Albanien im Rahmen einer internationalen Organisation geschähe, denn dann gäbe es irgendeine Form von Legitimität.

Aber wenn Sie heute dieses Gesetz und nächste Woche den Einsatz in Albanien beschließen werden, dann werden Sie sogar außerhalb dieses Gesetzes bereits wieder etwas beschließen, weil dieser Einsatz nicht im Rahmen irgendeiner internationalen Organisation stattfinden wird. (Beifall bei den Grünen.) Aber genau das ist die Intention dieses Gesetzes. Sie wollen nämlich


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mit möglichst unklaren Bestimmungen, mit möglichst unklaren Formulierungen Unklarheiten schaffen. (Abg. Jung – Beifall spendend –: So ist es!) Sie wollen nicht klar definieren, um welche Einsätze und um welche Maßnahmen es geht. Das geht dann weiter bis zur Freiwilligkeit, die hier schon des öfteren erwähnt worden ist. (Abg. Schieder: Darf ich einen sachlichen Zwischenruf machen?) – Nein, später. – (Abg. Schieder: Nachher ist es kein Zwischenruf mehr!) Bis zur Freiwilligkeit geht das!

Warum? – Im Gesetz steht, daß für jeden, der sich beteiligt, Freiwilligkeit gegeben sein muß. In den Erläuternden Bemerkungen hingegen steht, daß es eine Ausnahme für Übungsmaßnahmen im Bereich der Landesverteidigung für den Berufskader gibt. Also da gilt die Freiwilligkeit plötzlich nicht mehr. Das steht in den Erläuternden Bemerkungen, nicht im Gesetzestext.

Außerdem können wir in einer Aussendung des Landesverteidigungsministeriums lesen, daß jetzt eine vorbereitende Einheit für Auslandseinsätze geschaffen werden soll. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Sie soll jetzt verstärkt und noch ausgebaut werden, auch im Hinblick auf dieses Gesetz. Wir wollten eine Vertagung dieses Gesetzesbeschlusses, um eine Aussprache mit dem Verteidigungsminister führen und ihn fragen zu können, wie das nun ausschauen soll, was er mit diesem Gesetz vorhat, wie das mit dieser vorbereitenden Einheit funktionieren soll. Denn es erklären an Auslandseinsätzen interessierte Menschen, daß sie bereit sind, an Auslandseinsätzen teilzunehmen, sie wissen aber nach dem neuen Entsendegesetz nicht, wohin die Reise führt und für welche Maßnahmen sie eingesetzt werden.

Sie können zur Friedenssicherung über den Rettungsdienst bis hin zu Übungsmaßnahmen im Bereich der Landesverteidigung eingesetzt werden. Das ist ein ziemlich breites Spektrum, und wir meinen, daß es noch immer jedem vorbehalten sein muß, zu sagen: Zu diesem oder jenem Einsatz möchte ich aus diesen und jenen Gründen nicht gehen! Man muß einsehen, wenn jemand sagt: Gut, ich nehme an Übungseinsätzen oder an friedenserhaltenden Einsätzen teil, aber zum Beispiel nicht an friedensschaffenden Einsätzen, und ich gehe auch nicht in dieses oder jenes Land! Das muß jedem vorbehalten bleiben. Aber das ist überhaupt nicht geklärt worden. Sie beziehungsweise Ihr Ministerium haben eine Presseaussendung gemacht, und der Ausschuß hat ein Gesetz beschlossen.

Es ist allerdings interessant, Herr Minister Fasslabend, was Klubobmann Khol zu Ihrer Aussendung gesagt hat. Er hat gesagt: Das ist eine Luftblase! (Abg. Scheibner: Wer hat das gesagt?) Es interessiert ohnehin niemanden, was Sie da gesagt haben! – Ich sage Ihnen das nur deshalb, damit Sie das wissen. Sie sollten einmal in Ihrer Fraktion Klarheit schaffen, ob das, was Sie sagen, eine Luftblase ist. (Abg. Schieder: Sehr diskret sind Sie nicht!)

Ich sage Ihnen, warum ich nicht diskret bin. – Sie haben unserem Ersuchen auf Vertagung nicht Folge geleistet. Es wäre interessant gewesen, das im Ausschuß zu klären. Dann wären wir auch diskret gewesen. (Zwischenruf des Abg. Schieder. ) Aber Sie haben gesagt: Das interessiert uns nicht! Auch Sie, Kollege Schieder, haben gesagt: Das interessiert uns nicht! Wir haben auch Sie darauf aufmerksam gemacht, daß es bei der Freiwilligkeit Widersprüche gibt und daß man diese klären soll. (Abg. Schieder: Ich habe nicht gesagt, daß es mich nicht interessiert, sondern ich habe gesagt, daß es mir Wurscht ist!) Es kommt ungefähr auf dasselbe heraus; wenn es Ihnen Wurscht ist, dann interessiert es Sie auch nicht. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist ein semantischer Unterschied!)

Sie haben mit diesem Gesetz eine Reihe – ich kann Ihnen da noch vieles aufzählen – von völlig unklaren Situationen geschaffen, was den Einsatz, was die Art des Einsatzes und was vor allem auch die Neutralität betrifft. Daher ist die Schlußfolgerung ganz klar: Sie wollten das so, und Sie wollen damit die Neutralität entsorgen. Das ist wieder ein weiterer Schritt, scheibchenweise die Neutralität zu entsorgen. Wir können darüber diskutieren, aber dann sollten wir auch eine Enquete-Kommission über den Hauptausschuß einrichten und in deren Rahmen über die zukünftigen Prämissen der europäischen Sicherheitspolitik diskutieren. Das wäre meiner Meinung nach die einzig richtige Art und Weise, in dieser Angelegenheit vorzugehen.


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Sie fassen aber auf Ihren Parteitagen Beschlüsse, um die Bevölkerung zu beruhigen, indem Sie sagen: Wir sind ohnehin noch immer für die Neutralität, und ein Beitritt zu einem Militärpakt wird noch lange nicht in Frage kommen! – Aber gleichzeitig beschließen Sie hier ein Gesetz, das die Neutralität einfach abschafft, das wortwörtlich eine Eventualität für den Beitritt zur NATO schafft, und – auch das ist hier schon gesagt worden – Sie schalten damit auf elegante Art und Weise die Mitwirkung des Parlaments aus. (Abg. Jung: Elegant ist sie nicht!) Elegant ist es deswegen, weil es auf den ersten Blick noch den Eindruck erweckt, als gäbe es eine Mitwirkung des Parlaments, wenn der Hauptausschuß die Einsätze zur Friedenssicherung beschließt. Aber in der Folge tut er nichts mehr. Was die Übungsmaßnahmen im Bereich der Landesverteidigung betrifft, gibt es nur mehr einen Bericht, und es gibt – etwas, was hier auch schon des öfteren gesagt wurde – eine sehr eigentümliche Formulierung der Dringlichkeit.

Die Definition meines Vorredners ist wirklich an den Haaren herbeigezogen, denn für diesen Fall – seien es österreichische Soldaten, Polizisten, Gendarmen, Beamte bei einem Auslandseinsatz, die zur Rettung unterwegs sind, oder wer auch immer – hätten wir kein neues Entsendegesetz gebraucht, dafür hätte das alte Entsendegesetz immer noch gereicht. Diese Argumentation ist nicht nur an den Haaren herbeigezogen, sondern sie stimmt schlichtweg nicht. Alle gesetzlichen Bestimmungen, die wir bis jetzt und heute hatten, hätten ausgereicht.

Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal auf den aktuellen Anlaß zu sprechen kommen. Die Koalitionsparteien haben ein besonderes Kunststück zusammengebracht, nämlich aus einem Gesetz, das sie schon länger in Bearbeitung haben und das wir im Jänner im Ausschuß beraten haben, als von einem Albanien-Einsatz noch lange keine Rede war, eine Anlaßgesetzgebung zu machen. Sie haben dieses ganz spezielle Kunststück zusammengebracht.

Eines sage ich Ihnen: Eine Anlaßgesetzgebung ist nie eine gute Gesetzgebung. Das ist immer und jedenfalls eine Husch-Pfusch-Aktion, und das ist immer und jedenfalls eine äußerst fragwürdige Aktion.

Es ist – nur nebenbei bemerkt – für mich auch unerklärlich, wenn Sie es mit Ihrer Mehrheit geschafft haben, den Einsatz in Bosnien nach dem alten Entsendegesetz zu beschließen – was meiner Meinung nach weitaus fragwürdiger war und ist –, warum Sie nun ausgerechnet für den Einsatz in Albanien glauben, ein neues Gesetz beschließen zu müssen. Das ist verwunderlich!

Sie haben also dieses Kunststück zustande gebracht und werden das so durchziehen; das ist auch schon ausgeführt worden. Es ist interessant, wie schnell die Druckmaschinen bei der Staatsdruckerei anspringen können, wenn Sie es wollen.

Die Frage ist nur, was Sie damit erreichen werden und was Sie damit bezwecken wollen. Denn die Grundlage – das habe ich schon ausgeführt, aber ich darf es Ihnen noch einmal sagen –, die dieses Gesetz für den Einsatz in Albanien gibt, ist äußerst dürftig. Wenn Sie diese aber damit schaffen wollen, dann müßten Sie diesen Einsatz ganz anders begründen. Sie müßten ihn ausschließlich auf politischer Ebene begründen. Sie müßten die politische Situation in Albanien betrachten. Sie müßten fragen, was das politische Ziel eines solchen Einsatzes sein könnte. Das könnten zum Beispiel Neuwahlen im Juni sein, die auch von der OSZE angepeilt werden. Dann stellt sich die Frage, was notwendig ist, um solche Neuwahlen zu garantieren.

Ganz sicher ist es notwendig, daß mit allen Streitparteien, mit allen Gruppen und Gruppierungen und nicht nur mit der regierenden Partei das Gespräch gesucht wird, damit kein Druck erzeugt wird.

Eines ist schon interessant: Diese Regierung beziehungsweise diese Mehrheit ist ja nur gegeben, weil es gelungen ist, einen kritischen Bericht der OSZE über die Wahlen in Albanien zu mildern, zu deeskalieren, weil es auf Druck der konservativen Parteien in Europa, etwa der CDU, aber auch der ÖVP unter Außenminister Schüssel, gelungen ist, die kritischen Passagen aus dem Bericht herauszunehmen und die Wahlen anzuerkennen. Wenn einer meiner Vorredner von den "Räubern in Albanien" sprach oder heute im "Morgenjournal" von den Altkommunisten die Rede war und damit irgendwelche Gruppierungen gemeint waren, dann scheint


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man zu übersehen, daß eben diese Menschen auch in der Regierung Albaniens sitzen und am Pyramidenspiel saftig verdient haben.

Die Frage lautet also, wenn ich das alles betrachte: Welche Maßnahmen sind notwendig? Ich habe heftige Zweifel daran, daß militärische Maßnahmen notwendig sind. Ich habe heftige Zweifel daran, wenn ich mir die Berichte aus Albanien anhöre, daß es um die Lebensmittelversorgung geht. Ich glaube, daß andere Maßnahmen gefragt wären, über die wir in Ruhe reden könnten. Diesbezüglich wären wir durchaus offen. Wir haben die Mission der OSZE in Albanien begrüßt, aber das, was jetzt stattfindet, ist zu Recht von der Tageszeitung "Die Presse" als "Kanonenbootpolitik" bezeichnet worden, weil einzelne Staaten glauben, das Heft in die Hand nehmen und eine Aktion durchführen zu müssen.

Sie geben sich dafür her! Nicht nur, daß Sie sich für diesen Einsatz nächste Woche hergeben werden, Sie geben sich auch dafür her, ein diesbezügliches Gesetz im Schnellverfahren durchzuziehen, und glauben, damit einen legalen Boden dafür geschaffen zu haben. Das, was Sie hier tun, ist für mich nicht nur äußerst fragwürdig, sondern steht auch nicht auf dem Boden des Rechtsstaates, den Sie immer glauben, verteidigen zu können.

Gestern ist Ihr Klubobmann ans Rednerpult gekommen und hat sich unheimlich über ein Päckchen Nasentropfen, das da heraußen stand, aufgeregt und hat gemeint, der Rechtsstaat sei in Gefahr, weil hier ein Päckchen Nasentropfen stehe. Das ist wirklich eine Banalität (Abg. Donabauer: Lesen Sie das Protokoll!) im Vergleich dazu, daß Sie heute ein Verfassungsgesetz beschließen, das eine andere Bestimmung der Verfassung außer Kraft setzen wird. Das ist Ihr Verständnis vom Rechtsstaat! Aber wir haben ja schon gestern in der Debatte über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen bemerkt, welche Auffassung vom Rechtsstaat Sie haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Löschnak. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Bundesminister Dr. Fasslabend wendet sich an Präsident Dr. Neisser und spricht mit ihm.)

Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort. Aber ich bitte, das in Zukunft genau zu registrieren. Verzeihen Sie, das ist kein Vorwurf an Sie. – Bitte, Herr Minister.

11.33

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Hohes Haus! Das neue Entsende- und Solidaritätsgesetz ist eine der grundlegenden legislativen Antworten auf eine grundlegende Veränderung der strategischen Situation in Europa. Es gibt einen Übergang von einer Situation mit hohem Risiko und hoher Stabilität zu einer Situation mit niedrigerem Risiko, aber auch wesentlich geringerer Stabilität. Das neue Gesetz soll uns helfen, einen solidarischen Beitrag zu leisten, es soll uns ermöglichen, auch aus österreichischer Sicht einen Beitrag zur wichtigsten sicherheitspolitischen Zielsetzung dieses Kontinents und damit auch Österreichs zu leisten.

Die Zielsetzungen auf strategischer Ebene haben sich in der Form geändert, daß nicht mehr die Abschreckung und die Abwehr eines bewaffneten Großkrieges im Vordergrund stehen, sondern daß es insbesondere darum geht, den Ausbruch von Kriegen und von kriegsähnlichen Krisen auf dem Kontinent möglichst frühzeitig zu verhindern, um ein Ausbreiten erst gar nicht zu ermöglichen und damit eine Phase des Friedens und der Stabilität für unseren Kontinent einzuleiten und zu sichern.

Zweifellos hat gerade die Entsendung von internationalen Truppen dabei einen besonders hohen Stellenwert. Wir alle haben das ja nicht zuletzt im Jugoslawienkonflikt ganz eindringlich erfahren müssen. Wir haben registrieren müssen, daß die Staatengemeinschaft viel zu spät reagiert hat und daß durch diese späte Reaktion eine Situation entstanden ist, in der Hunderttausende Menschen getötet oder vergewaltigt worden sind, in der Hunderttausende, ja Millionen Menschen vertrieben worden sind und unermeßliches Kulturgut auf Dauer zerstört wurde. Gleichzeitig wurde damit auch eine Situation geschaffen, die zweifelsohne dazu beitragen wird,


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daß der konstante Krisenherd Balkan in seiner Stabilität in enormem Ausmaß gefährdet erscheint. (Abg. Mag. Stadler: Dort hat die NATO für Ordnung gesorgt und nicht Ihre komischen Truppen!)

Österreich als ein unmittelbarer Anrainer zum Balkan hat ein eminentes vitales Interesse an der Stabilität dieser Region in unmittelbarer Nähe unseres Heimatlandes. (Beifall bei der ÖVP.)

Es sind in der heutigen Debatte vier Punkte in besonderem Ausmaß angesprochen worden: erstens die Frage von Albanien, zweitens die Frage der Finanzierung, drittens die Frage der Verpflichtung von Soldaten und viertens die Frage der Dringlichkeit und damit auch der Befassung des Hauptausschusses. Ich möchte darauf wie folgt antworten:

Albanien ist eine Aufgabenstellung, die zurzeit natürlich sehr intensiv und sehr heftig diskutiert wird. Und ich möchte auch in diesem Falle darauf hinweisen, daß es notwendig ist, aus den Ereignissen von Exjugoslawien zu lernen und insbesondere auch zu erkennen, daß nur eine frühzeitige Stabilisierung eines Krisengebietes verhindern kann, daß Tötung, Vergewaltigung, Vertreibung und Zerstörung in einem ungeheuren Ausmaß erfolgen, daß selbstverständlich von einer derartigen Aktivität auch die Stabilität des Umfeldes berührt ist und daß es auch für unser Land konkrete und sehr unmittelbare Konsequenzen haben kann, und zwar durch die Tatsache, daß es im Falle von Instabilität und einer echten Krise zu Ausschreitungen und Auseinandersetzungen bewaffneter Natur kommt (Abg. Mag. Stadler: Das können Sie doch nicht mit den 150 Leuten dort unten verhindern!) , auch Zehntausende Flüchtlinge in unser Land kommen können – mit all den damit verbundenen Konsequenzen, wie etwa einem wesentlichen Ansteigen der Kriminalität. (Abg. Mag. Stadler: Mit 150 Soldaten wollen Sie verhindern, daß 10 000 Flüchtlinge zu uns kommen?) Letztendlich wären damit auch enorme wirtschaftliche Auswirkungen verbunden, weil es sich um ein Gebiet in unserer Nachbarschaft handelt. Es ist gerade in dieser Phase wichtig, daß der Fehler, der 1991 von der Staatenwelt begangen wurde, die dann mehr als vier Jahre zusehen mußte, wie sich dieser Konflikt entwickelt hat, nicht ein zweites Mal passiert. Insofern muß man auch bereit sein, einen Beitrag dazu zu leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin sehr dankbar, daß auch die Frage der Finanzierung angeschnitten worden ist, weil selbstverständlich die begrenzten Mittel für die Landesverteidigung immer ein Problem darstellen. Ich hoffe, es ist Ihnen nicht entgangen, daß der Ministerratsvortrag eine Extrafinanzierung, das heißt eine Finanzierung außerhalb des Budgets der Landesverteidigung, vorsieht. Und ich danke für die Unterstützung, die in diesem Zusammenhang bei der Durchsetzung beziehungsweise auch in Zukunft bei derartigen Fällen aus diesem Hause zu erwarten ist. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Der dritte Punkt betrifft die Verpflichtung von Soldaten. Dieses Gesetz geht nach wie vor davon aus, daß es auch in Zukunft freiwillige Meldungen geben soll. Ich war sehr froh darüber, daß auch Abgeordneter Schieder hier in aller Offenheit zum Ausdruck gebracht hat, auch an andere Regelungen, nämlich im Sinne einer eventuellen zukünftigen Verpflichtung, zu denken. (Abg. Mag. Stadler: Das ist gefährlich, Herr Kollege Schieder! Er bezieht Sie mit ein! Sie sind mit verantwortlich!) Ich glaube, daß man das in aller Ruhe durchdiskutieren und aus den Erfahrungen der einzelnen Einsätze auch entsprechende Konsequenzen ziehen soll. (Abg. Scheibner: Dann fangen wir morgen schon an!)

Was ich nicht ganz verstehe, ist, daß man das auf der einen Seite beklagt, Herr Abgeordneter Scheibner, und daß man auf der anderen Seite moniert, daß sich Freunde darüber beklagen, weil sie in einen Gewissenskonflikt gebracht werden, ob sie an einem Einsatz oder an der Vorbereitung einer Übung teilnehmen sollen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Dazu muß ich sagen: Alle Vorbereitungen und Übungen sollen dem Einsatz dienen, und ich würde in diesem Fall eher an der Einstellung der betreffenden Freunde zweifeln, als hier grundlegende Bedenken bezüglich der Gesetzwerdung anzumelden. (Abg. Scheibner: Das ist eine echte Unterstellung!)

Der letzte Punkt hat insbesondere die Frage der Dringlichkeit und auch die damit zusammenhängende Frage der Befassung des Hauptausschusses betroffen. Dazu ist folgendes zu sagen:


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Es ist in der Praxis bei Katastrophenfällen zweifelsohne nicht in jedem Falle möglich, eine ordnungsgemäße Befassung des Hauptausschusses durchzuführen, weil nach internationalen Standards und auch nach unseren eigenen Vorschriften eine Abmarschbereitschaft ab Anforderung innerhalb von zwölf Stunden vorzusehen ist und weil selbstverständlich auch niemand sagen kann, wann diese Anforderung kommt. Sie kommt des öfteren in den Abend- oder Nachtstunden, und dann ist es unmöglich und auch in der Praxis unverantwortlich, auf der einen Seite den gesamten formalen Gang durchzuführen und auf der anderen Seite ein Maximum an Verantwortung für die Vorbereitung einer derartigen Aktivität zu tragen.

Da geht es ja auch um den Schutz, um die Sicherheit unserer eigenen Leute. Da geht es ja darum, alle Möglichkeiten auszuloten. Da geht es ja darum, eine bestmögliche kurzfristige Vorbereitung zu treffen. Und da ist es zweifellos auch im Bereich des Bundesheeres notwendig, daß alle verfügbaren Kräfte in höchster Konzentration daran arbeiten und nicht so sehr damit befaßt sind, Papiere zu verfassen und diese entsprechend zuzustellen. Das war die Überlegung dazu, und ich bitte auch um Verständnis dafür. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. – Abg. Schieder: Aber die Zeit, einen Brief aufzugeben, hat man doch!)

Das hat im Falle von Österreich noch besondere Bedeutung, weil das österreichische Bundesheer auf dem Gebiet des Katastrophenschutzes zweifelsohne von seinen Ausrüstungs-, Qualitäts- und Ausbildungsstandards her zu den weltbesten Armeen zählt. (Abg. Scheibner: Im Inland!) Wir sind etwa auf dem Gebiet der Dekontamination und auf dem Gebiet verschiedener Spürverfahren absolute Weltspitze und haben daher eine wirklich wichtige Bedeutung bei derartigen Einsätzen. Es geht nicht darum, daß wir auch dabei sind, sondern es geht wirklich darum, daß wir möglichst frühzeitig nicht nur bei der Vorbereitung der Aktion, sondern auch beim Einsatz an Ort und Stelle sind, weil wir dort federführende Funktion haben, wie das die Übungen der letzten Jahre und die hohe internationale Anerkennung etwa für die Exercise 1996 in besonderem Maße gezeigt haben.

Ich möchte zum Schluß noch eine Bemerkung zu diesem Gesetz im Rahmen der Entwicklung nach dem Ende des kalten Krieges machen. Es ist eine grundlegende legislative Maßnahme, aber zweifellos nur eine , die sich auch nur als eine innerhalb eines Prozesses verstehen sollte. Seit dem Ende des kalten Krieges sind nunmehr bereits acht Jahre vergangen. Und es wird der Druck auf unser Staatswesen in Richtung verändernde Maßnahmen insgesamt in nächster Zeit noch mehr steigen, einfach deshalb, weil es notwendig und in der ersten Zeit sicherlich auch richtig ist, in aller Vorsicht auf eine grundlegende Veränderung der strategischen Situation zu reagieren, möglicherweise auch zuzuwarten, weil dann, wenn die Grundstrukturen ganz klar zu erkennen sind und wenn selbstverständlich die entsprechende Sicherheit vorhanden ist – und diese ist in vielen Teilen bereits vorhanden –, auch entsprechend gehandelt werden muß. Das bezieht sich insgesamt auf die neue strategische Situation dieses Landes innerhalb Europas und auch auf die neuen strategischen Erfordernisse, um Stabilität herbeizuführen. Dies ist ja nur dann möglich, wenn es solidarische Handlungen gibt und wenn alle in einem integrativen Sinne dazu beitragen, das Entstehen von Krieg und Krisen in Zukunft überhaupt zu vermeiden. (Beifall bei der ÖVP.)

11.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Löschnak zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Schieder – zu dem ans Rednerpult gehenden Abg. Dr. Löschnak –: Du warst aber sehr fair, daß du den Herrn Minister vorgelassen hast!)

11.44

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Schieder! Ich habe den Herrn Verteidigungsminister immer sehr kollegial und bevorzugt behandelt, und das wollte ich heute fortsetzen. Daher hat er zuerst das Wort gehabt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu diesem Entsende-Bundesverfassungsgesetz zwei Anmerkungen machen. Die erste ist eine grundsätzliche, und die zweite beschäftigt sich mit dem Verfahren.


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Zum Grundsätzlichen: Es ist für jedermann klar erkennbar, daß eine Rechtsgrundlage, die im Jahr 1965 geschaffen wurde und die im großen und ganzen auf UNO-Einsätze zugeschnitten war, den Bedürfnissen des zu Ende gehenden Jahrhunderts beziehungsweise Jahrtausends nicht mehr Rechnung tragen kann und daß daher insbesondere unter Bedachtnahme auf die internationale Entwicklung – und hier gibt es ja vielerlei zu vermerken: von den vielfältigen Formen von Friedenseinsätzen bis hin zu der im Vordergrund stehenden besonderen Entwicklung der NATO-Initiative "Partnerschaft für den Frieden" – diese Rechtsgrundlage neu geschaffen beziehungsweise diesen Gegebenheiten angepaßt werden muß.

Aber diese Anpassung, meine sehr geehrten Damen und Herren – und damit komme ich auf zwei Grundsätze zurück –, hat nichts mit der Frage zu tun, ob wir bei der Gelegenheit auch die Neutralität, wie es Frau Abgeordnete Kammerlander hier formuliert hat, "entsorgen", und hat auch nichts mit der Frage zu tun, wie denn der NATO-Beitritt zu sehen sein wird. Die Neutralität zu entsorgen, davon kann ja wohl keine Rede sein. Man braucht sich nur die Mühe zu machen, in den Erläuternden Bemerkungen die zwei oder drei diesbezüglichen Sätze im Zusammenhang zu lesen. Da steht eindeutig – ich zitiere von Seite 8 aus 503 der Beilagen –: "Nach der vorgeschlagenen Bestimmung sind Entsendungen dem Handlungsermessen der zur Entsendung berufenen Organe anheimgestellt, das heißt, es kann, muß aber nicht entsendet werden. Allerdings wird ihre Ermessensausübung durch die Vorgaben des § 1 letzter Satz determiniert." Und dann steht weiters: "In diesem Zusammenhang ist beispielsweise Bedacht zu nehmen ... auf die den Inhalt der immerwährenden Neutralität bestimmenden völkerrechtlichen Normen ..." (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Auf die "den Inhalt der immerwährenden Neutralität bestimmenden völkerrechtlichen Normen" ist Bedacht zu nehmen. Wie man bei der Gelegenheit der Auffassung sein kann, daß die Neutralität "entsorgt" wird, ist mir ganz einfach schleierhaft. Aber Sie wissen ohnehin, daß das eindeutig ist. Sie wollen nur einmal mehr den Eindruck erwecken, Sie und Ihre Fraktion seien die einzigen, die noch zur Neutralität stehen. Dem ist aber nicht so. Die sozialdemokratische Fraktion steht mindestens ebensosehr zur Neutralität wie Ihre Fraktion. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister Fasslabend! Ich akzeptiere selbstverständlich Ihre Feststellung, daß es in ganz Europa, ja auf der ganzen Welt einen Prozeß der Veränderungen gibt, auch was die strategische Lage anlangt. Das ist unverkennbar. Nur: Wir waren immer der Meinung, daß die Entscheidung, sich den im Laufe dieses Prozesses geänderten Gegebenheiten anzupassen, erst dann getroffen werden kann, wenn wirklich alle Kautelen und alle Bedingungen auf dem Tisch liegen. Das gilt für die Neutralität genauso wie für den von Ihnen oftmals geforderten NATO-Beitritt oder den, wie wir meinen, Beitritt zu einer Gemeinschaft, die auch unseren Bedingungen entsprechend nahekommt beziehungsweise in der wir das einbringen können, was wir wollen.

Es sei also nochmals gesagt: Wir verkennen nicht, daß hier ein Prozeß im Gange ist, nur, wir sind in vielerlei Hinsicht gebrannte Kinder, und daher meinen wir, daß man über den Eintritt in eine neue Gemeinschaft, in eine Solidargemeinschaft erst dann reden kann, wenn alle Bedingungen klar auf dem Tisch liegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun zum Verfahren. Ich habe betreffend das Verfahren keine großen Schwierigkeiten, denn der Hauptausschuß ist normalerweise eingebunden. Dann gibt es ein Dringlichkeitsverfahren, nämlich für die Entsendung von Such- und Rettungsdiensten. Und bei diesen dringenden Entsendungen für Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe reicht grundsätzlich ein Bericht an den Hauptausschuß aus, weil dieser ja beschließen kann, daß die Entsendungen zu beenden sind – oder die Entsendung, wenn es sich nur um eine handelt.

Die Kritik der Opposition an diesem Dringlichkeitsverfahren ist aus meiner Sicht unberechtigt. Denn erstens hilft gerade im Falle der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe wirklich nur der, der auch rasch hilft, und zweitens ist der Hauptausschuß unverzüglich zu informieren. Da eine solche Entsendung normalerweise eine Vorlaufzeit von zwei Wochen hat, kann sich der Hauptausschuß in aller Regel damit beschäftigen, wenn er das will. Und die Bestimmung ermöglicht es, daß die Entsendung auch ohne Zusammentreten des Hauptausschusses begin


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nen kann, so wie es der Verteidigungsminister ausgeführt hat, etwa wenn eine Entsendung politisch unproblematisch ist und es der Hauptausschuß nicht für erforderlich hält, deswegen sofort und außerplanmäßig zusammenzutreten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend: Ich weiß aus langjähriger Erfahrung – und das wird Kollege Fasslabend auch so sehen –, daß die Exekutive selbstverständlich einen gewissen Spielraum, eine gewisse Beweglichkeit braucht, das ist hier zu unterstützen. Nur, Herr Verteidigungsminister, wenn das Parlament in diesem Zusammenhang den kleinen Wunsch deponiert, daß man ihm wenigstens eine Verständigung zukommen läßt, dann kann es ja gar keine Frage sein, diese Verständigung zuzusagen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie des Abg. Hans Helmut Moser. ) Das ist meiner Meinung nach fast schon ein Akt der Höflichkeit, ein Akt der Courtoisie. Ich war vorhin so höflich, Sie das Wort ergreifen zu lassen, obwohl mir das Wort schon erteilt worden war. Ich würde meinen, es wäre eine kleine Dankadresse an das Parlament, wenn Sie dem Wunsch nachkommen könnten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Jung und Hans Helmut Moser. )

11.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Jung. – Sie haben das Wort. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

11.53

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte, bevor ich zum eigentlichen Inhalt des Gesetzes komme, noch kurz auf Kollegen Khol, der ja wieder einmal nicht da ist, replizieren – aber er kann es ja nachher im Stenographischen Protokoll nachlesen. (Abg. Scheibner: Wo ist er?) Er hat mich vorhin so schön als Agent des Heeres-Nachrichtenamtes angesprochen. – Nicht nur, daß er nicht weiß, was ein Agent ist – er weiß auch andere Sachen nicht, das irritiert mich nicht weiter –, aber er sollte einmal Kollegen Fasslabend fragen, wie dringend dieser auf die Informationen des Heeres-Nachrichtenamtes in der Jugoslawienkrise gewartet hat, um Informationen dafür zu haben, wie sich die Republik Österreich in dieser schwierigen Sache richtig verhalten soll, und dann soll er sich überlegen, was er sagt. – Soviel zu Kollegen Khol. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zu den kurzen Ausführungen des Herrn Ministers und zu den "Knopfdruckverbänden", die er angesprochen hat. Ich zitiere: Bei der Planung anzuwendende Standards: internationale und humanitäre Anlässe und Katastrophenhilfe: Vorbereitungszeit zwei Wochen. – Das ist keine Erfindung von mir, das ist ein Erlaß des Ministeriums aus dem Jahr 1994. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Zahl zum Nachlesen nennen. So schaut das in der Praxis aus, Herr Minister!

Nun zu den ernstzunehmenden Einwendungen, vor allem zu den Ausführungen des Kollegen Schieder. Er hat zu Beginn seines Redebeitrages davon gesprochen, daß es ein sehr wichtiges Gesetz ist, das wir heute hier beschließen, und diese Meinung teile ich voll und ganz. Wir können allerdings die Zustimmung deswegen nicht geben, weil sehr zentrale Punkte nicht ausreichend behandelt worden sind. Ich halte es nämlich nicht für unwichtig, wie die Durchführung eines solchen Gesetzes in finanzieller Hinsicht geschieht, vor allem in einer Zeit, in der das Bundesheer in einer geradezu katastrophalen finanziellen Lage ist. Man weiß heute nicht mehr, wie die Dienstposten besetzt werden sollen, wie im Herbst der Treibstoff bezahlt werden soll, gar nicht zu reden von der Beschaffung der notwendigen Munition, und der Herr Minister meldet sich am laufenden Band großzügig für Auslandseinsätze. Da spielen wir nicht mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sagen: Wenn es notwendig ist, im Interesse der Republik einen solchen Einsatz durchzuführen, Herr Minister, dann muß die Republik das auch zusätzlich zum normalen Budget finanzieren. In anderen Staaten wie in Schweden ist das längst selbstverständlich. Und wenn Sie jetzt andeuten, daß eine gewisse Unterstützung kommt, dann sind wir froh darüber. Im Ausschuß war davon zwar noch keine Rede, aber vielleicht folgen Sie wieder einmal – wie immer – den freiheitlichen Vorschlägen im Schweinsgalopp hintennach. Wir sind froh, wenn Sie es tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Soviel zur budgetären Frage. Ein anderer Punkt, den Kollege Löschnak vorhin angesprochen hat, ist die Verständigung des Parlaments aus Courtoisie. Ich gebe zu bedenken, daß dies aus


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meiner Sicht und aus Sicht der Freiheitlichen zu wenig ist. Es kann aufgrund dieses Gesetzes zu Einsätzen kommen, die nicht nur 10 oder 100 Mann, sondern vielleicht ein Bataillon oder mehr betreffen, zu Einsätzen, in denen dieses Bataillon in einen Kampfeinsatz geführt wird, zu Einsätzen, die für dieses Bataillon Krieg bedeuten. Über einen Kriegseinsatz entscheidet nach unserer Bundesverfassung aber nicht nur das Parlament, darüber entscheidet die Bundesversammlung, und hier will man es nicht einmal mehr dem Hauptausschuß zur Kenntnis bringen! Ich halte das für skandalös. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Frage der Neutralität. Es wird bestritten, daß dieses Gesetz eine Änderung im Status der Neutralität bringt. Wenn Sie wirklich nicht die Absicht haben, diesbezüglich etwas zu verändern, warum steht dann nichts mehr drinnen von der immerwährenden Neutralität? Warum ist im Gesetzestext nur noch von der Bedachtnahme auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Republik Österreich die Rede? "Bedachtnahme" heißt, ich denke einmal kurz darüber nach, und dann habe ich darauf Bedacht genommen. Es steht darin nicht einmal das verpflichtende Wort "Einhaltung". Sie entfernen sich Schritt für Schritt – und zwar in immer schnelleren Schritten – von der Neutralität. Wir haben nichts dagegen, daß Sie das einsehen. Wir haben aber etwas dagegen, daß Sie die Österreicher für dumm verkaufen wollen, und dagegen wehren wir uns. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir glauben, daß die Österreicher reif genug sind, selbst zu entscheiden, was sie wollen, und wir verlangen, daß diese Frage den Österreichern vorgelegt wird und daß man nicht Schritt für Schritt die Neutralität aushöhlt, um sie dann – nein, nicht zu "entsorgen", wie gesagt wurde, denn entsorgen heißt ordnungsgemäß handeln – auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, denn das hat sie nicht verdient.

Nun weg von der Neutralität hin zu dem heute immer wieder konkret angesprochenen Albanieneinsatz. Zum einen sind wir der Meinung, daß der Albanieneinsatz durch dieses Gesetz nicht gedeckt wird. Das Gesetz verlangt einen Einsatz im Rahmen einer internationalen Organisation oder der OSZE. Man kann zum Beispiel vereinfacht sagen: Im Rahmen der Wiener Festwochen gibt es Konzerte; es steht ein Veranstalter fest, es steht fest, wer bezahlt und wer das Sagen hat. – Für diesen Einsatz steht nichts fest auf diesem Sektor. Es steht nur drinnen, daß man es von seiten der OSZE zur Kenntnis nimmt und daß man es sogar begrüßt, aber nicht mehr. Von einem Veranstalter OSZE ist keine Rede.

Als sogenannte "Lead nation" haben die Italiener das Kommando übernommen, und ich habe beträchtliche Zweifel, ob das funktionieren wird. Wenn es schiefgeht, gibt es keine NATO als Rückendeckung, Herr Kollege Spindelegger, und das ist der Grund, warum wir dagegen sind. Wir wehren uns nicht grundsätzlich gegen Einsätze, aber dort gibt es keine NATO, die uns Rückendeckung geben und die sicherstellen würde, daß unsere Soldaten einigermaßen heil wieder nach Hause kommen, wenn etwas schiefgeht. Das gibt es dort nicht, und deswegen sind wir dagegen. Wir glauben auch nicht, daß dieser Einsatz genügend vorbereitet und genügend organisiert ist, und deswegen wenden wir uns dagegen. Uns sind das Leben und die Gesundheit der österreichischen Soldaten in diesem Fall und in allen anderen Fällen zu wichtig, um hier dafür politisches Kleingeld einzuwechseln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wissen selbst sehr genau, daß Italien eine äußerst kritische Rolle in diesem Land spielt. Es hat diese kritische Rolle in der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg gespielt, und das wird in Albanien nicht ohne Probleme gesehen. Und genau im Gefolge dieser Nation sollen wir uns in einen Einsatz, von dem fast noch nichts klar ist, eigentlich nicht einmal die Aufgabe, die wir haben werden, begeben?!

Zusätzlich tut der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky alles, was er dazu beitragen kann, um die Lage für die Österreicher noch kritischer zu gestalten, indem er sich mit der gesamten albanischen Regierung überwirft und man ihm mehr oder weniger schon nahelegt, er soll das bleibenlassen und sich etwas anderes suchen. Das wird die Aufgabe unserer Soldaten dort sicherlich nicht vereinfachen, davon bin ich überzeugt.

Dieser Einsatz ist in der Form, wie er vorgesehen ist, aus meiner Sicht gar kein militärischer Einsatz. Man kann ihn den Soldaten nicht zumuten. Ich will Ihnen das begründen: Stellen Sie


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sich vor, Sie wären Zugskommandant oder Kompaniekommandant einer solchen Einheit oder Teileinheit dort unten und müssen die Ausgabe von Lebensmitteln überwachen – 2 000, 3 000 Leute –, und dann kommt das Gerücht auf, es reicht nur noch für einige hundert Menschen, und das Lebensmittellager wird gestürmt.

Diese Bilder aus Albanien haben wir alle schon gesehen, man konnte das im Fernsehen mitverfolgen.

Was machen Sie denn dann als Zugskommandant? Rennen Sie davon und werfen Sie die Waffen weg – das ist Lösung Nummer 1 –, oder – Lösung Nummer 2 – lassen Sie auf die Zivilisten, auf die Frauen oder Kinder schießen? – Nein, das können Sie von den Leuten nicht verlangen! Sie haben nicht die Ausrüstung dafür! Das wäre ein Polizeieinsatz, da gehören Schutzschilde, da gehört Tränengas her – angemessene Mittel, um so etwas zu verhindern. Man kann doch gegen so etwas nicht mit militärischen Mitteln vorgehen! Aber Sie, Herr Minister, sind bereit, österreichische Soldaten dorthin zu schicken! Ich wüßte gerne, was Sie sagen würden – ich hoffe, daß es nie so weit kommen wird, das hoffe ich wirklich –, wenn dann die Waffen weggeworfen würden oder geschossen würde.

In diesem Zusammenhang bringe ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Jung ein.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Jung, Mag. Stadler, Dr. Brauneder und Dr. Ofner zum Bericht des Verfassungsausschusses (657 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (503 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Ausschußbericht wird wie folgt geändert:

1. § 2 Abs. 5 entfällt und der bisherige Abs. 6 erhält die Bezeichnung Abs. 5.

2. § 4 Abs. 2 wird wie folgt geändert und lautet:

"(2) Nach § 1 Z 1 dürfen Personen nur auf Grund freiwilliger Meldungen entsendet werden. Davon ausgenommen sind Berufsmilitärpersonen und Militärpersonen auf Zeit mit einer Zeitverpflichtung ab drei Jahren, die nach dem 31. 12. 1997 ernannt werden oder deren Verpflichtungszeitraum nach diesem Zeitpunkt eingegangen oder verlängert wird. Für Entsendungen nach § 1 von Personen, die den ordentlichen Grundwehrdienst leisten, ist jedenfalls deren persönliche freiwillige Meldung in schriftlicher Form erforderlich. Freiwillige Meldungen für Einsätze nach § 1 Z 2 von Grundwehrdienern können nur bis zwei Wochen nach Antritt des ordentlichen Grundwehrdienstes zurückgezogen werden."

3. Dem § 9 wird folgender Abs. 3 angefügt:

"(3) Die §§ 4 Abs. 2 und 11 treten mit 1. 1. 1998 in Kraft."

4. Nach § 10 wird folgender § 11 angefügt:

"§ 11. Die in Vollziehung dieses Bundesgesetzes entstehenden Kosten für Einsätze, die aufgrund ihrer Aktualität nicht im Bundesvoranschlag berücksichtigt werden konnten, dürfen nur im Rahmen von bundesfinanzgesetzlichen Ermächtigungen (Art. 51b B-VG) durch über den jeweiligen Bundesvoranschlag hinausgehende zusätzliche Ausgaben abgegolten werden."

*****

All das sind auch Forderungen der ÖVP. Wir werden sehen, wie sie sich hier verhält und ob sie wieder kneift. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.02


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Der vom Abgeordneten Jung vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Maitz. – Bitte. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

12.02

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein wesentlicher Zug dieses neuen Entsendegesetzes ist in einer Volksweisheit allen bekannt: Wer schnell hilft, hilft doppelt.

Dieses neue Entsendegesetz bietet Erleichterungen für Kooperation und Solidarität von Ländern, die Hilfe brauchen, mit Ländern, die Hilfe geben wollen, mehr Klarheit für die entsendenden Institutionen und mehr Klarheit und Rechtssicherheit für Personen – also Soldaten oder Zivilpersonen –, die in solche Auslandseinsätze gehen.

Die drei Arten von Einsätzen hat Kollege Spindelegger dargestellt: Friedenssicherung, humanitäre Hilfe und Katastropheneinsätze, Such- und Rettungsdienste, aber auch Übungen und Ausbildungsmaßnahmen für diese genannten Bereiche und für den militärischen Bereich.

Es ist von den Kollegen Scheibner und Moser und später von Kollegen Jung mehrfach die Dringlichkeitsregelung angezogen worden. Warum ist diese so wichtig? – Sie wissen, daß zur Beschaffung der notwendigen Informationen, für Erkundungs- und Vorausmaßnahmen sehr rasch Personen in die Krisengebiete geschickt werden müssen und daß dies bisher über den Umweg einer Auslandsdienstreise ohne entsprechende Rechtssicherheit für die zu Entsendenden gemacht werden mußte. Privatpersonen, Zivilpersonen oder zumindest nicht beamtete Personen sind für solche Missionen überhaupt nicht in Frage gekommen, weil es keine rechtliche Grundlage gab. Für humanitäre Einsätze und Katastropheneinsätze sind solche Vorbereitungsmaßnahmen vom Herrn Bundesminister auch ganz deutlich genannt worden.

Auch was die Verlängerung eines begrenzten Einsatzes betrifft, stellt sich die Frage: Soll man die befaßten Personen ins Inland zurückholen, neuerdings ein Verfahren in Gang setzen und den Hauptausschuß befassen – oder sollte man nicht besser an Ort und Stelle auf kurzem Weg über die drei befaßten Minister sagen können, hier wird fortgesetzt beziehungsweise ein bestehender Auftrag wird verändert, in einen anderen Auftrag umgeändert?

Kollege Scheibner hat das Gesetz grundsätzlich begrüßt, aber seine Ablehnung unter anderem auch am Beispiel Albanien erläutert. Es läge kein Beschluß vor, es läge keine Rechtsgrundlage vor, auch wenn dieses neue Entsendegesetz beschlossen sein wird. (Abg. Jung: Richtig!) Auch Kollegin Kammerlander hat darauf Bezug genommen.

Ich darf den OSZE-Beschluß 160 des Permanent Council vom 27. März 1997 in Erinnerung bringen – vielleicht haben Sie ihn zur Hand –, der ganz eindeutig sagt, die Mitgliedstaaten, die sich an dieser multinationalen Truppe beteiligen werden, werden autorisiert, beauftragt, diese Tätigkeiten durchzuführen: Punkt 4!

Die drei Monate sind drinnen, daß die Staaten die Kosten selbst übernehmen, steht auch drinnen. (Abg. Jung: Er hat nur zwei Punkte!) In Punkt 4 steht es! (Abg. Scheibner: Gibt es einen klaren Beschluß? Wo steht das?) In Punkt 4!

Die Resolution des UNO-Sicherheitsrates vom 28. März 1997 mit der Nummer 1101 liegt ebenfalls vor, und diese Resolution sagt ganz eindeutig: Die von der OSZE beschlossenen Maßnahmen werden zustimmend zur Kenntnis genommen. (Abg. Jung: Das ist aber keine Beauftragung!) Brauche ich auch nicht! Nach dem neuen Gesetz brauche ich keine Beauftragung! Das ist es ja! (Abg. Jung: Im Rahmen!) Im Rahmen, jawohl! Herr Kollege Jung, was heißt "im Rahmen"? Sie wollten das hören: Wenn eine österreichische Teilnahme auf Beschlüsse einer


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internationalen Organisation zurückgeführt werden kann oder – und jetzt kommt es (Abg. Jung: Das ist kein Beschluß, das ist eine Stellungnahme!): autorisierte Stellungnahme des Völkerrechtlers Dr. Cede – ein sonstiger institutioneller Anknüpfungspunkt zu einer internationalen Organisation besteht. (Abg. Jung: Da haben Sie aber ein Gefälligkeitsgutachten!)

Rechtlich ist es völlig eindeutig, daß nach ... (Abg. Jung: Wo steht es im Gesetz?) Im Gesetz steht das im § 1 Absatz a: Maßnahmen der Friedenssicherung, Absatz b: Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe. Es stimmt ganz genau, das ist eine rechtlich einwandfreie Basis!

Wenn Kollege Scheibner wörtlich sagt, österreichische Soldaten müssen für Herrn Vranitzky in ein Abenteuer, dann ist das schon eine sehr polemische Formulierung, denn österreichische Soldaten erklären sich zur Sicherung von Hilfsmaßnahmen für ein geschundenes und bestohlenes Volk bereit.

Daß Österreich großes Interesse daran hat, daß dort wieder Ordnung und Sicherheit einkehren, ist völlig klar. Frau Kollegin Kammerlander hat in einer Aussendung gemeint, anstelle von militärischen Aktionen solle man zivile Mediation Platz greifen lassen. Zivile Mediation, das heißt, Animateure sollen bei den Leuten durch Diskussion Klarheit schaffen, was sie zu tun haben. (Abg. Dr. Krüger: Ein Animateur ist etwas anderes als ein Mediator!) – Bitte, wie möchten Sie zivile Mediation ansetzen, wenn in diesem Land, das etwa 3 Millionen Einwohner hat, 700 000 Faustfeuerwaffen und Gewehre im Umlauf sind? 450 000 Kalaschnikows, 200 000 einfache Gewehre, 50 000 Pistolen sind dort in Händen von Banden und Einzelpersonen, die damit sicherlich nicht nur ordentlich umgehen. (Abg. Jung: Sicher, aber wir tun sie ja nicht entwaffnen!) Daher brauchen wir Militär und Soldaten, die es gewohnt sind (Abg. Mag. Kammerlander: Noch jemand, der dort unten herumballert!), gegen Gewalt entsprechend vorzugehen, die dafür ausgebildet sind, mit Gefahren umzugehen und die neuerliche Gewaltanwendung hintanhalten sollen. Wenn ihr sachlich nichts mehr findet, dann geht ihr eben auf persönliche Verunglimpfung über, das ist euer Problem und euer Stil. (Beifall der Abg. Tichy-Schreder. – Abg. Jung: Das war der Kollege Khol!)

Frau Kollegin Kammerlander hat auch von Anlaßgesetzgebung gesprochen. Vor mehr als einem Jahr, am 11. März, wurden schriftlich die wesentlichen Elemente in der Ihnen allen zur Verfügung stehenden Übereinkunft der Bundesregierung 1996 dargelegt. (Abg. Scheibner: Was ist passiert in diesem Jahr?)

Genau diese Elemente finden Sie nun wieder in diesem Gesetz, daher kann man nicht sagen, daß zuwenig lang diskutiert worden wäre. Das, was Sie machen wollten, war, Frau Kollegin Kammerlander, eine gute, eine notwendige gesetzliche Maßnahme zu blockieren, zu verhindern, weil es um militärische Hilfeleistungen geht, die Sie eben grundsätzlich ablehnen. – Das ist Ihr Problem, wir brauchen sie.

Ein Ziel dieses neuen Entsendegesetzes war es daher, mehr Frieden und Sicherheit in unsicheren Zonen zu schaffen, aber auch mehr Frieden und Sicherheit für Österreich, denn wer solidarisch handelt, kann im Notfall auch mit der Hilfe der anderen rechnen. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Ing. Tychtl. )

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

12.11

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, postovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Bedauerlicherweise sind jetzt die Herren, an die ich mich in meinen Ausführungen wenden wollte, nicht im Raum, nämlich vor allem die Herren von der SPÖ, die hier schon gesprochen haben.

Meine Kollegin Doris Pollet-Kammerlander hat von der Entsorgung der immerwährenden Neutralität auf dem "kalten Weg" durch dieses Entsendegesetz gesprochen, und das ist ein wahres


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Wort. Auch wenn man nicht Fachfrau/Fachmann, Spezialist/Spezialistin in all diesen Fragen ist, sticht einem das ins Auge, was Ihnen – vor allem Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion, die Sie ja noch vorige Woche in Linz ganz großartig die immerwährende Neutralität Österreichs verteidigt haben – jetzt von Kollegen, die im Außenpolitischen Ausschuß waren, hier untergejubelt wird. Ich weiß nicht, ob Ihnen allen ganz klar ist, was das bedeutet.

Ich interpretiere den Gesetzestext so, wie man ihn interpretiert, wenn man ihn liest, ohne die Hintergedanken im Kopf zu haben. Es hat Herr Kollege Schieder vorhin meiner Kollegin Mag. Pollet-Kammerlander ganz großartig erklärt, daß die Tatsache, daß man die UNO-Satzung und die Schlußakte von Helsinki extra erwähnt, diese beiden für Österreich völkerrechtlich so wahnsinnig wichtigen Verpflichtungen, die Besonderheit und ihre besondere Stellung unterstreichen soll. Deshalb schreibt man sie explizit in den § 1 dieses Gesetzes. Aber das, was Basis jeder internationalen Handlung und politischen Handlung Österreichs ist, nämlich die Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität, ist darin nicht enthalten. Daher frage ich mich: Was ist wichtiger: das eine oder das andere?

Es ist das nur so zu verstehen, wie es, ohne es direkt auszusprechen, gemeint ist: Die immerwährende Neutralität wird heute zum ersten Mal schon nicht mehr erwähnt, und darauf werden sich dann künftig alle Wortmeldungen stützen. Man wird sagen: Im Entsendegesetz ist sie ja auch nicht mehr so explizit drinnen! – Und das ist das, was die Grünen, Frau Kollegin Pollet-Kammerlander und mich so besonders stört und was auch der Anlaß für den Abänderungsantrag ist, den ich verlesen möchte, denn durch diesen § 1 ist das Ende der immerwährenden Neutralität in einem Gesetz sozusagen festgeschrieben, nämlich dadurch, daß sie eben nicht explizit aufgenommen worden ist.

Ich verlese jetzt den Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Verfassungsausschusses (657 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (503 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. § 1 wird wie folgt geändert und lautet:

"§ 1. Einheiten und einzelne Personen können in das Ausland zur solidarischen Teilnahme an

a) Maßnahmen der Friedenserhaltung einschließlich der Förderung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz der Menschenrechte im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder

b) Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe oder

c) Maßnahmen der Such- und Rettungsdienste oder

d) Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu den in" – wir haben im Antrag irrtümlich ,Z 1 bis 3‘ geschrieben – "a bis c genannten Zwecken

entsendet werden, wenn diese Einsätze" – ich sage jetzt dazu: das ist der kritische Punkt – "mit der immerwährenden Neutralität Österreichs vereinbar sind."

2. § 2 Abs. 4 entfällt.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So einfach wäre es, wenn man es wollte. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokraten: Sie wollen es nicht! Sie wollen nicht in einem


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Gesetz, das 1997 beschlossen wird, die immerwährende Neutralität explizit erwähnt haben. Und das ist sehr leicht zu durchschauen – ich mußte es hier auch noch einmal erwähnen, im Ausschuß ist ja darüber diskutiert worden.

Am Parteitag schöne Worte zur immerwährenden Neutralität zu finden, in der Öffentlichkeit das immer wieder zu betonen, aber auf dem "kalten Weg" im Ausschuß und im Plenum in der Hoffnung, es werde schon nicht allzu sehr auffallen, die Leute für dumm zu verkaufen, das hat noch nie funktioniert, meine Damen und Herren, und es wird auch diesmal nicht funktionieren!

Wir werden Sie ständig daran erinnern, wie Sie die österreichische Öffentlichkeit und vor allem jene, die sich nach wie vor für die Neutralität als das wesentlichste und bestimmendste Prinzip auch der österreichischen Außenpolitik einsetzen, täuschen, und Sie werden die Rechnung präsentiert bekommen. Sie werden die Rechnung spätestens dann präsentiert bekommen, wenn in einer Volksabstimmung darüber entschieden wird, wie es mit der österreichischen Außenpolitik weitergeht.

Zum Schluß etwas, was mit dem Abänderungsantrag nur am Rande zu tun hat, aber zur Sache paßt: Ich war 1991 als Mitglied einer Delegation des österreichischen Nationalrates als Wahlbeobachterin bei den ersten quasifreien, muß ich jetzt sagen, Wahlen in Albanien. Damals haben die Kommunisten haushoch gewonnen. Es waren diese Wahlen damals, wenn man so sagen will, vom Ablauf her fair, vom Ergebnis her nicht überraschend, denn bis ins tiefe Land – und Albanien ist fast nur ländliches Gebiet, es hat nur wenige städtische Zentren – hatten sich die Möglichkeiten der Opposition damals absolut nicht durchgesprochen. Damals hat der heutige Staatspräsident Sali Berisha unheimlich bedauert, unter welchen Schwierigkeiten die Opposition antreten mußte, wie unfair alles war, wie wenig Geld sie hatten und wie wenige Möglichkeiten des Zugangs.

Kaum sechs Jahre später sind die Dinge absolut umgekehrt: Genau dieser Staatspräsident, der damals auch für mich als der imponierende Oppositionelle dagestanden ist, macht alles genauso wie das seinerzeitige Regime. Es gibt gar keinen Unterschied. (Abg. Großruck: Das ist eine gewaltige Verfälschung!) Im Gegenteil: Die Situation in Albanien hat sich weitgehend verschlimmert.

Heute früh mußte ich im Teletext lesen, daß Altbundeskanzler Vranitzky, der selbstverständlich auch von den Grünen bei seiner Mission unterstützt wird, heute nicht nach Vlora geflogen ist, sondern seine zweitägige Visite ohne Vlora-Besuch abgebrochen hat. Die offizielle Begründung ist, daß seine Sicherheit in Vlora nicht gewährleistet ist. Der inoffizielle Grund ist jedoch, daß er einen tiefen Konflikt mit Präsident Berisha hat, da Franz Vranitzky in Albanien etwas vorhat, was gutzuheißen ist, nämlich aus einer neutralen Position heraus dort mit jenen, die in diesem Land bestimmend sind, in Kontakt zu treten.

Wenn er sagt, daß es unter den sogenannten Rebellen im Süden Albaniens auch vernünftige Leute gibt, dann kann ich aufgrund meiner bescheidenen Kenntnis der Verhältnisse in Albanien von zwei Besuchen dort sagen, wie recht er hat. (Abg. Großruck: Ihr Wissen ist äußerst bescheiden über Albanien! Das ist eine Zumutung, was Sie da bringen!)

Das, was in Österreich jetzt passiert, daß man sich nämlich vor allem von seiten der ÖVP an nichts anderem – auch unser Außenminister – orientiert als an der Zurufpolitik des Präsidenten Berisha an die internationale Gemeinschaft und alles, was Präsident Berisha meint, automatisch gutheißt, ist grundfalsch. Sie werden sehen, wie sich die Dinge dort weiterentwickeln, wenn man nicht etwas ändert.

Der Auftrag, den auch die österreichischen Einheiten dort haben, ist ja noch absolut unklar. Vranitzky sagt immer wieder: Die Hilfsgüterverteilung soll geschützt werden! Der dänische Außenminister – auch nicht irgend jemand, sondern der aktive Außenminister eines EU-Staates – spricht von der Entwaffnung der Albaner. – In einer solchen Situation kann man alles, nur nicht den Einsatz österreichischer Bediensteter des Bundesheeres und österreichischer Wehr


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männer gutheißen. Und das wird morgen auch der Blickwinkel der Grünen bei der Entscheidung im Hauptausschuß sein.

Ich meine – das richte ich jetzt vor allem an die noch ein bißchen größere Koalitionspartei, an die Partei des Bundeskanzlers –: Lassen Sie sich bitte nicht von dieser einseitigen Parteinahme der konservativen Parteien Europas und jetzt vor allem auch der ÖVP für Präsidenten Berisha täuschen, behalten Sie hier in dieser Sache einen klaren Kopf, denn da werden jetzt Entscheidungen getroffen, die nicht nur für die Entwicklung in Albanien, sondern für die Zukunft auf dem Balkan wirklich entscheidend sind, und ich möchte nicht, daß Österreich durch einseitige Entscheidungen, durch eine einseitige Parteinahme in einen Strudel gerät, aus dem es dann möglicherweise nicht mehr herauskommt. (Beifall bei den Grünen.)

12.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Mag. Stoisits soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt, er wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.21

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß seit 1960 mehr als 36 000 österreichische Soldaten, Exekutivbeamte und zivile Helfer an 25 friedenssichernden Einsätzen der Vereinten Nationen teilgenommen haben. Heute erfüllen österreichische Kontingente in Zypern, auf den Golanhöhen und in Bosnien ihre Aufgaben für den Frieden. Nicht zu vergessen sind vor allem die vielen Beobachter-Offiziere, die in zahlreichen Einsätzen in aller Welt dazu beitragen, den Frieden zu erhalten.

Es bereitet sich ja gerade eine Einheit für den Einsatz in Albanien vor. – Herr Bundesminister, ich hoffe, daß dieser nicht leichte Einsatz sehr sorgfältig vorbereitet wird.

All das, meine Damen und Herren, ist für mich der Beweis dafür, daß wir Österreicher nicht abseits stehen, sondern uns im Rahmen unserer Möglichkeiten solidarisch an der internationalen Friedenssicherung beteiligen.

Es ist daher für mich unverständlich, daß von einer bestimmten Seite immer wieder von "sicherheitspolitischer Trittbrettfahrerei" gesprochen wird. Das ist nicht nur unfair, sondern auch dem Ansehen unseres Landes in der Welt abträglich. Es stimmt ganz einfach nicht! Das Gegenteil ist der Fall. Es entspricht einer langjährigen österreichischen Tradition, einen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit zu leisten.

Der sicherheitspolitische Wandel, der in Europa stattgefunden hat, konnte nicht ohne Auswirkungen auf die geltenden gesetzlichen Regelungen für die Entsendung zu Einsätzen bleiben. Wir wissen, daß das 1965 geschaffene Auslandsentsendegesetz nur noch eine unzureichende rechtliche Grundlage für die Teilnahme an der Friedenssicherung, der Katastrophenhilfe und an humanitären Maßnahmen bildet. Mit dieser neuen gesetzlichen Regelung wird dafür Abhilfe geschaffen. Es wird vor allem auch ermöglicht, an den vorbereitenden Maßnahmen zur Ausbildung im Ausland teilzunehmen.

Kollege Schieder hat heute in diesem Zusammenhang bereits auf die Freiwilligkeit hingewiesen, daher möchte ich hervorheben, daß die Freiwilligkeit bei der Teilnahme an Aktionen zur Friedenssicherung für alle Angehörigen des Bundesheeres gilt, also für Soldaten, das heißt sowohl für die Wehrpflichtigen als auch für die Berufssoldaten. Ich glaube, wir sind gut beraten, vorerst daran festzuhalten.

Es kann daher keine generelle Verpflichtung für Auslandseinsätze als Vorbedingung für ein Dienstverhältnis als Berufssoldat geben.


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Die neue Gesetzeslage ermöglicht auch die Entsendung österreichischer Soldaten zu Übungen und Ausbildungsmaßnahmen ins Ausland – das findet auch unsere Zustimmung. Ich darf aber auch hier festhalten, daß das an sich nichts Neues ist – diese Vorhaben wurden bisher auf Dienstreisebasis durchgeführt.

Es soll aber auch künftig davon ausgegangen werden, daß die Ausbildung der Einheiten, die ja zum Großteil aus Wehrpflichtigen bestehen, grundsätzlich in Österreich erfolgt. Übungen von Einheiten im Ausland können daher nur Ausnahmefälle sein und werden immer einer ganz besonderen Begründung bedürfen.

Was die Übungen im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" betrifft: Es sollte nur jener Personenkreis daran teilnehmen, der seine freiwillige Teilnahme an solchen Einsätzen erklärt hat und auch eine Einteilung bei den vorbereitenden Einheiten besitzt. Auf den Punkt gebracht: Entscheidend für die Teilnahme an PfP-Übungen ist, daß es sich nicht um Truppenteile der Präsenzkräfte handelt, sondern um Auslandseinsätze vorbereitender Einheiten. (Beifall des Abg. Scheibner. )

Herr Bundesminister! Die Landesverteidigung muß an die neuen Anforderungen der europäischen Sicherheit angepaßt werden. Es sind daher die Fragen zu beantworten: Wofür wird das militärische Instrument künftig benötigt, welchen Stellenwert hat die klassische Verteidigung, und welche Anforderungen kommen jetzt aus dem internationalen Bereich der Friedenssicherung? – Wenn eine Prioritätenreihung vorgenommen werden soll, dann steht an der Spitze die Aufrechterhaltung der regionalen Stabilität, schon an nächster Stelle jedoch die internationalen Solidaritätsleistungen, gefolgt von Assistenzleistungen im nationalen Rahmen, und erst dann kommt die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Einsatzes zur Grenzsicherung und Verteidigung.

Es müssen zur Bewältigung dieser neuen Entwicklungen neue Wege gegangen werden. Und das betrifft nicht nur den Umfang und die Organisationsstruktur des Heeres, sondern auch die zugrunde liegende Wehrdoktrin.

Herr Bundesminister! Für die internationalen Solidaritätsleistungen wurde eine moderne legistische Basis geschaffen. Jetzt sind Sie am Zug, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen die Verfügbarkeit von vorbereitenden Einheiten des Bundesheeres sicherzustellen. In diesem Bereich ist noch einiges zu tun, wir werden Sie dabei gerne unterstützen. Unserer Auffassung nach sollen diese vorbereitenden Einheiten in einer Milizstruktur aus Freiwilligen der Präsenzkräfte, der Miliz und der Reserve sowie aus Zivilpersonen rekrutiert werden.

Folgendes möchte ich in diesem Zusammenhang auch ganz klar und deutlich sagen: International einsetzbare Verbände für Kampfeinsätze sind durch das österreichische Bundesheer nicht aufzustellen! Das Heer muß zwar in der Lage sein, rascher, berechenbarer, verläßlicher als bisher Spezialisten und Truppen für solidarische Einsätze bereitzustellen, der Aufbau ständig bereitgehaltener Truppen ist dafür aber aufgrund der internationalen Zeitvorgaben – das wissen wir ja alle – nicht erforderlich.

Neben diesen organisatorischen Maßnahmen wird es aber auch notwendig sein, durch ein Anreizsystem die erforderliche Zahl von Freiwilligen sicherzustellen. Aber auch da müssen wir das Rad nicht erst erfinden; ich darf auf das schwedische Modell hinweisen, das ja sehr erfolgreich praktiziert wird. Ähnlich könnten es auch wir in Österreich gestalten.

Zum Schluß kommend: Herr Bundesminister! Mit der Zunahme der Anforderungen aus dem internationalen Bereich kommen neue und verantwortungsvolle Aufgaben auf das Bundesheer zu. Wir Sozialdemokraten sind bereit, alle Entwicklungen und Vorhaben zu unterstützen, um mit Hilfe flexibler, zeitgemäßer militärischer Strukturen neue Antworten auf die Fragen der europäischen Sicherheit zu finden, denn die Teilnahme an Aktionen der internationalen Solidarität ist nicht nur eine verdienstvolle Aufgabe zum Wohle der Menschen, sondern auch eine sehr sinnvolle Aufgabe zum Nutzen und zum Ansehen unseres Landes. Und das ist mit ein Grund dafür, daß wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

12.30

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir dürfen uns nicht selbst in die Tasche lügen. Wir werden uns Auslandseinsätzen in Zukunft immer weniger entziehen können, und wir werden uns auch nicht aussuchen können, welche wir frequentieren wollen und welche nicht. Die Rosinen herauszusuchen, das wird immer weniger gehen. Wir müssen uns aber auch darüber im klaren sein, daß das Geld kostet. Das geht alles nicht zum Nulltarif, das geht nicht gratis. Die entsprechenden Vorbereitungsarbeiten, um dort eine entsprechende Figur machen zu können, aber auch um die persönliche Sicherheit, die körperliche Sicherheit, die operative Sicherheit der österreichischen Soldaten gewährleisten zu können, all das kostet Geld.

Diese Einsätze sind kein "Lercherl". Wenn ich in der Zeitung lese, man wird damit rechnen müssen, daß es in Albanien auch Tote und Verwundete gibt, und das wird etwas Neues sein, so kann ich dazu nur sagen: Das ist bedauerlicherweise – wenn man die österreichischen Auslandseinsätze im Auge hat – nichts Neues, denn die Zahl der Toten in diesem Bereich beläuft sich auf ungefährt 40; ich habe die Zahl nicht genau im Kopf.

Jeder, der einmal in Zypern gewesen ist, wird auch das Kreuz für die drei in einer Napalmbombe eines türkischen Jagdbombers umgekommen Soldaten in Erinnerung haben. Wer auf den Golanhöhen war, wird das Denkmal für die vier Minenopfer, die dort mit einem Haflinger oder mit einem Pinzgauer auf eine Mine gefahren sind, in Erinnerung haben. Und wer sich in Privatgesprächen mit Soldaten, die aus Bosnien zurückgekommen sind, darüber informiert, wie die Situation dort unten wirklich ist, der muß sich auch Sorgen machen in Blickrichtung Albanien.

So hört man etwa, daß allen Soldaten in Bosnien, die dort aus dem internationalen Bereich im Einsatz sind, keineswegs so freundlich begegnet wird, wie das die Medien häufig darstellen, sondern es wird ihnen von allen Seiten – von den Moslems, von den Serben, von den Kroaten – bedeutet: Warum seid ihr da? Wir haben euch nicht gebraucht. Wenn ihr nicht gekommen wärt, dann hätten wir – das glaubt jeder von sich selber – längst gewonnen. Wir warten nur darauf, bis ihr euren Popo da hinausbewegt – sie verwenden dafür andere Ausdrücke –, dann werden wir das, woran ihr uns gehindert habt, noch vollziehen.

Die Österreicher, die mit Tausenden Tonnen Baumaterial in LKW-Kolonnen unterwegs sind, um das zu liefern, was man für den Aufbau von Häusern braucht, sind frustriert, denn dort, wo sie ihr Baumaterial ablagern, können sie sehen, wie in der Umgebung gleichzeitig zehn, 15, 20 Häuser, die leer stehen, gesprengt werden, weil die dort verbliebene Bevölkerung unter allen Umständen verhindern will, daß die Bewohner wieder zurückkommen, und sie vernichten daher ihre Häuser.

Das alles muß man wissen und auch aussprechen, man darf nicht einfach darüber hinwegsehen. Auslandseinsatz ja, Solidarität im internationalen Bereich ja, wir bekennen uns dazu, es bleibt uns nach meinem Dafürhalten auch gar nichts anderes übrig. Aber es sind dafür die entsprechenden Voraussetzungen, politische Voraussetzungen, rechtliche Voraussetzungen, zu schaffen und zu beachten.

Mir ist der Unterschied schon klar: Wenn man heute den Standpunkt vertritt, drei Minister kann man eher zusammentrommeln als den Hauptausschuß – das stimmt nicht; man kann, wenn man will, auch den Hauptausschuß im Blitztempo einberufen –, dann "riecht" das verdammt danach, daß man die Opposition ausschalten möchte. Denn wenn ich drei Regierungsmitglieder beisammen habe, habe ich immer drei Angehörige eben der Regierung und eben der Regierungsparteien beisammen. Aber wenn ich mich auf den Hauptausschuß berufen möchte, dann habe ich auch die Opposition dabei.

Aber je ernster es wird, umso unangenehmer kann es auch für die Regierung und für die Verantwortlichen in der Bundesregierung werden, die Opposition einmal nicht einbezogen zu


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haben, sie von Anfang an bewußt ausgeschaltet zu haben aus diesen Vorgängen, meine Damen und Herren. Wir Freiheitliche können vor dieser Vorgangsweise nur warnen. Sie erscheint uns wirklich bedenklich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden aber auch auf eine umfassende rechtliche und politische Absicherung im internationalen Raum achten müssen. Wir dürfen nicht erwarten, auf Dauer als Trittbrettfahrer im luftleeren Raum dort teilnehmen zu können und zu dürfen, wo wir es uns selber aussuchen können, wo wir das wollen, wo es uns attraktiv erscheint und wo wir es für nicht gefährlich halten. Wir werden eingebunden sein müssen in die internationale Gemeinschaft – auch in militärischen Dingen. Davon bin ich fest überzeugt, und ich zweifle daran, daß irgend jemand hier im Haus, der Gegenteiliges behauptet, das auch wirklich glaubt.

Eines möchte ich zum Abschluß schon noch sagen: Die Neutralität an und für sich ist kein Wert, weder ein positiver noch ein negativer. Die Neutralität war einmal die Ausrede der Schwachen, die nirgends mitreden haben dürfen – das ist die Wurzel der Neutralität –, nicht mitreden haben können und daher auch nicht mitreden haben dürfen. Die Neutralität ist ein gütiges Geschick einzelner, sich herauszuhalten, wenn es tatsächliche Konflikte gibt. Sonst ist es gar nichts! Eine Lebensphilosophie, eine positive Lebensphilosophie ist Neutralität nicht, denn sie bedeutet, daß man sich auch der Wertungen enthält, und das werden wir beachten müssen. Wir werden aufhören müssen, den Leuten einzureden, Neutralität sei etwas abstrakt Positives, dem man "immerwährend" – unter Anführungszeichen – nachzuhängen habe. Das ist falsch, und das ist ein Spiel mit gezinkten Karten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.35

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dieses Jahrhundert ist von Veränderungen geprägt, deren Dimension und Schnelligkeit wir oft nicht abschätzen können. Das führt auch zu Ängsten, das führt auch zu Unsicherheiten – keine Frage. Deshalb verstehe ich auch, daß wir gerade bei neuen Entwicklungen besonders kritisch sind. Aber jeder, der sich auf diese heutige Diskussion gut vorbereitet hat, muß wissen, daß wir heute ein sehr wichtiges Gesetz beschließen, da die bisher geltende Rechtslage den heutigen Erfordernissen keinesfalls mehr entspricht.

Mein Vorredner hat gemeint, daß mit diesem Gesetz etwas geschaffen wird, das den Regierenden mehr Handlungsfähigkeit ermöglicht und womit die Opposition leichter ausgeschaltet werden könnte. Ich halte diese Begründung für absolut unnotwendig und unpassend, denn derartige Einsätze werden immer mit Sorgen und Krisen verbunden sein, und daher wird jede Regierung dafür sorgen, daß ein möglichst breiter Konsens für solche Maßnahmen gefunden wird.

Ich glaube, wir müssen hier realistisch sein. Es ist bereits gute Tradition, daß unser Land an Hilfsmaßnahmen, welcher Art auch immer, in anderen Ländern beteiligt ist. Dieses Gesetz hat zum Inhalt, daß wir in Zukunft umfassende Hilfe anbieten wollen, daß wir bedarfsorientiert, rasch, aber überlegt entscheiden können.

In § 1 dieses Gesetzes ist in den Ziffern 1 bis 4 sehr klar umrissen, um welche Einsätze es geht, nämlich um eine solidarische Teilnahme an verschiedenen Maßnahmen. In § 2 geht es um funktionstüchtige Entscheidungsmechanismen. Da heißt es, daß die Regierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß entscheiden kann, daß es nur im Krisenfall eine Sofortentscheidung gibt.

Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, die Sie heute hier Bedenken angemeldet haben: Sie sind ja im Hauptausschuß vertreten, Sie werden dort teilnehmen, Sie können dort teilnehmen und würden auch die notwendigen parlamentarischen Maßnahmen einleiten, wenn Sie es für notwendig und richtig erachten. Daran zweifelt doch überhaupt niemand.


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In § 4 ist klar geregelt, wer entsendet werden kann. Es heißt in Abs. 2 ganz klar, daß dies nur aufgrund einer freiwilligen Meldung erfolgen kann; ausgenommen sind Truppenübungen.

Ich bitte Sie: Wer glaubt denn daran, daß unsere militärische Verteidigung, daß unser Bundesheer aktiv sein kann, wenn wir jede Maßnahme, jede Übung nur davon abhängig machen, ob sich jemand dazu bequemt oder nicht bequemt? Hier muß eben das höhere Interesse, das Staatsinteresse, Vorrang haben! (Beifall der Abg. Tichy-Schreder. )

Meine Damen und Herren! Die Rolle des Bundesheeres wird natürlich umfassend zu sehen sein. Ich glaube, das ist eben auch eine Herausforderung unserer Zeit, der wir uns zu stellen haben. Bei der Diskussion um dieses Gesetz, bei dieser Beratung immer auch den Begriff der Neutralität, so wichtig und bedeutend diese für unser Land auch war und fallweise noch ist, ins Spiel zu bringen, halte ich für nicht sinnvoll. Ich meine, daß wir diese wichtige Frage zu einem anderen Zeitpunkt beraten sollen.

Daß die Diskussion um die Neutralität sehr emotionell sein wird, das ist sicherlich erlaubt. Aber sehen wir das doch bitte einmal realpolitisch, sehen wir doch einmal ganz klar, wo wir standen, als die Neutralität ein wesentlicher Faktor unserer gesamten Innen- und Außenpolitik war, und sehen wir genauso klar, was uns die Neutralität heute noch bringen wird und bringen kann. Jeder, der diesbezüglich Zweifel hat, möge Portisch II lesen. Dort kann er sehr genau nachlesen, wie heute die Gefahrenpotentiale gelagert sind.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Oppositionsparteien haben eigentlich keine tauglichen Vorschläge gemacht, das war ja auch kaum zu erwarten. Die F-Gruppe hat wiederholt die Finanzfrage angesprochen. Das ist ihr gutes Recht. Daß Sie, Herr Kollege Jung, natürlich die finanzielle Staatskrise heraufbeschwören, ist nichts Neues. So kennen wir Sie nämlich schon. (Abg. Jung: 20 Milliarden ...!) Aber ich möchte Sie schon fragen: Haben Sie denn nicht gelesen, daß dieses Gesetz eine Ermächtigung zur Entsendung beinhaltet und keine Verpflichtung? (Abg. Jung: Wir wollen es verpflichtend haben!) Niemand – auch Sie nicht; Sie sind ja kein Hellseher – weiß, wo wir morgen Einsatz leisten werden oder müssen. Und deshalb kann doch heute bitte nicht gesagt werden, was dieser Einsatz kosten kann oder kosten wird. (Abg. Jung: Nein, aber Sie können es hineinnehmen: außerordentliche Finanzierung!)

Wir werden im Einzelfall zu entscheiden haben, über den Einzelfall zu beraten haben, und wir können nicht einfach pauschal sagen, dafür geben wir 9 Millionen oder was weiß ich aus. Das ist unkorrekt (Abg. Scheibner: 1 Milliarde, Herr Kollege!), das ist nicht in Ordnung, Herr Scheibner, und das sollten Sie sich ersparen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Lesen Sie unseren Vorschlag, dann kennen Sie sich aus!)

Herr Kollege Jung, wo Sie sich auskennen, darüber müßten wir eine eigene Diskussion abführen. Ich sage Ihnen: sicherlich nicht dabei, oder Sie sind polemisch.

Dieses Gesetz ist, so wie Minister Fasslabend sagt, eine grundlegende legistische Maßnahme als Antwort auf eine neue Entwicklung in Österreich, auf eine neue Entwicklung in Europa (Abg. Jung: Auf der Welt, nicht nur in Europa!), auf eine neue Entwicklung in der ganzen Welt. Keine Frage. Diesen Weitblick haben wir auch. Dieses Gesetz ist ein wichtiges Element eines solidarischen Beitrages bei katastrophalen Entwicklungen in anderen Staaten, wo wir helfen wollen, weil auch wir froh sind, wenn wir Hilfe bekommen, wenn wir sie brauchen.

Es geht auf Dauer einfach nicht, daß wir nicht da sind, wenn die anderen uns brauchen, aber wenn wir etwas brauchen, müssen die anderen sofort dasein. Dieser Mechanismus funktioniert nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Gesetz ist ein wesentlicher Faktor zur aktiven Friedenssicherung für unser Land, und da können Sie sich doch bitte nicht enthalten, meine Damen und Herren! Wir stimmen diesem Gesetz zu – im Interesse Österreichs, seiner Rolle und seiner Bedeutung im internationalen politischen Geschehen und auch zum Schutz unserer Bürger. (Beifall bei der ÖVP.)

12.43


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte, Sie haben das Wort. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

12.43

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß Kollege Donabauer keine Ahnung von der Materie hat, ist alleine dadurch bewiesen, daß er hier Beträge nennt, die völlig unrealistisch sind, nämlich 9 Millionen Schilling an Kosten für den Albanien-Einsatz. (Abg. Jung: 100 Millionen!) Bitte, noch einmal: Der Herr Generaltruppeninspektor hat von 100 Millionen gesprochen. Ich weiß nicht, ob Sie sich die Differenz vorstellen können zwischen 9 Millionen und 100 Millionen. Die Regierung redet von 40 Millionen. Keiner weiß, was das kosten soll, meine Damen und Herren – obgleich gerade die ÖVP von den Oppositionsparteien verlangt, daß bei jedem Abänderungsantrag, bei jedem Zusatzantrag und bei jedem Entschließungsantrag in Zukunft die Kosten angegeben werden sollen, die das Gesetz oder der Antrag letztendlich kosten soll.

Das paßt alles zum Konsultationsmechanismus. Aber die Regierung kann selber nicht sagen, was ihre eigenen Gesetze kosten, insbesondere die Auslandseinsätze.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das Problem, daß sich die Regierung hier im Alleingang die Ermächtigung verschafft, Auslandseinsätze zu beschließen, und zwar am Parlament vorbei, wurde bereits erläutert. Mir, meine Damen und Herren, ist unwohl dabei, wenn ein – aktuelle Regierungssituation – Bundesheergegner, ein Wehrdienstverweigerer und ein Untauglicher darüber entscheiden müssen, in welchem Land wir welche Soldaten einsetzen, meine Damen und Herren. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist die Situation, wie sie sich derzeit darstellt. Und daß man das hier am Hohen Haus vorbei, am Parlament, an der Volksvertretung vorbei beschließt, das ist einer der wesentlichen Gründe – aber nicht der einzige, Gründe wurden schon hinreichend dargelegt –, warum wir dieses Gesetz ablehnen. Weitere Gründe wären: keine Kostenaufgliederung, keine klare Strukturierung, Neutralitätsabschaffung auf schleichendem Weg, auf verstohlenem Weg, auf verschämtem Weg, und letztlich NATO-Beitritt, ohne daß man den NATO-Beitritt ausdrücklich will.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie uns vorwerfen – und ich glaube, Herr Klubobmann Khol hat das durch Zwischenrufe beim ersten Redner getan –, wir hätten keine klare Haltung dazu, und sagen, die ÖVP hat die einzig klare Haltung, dann sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Sie schicken Ihre Politpensionisten vor, wenn es um den NATO-Beitritt geht. Ich lese heute mit großem Erstaunen, daß der ehemalige ÖVP-Obmann, der "Eiserne Hermann", Hermann Withalm, anläßlich eines Interviews zu seinem 85. Geburtstag der ÖVP ganz klar ins Stammbuch schreibt: Am NATO-Beitritt führt kein Weg vorbei. NATO-Beitritt ist die Zukunft.

Was aber tut die Österreichische Volkspartei? – Sie sagt, wir können uns keinen NATO-Beitritt leisten, weil unser Koalitionspartner nicht mitgeht und wir der Öffentlichkeit gegenüber nicht zugeben wollen, daß die Neutralität abgeschafft werden soll. Politpensionisten müssen das denken und laut sagen, was die ÖVP mangels Courage und mangels Durchsetzungskraft in der Bundesregierung gar nicht denken und sagen darf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher: Werfen Sie nicht uns vor, wir hätten keine klare Haltung. Bei Ihnen haben nur Ihre Politpensionisten eine klare Haltung. Sie als Mandatare haben leider nicht die Courage und sind nicht Manns genug, eine klare Haltung zur NATO-Frage einzunehmen. – Ein weiterer Punkt, weshalb wir sagen, daß dieser Einsatz abzulehnen ist.

Und letztlich wiederhole ich noch etwas, was ich schon einmal öffentlich gesagt habe: Ich bin gespannt, wer dann die Verantwortung trägt, wenn es zu Konsequenzen in Albanien kommt – und die sind absehbar. Unsere Soldaten nach Albanien zu schicken, bei der historischen Vorbelastung, die da gegeben ist, unter italienischem Kommando, wissend – die meisten in der ÖVP werden es vielleicht gar nicht wissen –, daß die Italiener im April 1939 den Balkankrieg in Albanien begonnen haben, indem dieses Land von einem faschistischen Staat überfallen und besetzt wurde, zu einer Zeit, als noch von diesem faschistischem Regime in Österreich Soldaten angeworben wurden, nämlich einige Jahre vorher, weil man sich ja damals eines Geistes und


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eines Sinnes wußte mit den italienischen Faschisten, dorthin heute Soldaten unter italienischem Kommando zu schicken, halte ich für eine Instinktlosigkeit sondergleichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Instinktlos ist es insbesondere auch deswegen, meine Damen und Herren, weil man weiter weiß, daß die Italiener dort den Staatsnotstand mit verursacht haben. Die Italiener hatten ihre Finger bei den Pyramidenspielen drinnen – nämlich die italienische Mafia, die von dort nicht abgezogen ist, sondern die heute noch in Albanien munter die Fäden zieht. Die Italiener haben durch eine Fregatte ein Flüchtlingsboot versenkt – und da habe ich keine Kerzen gesehen, da war kein Lichtermeer zu sehen. Wenn Italiener albanische Flüchtlinge in der Adria zu Tode bringen, und zwar augenscheinlich mehr als 100 Menschen durch eine einzige Bootsversenkungsaktion, dann regt sich kein Widerstand. Keiner regt sich auf! Nein, wir sind noch bereit, unter italienischem Kommando dort unten aufzutreten und uns den Volkszorn der Albaner zuzuziehen, meine Damen und Herren. – Eine verantwortungslose Politik sondergleichen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier können Sie auch nicht mit diesem sonderbaren Entsendegesetz argumentieren, das können Sie auch rechtlich nicht hinreichend begründen. Herr Dr. Unterberger von der "Presse" hat schon recht, wenn er sagt, das, was Sie hier betreiben, ist Kanonenbootpolitik. Und, Herr Präsident Fischer, ich kann mir schon vorstellen, daß Ihnen eigentlich unwohl dabei ist, heute diesem Gesetz zustimmen zu müssen. Sie vertreten ja eine völlig andere Auffassung der österreichischen Außenpolitik, auch was Peace-keeping-Aktionen anlangt.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß vielen in Ihren Reihen wohl in ihrer Haut ist, dieses Gesetz heute der ÖVP zuliebe beschließen zu müssen, nur damit man endlich in Albanien etwas tun kann. Ich weiß nicht, was der Herr Bundeskanzler a. D. Vranitzky sich wünscht, aber mit diesem Gesetz machen Sie tatsächlich nichts anderes als Kanonenbootpolitik. Das hat Frau Kollegin Pollet-Kammerlander völlig richtig festgehalten, und auch Herr Dr. Unterberger hat recht. Das ist die Kanonenbootpolitik ehemaliger Kolonialstaaten, die sich in ihren ehemaligen Kolonialländern genauso aufführen, wie sich jetzt Österreich mit den Italienern in Albanien aufführt, weil die Italiener immer noch glauben, Albanien sei eine italienische Kolonie, meine Damen und Herren – und wir wirken mit!

Das ist unverantwortlich, unverantwortlich und durch keine vernünftige und rationelle Politik zu begründen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist unverantwortlich, steuergeldverschwenderisch, und Sie alle und diese Bundesregierung werden dafür gradstehen müssen, wenn es zu den dramatischen Konsequenzen kommt, die ich im Zusammenhang mit dem Albanien-Einsatz befürchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Donaubauer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich möchte Sie bitten, daß Sie im Sinn des § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung mit der Behauptung beginnen, die Sie berichtigen wollen, und daß Sie dann Ihre Berichtigung gegenüberstellen. – Bitte. 2 Minuten Redezeit.

12.49

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Stadler hat hier sehr klangvoll und schwungvoll festgestellt, ich hätte gesagt, der Albanieneinsatz kostet 3 bis 9 Millionen Schilling. Tatsächlich habe ich hier gesagt, daß der Kostenfaktor in diesem Gesetz korrekterweise nicht vorgegeben wird, weil man den Einzelfall des Einsatzes nicht kennt. Es wäre sinnlos, einen Betrag von 3 oder 9 oder x-Millionen zu nennen. Man muß das auf den einzelnen Fall bezogen sehen. Herr Dr. Stadler, es wäre für Sie besser, nicht in Moscheen zu sitzen, sondern tatsächlich ... (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der ÖVP.)

12.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Der Schlußteil hat nicht mehr ganz dem Wesen einer tatsächlichen Berichtigung entsprochen.


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Als letzter Redner in dieser Debatte ist nunmehr Herr Abgeordneter Großruck zu Wort gemeldet. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

12.50

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland möchte ich abschließend unter zwei Aspekten betrachten. (Allgemeine Unruhe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Zum einen frage ich: Was bringt das neue Gesetz, was will es? Der zweite Aspekt ist der Anlaßfall Albanien, über den heute auch schon sehr viel debattiert wurde.

Meine Damen und Herren! § 1 besagt, daß eine solidarische Teilnahme an Friedenssicherung, an Förderung der Demokratie, an Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte Hintergrund dieses neuen Gesetzes ist, sowie humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe, Such- und Rettungsdienste, Friedenssicherungen im Rahmen der OSZE, der EU und der NATO-Partnerschaft für Frieden und wenn Staaten um Hilfeleistungen ersuchen.

Und da, Herr Stadler, verstehe ich Ihre Haltung nicht ganz. (Abg. Mag. Stadler: Das glaube ich schon!) Zur Europäischen Union konnten Sie nicht früh genug gehen, Sie wollten den Umweg über den Europäischen Wirtschaftsraum nicht machen. Vor dem Beitritt haben Sie plötzlich umgeschwenkt und haben populistisch gegen die EU argumentiert. Dasselbe wird jetzt auch im Zusammenhang mit der NATO passieren. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie monieren und fordern den raschen Beitritt zur NATO. Jetzt geht es erst einmal um einen Schritt – Partnerschaft für Frieden –, und Sie drehen sich um und kritisieren, daß wir in Verantwortung um den Frieden in Europa Aufgaben annehmen, die wir, wenn wir dabei wären, auch machen müßten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Kennen Sie den Unterschied zwischen NATO und OSZE?)

Meine Damen und Herren der Freiheitlichen Partei! Man hat in letzter Zeit sehr viele Wortmeldungen bezüglich wehrhaftes Christentum von Ihnen gehört. Genau hier könnten Sie sich beweisen, nämlich im großen Gebot der Nächstenliebe. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Lieber Bruder Ewald, lieber Herr Pater Jörg und liebe Schwester Helene! Hier können Sie beweisen, ob Sie die blaue Bruderschaft ernst meinen, ob Sie das, was Sie hier "hinausgeschmissen" haben, ernst meinen. Das gehört auch zu einem wehrhaften Christentum, Nächstenliebe kennt keine Grenzen, Herr Stadler. Aber an Ihren Taten wird man Sie erkennen, und ich hoffe, jene, die Ihnen geglaubt haben, werden Ihre Taten an dieser Diskussion messen. (Abg. Mag. Stadler: Den Einsatz in Albanien mit wehrhaftem Christentum gleichzusetzen ...!)

Schein und Sein sind zwei unterschiedliche Begriffe. Momentan sind Sie nur scheinheilig. Versuchen Sie auch heilig zu werden, dann werden Sie uns als Partner haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Allgemeine Unruhe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Wie notwendig rasche internationale Hilfe ist, haben wir am leidigen Beispiel Restjugoslawiens gesehen. Ich erinnere mich, als unser Außenminister Dr. Alois Mock bereits im Jahre 1991 vehement gefordert hat, es müßten Hilfstruppen hinuntergeschickt werden, es müßte die UNO, es müßte die Europäische Union eingreifen. Damals waren die Instrumentarien nicht vorhanden. Vier Jahre später wurde das Dayton-Abkommen geschlossen und in diesen vier Jahren, meine Damen und Herren, gab es Leid, Blut, Ermordete, Hingemetzelte, Geschändete in Restjugoslawien. Das hätte verhindert werden können, und genau darum geht es auch in diesem Gesetz, daß nämlich die Bundesregierung, wenn es notwendig ist, rasch entscheiden und humanitäre Hilfe entsenden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es kam ein Hilferuf von Albanien: Helft uns, das Chaos, das wir in unseren Geburtswehen als Staat, als Demokratie haben, zu beseitigen. – Mir ist klar, daß dieser Einsatz nicht ungefährlich ist, aber so gefährlich, wie er dargestellt wird, wird er auch nicht sein, Herr Stadler. Sie reden wahrscheinlich als Blinder von Farben, wenn Sie über Albanien reden,


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oder als Tauber von einer Symphonie Mozarts. Ich rede als einer, der bereits siebenmal in Albanien war und der weiß, wovon er spricht. (Abg. Scheibner: Wann waren Sie das letzte Mal?)

Meine Damen und Herren! Da geht es um die Wiederherstellung der Demokratie! Wenn man auch nur auszugsweise aus dem Bericht des albanischen Parlamentspräsidenten Arbnori, der 25 Jahre lang in der Hodscha-Ära im kommunistischen Gefängnis gesessen ist, der jetzt Parlamentspräsident ist, liest, was die Leute in diesem kommunistischen Verbrecherregime haben erdulden müssen, ertragen müssen (Abg. Dr. Graf: Was haben Sie dagegen unternommen?) , dann haben wir die Verpflichtung, diesem Land zu helfen – auch aus historischen Gründen, Herr Stadler!

Sie haben nur die Halbwahrheit gesagt über den italienischen Angriff. Österreich war nämlich maßgeblich daran beteiligt, daß der Staat Albanien in den Jahren 1911 und 1912 überhaupt gegründet werden konnte. Es war die k.u.k. Monarchie, die die Gründung des Staates Albanien vorangetrieben hat. (Zwischenruf des Abg. Schieder. – Abg. Mag. Stadler: Gebt’s ihm den "Schatz im Silbersee" zu lesen, das versteht er!) – Es werden die Argumente auch mit der Lautstärke nicht besser. Bruder Ewald, bezähmen Sie sich etwas in christlicher Nächstenliebe und lassen Sie mich weiterreden. (Beifall bei der ÖVP.)

Pjeter Arbnori, der Parlamentspräsident des jetzt demokratisch gewählten albanischen Parlaments, der 25 Jahre eingesessen ist, eingekerkert war, schreibt: Enver Hodscha war die physische Vernichtung der unbeugsamen albanischen Intellektuellen. Es sind nicht ein oder zwei, es sind nicht Dutzende, sondern Hunderte und Tausende an Erhängten und Erschossenen und in den Gefängnissen und in der Verbannung verstorbenen Personen. 25 Jahre eingesessen, 25 Jahre Leid und 50 Jahre Diktatur in Albanien! (Abg. Mag. Kammerlander: Aber darum geht es ja nicht mehr! – Abg. Mag. Stadler: Das hat er nicht begriffen!)

Meine Damen und Herren! Ungeachtet Ihrer politischen Ansicht, Frau Kammerlander und Frau Stoisits, wo wir, wenn wir Ihre Reden hören, sagen müssen: Es lebe der Kommunismus! – denn da lebt er wieder auf –, haben wir die Verpflichtung zu helfen. Und dieses Gesetz gibt uns die Möglichkeit, nicht nur in Albanien, sondern auch in anderen Ländern, wo Not am Mann ist, wo wir aufgerufen sind, solidarisch mitzuhelfen, einzugreifen, weil auch die gesetzlichen Maßnahmen dafür geschaffen werden. Meine Damen und Herren auch der Freiheitlichen Partei! Deshalb begrüßen wir dieses Gesetz als Österreichische Volkspartei aus unserem christlich-sozialen Verständnis heraus. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Nowotny. )

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 657 der Beilagen. Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Kammerlander und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Die Abgeordneten Scheibner und Genossen haben einen Abänderungsantrag beziehungsweise Zusatzantrag eingebracht.

Der Abgeordnete Scheibner hat weiters ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich § 1 gestellt.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen, vom Zusatzantrag beziehungsweise vom Verlangen nach getrennter Abstimmung betroffenen Teile in der Systematik des Gesetzentwurfes und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang abstimmen lassen.


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Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, stelle ich zunächst im Sinne der Verfassung und der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Mag. Kammerlander und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen worden, wobei ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit festzustellen ist.

Die Abgeordneten Mag. Kammerlander und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des § 2 Absatz 4 vorsieht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse jetzt über § 2 Absatz 4 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – § 2 Absatz 4 ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen worden, bei Gegebenheit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit.

Die Abgeordneten Scheibner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 2 Absatz 5, § 4 Absatz 2 und § 9 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr § 2 Absatz 5, § 4 Absatz 2 und § 9 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Auch hier stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Scheibner und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Anfügung eines § 11 vorsieht.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Zusatzantrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Mehrheitlich angenommen. Auch hier ist die verfassungsmäßig vorgesehene Zweidrittelmehrheit gegeben.

Wir kommen jetzt zur dritten Lesung und ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen, wobei gleichfalls die verfassungsrechtlich erforderliche Zweidrittelmehrheit gegeben ist.

Damit ist der 1. Punkt der Tagesordnung beendet.


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2. Punkt

Erste Lesung des Antrages 416/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebshilfegesetz geändert wird

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen sofort in die Debatte ein und ich erteile als erster Rednerin der Antragstellerin, Frau Abgeordneter Haller, das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

13.03

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es gibt hier im Haus Abgeordnete einer Partei, die sich den immerwährenden Einsatz für Bauern, für Familien, für bäuerliche Familien und für Bäuerinnen auf die Fahnen geheftet haben und das, wie ich meine, zu Unrecht. Seit vielen, vielen Jahren treten diese Abgeordneten mit anderen Funktionären in den Ländern, mit Bauernbundfunktionären, immer, wenn Wahlen ins Haus stehen, mit Forderungen zur Verbesserung der sozialen Situation von bäuerlichen Familien an die Öffentlichkeit, wie zum Beispiel bei den Landtagswahlen 1992, bei den Nationalratswahlen 1994 und erst kürzlich bei den Landwirtschaftskammerwahlen 1997 in Tirol. Sie fordern immer wieder soziale Verbesserungen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Da gibt es einen Dauerbrenner in diesem Bereich, und dieser Dauerbrenner ist die Wochengelderhöhung für Bäuerinnen, die immer und immer wieder angekündigt und versprochen wird. Nach den Wahlen ist es dann jedoch immer sehr ruhig, und bei Nachfrage wird dann als Entschuldigung die fehlende finanzielle Möglichkeit genannt, so wie man insgesamt, wenn man die Schlechterstellung von Bauern, Bäuerinnen und selbständigen Frauen im Hinblick auf die sozialen Leistungen beklagt, immer darauf verweist, daß aus diesem Bereich auch geringere Beitragszahlungen kommen.

Die Situation beim Wochengeld ist aber eine ganz andere. Da gibt es seit Jahren Überschüsse, die man aber anscheinend wirklich lieber zum Stopfen von Löchern in der bäuerlichen Sozialversicherungsanstalt hernimmt, als endlich die längst angekündigte und längst überfällige Erhöhung des Wochengeldes vorzunehmen.

Ich gebe Ihnen eine ganz genaue Auflistung: Im Jahr 1982 hat man mit dem Bundesgesetzblatt 152 dieses Wochengeld eingeführt. Man hat die Möglichkeit der Betriebshilfe eröffnet, und man hat dieses tägliche Wochengeld mit 250 S festgesetzt – für acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt eines Kindes.

Sehr interessant ist der Abschnitt II, wo es um die Aufbringung der Mittel geht. Da steht ganz klar und deutlich unter § 5, daß 0,05 Prozent in Form von Beiträgen von der Gewerblichen Sozialversicherung kommen sollen und 0,4 Prozent von der Bauern-Sozialversicherung. Unter Absatz 4 steht: Aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sind den Versicherungsträgern die Aufwendungen für die Leistungen zu 50 Prozent zu ersetzen. Also zur einen Hälfte ist die Aufbringung durch Beiträge, zur anderen Hälfte durch den Familienlastenausgleichfonds festgelegt.

Bis zum Jahr 1990 hat sich in diesem Bereich überhaupt nichts getan. Mit dem Bundesgesetzblatt 408 hat man dann beim Karenzurlaubserweiterungsgesetz die Teilzeitbeihilfe in diesem Bereich neu eingeführt und dort die tägliche Leistung mit 78 S fixiert. Die Finanzierung dieser Maßnahme hat man konform zur Finanzierung des Wochengeldes beschlossen: 50 Prozent Beiträge, 50 Prozent FLAF.

Die nächste gesetzliche Änderung hat es dann erst im Jahr 1994 gegeben. Da wurde diese Teilzeitbeihilfe von 78 S auf 90 S erhöht, und man hat einen automatischen Anpassungsfaktor beschlossen. Beim Wochengeld hat sich nichts geändert.


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1996, also im vergangenen Jahr, hat es die bisher letzte Änderung gegeben, und zwar im Rahmen der 20. Novelle zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz. Da wurde mit Bundesgesetzblatt vom 20. 8. 1996 rückwirkend beschlossen, daß für diese Maßnahme ab dem 1. 7. 1996 70 Prozent aus dem FLAF zu zahlen sind.

Natürlich haben wir Freiheitlichen da nicht mitgestimmt, liebe Frau Kollegin Horngacher, und ich bin froh, daß wir da nicht mitgestimmt haben. Und deine Vernaderungsversuche über die Presse, mit denen du dich zu rehabilitieren und zu erklären versuchst, warum du dies alles, was bisher passiert ist, verteidigst, werden dir einfach nichts nützen!

Wir Freiheitlichen haben bereits im Jahr 1992 einen Antrag auf Erhöhung des Wochengeldes eingebracht. Warum? – Weil wir schon damals gewußt haben, daß es Überschüsse bei der Finanzierung gibt, und deshalb wollten wir schon damals, daß dieses tägliche Geld von 250 auf 335 S erhöht wird.

Zur Untermauerung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, kann ich euch die offiziellen Gebarungsergebnisse aus diesem Bereich des Betriebshilfegesetzes für das Jahr 1995 mitteilen.

Die Leistungen der gesamten Aktion im Bereich Wochengeld haben im Jahr 1995 70,3 Millionen Schilling ausgemacht. Die Beiträge für den Bereich Wochengeld/Teilzeitbeihilfe betrugen insgesamt 294 Millionen Schilling, und zum Schluß hat es einen Plussaldo gegeben, einen Überschuß von 61 Millionen Schilling.

Das war der Grund, warum wir wieder aktiv geworden sind und wieder einen Antrag eingebracht haben. Es ist doch nicht zu entschuldigen, daß man, obwohl man in diesem Bereich Überschüsse erzielt, weder die Beiträge reduziert noch die Leistungen erhöht, sondern das Geld einfach für etwas anderes verwendet, daß man den Bäuerinnen nach wie vor Sand in die Augen streut und sagt, das Geld für diese Maßnahme sei einfach nicht da.

Im Jahr 1996 hat man jetzt mit 1. 7. diese Änderung der Finanzierung eingeführt, daß noch mehr Geld in diesen Fonds kommt, und zwar aus dem FLAF. Da muß ich sagen, daß das wirklich nicht rechtens ist, daß sich die ÖVP zu diesen Maßnahmen hergibt, daß man, wenn ohnehin schon Überschüsse da sind, den FLAF dann noch zusätzlich belastet. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Deswegen haben wir auch nicht zugestimmt, liebe Kollegin Horngacher!

Ich habe mit Datum von gestern laut Auskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger folgende Daten bekommen: Das Wochengeld hat in bezug auf die Leistungen im Jahr 1996 78 Millionen Schilling ausgemacht. Einen Überschuß wird es in dem Bereich in Höhe von 90 Millionen Schilling geben. Also der Überschuß in diesem Bereich übersteigt bereits die Leistungen, die gezahlt werden. Aber dann geht man noch her und entschuldigt dieses Untätigsein in diesem Bereich damit, daß kein Geld für diese Aktion da ist. Ich finde das einfach unverantwortlich, und ich kann dich, liebe Kathi, nur damit entschuldigen, daß du diese Fakten vielleicht nicht gekannt hast (Abg. Horngacher: Oja!), denn sonst hättest du nicht mitgeholfen, deine Bäuerinnen, die Tiroler Bäuerinnen, hinters Licht zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Du brauchst nicht den Kopf zu schütteln! Man kann doch nicht sagen, es sei kein Geld dafür da, während tatsächlich höhere Überschüsse vorhanden sind, als die gesamte Leistung ausmacht. Das geht doch wirklich nicht, das ist nicht seriös! Das ist eine Politik, der wir Freiheitlichen nicht das Wort reden wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da heute von Scheinheiligkeit gesprochen wurde, muß ich sagen, ich kann das nur doppelt und dreifach in Richtung ÖVP zurückgeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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13.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.12

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns in erster Lesung mit dem Antrag, der soeben von meiner Vorrednerin zitiert wurde, betreffend Betriebshilfegesetz, wobei ich grundsätzlich für meine Fraktion sagen möchte, daß die bäuerliche Betriebshilfe eine überaus positiv zu bewertende Maßnahme darstellt. Zielsetzung dieses Gesetzes ist es, die Bäuerinnen in der Zeit vor und nach der Geburt, also in der Regel 16 Wochen, mit Hilfe einer Arbeitskraft von der Betriebsarbeit zu entlasten.

Diese familienpolitische Leistung wurde ursprünglich zu je 50 Prozent aus der bäuerlichen Betriebshilfeversicherung und aus dem Familienlastenausgleichsfonds finanziert. (Abg. Aumayr: Das hat eh alles die Frau Haller schon genau gesagt!) Es wurde schon angeschnitten, daß seit Juli vorigen Jahres der Familienlastenausgleichsfonds bereits 70 Prozent der Aufwendungen für die Betriebshilfe leistet.

Aufgrund der sehr angespannten budgetären Situation des Familienlastenausgleichsfonds werden daher in nächster Zeit – ich glaube, das sollte man hier ganz offen sagen – nur sehr schwer Anpassungen im Sinne des gestellten Antrages möglich sein. Die allseits anerkannte Notwendigkeit, den Bundeshaushalt zu konsolidieren, macht es erforderlich, zumindest derzeit von Leistungserweiterungen beziehungsweise Leistungsanpassungen grundsätzlich Abstand zu nehmen. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. )

Eine Anpassung der bäuerlichen Betriebshilfe würde in Analogie zur bisherigen Indexentwicklung einen jährlichen Mehraufwand von rund 38 Millionen Schilling verursachen, von dem wiederum, wie schon erwähnt, 70 Prozent, nämlich 26 Millionen Schilling, vom Familienlastenausgleichfonds zu tragen wären.

Es darf aber in dieser Diskussion – ich möchte das besonders betonen – nicht verschwiegen werden, daß im Bereich der bäuerlichen Sozialpolitik einige große sozialpolitische Vorhaben, die nur unter Beteiligung des Bundes möglich waren, in den letzten Jahren umgesetzt werden konnten und eingeführt wurden. Beispielhaft sei hier die Einführung der Bäuerinnenpension (Abg. Aumayr: Ganz was Tolles!) und die Senkung des Selbstbehaltes bei der Anstaltspflege erwähnt. Sie wissen, dieser Beschluß, durch den der Selbstbehalt von 20 auf 10 Prozent gesenkt worden ist, wurde vor gar nicht so langer Zeit gefaßt.

Ich möchte nicht im Detail darauf eingehen, aber in dieser Debatte soll nicht unausgesprochen bleiben, daß die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft nach wie vor um rund 12 Prozent höher sind als vor dem EU-Beitritt. Sie selbst kennen alle diese Zahlen. Nach einem guten Jahr 1994 stiegen die Agrareinkommen je Familienarbeitskraft im Jahr 1995 um 22 Prozent auf über 175 871 S. (Abg. Aumayr: Um 10 Prozent gesunken 1996! Um 10 Prozent gesunken, Herr Kollege Dietachmayr, 1996! Um 10 Prozent gesunken!)

Sie sollten genau zuhören, Frau Kollegin Aumayr! Ich habe gesagt, nach einem guten Jahr 1994 sind die Agrareinkommen im Jahr 1995 um 22 Prozent gestiegen. Zeigen Sie mir eine andere Berufsgruppe, bei der solche Steigerungen möglich waren! Bleiben wir bei der Wahrheit, Frau Kollegin! (Abg. Aumayr: Nein! Das stimmt nicht!)

Zugleich ist der Bauernstand – ich möchte Sie ja nicht zu sehr reizen, aber der Ordnung halber soll das auch einmal gesagt werden – die am höchsten geförderte Berufsgruppe in Österreich mit rund 250 000 Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben in der Landwirtschaft. Es werden heuer über 20 Milliarden Schilling an staatlicher Hilfe ausgeschüttet. Vergleichen Sie doch einmal: Insgesamt werden im gesamten Bundeshaushalt – für Sie nachzulesen (Abg. Aumayr: Herr Kollege Dietachmayr! Das müssen Sie der ÖVP sagen, nicht mir!) 30,7 Milliarden Schilling ausgeschüttet, davon entfallen knapp drei Viertel, nämlich über 22,4 Milliarden Schilling, auf die Landwirtschaft.

Ich bin grundsätzlich für die Förderung, aber man soll auch die anderen Zahlen dabei nicht vergessen. Im Vergleich dazu sind für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Budget nur 5,2 Milliarden oder für Förderungsmaßnahmen für Industrie und Gewerbe lediglich 3,2 Milliarden Schilling vorgesehen.


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Abschließend möchte ich festhalten, daß diese Diskussion über eine Erhöhung der Betriebshilfe im zuständigen Ausschuß doch unter dem Gesichtspunkt der Gesamtsituation in der Landwirtschaft gesehen werden muß und auch so geführt werden soll. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Abg. Meisinger: 10 Minuten Wahrheit!)

13.17

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1982. Wir von der Bäuerinnenorganisation haben uns damals vehement für die Einführung dieses Wochengeldes eingesetzt, weil es für uns wichtig war. Für den Bauernstand ist es notwendig, daß die jungen Frauen, wenn sie sich für ein Leben in der Landwirtschaft entscheiden, in ihrer sozialen Absicherung nicht wesentlich schlechtergestellt werden. So war es damals eine gute und eine notwendige Maßnahme.

Junge Mädchen sind heute in den verschiedensten Berufen tätig. Sie sind es gewohnt, Urlaub zu haben, eigenes Geld zu haben, Freizeit zu haben. Wenn sie einen Bauern heiraten, werden sie 365 Tage im Jahr das Vieh versorgen müssen. Nach der letzten Umfrage haben 52 Prozent der Bäuerinnen noch nie Urlaub machen können. Viele Bäuerinnen mußten oft schon wenige Tage nach der Geburt eines Kindes im Betrieb mitarbeiten, und wir haben uns sehr bemüht und haben ein Netz von Betriebshelferinnen aufgebaut, die in dieser Zeit helfen. Für den Gesundheitszustand unserer Bäuerinnen ist es unbedingt notwendig, daß sie acht Wochen vor und nach der Geburt von schwerer Arbeit entlastet werden.

Mit diesem Betrag in der Höhe von 250 S pro Tag konnte man wenigstens teilweise eine Hilfskraft bezahlen. 250 S pro Tag waren 1982 noch mehr Geld als heute. (Abg. Aumayr: Geh!) Seit damals wurde von unserer Arbeitsgemeinschaft und der ÖVP immer wieder darauf hingewiesen und darauf gedrängt, diesen Betrag zu erhöhen und zu valorisieren.

Im letzten Jahr habe ich eine schriftliche Anfrage an den Familienminister Bartenstein und den damaligen Finanzminister Dr. Klima gerichtet. Die Antworten fielen unterschiedlich aus. Dankenswerterweise hat Familienminister Bartenstein diese Forderung als absolut gerechtfertigt erkannt, und er stellt fest, daß die Indexsteigerung bis heute einen Betrag von 375 S ergäbe und dieses Problem nach finanziellen Möglichkeiten sobald wie möglich zu lösen ist.

Nun liegt der Ball beim Finanzminister, der das Geld dafür freigeben muß. Dieser hat in seiner Anfragebeantwortung jedoch ausdrücklich festgehalten, daß keine diesbezüglichen Prioritäten zu setzen sind. Daß man nach nunmehr 15 Jahren von seiten der SPÖ keine diesbezügliche Priorität sieht, ist nicht einzusehen. Nennen Sie mir eine Maßnahme im Arbeitnehmerbereich oder im Bereich der sozialen Absicherung, die seit 15 Jahren nicht erhöht wurde!

Darüber hinaus frage ich mich, wie man weitreichende Reformen zur Besserstellung der Frau erreichen will, wenn man nicht einmal bereit ist, den Frauen in der Landwirtschaft während der 16 Wochen vor und nach der Geburt des Kindes grundlegende Hilfestellung zu geben. All dies gilt natürlich auch für die selbständig erwerbstätige Frau.

Daß nun Frau Abgeordnete Haller diese Forderung aufgegriffen hat, hängt sicherlich auch damit zusammen, daß wir Landwirtschaftskammerwahlen gehabt haben. (Abg. Haller: 1992 haben wir den Antrag bereits eingebracht! Das ist jetzt das vierte Mal, daß wir ihn einbringen!) Es ist auch sehr lobenswert. Es wäre jedoch nicht notwendig gewesen, mir vorzuwerfen, ich wäre untätig gewesen, und meine Versprechen seien Schall und Rauch. Ich habe nirgends versprochen, daß das Wochengeld jetzt erhöht wird. Ich habe nur versprochen, mich dafür einzusetzen. Und ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, und wir werden es einmal bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Haller! Sie haben von den Überschüssen gesprochen. Das stimmt natürlich. Aber die Situation der Sozialversicherungsanstalt der Bauern muß man auch gesamthaft sehen. Uns war


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es sehr wichtig, daß wir für den Spitalsaufenthalt jetzt nur noch 10 Prozent Selbstbehalt zahlen müssen. Die Finanzierung der Versicherung ist sehr schwierig, denn auf 100 aktive Einzahler kommen bereits 160 Pensionisten, und gesamthaft gesehen sind wir dort in großen Schwierigkeiten. (Abg. Dr. Khol: Die haben keine Ahnung!)

Daß diese Erhöhung und Valorisierung bis jetzt noch nicht erreicht werden konnte, hängt einerseits mit dem allgemeinen Sparkurs der Regierung zusammen, der sich insgesamt gesehen in Österreich aber als richtig, verantwortungsbewußt und zukunftsweisend erwiesen hat, und andererseits auch damit, daß es seitens der SPÖ wenig Verständnis für diese Anliegen der Bäuerinnen gibt. Mein Vorredner hat es mir nicht ganz leicht gemacht. Denn ich muß auch darauf hinweisen, daß wir heuer 10 Prozent weniger Einnahmen haben und daß wir damit noch immer ein Drittel unter dem Lohn eines Facharbeiters liegen.

Die Freiheitlichen haben als Oppositionspartei keine Sparmaßnahmen mitgetragen. Das ist leider Realität. Verantwortungsbewußt ist es nicht, und den Bäuerinnen hat es auch nichts gebracht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haller: Das Geld wird beim Fenster hinausgeschmissen!)

In der Frage des Wochengeldes ersuche ich nun wiederum Minister Bartenstein, sich für diese Maßnahmen einzusetzen, und appelliere an den Finanzminister Edlinger, endlich die Mittel für diese längst fällige Anpassung zur Verfügung zu stellen.

Ich hoffe aber ganz besonders, daß sich Frauenministerin Mag. Prammer, die das Frauenvolksbegehren unterstützt hat, vielleicht auch einmal um die Rechte der Frauen im ländlichen Raum annimmt und hiefür gezielt Unterstützung gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Volksbegehren zu unterstützen, ist das eine, aber praktisch eine Ungerechtigkeit Frauen gegenüber zu beseitigen, ist das andere. Ich erwarte mir aber von einer Frauenministerin, daß sie für alle Frauen gleichermaßen da ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Bild des Bauern in Österreich ist etwas ganz Eigenartiges. Erstens versteht jeder etwas von der Landwirtschaft. Zweitens merke ich bei vielen Diskussionen: Je weiter jemand vom Bauernstand entfernt ist, desto mehr verschiebt sich das Bild. Städter sehen den Bauern oft noch wie in dem Lied: "Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt" – idyllisch und wirklichkeitsfern. (Zwischenrufe der Abg. Meisinger und Aumayr. )

Die Bäuerin soll bescheiden und äußerst leidensfähig sein. Einerseits möchte man eine heile Welt konservieren, aber andererseits soll die Produktion bei ausgezeichneter Qualität alle billigst und ausreichend ernähren. – Die Wirklichkeit unserer Bauernfamilien ist die, daß von den jungen Bäuerinnen schon fast 20 Prozent aus nichtbäuerlichen Familien kommen. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß die Bauernfamilien ähnliche Rahmenbedingungen wie alle anderen Familien haben, nämlich ein Einkommen, das ihnen den gerechten Lohn für die Arbeit, die sie leisten, sichert, aber auch mehr Urlaub und Freizeit müssen in Zukunft möglich sein.

Die Erhöhung und Valorisierung des Wochengeldes ist notwendig und als eine gesundheitspolitische Maßnahme zu verstehen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sind Frauen gerne Bäuerinnen, und dies ist der beste Garant für den Fortbestand unserer bäuerlichen Familienbetriebe. (Beifall bei der ÖVP.) Alle, die dazu beitragen wollen, sind dazu eingeladen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte, Frau Abgeordnete. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt.

13.26

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Dietachmayr! Ihre Argumentation in bezug auf die Bäuerinnen deckt sich in ihrer Unehrlichkeit mit der gesamten Sozialpolitik für die Frauen, wie sie die SPÖ betreibt. Es ist ein Faktum, daß diese beiden Regierungsparteien und vor allem die SPÖ in der letzten Zeit massive


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Schlechterstellungen für die Frauen insgesamt in Österreich beschlossen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben das Karenzgeld gekürzt, Sie haben die Karenzzeit von zwei Jahren auf eineinhalb Jahre gekürzt, Sie haben die Liberalisierung der Ladenschlußzeiten beschlossen – wohl wissend, daß 80 Prozent der Handelsangestellten Frauen sind! Sie haben die Sonntagsarbeit freigegeben, und jetzt gehen Sie, Herr Kollege Dietachmayr, und auch Ihre Partei her und distanzieren sich von all diesen Dingen! (Rufe bei der SPÖ: Pst! Pst!)

Ich habe hier eine Zeitung, nämlich die "Oberösterreichischen Nachrichten", mit einem Inserat der SPÖ Oberösterreich. Da sagt Herr Hochmair: "Nur eine starke SPÖ verhindert, daß die Familien durch diese ÖVP- und FPÖ-Politik noch mehr belastet und verunsichert werden", und die SPÖ sei gegen die Erweiterung der Ladenschlußzeiten auf Kosten der Familien und Nahversorger. Sie sagen nein zur Sonntagsarbeit. – So inserieren Sie in Oberösterreich, aber hier beschließen Sie diese Schlechterstellungen. Das ist wirklich ein Skandal! Das ist unehrlich! Unehrlicher kann man nicht mehr agieren! (Abg. Dr. Haselsteiner: Schreien Sie nicht so!)

Herr Kollege Dietachmayr! Daß Ihnen die Angelegenheiten der Bäuerinnen oder der Selbständigen absolut unwichtig sind, haben Sie die ganze Zeit bewiesen. Das werfe ich Ihnen aber nicht einmal vor, denn die Vertretung der Bäuerinnen und Selbständigen hat sich die ÖVP auf ihre Fahnen geheftet. Aber Sie haben kläglich versagt, Frau Kollegin Horngacher, denn eines muß ich Ihnen schon sagen: Wenn Sie sagen, Sie sind dafür, und Sie kreiden an, daß der Betrag seit der Einführung des Wochengeldes, also seit 15 Jahren, gleichgeblieben ist, dann muß ich Sie fragen, Frau Kollegin Horngacher: Wer sitzt denn seit 15 Jahren in dieser Bundesregierung? Wer sitzt denn da? Sitzen da ÖVP-Abgeordnete oder nicht? – Frau Kollegin Horngacher! Wenn Sie es tatsächlich ehrlich meinten, dann hätten Sie in den letzten sechs Jahren schon sechsmal die Möglichkeit gehabt, diese Schlechterstellung zu beseitigen! (Abg. Tichy-Schreder: Frau Kollegin Aumayr! Nehmen Sie das Wort "ehrlich" nicht so oft in den Mund! – Zwischenruf der Abg. Horngacher. ) – Ja, Sie sind erst zwei Jahre da, aber Ihre Kollegen sind länger da. – Sie hätten also bereits sechsmal die Möglichkeit gehabt, diese Schlechterstellung der Bäuerinnen in bezug auf das Wochengeld aus der Welt zu schaffen.

1992 gab es eine Resolution der Vollversammlung der oberösterreichischen Landwirtschaftskammer, unterschrieben von Präsident Kletzmayr. In dieser Resolution wird die Erhöhung des Wochengeldes für Bäuerinnen gefordert. Wir brachten in der Folge einen entsprechenden Antrag ein, aber alle ÖVP-Abgeordneten, auch die Bauernbundabgeordneten, lehnten diesen Antrag ab. Bei der nächsten Kammerwahl schreiben Sie zwar wieder auf Ihre Fahnen: Wir fordern die Erhöhung des Wochengeldes!, aber einen Monat später, Frau Kollegin Horngacher, lehnen Sie es hier wieder ab. Auch Sie, Frau Kollegin Horngacher, haben diesen Antrag bereits abgelehnt. Frau Kollegin Horngacher! Vor einem Monat haben Sie diesen Antrag abgelehnt, und das, obwohl – meine Kollegin Edith Haller hat es bereits aufgezeigt – ein Überschuß von 90 Millionen Schilling vorhanden ist! Das heißt, Sie bräuchten nur einen Teil dieser 90 Millionen Schilling zu nehmen und für die Erhöhung des Wochengeldes zu verwenden, und diese echte Ungerechtigkeit wäre endlich aus der Welt geschafft.

Aber mich wundert es ja nicht, die ÖVP agiert in dieser Richtung immer gleich: Vor den Wahlen wird gefordert, aber bei den Anträgen im Nationalrat und im Landtag stimmen Sie dagegen. Das machen Sie die ganze Zeit so, vor kurzem auch wieder in Oberösterreich: Landesrat Hiesl forderte die Bundesregierung auf, endlich etwas für die Familien zu tun. Er forderte 8 000 S Freibetrag pro Familienmitglied und 6 000 S pro Monat Erziehungsgeld für Kinder – eine gescheite Forderung.

Wir Freiheitlichen brachten einen entsprechenden Antrag ein, aber alle ÖVP-Abgeordneten, auch alle oberösterreichischen Abgeordneten, stimmten dagegen. Sie glauben, die Leute bekommen das nicht mit! Sie glauben, Sie können die Leute ständig täuschen! Dabei hätten Sie schon längst draufkommen müssen, daß die Leute Ihnen nicht mehr glauben, was Sie ihnen die ganze Zeit vorbeten, weil Sie es an Ihren Wahlergebnissen sehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.31


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.31

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die erste Lesung des vorliegenden Antrages ist tatsächlich eine präzise Möglichkeit, darzustellen, daß sich doppelte Moral in der Politik nicht bezahlt macht. Und ich muß zugeben, daß es hier jetzt eher unangenehm war, die verzweifelten Bemühungen der Kollegin von der ÖVP zu beobachten, wie sie in einer Sache argumentiert, für die sie eintritt, und wie sie versucht hat, zu beweisen, warum das nicht geht, daß es an irgendwelchen finanziellen Erfordernissen gescheitert ist. Das sind wohl Gründe, das verstehe ich schon, aber wozu haben Sie dann eine Koalitionsregierung? Wozu haben Sie sie dann?

Alle Mitglieder des Hohen Hauses wissen, daß die ÖVP nicht die Alleinregierung stellt. Also wir werfen Ihnen nicht vor, daß Sie als ÖVP Ihre Möglichkeiten nicht durchsetzen können. Aber wenn Sie sich hier dann auf den Bundesminister Bartenstein berufen, der eine sehr positive Antwort gegeben hat, und den seinerzeitigen Finanzminister Klima zitieren, der hier eine hinhaltende Antwort gegeben hat, dann muß ich Ihnen sagen, daß wir das auch gelesen oder gehört haben. Das ist ja vielleicht das Problem! Deswegen meine ich, daß das zwar eine erzählerisch richtige Ausführung gewesen ist, aber politisch auf den Punkt haben Sie es nicht gebracht. Es wäre interessant gewesen, hier zu hören, warum es in dieser Frage keinen Kompromiß gibt, der das in Bewegung setzt. Es muß ja nicht unbedingt ein Sprung von 250 S auf 400 S sein, aber es wäre schon interessant, wenn hier überhaupt einmal Dynamik aufkäme.

Diese Regelung ist vernünftig, sie hat Aspekte, die sich insbesondere auch teilweise in Naturalleistungen abbilden. Ich will das jetzt nicht ausführen, Sie kennen das Gesetz. Man muß sich ja auch Sorgen um die Gesundheit der Bäuerinnen machen, denn sie leisten zu Lasten ihrer Gesundheit in Wirklichkeit bis unmittelbar knapp vor der Entbindung die volle Arbeit. Das steht ja dahinter, daß hier die Gesundheit von Menschen ruiniert wird, weil da auch gesellschaftspolitisch in den inneren Strukturen einiges schiefliegt. Man könnte auch sagen: weil eben in den bäuerlichen Familien, wenn es um Gesundheitsfragen geht, teilweise keineswegs ein respektvoller Umgang miteinander angesagt ist. Und da ist allemal eine vernünftige sozialpolitische Lösung ein guter Schutz gegen diesen Leistungsdruck, der da heißt: Du mußt eben arbeiten bis zur letzten Minute, und bevor du keine Preßwehen hast, hast du gefälligst im Stall zu stehen. – Das steht ja da dahinter.

Daher, so meine ich, ist es nur als Desinteresse erklärbar, daß da überhaupt nichts geschieht. Es hätte nicht unbedingt ein Sprung von 250 S auf 400 S sein müssen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß es dann, wenn man ordentlich verhandelt hätte, unmöglich gewesen wäre, der Sozialdemokratie in der Koalitionsregierung klarzumachen, daß zumindest irgend etwas geschehen muß. Dann wären wir von der Opposition vielleicht nicht zufrieden gewesen damit, aber wir hätten zugeben müssen, daß Sie dem Grunde nach erkannt haben, daß man so etwas nicht einfach 15 Jahre lang liegenlassen kann.

Sie regieren allerdings erst seit 10 Jahren in der Koalition, daher lasse ich die ÖVP für die ersten fünf Jahre gerne aus der Verantwortung, aber seit 10 Jahren (Ruf bei den Freiheitlichen: 11!) – 11, danke! –, seit 11 Jahren haben Sie hier nichts bewegt, nehmen aber für sich in Anspruch, bäuerliche Interessen zu vertreten. Das ist ein Widerspruch in sich, denn das Problem ist für die Betroffenen zwar bedeutend, aber die gesamten Kosten für die Lösung desselben sind nicht sehr hoch. Sie wissen ja, es gibt nicht mehr sehr viele Menschen in diesem Berufsstand, die Zahl ist abnehmend, und jedes Jahr kommt auch nicht auf jedem Hof ein Kind zur Welt. Daher ist das ein Beweis für mangelnden guten Willen einerseits und für mangelnde Konsensfähigkeit in der Bundesregierung andererseits. In diesem Fall freue ich mich auf die Auseinandersetzungen im Ausschuß. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.


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Ich weise den Antrag 416/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

3. Punkt

Erste Lesung des Antrages 420/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung und gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.36

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! (Abg. Dr. Pumberger: Was heißt das?) Dobar dan, gospodin Präsident! Dobar dan, Dr. Khol! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Haselsteiner: Und was ist mit mir?) Dobar dan, Dr. Haselsteiner! (Abg. Dr. Karlsson: Hvala ljepa! – Heiterkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Gelegenheit der ersten Lesung eines Initiativantrags der Grünen nützen, um nicht allzulang – wirklich nur ganz kurz, aber doch – die wesentlichsten aktuellen volksgruppenpolitischen Fragen hier kurz anzureißen.

Als erstes eine kurze Erläuterung unseres kurzen, aber sehr tiefsinnigen und inhaltsreichen Antrages. Das, was wir anstreben, ist vor allem im Lichte der volksgruppen- und minderheitenpolitischen Diskussionen in den letzten Jahren – ausgelöst vor allem durch die für die österreichischen Minderheiten so tragischen Ereignisse, durch den Briefbombenterror und durch den Mordanschlag in Oberwart, der ja vier Todesopfer gefordert hat – zu sehen. Nach diesen tragischen Ereignissen ist es in Österreich allerorts zu großen Sympathiekundgebungen gekommen, aber auch zu einem weit größeren Interesse an minderheitenpolitischen Fragen, als es das vorher je gegeben hat.

Ich selbst habe in den letzten Jahren so viele Anfragen, die sich auf meine Rolle als Minderheitensprecherin der Grünen bezogen haben, bekommen wie nie zuvor. Das ist für mich sehr, sehr erfreulich, weil das Interesse an Volksgruppen in Österreich gestiegen ist und weil sich jetzt wahrscheinlich – ich nehme an – auch bis ganz in den Westen Österreichs herumgesprochen hat, daß das Burgenland eine Region ist, in der Menschen leben, die vier unterschiedliche Sprachen sprechen, also vier Muttersprachen haben, weil es jetzt das Bewußtsein, daß es in Österreich die Volksgruppe der Roma und Sinti gibt, die auch schon vor diesen schrecklichen Ereignissen als Volksgruppe anerkannt waren, in ganz Österreich gibt.

Was es aber explizit nicht gibt, ist ein Bekenntnis der Republik zur sprachlichen Vielfalt in diesem Land. Daher ist in allen Parteien und vor allem auch in den Volksgruppenbeiräten der sechs anerkannten Volksgruppen eine Diskussion darüber entstanden – die Grünen waren daran nicht ganz unbeteiligt –, wie man dieses Bekenntnis der Republik zur Förderung, Bewahrung und Achtung dieser sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Österreich auch auf gesetzlicher Ebene verankern könnte. So ist dieser Initiativantrag entstanden, der eine Änderung des Artikels 8 der österreichischen Bundesverfassung vorsieht und ein eindeutiges Signal gibt.

Warum gerade der Artikel 8? – Das ist einfach erklärt. Der Artikel 8 deshalb, weil der Artikel 8 die Staatssprache der Republik regelt, und die Staatssprache der Republik ist Deutsch, so wie auch die Sprache des Nationalrates Deutsch ist. Andere Sprachen dürfen hier nur verwendet werden, wenn man zitiert. (Abg. Ing. Tychtl: Außer bei der Begrüßung!) Außer bei der Begrüßung, das ist sozusagen ein Gewohnheitsrecht inzwischen geworden. Ich bin dem Herrn Präsidenten auch sehr dankbar dafür, daß das geht. Auch alle anderen können das tun.

Diese Änderung des Artikels 8, die von uns vorgeschlagen wird, zielt darauf ab, daß die Position, in der die Volksgruppen und die Minderheiten in Österreich bis jetzt waren und noch immer sind, nämlich in der Position der Bittsteller, in der Position derer, die immer zu Gericht


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laufen müssen, um Rechte durchzusetzen, die immer um Rechte kämpfen müssen, um sie auch gewährt zu bekommen, daß diese Position also erleichtert wird, indem die Republik Österreich dieses Bekenntnis ablegt und es in der Verfassung festschreibt. Das ist die Idee, die hinter diesem Antrag steht.

Wir haben damit nicht etwas ganz Neues ersonnen: Die Schweiz ist uns schon im letzten Jahr diesbezüglich beispielgebend vorangegangen. Die Bevölkerung der Schweiz hat sich letztes Jahr in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit für eine ähnliche Staatszielbestimmung, wie sie dieser Antrag enthält – eine Staatszielbestimmung zum Minderheitenschutz –, ausgesprochen. Die Regierung und die Parlamente in den Kantonen haben diese Abstimmungsvorlage, die der Volksabstimmung zugrunde gelegen ist, damals so begründet – das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, damit Sie nicht das Gefühl haben, daß da jetzt etwas passiert, was ein generöser Akt der Republik gegenüber Minderheiten und Volksgruppen ist –:

"Seit jeher hat sich unser Bundesstaat als friedlicher und solidarischer Zusammenschluß von vier Sprachgemeinschaften verstanden. Mit Recht ist die Schweiz stolz darauf, daß sie ihre sprachliche und kulturelle Vielfalt zu bewahren vermochte. Es gehört zu den Aufgaben des Bundes, die Viersprachigkeit der Schweiz zu erhalten und die gegenseitige Verständigung unter den Sprachgemeinschaften zu fördern. Bund und Kantone werden ausdrücklich verpflichtet, die Verständigung und den Austausch zwischen den vier Sprachgemeinschaften zu fördern." – Das ist nur ein kleiner Teil der Begründung der Abstimmungsvorlage.

In Anlehnung an dieses Schweizer Modell ist es die übereinstimmende Forderung aller Volksgruppen – erst letzte Woche hat es die erste gemeinsame Sitzung aller Beiräte gegeben, und da wurde das einhellig gutgeheißen –, daß eine Staatszielbestimmung dieser Art in die österreichische Verfassung aufgenommen werden sollte. Und sie an einer so prominenten Stelle der Bundesverfassung zu plazieren, hat natürlich für die österreichischen Minderheiten eine besondere Bedeutung, weil es so etwas wie eine Wertschätzung unserer Existenz darstellt. – Das ist der Inhalt dieses Antrages.

Aber mit diesem Antrag – sollte er die Zustimmung des Nationalrates bekommen – ist nur der Beginn dieser minderheitenpolitischen und damit auch der gesetzgeberischen Handlungen im Volksgruppenbereich gesetzt. Dringend erforderlich ist die Umsetzung der europäischen Minderheitenrechtsnormen, die Ratifizierung der beiden Konventionen, nämlich der europäischen Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten. Darin sind ganz einschlägige Volksgruppenrechte im Bereich Schule, im Bereich Medien, im Bereich Topographie und im Bereich der kulturellen Förderung festgeschrieben. Wir haben bereits im Jänner 1996 die Bundesregierung einstimmig aufgefordert, diese beiden internationalen Dokumente zu ratifizieren. Es ist bis jetzt noch nicht passiert, vielleicht ist der heutige Tag ein Anlaß dafür, daß das Ganze einen Schub bekommt.

Der dritte Bereich – und das ist eigentlich der schwierigste, weil er nämlich der konkreteste für die Volksgruppen ist – ist die Neukodifizierung des Volksgruppengesetzes entsprechend – und das möchte ich ausdrücklich hinzufügen – den Wünschen und Bedürfnissen der Volksgruppen. Und da gibt es eine große Aufgabe, die wir zu bewältigen hätten, denn das Jahr 1976, aus dem das Volksgruppengesetz stammt, ist volksgruppen-, minderheitenpolitisch, auch auf europäischer Ebene, einfach überwunden. Und heute stellt sich uns das Gesetz aus 1976 eigentlich, wenn man es sehr kritisch sieht, als – wie ich es schon einmal bezeichnet habe – das in Paragraphen gegossene gestörte Verhältnis der Republik zu seinen Volksgruppen dar.

Damals haben das politische Umfeld, die Diskussionen und der Ortstafelsturm in Kärnten zu diesem Gesetz geführt, heute – 21 Jahre später – ist eine Adaptierung dringend notwendig. Dabei geht es – das möchte ich jetzt nur stichwortartig zuletzt noch auflisten – in erster Linie um den einhelligen Wunsch der Volksgruppen nach einer rechtlichen Gleichstellung aller anerkannten Volksgruppen auf dem Niveau des Artikels 7 des Staatsvertrages von Wien. Derzeit sind ja, wie Sie wissen, nur Kroaten und Slowenen darin genannt und genießen diesen Schutz. Dann geht es weiters um die Forderung nach Schaffung beziehungsweise Förderung eines zweisprachigen Bildungssystems in den mehrsprachigen Regionen Österreichs – also dort, wo


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Volksgruppen leben – vom Kindergarten bis zur Matura. Dabei ist auch die Forderung nach der Ausbildung des Erziehungspersonals ganz wesentlich, denn einen zweisprachigen Unterricht ohne zweisprachige Lehrer kann es nicht geben; zweisprachige Kindergärten ohne zweisprachige Kindergärtnerinnen natürlich auch nicht.

Der dritte Punkt ist die Neuordnung der Volksgruppenbeiräte. Hier gab es schon einmal eine Initiative von Dr. Khol und Dr. Kostelka, und zwar im Jahre 1995. Bis heute ist sie auf der Gesetzesebene nicht weiterentwickelt. Darin sind Dinge enthalten – das habe ich auch schon mehrfach gesagt –, die meine und die Zustimmung der Grünen insgesamt absolut finden. Es ist aber nur ein Punkt in dieser Initiative enthalten gewesen; die anderen Teile, die für eine Novellierung des Volksgruppengesetzes unabdingbar notwendig sind, fehlen.

Der vierte Punkt ist der Ausbau beziehungsweise in manchen Bereichen erst die Schaffung eines zweisprachigen oder mehrsprachigen Medienangebotes, sowohl im audiovisuellen Bereich als auch im Printbereich. Da geht es um die Unterstützung privater Medien auf der einen Seite und natürlich – und das ist ganz wesentlich, und daran werden die Minderheiten immer festhalten – auch um den Ausbau des öffentlich-rechtlichen Angebotes. Es ist für mich im Zuge der Diskussion um die Privatisierung im Radio- und Fernsehbereich wesentlich, festzustellen, daß man die privaten Betreiber hier nicht aus der Pflicht nehmen kann. Denn festzuschreiben, daß der ORF im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrages zweisprachiges Fernsehprogramm zu machen hat – das ist noch nirgends festgeschrieben, das ist sozusagen eine freiwillige Leistung des ORF –, den ORF dazu zu verpflichten, zweisprachiges Minderheiten- und damit nicht quotenträchtiges Programm zu senden, den privaten Radio- und in Zukunft vielleicht auch Fernsehbetreibern diese Auflage aber nicht zu geben, ist eine absolute Wettbewerbsverzerrung.

Ich bedauere es, daß es nicht gelungen ist, in das Regionalradiogesetz eine Bestimmung aufzunehmen, die auch private Radiobetreiber verpflichtet, die sprachliche Vielfalt in den Regionen, in denen sie Radio betreiben, zu unterstützen, indem sie auch anderssprachiges – slowenisches, kroatisches, ungarisches – Programm anbieten.

Der fünfte Punkt ist die Umsetzung der Zweisprachigkeit im Bereich der Verwaltung und Topographie – Stichwort: 25-Prozent-Klausel. Wir haben uns massiv gewehrt, als es in der Slowakei Prozentklauseln für die ungarische Minderheit gegeben hat. Und Sie wissen, das slowakische System ist jenseits aller europäischen Minderheitenschutzvorstellungen. Wir Österreicher haben damals massiv Protest eingelegt, aber im eigenen Land haben wir 25-Prozent-Klauseln, die heute absolut nicht mehr zeitgerecht sind.

Der letzte Punkt ist einer, der heute auf gesetzlicher Ebene noch keineswegs berührt ist, nämlich konsequente Strukturverbesserungs- und Wirtschaftsförderungsmaßnahmen mit besonderer Berücksichtigung von eigenständiger Regionalentwicklung in zweisprachigen Gebieten.

Die Minderheiten in Österreich leben ja nicht in der Mitte Österreichs, jetzt im übertragenen Sinn gesprochen, sondern immer in den peripheren und damit ärmsten Gegenden, in Südkärnten, im Südburgenland und in der Südsteiermark. Es ist die einhellige Meinung aller Volksgruppenorganisationen, daß es auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung und der Strukturmaßnahmen spezifischer Möglichkeiten bedarf, die darauf Rücksicht nehmen.

Ein allerletzter Punkt – dieser hat gar nichts mit einer Gesetzesnovellierung und mit einer Staatszielbestimmung zu tun –, den ich ansprechen möchte, betrifft die leidige Causa der steirischen Slowenen. Ich bin jetzt sieben Jahre im Nationalrat, und es wird seit meinem Eintritt in den Nationalrat immer wieder beteuert, daß man die steirischen Slowenen ohnehin sehr schätzt und sie auch als Minderheit und Volksgruppe anerkennt. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wie viele gibt es denn?) Aber noch immer wehrt sich die steirische Landesregierung und als Verantwortliche die steirische Landeshauptfrau dagegen, den steirischen Slowenen, die ausdrücklich im Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien, der Magna Charta des Minderheitenschutzes in Österreich, erwähnt sind, die entsprechenden Möglichkeiten zu gewähren. Das wird, so meine ich, schön langsam zu einer Groteske, zumal die Forderung nach Vertretung dieser


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Volksgruppe zum Beispiel im Volksgruppenbeirat durch Sitz und Stimme noch immer nicht umgesetzt wird. Das ist etwas, was man Good-will-Akt nennt, denn es bedarf keiner gesetzlichen Maßnahme, nicht einmal im Verordnungswege. Daher, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Sie alle – vor allem die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP – auffordern beziehungsweise ersuchen und bitten, in ihrer jeweiligen Partei auf die steirische Landesregierung Druck zu machen, damit dieses leidige Thema einmal vom Tisch ist und es so bald wie möglich einen öffentlichen Anerkennungsakt gibt.

Alle Wortmeldungen, die es zu dieser Staatszielbestimmung gibt, also die des Beirates und auch die öffentlichen Stellungnahmen der Minderheitensprecher und der Klubobleute, lassen mich sehr optimistisch sein, daß es uns gelingen wird, noch in diesem Jahr sowohl eine Staatszielbestimmung als auch eine Novelle zum Volksgruppengesetz im Parlament zu verabschieden. Damit wäre wirklich der Schritt ins nächste volksgruppenpolitische Jahrtausend gesetzt! (Beifall bei den Grünen.)

13.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

13.53

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Kollege Ofner! Ich weiß, und du weißt es ja auch, daß intelligente Gesellschaften keine Zeit für Fremdenhaß und Intoleranz haben – das nehme ich dir persönlich ab, weil ich deine öffentlichen Wortmeldungen dazu kenne –, weil intelligente Gesellschaften die Zeit brauchen, um sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit Fremdenhaß und Nationalismus.

Meine Damen und Herren! Österreich tut gut daran, seine Volksgruppen gut zu behandeln. Die heute in Österreich lebenden ethnischen Gruppen sind ja ein Relikt – wenn man so will – noch aus der Monarchie, eine Erinnerung an die ethnische Vielfalt Europas und im besonderen Österreichs. Es war nicht zuletzt ein relativ radikaler Deutschnationalismus in der Österreich-Ungarischen Monarchie, der eine Reform in Richtung Gleichberechtigung unmöglich gemacht hat, und man kann hinzufügen, daß die österreichischen Nationalsozialisten dann in der Zweiten Republik oder am Ende der Zweiten Republik das Ihre dazu beigetragen haben, nicht nur Hunderttausende Juden zu verfolgen, zu ermorden, zu vergasen ... (Abg. Mag. Stadler: Wie hieß das: Die österreichischen Nationalsozialisten am Ende der Zweiten Republik?) Ich habe das gesagt, ja. Diese sind dafür verantwortlich, daß ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Herr Abgeordneter Stadler! Wir können jetzt, wenn Sie wollen, in eine zynische Diskussion eintreten. (Abg. Mag. Stadler: Das ist keine zynische Diskussion! Sie können der Zweiten Republik nicht etwas unterstellen, was in der Ersten Republik geschehen ist!) Ich habe gesagt, am Ende der Zweiten Republik, nachdem der Nationalsozialismus wesentlich dazu beigetragen hat, die Zweite Republik zu liquidieren. (Abg. Mag. Stadler: Er sagt noch immer "Zweite Republik"!) Verzeihung, die Erste Republik! Ein Versprecher. (Abg. Mag. Stadler: Sie sehen, daß ich recht habe!) Es ist gut, daß Sie aufpassen, und ich danke Ihnen herzlich dafür. Es freut mich, Herr Stadler, daß Sie die Geschichte so gut gelernt haben und den Beitrag der Nationalsozialisten zur Ermordung der Juden, aber auch zur Ermordung der Roma und Sinti kennen.

Meine Damen und Herren! Aber es gab auch eine Verfolgung, wenngleich nicht mit der gleichen mörderischen Konsequenz, der als rassisch minderwertig angesehenen slawischen Volksgruppen, eine Benachteiligung und Diskriminierung. Daher hat diese Zweite Republik – jetzt bin ich beim eigentlichen Thema angelangt – allen Grund, Toleranz gegenüber den Volksgruppen zu üben. Die Position zu den Minderheiten ist ein Indikator für die generelle Befindlichkeit im Land, und unsere Kultur ist ohne Einflüsse anderer Kulturen nicht denkbar.

Meine Damen und Herren! Es hat in jüngster Zeit erfreulicherweise sehr positive Ansätze der Veränderung gegeben. Es gibt ein geändertes Klima. Vergessen wir nicht den Ortstafelstreit in Kärnten vor 25 Jahren. Vergessen wir aber auch nicht den rassistischen Anschlag von Oberwart, der vier Menschen das Leben gekostet hat. Das heißt, die Bereitschaft zum Dialog und


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zum Konsens zwischen Mehrheit und Minderheit ist enorm wichtig, und daher betrachte ich es als ein positives Zeichen, daß Anfang Mai, und zwar am 13. Mai, eine Volksgruppen-Enquete im Parlament stattfinden wird, in die ich große Erwartungen setze. Ich werte auch die erste gemeinsame Sitzung der österreichischen Volksgruppen, die am 8. April stattgefunden hat und an der die Vertreter aller sechs anerkannten österreichischen Volksgruppen teilgenommen haben, als ein überaus positives Zeichen.

Bei dieser Konferenz wurde eine sehr positive Zusammenschau geleistet, wenngleich ein Teil der Kärntner Slowenen in vielen Bereichen andere Vorstellungen hat. Trotzdem sind viele Punkte konsensfähig, und wir sollten, wenn möglich, noch in diesem Jahr eine Novelle zum Volksgruppengesetz beschließen. Ich hoffe, daß es diesbezüglich innerhalb der Volksgruppen, aber auch innerhalb der Mehrheitsbevölkerung einen Konsens gibt, weil für eine Volksgruppengesetz-Novelle ein Konsens unabdingbar ist.

Die Kernpunkte dieser Novelle sollten nach meinem Dafürhalten sein, daß sie auf der bestehenden Struktur des derzeit geltenden Volksgruppengesetzes aufbaut und daß sie eine ständige Konferenz der Beiratsvorsitzenden schafft, und zwar eine gesamtösterreichische repräsentative Konferenz, die gesetzlich legitimiert ist, zu grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen, die alle oder mehrere Volksgruppen betreffen. Eine solche Konferenz wäre ein äußerst wichtiges Kontroll- und Regulativorgan zur Wahrung der Interessen der österreichischen Volksgruppen.

Ich glaube, daß es auch wichtig wäre, im Bereich des Bildungswesens, der Amtssprache und der Topographie zu Fortschritten zu kommen. Ich glaube auch, daß der Bund einen Beitrag dazu leisten sollte, den zweisprachigen Gemeinden Ersatz für den höheren Aufwand, den sie haben, zu geben.

Dissent waren bei der genannten Konferenz oder sind derzeit noch in den Volksgruppen die Fragen Ethnokammer, einer öffentlich rechtlichen Vertretung und des Volksgruppengrundgesetzes, Forderungen, die vor allem der Rat der Kärntner Slowenen erhebt. Aber trotz aller Unterschiede gibt es, glaube ich, sehr viele positive Anzeichen dafür, daß wir in sehr vielen Punkten zu einer Einigung kommen, und die Kommission, die eingesetzt wurde – eine Kommission bestehend aus allen sechs Volksgruppen – und die die wesentlichen Eckpunkte für die Reform bis zum Sommer erarbeiten soll, wird sicher einen ganz, ganz wesentlichen Fortschritt bringen.

Das alles kann eine Staatszielbestimmung – und damit komme ich zum Vorschlag der Grünen – im Prinzip nicht leisten. Trotzdem halte ich eine Staatszielbestimmung für einen sehr wichtigen Punkt. Die SPÖ ist diesbezüglich gesprächsbereit, sie befürwortet eine Staatszielbestimmung, und zwar soll sie an prominenter Stelle in der Verfassung verankert werden – eine Staatszielbestimmung, die den Geist der Toleranz und des interkulturellen Dialogs fördert, die die Freiheit des Bekenntnisses sicherstellt und die den Angehörigen von Volksgruppen einen besonderen Schutz gegenüber feindseligen, diskriminierenden oder gewaltsamen Drohungen und Handlungen gewährt. Daher werden wir alles tun und auch alles unterstützen, um eine solche Staatszielbestimmung in der Verfassung im gemeinsamen Gespräch durchzusetzen.

Meine Damen und Herren! Die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta zum Schutz der regionalen Minderheitensprachen sind längst überfällig, beide Konventionen sollten schon längst dem Hohen Haus zur Ratifikation vorliegen. Ich habe es schon bei meiner letzten Rede hier gesagt und sage es noch einmal: Es ist höchste Zeit, daß wir diese beiden Konventionen zur Ratifikation vorgelegt bekommen!

Abschließend möchte ich sagen, daß ich glaube, daß es in bezug auf Volksgruppenfragen ein geändertes, erfreuliches und positives Klima gibt. Wir sollten diesen Schwung für positive Veränderungen nützen. Dazu gehört auch eine Staatszielbestimmung, die wir für positiv erachten und für die wir uns grundsätzlich aussprechen. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)


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14.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Klubobmann Dr. Khol vor. – Bitte, Herr Klubobmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

14.01

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die österreichischen Volksgruppen haben einen wesentlichen Beitrag zur Kultur dieses Landes geleistet. Sie sind Teil unseres Selbstverständnisses, und wir sind den gewachsenen autochthonen österreichischen Volksgruppen dafür dankbar, daß sie stets zu Österreich gestanden sind, zu Österreich stehen und auch einen Beitrag in diesem Lande leisten. Sie sind auch in fast allen unseren Parteien politisch aktiv. Wir brauchen ihre Mitarbeit, und wir danken ihnen auch für ihre Mitarbeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn man einen kurzen Blick zurück macht und an den Ortstafelstreit denkt, sieht man, wie gefährlich es sein kann, den sozialen Konsens in unserem Lande überzustrapazieren und Regelungen zu treffen, die von der Bevölkerung nicht getragen werden.

Wir haben in Kärnten nach Abschluß des Staatsvertrages freiwillig für die slowenische Volksgruppe sehr viel mehr getan, als es eigentlich rechtlich gesehen notwendig gewesen wäre. Wir haben nämlich ein Minderheitenschulgesetz gemacht, das weit über die Erfordernisse des Staatsvertrages hinausging. Man wollte aber noch weiter gehen, hat den sozialen Konsens überbelastet, und es kam zum Ortstafelstreit.

Jetzt haben die Kärntner zwar die Ortstafeln – Bruno Kreisky hat einmal gesagt, sie hätten wahrscheinlich auch ohne zweisprachige Ortstafeln nach Hause gefunden –, aber sie haben das, was an Mehr im Schulwesen bestanden hat – ich nenne nur die Regelung, daß bei einem einzigen Volksgruppenkind in einer Volksschule der Schulamtsleiter die Zweisprachigkeitsprüfung haben mußte, was ein weitgehendes Recht war – verloren, es wurde im Zuge der ausgleichenden Tätigkeit des Gesetzgebers nach dem Ortstafelstreit zurückgenommen.

Was will ich damit sagen? – Volksgruppenpolitik gegen den Willen der Volksgruppen kann nicht gemacht werden, und Volksgruppenpolitik, die über den sozialen Konsens im Lande hinausgeht, kann auch nicht gemacht werden. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung!

Wir stehen nur für eine harmonische Entwicklung zur Verfügung, und ich bin froh darüber, daß das Volksgruppengesetz, das wir dann, um die Scherben zu kitten, die nach dem Ortstafelstreit herumlagen, beschlossen haben, in weiten Bereichen eine positive Entwicklung eingeleitet hat. Die anerkannten Volksgruppen können sich entwickeln, auch dort, wo eine Assimilationspolitik von der Volksgruppe selbst gewünscht wird – Frau Kollegin Stoisits, Sie wissen genau, daß es da gerade im Bereich Ihrer Volksgruppe unterschiedlichste Meinungen gibt –, aber dennoch nicht stattfindet, ist es doch so, daß die Volksgruppen als Teil unserer Identität gefördert werden. Es besteht ein gutes Klima der Zusammenarbeit.

Peter Kostelka und ich haben den Vorschlag gemacht, dieses Volksgruppenrecht weiter auszubauen, und zwar auf der Basis dessen, was wir in den sechziger Jahren im Einvernehmen mit den Volksgruppen begonnen haben. Ich bin überzeugt davon, daß das, was wir vorgeschlagen, aber nicht mehr in dieser Legislaturperiode eingebracht haben, ein guter und wichtiger Schritt für die Entwicklung der Volksgruppen in Österreich gewesen wäre.

Warum habe ich mich nicht mehr dazu bereit gefunden, namens meiner Fraktion einen weiteren Gesetzentwurf einzubringen? – Weil sich ein Teil einer Volksgruppe – angestachelt von wem auch immer; das sogenannte selbsternannte Volksgruppenzentrum und der sogenannte selbsternannte Minderheitenvertreter Smolle haben einen wesentlichen Anteil daran – plötzlich mit dieser organischen Entwicklung nicht einverstanden erklärt. Die slowenische Volksgruppe ist eine der großen autochthonen Volksgruppen in Österreich, und wenn ein Teil dieser Volksgruppe sagt: Wir wollen das nicht, was ÖVP und SPÖ vorschlagen!, dann werden wir gegen eine solche politische Meinung keine Volksgruppengesetze machen.

Die Südtiroler hätten ihre modellhafte Autonomie nicht erreicht, hätten sie so gestritten, wie es die slowenischen Organisationen, angestachelt – noch einmal: angestachelt! – vom Volksgruppenzentrum einerseits und von anderen Kräften, die das Blaue vom Himmel versprechen, andererseits, untereinander in den letzten Jahren getan haben.


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Ich sage es hier noch einmal: Die Volkspartei bekennt sich zu den österreichischen Minderheiten, die Volkspartei bekennt sich zu unseren Volksgruppen, die Volkspartei ... (Abg. Dolinschek: ... 50 km/h!) – Da fallen Ihnen schon wieder die 50 km/h ein, Ihnen von der Autofahrerpartei. Ich rede von den Volksgruppen und nicht von Ihrem Lieblingsobjekt, dem Auto. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dolinschek. )

Aber zurück zum Thema: Wir von der Volkspartei werden keine Volksgruppenpolitik gegen den Willen eines wichtigen Teiles einer Volksgruppe machen.

Was hatten wir vorgeschlagen? – Wir hatten vorgeschlagen, daß die Volksgruppen, ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter, wieder eine Art Beirat bilden, der ein qualifiziertes Begutachtungsrecht für alle Gesetzentwürfe – nicht nur für die minderheitenrelevanten, sondern für alle Gesetzentwürfe – hat. Es hätte damit eine Dachorganisation der österreichischen Volksgruppen gegeben, mit denen der Nationalrat, aber auch die Bundesregierung eine organische Gesprächsebene gehabt hätte.

Aber das wurde durch den Widerspruch eines Teils der slowenischen Volksgruppe verhindert. Und erst dann, wenn sich die Volksgruppenbeiräte – und diesbezüglich gibt es hoffnungsvolle Ansätze – einig darüber sind, was sie wollen, werden wir weitergehen und hier im Hohen Hause im Verfassungsausschuß prüfen, welche weiter gehenden Rechte, welche weiter gehende Förderung, welche weiter gehende Hilfe wir den Volksgruppen angedeihen lassen.

Aber da müssen sich die Volksgruppen darüber einig sein, ob sie nun eine große Verfassungsänderung mit einem Virilmandat im Nationalrat und einem Virilmandat in den Landtagen haben wollen – etwas, was ihnen Wissenschaftler versprechen; Wissenschaftler, die nicht wissen, daß es dafür keine Mehrheit in diesem Haus gibt – oder eine organische Weiterentwicklung dessen, was wir nach dem Ortstafelstreit auf der Grundlage des Volksgruppengesetzes begonnen und fortgeführt haben und wo es eine breite Sozialverträglichkeit in Österreich gibt, was heißt, daß die Volksgruppen nicht im Widerspruch mit den anderen Mitmenschen in unserem Lande sind. Darüber muß man sich im klaren sein!

Ihr Vorschlag, Frau Kollegin Stoisits, eine Staatszielbestimmung zu schaffen, ist ein sehr beachtenswerter Vorschlag. Er entspricht einem Vorschlag, den wir gerade überlegen. Wir sind dabei, den Wortlaut und die Tragweite dieses Vorschlags zu erkunden. Ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus sagen, daß wir unseren Vorschlag – ich nehme an, daß auch die Sozialdemokratische Partei Vorschläge entwickeln wird – im Verfassungsausschuß einbringen werden, und ich glaube, daß wir eine fruchtbare Diskussion auf dieser Ebene führen werden.

Ich gehe davon aus, daß es Möglichkeiten geben wird, entweder den Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes aus dem Jahre 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, wo von Volksstämmen die Rede ist, zu novellieren oder im Artikel 8 der Bundesverfassung ein Bekenntnis zu unseren gewachsenen autochthonen, seit vielen Generationen in unserem Lande anwesenden und mitarbeitenden Volksgruppen abzulegen. – Das Gespräch kann beginnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Ofner vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

14.10

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich genieße die angenehme akademische Atmosphäre, die dieses wichtige Thema und die Diskussion darüber auszeichnet.

Ich darf zunächst auf die Ausführungen meines Vorvorredners Posch zu sprechen kommen. Ich möchte die Rolle der Deutschnationalen im Zusammenhang mit dem Scheitern der Österreichisch-Ungarischen Monarchie nicht geringschätzen, aber ebenfalls nicht vergessen darf man die Rolle ebenbürtiger Mittäter, könnte man sagen, etwa der italienischen Irridentisten, die auch mit Waffengewalt darangegangen sind, die Monarchie zu zerstören, und die sich bei dieser


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Gelegenheit nicht damit zufriedengegeben haben, Land zu verlangen, soweit die italienische Zunge reicht, sondern sie wollten immer die Catena media, den Hauptkamm der Alpen. In Tirol haben sie es mit Südtirol erreicht, sie wollten aber auch gleich ganz Kärnten – das wird heute schon vergessen –, sie wollten alles, was Slowenien und Kärnten ist, mitkassieren.

Man darf die Ungarn nicht vergessen, die jeden Versuch eines Ausgleichs, mit wem auch immer, vor allem mit den Slawen, den Südslawen, aber auch mit den Tschechen, Slowaken und wen es da allen gegeben hat, zu verhindern verstanden haben, denn der Versuch, alles, was heute den Balkan auf diesem Sektor ausmacht, zufriedenzustellen, ist am Einspruch, am Widerspruch der Ungarn gescheitert.

Man darf auch die Slawen nicht vergessen, deren Führungspersönlichkeiten sich sehr stark dem Slawischen Weltkongreß verbunden gefühlt haben, der bei einer seiner letzten Tagungen vor dem Ersten Weltkrieg 1908 in Prag die Verschiebung der Westgrenze des Slawentums auf die Linie Stettin–Triest verlangt hat. Man muß sich vorstellen, wo die Westgrenze des Slawentums damals war, und wenn man sich heute anschaut, wo sie ist, so sieht man, daß viel erreicht worden ist. Aber daß dann wieder die Ungarn wahnsinnig geworden sind, weil da ganz Ungarn dabeigewesen wäre, kann man sich auch vorstellen.

Historisch betrachtet ist das ein sehr interessantes Gebiet. Es gibt sehr viele, die daran beteiligt waren, dieses schöne alte Staatengebilde, dem ich persönlich bis heute nachweine – nicht der Staatsform, aber dem Gebilde –, zu zerstören. Sie waren letztendlich erfolgreich. (Abg. Mag. Stadler: Aber die Sozialisten waren auch ganz gut dabei!) – Wir reden von den Volksgruppen, lieber Ewald.

Aber wenn es darum geht, sich zu dem alten Gebilde zu bekennen, dann, glaube ich, haben auch die recht, die sagen, wenn es noch hundert Jahre oder fünfzig Jahre überstanden hätte, wäre es auf einmal höchst modern gewesen. Vielleicht haben die recht, die das behaupten.

Zur Staatszielbestimmung, wie sie dem Antrag entspricht: Die Freiheitlichen – und mit ihnen auch ich persönlich – verstehen sich zu einer solchen Initiative. Ich glaube nur, daß sie im Text – darin stimme ich mit meinem unmittelbaren Vorredner überein – deutlicher zugunsten der autochthonen Volksgruppen zugeschnitten sein sollte. Ich könnte mir vorstellen – man wird das natürlich beraten müssen –, daß es heißen sollte: "Die Republik Österreich bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Gestalt ihrer autochthonen Volksgruppen" und so weiter. So ungefähr müßte das ausschauen. (Abg. Dr. Khol: Man müßte das definieren!) – Ja, einverstanden, aber in diese Richtung müßte es gehen.

Ich glaube auch, daß wir beginnen sollten – die Autorin oder die Autoren dieses Antrages folgen dem leider nur partiell –, von dem Begriff "Minderheiten" wegzukommen. Ich weiß schon, daß jemand, der sich der Zahl nach oder wie auch immer schwächer darstellt als andere, auch als Minderheit bezeichnet werden kann, ich sehe aber trotzdem immer ein bißchen etwas Diminuierendes in diesem Terminus, und ich zöge es vor – persönlich halte ich es auch so –, nicht den Begriff "Minderheit" und "Minderheiten" zu verwenden, sondern "Volksgruppe" und "Volksgruppen". Das schafft auch ein gewissen Klima und eine gewisse Terminologie der Gleichberechtigung und der Gleichgewichtung der kleinen Volksgruppen mit den größeren Volksgruppen und auch mit der Mehrheitsbevölkerung. Letztendlich ist ja auch die Mehrheitsbevölkerung in ihrer Summe eine Volksgruppe. (Abg. Dr. Khol: Da bin ich Ihrer Meinung, Herr Kollege Ofner!) – Es freut mich, daß du das so siehst! (Abg. Dr. Khol: Beim Minderheitenbegriff schließen sich auch manche Gruppen an, die da nichts verloren haben!) – Auch das.

Ich glaube – und auch damit haben sich andere vor mir heute schon befaßt –, daß wir alle unsere Energien (Abg. Mag. Stadler: Kollege Ofner hat am Parteiprogramm mitgeschrieben!)  – ich weiß nicht, ob wir derzeit eines haben, aber das werden wir ja bald wissen; am alten habe noch ich mitgeschrieben, und ich habe bei der Abstimmung über das alte Parteiprogramm den Vorsitz geführt –, ich glaube also, daß wir alle unsere Energien oder zumindest einen guten Teil unserer spezifischen Energie in dieser Richtung daransetzen sollten, beim europäischen Volks


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gruppenrecht weiterzukommen in Richtung eines verbindliches Rechts, das alle Staaten, um die es geht, wirklich in die Pflicht nimmt in diesem Zusammenhang.

Ich möchte nicht wieder auf die schwarzen Schafe Frankreich, Bulgarien und Türkei zu sprechen kommen, weil uns die nicht wirklich naheliegen, nicht geographisch und auch nicht emotionell, aber die Franzosen, die Bulgaren und die Türken sind sozusagen die einzigen, die erklären, bei ihnen gebe es keine Minderheiten, obwohl jeder weiß, daß das nicht den Tatsachen entspricht. Es gibt aber auch andere, die uns schon mehr berühren, das sind diejenigen, die in den Staaten zu Hause sind, die uns zum guten Teil benachbart sind und die auf dem Boden der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie gewachsen sind.

Ich glaube, man kann auf Dauer – bei allem positiven Bekennen zu den Volksgruppen in Österreich und ihrem Schicksal, von dem wir nicht lassen wollen, egal, was die anderen tun – nicht darüber hinwegsehen, daß sich jenseits der Grenzen alles mögliche abspielt, was nicht so schön ist. Wir werden darauf dringen müssen, daß man da nicht auf Dauer eine Einbahnstraße sieht und daß wir auch jenseits der Grenzen weiterkommen.

Ich fange – entgegen dem Uhrzeigersinn – bei Italien an. Südtirol wird immer als Musterautonomie dargestellt. Wir wollen jetzt davon absehen, daß in Wahrheit das gottgewollte Recht das Selbstbestimmungsrecht ist. Bleiben wir also einmal bei der Autonomie. Südtirol, die Provinz Bozen – schön, aber wo ist auch nur der kleinste Kindergarten etwa für die Ladiner in den ladinischen Tälern in den Provinzen Belluno und Trient? (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Ich frage, wo auch nur der kleinste Kindergarten im Kanaltal ist, ehemals ein Kärntner Gerichtsbezirk, der Gerichtsbezirk Tarvis, wo alle möglichen Leute gehaust haben, Slowenen und Deutsche, aber keine Italiener. Aber jetzt wird man dort vergeblich irgend etwas in dieser Richtung suchen.

Wo ist auch nur der geringste Minderheitenschutz für die Altösterreicher deutscher Zunge in Slowenien, wo in der Verfassung zwar die Italiener stehen, wo in der Verfassung – etwas reduziert – die Roma und Sinti stehen, aber ausdrücklich nicht die Altösterreicher deutscher Muttersprache, und wo es noch ausdrücklich und nicht zufällig die Avnoj-Bestimmungen aus der Partisanenzeit des Zweiten Weltkrieges gibt, die alle, die deutsch sprechen, für vogelfrei, nämlich für rechtlos, auch persönlich rechtlos, erklären? Denen kann man theoretisch heute noch alles wegnehmen, man kann sie umbringen, es spielt keine Rolle.

Und dann sagt man: Es bekennt sich ja niemand zur deutschen Muttersprache. – Wer soll das schon, wenn er erlebt hat, was auf der Basis dieser Avnoj-Bestimmungen vor 50 Jahren alles passiert ist?! – Und diese Bestimmungen gibt es heute noch!

In Ungarn schaut es ein bißchen besser aus. In Kroatien scheint es auch etwas besser auszuschauen, aber in der Tschechischen Republik und in der Slowakei ist es ganz arg. Die Zahl der verbliebenen Altösterreicher deutscher Zunge in der Tschechischen Republik wird auf 60 000 bis 100 000 geschätzt – das sind noch immer mehr als alle, die sich in Österreich zu Volksgruppen in dem Sinne, in dem wir das heute behandeln, bekennen. Aber keine Rede davon, daß man sie dort auch nur akzeptieren würde als Überlebende der Vernichtung dieser einst dreieinhalb Millionen zählenden Volksgruppe! – Man wird sich auch um diese Dinge nachhaltig kümmern müssen.

Ich betone es noch einmal: Wir gehen unseren eigenen, guten österreichischen Weg. Wir halten dafür, daß wir durch die Existenz der Volksgruppen in unseren Grenzen die Republik und unsere Gemeinschaft als Ganzes bereichert sehen. Wir wollen dafür sorgen, daß sie blühen und gedeihen. Aber wir können uns auf die Dauer nicht damit abfinden, daß es jenseits der Grenzen nicht so ausschaut. Daher rufen wir vor allem die Repräsentanten der Volksgruppen in Österreich und die, die sich zu ihren Sprechern machen, auf, danach zu trachten, daß das ein geschlossenes Ganzes wird.

Ich frage mich, ob man nicht einen Beirat schaffen sollte, der sich mit den Sorgen und Problemen, mit dem Gedeihen und mit dem Blühen der Volksgruppen diesseits und jenseits der Grenzen in den Nachbarländern auseinandersetzt. Das wäre eine Gesprächsbasis, die zu mehr Gerechtigkeit führen könnte.


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Ein Wort noch: Ich versäume keine Gelegenheit – auch von diesem Rednerpult aus nicht –, darauf hinzuweisen, daß es in Österreich Volksgruppen gibt, denen es besser geht, und Volksgruppen, denen es schlechter geht. Niemandem geht es annähernd so schlecht wie den Roma. Bei ihnen kommt zum kulturellen und zum volkstumsmäßigen Problem die nackte soziale Not hinzu. Da ist viel versprochen und nichts gehalten worden. Wir müssen uns daran erinnern, daß auf diesem Sektor ein echter humanitärer, sozialer, ein in alle Richtungen gehender Nachholbedarf besteht, den wir befriedigen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.20

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Frage, die man da beantworten muß, ist: Wie hältst du es mit dem Vorschlag einer solchen Staatszielbestimmung? – Ich meine, ich kann diese Antwort ganz kurz geben: Jede Verbesserung und Verdeutlichung der Anliegen, die hinter diesem Antrag stehen, ist ein Schritt nach vorne und in die richtige Richtung. Wir werden, wenn diese Materie im Verfassungsausschuß auf der Tagesordnung stehen wird, sehr gerne unseren gesamten Sachverstand und unser gesamtes politisches Wollen einbringen, damit sich in dieser Richtung etwas bewegt.

Aber – es ist mir sehr wichtig, das festzuhalten – das ist natürlich nur ein erster Schritt. Es wäre die Verbesserung der jetzigen Staatsziellage, sage ich jetzt einmal, denn implizit ist das, was dieser Antrag zum Inhalt hat, an und für sich Staatsziel der Republik Österreich, wenn man nur die Dokumente nebeneinander liest. Es wäre gar nicht möglich gewesen, den österreichischen Staatsvertrag, der immerhin einen Artikel 7 enthält, zu unterschreiben, wenn man nicht im Prinzip mit so etwas einverstanden wäre. Auch die in der Antragsbegründung selbst zitierten Bestimmungen des Artikels 19 des Staatsgrundgesetzes von 1867 sind ja dem hier vergleichbar, wenn es auch moderner ist.

Ich kann mich aber nicht damit abfinden, daß im Rahmen dieser Debatte hier teilweise Dinge gesagt wurden, die für mich den Charakter von Ausreden haben. Klubobmann Khol hat bestehende Unterschiede, bestimmte Dissenslagen bei den Kärntner Slowenen angeführt – er hat sogar einen Vertreter dieser Volksgruppen ausdrücklich beim Namen genannt, nämlich den ehemaligen Abgeordneten dieses Hauses Karel Smolle –, und er hat diese aus seiner Sicht dramatischen Meinungsverschiedenheiten zur Begründung dafür herangezogen, daß man füglich daher eigentlich gleich überhaupt nichts machen soll, bevor nicht Einstimmigkeit vorherrscht. Das kann ich nicht nachvollziehen, denn es gibt viele Bereiche, in denen diese von Klubobmann Khol geforderte Einstimmigkeit durchaus vorherrscht, und es gibt vor allem Volksgruppen, die von der von ihm eingemahnten Einstimmigkeit gar nicht betroffen wären.

Ich frage: Was hat es mit den von Kollegen Khol genannten Aspekten zu tun, daß es im Burgenland, wo bekanntlich nicht die Kärntner Slowenen wohnen, keine zweisprachigen Ortstafeln gibt? Was hat das damit zu tun?

Oder: Gibt es seiner Meinung nach irgendeine unterschiedliche Auffassung unter irgendeiner Gruppe, die sich für die Minderheitenrechte der Kärntner Slowenen einsetzt, im Hinblick auf zweisprachige Kindergärten, im Hinblick auf eine Verbesserung der Aspekte des zweisprachigen Unterrichts, der derzeit mit der dritten Volksschulklasse endet?

Und überhaupt: Wie ... (Abg. Wurmitzer: Das ist nicht im Staatsvertrag verankert!) Herr Kollege Wurmitzer! (Abg. Wurmitzer: Ist das im Staatsvertrag verankert?) – Herr Kollege Wurmitzer! Wenn Sie mir hier die Auffassung zurufen, daß Sie nur dann, wenn etwas expressis verbis im Staatsvertrag steht, das auch zu machen gedenken, haben Sie die gesamte Rede Ihres Klubobmannes der Lächerlichkeit preisgegeben. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wurmitzer: Ist es verankert?) Wie anders wäre es zu bewerten, wenn jemand nur das macht, wozu er gezwungen ist? Und zwar in diesem Fall noch dazu durch fremde Staaten, denn der Artikel 7 des Staatsvertrags ist nicht etwas, was wir herbeigefleht haben, sondern das wurde uns vorge


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geben, das war eine der Kriegsfolgen, das war eine der Folgen auch des Versagens der Ersten Republik, denn auch die Erste Republik hat sich, bezogen auf ihre Minderheiten, nicht ganz so benommen, wie sie es den Minderheiten versprochen hatte, wie sie es zum Beispiel der Minderheit in Kärnten vor der Volksabstimmung versprochen hatte; nach der Volksabstimmung hat es dann nicht mehr gegolten. Es hat eben auch – da haben Sie völlig recht – keine geschriebenen zwingenden Verpflichtungen gegeben.

Herr Kollege Wurmitzer! Ich bin Ihnen geradezu herzlich dankbar für diesen Zwischenruf, denn damit schildern Sie das Problem eigentlich deutlicher, als Sie es vielleicht beabsichtigt hatten. (Abg. Wurmitzer: Sie kennen sich nicht aus!) – Ich kenne mich ein bißchen aus in Kärnten, denn ich bin dort in die Schule gegangen. Herr Kollege Wurmitzer, es tut mir leid, ich kann einfach meine Biographie nicht umschreiben. Ich bin dort in die Schule gegangen. (Abg. Dr. Khol: Wo?) In Friesach. Es ist zwar vielleicht nicht zweisprachiges Gebiet, Herr Klubobmann, aber so groß und so unübersichtlich ist Kärnten auch nicht, und wenn man außerdem ein bißchen mobil ist, dann bemerkt man das. Abgesehen davon, habe ich mich auch zu anderen Gelegenheiten mit diesen Fragen beschäftigt, nämlich insbesondere im Rahmen des Stipendiums, das ich ausschließlich deswegen bekommen habe, weil ich mich zwei Semester mit Minderheiten- und Volksgruppenfragen beschäftigt habe. Es tut mir furchtbar leid.

Daher sage ich Ihnen noch einmal: Das sind Ausreden! Denn wenn Sie wirklich frohen Herzens und ehrlichen Gewissens Minderheitenförderung betreiben wollen – und das habe ich so zwischen den Zeilen durchgehört –, dann werden Sie sich nicht darauf berufen dürfen, daß Sie etwas deswegen nicht machen, weil es uns von den Alliierten im Staatsvertrag nicht zwingend vorgeschrieben wurde. – Der Zwischenruf des Kollegen Wurmitzer war daher verdeutlichend und erhellend.

Ich gebe zu, daß der Ortstafelstreit in Kärnten Anfang der siebziger Jahre eine sehr unerfreuliche Sache war und daß man bei der Implementation dieser Ortstafeln politisch vielleicht etwas waghalsig war. Das gebe ich zu, aber das Problem an und für sich wurde trotzdem richtig angegangen. Es geht nämlich darum: Wo gibt es zweisprachige Ortstafeln und wo nicht? – Daß man dort einen Rückzieher machen mußte, war bedauerlich genug, aber das war keine Frage des sozialen Konsenses, Herr Klubobmann Khol, sondern das war eine Frage des gesellschaftspolitischen Konsenses. Soziale Frage war das keine, aber möglicherweise war das nur eine semantische Spitzfindigkeit, vielleicht haben Sie das so gemeint. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Kier! "Sozial" heißt "gesellschaftlich"!)

Was sich damals in Kärnten abgespielt hat – ich war in diesem Sommer dort, denn da habe ich noch studiert ... (Abg. Dr. Khol: Wenn Sie im Lexikon nachschauen: "Sozial" heißt "gesellschaftlich"! Das haben Sie bei Ihrem Stipendium nicht gelernt!) – Gut, dann sind wir uns schon wieder einig. Aber die soziale Lage der Roma im Sinne dessen, was Kollege Ofner gesagt hat, ist trotzdem etwas anderes als das soziale Problem rund um die Ortstafeln. Ich meine, da wird der Begriff "sozial" ein bißchen weit aufgespreizt, aber ich bin schon wieder bei Ihnen, wenn Sie das so interpretieren.

Nur: Das, was sich damals in Kärnten abgespielt hat, war beschämend. Es war beschämend, denn der Ortstafelsturm – das war es ja eigentlich – wurde teilweise auch von den Kräften der öffentlichen Hand getragen. Es war nicht so, daß da irgend jemand den Aufstand geprobt hat. Die Rolle der bewaffneten Exekutive in diesem Zusammenhang war nicht wirklich erfreulich.

Nun aber zu sagen, weil dieses Desaster passiert ist, mußte man außerdem auch noch das Schulwesen zurückbauen, ist Volksgruppenpolitik à la Wurmitzer. Es tut mir furchtbar leid. Es ist nicht logisch, dann, wenn man mit irgendeiner Maßnahme, was ihre gesellschaftspolitische Verträglichkeit anlangt, vielleicht übers Ziel geschossen hat, gleich andere Sachen zurückzubauen. Um den Vorurteilen sozusagen noch neue Nahrung zu geben, baut man zurück. Das war nicht logisch!

Ich würde sagen, diese Maßnahme wurde getroffen, obwohl sie sicher nicht vom einstimmigen Konsens der Volksgruppen getragen war, Herr Klubobmann Khol. Also: Wenn es um den Rück


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bau von Volksgruppenrechten geht, dann ist Ihnen der einstimmige Konsens der Volksgruppen offensichtlich Wurscht, nur dann, wenn es um den Ausbau von Rechten geht, benützen Sie das als Begründung, um zuzuwarten.

Betrachten Sie doch zum Beispiel, wie stark die Sprachregelungen auseinanderlaufen. Es gibt die Gerichtssprachenproblematik, dann gibt es die Amtssprachenproblematik, dann gibt es die Schulsprachenproblematik, und dann gibt es die Ortstafelproblematik, und jede dieser Problemstellungen ist territorial anders abgegrenzt. Sie dürfen mir glauben, in dieser Frage gibt es unter den Slowenen in Kärnten keinen Dissens. Daher wäre es – wenn Sie schon auf den Konsens so großen Wert legen – möglich, das, was ohnedies konsensual ist, zu erledigen und ausschließlich das, was Ihnen als zu stark strittig erscheint, aufzuschieben.

Diese Diskussion im Ausschuß über die Staatszielbestimmung wird sehr erhellend werden, denn es wird darum gehen, ob wir uns auch in der Praxis dazu bekennen. Wie halten wir es zum Beispiel mit den steirischen Slowenen und ihrer Anerkennung? Wie halten wir es damit? Nur das Staatsziel allein wird nichts nützen. Oder entschließen wir uns, irgendwelche Volksgruppengrundrechte einmal so zu kodifizieren, daß sie unmittelbar umsetzbar sind?

Ich bitte Sie daher herzlich, nicht ausschließlich bei der Schaufensterdekoration stehenzubleiben, denn wenn man die Wurmitzersche Philosophie in so etwas einbringt, dann ist eine Staatszielbestimmung im Sinne des gutgemeinten Antrages der Kollegin Stoisits bestenfalls Schaufensterdekoration. Und das wäre uns zuwenig! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wurmitzer gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Geschäftsordnungsbestimmung ist bekannt. (Abg. Dr. Khol: Der Wurmitzer ist ein gescheiter Mensch! Der Wurmitzer ist in Ordnung!)

14.29

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Dr. Kier hat hier festgestellt, das Schulwesen zurückzubauen sei Volksgruppenpolitik à la Wurmitzer. (Abg. Dr. Kier: Ja!)

Diese Feststellung ist grundfalsch. (Abg. Dr. Kier: Nein!) Ich weise sie zurück und stelle richtig: Als Abgeordneter des Kärntner Landtages habe ich wesentlich und maßgeblich an der Neugestaltung des Minderheitenschulwesens in Kärnten mitgewirkt. Das Minderheitenschulwesen in Kärnten ist fortschrittlich und vorbildlich. Es beruht auf der Tatsache, daß für den gemeinschaftlichen Unterricht zwei Lehrkräfte während einer Unterrichtsstunde eingesetzt werden, daß es weder eine Benachteiligung für die Mehrheitsschüler noch eine Benachteiligung für die Minderheitenschüler gibt.

Dieses Schulgesetz können wir in ganz Europa herzeigen. Es ist daher eine Tat, auf die ich stolz bin, und Ihre Feststellung ist unrichtig! (Beifall bei der ÖVP.)

14.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Rednerliste ist erschöpft. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich weise den Antrag 420/A dem Verfassungsausschuß zu.

4. Punkt

Erste Lesung des Antrages 415/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 und das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert werden

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner, erhält das Wort. – Bitte.

14.31

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag beschäftigt sich mit einem Detail der Budgeterstellung beziehungsweise des Rechnungsabschlusses. Ich bedauere grundsätzlich, daß wir in der Politik und beim Staatshaushalt nicht jene Regeln anwenden können, die für Wirtschaftsunternehmungen selbstverständlich sind, daß wir im Staatshaushalt also keine doppelte Buchhaltung, keine Vermögensrechnung und Ertragsrechnung haben.

Ich meine, daß gerade die staatliche Gestionierung, die Verpflichtungen, die in die Zukunft gerichtet sind, es sozusagen wert wären, daß sie jährlich einmal oder vielleicht sogar mehrmals in das Bewußtsein der Entscheidungsträger gerufen würden. Aber das ist natürlich nur bei einer Vermögensrechnung sozusagen schwarz auf weiß gegeben. Denken Sie nur etwa daran, welche Belastungen die Republik für Pensionen zu erbringen hat, und denken Sie an die Debatte darüber, wie diese Pensionen für die kommenden Generationen zu finanzieren sein werden. Das ist aber nur ein Teilaspekt, es gibt viel Vergleichbares.

Es ist daher in hohem Maße eine Krücke, wenn wir uns weiterhin mit einem kameralistischen System, das einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung gleichkommt, sozusagen zu begnügen haben, weil dabei die Bewußtseinsbildung nicht gegeben ist, weil die Fragen: Wo tickt denn die Bombe? Wo ist denn das Vermögen? Was ist denn der wahre wirtschaftliche Stand? vom kameralistischen System nicht beantwortet werden. Ich bedauere das zutiefst und möchte anregen, daß wir – wenn auch vielleicht in einem kleineren Kreis derjenigen, die sich dafür interessieren – darüber nachdenken, ob dies zwangsläufig so bleiben muß.

Aber noch unerträglicher und vor allem noch unprofessioneller erscheint es mir, daß wir das Budget, wenn wir es schon nach kameralistischem System und nach kameralistischen Grundsätzen beschließen, quasi ohne Fundament beschließen, weil wir den Rechnungsabschluß des Vorjahres oder des Vollzugsjahres zum Zeitpunkt des Beschlusses natürlich noch nicht haben können. Dieser Rechnungsabschluß ist noch nicht fertig, der Vollzug ist noch im Gange. Aber daß wir nicht einmal den Rechnungsabschluß des Vorvorjahres und manchmal – ich habe es schon erlebt – nicht einmal den des Vorvorvorjahres haben, das, meine Damen und Herren, kann nicht unser Interesse sein!

Jeder von uns, egal, ob Unternehmer, Bauer, Angestellter, muß doch Interesse daran haben, daß er die Entscheidungen, die er trifft – seien sie noch so bescheiden und noch so klein –, seine Meinungsbildung und seinen Wissensstand auf einem gesicherten Fundament aufbaut.

Wir sollten und könnten einen Beitrag dazu leisten, indem wir bei der Budgetierung drei Phasen systematisieren: den Rechnungsabschluß des Vorvorjahres, den im Vollzug befindlichen, also das Rechnungswerk des laufenden Jahres, und das Budget des Folgejahres.

Dieser Antrag zielt darauf ab, daß wir durch eine Änderung des Rechnungshofgesetzes die Fristenkonformität herstellen. Ich hoffe und glaube, daß Sie bei der Debatte im Budgetausschuß diesem Antrag Ihre Zustimmung geben können.

Es ist im Vorfeld schon angeklungen, daß ein Reparaturbedarf oder eine Verbesserungsnotwendigkeit besteht. Wir sind selbstverständlich gerne bereit, den Fristenlauf auch handhabbar und realitätsnah zu gestalten. Wir haben kein Interesse daran, den Beamten im Finanzministerium und im Rechnungshof durch solch eine Änderung die Arbeit zu erschweren. Wir wollen, daß ein Budget beschlossen und beraten wird, das auf einer vernünftigen Basis steht, nämlich auf der Basis des Rechnungsabschlusses des Vorvorjahres. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.35


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.35

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben uns diesen Antrag angesehen und stehen diesem Ansinnen grundsätzlich positiv gegenüber. Wir glauben, daß es möglich sein müßte, weniger als zwei Jahre lang am Rechnungsabschluß zu arbeiten.

Wir haben uns auch in einem ersten Gespräch im Finanzministerium erkundigt, ob dies grundsätzlich aus der Sicht des Amtes möglich erscheint. Es gibt unter gewissen Bedingungen, die im wesentlichen in der Zusammenarbeit und Koordination mit dem Rechnungshof begründet sind, in dieser Angelegenheit ein grundsätzliches Ja. Ich hoffe daher, daß wir diesen Antrag in der nächsten Sitzung des Budgetausschusses, nach Rücksprache mit dem Rechnungshof und vielleicht auch einem Gespräch zwischen Rechnungshof und Finanzministerium, zu einem positiven Ende bringen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

14.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mühlbachler vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.36

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Haselsteiner! Ihr Antrag ist sicher berechtigt, zumal wir vor kurzer Zeit den Rechnungsabschluß 1995 diskutiert und anläßlich der Diskussion festgestellt haben, daß dies eigentlich viel zu spät sei.

Ich möchte zu bedenken geben, daß die Frist, die Sie in Ihrem Antrag mit 31. Mai eines Jahres festgehalten haben, aus technischen Gründen wahrscheinlich nicht vollziehbar sein wird. Wir werden aber im Budgetausschuß eine ernsthafte Diskussion darüber führen. Ich könnte mir vorstellen, daß wir zumindest bis Ende August, also noch vor der Budgetdebatte, tatsächlich über das Rechenwerk des Rechnungsabschlusses verfügen könnten. Auch damit wäre schon einigermaßen geholfen.

Ihr Anliegen ist grundsätzlich ein gutes. Der Termin 31. Mai wird sich aber wahrscheinlich aufgrund der Vielzahl von Einzelstellen, die koordiniert werden müssen, nicht einhalten lassen, wenngleich ich von vornherein sage: Sollte es eine Möglichkeit geben, dann wäre es uns natürlich lieb und recht, den 31. Mai einzuhalten. Wir sind auf jeden Fall für Ihr Anliegen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

14.38

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Haselsteiner! Auch wir Freiheitlichen stehen diesem Ansinnen einer Reform des Rechnungshofgesetzes und des Geschäftsordnungsgesetzes positiv gegenüber. Ich glaube auch nicht, daß die Bedenken, daß der 31. Mai ein Zeitpunkt sei, bis zu welchem es unmöglich ist, den Rechnungsabschluß zu erstellen, wirklich aufrechterhalten werden können.

Herr Kollege Mühlbachler! Man muß doch darauf hinweisen, daß wir allen anderen Kaufleuten in dieser Republik, zum Beispiel Geschäftsführern von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sehr wohl gesetzlich auftragen – und zwar seit neuestem durch die Einführung neuer Bestimmungen auch bei der GesmbH –, in den ersten fünf Monaten des Jahres den Jahresabschluß des Vorjahres fertigzustellen. Diese Frist kann nur auf maximal sieben Monate verlängert werden.


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Das, was man den sogenannten Normunterworfenen dieser Republik zumutet, muß wohl auch für den Rechnungsabschluß des Bundes gelten. (Beifall des Abg. Böhacker. ) Ich meine, das wäre ein Gebot der Fairneß gegenüber all jenen Bürgerinnen und Bürgern, die als Geschäftsführer unter Androhung von Strafen, wie sie das Insolvenzrechtsänderungsgesetz vorsieht, diese Fünfmonatsfrist beziehungsweise die Siebenmonatsfrist, die maximal zur Verfügung steht, einzuhalten haben.

Ich meine, es wäre für den Bundesminister für Finanzen sinnvoll und eine Hilfestellung, wenn die Erstellung des Rechnungsabschlusses beschleunigt vonstatten ginge, weil der Herr Bundesminister immer wieder betont hat, daß er das Budget auch sanieren möchte, indem er einen sehr strikten Budgetvollzug beabsichtigt. Dieser strikte Budgetvollzug kann nur mit Zahlen aus der jüngsten Vergangenheit untermauert werden, und diese Zahlen sollten ihm so rasch wie möglich zur Verfügung stehen und auch hier im Hohen Haus diskutiert werden können.

Ich bin auch der Meinung, Herr Kollege Gartlehner – er ist im Moment leider nicht im Saal –, daß wir uns im Budgetausschuß einmal über eine Reform unterhalten sollten, die hoch an der Zeit ist. Der Budgetausschuß sollte meiner Ansicht nach zu einem Haushaltsausschuß umgestaltet werden, wie ihn etwa der Deutsche Bundestag kennt. Dadurch könnte eine noch viel effizientere Begleitung des Rechnungswesens des Bundes und des Budgets erfolgen.

Wir Freiheitlichen stehen den Verhandlungen und den Änderungen des Rechnungshofgesetzes 1948 und des Geschäftsordnungsgesetzes 1975, die mit diesem Antrag angesprochen werden, auf jeden Fall positiv gegenüber. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Wabl vor. – Der Herr Abgeordnete ist allerdings nicht im Saal, damit ist die Wortmeldung verfallen.

Die Rednerliste ist erschöpft. – Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 415/A dem Budgetausschuß zu.

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (609 der Beilagen): 4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle (663 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen daher in die Debatte ein.

Die erste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Mag. Trattner vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

14.42

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erledigung der Tagesordnung erfolgt offensichtlich zu rasch, sodaß der Finanzminister noch nicht hier ist. – Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt grundsätzlich darum, eine Investition beim Konferenzzentrum in der Größenordnung von 100 Millionen Schilling zu tätigen. Begründet wird die Notwendigkeit dieser Investition mit der fünfmaligen Abhaltung des Radiologenkongresses mit jeweils etwa 10 000 Teilnehmern. Darüber hinaus gibt es in dieser Regierungsvorlage keine Begründung für diese Investition.

Wir kennen die Situation: Es hat über das Konferenzzentrum ein Volksbegehren mit knapp 1,4 Millionen Unterschriften gegeben. Es hat einen Rechnungshofbericht gegeben. (Abg. Ing. Meischberger: Der Finanzminister hat keine Zeit! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Der Herr Finanzminister ist nicht hier, da die Erledigung der Tagesordnung sehr


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rasch erfolgt. (Neuerlicher Zwischenruf bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss  – in Richtung Freiheitliche –: Laßt den Trattner doch reden! – Abg. Dr. Nowotny: Immer müssen sie stören! – Abg. Ing. Meischberger: Wir wollten niemanden aufwecken!)  – Herr Kollege Nowotny wird meine Ausführungen dem Herrn Finanzminister übermitteln, nehme ich an.

Es geht darum, daß im Geschäftsbericht 1995 der IAKW AG dezidiert steht, daß dieses Unternehmen nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt werden soll. Wenn wir aber nach kaufmännischen Gesichtspunkten vorgehen und ein Investitionsprojekt in einer Größenordnung von 100 Millionen Schilling vorliegt, dann erwarten wir uns entsprechende Unterlagen darüber, wie es sich für einen ordentlichen Kaufmann gehört und wie das vorstellbar ist.

Ich verstehe den Herrn Finanzminister nicht, denn immerhin wurde diese Vorlage beziehungsweise dieses Ansinnen von seinem Vorgänger abgelehnt, weil es offensichtlich keine entsprechenden Unterlagen gegeben hat. Nun hat er aber anscheinend doch seine "Wiener Seele" durchkommen lassen und versucht, dieses Projekt durchzudrücken.

Als wir im Ausschuß das Projekt hinterfragt haben – ich betone, wir sind nicht prinzipiell gegen dieses Projekt, sondern es geht uns grundsätzlich darum, daß wir entsprechende Unterlagen darüber haben wollen, wie dieses Projekt finanziert wird beziehungsweise wie es sich rechnet –, haben wir keinerlei Informationen erhalten. Die einzige Information, die wir erhalten haben, war, daß es eine gewisse Umwegsrentabilität gibt, und wenn wir diese Investition nicht durchziehen, dann verlieren wir den Radiologenkongreß. – Also, das kann es doch wirklich nicht sein! Da verstehe ich auch die Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei nicht, die vielen Kollegen aus dem Wirtschaftsbund, die auch Rechnen gelernt haben, so hoffe ich wenigstens.

Meine Damen und Herren! Wir haben über ein Investitionsobjekt in der Größenordnung von 100 Millionen Schilling zu entscheiden, und es liegen keine entsprechenden Unterlagen über die Ertragserwartungen vor. In Kenntnis der Tatsache, daß es sich um ein Unternehmen handelt, das jährlich 128 Millionen Schilling Verlust einfährt, und daß diese 128 Millionen Schilling seitens des Bundes abgedeckt werden müssen, wird zum Beispiel auch überhaupt nicht nach wirtschaftlichen Kriterien untersucht, ob der Pachtschilling in der Größenordnung von 91 Millionen Schilling an die Gemeinde Wien, die der Vertreter der Österreichischen Konferenzzentrum Gesellschaft ist, gerechtfertigt ist. Angesichts all dessen muß ich Ihnen sagen: Ich verstehe wirklich die Welt nicht mehr, ich verstehe nicht, nach welchen Kriterien man da entscheiden soll.

Der Herr Finanzminister – es tut mir wirklich leid, daß er nicht hier ist – sitzt zum Beispiel in der ERP-Kommission. Auch in dieser Kommission werden Kreditanträge auch in kleinerem Rahmen nur aufgrund entsprechender Unterlagen bearbeitet, entschieden und genehmigt.

Hier geht es nun um eine Vorlage in der Größenordnung von 100 Millionen Schilling, und zwar ohne betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Man ignoriert auch einfach den Prüfungsbericht des Rechnungshofes aus dem Jahr 1991, in dem dezidiert erklärt wird, daß es bei den Unterlagen keine Entscheidungskriterien hinsichtlich dessen gegeben hat, wie das Projekt geplant wird, wie das Projekt finanziert wird, wie das Projekt fertiggestellt wird und wie die weitere Betriebsführung aussehen soll.

Der Rechnungshof ist doch immerhin das Rechnungsprüfungsorgan der obersten Organe beziehungsweise des Bundeshaushaltes. Es ist doch nicht so, daß man die Ergebnisse der Prüfungen, nachdem der Prüfbericht an das Hohe Haus gelangt ist, wieder vergessen soll, sondern man sollte sich das Prüfungsergebnis doch ein bißchen zu Herzen nehmen und nach den Kriterien, die der Rechnungshof vorschlägt, dann auch vorgehen! Diesbezüglich verstehe ich Sie wirklich nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Rechnungshof hat damals dezidiert erklärt, daß eine allfällige Bereitstellung weiterer Ausstellungsflächen nur unter der Voraussetzung in Angriff genommen werden soll, daß die dafür notwendigen Investitionen innerhalb absehbarer Zeit nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erwirtschaftet werden können. Hinweise auf eine sicherlich gegebene Umwegrentabilität sollten für den Vorstand der IAKW nicht ausschlaggebend sein. Der Rechnungshof vermißte


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außerdem eine klare und nachvollziehbare Begriffsbestimmung für den Erfolg, an dem die Leistung der IAKW als Betriebsführungsgesellschaft zu messen gewesen wäre.

All das sind Tatsachen, Grundlagen, die man bei der Entscheidung einfach nicht berücksichtigt. Der vorige Finanzminister hat gesagt: Ich entscheide das nicht, diese Investition von 100 Millionen Schilling ist nicht begründet. – Der jetzige Finanzminister vertritt offensichtlich stärker die Interessen der Gemeinde Wien und sagt: Wir finanzieren das. (Abg. Böhacker: Wo ist denn der Finanzminister? Er ist gar nicht da! – Ruf: In der Cafeteria!)

Es geht in dieser Auseinandersetzung nicht darum, gegen den Konferenztourismus einzutreten – auch wir sind selbstverständlich für den Konferenztourismus –, sondern es geht darum, daß man von den konkreten Zahlen im Jahr 1995 beziehungsweise 1996 ausgehen muß.

Die durchschnittliche Zahl der Kongreßteilnehmer lag lediglich zwischen 250 und 400 Personen. Und es gibt keine Notwendigkeit, Ausstellungsflächen in der Größenordnung von 100 Millionen Schilling zu projektieren beziehungsweise zu planen und zu errichten, wenn die entsprechenden Voraussetzungen betriebswirtschaftlicher Natur nicht gegeben sind.

Daher werden wir Freiheitlichen einen Antrag einbringen, in dem gefordert wird, daß der Nationalrat eine Unterlage bekommt, die eine klare betriebswirtschaftliche Beurteilung dieses Projektes beinhaltet.

Weiters stellen wir den Antrag, die Regierungsvorlage 609 der Beilagen an den zuständigen Ausschuß rückzuverweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Abstimmung über den soeben eingebrachten Antrag wird nach Erschöpfung der Rednerliste erfolgen.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Eder vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Böhacker: Wo ist der Finanzminister? Er läßt auch Herrn Kollegen Eder im Stich!)

14.50

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Ing. Reichhold: Wo ist der Finanzminister?) Die heute zur Beschlußfassung anstehende Novelle bedeutet für Österreich – insbesondere natürlich für Wien – wesentlich mehr als den bloßen Bau einer Ausstellungshalle in der Nähe des Konferenzzentrums.

Um hier keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, Herr Kollege Trattner: Selbstverständlich baut die Entscheidung der Unternehmensorgane auf einer entsprechenden Wirtschaftlichkeitsberechnung auf; das ist keine Frage. Es kann demnach davon ausgegangen werden, daß sich die Kostendeckung durch dieses Zusatzprojekt – Sie haben gesagt, daß es 128 Millionen Schilling Verlust gebe – verbessern wird. (Abg. Ing. Reichhold: Wir warten auf seinen Vorgänger!)

Es geht aber auch darum, den derzeitigen Rang Wiens als Kongreßstadt abzusichern. Immerhin reiht die Union of International Association Wien derzeit an die zweite Stelle hinter Paris, also sogar noch vor London, Brüssel und Genf – das sollte man auch einmal hier feststellen. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß das Austria Center so wie etwa das International Convention Center in Birmingham, das Kongreßzentrum Hamburg oder das Akropolis in Nizza als Mehrzweckzentrum angelegt ist und somit die Möglichkeit einer Streuung der Veranstaltungen gegeben ist. Neben Konzerten bieten sich hiebei vor allem auch Produktpräsentationen, zum Beispiel in Verbindung mit internationalen Großkongressen, an.

Meine Damen und Herren! Insgesamt wurden von der Eröffnung des Austria Center Vienna im April 1987 bis Ende 1996 nicht weniger als 1 437 Veranstaltungen verschiedenster Art, Größe und Dauer durchgeführt. In Summe waren 2 Millionen Besucher, davon 365 000 aus dem Ausland, zu verzeichnen. (Abg. Mag. Schreiner: Das müssen Sie dem Finanzminister erzählen!) Die Betriebsleistung konnte im Jahre 1995 gegenüber 1994 um fast 47 Millionen Schilling


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gesteigert werden, wozu insbesondere die Abhaltung des Europäischen Radiologenkongresses wesentlich beigetragen hat. (Abg. Böhacker: Haben Sie einen Streit mit dem Finanzminister?) – Nein, habe ich nicht. Außerdem sind ihm diese Zahlen bekannt, sonst hätte er diese Regierungsvorlage ja nicht eingebracht.

Meine Damen und Herren! Der Kongreßtourismus – das werden Sie zugeben; das hat sogar Kollege Trattner getan – ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor geworden, der Tausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Beschäftigung bietet und damit deren Einkommen sichert. Der Kongreßtourist gibt in der Regel am Kongreßort wesentlich mehr als der "normale" Tourist aus. Erfahrungswerte haben überdies gezeigt, daß auf 100 Kongreßteilnehmer bis zu 60 Begleitpersonen kommen. Ein nicht unerheblicher Teil der Kongreßteilnehmer verlängert außerdem seinen Aufenthalt am Kongreßort oder besucht andere österreichische Bundesländer.

Wenn daher manche Politiker einerseits über die derzeitige Lage im heimischen Tourismus jammern und neue Impulse fordern, andererseits aber dann derartige Impulse wie etwa die zu errichtende Ausstellungshalle ablehnen, wird die Tourismuswirtschaft das sicherlich mit Interesse zur Kenntnis nehmen. (Abg. Böhacker: Was halten Sie von einer Kosten-Nutzen-Rechnung?)

Ich darf die Damen und Herren von den Freiheitlichen in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß zum Beispiel die Wiener Tourismuskommission, in der sie vertreten sind, die Notwendigkeit der gegenständlichen Ausstellungshalle in einer Resolution betont hat. Die freiheitliche Fraktion sollte eben den Kontakt mit den Wienern wieder ein bißchen intensivieren.

Hinzu kommt, daß durch die Termingestaltung von Großkongressen auch die touristische Nebensaison belebt und die Auslastung deutlich gesteigert werden kann. Damit werden zusätzliche Ganzjahresarbeitsplätze geschaffen beziehungsweise abgesichert. Und wir können es uns schon allein aus der Sicht der Beschäftigten nicht leisten, solche Kongresse zu verlieren beziehungsweise nicht zu akquirieren.

Hinsichtlich der Finanzierung ist überdies festzuhalten, daß eine budgetäre Vorsorge für den Kostenersatz betreffend die neue Ausstellungshalle nicht erforderlich ist und die Stadt Wien sich zudem gegenüber dem Bund verpflichten muß, zu den Kosten der Planung und Errichtung der Ausstellungshalle nach Maßgabe des Baufortschrittes einen Beitrag von 35 Prozent zu leisten.

Wir werden daher der gegenständlichen Regierungsvorlage selbstverständlich unsere Zustimmung geben. (Abg. Böhacker: Tatsächlich?)  – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Stadler vor. – Herr Abgeordneter, nach 5 Minuten müßte ich Sie zwecks Aufrufung der Dringlichen Anfrage unterbrechen. Ich stelle daher die Uhr auf 5 Minuten ein.

14.55

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Es wird mir möglich sein, diese Regierungsvorlage auch in 5 Minuten abzuhandeln.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Nach den geltenden, aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes in Kraft befindlichen Richtlinien hat das Finanzministerium bei jedem Gesetz die budgetären und finanziellen Auswirkungen – das sind ja andere als die budgetären Auswirkungen – sowie die Kosten, die mit dem Gesetz selbst verbunden sind, anzugeben. Es wurde uns im Geschäftsordnungsausschuß von Vertretern der Regierungskoalition – allen voran vom hochgeschätzten Herrn Professor Nowotny, der sich besonders gerne als Musterschüler hervortut – erläutert, welch "großartigen" Apparat die Regierung habe, um jedes Gesetz hinsichtlich seiner budgetären, finanziellen und kostenmäßigen Auswirkungen darzustellen. – Herr Professor, wo sind diese Kosten in diesem Fall? (Abg. Dr. Haselsteiner: 100 Millionen!)

Der Finanzminister ist nicht in der Lage dazu! Wo ist die Auflistung der Kosten? – Herr Professor und Musterschüler, gehen Sie mich nicht verpetzen, ich frage Sie jetzt: Wo sind die


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Kosten, die der Herr Finanzminister anzugeben hat? (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. ) Herr Professor, können Sie mir helfen? Wo sind die Kosten? Kollege Trattner hat Ihnen ausführlich dargelegt, daß diese Regierung nicht in der Lage ist, ihre eigenen Richtlinien in bezug auf die budgetären Kosten einzuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein derartiges Gesetz, das nicht einmal den eigenen Richtlinien entspricht, ein Entwurf, vom Finanzminister dem Hohen Haus vorgelegt, wird hier im Plenum von uns nicht weiter debattiert werden. Die Regierung soll sich an das halten, was sie selbst verordnet, und nicht nur versuchen, der Opposition etwas Ähnliches bei Zusatz- und Abänderungsanträgen, Herr Kollege Khol, sowie Entschließungsanträgen zu oktroyieren. Ich werde Ihnen und den Genossinnen und Genossen von der sozialdemokratischen Fraktion das bei jeder Regierungsvorlage, die Sie ins Haus bringen, vorführen, um Ihnen zu zeigen, wie wenig ernst es Ihnen in Wirklichkeit mit der Kostenberechnung ist, sondern daß es Ihnen nur darum geht, die Opposition zu knebeln.

Daher stelle ich namens meiner Fraktion folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner, Ing. Mag. Erich L. Schreiner, Hermann Böhacker und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (609 der Beilagen): 4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle (663 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen einem Monat die dem Vorstand der IAKW vorliegende Wirtschaftlichkeitsberechnung der Investition in Höhe von 100 Millionen Schilling vorzulegen."

*****

Meine Damen und Herren! Wenn Sie Ihre eigenen Ankündigungen, Ihre eigene Motivation, angeblich zu mehr Kostentransparenz, zu mehr Kostendisziplin in der Budgetentwicklung zu kommen, einhalten wollen und ernst nehmen, dann werden Sie heute diesem Antrag mit Begeisterung zustimmen. Herr Kollege Khol! Wenn Sie das nicht tun, dann brauchen Sie mit uns bezüglich der Geschäftsordnung gar nicht mehr zu reden, denn dann ist es Ihnen nicht wirklich ernst mit der Kostenwahrheit, der Kostentransparenz und der Kostenbegrenzung. Bringen Sie doch Ihrem Finanzminister bei, daß er sich an das Gesetz und an seine eigenen Richtlinien hält! – Herr Kollege Khol, nicht einschlafen! Sind Sie müde? (Abg. Ing. Meischberger: Eine Angelobung! Das ist etwas anstrengend!)

Ist schon klar. Minister Bartenstein bemüht sich wieder, Bundesparteiobmann der ÖVP zu werden, das kann er aber nur, wenn er die Regierung verläßt, denn da hat er die größeren Chancen. (Ironische Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daneben schläft der Möchtegern-Obmann der Österreichischen Volkspartei, Klubobmann Khol, schon fast ein und ist käsebleich, weil ich ihm die fehlenden Kostenberechnungen vorhalte. Die sind nicht in diesem Gesetz, Herr Kollege Khol. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Lieber Bruder Andreas (Heiterkeit), Sie müssen diesem Antrag zustimmen, wenn Sie Ihre eigenen Ankündigungen ernst nehmen, und vor allem, wenn Sie die Regierung wirklich zu mehr Kostendisziplin bringen wollen. Wenn Sie das nicht tun, dann werden wir heute sehen, daß in Wirklichkeit von Ihren Ankündigungen bezüglich der Geschäftsordnung nichts zu halten ist und wir daher weiterhin gut beraten sein werden, mit Ihnen keine Geschäftsordnungsverhandlungen zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.59


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der soeben den Vorsitz beendet habende Präsident, Kollege Brauneder, hat mir mitgeteilt, daß der vorliegende Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht wurde. Er steht somit mit in Verhandlung und wird am Ende der Beratungen zur Abstimmung gebracht.

Ich unterbreche nun die Beratungen über den 5. Punkt der Tagesordnung.


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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Verrat von Arbeitnehmerinteressen (2303/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung der heute eingebrachten Dringlichen Anfrage, deren Beginn für 15 Uhr festgelegt wurde.

Da diese Anfrage inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Seit dem Wechsel an der Regierungsspitze haben sich die Anzeichen massiv verstärkt, daß die Bundesregierung angesichts der schwierigen Lage Österreichs ihre schon bisher hilflose Wirtschafts- und Sozialpolitik nunmehr gänzlich eingestellt hat und in tiefe Resignation verfallen ist.

Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung werden nur noch alibihaft angekündigt, ohne daß wirklich konkrete Maßnahmen folgen. Im Bereich der Bauwirtschaft stellt sich heraus, daß Bauvolumina in Milliardenhöhe immer wieder unter verschiedenen Namen angekündigt werden, ohne daß wirklich Nennenswertes bewegt wird.

Die resignative Haltung der Bundesregierung zeigt sich daran, daß auch die Debatte zur Arbeitszeitflexibilisierung offenbar nur noch unter dem Motto ,noch Ärgeres verhindern‘ geführt wird und bei der Durchführung der Maßnahmen auch massive Einkommenseinbußen der Arbeitnehmer und der Abbau sozialer Standards in Kauf genommen werden.

Die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Mag. Klima unterstreichen diesen Weg: Er fordert Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich, dies sei gelebte Solidarität.

Im Mittelpunkt steht demnach nicht mehr die Schaffung von Beschäftigung, sondern die mechanistische Vorstellung, daß eine bloße Umverteilung der Arbeitszeit auf eine größere Zahl von Beschäftigten alle Arbeitsmarktprobleme zu lösen vermag. Es liegt auf der Hand, daß ein derartiges defensives Konzept nicht geeignet ist, das erreichte Einkommensniveau der Österreicherinnen und Österreicher zu sichern, sondern sich als Einbahnstraße in ein Niedriglohnland Österreich erweisen wird.

Der von Klima ins Spiel gebrachte Vorschlag einer ,Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich‘ stößt bei einzelnen Gewerkschaftsfunktionären auf Widerstand. So heißt es, ,Klimas Lohntütengriff‘ sei ,inakzeptabel und kurzsichtig‘. Die SPÖ sei ,für die Sicherung von Arbeitnehmerinteressen zuständig und nicht für deren Demontage‘.

Darüber hinausgehende Äußerungen oder Handlungen der Gewerkschaftsspitze sind jedoch bisher unterblieben. Offenbar wird die Politik des erzwungenen Lohnverzichtes der Arbeitnehmer vom ÖGB mitgetragen. Auffallend ist auch das absolute Schweigen der ÖVP, das für sich spricht.

Die unterfertigten Abgeordneten richten angesichts dieses gefährlichen Weges an den Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Trifft es zu, daß Sie der Auffassung sind, daß Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich die gelebte Solidarität der neunziger Jahre ist?

Wenn ja, weshalb?

Wenn nein, wie erklären Sie sich dieses Mißverständnis?

2. Auf welche Studien bzw. auf welche Erwägungen gründen Sie die Auffassung, daß Arbeitszeitverkürzungen als vorrangiges Mittel zur Bekämpfung der steigenden Arbeitslosigkeit geeignet sind?

3. Beabsichtigen Sie in diesem Zusammenhang eine Änderung der gesetzlichen Regelungen?

Wenn ja, welche Maßnahmen sind konkret geplant?

4. Wie begründen Sie Ihre Forderung, die Arbeitnehmereinkommen im Zusammenhang mit Arbeitszeitverkürzungen zu senken?

5. Sind Sie der Auffassung, daß die Arbeitnehmereinkommen in Österreich zu hoch sind?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, wie können Sie damit Ihre Forderung nach einer Senkung der Arbeitnehmereinkommen vereinbaren?

6. Sind Ihnen die einschlägigen Studien über die Armut in Österreich bekannt?

Wenn ja, wie können Sie es verantworten, trotz Kenntnis dieser Zahlen einen Lohnverzicht als gelebte Solidarität zu bezeichnen?

7. Welche konkreten Maßnahmen zur Senkung der Arbeitnehmereinkommen plant die Bundesregierung?

Wenn keine, wie sind dann Ihre Äußerungen zur Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich zu verstehen?

8. Sind Sie der Auffassung, daß sich die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung für das Investitionsklima in Österreich günstig auswirken wird?

Wenn ja, aufgrund welcher Erwägungen?

9. Trifft es zu, daß Sie bezüglich einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich bereits Gespräche mit den Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geführt haben?

Wenn ja, mit wem und mit welchem Ergebnis?

10. Ist es richtig, da Sie diesbezüglich auch mit dem Koalitionspartner ÖVP bereits Verhandlungen geführt haben?

Wenn ja, mit wem und mit welchem Ergebnis?

11. Welche Auswirkungen auf die Arbeitnehmereinkommen werden die bereits beschlossenen Maßnahmen im Bereich der Arbeitszeitflexibilisierung voraussichtlich aufweisen?

12. Entspricht das Vorhaben, für Nachtarbeit künftig nur noch Zeitzuschläge zu gewähren, dem von Ihnen skizzierten Ziel einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich?

13. Sie haben gefordert, daß man sich auch in der Politik an die Kategorie des Abschaffens gewöhnen müsse.


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a) Wie ist diese gefährliche Drohung im Bereich der Arbeitnehmereinkommen zu verstehen?

b) An welche weiteren konkreten sozialen Standards denken Sie in diesem Zusammenhang, und wann soll mit dem Abschaffen begonnen werden?

14. Können Sie ausschließen, daß neben der von Ihnen in Aussicht genommenen Senkung der Arbeitnehmereinkommen auch weitere Einkommensverminderungen durch Änderungen im Steuerrecht eintreten werden?

Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen zur weiteren Senkung der Arbeitnehmereinkommen sind im Steuerrecht geplant?

15. Planen Sie insbesondere Änderungen bei der Besteuerung des 13. und 14. Bezuges?

Wenn ja, welche?

16. Ihr Amtsvorgänger Dr. Vranitzky hat angekündigt, daß der Verkaufserlös aus dem OeNB-Anteil des Vorwärts-Verlages in eine Stiftung zur Förderung von Jungarbeitern eingebracht wird.

Wurde der gesamte bisher erzielte Verkaufserlös in diese Stiftung eingebracht und wird auch der gesamte Erlös des Verkaufes an eine Bank-Austria-Tochtergesellschaft noch eingebracht werden?

Wenn ja, welcher Betrag wurde bzw. wird noch in die Stiftung eingebacht?

Wenn nein, welcher Betrag wurde bzw. wird noch in dieser Stiftung eingebracht, weshalb wird bzw. wurde nicht der gesamte Verkaufserlös in die Stiftung eingebracht, und für welche anderen Zwecke wird der Verkaufserlös ganz oder teilweise verwendet?

17. Wann wurde diese Stiftung gegründet?

18. Wie können Sie es mit Ihrer Forderung nach Lohnverzicht der Arbeitnehmer vereinbaren, daß die bevorstehende Neuregelung der Politikerbezüge eine erhebliche Erhöhung der Einkommen zahlreicher Mandatare vorsieht?

19. Planen Sie für jene geschützten Bereiche, wie z.B. die OeNB, die weit überdurchschnittliche Einkommensverhältnisse aufweisen, vor dem Hintergrund Ihrer Forderung nach Lohnverzicht ähnliche Maßnahmen?

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen sind geplant und wann sollen sie umgesetzt werden?

Wenn nein, warum nicht?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 der GOG-NR vor Eingang in die Tagesordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Gaugg als erstem Anfragesteller das Wort. Redezeit: 20 Minuten. (Abg. Dr. Haider: Mach‘s gut bei der Jungfernrede! – Abg. Gaugg: Ist in Ordnung!)

15.00

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Verfolgt man die Aussagen von Bundeskanzler Klima und liest seine Pressemeldungen, kann man eines deutlich erkennen: Die wirtschaftliche Talfahrt in Österreich geht weiter. Es darf doch nicht wahr sein, daß nach der Einführung des Belastungspaketes mit der Erhöhung von Tarifen und Gebühren und weiteren Preiserhöhungen auf dem Energiesektor nunmehr wieder eine Gruppe ganz besonders belastet wird, nämlich die Arbeitnehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundeskanzler! Sie waren vorher Finanzminister, kennen also die Berichte über die Armut in Österreich und die verfehlte Wirtschaftspolitik in der verstaatlichten Industrie sehr genau. Sie wissen um die Nöte der Sozialversicherungen und Gebietskrankenkassen. – Trotzdem verkünden Sie in der Öffentlichkeit: Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich! (Bundeskanzler Mag. Klima: Nein! – Abg. Mag. Stadler: Das haben Sie gesagt! Die Gewerkschaft ist Ihnen böse!) Das heißt, daß Sie sich mit dieser Maßnahme völlig vom sozialdemokratischen Gedanken verabschiedet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher richten wir heute diese Dringliche Anfrage an Sie. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist – im Wissen, daß Österreich bezüglich Wirtschaftswachstum heute das Schlußlicht in Europa bildet – einfach zu wenig, nur mit Defensivkonzepten zu agieren. Wir erwarten uns eine klare Strategie und Lösungsansätze für die Fragen im Arbeitnehmerbereich.

Es ist schon als Zynismus zu bezeichnen, wenn Sie heute auf die Anfrage des Dr. Haider antworten, daß auch "wir Politiker sparen". – Das ist wirklich ein Hohn! (Abg. Dr. Haider: Jawohl!) Es wird eine Gehaltspyramide erfunden, nach der der Herr Bundeskanzler schlagartig 1 Million Schilling mehr verdient. Nun verstehe ich auch, daß das Parlament die Pyramidenspiele verboten hat, denn in Wirklichkeit verlaufen diese Pyramidenspiele immer nach dem gleichen Muster: Einige wenige oben verdienen, der Rest unten darf zahlen! Daher lehne ich diese Pyramide mit aller Deutlichkeit ab! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Frau Kollegin Mertel! Sie kommen auch aus jenem Bundesland, das massiv unter dieser Regierungspolitik leidet, weil die Einkommen der Arbeitnehmer in Österreich ständig sinken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Wo ist Ihr Schreibtisch, Frau Dr. Mertel?)

Ich frage mich in diesem Zusammenhang: Was will denn der Herr Bundeskanzler einer Handelsangestellten mit einem Monatseinkommen von 10 000 S netto, die von sieben Uhr in der Früh bis neun Uhr am Abend arbeitet, noch wegnehmen? (Abg. Mag. Stadler: Herr Bundeskanzler! Wo ist Ihre Partei?) Was will er ihr noch wegnehmen? Was will er einem Fließbandarbeiter, der für ein Bruttogehalt von 80 oder 90 S in der Stunde arbeiten muß, noch wegnehmen? – Darauf möchte ich Antworten haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es freut mich, daß es nunmehr eine klare und deutliche Abgrenzung gibt. (Abg. Mag. Stadler: Schauen Sie sich das an! Was ist denn das für eine Arbeitnehmerpartei?) Von der SPÖ als Arbeitnehmerbewegung haben Sie sich mit diesem Verhalten und dem Motto "Weniger Arbeit – weniger Lohn" verabschiedet. (Abg. Mag. Stadler: Frau Mertel! Wo ist Ihre Partei?) Unter diesem Synonym steht für mich die SPÖ ab sofort.

Demgegenüber steht das Motto der Freiheitlichen Partei, der neuen Arbeitnehmerpartei, jetzt und in der Zukunft, nämlich "Steuern senken – Arbeit schaffen". (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich empfehle Ihnen dringend die Lektüre "Bündnis für Arbeit" oder den "Vertrag mit Österreichs Lehrlingen". Darin stehen jene Dinge, die umgesetzt gehören. Wie ist es denn zu dieser Situation gekommen? Warum müssen heute die Arbeitnehmer Belastungspakete schlucken? Wie ist die Entstehungsgeschichte?

Es hat in der Vergangenheit in einzelnen Bereichen eine übertriebene Geschenkpolitik gegeben – etwa bei der verstaatlichten Industrie, wo erst viel zu spät gehandelt wurde. Es gibt noch immer Privilegien in der E-Wirtschaft und in den Chefetagen der verstaatlichten Banken. Das alles passiert mit Duldung der Regierung, teilweise sogar mit deren Förderung. Und die ÖVP hat letztlich nur eines, und zwar mit großem Interesse, im Sinn, nämlich ein weiteres Mitglied im Vorstand der Bundesbahnen zu bekommen. (Abg. Mag. Stadler: So ist es!) Das sind die Bemühungen, die politische Mandatare dieser Republik, die in der Regierung sitzen, tätigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Folge davon ist, daß die Rahmenbedingungen für die heimische Privatwirtschaft nicht mehr stimmen. Wir erkennen das an der Schließung und Abwanderung von Betrieben und dem damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen. Herr Bundeskanzler Klima! Sie waren für die soziali


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stischen Funktionäre eine Art "Hoffnungsträger". Es gab ein erlöstes Aufatmen, als Altkanzler Vranitzky gegangen ist. (Abg. Mag. Stadler: Nach Albanien!) Dann sind Sie gekommen. Aber Sie haben sich innerhalb kürzester Zeit zum Demontage-Kanzler entwickelt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie demontieren die Rechte und die Einkommen der österreichischen Arbeitnehmer. Und statt Lösungen gibt es wieder neue Belastungen. Statt Zusammenarbeit – auch mit den Freiheitlichen – gibt es weiterhin Ausgrenzung. Es war die einzige deutliche Aussage von Ihnen: Mit denen nicht! (Abg. Gradwohl: Mit Ihnen sollen wir zusammenarbeiten?) Sie werden das solange tun, bis Sie eine Absage vom Wähler erhalten. Und ein ähnliches Spiel treibt auch der Österreichische Gewerkschaftsbund. (Abg. Dr. Mertel: Vier Buchstaben!) Sollen wir Ihnen das Ergebnis von Klagenfurt buchstabieren, von Metelko? (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als wir den ÖGB-Vertretern gegenübergesessen sind, habe ich gedacht, der alte Ostblock ist wiederauferstanden. Dieses Gefühl beschleicht einen, wenn man mit denen über die Zukunft und über die Probleme der Arbeitnehmer diskutiert. Man glaubt, man sitzt einer Organisation des ehemaligen Ostblocks gegenüber.

Die Verantwortlichen in der Gewerkschaft verlieren beinahe stündlich an Bedeutung! Ihre Freunde in Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark zum Beispiel haben einen Organisationsgrad von 80 Prozent und höher, Sie hatten einst 70 Prozent, jetzt haben Sie nur mehr 45 Prozent! (Zwischenruf des Abg. Nürnberger. ) Ich entnehme das Ihren eigenen Blättern, nicht den meinen. Es sind Ihre Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen: Sie haben noch 45 Prozent an Zustimmung. Gleichzeitig tun Sie aber noch immer so, als würde das Ganze an Ihnen irgendwie vorübergehen.

Präsident Verzetnitsch spricht bei jeder Gelegenheit mit anderer Zunge. (Abg. Sophie Bauer: So wie Sie!) Als Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes hat er sich bei einer Tagung im Mai 1995 vehement für die Senkung der Lohnnebenkosten ausgesprochen. Das ist wirklich hochinteressant: Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes fordert, wenn er für Europa spricht, das Senken der Lohnnebenkosten, wenn er aber in Österreich spricht, nennt er das eine "schlimme", "böse" Forderung der Freiheitlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In einem jüngst erschienenen Artikel meinte Präsident Verzetnitsch, Europa müsse endlich wieder Wirtschaftspolitik machen. – Stimmt! Ich stimme dem zu. Aber warum vergißt er dann auf Österreich? Österreich wird vergessen! Das soll er seinem Herrn Bundeskanzler mitteilen. Der Versuch, Lafontaine zu kopieren, der seinerzeit von der "Kunst des Teilens" gesprochen hat, ist ein bißchen schwach ausgefallen. Das muß ich mit aller Deutlichkeit sagen.

Der ÖGB war es auch, der die Österreicherinnen und Österreicher dazu bewogen hat, ohne Wenn und Aber für die EU und den Maastricht-Vertrag zu stimmen. Jetzt, da Sie merken, daß es "heiß" wird, distanzieren Sie sich davon und sagen, daß Sie bei der Regierungskampagne nicht mitmachen. Das ist eine schwache Sache! Die Diskussion zwischen Präsident Verzetnitsch und Herrn Fischler möchte ich hören, und zwar, welche Nachrichten er diesem zukommen lassen wird.

Der Mitgliederschwund des ÖGB ist darauf zurückzuführen, daß Sie nicht mehr auf die Wünsche Ihrer Kunden, der Arbeitnehmer, eingehen. Alle Belastungen, die die Regierung in den letzten Monaten und Jahren den Österreichern auferlegt hat, haben Sie ohne Wenn und Aber mitgetragen. Die Lohnsteuereinnahmen für den Fiskus waren so hoch wie noch nie. Es ist eine gewaltige Steigerung; das wissen Sie von der sozialdemokratischen Fraktion ganz genau. Wenn wir Freiheitlichen dann bei Verhandlungen mit dem ÖGB eine gemeinsame Initiative vorschlagen, um den Arbeitnehmern ihr Geld, das sie durch die kalte Progression verloren haben, zurückzugeben, sagen Sie: Nein, so schnell geht das nicht, wir brauchen erst einmal eine Reformkommission! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!)

Der Herr Bundeskanzler ist ja dafür bekannt, daß er zwar für alles und jedes eine Kommission und einen Arbeitskreis will, aber möglichst keine Entscheidungen! Ich empfehle ihm die Lektüre des "WirtschaftsBlattes" vom heutigen Tage. Darin kommt der in Pension gegangene General


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direktor Haiden zu Wort. Der Herr Generaldirektor hat ja für seinen nicht verbrauchten Urlaub 4,3 Millionen Schilling an Entschädigung bezogen, da er nicht auf Urlaub gehen konnte. Jedem Arbeiter, der nicht nach drei Jahren seinen Urlaub verbraucht hat, verfällt der Anspruch darauf. Haiden spricht sich im heutigen "WirtschaftsBlatt" für eine Stärkung der heimischen Wirtschaft durch Stärkung der Kaufkraft aus – und das klingt logisch. Wenn der Arbeitnehmer mehr Geld in der Tasche hat, ist er auch in der Lage, mehr auszugeben. Dafür sollten Sie sorgen und nicht ständig demontieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten nicht ständig die Schwächsten der Gesellschaft vernachlässigen! Auf die Jugend und auf die Senioren wird vergessen, weil sie keine Lobby haben. Wir werden uns auch dieser Menschen besonders annehmen!

Die Lösungen, die die Regierung für die Finanz- und Wirtschaftsprobleme anbietet, sind entweder halbherzig oder führen sogar so weit, daß wir uns international der Lächerlichkeit preisgeben, wie es bei den Autobahn-Vignetten geschehen ist. Das ist gelebte Regierungspolitik in Österreich! Das Sparpaket ist sozial unausgewogen, Proteste des ÖGB, Proteste der Arbeiterkammer und Proteste von Landespolitikern der Sozialdemokratischen Partei sind die Folge. – Aber es rührt sich nichts, weil vermeintlich alles bestens, alles klass ist und funktioniert hat!

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit hat laut Studien der Arbeiterkammer zu einem Kaufkraftverlust in Höhe von 10 Milliarden Schilling geführt. 10 Milliarden Schilling sind dadurch der Wirtschaft entzogen worden!

Oder denken Sie an die Energiesteuer: Seinerzeit war es die Idee, die Energiesteuer zur Senkung der Arbeitskosten einzuführen. Was aber geschieht jetzt mit den Einnahmen aus der Energiesteuer? – Man stopft damit Löcher im Staatshaushalt und gefährdet auf diese Weise in hohem Maße Arbeitsplätze! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor dem EU-Beitritt hat Frau Ederer – das habe ich noch im Ohr – eine Ersparnis von 1 000 S im Monat versprochen. Jetzt haben wir es amtlich: Es war eine glatte Lüge, was sie uns versprochen hat. 1 000 S Ersparnis im Monat hat sie versprochen, amtlich bestätigt werden jetzt 20 Prozent dieses Betrages. Angeblich beträgt die Ersparnis 200 S, und das ist längst von der Inflation aufgefressen worden. Die Gebührenerhöhungen, die Sie beschlossen haben, haben das wettgemacht.

Es ist so weit gekommen, daß diese Regierung ein Belastungspaket präsentiert hat, in dem auch die Körperschaftsteuer enthalten war. Die Körperschaftsteuer-Regelung mußte vom Gericht aufgehoben werden, weil die Parlamentarier, die dieser Belastungsmaßnahme ihre Stimme gaben, nicht in der Lage sind, gesetzeskonforme Pakete zu schnüren. Die Korrektur durch das Gericht kostet den Finanzminister 1,7 Milliarden Schilling jährlich. Ich warte schon gespannt darauf, von wem er sich diese 1,7 Milliarden Schilling holen wird. Noch weiß er es nicht. (Abg. Mag. Stadler: Von den Arbeitnehmern!) Er wird versuchen, sich das Geld wieder einmal von den Arbeitnehmern zu holen. Wir werden uns aber vehement dagegen wehren, daß das noch einmal geschieht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn diese Regierung schon an kleinen Problemen wie der Vignette scheitert, frage ich mich: Lieber Herr Bundeskanzler, was werden Sie in der Frage der Währungsunion tun? Was werden Sie in der Frage der EU-Erweiterung tun? Was werden Sie für die wirtschaftliche Weiterentwicklung unserer Republik und aller Berufstätigen in unserem Land tun? Wo sind Ihre Beschäftigungsprogramme, und wo sind die Entlastungen bei den Arbeitskosten, die immer wieder versprochen, aber nie durchgeführt worden sind? Das interessiert die Öffentlichkeit besonders. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Bundeskanzler weiß genau, daß durch die Arbeitszeitverkürzung keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden. Neue Arbeitsplätze sind nur möglich durch die Schaffung von Arbeit. Das ist die Aufgabe, und das muß das Ziel aller politisch Verantwortlichen und Wirtschaftstreibenden in Österreich sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Folgendes sage ich an die Adresse derjenigen, die glauben, heute alles dem Kapital unterordnen zu können; man kennt das berühmte Schlagwort "Shareholder-value". Dazu kann ich nur sagen: Liebe Freunde, alles kann man nicht dem Kapital unterordnen! Es gibt eine hohe soziale Verantwortung. Wenn wir schon in einem gemeinsamen Europa leben, so möchte ich ein gemeinsames Europa der Bürger – und nicht ein Europa des Kapitals und der Konzerne! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines unserer Probleme besteht darin, daß wir nicht zuwenig Arbeit, sondern zuwenig bezahlbare Arbeit haben, weil in der Vergangenheit manchen Bereichen viel zu viele Geschenke gemacht wurden. Das betrifft auch den Bereich, aus dem der Herr Bundeskanzler kommt: die OMV, aber auch die E-Wirtschaft, die Oesterreichische Nationalbank und ähnliche mehr. Die Zeche dafür müssen alle fleißigen Berufstätigen – egal, ob Selbständige oder Unselbständige – in Österreich zahlen: vom Lehrling bis zum Pensionisten. Das ist die Wahrheit!

Die Regierung ist bei allen Sanierungsmaßnahmen gescheitert, sei es Semperit, sei es HTM, sei es Kästle oder sei es eine andere Firma. Alles ist danebengegangen! Aber wir, so scheinen Sie zu reden, können alle nichts dafür, wir sind zwar die Mächtigen in der Regierung und bestimmen in diesem Land alles, auch wenn irgendwo Vorstandsposten zu vergeben sind, aber wir können keinen Einfluß darauf nehmen, daß die Wirtschaft in diesem Land wieder funktioniert und floriert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Weiteres kann ich Ihnen mit auf den Weg geben: Die Mitarbeiter in den Banken und Versicherungen haben Angst. Sie werden von einer Regierung regiert, die es nicht verdient, so genannt zu werden. Man weiß genau, daß es mit der Abschaffung des Schillings zu einem Abbau des Mitarbeiterstandes im Bankenbereich kommen wird. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich jahrelang Betriebsratsvorsitzender war und heute noch mit den Betroffenen in Verbindung stehe. Das sind die Probleme, die die Menschen bewegen. Heute versichert man ihnen, daß alles gesichert ist – aber nach ein, zwei Jahren kann sich niemand mehr daran erinnern, und die Arbeitnehmer stehen dann auf der Straße. Dabei geht es um gutbezahlte Funktionen, und betroffen sind Mitarbeiter, die einen schweren Einbruch in ihrer wirtschaftlichen Lage hinnehmen müssen, wenn diese Politik nicht funktioniert. Die Politik funktioniert nur dann, wenn Fleiß und Tüchtigkeit einen hohen Stellenwert haben – und nicht das "richtige Parteibuch", das noch immer in allen Bundesländern einen Stellenwert hat. Es feiert dort fröhliche Urständ nach der Devise: Politisch bauen wir zwar ab, aber unsere Macht in diesen Wirtschaftsbereichen bauen wir aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die österreichischen Arbeitnehmer wollen gutes Geld für ihre fleißíge Arbeit. Wir brauchen eine Steuerentlastung für unsere Wirtschaft, damit es in unserem Land wieder zu Betriebsansiedlungen kommt. Nur dadurch kann die von Ihnen häufig in den Mund genommene Vollbeschäftigung garantiert werden. Eines bringt mich immer wieder zum Lachen: ÖAAB-Obmann Fasslabend ist einer, der stets von der Vollbeschäftigung redet. Es soll sie vollziehen, er soll sie zustande bringen! Er sitzt in der Regierung und hat dazu die Möglichkeit.

"Fairneß 2000" ist dem Bundeskanzler überreicht worden: Anscheinend hat er dieses Konzept in den Weinkeller mitgenommen, denn anders kann ich mir nicht erklären, warum die angestrebte Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten nicht umgesetzt wurde.

Wir brauchen eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik. Wir brauchen Wirtschaftswachstum, und wir brauchen Stabilität in diesem Land, damit das Vertrauen für Investitionen wieder geweckt wird. Wir brauchen ein investitionsfreundliches Klima. Diese Lösung erwarten sich die österreichischen Arbeitnehmer! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

15.18

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Gaugg! Ich werde mich bemühen, nach Ihrer Tour


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d’horizon von Klagenfurt bis zur Pension eines Generaldirektors auf das Thema zurückzukommen, das für uns im Hohen Haus und in der österreichischen Innenpolitik, aber auf jeden Fall für mich persönlich das zentrale und wichtigste ist: das Thema Beschäftigung, das Thema Arbeitsplätze und das Thema neue Vollbeschäftigung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ohne etwas beschönigen zu wollen, kann ich sagen – wir haben das in der Vergangenheit bewiesen –: Die Politik der österreichischen Bundesregierung und der österreichischen Sozialpartner hat dazu geführt, daß Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten sehr gut dasteht. Dafür haben die geschaffenen Rahmenbedingungen gesorgt, aber auch der hohe persönliche Einsatz zur Erhaltung von Unternehmen von Donawitz bis zu jenen im Gölsen- und Traisental.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit einem Beschäftigungsausmaß in der Höhe von über 3 Millionen unselbständig Beschäftigten, mit einer Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent und mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit nehmen wir in Europa eine hervorragende Position ein. Das ist bewiesene Politik und bewiesener Einsatz – und das sind nicht nur Büttenreden!

Klar und deutlich ist zu sagen, daß wir uns den Herausforderungen bewußt aktiv und gestalterisch stellen, welche die internationale Entwicklung, die Globalisierung der Wirtschaft und der zunehmende Wettbewerb für unser Land mit sich bringen.

Ich sage klipp und klar: Ich bin nicht dafür, in den Menschen die Hoffnung zu erwecken, wir würden durch Protektionismus, durch das Abschotten und Zusperren unseres Landes die Beschäftigung sichern können. Dafür sind wir viel zu stark in die Exportwirtschaft verflochten. Vielmehr brauchen wir aktive Wettbewerbspolitik in diesem Lande. Und daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich nicht nur am Parteitag, sondern auch hier in der Regierungserklärung festgestellt, daß wir auf mehreren Ebenen konsequent zu handeln haben.

Zunächst haben wir auf nationaler Ebene zu handeln. Es hat die österreichische Bundesregierung ein 9-Punkte-Programm vorgelegt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist kein Zufall, daß zum Beispiel die Arbeitslosenzahlen vom März 1997 besser sind als die vom März 1996, daß die Arbeitslosenzahlen vom Februar 1997 besser waren als die vom Februar 1996. Wir erleben sogar Verbesserungen in solch schwierigen Zeiten! Das ist das Ergebnis einer sehr konsequenten Politik mit konkreten nationalen Maßnahmen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen und die überdies sicherstellen, daß Unternehmen in Österreich, auch ausländische Unternehmen in Österreich weiterhin investieren und hier Zehntausende Arbeitsplätze erhalten oder schaffen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses 9-Punkte-Programm sieht vor, alles dafür zu tun, daß Österreich mit hochqualifizierter Infrastruktur wettbewerbsfähig erhalten wird: vom Straßennetz über das Bahnnetz und die Telekommunikation bis hin zur Energiewirtschaft. Wir werden alles unternehmen, um Österreichs wertvollstem Gut, der Ausbildung der Arbeitnehmer, weiterhin den erreichten hohen Standard zu erhalten. Mit dem verabschiedeten Lehrlingspaket oder auch in der Angelegenheit der Fachhochschulen sind zum Beispiel konkrete Maßnahmen ergriffen worden, um die Qualität der Ausbildung der Facharbeiter, des kaufmännischen Personals oder der Hochschulabsolventen in Österreich – unser wertvollstes Gut – auch in Zukunft sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nötig, daß wir uns mit einer Export- und Technologieoffensive sowie einer aktiven Arbeitsmarktpolitik am Ziel der neuen Vollbeschäftigung orientieren. Ich habe nie verschwiegen, daß wir dazu auch eine engagierte internationale Politik brauchen, eine Politik, die darauf abzielt, Mindestarbeitnehmerstandards in die Welthandelsabkommen aufzunehmen. Das Verbot von Kinderarbeit und Gewerkschaftsfreiheit sind unbedingte Voraussetzungen für den freien Welthandel. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das ist gut! Wir werden eine Größe in der Gewerkschaftsarbeit! Da werden wir gleich sozial, Herr Verzetnitsch!) Österreich wirkt dabei sehr


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engagiert. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wollen Sie mir zuhören? – Ich höre Ihnen dann auch zu.

Wir werden auch sehr engagiert darauf hinwirken, daß es zu einer Steuerharmonisierung kommt. Beendet werden muß der ruinöse Wettbewerb der Steuersysteme "nach unten", der automatisch dazu führt, daß die Finanzminister der einzelnen Länder immer mehr in Richtung indirekter Steuern und der Belastung von Arbeit gehen müssen. Wir werden eine Harmonisierung des Steuersystems erreichen, das diesen ruinösen Wettbewerb in Europa ausschaltet.

Wir werden auch sicherstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es zu einem international abgestimmten Währungssystem kommt, mit dem verhindert wird, daß nur die Spekulanten reich werden und produktives Kapital in Finanzanlageinvestitionen gelenkt wird – statt in Investitionen für Arbeit und Beschäftigung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wie ist das mit dem Eliasch?)

Sie haben vorhin die Funktion des Europäischen Gewerkschaftsbundes angesprochen. Ich halte es für sehr wichtig, daß in einer Zeit der offenen Märkte und des freien Wettbewerbes eine starke, solidarisch agierende Gewerkschaftsbewegung dafür sorgt, daß die Unternehmen nicht die einzelnen Nationalstaaten gegeneinander ausspielen können und dadurch nicht "eine Spirale nach unten" in Gang gesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Das ist sie ja nicht mehr!)

Eine Zusammenarbeit der Gewerkschaftsbewegungen auf europäischer Ebene ist das Ziel dieser Bundesregierung. Wir werden dafür sorgen, daß die europäischen Gewerkschaftsbewegungen nicht nur ein Informationsrecht, sondern auch ein Mitspracherecht bekommen, wenn es um Konzernentscheidungen geht, die nationale Grenzen überschreiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis dafür, daß die Arbeitnehmervertreter sagen: Wir wollen nicht nur eine Währungsunion haben, sondern wir wollen auch, daß dieses Europa eine Sozial- und Beschäftigungsunion wird. Ich habe volles Verständnis dafür, daß sie massiv – so, wie es die österreichische Bundesregierung getan hat – die Aufnahme eines Beschäftigungskapitels in den Europavertrag fordern. Wir haben dafür schon 14 Zustimmungen bekommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. 14 Zustimmungen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Sie haben unterschrieben, bevor Sie es durchgesehen haben! – Abg. Mag. Stadler: Zuerst unterschreiben Sie es, dann fordern Sie es!)

Eine österreichische Initiative, die schon 14 Zustimmungen hat! Sie werden sehen, daß zum Abschluß der Regierungskonferenz im Sommer dieses Jahres im neuen Europavertrag ein Beschäftigungskapitel enthalten sein wird. Die Tatsachen werden das beweisen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube aber, daß wir gemeinsam die Verpflichtung haben, uns mit dem Ziel der neuen Vollbeschäftigung auch im neuen Jahrtausend auseinanderzusetzen. Dazu gehört, daß wir zusätzlich zu diesen konkret dargelegten Maßnahmen und Strategien auch weiter in die Zukunft gerichtete Leitbilder und Visionen entwickeln. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß es zu diesen Leitbildern gehört, neue Formen von Arbeit über die bestehenden Bereiche Produktion, Handel und Dienstleistungen hinaus zu schaffen: Arbeit im Bereich der Sozial- und Pflegedienste und Arbeit, die heute noch als nicht marktfähige Arbeit gilt. Wir müssen also auch neue Arbeit schaffen. (Abg. Ing. Reichhold: Wer zahlt denn das?)

Zweitens werden wir unsere Bemühungen auf das Teilen von Arbeit fokussieren müssen. Daher habe ich ebenso deutlich gesagt, daß es ein Leitbild sein muß, die Lebensarbeitszeit – wenn auch nicht morgen und nicht in drei Jahren – insgesamt zu verkürzen. Das wird nicht durch eine Herabsetzung des Pensionsalters oder ähnliches geschehen, sondern es wird in Zukunft darum gehen, Produktivitätszuwächse zu einem Teil in Freizeit abzugelten, in zusammenhängende Freizeitblöcke, die man der Bildung, der Familie oder sonstigen privaten Wünschen widmen kann. Die Verkürzung der Lebensarbeitszeit, dieses Teilen von Arbeit ist ohne Zweifel ein


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visionäres Bild, wie es bereits in den letzten Jahrzehnten in Europa tatsächlich gelebt worden ist, um Arbeit zu schaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Gaugg! Ich möchte nun auf Ihre Fragen im einzelnen eingehen.

Zur Frage 1 verweise ich auf meine Vorbemerkungen und auf meine Einleitung. Dabei geht es, wie gesagt, um eine Vision: Es geht um die Verkürzung der Lebensarbeitszeit und um die Verteilung von Produktivitätszuwächsen. Es geht nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern es geht darum, daß im Sinne einer gelebten Solidarität Produktivitätszuwächse in Zukunft nicht nur in Geld, sondern auch in mehr Freizeit abgegolten werden können. Das ist die klare und einfache Wahrheit, die damit verbunden ist.

Zur Frage 2:

Herr Abgeordneter Gaugg! Sie sprechen von einem "vorrangigen Mittel". Ich habe immer davor gewarnt, den Eindruck zu erwecken, es gebe Wundermittel oder Patentrezepte. Solche gibt es nicht. Eines ist aber unbestritten, und das ist das Modell einer Beschäftigungspolitik für unsere Zeit. Unbestritten ist, daß in Europa in den letzten Jahrzehnten ein Zusammenhang zwischen Arbeitszeitverkürzung und Beschäftigung bestanden hat. Selbstverständlich ist es so, das kann niemand leugnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 3: Ein klares Nein.

Zur Frage 4: Diese Forderung habe ich nie gestellt.

Zur Frage 5: Ein klares Nein.

Zur Frage 6: Dazu gibt es eine Reihe einschlägiger Studien! Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen eine Liste von Schulmeister über Kühl, über Moser – und wie sie alle heißen – gerne übergeben, damit Sie das nachlesen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht darum – und ich möchte es noch einmal betonen –, daß wir hier mit einer vernünftigen, solidarischen Politik dafür sorgen, daß auch die Armut in Österreich, die Sie auch angesprochen haben, bekämpft wird; Sie kennen das Programm der Bundesregierung dazu.

Zur Frage 7: Es sind diesbezüglich keine Maßnahmen vorgesehen. Hier steht wieder einmal: "ohne Lohnausgleich". Ich habe das nie so gesagt. (Abg. Aumayr: Verzetnitsch hat dagegen gestimmt! – Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. ) Nein, bitte machen Sie sich doch die Mühe, das Gesamte zu lesen, dann werden Sie, wenn Sie fair sind, die richtigen Schlüsse ziehen.

Zur Frage 8 betreffend das Investitionsklima: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Beispiele zeigen, daß das Investitionsklima in Österreich insgesamt ein gutes ist. Das heißt aber nicht, daß wir an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen nicht weiterhin massiv arbeiten müssen.

Die Diskussion um eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es in ganz Europa. Seien wir doch ehrlich, es gibt in ganz Europa eine Diskussion über die Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Sie tun mit Ihrer Frage so, als ob das ein ganz absurdes österreichisches Phänomen wäre. (Abg. Mag. Stadler: Ihre Gewerkschaftsfunktionäre waren auch sehr erstaunt!)

Zur Frage 9: Nein, das trifft nicht zu.

Zur Frage 10: Nein, das trifft nicht zu. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Zur Frage 11 betreffend Arbeitszeitflexibilisierung: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die österreichischen Sozialpartner in der Vergangenheit bewiesen haben, daß sie in der Lage sind, faire Modelle mit einem ausbalancierten Interessenausgleich zwischen Arbeit


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nehmern und Arbeitgebern zu erarbeiten, was zum Beispiel beim Jahresarbeitszeitmodell im Bereich der Bauarbeiter bewiesen wurde. Ich bin überzeugt davon, daß das vor kurzem hier beschlossene Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung sicherstellt, daß kein Druck auf den einzelnen Arbeitnehmer ausgeübt werden kann, weil es einer kollektivvertraglichen Lösung bedarf, und ich bin sicher, daß es zu einer fairen kollektivvertraglichen Lösung in dieser Frage in den einzelnen Branchen kommen wird.

Der Bereich Metall/Gewerbe hat schon gezeigt, daß zum Beispiel Freizeitabgeltung von Überstunden, die Gewährung von längeren Freizeitblöcken und ähnliches mehr auch zum Wohle der Arbeitnehmer ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Also ein Begriff, sehr geehrter Herr Kollege ... (Abg. Mag. Stadler: Die wollen Geld verdienen für ihre Arbeit! Was wollen Sie einem, der 10 000 S verdient, noch wegnehmen? – Abg. Koppler: Du kennst nicht einmal den Kollektivvertrag! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Natürlich ist das branchenweise, Herr Kollege Stadler... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege Stadler! Natürlich muß das branchenweise und einkommensabhängig gestaltet werden. Man kann einer Ladnerin, die 7 000 S verdient, nicht mehr viel wegnehmen. Das ist selbstverständlich, Herr Kollege!

Zur Frage 12: Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.) Wollen Sie meine Antwort hören oder nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler! Ich glaube, es besteht die Voraussetzung, die Beantwortung fortzusetzen. – Bitte sehr.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (fortsetzend): Herzlichen Dank, Herr Präsident.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zur Frage 12: Sie sprechen hier von einem Vorhaben, die Nachtarbeit künftig nur noch durch Zeitzuschläge abzugelten. Ich kenne ein solches Vorhaben nicht.

Zur Frage 13, der Kategorie des Abschaffens: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie die demagogischen Verknüpfungen, die Sie herstellen, beiseite lassen und sich nur darauf konzentrieren, was in diesem Artikel wirklich damit gemeint ist, dann müssen Sie doch erkennen, daß ganz klar und deutlich ausgesagt wird, daß wir meiner Meinung nach einen starken und leistungsfähigen Staat brauchen, einen Staat, der auch in Zukunft verstärkt Aufgaben im Bereich des Sozialen und der Bildung übernehmen muß.

Das heißt aber, daß nicht immer neue Aufgaben dazukommen können, sondern daß man sich auch überlegen muß, wo der Staat Aufgaben an funktionierende private Märkte abgeben kann. Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel bringen: Es war nach dem Krieg in den letzten 40 Jahren nötig, daß der Staat aus seinem Budget ein Telefonsystem finanziert und entwickelt. Heute gibt es in diesem Bereich einen funktionierenden Markt. Die ausgegliederte Post ist genauso wie andere Wettbewerber dabei, sich dieser wichtigen Infrastruktur zu bedienen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, daß nicht mehr der Staat selbst diese Aufgabe übernehmen muß.

Ich hoffe, Sie treten jetzt nicht für eine Reverstaatlichung aller Aufgaben ein. Vielmehr müssen wir uns, um zukünftig den Staat leistungsfähig zu erhalten, mit den neuen wichtigen Aufgaben beschäftigen und in solchen Bereichen, wie ich jetzt beispielhaft einen genannt habe, daran denken, daß der Staat diese Aufgaben an einen funktionsfähigen privaten Markt abgibt. – Zu dieser Aussage stehe ich jederzeit.

Zur Frage 14: Herr Kollege, Sie wissen, daß die Steuerreformkommission einen klaren Auftrag hat, nämlich das Steuersystem so weiterzuentwickeln, daß die Arbeitnehmerkosten, die Lohnkosten entlastet werden und daß es eher in Richtung Belastung von Ressourcenverbrauch, nicht erneuerbarer Energien und ähnlichem mehr geht. (Abg. Dr. Haider: Das ist ein alter Hut!)

Zur Frage 15: Ich habe keine Überlegungen dazu.


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Zur Frage 16: Herr Kollege Gaugg! Ich bin überzeugt, Sie sind meiner Meinung, daß privatrechtliche Käufe und Verkäufe und Diskussionen innerhalb der Sozialdemokratischen Partei keine Angelegenheit der Vollziehung des Bundeskanzleramtes sind und daher auch nicht dem Interpellationsrecht unterliegen. (Abg. Dr. Krüger: Haben Sie etwas zu verbergen?) Das gleiche gilt ... (Abg. Dr. Haider: Das Nationalbankgesetz ist ein Aktiengesetz!)

Schauen Sie sich die Frage an: Es geht um die Frage, ob es Stiftungen gibt, welche Stiftungen es wofür gibt, und um ähnliches mehr. Also bei weitestgehender Interpretation kann ich hier schon klar und deutlich sagen, daß das kein Akt der Vollziehung des Bundeskanzleramtes ist.

Zur Frage 18: Ich glaube, ich habe schon in der Fragestunde ausführlich beantwortet, daß eine unabhängige Expertenkommission die Pyramidenvorschläge gemacht hat. Ich bin auch auf den Unterschied zwischen netto und brutto eingegangen. Weiters bin ich auch darauf eingegangen, was ich persönlich mit einem allfälligen Mehrbezug machen würde, und auf ähnliches mehr.

Ich hoffe, Sie haben in der Zwischenzeit auf Ihrem persönlichen Lohnsteuerzettel oder in Ihrer Steuererklärung nachgesehen und konnten sich davon überzeugen, daß auch Sie einen Beitrag zum Konsolidierungspaket wie jeder andere Österreicher und jede andere Österreicherin auch leisten. Wie gesagt: sonst hätten wir einen Fehler gemacht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 19: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, daß auf Beschluß der Präsidiale die Bezügeregelung auch die Oesterreichische Nationalbank umfaßt.

Ich hoffe, daß ich zusammen mit der Einleitung alle 19 Fragen ausführlichst behandelt habe. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Sie haben noch nichts gesagt, außer daß Sie mehr kassieren!)

15.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Wir gehen nunmehr in die Debatte des Gegenstandes ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Redezeiten jedes einzelnen maximal 10 Minuten betragen, die Gesamtredezeit der Fraktionen 25 Minuten.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider. Er hat das Wort.

15.39

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben in der Anfragebeantwortung gemeint, daß Sie die Forderung, die Arbeitnehmereinkommen im Zusammenhang mit der Arbeitszeitverkürzung einschränken zu wollen, nie erhoben haben. Ich möchte aber schon festhalten, daß Sie in einem Gespräch mit dem Wochenmagazin "profil" von dieser Woche explizit gesagt haben: Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich, das ist gelebte Solidarität Ende der neunziger Jahre.

Also nicht im Jahr 2000, sondern jetzt, Ende der neunziger Jahre, wollen Sie eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichzeitigem Lohnverzicht. Erklären Sie dem Parlament, wie das mit den Niedrigeinkommen funktionieren soll, die ja in großer Zahl vorhanden sind! Deshalb richten wir diese Dringliche Anfrage an Sie. Wir können uns nicht vorstellen, daß das eine sinnvolle Wirtschaftspolitik ergibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da wird davon geredet, daß eine neue Vollbeschäftigung geschaffen werden soll. Ja wie wollen Sie denn eine neue Vollbeschäftigung schaffen, Herr Bundeskanzler, mit einer Sozialpartnerschaft, von der selbst der Leiter des Arbeitsmarktservice im Jänner gesagt hat, die Sozialpartner seien die größten Bremser vom Dienst, weil nicht einmal 500 Millionen Schilling arbeitsmarktwirksam umgewidmet werden können? Die Arbeiterkammer sagt in einem Gutachten zur Gewerbeordnung, daß da Zugangsvorschriften aufrechterhalten werden, welche in Wirklichkeit Qualitätssicherung vortäuschen, dem Konkurrenzschutz dienen und damit den Jungunternehmer behindern. Das sagen Ihre Sozialpartner, die Sie so hochloben!


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Oder: Vergessen Sie nicht, daß jeden Tag Betriebe in Österreich zusperren! Die Firma Unilever, die viele Subventionen bekommen hat, baut jetzt in Österreich wieder ab. Der Chef von Unilever Österreich sagt: Ich habe 1994 bei der Übernahme meines Jobs in Österreich eine heile Welt betreten. Seit dem EU-Beitritt habe ich wiederholt auf Standortnachteile in Österreich, wie die hohen Lohnnebenkosten, hingewiesen.

Dann kommt er zu folgender Schlußfolgerung: Der EU-Beitritt hatte diesbezüglich eine verheerende Auswirkung. Mit der Rationalisierung wurde die Produktion von etwa 160 auf 60 Produkte reduziert, dafür wird mehr aus deutscher Produktion eingeführt.

Wir wollen ja nicht Arbeitsplätze in Deutschland sichern, sondern wir wollen Arbeitsplätze hier in Österreich sichern! Das muß unsere Aufgabe sein, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Und was sagt der BMW-Vorsitzende? Was sagt der Vorstand bei Steyr? – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Lieber Kollege! Man sollte damit vorsichtig sein, immer zu sagen: Gehen wir zur Tagesordnung über, ein paar Arbeitsplätze haben wir halt wieder verloren! Faktum ist, daß wir die höchste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten in Österreich haben und es kein Konzept dieser Bundesregierung gibt – und das, was ich gehört habe, ist auch keines –, sie wirklich entsprechend zu bekämpfen. (Abg. Dr. Nowotny: Nicht zugehört!) Aber der Herr Bundeskanzler meint dann in einem Interview mit dem "profil", daß man sich in Österreich an die Kategorie des Abschaffens werde gewöhnen müssen. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Mag. Klima. )

Herr Bundeskanzler! Damit haben Sie in Wirklichkeit die Maske fallenlassen. Was wollen Sie denn alles abschaffen? Zuerst kommt der Kollege Nürnberger mit einem Vorstoß und sagt: Reallohnverzicht ist möglich! Dann gehen Sie her und schweigen dazu, daß 50 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeitgesetze arbeiten. Das bedeutet auch Lohnverzicht, weil sie länger arbeiten, weil sie am Samstag arbeiten müssen, ohne Überstundenabgeltungen zu bekommen. Da haben Sie zugesehen! Das ist realer Einkommensverzicht, der hier betrieben worden ist!

Zur Arbeitsplatzsicherung bei Semperit: Dieser Bundeskanzler hat als Finanzminister angekündigt, er werde sofort eine Kommission einsetzen, um Semperit zu retten. Was ist aus der Task-Force geworden, Herr Bundeskanzler, die Sie einsetzen wollten? – 1 000 Arbeitsplätze sind dort weg. Und was Ihre neuerliche Drohung betrifft, die Sie in einem Interview mit dem "Spiegel" aussprechen, nämlich: Tausende staatliche Bauarbeiter wird es nicht mehr geben!, frage ich mich, was Sie denn machen wollen. (Bundeskanzler Mag. Klima: Private dafür!) Private dafür! Wenn Sie die Privaten schon nicht beschäftigen können, wie wollen Sie denn dann die Bauarbeiter aus dem staatlichen Bereich in der Privatwirtschaft unterbringen? Da können Sie noch so viele "dumme" Löcher in den Semmering graben, dieses Konzept ist zum Scheitern verurteilt, weil es ein defensives Konzept ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Das hast ja du verlangt!)

Lieber Freund! Wenn du mich in die Regierung gibst, hast du nichts mehr zu reden, aber die Leute hätten eine Arbeit in Österreich. Und das ist das Entscheidende! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ.)

Worum geht es denn, meine Damen und Herren? Die Frage ist doch die: Was heißt Lohnverzicht für die Arbeitnehmer? – Lohnverzicht kann man nur dort üben, wo es ein überdurchschnittlich hohes Lohnniveau gibt und sich Arbeitszeitverkürzungen auf ein durchschnittliches Niveau bei Lohnverzicht einpendeln würden. Das sagen die Experten. Das ist aber in Österreich nicht der Fall, Herr Bundeskanzler! Sie haben das völlig undifferenziert bekanntgegeben, und wir würden Sie bitten, das auch wirklich zu korrigieren. Denn in einer Zeit, in der Sie als Bundeskanzler eine Einkommenspyramide für Politiker akzeptieren, wodurch Sie – ob Sie es nun wollen oder nicht – 1 Million Schilling Gehaltserhöhung bekommen, wo, wie wir heute in der Zeitung lesen können, eine Ministerin, die ein paar Monate im Amt war, 80 000 S Pensionsanspruch hat, in einer solchen Zeit ist es unmoralisch, von Lohnkürzungen für kleine Arbeitnehmer zu reden, die


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sich letztlich nicht wehren können. Sie können sich ja wehren, die Kleinen aber nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Defensivstrategie, die Sie da verfolgen: Sie wollen den Mangel umverteilen, anstatt offensiv neue Arbeitsplätze zu schaffen, anstatt offensiv der Wirtschaft Hoffnung zu machen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Koppler und Dr. Nowotny. ) – Herr Professor! Sie sind pragmatisiert, Sie haben kein Risiko. Ich glaube, Sie sind der falsche Gesprächspartner in dieser Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Sie müssen erkennen, daß Sie die Wirtschaftspolitik grundlegend ändern müssen, und zwar dort, wo mit Steuergeldern Arbeitsplätze vernichtet werden. Im heutigen "Kurier" etwa steht, daß bei der Firma Semperit 950 Millionen Schilling staatliche Subvention dafür eingesetzt werden – lesen Sie den heutigen "Kurier" –, um 1 000 Arbeitsplätze abzuschaffen. Das heißt, die Arbeitnehmer finanzieren mit ihren Steuern die Vernichtung von Arbeitsplätzen. Das ist das Produkt Ihrer Wirtschaftspolitik!

Oder: der Flop mit der Stahlproduktion, der wieder von der EU kommt. – Vielleicht lesen Sie hie und da auch die englischen Zeitungen. Die "Financial Times" dieser Woche sagt uns ganz deutlich, daß die Europäische Union ab sofort den Stahlmarkt für den gesamten russischen Bereich öffnet. Wissen Sie, was das heißt, meine Damen und Herren? – Das ist EU-Politik, das ist Arbeitsplatzpolitik, und da können Sie in den Maastricht-Vertrag hineinschreiben, was Sie wollen, das ist die Realität: die Vernichtung von Arbeitsplätzen in einem geordneten Staat wie Österreich durch die falsche Politik, die Sie betreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe des Abg. Koppler. )

Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat gesagt, er wird sich für eine Beschäftigungsinitiative und eine Verankerung des Beschäftigungsparagraphen im neuen EU-Vertrag einsetzen. Ja, aber die "Kleine Zeitung" von voriger Woche bringt Sie, abgebildet mit dem deutschen Bundeskanzler Kohl, wo steht: Klima und Kohl – ohne Wenn und Aber für den Euro. – Den Euro einführen heißt 1,5 Millionen Arbeitsplätze vernichten, Herr Bundeskanzler! Das wissen Sie genau! Deshalb sind Ihre Gewerkschafter aus dieser Kampagne ausgestiegen, die im Grunde genommen nur zur Vernichtung von Beschäftigung führt.

Es stimmt also nichts. Ihre Exportoffensive darf nicht stattfinden, weil Sie kein Geld haben, wie wir heute lesen können. Die Lehrlingsoffensive hat keine wirklichen Beschäftigungen gebracht. Das Lehrlingspaket schafft keine Jobs, Herr Bundeskanzler. Ist Ihnen das alles entgangen?

Daher sagen wir Freiheitlichen, daß es gescheiter ist, einen Weg zu gehen, indem wir eine Lohnsteuersenkung dort vornehmen, wo flexible Arbeitszeiten eingeführt werden. Dort, wo Arbeitnehmer im unteren und mittleren Bereich Einkommensverluste durch flexible Arbeitszeiten erleiden, ist es zwingend notwendig, in den Einkommenskategorien von 12 000 S bis 25 000 S – auch nach Auskunft des Wifo – eine Lohnsteuersenkung und eine Beseitigung der kalten Progression anzusetzen.

Offensive Wirtschaftspolitik heißt Steuersenkungen im internationalen Bereich, damit der Betrieb, der investiert, auch Vorteile durch die Investition hat und auch weniger Steuern zahlt. Der Betrieb, der nicht investiert, soll mehr Steuern zahlen. Das sind unsere politischen Vorstellungen (Zwischenrufe des Abg. Dr. Nowotny ): den Leuten nichts wegnehmen, so wie Sie das machen wollen, sondern mehr Arbeitsplätze durch neue Investitionen in diesem Lande schaffen. Das wird die richtige Politik sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher bitte ich Sie, Herr Bundeskanzler, von diesem Weg abzukehren. Sie haben hier die Weichen falsch gestellt, wenn Ihre Politik heißt: Umverteilen von weniger werdender Arbeit bei gleichzeitigen Einkommensverlusten. Das kann nicht die richtige Politik sein, sondern Sie müssen offensiv agieren. Dann kann ich akzeptieren, daß man Sie auch in Ihrer eigenen Regierungsfraktion als "Jörg Klima" bezeichnet. Solange Sie aber kalt und herzlos Einkommenskürzungen für kleine Leute vornehmen, so lange verbitte ich es mir, daß "Jörg Klima" auch politisch existent ist. (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

15.49


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71. Sitzung / Seite 107

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Er hat das Wort.

15.49

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg einige Bemerkungen zum ersten Redner der FPÖ, der einiges aus den Gesprächen, die im Rahmen des ÖGB geführt wurden, wiedergegeben hat. Wir haben uns gegen eine undemokratische Vorgangsweise gewehrt, da Sie von den Freiheitlichen verlangt haben, gleich in allen Gremien vertreten zu sein.

Ich habe Ihnen gesagt: Der ÖGB ist eine von Grund auf demokratische Organisation. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie die Nachweise bei Personalvertretungswahlen, Betriebsratswahlen erbringen, wenn Sie dort die Stärke haben, dann wird diese anerkannt werden. Sie müssen aber auch diesen Nachweis erbringen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jemand, der mehr als 50 Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur das Wort "Nazi" so buchstabiert hat, wie das Ihr Erstredner getan hat – ich möchte das nicht wiederholen –, hat, glaube ich, die wenigste Berechtigung, jemandem anderen Kommunismus vorzuwerfen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja nicht unanständig! Das ist ja nicht verboten! Man kann sich doch bekennen!) Ihre Aussage, die Sie hier gemacht haben, Herr Gaugg, richtet sich von selbst. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Herr Nürnberger! Es ist ja nicht verboten, Kommunist zu sein!) Kommunisten haben Arbeitnehmerinteressen besser vertreten als Herr Gaugg mit seinem Gedankengut, das 50 Jahre alt ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber nun zu einigen Fakten. (Abg. Mag. Stadler: Ihr Klubobmann ist todunglücklich! Er würde sich am liebsten verkriechen! – Abg. Dr. Haider: Was ist mit deinem Einkommenskürzungsvorschlag?) Die Nervosität, die die FPÖ hier an den Tag legt und mit der sie diese Anfrage gestellt hat, hat halt auch den Grund darin, daß Meinungsumfragen bestätigen, daß diese Regierung, seit sie einen neuen Bundeskanzler hat, mit Elan an die Lösung der Probleme herangeht, daß die Menschen in diesem Lande erkennen, daß es keine Streitereien und Diskussionen mehr gibt, daß es Ihnen nicht mehr gelingt, Sand in das Getriebe der Regierung zu bringen. (Abg. Dr. Haider: Einkommensverzicht, lieber Freund!) Jetzt werden Sie eben ein bißchen nervös, Herr Haider! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung hat ein 9-Punkte-Programm zur Beschäftigung vorgelegt; und von Ihnen gibt es Ihr "Bündnis für Arbeit". (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Mit seinem "Bündnis für Arbeit" will Jörg Haider 190 000 Jobs schaffen. Experten schmunzeln hiezu, da heißt es: "Haiders Wundertüte". (Abg. Dr. Haider: Reallohnverzicht!) Ich darf zitieren: Der Wifo-Experte zerlegt Haiders Jobmaschine in ihre Einzelbestandteile und zieht dann ein Resümee von "Haiders Wundertüte". Für Schulmeister ist Haiders Arbeitsbündnis insgesamt so etwas wie Voodoo-Ökonomie, Zauber-Ökonomie. "Haider der Zauberlehrling", haben Experten gesagt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Den SPÖ-Funktionär Schulmeister kannst du vergessen!)

Nun noch zu einigen Fakten: So wie eben vieles in dieser Anfrage von A bis Z nicht stimmt, stimmt auch nicht, daß die Gewerkschaftsspitze hiezu geschwiegen hat. Es gab sofort Äußerungen des Präsidenten, aller Vorsitzenden der einzelnen Fachgewerkschaften und anderer mehr. (Abg. Mag. Stadler: Distanziert sich die Gewerkschaft? – Abg. Ing. Reichhold: Zahl deinen Mitgliedsbeitrag pünktlich!) Noch einmal einige Anmerkungen, vielleicht werden Sie dann endlich zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren von der FPÖ, was die jetzt abgeschlossenen Flexibilisierungsmaßnahmen wirklich zum Ziel haben. Die Flexibilisierungsmaßnahmen werden sicherlich nicht zu Einkommensverlusten führen, wie Sie das dargestellt haben. (Abg. Dr. Haider: Bist du jetzt für den Reallohnverzicht? Du hast ihn ja vorgeschlagen!) – Nein, das wird es nicht geben!

Es werden da oder dort einige Überstundenzuschläge wegfallen. Im Gegenzug sind die Vorteile für die Arbeitnehmer: mehr Sicherheit am Arbeitsplatz, gleicher Lohn durch gleichbleibenden Monatslohn, ganze freie Tage oder Blöcke und individuelles Arbeitsrecht. (Abg. Ing. Reichhold:


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71. Sitzung / Seite 108

Reden Sie doch einmal mit den Arbeitern! – Abg. Dr. Haider: Du redest wie der Blinde von der Farbe!)

Jetzt hören Sie zu, jetzt sage ich Ihnen noch etwas, was Ihnen unangenehm sein wird! (Neuerlicher Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Hören Sie einmal zu und werden Sie nicht immer gleich nervös! Sie wollen immer schreien, schreien, damit Sie andere Argumente nicht hören müssen! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wie handeln die Gewerkschaften? – Ich zeige Ihnen am Beispiel der Metallindustrie, wie man dort über das Thema Flexibilisierung verhandelt hat. (Abg. Dr. Haider: 50 Prozent haben schon Lohnverzicht!) Es gibt einen Fachverband, dessen Vorsteher in aller Öffentlichkeit gesagt hat: Es wird ja zumutbar sein, daß die Arbeitnehmer halt einmal 45 und einmal 32 Stunden arbeiten und dafür keinen Ausgleich bekommen. – Das gibt es nicht! Wir haben ihm schlichtweg mitgeteilt: Flexibilisierung ohne Vorteile für Arbeitnehmer wird es nicht geben! (Abg. Dr. Haider: In der Zeitung ist es anders gestanden! Nürnberger wollte das abschließen!) – In der Zeitung steht viel.

Aber wo war denn die FPÖ? Wo war denn der Herr Haider? Wo war denn der Herr Gaugg? Eine Antwort auf diesen Angriff haben wir nicht gehört, weil Sie ja ganz andere Vorstellungen von Flexibilisierung haben. (Abg. Mag. Stadler: Wir werden eine eigene Gewerkschaft gründen! Das garantieren wir Ihnen!) Im FPÖ-Programm "Bündnis für Arbeit" steht: Arbeitgeber sollen leichter flexible Arbeitszeiten anordnen können. (Rufe bei der SPÖ: Ach so! Hört! Hört!) Es sind Maßnahmen zu setzen, die eine weitgehende Flexibilität der Arbeitszeitregelung ermöglichen. – Das sagte Haider in seiner Rede am FPÖ-Parteitag 1996. (Abgeordnete der SPÖ: Pfui! – Abg. Koppler: Das ist eine Demaskierung!)

In die gleiche Kerbe: Sie haben eine Senkung des Mindestlohnes vorgeschlagen, von 20 Prozent, und der Staat soll den Ausgleich zahlen. Und jetzt verlangen Sie, die Leute sollen flexibler werden und der Staat soll den Lohnausgleich zahlen. (Abg. Dr. Haider: Lies das Ganze vor!) Herr Haider! Sie spielen immer den "Robin Hood des kleinen Mannes" – und dabei sind Sie der erste Vertreter der Kapitalisten in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber das ist ja leicht verständlich: Wenn man selbst Großgrundbesitzer ist, fühlt man sich eben den Problemen eines Kapitalisten mehr verbunden als jenen des sogenannten kleinen Mannes. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Kollege Nürnberger ist äußerst klassenkämpferisch!)

Nun möchte ich noch etwas Grundsätzliches zur Arbeitszeit sagen. Herr Bundeskanzler! Ich darf das wiederholen, was Präsident Verzetnitsch in seiner Stellungnahme gesagt hat: Wir begrüßen grundsätzlich Ihre Aussage und Ihr Bekenntnis, daß Arbeitszeitverkürzung sehr wohl eine von vielen Möglichkeiten und Mitteln ist, um dem Problem der Arbeitslosigkeit zu begegnen und es in unserem Lande zu bekämpfen. Ich sage in aller Klarheit, in aller Deutlichkeit an die Adresse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Lande: Der Lohnausgleich – im Zusammenhang mit Verhandlungen über Arbeitszeitverkürzungen – war immer Gegenstand von Verhandlungen. Das war so, als die Arbeitszeit von 48 auf 45, von 45 auf 40 und mittels Kollektivvertrag von 40 auf 38,5 beziehungsweise auf 38 Stunden verkürzt wurde.

Das war in Österreich immer so, das war auf der ganzen Welt immer so – und das wird auch in Zukunft so sein, wenn weitere Verhandlungen über die Verkürzung der Arbeitszeit geführt werden. Es gibt diesbezüglich Beschlüsse des ÖGB-Kongresses – ich darf das wiederholen –, ganz eindeutige Beschlüsse, die lauten: Arbeitszeitverkürzung nur mit Lohnausgleich. Es gibt bezüglich dieser Aussage des Bundeskanzlers keinerlei Widersprüche zu den Gewerkschaften.

Zur grundsätzlichen Frage: Arbeitszeit und Beschäftigung. Ich meine, daß das eine sehr wichtige Frage ist, mit der wir uns ernsthaft auseinandersetzen müssen, da wir in Zukunft nicht umhinkommen werden – weil eben die Arbeit nicht grenzenlos vermehrbar ist –, über eine Neuverteilung der Arbeit zu diskutieren. Da in letzter Zeit immer das "Musterbeispiel Holland" angeführt wurde: Ich war erst vergangenen Freitag in Holland, habe mir das alles ein bißchen aus der Nähe angeschaut und mir das von unseren holländischen Kolleginnen und Kollegen erläutern lassen.


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Ich führe nur einen Punkt dieser Recherchen am Beispiel Holland an: Gab es im Jahre 1994 in der gesamten Industrie genauso viele Arbeitsstunden wie 1969, aber um 30 Prozent mehr Arbeitnehmer, so muß man daraus den Schluß ziehen, daß dort Arbeit auf mehr Leute aufgeteilt wird, daß zusätzlich Teilzeitarbeitsplätze geschaffen wurden. – Das kann sicherlich auch nicht das Ziel sein. (Abg. Dr. Haider: Das habt ihr immer bekämpft: den Austausch von Vollzeitarbeitsplätzen gegen Teilzeitarbeitsplätze!)

Abschließend: Die FPÖ ist eben nervös geworden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Es ist diese Anfrage nichts anderes als die übliche Panikmache des Herrn Haider und seiner Partei. Ich darf sagen: Die Gewerkschaften haben um jeden einzelnen Arbeitsplatz gekämpft – und sie werden das selbstverständlich auch in Zukunft tun! Wir sehen Maßnahmen in bezug auf die Arbeitszeit als ein Mittel, dieses Problem zu lösen – aber bitte nicht durch Einkommenssenkung. Es wird keine Flexibilisierung zum Nulltarif geben!

Das ist ein Beispiel dafür, wie sehr die neue Regierung, wie sehr der neue Bundeskanzler selbst bemüht ist, Arbeitnehmerinteressen durchzusetzen. (Abg. Mag. Stadler: Wenn Sie sagen, es wird keinen Euro geben, sind wir schon zufrieden! – Abg. Dr. Haider: Wer ist stärker: ich oder ich?) Er hat auch auf unserem letzten Parteitag in seiner Rede – es sei hier nur ein Punkt herausgegriffen – ein klares Bekenntnis dazu abgegeben, daß man das Problem ungleiche Rechte der einzelnen Arbeitnehmergruppen einer Lösung zuführen muß. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.59

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Dringliche Anfrage ist – wieder einmal – von einem ganz besonderen Stil geprägt; einem Stil, den wir von einer Partei dieses Hauses in ganz besonderer Weise kennen. (Abg. Dr. Haider: Viel fällt dir nicht ein!)

Die Überschrift "Verrat der Arbeitnehmerinteressen" ist spektakulär; mein Vorredner, Kollege Nürnberger, hat das bereits angesprochen. Es ist das ein Thema, das an sich eine seriöse Behandlung verdient, weil es ein wirklich sehr, sehr ernstes Thema ist. (Abg. Dr. Graf: Dann fangen Sie an!) Es wird das herausragende Thema der Zukunft, die herausragende politische Aufgabe für diese Regierung sein. Eine Umgestaltung der Arbeitswelt wird kommen müssen. Es wird notwendig sein, eingefahrene Gleise zu verlassen und nach neuen Wegen zu suchen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt verändert sich rasant, und es bedarf daher aus diesem Grunde neuer Lösungen. Rationalisierung, Automatisierung, Einsatz modernster Technik bewirken, daß sich die Arbeitsplätze verlagern, manche Betriebe lagern auch in Billiglohnländer aus. Das ist eine Situation, der wir uns stellen müssen!

Unter diesen Gesichtspunkten sehe ich auch die Aussagen von Bundeskanzler Klima zu diesem Thema.

Bei der Suche nach neuen Lösungen wird es keine Tabus geben dürfen. Es wird die angesprochene Solidarität in irgendeiner Form zum Greifen kommen müssen, und ich darf feststellen, daß es diese Solidarität bereits heute gibt, daß diese Solidarität schon sehr wirksam ist.

Unser Sozialsystem wird zum größten Teil von den Arbeitnehmern getragen. Wir haben ein System, das auch auf jene Rücksicht nimmt, die keinen Arbeitsplatz haben. Sie werden von unserem sozialen Netz aufgefangen und haben so die Chance, in unserer Gesellschaft zu überleben.

Die Arbeitnehmer leisten heute bereits 85 Prozent des Sozialaufwandes selbst. Das heißt, sie finanzieren 320 Milliarden Schilling des gesamten 380 Milliarden-Schilling-Sozialpaketes. Jene, die in der glücklichen Situation sind, Arbeit zu haben, leisten eben diesen hohen sozialen Solidaritätsbeitrag für jene, die derzeit in der schwierigen Situation sind, keinen Arbeitsplatz zu haben.


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Die heutigen Regelungen, was die Verteilung der Arbeit und des sozialen Budgets anlangt, werden – genauso wie andere Bereiche – einem Wandel unterliegen. Eine Regierung, die dabei ist, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, braucht einfach Visionen und neue Ideen zur Bewältigung dieser Herausforderungen.

Trotz der von mir angesprochenen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt bin ich optimistisch (Abg. Mag. Stadler: Laß den Gottfried Feurstein!), daß wir auch diese Herausforderung der Zukunft bewältigen werden. Österreich hat in den Jahren nach dem Krieg eine sehr viel schwierigere Situation gemeistert. Die Nachkriegsgeneration hat mit Fleiß und Ausdauer und viel Intelligenz unser Land in den Wohlstand geführt. Die heutige Generation wird mit der gleichen Motivation diesen Wohlstand sichern und ausbauen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht. Arbeit gibt es in unserem Land genug. Es wird allerdings in manchen Bereichen zu einer Neubewertung der Arbeit kommen müssen. Ich denke da insbesondere an jene Tätigkeiten, die heute für die Gesellschaft besonders wertvoll sind, vor allem an die Tätigkeit im Bereich der Erziehung und Pflege innerhalb der Familie.

Obwohl diese Leistungen der öffentlichen Hand und vor allem der Gesellschaft enorme Vorteile bringen, werden diese Leistungen heute kostenlos erbracht – vor allem um vieles billiger erbracht, als das die öffentliche Hand tun könnte.

Ich denke in diesem Zusammenhang auch an Tätigkeiten – der Herr Bundeskanzler hat diesen Bereich ebenfalls angesprochen – im Bereich Natur- und Landschaftsschutz. Wir haben in unseren Gemeinden genug Arbeit zur Verfügung, die wir oft nicht zu bewältigen in der Lage sind. Ich habe heute beim Arbeitsamt nachgefragt, ob es einen Arbeitslosen gibt, den wir einstellen könnten, damit wir dieser Anforderung gerecht werden können.

Ich glaube, daß es notwendig ist, diese Tätigkeiten, diese Leistungen, die in der Öffentlichkeit zwar einen hohen Wert darstellen, aber derzeit noch unter ihrem Wert gehandelt werden, neu zu bewerten. Diese Arbeiten müßten gemäß ihrem Wert auch finanziell abgegolten werden.

Zum Schluß, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich mich noch gegen den Vorwurf verwahren, daß die Regierung es aufgegeben habe, durch wirtschaftliche Impulse Arbeitsplätze zu sichern. Gerade das Bundesland Niederösterreich, aus dem ich komme, ist diesbezüglich ein sehr positives Beispiel. Letzte Erhebungsdaten haben gezeigt, daß in Niederösterreich die Beschäftigungszahlen steigen. Es konnten bessere Werte als einen Monat beziehungsweise sogar ein Jahr vorher verzeichnet werden. Durch vernünftige Projekte im Bereich der Bauwirtschaft ist es gelungen, der Vollbeschäftigung ein wenig näherzurücken und die Arbeitslosenrate zu senken.

Das Kabinett Klima – das hat mein Vorredner schon erwähnt – hat in den letzten Wochen bewiesen, daß es in der Lage ist, schwierige Aufgaben zu lösen. Diese Regierung wird es schaffen – das wird ihr sicherlich gelingen –, das schwierige Kapitel Beschäftigungspolitik im Sinne der Arbeitnehmer zu bewältigen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.07

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage diente unter anderem dem Erstauftritt des Kollegen Gaugg hier, und es liegt nahe, das ein bißchen zu umreißen.

Kollege Gaugg ist neu in diesem Haus. (Abg. Dr. Haider: Seine erste Rede hier! Nicht kritisieren!) Attraktiv war diese seine Erstrede aber nicht. Sie war pflichtgemäß, aber nicht attraktiv. Zielstrebig ist Kollege Gaugg, sonst säße er nämlich nicht in diesem Haus – aber ideenreich ist er nicht. Das, was er hier von sich gegeben hat, ist alles alter Kaffe. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Lustig!)


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In diesem Sinne hat er seinen Erstauftritt, nämlich seine Freude, das Alphabet in bestimmter Reihenfolge zu buchstabieren, ganz trefflich genutzt. Daher, so meine ich, war es schon wert, daß diese Dringliche Anfrage gestellt wurde, denn wir konnten Kollegen Gaugg so von seinem parlamentarischen Zugang her kennenlernen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn man diese Dringliche Anfrage aber auf ihren sozial- und wirtschaftspolitischen Gehalt hin untersucht – ich bitte die freiheitlichen Kollegen, jetzt Ruhe zu bewahren –, dann kann man feststellen, daß er eigentlich von dem Gedanken getragen ist, daß man, wenn man Arbeitszeiten flexibilisiert, gleichzeitig die Löhne erhöhen sollte. Das bedeutet nichts anderes, als daß bei steigender Produktivität immer mehr Arbeitsplätze vernichtet würden. (Abg. Dr. Haider: Die Politiker erhöhen sich selbst die Einkommen, aber bei den Arbeitern werden sie gesenkt! Wir sind nicht so produktiv!)

Da frage ich mich schon, was der tiefere Sinn sein kann, wenn jemand, der sich als Arbeitnehmervertreter bezeichnet, einerseits behauptet, für den "kleinen Mann" zu sprechen, auf der anderen Seite aber einer Philosophie das Wort redet, durch die letztlich Massenarbeitslosigkeit erzeugt wird.

Es gibt Probleme in der Arbeitswelt: Wir haben nachhaltige Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslose und strukturelle Arbeitslosigkeit. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Aber, Herr Kollege Stadler, sich hier herzustellen und wirtschaftspolitische und sozialpolitische Rezepte zu vertreten, die unsolidarisch sind, weil sie nämlich immer weniger Arbeitbesitzende und immer mehr Arbeitslose erzeugen, und die Ansätze von Flexibilisierung – über die man von der Mechanik her selbstverständlich diskutieren kann – schlechtzumachen, das ist ein ganz merkwürdiger sozialpolitischer Zugang. Ich sage Ihnen das ganz deutlich! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haider: Kier erhöht sich das Gehalt, aber bei den Arbeitern kürzt er! Erhöhe nicht dein Gehalt, verzichte auf deine Bezüge, dann bist du solidarisch!)

Da fragt man sich schon: Ist es vielleicht Kalkül, Programme zu fordern, die letztlich einen Zustand herbeiführen, der Massenarbeitslosigkeit bedeutet, der destabilisiert, wenn es eine der wenigen Möglichkeiten ist, das Buchstabieren des Herrn Gaugg in die Lebenswirklichkeit umzusetzen? – Das lehnen wir ab! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen: Sie erkennen nicht, was im Bereich der Flexibilisierung passiert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Ich werde mich noch dem Herrn Bundeskanzler zuwenden, denn da gibt es einiges, was mir nicht gefällt. Man war aber sehr wohl solidarisch, weil beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zu diesem Kompromiß beitragen mußten. Aber mancher hat eben keine Ahnung, was in der Arbeitswelt wirklich passiert (Zwischenruf bei den Freiheitlichen) , daß nämlich die Flexibilisierung mehr Arbeitsplätze bedeutet, aber auch mehr Fixkosten, denn mehr Beschäftigte bereiten dem Unternehmen mehr Fixkosten. Wer das heute nicht weiß, weil er sich mit den Kostenstrukturen in der Wirtschaft etwas schwertut, wer nicht bemerkt, daß dadurch einige Leute möglicherweise jetzt unter der Höchstbemessungsgrundlage liegen und daher der windfall-profit wegfällt, den der Arbeitgeber sonst hat, weil er über der Höchstbemessungsgrundlage zahlt, weil man dann keine Arbeitgeberanteile mehr zahlen muß – das sind alles Dinge, die Kosten im Betrieb verursachen, aber einer höheren Beschäftigung zuliebe von den Unternehmen gerne in Kauf genommen werden –, wer das nicht weiß, der fordert das, was dieser Dringlichen Anfrage zugrunde liegt. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Gleichzeitig stellt man sich hierher und verlangt eine Lohnsteuerreform. Aber was wird einer Frau, die zum Beispiel 7 000 S im Monat verdient, diese Lohnsteuerreform bringen? Sie zahlt schon jetzt keine Lohnsteuer. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Lieber Herr Kollege Gaugg! So geht das eben nicht! Man kann nicht auf der einen Seite Gefälligkeitsgeschenke verlangen, auf der anderen Seite die niedrigen Einkommen beweinen und glauben, man könne den niedrigen Einkommen mit einer Steuerreform beikommen. Da müssen Sie phantasiereicher sein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich sage hier ganz deutlich: Natürlich brauchen wir eine sozialpolitische Antwort auf das Phänomen, das dann auftritt. (Abg. Mag. Stadler: Die Sozialpolitik besteht im Ansteigen von


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Politikergehältern!) – Herr Stadler! Sie sind penetrant unhöflich! (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn Sie kein Benehmen haben, so ist das Ihr Problem. Sie sind penetrant unhöflich! (Abg. Mag. Stadler: Weil ich nicht für eine Erhöhung der Politikergehälter bin!) Herr Kollege Stadler, warten Sie die Debatte ab! Wir haben jetzt hier eine andere Debatte. (Abg. Dr. Haider: Sie erhöhen sich die Politikergehälter! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege Stadler! Sie sind unhöflich, Sie haben ein schlechtes Benehmen, und Sie haben überhaupt keinen Sachverstand. Das ist tragisch. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Ich habe ein soziales Gewissen im Gegensatz zu Ihnen!)

Wenn man den fehlenden Sachverstand durch Geplapper ersetzen will, Herr Stadler, dann ist man vielleicht in Ihrer Fraktion ein guter Abgeordneter, aber für dieses Parlament ist man eher keine Zierde. Sie sind keine Zierde dieses Hauses! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Sie haben kein soziales Gewissen! Politikergehälter anheben, das ist Ihr einziges Anliegen!)

Wer auf der einen Seite lieber Massenarbeitslosigkeit erzeugt, diese aber auf der anderen Seite bejammert wie der Kollege Gaugg, dem sei gesagt: Wir haben eine sehr hohe Arbeitslosenzahl. Aber Massenarbeitslosigkeit ist etwas anderes. Offenbar reicht Ihnen die jetzige Arbeitslosigkeit noch nicht. Die Gesellschaft ist zwar unter Druck, aber noch nicht destabilisiert. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie ist noch nicht destabilisiert, und wir haben noch eine Chance, aus diesem Dilemma herauszukommen. Aber wir müssen den Leuten, deren Beschäftigung im Rahmen der Flexibilisierung vielleicht auf Teilzeitarbeit reduziert wird, eine sozialpolitische Antwort geben. Da haben Sie recht. Nur: Das, was Sie sagen, ist nicht die Antwort, die darauf gegeben werden müßte! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Wenn Sie meinen, die Kapitalien seien ein Problem, dann könnte ich Ihnen, wenn es einigermaßen mit Vernunft vorgetragen wäre, noch folgen. Aber Sie beschimpfen das Kapital und beschwören die fehlenden Investitionen. Also das wird nicht gleichzeitig gehen! Wenn Sie das Kapital hier in Österreich haben wollen, damit bei uns investiert wird, dann werden Sie dafür vernünftige Konditionen bieten müssen, sonst kommt es nämlich nicht und sonst wird nicht investiert.

Daß wir in den europäischen Staaten und auch weltweit ein Problem mit der Steuerhoheit bezogen auf die Kapitalerträge haben, das weiß jeder, der sich damit beschäftigt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Aber das ist kein isoliertes österreichisches Problem. Da wäre internationale Solidarität angesagt. Und da ist eben die Frage, inwieweit wir im Rahmen der Politik innerhalb der EU nicht mehr tun müßten, ob die Bundesregierung da nicht noch mehr tun müßte. Ich bin der Meinung, da sollte sie noch mehr tun, da wäre einiges aufzuholen.

Wenn Sie meinen, Flexibilisierung sei schlecht, weil sie möglicherweise andere Lohnverläufe erzeugt, und lieber in Kauf nehmen, daß die Arbeitslosenzahlen weiter steigen, dann muß man sich fragen: Welches Kalkül steckt da dahinter? – Entweder Sie haben keine Ahnung – das glaube ich in diesem Fall aber nicht –, oder Sie haben das Kalkül: Je mehr Arbeitslose, desto instabiler die Gesellschaft und desto größer unsere Chancen! Dazu muß ich Ihnen sagen: Das ist eine Art von Zielstrebigkeit, von Attraktivität, von Ideenreichtum und von Neuigkeit, die mir nicht gefällt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. – Gegenruf der Abg. Silhavy. )

Herr Kollege Stadler! Möglicherweise ist das ein Versuch, die sogenannte ordentliche Beschäftigungspolitik durch die Hintertüre einzuführen. Aber dabei werden wir nicht mitmachen! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Herr Kier! Verzichten Sie auf Ihre Politikererhöhungsgage!)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kammerlander. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

16.15

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte ist beeindruckend, aber nur in einer Hinsicht: Es haben


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71. Sitzung / Seite 113

einander in der Person der ersten beiden Redner die Populisten am Rednerpult die Hand gereicht. (Abg. Mag. Stadler: Herr Bundeskanzler! Das dürfen Sie nicht auf sich sitzen lassen!) Mit Ausnahme des Bundeskanzlers. Ich habe den Antragsteller und den ersten Debattenredner nach den Freiheitlichen gemeint. Es war schon ein eindrucksvolles Bild, wie man da als Gewerkschaftsboß stand und Reden schwang. (Abg. Mag. Stadler: Wir können es halt!) Nur: Dafür ist es vielleicht das falsche Auditorium gewesen. Man hat nichts an Populismus, den die Antragsteller sonst immer liefern, unterboten. Es war wirklich beeindruckend. (Abg. Mag. Stadler: Danke für die Komplimente!)

Aber auch Ihre Wortmeldung, Herr Bundeskanzler, hat mich in dem einen oder anderen Punkt zum Staunen gebracht. Ich habe ein paar Stichworte mitgeschrieben, als Sie die Dringliche Anfrage beantwortet haben. Sie haben zum Beispiel von Verbesserungen, von einer verbesserten Situation geredet. Sie haben die Behauptung einfach in den Raum gestellt. Was die Situation in Ihrer Amtszeit als Kanzler und auch während Ihrer Tätigkeit als Finanzminister betrifft, kann man eigentlich nicht von Verbesserungen reden. Ich will dazu nur ein Stichwort nennen: Die Zahl der Arbeitslosen hat eine Höhe erreicht wie nie zuvor. Ich fürchte, das, was wir diesbezüglich im Jänner verzeichnen konnten, wird aber noch nicht die Spitze sein. Ich frage mich, wo da eine Verbesserung der Situation, die Sie angesprochen haben, gegeben ist. (Bundeskanzler Mag. Klima: Auf März 1997!) Natürlich von Jänner auf März, im Vergleich zum Jännerloch; das wissen wir. Insgesamt ist aber eine hohe Zahl an Arbeitslosen zu registrieren. (Bundeskanzler Mag. Klima: März 1997 zu März 1996!) Wir haben auch schon oft in diesem Haus über die Armut in Österreich diskutiert; diese möchte ich jetzt nicht unbedingt in einen Topf mit der Arbeitslosigkeit werfen. Diese beiden Fakten, nämlich die Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und die Armut auf der anderen Seite, geben keinen Anlaß, von Verbesserungen zu sprechen.

Herr Bundeskanzler! Sie haben auch von Zehntausenden Arbeitsplätzen gesprochen. Ich glaube, das ist eher ein frommer Wunsch. Diese Option sehe ich zumindest zurzeit nicht, weder was die Beschäftigungspolitik in Österreich noch was die diesbezüglichen Anstrengungen der Europäischen Union betrifft.

Herr Bundeskanzler! Sie haben des weiteren von einer Arbeitszeitverkürzung gesprochen. Da gibt es, so wie ich das sehe, einen Widerspruch. In Ihrem "profil"-Interview – aber auch sonst hört man das immer wieder von Ihnen – sagten Sie: Nicht bei vollem Lohnausgleich! Herr Kollege Nürnberger sagte hier heraußen: Natürlich nur bei vollem Lohnausgleich! Ich meine, man sollte das ruhig differenziert diskutieren. (Ruf bei der SPÖ: Das hat er nicht gesagt!) Er hat wortwörtlich gesagt: Nur bei vollem Lohnausgleich! (Bundeskanzler Mag. Klima: Nein! Mit Lohnausgleich!) Wir sollten das ruhig differenziert diskutieren.

Wir sind für eine Umverteilung durch Arbeitszeitverkürzung; Sie wissen das. Wir sind auch für eine Umverteilung durch Arbeitszeitverkürzung in einem so großen Ausmaß, daß dadurch tatsächlich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Keine Frage! Das Problem ist nur: Wo setzt dann der Lohnausgleich an? – Ich meine: nicht bei den unteren Einkommen, sondern nur bei den hohen Einkommen. Da gehört genauso eine Umverteilung hin, nicht nur bei der Arbeitszeit. Wir sind diesbezüglich jederzeit gesprächsbereit und haben ein offenes Ohr für solche Modelle.

Sie haben von der Solidarität zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesprochen; diese läßt sich zumindest bis dato nicht erkennen. Eine Solidarität zum Beispiel zwischen den Arbeitnehmern in der Erdöl- und Chemiebranche, die bekannterweise zu den Spitzenverdienern gehören – dieser Bereich ist von der Arbeitnehmerseite her zu über 90 Prozent männlich dominiert –, und den TextilarbeiterInnen, die zu den unteren und untersten Einkommensklassen gehören – diese Sparte ist überwiegend weiblich besetzt –, läßt sich nur sehr schwer ausmachen beziehungsweise ist nicht vorhanden.

In Anbetracht dieses Umstand mit Überzeugung davon zu sprechen, daß diese Solidarität vorhanden ist, sehen wir als einen Zweckoptimismus Ihrerseits an, Herr Kanzler. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )


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Herr Bundeskanzler! Sie haben außerdem neue Formen von Arbeit angeschnitten und damit vermutlich die Fragen der Flexibilisierung gemeint. (Bundeskanzler Mag. Klima: Das ist etwas anderes! Das ist nicht marktfähige Arbeit!) Nicht marktfähige Arbeit.

Die Anfragesteller haben in Ihrer Anfrage sehr wohl auch auf die Flexibilisierung Bezug genommen und dabei nur ein Merkmal herausgegriffen. Das, was besonders ins Auge sticht, das, was – zumindest von uns – als "neue Form von Arbeit" wahrgenommen wird, die leider immer mehr im Steigen begriffen ist, betrifft den Bereich der geringfügig Beschäftigten. Da gibt es ein alarmierendes Zeichen. Wenn man die Zahlen von Februar 1997 gegenüber Februar 1996 betrachtet, so muß man eine Steigerung von über 8 Prozent, ja fast 9 Prozent bei den geringfügig Beschäftigten feststellen. Ich muß nicht hinzufügen, daß das überwiegend Frauen betrifft. Es läßt sich daran ersehen, daß das tatsächlich eine immer stärker werdende Form von Beschäftigung wird, die natürlich mit Flexibilisierung, aber auch mit den Ladenöffnungszeiten – um nur ein Beispiel zu nennen – zusammenhängt. Gehen Sie herum und schauen Sie, wo Arbeitsstellen ausgeschrieben sind: Gesucht sind im Handel immer mehr geringfügig Beschäftigte, um Überbrückungen über die Mittagszeit zu schaffen, um Überbrückungen in den Arbeitszeiten zu schaffen. Das ist ein massives Problem, und ich meine, es wird sehr wohl auch europaweit ein massives Problem werden.

Abschließend lassen Sie mich noch auf die Einkommenspyramide zu sprechen kommen. Ich weiß gar nicht, wer sie ins Spiel gebracht hat; ich glaube, die Freiheitlichen. Die Einkommenspyramide ist in der Tat in einer oder in zwei Richtungen schief: Die Einkommenspyramide ist schief zwischen Männern und Frauen – das ist ganz klar –, und sie ist schief zwischen Alt und Jung, und sie ist nicht ausgeglichen – das habe ich schon in meinem Beitrag bezüglich der Solidarität erwähnt – zwischen den Branchen. Aber ich sehe keine Möglichkeit, das alles, wie es lohnenswert wäre, im Rahmen dieser Form einer Dringlichen Anfrage, wie sie heute wieder eingebracht worden ist, zu diskutieren.

Ich möchte nur zwei Beispiele herausgreifen, welche die offensichtliche Absurdität Ihres Textes aufzeigen. Sie sprechen vom erreichten Einkommensniveau, das es zu verteidigen gilt. Ich frage Sie: Welches "erreichte Einkommensniveau" meinen Sie? Meinen Sie jenes der Österreicherinnen und Österreicher, die weniger als 10 000 S oder 12 000 S verdienen? Meinen Sie jenes der geringfügig Beschäftigten, die immer mehr werden? Oder meinen Sie das Einkommensniveau jener Menschen, die 70 und mehr Stunden arbeiten, die mehrere Jobs auf einmal haben und bis ins hohe Alter aktiv sind, weil ihr Job so interessant und so gut bezahlt ist?

Sie schreiben an einer anderen Stelle Ihrer Dringlichen Anfrage davon, daß die Politik des erzwungenen Lohnverzichtes offensichtlich mitgetragen wird, und nehmen nicht zur Kenntnis oder wollen nicht sehen, daß diese Politik schon lange eingeleitet und nicht erst durch Ihre Dringliche Anfrage auf den Punkt gebracht wurde. Wenn das, wie Sie eingangs gesagt haben, das neue Motto der Freiheitlichen ist, so kann ich nur sagen: Das ist ein sehr altes und sehr weit hergeholtes Motto und wird durch den Kollegen, der diese Dringliche Anfrage gestellt hat, nur noch einmal untermauert. Von "neu" ist da keine Rede! (Beifall bei den Grünen.)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit. (Bundeskanzler Mag. Klima verläßt den Saal.)

16.25

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler – in Abwesenheit! (Abg. Mag. Stadler: Flucht!) Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, meine Vorredner haben nicht in Abrede gestellt, daß eine dynamische Wirtschaftspolitik letztlich auch eine dynamische Beschäftigungspolitik zur Folge hat. Ich muß Ihnen allerdings sagen: Ich sehe von dieser Dynamik nichts! Wenn es eine Dynamik gibt, dann gibt es eine Dynamik im Rückwärtsgang! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Abgeordnete Karlsson verlangte zum Beispiel am Parteitag von Herrn Minister Einem ein kommunistisches Manifest. – Na toll! Wirklich eine tolle Dynamik, muß ich sagen. Großartig! Manche nennen das Verwirrspiel. Ich sage Ihnen nur: Sie sind desorientiert. Sie sind völlig des


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orientiert und chaotisch. Ihre Aussagen zur Frage der Arbeitszeitverkürzung mit oder ohne Lohnausgleich haben das bewiesen. Sie sind chaotisch! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Wirklichkeit haben Sie an der Wirtschaftspolitik nichts geändert. Die Regulierungen und die Beschränkungen sind alle geblieben. Der Staat ist der größte Wirtschaftstreibende. Zum Unterschied von allen anderen EU-Ländern ziehen Sie sich aus der Wirtschaft nicht zurück und besetzen den geschützten Bereich, wo die Zukunftsarbeitsplätze sind, die Sie schaffen sollen. Nicht "Arbeit reduzieren", sondern "Arbeit schaffen" muß die Devise einer Regierung heißen! (Erneuter Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber die "Dynamik im Rückwärtsgang" zeigt sich ja auch bei der ständig steigenden Zahl von Pensionisten. Die Zahl der Pensionisten hat in Österreich im Vergleich zu allen anderen Ländern einen Höchststand erreicht. Doch der Herr Bundeskanzler hat noch vor ein paar Monaten beziehungsweise zumindest im Wahlkampf 1995 gesagt, bei der Post gebe es keine Kündigungen. – Na ja, jetzt schicken wir sie alle in die vorzeitige Pension. Das sind die Verwirrspiele, das ist das Chaos, das Sie betreiben! Das führt nicht zu mehr, sondern letztlich zu weniger Beschäftigung.

Jetzt sagen Sie auf einmal: In der EU muß eine Beschäftigungsunion her. Haben Sie uns nicht zugehört, als wir – auch im Hauptausschuß des Nationalrates – gesagt haben, es gehörten Beschäftigungskriterien hineinverhandelt? Haben Sie uns nicht gesagt, das alles sei ein Blödsinn, das gehe gar nicht? Aber jetzt auf einmal geht es ab 1999, weil es Ihre Idee ist? Die Maastricht-Verträge werden neu verhandelt. Müssen Sie ständig unsere Vorschläge blockieren, um sie dann mit ein, zwei Jahren Verspätung zu Ihren eigenen Vorschlägen zu erklären? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt kommt die "Spitze" von seiten der Sozialdemokraten: Jetzt darf es auch ständig weniger Lohn sein. Wir sind für eine Flexibilisierung. Stellen Sie sich das vor! Wir haben Anträge auf Flexibilisierung eingebracht. Aber Sie können doch nicht hergehen und nicht gleichzeitig die kalte Progression bei den unteren Einkommen entschärfen, wie unser Parteiobmann Haider gesagt hat, bei 12 500 S, bei 20 000 S brutto, dort müssen Sie doch etwas machen! Daher bringen wir Freiheitlichen wieder folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schreiner, Böhacker und Kollegen betreffend Vermeidung der kalten Progression

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen 6 Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach der Lohn- und Einkommensteuertarif entsprechend gesenkt wird, um die vermehrte Steuerbelastung aus der "kalten Progression" zu beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

*****

Abgeordneter Kier hat heute auch ein bißchen zur Verwirrung beigetragen. Wenn er sagt, Massenarbeitslosigkeit sei die Folge von Steuerreduktionen, dann muß ich ihn fragen, in welchen Zeitungen der Welt er liest. (Ruf bei den Freiheitlichen: In der "Prawda"!) Das ist wirklich skurril!

Der Herr Bundeskanzler hat ja heute gezeigt, daß er auch für die armen Leute ein sehr weiches Herz hat. Er hat heute früh in der Fragestunde gesagt, die Million, die er mehr bekomme, gebe er der "Caritas" weiter. Er geniert sich also schon ein bißchen. Er hat schon noch ein gesundes Empfinden. Aber offensichtlich kommt das bei den Sozialdemokraten nicht hinüber.


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Wenn die Überstundenzuschläge, für die wir immer wieder plädiert haben, wegfallen, dann soll zumindest bei den unteren Einkommenssparten die kalte Progression beseitigt werden. Dafür hat er aber überhaupt kein Ohr. Im "Bündnis für Arbeit" hätte er das alles schon vor Monaten lesen können! Dort steht auch drinnen, wie man im Dienstleistungsbereich Arbeitsplätze schafft, etwa – wie zum Beispiel in Frankreich – mit einem Dienstleistungsscheck. Sind das alles absurde Vorschläge, die in anderen Ländern der EU, für die Sie so plädieren, erfolgreich umgesetzt werden? (Abg. Dr. Haider: Der Nürnberger liest nur die Überschriften! Er kennt sich nicht aus! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber er hört mir gut zu, der Herr Nürnberger. Er ist jetzt schon soweit dabei, er hört schon zu.

Ich muß Ihnen, Herr Nürnberger, sagen: Die persönliche Dienstleistung haben Sie in den letzten Jahrzehnten auch verunglimpft, indem Sie gesagt haben: Persönliche Dienstleistung ist etwas Negatives, das machen wir nicht! Im Dienstleistungssektor sind aber letztlich die Arbeitsplätze der Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten eine steuerliche Gleichstellung der persönlichen Dienstleistungen anstreben, damit endlich einmal die Schwarzarbeit weniger wird und der Dienstleistungsbereich genauso expansiv wie in anderen Ländern wird! Aber Minister Farnleitner hat unlängst gesagt: Ja wissen Sie, bezüglich der Dienstleistung sind wir ein Entwicklungsland! – Dafür sind Sie mitverantwortlich, Herr Nürnberger! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. ) Ja, ja. (Abg. Nürnberger: Es ist die Unwahrheit!)

Investitionsfördernde Eigenkapitalbildung, das wäre eine Idee gewesen, die steuerliche Begünstigung nicht ausbezahlter Gewinne gegenüber ausbezahlten. Das wäre eine sinnvolle Politik zur Arbeitsplatzsicherung gewesen, Herr Nürnberger! Aber auf diese Idee sind Sie nicht gekommen. Finanzveranlagung, das war das große Geschäft unter Ihrer Regierung, aber nicht Investitionen. So schaut Ihre sozialistische Politik aus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Da sitzen die Kapitalisten, lieber Nürnberger!)

Sie mit Ihren Millionenbezügen und Pensionen haben überhaupt kein Recht, bei dieser Frage mitzureden. Sie sind im geschützten Bereich, und davon werden Sie auch in der Pension gut leben. (Abg. Dr. Haider: Die roten Kapitalisten!)

Die Exportoffensive, Herr Bundeskanzler – er ist ja leider nicht da –, des Herrn Dr. Pühringer von der Industriellenvereinigung ist abgeblasen worden, weil man gesagt hat, eine Exportoffensive der Industriellenvereinigung habe nicht stattzufinden. Alle Vorschläge des Dr. Pühringer, des Exportexperten der Regierung, die auch die Liberalen und die ÖVP für sehr gut gehalten haben, sind gestern abgelehnt worden. So schauen Ihre arbeitsplatzschaffenden Aktivitäten aus!

Die ausländischen Investoren werden sicherlich nicht erfreut sein, wenn sie in der Zeitung lesen, daß Österreich für die Arbeitszeitverkürzung eintritt. Wenn Sie das Pferd von dieser Seite aufzäumen, werden Sie zu Investitionen aus dem Ausland nicht kommen.

Der Herr Bundeskanzler war in Holland, der Herr Bundeskanzler kennt sicherlich Herrn Blair, er könnte auch von England lernen, wie es geht. Es sind keine "MacJobs", die dort überall entstehen, sondern hochqualifizierte High-tech-Dienstleistungsjobs. In diesem Bereich haben wir große Defizite, und Sie sind jetzt deswegen für Arbeitszeitverkürzung, weil Sie total verschlafen und versagt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich erinnere mich auch noch daran, als Herr Wirtschaftssprecher Nowotny gesagt hat: Das ist ja alles richtig, aber der Verwaltungsbereich ist unser expansiver Bereich, den Verwaltungsbereich müssen wir schützen, denn dort wird es zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten geben! – Na ja, der Herr Bundeskanzler ist da anderer Meinung. Laut seinen Aussagen arbeiten die Beamten ohnehin nichts, daher könnte es ruhig weniger geben. Von Strukturreformen keine Rede! Nein, einfach weniger Beamte. Das ist jetzt offensichtlich die Lösung und sonst nichts.

Da verstehe ich natürlich, meine Damen und Herren, die Wut, die in der "Kronen Zeitung" vom heutigen Tag zum Ausdruck kommt, indem es heißt: "Politiker, Funktionäre und parteinahe Manager waren und sind die absoluten Weltmeister im Abkassieren." Da steht alles drinnen von


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Ihrem Pyramidenspiel, das heute schon mehrfach erwähnt wurde, und der Million, die der Herr Bundeskanzler der "Caritas" geben muß. Ich kann dem Herrn Bundeskanzler nur eines empfehlen: Kümmern Sie sich mehr um die Menschen, die aufgrund Ihrer Politik zunehmend von der "Caritas" leben müssen! (Abg. Mag. Stadler: So ist es!) Das ist eine bessere Einstellung als die, der "Caritas" Almosen zu geben, aber nur so lange, solange Sie in der Regierung sind, jedoch nicht mehr dann, wenn Sie in Pension sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der von Abgeordnetem Prinzhorn eingebrachte Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sophie Bauer. Die freiwillige Redezeit ist auf 8 Minuten gestellt.

16.34

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wie könnte es anders sein: Die heutige Dringliche Anfrage der FPÖ ist für mich als Gewerkschaftsfunktionärin wieder eine rein populistische Sache. (Abg. Böhacker: Etwas ganz Neues!) Die FPÖ hat aus einem Interview einfach einen Satz herausgerissen und die Aussage des Bundeskanzlers falsch zitiert. (Abg. Aumayr: Das ist aber Verzetnitsch auch passiert!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun komme ich zum eigentlichen Thema, zur Diskussion über die Arbeitszeitverkürzung. Hören Sie gut zu, damit Sie wissen, worum es geht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Das wissen sie trotzdem nicht!) Wahrscheinlich nicht.

Als in den siebziger Jahren die Arbeitszeit von 45 Stunden auf 40 Stunden reduziert wurde, sind dadurch 200 000 Arbeitsplätze geschaffen worden. (Abg. Aumayr: Bei gleichem Lohn! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Deshalb ist es auch meiner Meinung nach unbedingt notwendig, eine Arbeitszeitverkürzung durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schreiner. ) Hören Sie lieber zu, denn sonst sagen Sie wieder etwas ganz anderes! Von Ihnen sind wir nichts anderes gewöhnt: Sie nützen alles aus, um jeden durch den Kakao zu ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte es für notwendig, zur Sicherung der bestehenden und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze eine Arbeitszeitverkürzung durchzuführen. Es gibt eine Studie der EU, in welcher festgestellt wird: Wenn nur die Überstunden wegfielen, würden drei bis vier Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. (Abg. Böhacker: Eine Milchmädchenrechnung! – Abg. Koppler: Du kennst dich nicht aus, du bist Steuerberater!) Er hört ja auch nicht zu! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Jetzt ist zur Abwechslung wieder Frau Abgeordnete Bauer am Wort! – Bitte.

Abgeordnete Sophie Bauer (fortsetzend): Meiner Meinung nach ist es notwendig, daß in Österreich die Überstunden wegfallen. Dadurch könnten 30 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Es gibt aber auch viele andere Möglichkeiten, neue Arbeitsplätze zu schaffen beziehungsweise jene zu erhalten, die wir jetzt haben.

An die "F" gerichtet: Hier könnten Sie Ihre Kraft einsetzen und mithelfen, Solidarität zu erzielen, um das durchführen zu können, anstatt immer nur Angst und Panik zu schüren und die Arbeitsplätze in Gefahr zu bringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Laden Sie uns ein!)

In diesem Sinne möchte ich Sie auffordern, Ihre Arbeit einzubringen. (Beifall bei der SPÖ.)


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16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Abg. Böhacker: Er predigt Wein und trinkt Wasser!)

16.38

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Ihre Dringliche Anfrage, Herr Kollege Böhacker, scheint nicht sehr dringlich zu sein, denn das Haus fällt mehr durch Höhe als durch Fülle auf. (Abg. Rossmann: Die ÖVP ist gar nicht vorhanden!) Es scheint die Dringliche nicht so dringlich und aktuell zu sein – außer für Sie.

Das "Bündnis für Arbeit", das Sie bereits in der Vergangenheit präsentiert haben, ist schon einmal als Voodoo-Ökonomie bezeichnet worden. Ich finde diesen Namen gar nicht so schlecht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Eigentlich gehört das nicht zu meinem eigentlichen Beitrag, und ich möchte nicht mit Ihnen während der Debatte zu Ihrer Dringlichen in einen diesbezüglichen Dialog verfallen, aber ich mache mir auch Gedanken dazu.

Meine Damen und Herren! Österreich befindet sich mehr denn je im internationalen Wettbewerb, bedingt durch eine zunehmende Globalisierung. Österreich ist ein Hochlohnland, und daher müssen wir uns bei unseren Investitionen daran orientieren, wo wir europaweit wettbewerbsfähig sind und wo ein entsprechend hoher Preis auf dem Weltmarkt zu erzielen ist.

Österreich ist darüber hinaus ein Hochtechnologieland. Wir bieten qualifizierte Dienstleistungen an. – Sie lachen, Herr Abgeordneter Meisinger, aber es stimmt. Vielleicht wissen Sie es noch nicht. – Daher hat die Bundesregierung Schwerpunkte hinsichtlich Technologie und Forschung gesetzt und mit der Forschungsmilliarde neben der Stärkung der Förderungsinstrumente schwerpunktmäßig Sonderprogramme und dank Minister Farnleitner erstmals eine Dotierung eines Venture-Capital-Fonds durchgeführt.

Meine Damen und Herren! Wir sind für eine offensive Forschungs- und Entwicklungspolitik, um die internationale Konkurrenzfähigkeit gewährleisten zu können. Wir treten deshalb vehement für eine Entlastung der Lohnnebenkosten ein, um damit die Arbeit billiger machen zu können – nicht, um dem Arbeiter weniger Einkommen zu geben. Dafür sollen erneuerbare Ressourcen, wie zum Beispiel die Energie, im internationalen Gleichklang besteuert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit Blick auf die Schlüsselrolle der Energiewirtschaft in den nächsten Jahrzehnten ist für mich die Antwort klar: Das System der freien Marktwirtschaft und Gewinnorientierung ohne wirksame Rücksicht auf ökologische Grenzen, wie es derzeit weltweit vorangetrieben wird, kann nur noch einige Jahrzehnte – wenn überhaupt – bestehen.

Für mich als selbst betroffener Landwirt ist natürlich die Sicherung des Arbeitsplatzes Bauernhof vorrangig. Das sollte bei Ihnen auch so sein, Frau Kollegin.

Eine Gefährdung des Arbeitsplatzes Bauernhof bringt einen enormen zusätzlichen Druck auf den Arbeitsmarkt für Unselbständige. Aus diesem Grunde ist es auch für Arbeitnehmer sehr wichtig, daß die österreichische Landwirtschaft lebens- und konkurrenzfähig erhalten wird.

Dazu sind folgende Maßnahmen nötig: erstens die Förderung erneuerbarer Energie, wie schon angesprochen. (Abg. Aumayr: Beschließen Sie es doch endlich! Sie sitzen ja in der Regierung! Sie reden immer nur davon!) – Frau Kollegin, solange Sie dazwischenreden, kann man nichts beschließen. Bringen Sie selber vernünftige Ideen und konstruktive Vorschläge ein! Es war auch heute nichts davon zu merken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sie haben nur Kritik geübt und aufgezeigt und angeschwärzt, aber es gab keinen Vorschlag, etwas zu verbessern, nur eine Dramatisierung. Sie haben die Situation in unserem Land schlechter gemacht, als sie tatsächlich ist. (Abg. Aumayr: Beschließen Sie endlich die guten Ideen!)

Ich komme selbst aus einem Grenzlandbezirk, nämlich aus Leibnitz in der Südsteiermark (Abg. Scheibner: Ein reicher Weinbauer!), und ich habe auch meine Erfahrungen mit den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und mit der Wirtschaft gemacht. Es hat sich im letzten Jahr einiges verändert. Die diesbezüglichen Zahlen kann ich Ihnen dann draußen sagen.


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Ich könnte mir bezüglich der erneuerbaren Energie vorstellen, daß wir – und das halte ich für sehr wichtig – alle Schulen und öffentlichen Gebäude in unserem Land mit heimischer erneuerbarer Energie versorgen. Dadurch würden zehnmal mehr Arbeitsplätze geschaffen als bei den fossilen Energieträgern, gleichzeitig würde das Geld im eigenen Land bleiben und nicht ins Ausland fließen. Die umfassende Erneuerung des Energiesystems in Richtung Nachhaltigkeit könnte so zum wirkungsvollen Programm gegen Arbeitslosigkeit werden.

Parallel dazu sollten die fossilen Energieträger um 30 bis 40 Groschen höher besteuert und mit diesen Mehreinnahmen die Senkung der Lohnnebenkosten finanziert werden. Bei einer Gemeinde mit 10 000 Einwohnern sind bei der Nutzung fossiler Energieträger etwa 50 Personen beschäftigt. Würde man auf erneuerbare Energieträger umsteigen, zum Beispiel Biomasse aus Holz, so könnten 500 Menschen beschäftigt werden. Eine solche Initiative würde der Welt zeigen ... (Abg. Aumayr: Steigen Sie doch endlich um!) Warum hören Sie nicht zu, warum reden Sie immer dazwischen? Sie haben wirklich ein Problem!

Wir haben diesbezüglich schon viele Projekte laufen. Eine solche Initiative würde der Welt zeigen, daß sich unser Wirtschaftssystem rechtzeitig den Herausforderungen mit Nachhaltigkeit stellt.

Ich nenne Ihnen eine weitere Maßnahme zur Beschäftigungssicherung. Darum geht es ja auch bei Ihrer Dringlichen Anfrage. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wollen Sie noch weiter dazwischenreden oder doch einmal zuhören und konstruktive Ideen aufnehmen? (Abg. Aumayr: Beim nächsten Parteitag sollten Sie diese Rede halten!) Es freut mich, daß Sie jetzt zuhören. (Abg. Dr. Ofner: Kollege, eine ernste Frage: Warum macht ihr es denn nicht?) Wir reden dann draußen weiter. Sie können auch hier zum Rednerpult kommen.

Eine weitere Maßnahme zur Beschäftigungssicherung – Vorschläge dazu hätte ich auch gerne von Ihnen gehört – ist die Spezialisierung auf Nischen, beispielsweise der "Feinkostladen Österreich". Ein Beispiel dafür ist der steirische Bergwein: Einerseits werden Berglagen und Steillagen qualitativ hochwertig kultiviert, andererseits können sich diese Produkte der internationalen Konkurrenz locker stellen, und es werden für die höheren Aufwendungen gerechte Wertschöpfungen erzielt. Gleichzeitig garantiert es die Vollbeschäftigung für die Weinbauern und die landwirtschaftlichen Betriebe im Umfeld, da auch ein steigendes Tourismusaufkommen zu verzeichnen ist. Weitere Beispiele sind: steirisches Kürbiskernöl, Edelbrände, steirische Äpfel und auch der "Urlaub am Bauernhof". Gesamtregionale Gewerbebetriebe profitieren von diesen Synergieeffekten. (Abg. Koppler: Gurkerl aus Eferding!)

Zeitgemäßer Liberalismus in den entsprechenden Gesetzen muß die Rahmenbedingungen schaffen und nicht behindern, damit der Standort Österreich den europäischen Konkurrenten Paroli bieten beziehungsweise immer einen Schritt voraus sein kann. Denn ist der Kunde einmal ins Ausland abgewandert, kostet es ein Mehrfaches, ihn wieder zurück nach Österreich zu bringen.

Regionale Direktvermarktung – ein weiteres Beispiel – ist eine gewachsene Notwendigkeit, auf die Veränderungen im Wettbewerb zu reagieren. Tun und handeln statt sprechen und reden! Da ist die flexible Arbeitszeit schon lange kein Thema mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit. (Abg. Aumayr: Gewerbeordnung!) Auch die liberalen Ladenschlußzeiten sind unumgänglich, um sich den saisonalen Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Es ist wohl wenig sinnvoll, in den stark frequentierten Jahreszeiten zwischen Frühling und Herbst von – bis offenzuhalten, ohne auf Faktoren wie Familie, Urlaubszeit, Beschäftigungszeit, ja sogar die Sommerzeit Rücksicht zu nehmen. Die zur Diskussion stehenden Maßnahmen zur Deregulierung und Liberalisierung der Gewerbeordnung sowie die Entbürokratisierung sind raschest zu verwirklichen.

Den kleinen und mittleren Handelsunternehmen, den sogenannten KMUs, aber auch den BFUs – das sind die bäuerlichen Familienunternehmen – ist jetzt unter die Arme zu greifen, um ihnen ein Bestehen im internationalen Wettbewerb zu erleichtern. Dringende diesbezügliche Maßnahmen sind die Eindämmung der unkontrollierten Flächenausdehnung im Handel in der in Länderkompetenz befindlichen Raumordnung, die Erleichterung der Betriebsübernahme im


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Anlagenrecht, die Vereinfachung bei Genehmigungsverfahren, die Schaffung einer ländlichen Fachhochschule für Agrar-Exportmarketing, zum Beispiel im Raum Obersteiermark in der HTL Raumberg in Stainach-Irdning und ähnliche Dinge, die gegenwärtig wichtig sind. Wir sollten nicht so viel darüber reden und Dringliche Anfragen stellen, sondern diese Dinge vorantreiben und mit allen Kräften und mit Hilfe aller hier im Nationalrat angehen, damit wir schon morgen damit beginnen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Gestern hätten wir beginnen sollen!)

Wir sind ja schon auf dem Weg. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. (Abg. Dr. Ofner: Macht es doch!) Sie werden es auch nicht mehr verhindern können, Herr Kollege! Wir wollen in diesem Land etwas weiterbringen, und da sollten wir besser weniger reden und mehr handeln! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Deswegen sind wir hier. Sie behandeln ein Problem, für das wir ohnehin hier sind. (Abg. Böhacker: Aber es geht ja nichts weiter!)

Lohnpolitik – damit komme ich noch einmal auf die Dringliche Anfrage zu sprechen – ist für uns grundsätzlich ein autonomer Bereich der Sozialpartnerschaft. So soll es auch bleiben. Die Lohnpolitik der Sozialpartner war in den letzten 50 Jahren erfolgreich, und wir sind überzeugt davon, daß sie auch in Zukunft genauso erfolgreich sein wird. Der Interessenausgleich, auf der einen Seite die Einkommen für die Arbeitnehmer zu sichern, auf der anderen Seite die Betriebe wirtschaftlich erfolgreich handeln zu lassen und so Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, ist nach meiner Auffassung in den Händen der Sozialpartner gut aufgehoben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

16.47

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat sich wie auch schon sein Vorgänger in der Vergangenheit heute wieder einmal bemüht, darauf hinzuweisen, daß in Österreich ohnedies alles in Ordnung ist, daß wir eine hohe Beschäftigungsrate mit 3 Millionen unselbständig Beschäftigten haben und daß die Arbeitslosenrate in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern in der Europäischen Union relativ gering ist. Ich meine: Wir in Österreich wollen uns ja nicht an jenen Ländern orientieren, die schlechter sind als wir, sondern an jenen, die besser sind als wir! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen in Österreich, verehrte Damen und Herren, ein höheres Einkommen haben. Luxemburg zum Beispiel ... (Abg. Koppler: Haha! Luxemburg!) Jetzt lachst du, Koppler. Das müßte für dich als Zentralbetriebsratsvorsitzender der VOEST ein Vorbild sein. Aber in der Verstaatlichten und bei dir ist das schon den Bach hinuntergeschwommen.

In Österreich sind 21 Prozent der unselbständig Beschäftigten im öffentlichen Dienst tätig, während es im europäischen Durchschnitt nur 15 Prozent sind. Dort hat man eben eine gewisse Anzahl der Arbeitslosen aufgefangen. Wir haben in Österreich viele Frühpensionisten, wodurch die Arbeitslosenrate auch etwas kaschiert wird. Jetzt drängt auch eine große Anzahl öffentlich Bediensteter in die Frühpension. Die neuerliche Diskussion hinsichtlich der Lehrer erübrigt sich sowieso, denn die Möglichkeit, mit dem 55. Lebensjahr in Pension zu gehen, müßte eigentlich jedem, der 35 Versicherungsjahre und das 55. Lebensjahr erreicht hat, zugestanden werden, dies natürlich mit Abschlagszahlungen. Für alle das gleiche Recht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die SPÖ diskutiert seit Beginn dieses Jahres eine Arbeitszeitverkürzung auch ohne vollen Lohnausgleich, und sie glaubt, daß dies eine offensive Maßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen sein könnte. Man hat die flexible Arbeitszeit eingeführt, was zu Lohneinbußen bei den unselbständig Beschäftigten führt, weil die Leute durch den Wegfall von Überstundenzuschlägen einfach ein etwas geringeres Einkommen haben. Kollege Nürnberger, der Metallergewerkschafter, sagte hier, es gebe überhaupt keine Widersprüche zwischen der Bundesregierung, dem Bundeskanzler und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, der demokra


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tisch sei. – Ich muß Ihnen sagen: Ich glaube, daß der Gewerkschaftsbund der Steigbügelhalter der österreichischen Bundesregierung ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber anscheinend, Kollege Nürnberger, ist das in der Gewerkschaft nicht bei jedem so, denn in der "Presse" vom Dienstag, dem 15. April 1997, äußerte sich der ÖGB-Vizepräsident Günter Weninger folgendermaßen: Zwar gebe es schon bisher Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich, so generell, wie vom SPÖ-Vorsitzenden gefordert, sei dies aber nicht möglich. (Abg. Nürnberger: Hätten Sie zugehört, was ich gesagt habe!)

Es geht noch weiter. Der "Chef" der Gastgewerbegewerkschaft, Rudolf Kaske, meint: Für uns ist das insgesamt kein Thema. Würde es Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich geben, ginge das ans Existenzminimum. (Abg. Nürnberger: Hättest du zugehört, was ich gesagt habe!) Das hast du nicht gesagt! Nein, das hast du nicht gesagt!

Dann geht es hurtig weiter. Der steirische Landessekretär der Metallergewerkschaft, Kurt Gennaro, meinte, jede Maßnahme, die zu Einkommensverlusten führe, müsse grundsätzlich ablehnend beurteilt werden.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie unseren Vorschlägen nicht Folge leisten und wir eine eigene Gewerkschaftsbewegung gründen, sind diese Herren herzlich eingeladen, bei uns mitzutun, wenn sie unserer Meinung sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was bedeutet Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich? Was wollen denn die Arbeitnehmer? – Sie wollen ein Einkommen, mit dem sie auch überleben können. Denn wen trifft denn letzten Endes eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich? – Sie trifft die große Masse derer, die zwischen 12 000 S und 25 000 S verdienen.

Kollegin Rosemarie Bauer sagte, daß es eine EU-Studie gibt, die besagt, daß 3 bis 4 Millionen Arbeitsplätze ... (Abg. Silhavy: Sophie Bauer!) – Bitte um Entschuldigung! Sophie Bauer, ja. Kollegin Rosemarie Bauer ist von der ÖVP. Kollegin Sophie Bauer verwies auf eine Studie der EU, wonach 3 bis 4 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden könnten – allein in Österreich 30 000 – , wenn keine Überstunden gemacht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Warum machen denn die Menschen zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr Überstunden? – Damit sie sich etwas schaffen können, damit sie eine Existenzgrundlage haben, sich ein Eigenheim bauen können, sich eine Wohnung anschaffen können. (Abg. Silhavy: ... die Fleißigen ...!) So ist es! Für die Fleißigen und für die Tüchtigen, die da arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Grundsätzlich nehmen diese niemandem einen Arbeitsplatz weg, denn die schaffen Arbeitsplätze, weil durch sie die Kaufkraft erhöht wird. Das verdiente Geld stecken sie ja wieder in die Wirtschaft. (Abg. Nürnberger: Schau dir einmal die Überstunden an! Das ist doch ein Blödsinn, was du da ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Kollege Nürnberger! Eines sage ich dir: Ich weiß, wie es in den Betrieben ist. Weißt du, was die Leute dort, wo es heute keine Überstundenzuschläge mehr gibt und nur auf Zeitausgleichsbasis gearbeitet wird, machen? – Sie gehen pünktlich nach Hause und gehen dann einer Nebenbeschäftigung nach, um ein entsprechendes Einkommen zu erhalten. So ist es heute in Wirklichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Prinzip ist es jedem egal, wie er zu Geld kommt, er braucht das Geld, um mit seiner Familie überleben zu können. (Abg. Nürnberger: Der Haider hat dir eh schon einen Einser gegeben, setz dich nieder! – Heiterkeit.) In Ordnung, Herr Kollege Nürnberger, vielleicht hörst du mir trotzdem etwas zu.

Für mich ist es unverständlich, daß die Sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaft eine flexible Arbeitszeit zulassen, wie dies geschehen ist, und zwar auf dem Rücken der Arbeitnehmer, nur und zur Gänze auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Auch die Arbeiterkammerstudie beweist, daß es durch die flexible Arbeitszeit zu Lohnsteuereinbußen in der Höhe von 10 Milliarden Schilling gekommen ist. (Abg. Koppler: Schau dir die Überstundenstatistik an!)


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Kollege Koppler! Schau dir die Statistik an, schau dir an, wie viele Haushalte heute in Österreich verschuldet sind! 240 000 Personen in Österreich verdienen in der Vollbeschäftigung unter 12 000 S. Das ist im Sozialbericht von 1995 nachzulesen. Eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ginge ans Existenzminimum. Beherzigen Sie das in Zukunft bei Ihren weiteren Argumentationen! Für mich kommt eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich nicht in Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Gabriele Binder.

16.54

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dolinschek, ich verstehe den Vorwurf nicht, der da gewissermaßen im Raum steht, daß die Sozialpartner gut zusammenarbeiten. Ich meine, es spricht nichts dagegen, daß so der soziale Frieden in Österreich erhalten wird. (Abg. Dolinschek: Den Frieden werden Sie nicht lange erhalten, wenn es so weitergeht!)

Zweiter Punkt: Es geht um die Solidarität, und es geht um die solidarische Verteilung der Arbeit. Es gibt Menschen, die Arbeit haben, und es gibt solche, die keine Arbeit haben, und da muß man die Arbeit solidarisch verteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In reichen Gesellschaften kann über soziale Gerechtigkeit, über Armutsbekämpfung und über Gerechtigkeit nur dann sinnvoll diskutiert werden, wenn gleichzeitig auch über die Ursachen des zunehmenden Reichtums gesprochen wird. Armut und Reichtum sind die zwei Seiten der Medaille, und da geht es um soziologische und ökonomische Ungleichheit. Jene zum Teil international vereinbarten gesetzlichen Regelungen, die den Reichtum für Vermögende und Spekulanten vergrößern und die Chancen auf ein gesichertes und menschenwürdiges Erwerbseinkommen für viele Menschen verringern, müssen neu formuliert werden.

Meine Damen und Herren! Der Gegensatz Armut und Reichtum, Arbeit zu haben und keine Arbeit zu haben, läßt den Ruf nach Umverteilung laut werden. Vor allem müssen wir sagen, was die Fakten sind: In den letzten 35 Jahren ist der Wohlstand in Österreich wesentlich erhöht worden. Die Reallöhne und die Pensionen sind verdoppelt worden, die Österreicher sind doppelt so reich wie früher.

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig aber – und das ist für mich sehr ernst – reden wir über jene Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen und leben, über die sogenannte relative Armut in Österreich. Arm zu sein hängt von drei wesentlichen Faktoren ab: vom Einkommen, von den Ausgaben und von der Ausstattung des Haushaltes. Aus entsprechenden Berechnungen und Statistiken geht hervor, daß das Durchschnittseinkommen einer Familie mit drei Personen, Familienbeihilfe eingerechnet, 20 000 S beträgt. Dabei werden für die erste Person 4 000 S berechnet, für die zweite Person 3 000 S, für ein Kind 2 000 S. Der Rest geht für laufende Kosten für Wohnung, Heizung, Strom und so weiter auf.

Meine Damen und Herren! Im Rahmen der heutigen Diskussion müssen wir auch über den Begriff "Arbeit" reden, denn über Arbeit wird vielfach nur dann diskutiert, wenn es darum geht, sie in Verbindung mit Erwerbseinkommen zu sehen. Es müssen aber auch Leistungen, die ohne finanziellen Ausgleich erbracht werden, wie zum Beispiel Pflegearbeit, Betreuungsarbeit, Hausarbeit, Versorgungsarbeit, in die Diskussion mit einbezogen werden. Die unterschiedlichen Tätigkeiten müssen ineinander verzahnt werden, denn nur so kann unser Leben funktionieren.

Genauso, wie wir den Begriff "Arbeit" definieren müssen, müssen wir auch den Begriff "Einkommen" definieren. Gibt es nur ein Einkommen aufgrund von Erwerbsarbeit, oder meinen wir, wenn wir von "Einkommen" sprechen, auch Einkommen von Besitz, Einkommen aus Kapital, aus Spekulationen und Vermögen? Im Zusammenhang mit der Frage der Umverteilung sind diese Punkte sehr wohl miteinzubeziehen, denn es geht um Solidarität, die auch gelebt werden muß.


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Meine Damen und Herren! Es stellt sich auch die Frage: Geht es nur um Geld, geht es nur um Besitz, oder geht es auch um das Teilhaben-Können und Teilhaben-Wollen am gesellschaftlichen Leben? Ich bin davon überzeugt, daß dabei nicht nur das Einkommen ausschlaggebend ist, sondern auch das Bereitstellen von Rahmenbedingungen und ausreichenden Infrastrukturmaßnahmen. Sie sind ein wesentlicher Faktor, wenn es darum geht, teilhaben zu können. Ich bin der Meinung, sie müssen vielfältig und unterschiedlich sein, je nach den Lebensbedingungen jedes einzelnen Menschen.

Meine Damen und Herren! Was meine ich damit? – Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wirkt sich auf die ganze Familie und somit auch auf die Kinder aus. Was Kinder betrifft, bin ich der Meinung, daß nach wie vor die wichtigsten Punkte die Aufrechterhaltung der Transferleistungen, die Aufrechterhaltung der Sachleistungen und die Aufrechterhaltung eines engen Infrastrukturnetzes sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dieser Dringlichen Anfrage drängen sich mir zwei Fragen auf, die ich wirklich geklärt haben möchte: Drückt sich darin wirklich echte Sorge um die Menschen in Österreich aus? Geht es dabei wirklich um eine seriöse Auseinandersetzung mit dieser Thematik? Ist tatsächlich die Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen gefragt?

Meine Damen und Herren! Wenn dem so ist, wundert es mich, daß, wenn im Frauen-Volksbegehren ein Mindesteinkommen von 15 000 S gefordert wird, die FPÖ das nicht unterstützt.

Und ich wundere mich, daß, obwohl alle Studien über die Bekämpfung der Armut belegen, daß Betreuungseinrichtungen wichtig und wesentlich sind, die "F" einen Betreuungsscheck fordert.

Oder: Ich wundere mich, wenn es zum "Bündnis für Arbeit" heißt: Nach Auffassung der "F" sind die zu hohen Löhne der Arbeitnehmer und die zu niedrigen Gewinne der Unternehmer schuld daran, daß derzeit Arbeitsplätze fehlen und die Arbeitslosigkeit so hoch ist.

Oder: Wenn von den "F" Anträge auf Kürzung der Urlaubsansprüche gestellt werden, auf Senkung des Arbeitslosengeldes, auf Aushöhlung des Arbeitnehmerschutzes, so frage ich mich, meine Damen und Herren, wie seriös diese Auseinandersetzung heute wirklich gemeint ist.

Meine Damen und Herren! Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist sehr, sehr ernst, und es gibt viele Lösungsansätze, die auch der Bundeskanzler heute und schon früher in vielen seiner Statements angesprochen hat. Wir müssen darangehen, diese Maßnahmen umzusetzen, denn eines ist uns allen klar: Ein hohes Beschäftigungsniveau ist der Garant für die Weiterentwicklung des Systems der sozialen Sicherheit, und ich glaube auch, daß es EU-weit regulierende Eingriffe, vor allem in den Marktmechanismus, geben muß, denn nur eine gerechte Verteilung der vorhandenen bezahlten Arbeit, weniger Egoismus und mehr Solidarität können uns zu Lösungen führen. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Es bringt uns allen nichts, wenn wir Ängste schüren, die Neidgenossenschaft größer wird und wir ein Gegeneinander-Ausspielen von unterschiedlichen Gruppen zulassen. Wir müssen nach seriösen Lösungen suchen, und ich denke, die Stabilität unserer Demokratie darf nicht durch Ängste zerstört werden. Unsere gemeinsame Anstrengung und unser gemeinsames Ziel muß es sein, ein hohes Wohlstandsniveau zu ermöglichen und zu erhalten, an dem möglichst viele teilhaben können und auch teilhaben dürfen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Bitte Platz zu nehmen. Wir kommen jetzt zu einer Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen betreffend Steuerreform, Vermeidung der kalten Progression.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zur Durchführung einer kurzen Debatte. Diese Debatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Mag. Kammerlander und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 439/A (E) betreffend Euro-Informationskampagne und deren Leitung eine Frist bis 13. Mai 1997 zu setzen.

Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Nach der Geschäftsordnung darf kein Redner länger als 5 Minuten reden, der Erstredner hat für seine Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Stellungnahmen der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre sollen nach Möglichkeit auch nicht länger als 10 Minuten dauern.

Frau Abgeordnete Kammerlander, ich erteile Ihnen als Antragstellerin das Wort. Es steht Ihnen eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

17.04

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Danke, Herr Präsident.

Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute mehrmals gefragt worden, warum wir diese Fristsetzung noch aufrechterhalten und warum wir den Antrag als solchen noch aufrechterhalten (Abg. Dr. Khol: Weil ihr uneinsichtig seid!) , und ich möchte versuchen, das sachlich zu begründen und es Ihnen zu erklären, wenn Sie so wollen.

Tatsache ist unbestrittenermaßen, daß ein Teil dieses Antrages – er besteht sozusagen aus zwei Sätzen – erfüllt ist, und zwar dadurch, daß heute Herr Dr. Raab zurückgetreten ist, auch als Leiter der Euro-Informationskampagne in Österreich. Aber der Antrag hat in erster Linie eine andere Intention gehabt, und dabei geht es vor allem um die Euro-Informationskampagne als solche, die wir nicht ablehnen und die wir nicht in Zweifel ziehen, aber wo wir über die Kriterien der Ausgewogenheit und die Kriterien der Objektivität diskutieren möchten, und zwar hier im Parlament diskutieren möchten. Das, was sich aufgrund der Veröffentlichung dieses Berichtes, der uns zugespielt wurde, ereignet hat, daß verschiedene Wissenschaftler ihre Unterschrift gegeben haben und sich damit gegenüber der EU verpflichtet haben, nur im Sinne der EU-Kommission zu sprechen, verstärkt unserer Meinung nach ja noch das Interesse, das, glaube ich, bei allen vorhanden sein sollte, über diese Kriterien der Objektivität und Ausgeglichenheit zu diskutieren.

Noch einmal: Es geht uns um die Informationskampagne als solche, und es geht uns dabei natürlich auch darum, daß diese Kampagne, die in Österreich mit 40 Millionen Schilling dotiert ist, auch durch EU-Mittel kofinanziert werden soll. Und wenn wir dann merken, daß das innerhalb der EU offensichtlich Usus ist – denn man hat nichts Anstößiges daran gefunden, Wissenschaftlern solche Verträge vorzulegen –, haben wir unsere Zweifel, wie es dann eigentlich mit Informationskampagnen in unserem Land ist, die kofinanziert werden. Ist da wirklich die Objektivität gewährleistet und garantiert? Sind wirklich die Kriterien der Ausgewogenheit gewährleistet? Sind diese Kriterien sozusagen sichergestellt?

Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf die Euro-Kampagne anläßlich der Volksabstimmung der Bundesregierung. Diese Kampagne würde mich ja nicht gerade dazu verleiten, davon auszugehen, daß diese Kriterien der Ausgewogenheit ohnehin gewährleistet sind, denn wie Sie wissen, haben damals auch in Österreich kritische Wissenschaftler so etwas wie ein Auftrittsverbot bekommen, sind sanktioniert worden, durften ihre Meinung während dieser Kampagne in Österreich nicht mehr vortragen und publik machen.


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Daher sagen wir: Ja, wir unterstützen die Intention einer solchen Informationskampagne, aber wir möchten, daß die Abgeordneten über die Objektivität und die Ausgewogenheit im Verfassungsausschuß diskutieren, sich ein Bild machen, unter Umständen auch solche Kriterien festlegen, zu einer Meinung kommen, zu einem Meinungsbild darüber kommen und das dann auch beschließen in einer Form, die dann diese Kampagne noch mehr unterstützen kann und auch noch mehr ausdrücken kann, was eben das Ziel dieser Kampagne ist.

Daher unser Fristsetzungsantrag. Die Ereignisse zeigen, daß es notwendig ist, nicht lange zuzuwarten mit einem solchen Antrag, mit einer solchen Debatte, sondern möglichst in einer angemessenen Frist darüber zu diskutieren und zu einer Meinung zu kommen. Daher unser Antrag, dem Verfassungsausschuß für die Diskussion über diese Kriterien eine Frist bis 14. Mai zu setzen.

Ich stelle fest, daß der zweite Satz des Antrages, daß Herr Dr. Raab zurücktreten möge, erfüllt ist, und ich bitte Sie, das jetzt nicht sozusagen auf die Goldwaage zu legen, sondern die Intention des Antrages, nämlich die Gewährleistung der Objektivität dieser Kampagne, zu sehen und unserer Fristsetzung zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die folgenden Redner haben jeweils eine Redezeit von 5 Minuten.

Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.09

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Kammerlander hat sich ja wirklich ein bißchen schwergetan, hier das Unikum zu vertreten, daß die Abberufung von jemandem verlangt wird, der bereits zurückgetreten ist. Ich möchte aber doch auch auf den zweiten, inhaltlichen Teil eingehen.

Es besteht gar kein Zweifel: Es ist unsinnig und ungehörig, wenn versucht wird – wie das in diesem Vertrag der EU der Fall war –, Experten an eine Meinung zu binden, denn das ist ja ein Gegensatz. Ich bin immerhin schon relativ lange als Wissenschaftler tätig und kann sagen, ich habe noch kein einziges Beispiel eines solchen Vertrages gesehen. Ich halte das auch wirklich für einen Irrweg von offensichtlich übereifrigen Bürokraten, die es eben auch in Brüssel gibt – es soll sie ja anderswo auch geben.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang doch noch etwas Zweites sagen, nämlich zur Person des Dr. Raab. Als jemand, der schon lange in diesem Bereich tätig ist, kenne ich Dr. Raab schon seit Jahrzehnten, zuletzt als Generalsekretär des Sparkassenverbandes, und ich schätze Dr. Raab als einen hervorragenden Fachmann des Geld- und Kreditwesens, ich schätze ihn auch – das möchte ich auch betonen – als einen Patrioten, der bereit war, sich für eine öffentliche Angelegenheit zur Verfügung zu stellen, und ich möchte das nicht so geringschätzen. (Abg. Mag. Stadler: Was ist das für ein Patriot, der für die Abschaffung des Schillings ist?)

Herr Kollege, das werden Sie nie verstehen. Das Problem ist, daß es immer schwieriger wird, Leute, die eine respektierte Position in der Gesellschaft haben, dazu zu bewegen, sich für öffentliche Aufgaben zur Verfügung zu stellen, und ich glaube, man sollte all denen, die sich dennoch dazu bereit gefunden haben, dafür danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn das Personen wie Sie nicht verstehen, dann liegt das wahrscheinlich an Ihrer Persönlichkeitsstruktur, oder es liegt ... (Abg. Mag. Stadler: Nein, erklären Sie mir, was an der Abschaffung des Schillings patriotisch ist!) Herr Stadler! Es sind genau solche katilinarische Existenzen auf dieser Seite des Hauses, die das Klima vergiften, und das bedeutet, daß es immer schwieriger wird, eine sachlich korrekte Diskussion zu führen. Und deshalb werde ich mich auch nicht weiter mit Ihnen einlassen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte aber auch noch zum Inhaltlichen etwas sagen. Es geht darum – und das ist eben die patriotische Seite –, zu überlegen: Was sind, langfristig gesehen, die Interessen Österreichs, der


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österreichischen Bevölkerung? Und es besteht gar kein Zweifel daran, daß langfristig gesehen die Europäische Währungsunion die konsequente Fortsetzung des Binnenmarktes ist und daß das der beste Rahmen für eine gesunde Entwicklung der österreichischen Wirtschaft ist. Da ich in letzter Zeit oft genug mit dem Kollegen Van der Bellen bei Podiumsdiskussionen zusammensitze, weiß ich, Frau Kollegin Kammerlander, daß das auch die Position Ihres Wirtschaftssprechers ist.

Es geht also nicht darum, irgendwelche Propaganda zu machen, sondern es geht darum, Information anzubieten, damit die Bevölkerung, wenn die Währungsunion kommt, rechtzeitig darauf vorbereitet ist. Und das ist bitte schön eine Verpflichtung, die wir alle gemeinsam haben.

Es geht dabei um technische Fragen der Umstellung, es geht um Fragen des Konsumentenschutzes, es geht um die simple Frage, klarzustellen, daß es sich nicht um eine Währungsreform, sondern um eine Währungsumstellung handelt, und es geht natürlich auch um Beschäftigungsfragen, um Fragen der Branchenprobleme, um einzelne Bereiche.

Ich möchte auch noch ganz explizit sagen, weil ich genau über dieses Thema mit Präsident Verzetnitsch gesprochen habe: Natürlich werden diese Fragen, gerade diese konkreten Informationen von sämtlichen Sozialpartnern getragen, denn wir haben ein gemeinsames Interesse daran.

Daß sich in den wirtschaftspolitischen Grundsatzfragen natürlich Dispositionen ergeben können, ist klar. Daher möchte ich betonen: Für uns Sozialdemokraten geht es genauso wie für die Gewerkschaften um die Wirtschafts- und Währungsunion, das heißt, nicht nur um die Währungsseite, sondern auch um die Wirtschaftsseite. Das schließt die Beschäftigungsseite ein. (Abg. Jung: Wo steht das im Vertrag?) – Das steht, lieber Herr Kollege – wenn Sie sich einmal die Mühe gemacht haben, ihn zu lesen –, im Maastricht-Vertrag, aber ich nehme nicht an, daß Sie so weit gegangen sind, sich zu erkundigen, was die Wirtschafts- und Währungsunion wirklich ist. Das unterstreicht nur, wie notwendig eine Informationskampagne ist, der vielleicht auch einige Abgeordneten noch etwas abgewinnen können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.14

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich vermag – wie mein Vorredner – die Dringlichkeit beziehungsweise das Fristsetzungsbegehren der Grünen eigentlich nicht zu verstehen. Sie haben zwar auszuführen versucht, daß der erste Satz Ihres Antrages beziehungsweise der inhaltliche Teil nach wie vor seine Berechtigung habe. Ich sehe diese Berechtigung nicht, und ich muß Ihnen seitens der ÖVP sagen, daß wir diesem Fristsetzungsantrag nicht zustimmen werden. (Abg. Dr. Khol: So ist es! – Abg. Mag. Stadler: Na so eine Überraschung! – Abg. Dr. Khol: Dem Raab sind wir nichts schuldig!)

Ich führe Ihnen noch einmal vor Augen, daß wir von der Volkspartei voll zur Währungsunion stehen, und weise noch einmal darauf hin – zumindest jene Kolleginnen und Kollegen, die die Währungsunion vielleicht nicht in diesem Sinne studiert haben –, daß sie selbstverständlich Vor- und Nachteile hat. (Abg. Mag. Stadler: Sind Sie die nächste Propagandakoordinatorin? Die Raab-Nachfolge?)

Der erste wirklich wichtige Vorteil des Beitritts zur Währungsunion ist der, daß wir die Fortführung des Stabilitätskurses garantieren. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Eine einheitliche europäische Währung, meine Damen und Herren, senkt die Kosten für die Wirtschaft, und mir als Vertreterin der Wirtschaft ist dieses Argument ein sehr wichtiges.

Die Europäische Währungsunion ist die Vollendung des Binnenmarktes, und last, not least wird die Wirtschaftsmacht Europa damit auf den internationalen Finanzmärkten auch gleichberechtigter Partner.


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Ich möchte nicht verhehlen, daß es Umstellungsschwierigkeiten geben wird. Es wird Durststrecken geben, es wird Anpassungskosten geben, und aufgrund der unterschiedlichen Niveaus der Mitgliedsländer wird es da sicher zu Friktionen kommen.

Ich vertraue aber darauf, daß der zuständige Staatssekretär diese Probleme lösen wird. Nicht zuletzt deshalb hat diese Bundesregierung im speziellen einen Euro-Staatssekretär berufen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte, Sie haben das Wort.

17.17

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal, was den von Kollegen Nowotny relegierten Patriotismus anlangt – wo ist er denn hin entflohen, der Patriot, der den Schilling abschaffen will? Bitte, er soll mir einmal erklären, was patriotisch daran ist, den stabilen österreichischen Schilling abzuschaffen und einen instabilen Euro einzuführen, von dem wir überhaupt nicht wissen, ob die Menschen sich überhaupt noch etwas dafür kaufen können, meine Damen und Herren. Was ist daran patriotisch? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sind dann die Organisationen ÖGB – auf gut deutsch: Österreichischer Gewerkschaftsbund – und AK – Arbeiterkammer –, die eine davon sogar eine öffentlich-rechtliche Organisation und Institution, unpatriotische Vereinigungen, weil sie bei dem Propagandafeldzug der Regierung nicht mehr mitmachen, meine Damen und Herren? Sind sie unpatriotisch, weil sie da nicht mehr mitspielen, wenn die Regierung noch einmal einen Ederer-Tausender versprechen möchte, diesmal allerdings in Euro umgerechnet, den wir dann wieder nicht bekommen? Ist das unpatriotisch, wenn der ÖGB sich davon zurückzieht?

Wir sind jetzt wieder einmal der Meinung des ÖGB, einer Meinung mit der Arbeiterkammer, aber stellen Sie sich vor: Der Herr Professor betet immer noch die Propaganda der Regierung nach! Wider besseres Wissen, aber langsam habe ich den Verdacht, daß er es gar nicht wider besseres Wissen macht, sondern er weiß es vermutlich wirklich nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Professor weiß es wirklich nicht, und daß er eine etwas engstirnige Sicht der Welt hat, hat er gestern bewiesen, als er sich das Lob für Kollegen Löschnak verbeten hat. Daß dieser Mann auf die Studenten losgelassen wird, ist allerdings in der Tat schön langsam ein patriotisches Problem, meine Damen und Herren, Hohes Haus.

Es ist ganz sicher ein patriotisches Problem, wenn ein Herr Raab – und zwar nicht als der Herr Raab aus der Sparkasse – sich als Projektmanager der Bundesregierung für den Euro zu einem Vertrag verpflichtet, in dem im Anhang 1 unter Punkt 2 drinnensteht, daß er keine andere Meinung zu vertreten hat als jene der Kommission – und das gegen Honorar! Das halte ich für ein patriotisches Problem – gelinde gesagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wer sich so verkauft, meine Damen und Herren, der verdient nicht mehr, in die Reihe der Patrioten aufgenommen zu werden. Da kann er Raab oder sonstwie heißen. Allein aufgrund des Namens ist man noch kein Patriot. Wer einen solchen Vertrag unterschreibt, wer unterschreibt, daß er sich gegen Euro-Geld, das zunächst auch irgendwann einmal aus Österreich geflossen ist, dazu verpflichtet, in Österreich den Schilling abzuschaffen und das propagandistisch im Auftrag der Bundesregierung und gleichzeitig der Europäischen Union zu tun, der ist nicht Patriot.

Daher haben die Grünen völlig recht, wenn sie fordern, diese wieder einmal mit Pannen behaftete – eine größere Panne, als daß der Koordinator davonläuft, weil er in die Schlagzeilen geraten ist, gibt es ja wohl kaum mehr – Euro-Kampagne endlich auch im Ausschuß zu diskutieren und im Hohen Haus dann entsprechend zu behandeln, meine Damen und Herren. Was ist unbillig daran?


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Da geht es ja nicht um eine Dringlichkeit, sondern da geht es ganz einfach darum, daß jetzt die Zeit ist, sich darüber zu unterhalten, welche Pannen und Lächerlichkeiten sich die Regierung bei dieser Geschichte noch leistet, und ob wir jetzt als Hohes Haus auch eine Meinung dazu haben, daß die Regierung schon wieder drauf und dran ist, Zigmillionen, die wir für andere, wichtigere Dingen nicht haben, dafür auszugeben, um eine Propagandamaschinerie für die Einführung eines Euro und die gleichzeitige Abschaffung des Schillings in Gang zu setzen, meine Damen und Herren. Das Parlament hat doch ein Recht darauf, das zu debattieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo sind wir denn langsam? Da kommt die Frau Frieser daher und sagt, sie könne die Dringlichkeit nicht erkennen, und sagt uns dann mit heruntergesteckter Brille in professoraler Manier, wir hätten wieder einmal nichts begriffen. Sie hätte die Weisheit gepachtet, wie wir ja wissen, meine Damen und Herren. Aber sie erklärt uns nicht, wieso man die Volksvertretung nicht drüber debattieren läßt, wie Zigmillionen Schilling für Propaganda – nicht für EU-Information, sondern für ganz miese Propaganda zur Abschaffung des Schillings – hinausgeschmissen werden und wie sich ein Programmkoordinator, der sich vorher bei der Europäischen Union verdingt hat, dafür einsetzt und sich auch noch verpflichtet, nichts anderes zu vertreten als eine Euro-Meinung, eine Kommissionsmeinung und keine patriotische Meinung. Es sei denn, Sie sind schon gar keine Österreicher mehr, Sie sind nur mehr Kommissare und Kommissäre, meine Damen und Herren.

Wenn Sie das unter Patriotismus verstehen, dann sind wir lieber Österreicher, und Sie sind dann halt die Kommissar- und Kommissärpatrioten. Wir bleiben Österreicher, und wir wollen, daß österreichische Schillinge nicht für eine Propaganda verwendet werden, sondern daß österreichische Schillinge erhalten bleiben und der Euro in Österreich nicht eingeführt wird zu Lasten eines stabilen Schillings. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Sie sind am Wort.

17.22

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist wohl ganz spannend, den heutigen Nachmittag zu verfolgen. Es gelingt Kollegen Stadler nicht, eine Rede im Parlament zu halten, ohne Menschen zu beleidigen, verächtlich zu machen und zu verhöhnen. Es ist wirklich unerträglich, ihm zuzuhören. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei der ÖVP.)

Ich glaube, es gibt Patrioten, die sich dazu bekennen, daß der Euro der richtige Weg ist, um die österreichische Wirtschaft weiterzuentwickeln. Ich halte es für bedauerlich, daß der Leiter der Informationsoffensive ... (Abg. Mag. Stadler: Was kostet bei dir der Apfelstrudel?) Es ist erstaunlich: Ihr wißt eigentlich nichts anderes zu tun, als über Apfelstrudel zu reden. Wenn das eure geistige Potenz ist, dann ist es sehr, sehr bedauerlich! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Was kostet der Apfelstrudel in Euro?) Ich kann euch zu dem Apfelstrudel noch Schlagobers geben und Kaffee, aber hört endlich auf, immer nur Schwachsinn zu reden! (Abg. Mag. Stadler: Was kostet der Apfelstrudel in Euro? Hast du das schon umgerechnet?) – Herr Stadler! Es ist erstaunlich, er wiederholt den Schwachsinn noch. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. )

Herr Präsident! Ich höre mir das nicht mehr länger an. Es ist Dummheit, was von dort kommt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich bitte, auch wenn man Verständnis für Ihre Empörung hat, bei der Wortwahl jene Form zu wählen, die die Debatte nicht noch eskalieren läßt. – Bitte, fahren Sie fort.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (fortsetzend): Ich glaube, daß es eine absolut patriotische Position ist, den Euro als eine Lösung zu finden, wie wir die Wirtschaft und die gesellschaftliche Entwicklung weiter fortsetzen können. Vor allem ist die Entscheidung im Zusammenhang mit


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dem Euro eine sehr, sehr politische Entscheidung. Wenn man, so wie die Freiheitliche Partei, ein durch und durch nationalistisches Konzept verfolgt, das halt jetzt ein österreich-nationalistisches statt einem deutsch-nationalistischen ist, dann wird man sich dem Euro verwehren, weil man glaubt, die Dinge im kleinen Raum besser lösen zu können.

Genau das glaube ich aber nicht. Wir Liberalen drücken daher klar und deutlich zum wiederholten Male aus, daß wir meinen, es ist der richtige Weg, wenn Österreich diese politische Entscheidung des Euro mitträgt, die in sich als nächsten Schritt eine weitere Harmonisierung der Wirtschaftspolitik, der Finanzpolitik und auch der Sozialpolitik haben wird, die wir heute Nachmittag in der Debatte zur Dringlichen Anfrage in einer ähnlich polemischen Weise, wie wir jetzt dieses wichtige Thema besprechen, diskutiert haben.

Auch ich möchte mich beeilen, für den Herrn Dr. Raab eine Ehrenerklärung abzugeben. Er hat eine politische Dummheit begangen. Diesen Vertrag zu unterschreiben, halte ich für eine politische Dummheit, er hat daher auch den Rückzug angetreten und wurde von seiner Position zurückgezogen. (Lebhafte Zwischenrufe.)

Ich glaube, daß es nicht gescheit ist, wenn wir nichts Besseres zu tun wissen, als für Menschen, die sich in der Politik für öffentliche Aufgaben zur Verfügung stellen, gleich die Bananenschalen auszulegen. Es werden immer weniger Persönlichkeiten von Format bereit sein, sich eine gewisse Zeit ihres Lebens der res publica, der Gemeinschaft, zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt kann ich die Dringlichkeit des grünen Antrags, eine Frist zu setzen, daher nicht mehr verstehen, denn der Schwerpunkt wurde darauf gelegt, hier den Fall Raab zu diskutieren.

Es wird im Parlament sehr bald – und ich hoffe, sehr intensiv – die Möglichkeit geben, sachlich und ohne Polemik und ohne Häme über die wichtige Entscheidung zu diskutieren, wie Österreich an der Europäischen Währungsunion teilnimmt. Die Europäische Währungsunion wird mit und ohne uns kommen. Die einzigen, die den Beitritt verhindern können, sind wir selbst, und ich hoffe nicht, daß wir diesen Fehler machen werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der ÖVP.)

17.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzte zu Wort gemeldet in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.25

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wieder einmal erfolgt hier in Verkennung einer Fristsetzungsdebatte die Auseinandersetzung darüber, wer jetzt für oder gegen den Euro, für oder gegen den Schilling ist. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht um die Frage, wie eine wichtige politische Entscheidung in Österreich vorbereitet wird.

Herr Abgeordneter Peter! Sie habe sehr richtig gesagt, es sei eine politische Entscheidung. Da gibt es manche, die sagen: Das ist auf jeden Fall zu befürworten!, da gibt es andere, die ein starkes Junktim mit ArbeitnehmerInneninteressen herstellen und sagen: Konvergenzkriterien nur, wenn auch Arbeitslosigkeit und so weiter gewichtet werden!, und dann gibt es wieder andere, die sagen: Wir wollen das nicht, uns ist die bewährte nationale Währung lieber als dieser Übergang zu einer neuen europäischen Währung! – Das sind im Prinzip legitime politische Standpunkte.

Und wie geht man nun mit derartigen Standpunkten in einer Demokratie um? – Man informiert darüber. Und es muß in einer Demokratie möglich sein, daß die verschiedenen Gruppen – jene, die dafür sind, jene, die dagegen sind, jene, die unter bestimmten Bedingungen dafür sind – sich artikulieren können.

Dieser Vertrag hat deswegen derart viel böses Blut erzeugt, weil – seien Sie mir nicht böse, meine Damen und Herren, vor allem von den Regierungsparteien – Leute, die für sich einen wissenschaftlichen, einen patriotischen oder sonstwas für einen Anspruch erheben, Verträge


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unterschreiben, in denen steht, daß sie sich verpflichten "not to express any views contrary to those of the commission", das heißt, keine abweichenden Meinungen von der Ansicht der Kommission zu vertreten.

Ich glaube, wenn eine Universitätsassistentin oder ein Universitätsassistent so einen Vertrag unterschreibt, ist sie oder er wissenschaftlich ruiniert. Offiziell autorisierte Wahrheiten hat es in anderen Systemen gegeben, und die wollen wir nicht.

Die menschliche Sphäre des Herrn Raab steht hier nicht zur Debatte, sondern dieser Vertrag, den er unterschrieben hat, wissend, daß er von seiten der Bundesregierung einen Auftrag zur unparteiischen, zur objektiven Information übernimmt. Jetzt sagen Sie, er sei ja zurückgetreten, was soll die Fristsetzung der Grünen.

Ich frage Sie folgendes: Wird es diese sogenannte Informationskampagne nicht geben? Werden Sie erklären: Wir sind da ins Fettnäpfchen getreten, wir lassen die politischen Parteien ihre Standpunkte erklären, das sollen sie aus ihren Parteienförderungen finanzieren, ansonsten mischen wir uns nicht ein!? – Das tun Sie ja nicht, sondern es wird sehr wohl eine derartige Kampagne geben, wenn auch mit anderen Leuten! Und ich frage: Aufgrund welcher Verträge?

Wenn nicht zufällig der grüne Europaabgeordnete Voggenhuber diesen Vertrag in die Hände bekommen hätte, glauben Sie, daß der Herr Raab irgendeinen Grund für einen Rücktritt gesehen hätte? Glauben Sie, daß die Arbeiterkammer und der ÖGB sich von dieser Kampagne zurückgezogen hätten, um den Schaden zu minimieren? (Abg. Edler: Geh, geh, geh!) Aber doch sicher nicht!

Wie wird man denn jetzt agieren? Vielleicht wird man halt jetzt mit den Verträgen ein bisserl schlauer agieren. Die wird halt der Herr Abgeordnete Voggenhuber nicht mehr zu Gesicht bekommen und die "Salzburger Nachrichten" und die österreichische Bevölkerung auch nicht. Sie werden es halt jetzt hinter verschlossenen Türen, vielleicht mit mündlichen Verträgen, mit Handschlag oder sonstwie abwickeln. Das Vertrauen in derartige Propagandakampagnen von oben, von der Zentrale gesteuert, ist ein für allemal dahin. (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)

Sie haben jetzt eine einzige Möglichkeit, noch ohne Gesichtsverlust für die Politik insgesamt und auch für die Europäische Union und den Europagedanken insgesamt auszusteigen, indem Sie entweder überhaupt keine derartige offizielle Propagandakampagne machen oder indem Sie – was ja auch möglich wäre – kritischen, befürwortenden, ablehnenden Gruppen gleiche Möglichkeiten, gleiche Chancen der Artikulation geben.

Was sich hier ankündigt, ist dasselbe wie damals vor dem EU-Beitritt, und es hat letztlich der Europaidee – wie immer man dazu steht – nicht gutgetan, daß Sie die Bevölkerung damals mit Steuergeldern nicht objektiv, sondern einseitig und letztlich falsch informiert haben. (Beifall bei den Grünen.)

17.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 439/A (E) betreffend Euro-Informationskampagne und deren Leitung eine Frist bis 13. Mai 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über den 5. Punkt der Tagesordnung wieder auf.


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Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

17.32

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns bei diesem Tagesordnungspunkt – um die vor dieser Unterbrechung begonnene Debatte zu rekapitulieren – mit der Frage der notwendigen Erweiterung des gesamten Konferenzzentrums um eine Ausstellungshalle, die in der Größenordnung von 6 000 bis 7 000 Quadratmetern notwendig geworden ist. Die Frage lautet: Warum ist das notwendig, und welche Auswirkungen hat es, wenn wir diese Ausstellungshalle errichten? Die zweite Frage lautet: Was wäre, wenn Österreich diese zusätzliche Investition zum Bau dieser Ausstellungshalle nicht verwirklichen würde?

Es ist im Finanzausschuß recht intensiv darüber diskutiert worden. Lassen Sie mich den wesentlichen Aspekt schildern, warum wir für die Errichtung dieses zusätzlichen Baus eben dieser Ausstellungshalle im Ausmaß von 6 000 beziehungsweise 7 000 Quadratmetern eintreten. Es gibt zunehmend in Europa, aber auch weltweit eine Konkurrenz all jener Kongreßstädte, die sich um Großkongresse bewerben. Zunehmend gilt es dabei auch die Frage zu beantworten: Gibt es in jenen Kongreßstädten, die sich für solche Großkongresse anbieten, die Möglichkeit für allfällige große Sponsoren solcher Konferenzen, sich selbst zu präsentieren und dafür natürlich den notwendigen Ausstellungsraum zur Verfügung zu haben?

Das heißt, mit der Beantwortung, ob ja oder nein zu diesem zusätzlichen Bau, entscheidet sich die Frage, ob Wien, also die Bundeshauptstadt Österreichs, weiterhin diese bedeutende Rolle im internationalen Kongreßtourismus einnimmt oder nicht. Ich sage ganz einfach: Wir wollen, daß Wien als Bundeshauptstadt Österreichs diese hervorragende Rolle als zweitbedeutendste Kongreßstadt der Welt auch in Zukunft einnimmt! (Beifall bei der ÖVP.)

Was wäre, wenn wir es nicht machen? – Es gibt beispielsweise beim größten Kongreß der Welt mit rund 10 000 Teilnehmern, dem sogenannten Radiologenkongreß, der alle zwei Jahre stattfindet, die ganz konkrete Zusage: Ja, die Radiologen wären weiterhin bereit, diesen größten Kongreß der Welt in Wien abzuhalten, wenn diese Ausstellungshalle rechtzeitig errichtet wird. Das sind 10 000 Teilnehmer!

Ich möchte Ihnen die Zahl nennen, was sich an Steuereinnahmen allein aus diesem einzigen Kongreß ergibt: Es sind 39 Millionen Schilling Steuereinnahmen, die allein durch die Abhaltung dieses einen Kongresses bar an die Staatskasse fließen. Das heißt, wenn also nun die Kosten für die Errichtung dieser zusätzlichen Ausstellungshalle 100 Millionen Schilling betragen, wobei die Bundeshauptstadt Wien zu 35 Prozent als Mitfinancier auftritt, so sind diese Kosten mit drei Kongressen mehr als finanziert. Und wenn sich die Radiologen, wie bekannt geworden ist, für die nächsten zehn Jahre verpflichten, diesen größten Kongreß alle zwei Jahre in Österreich abzuhalten, dann bedeutet das sage und schreibe rund 200 Millionen Schilling Steuereinnahmen! Ich glaube, das ist ein eindeutiger Beweis für die Notwendigkeit dieser Ausstellungshalle und ein Argument, für deren Errichtung einzutreten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich gesagt habe, daß wir alleine schon wegen dieses Arguments für diese Errichtung sind, dann habe ich alle anderen Einnahmen nicht erwähnt. Es ist beispielsweise rein betriebs-, aber auch volkswirtschaftlich wichtig zu erwähnen, daß zwischen den normalen Touristen und den Kongreßtouristen für Österreichs Wirtschaft ein riesiger Unterschied in den Ausgaben pro Person vorhanden ist. Wenn man sich damit im einzelnen beschäftigt, muß man feststellen, daß ein klassischer Städtetourist pro Tag rund 1 800 S an Ausgaben tätigt. Auf den Kongreßtouristen kommt im Durchschnitt eine tägliche Ausgabe von 5 700 S.

Das heißt, es ist eine ziemlich große Quantität an Einnahmen, die Österreichs Wirtschaft, die Hotellerie, die Kaufhäuser und viele andere Betriebe, hat, und meiner Meinung nach können wir auf diese Milliardeneinnahmen, die jahrein, jahraus für Österreich daraus erwachsen, nicht verzichten. Ich glaube, im Sinne der Aufrechterhaltung des Kongreßtourismus in Österreich, im Sinne der Aufrechterhaltung dieser Betriebe, im Sinne der Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze,


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die damit verbunden sind, sollen wir eindeutig verantwortungsvoll ein Ja zu dieser zusätzlichen Investition sagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

17.39

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eben sprach Saulus, der zum Paulus wurde. Lieber Herr Höchtl! 1982 – erinnerst du dich noch? – hat die ÖVP ein Volksbegehren gemacht (Abg. Dr. Höchtl: Ja!) gegen die Regierung Kreisky, daß das "Bruneum" nicht gebaut werden solle. Es wäre ein Übel, auf der anderen Seite der Donau ein Konferenzzentrum zu bauen. Und siehe da – nach 15 Jahren hat sich Pepi Höchtl gewandelt und ist für einen Erweiterungsbau. Danke schön! Was für eine gute Entwicklung! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Leiner: Lernfähig sind wir!)

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist das Konferenzzentrum der Wien AG ein besonders wichtiges. Es hat auch eine besonders tüchtige Geschäftsführung und es hat auch einen besonders tüchtigen Wiener Finanzstadtrat gegeben, der natürlich genauso wie sein Vorgänger, Vizebürgermeister Mayr, geschaut hat, daß dieses Konferenzzentrum gebaut wird, denn Wien ist die einzige Stadt, für die ein Konferenzzentrum vom Bund gebaut wird, für das der Bund alle Kosten und auch alle Abgänge zahlt. Ich muß euch Wienern wirklich gratulieren. Das ist ja ganz phantastisch!

Die Dogana in Innsbruck würde sich freuen, wenn der Bund den Abgang zahlte. Den muß natürlich die Stadt Innsbruck zahlen. Die Abgänge vom Design-Center in Linz muß selbstverständlich die Stadt Linz zahlen. Aber die Abgänge des Konferenzzentrums auf der anderen Seite der Donau zahlt der Bund. Also die Wiener haben offensichtlich einen ganz phantastischen Vertrag ausgehandelt. Daß der Erweiterungsbau von 100 Millionen Schilling jetzt mittlerweile vom neuen Finanzminister bezahlt werden muß und sich die Wiener nur mit 35 Prozent beteiligen, halte ich auch für eine Mezzie.

Dennoch meine ich, dieser Erweiterungsbau ist wirklich dringend notwendig, denn das Konferenzzentrum allein ohne die nötigen Ausstellungshallen kann den Anforderungen moderner Kongreßtechnologie und moderner Kongreßveranstalter nicht mehr genügen. Die modernen Kongresse finanzieren sich eben über ihre Sponsoren, und die Sponsoren brauchen Flächen, auf denen sie ihre Produkte ausstellen können.

Mir wäre es sehr recht, wenn der Bund und das Land Wien einmal in sehr intensive Verhandlungen einträten und das Land Wien dem jetzigen Finanzminister die Frage beantwortete, wieso der Bund der Sponsor des Konferenzzentrums von Wien ist und alle anderen Landesstädte ihre Konferenzzentren selbst bezahlen müssen. Wir stimmen der Sache zu und laden den neuen Finanzminister ein, in der Erfindung von Finanzquellen genauso findig zu sein, wie er es als Stadtrat der Stadt Wien war. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Höchtl hat eine tatsächliche Berichtigung verlangt.

Herr Abgeordneter! Sie haben das Wort. – Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

17.42

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Kollege Peter hat die Behauptung aufgestellt, ich hätte mich seit dem Jahre 1982 gewandelt. (Abg. Mag. Peter: Hast du nichts dazugelernt?)


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Ich berichtige: Nicht ich habe mich gewandelt, sondern die Situation hat sich seit dem Jahre 1982 insoweit gewandelt, als dieses Gebäude, dieses Konferenzzentrum errichtet worden ist. Die wirtschaftliche Vernunft ist bei mir die gleiche geblieben. Wenn ein Gebäude errichtet worden ist, sagt mir meine wirtschaftliche Vernunft, daß ich alles dazu beitragen muß, es bestmöglich zu nützen. Die wirtschaftliche Vernunft ist bei mir geblieben, die Situation hat sich geändert. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist eine gefährliche Aussage! Das ist sehr gefährlich!)

17.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt eine zweite Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Trattner vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

17.43

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Kollege Höchtl! Sie sagen, Sie haben Unterlagen (Abg. Dr. Höchtl: Ja!) über diese 39 Millionen Schilling Steuerleistung. Das mag sein, aber Bezug nehmend auf das, was wir bereits im Ausschuß besprochen haben und was ich heute auch in meiner ersten Rede zum Ausdruck gebracht habe, geht es mir noch um etwas anderes.

Es geht mir um die Tatsache, daß wir eine Erweiterung um 6 000 bis 7 000 Quadratmeter haben, und ich möchte wissen, wie durch diese Erweiterung die tatsächlichen neuen Betriebskosten beziehungsweise die Pachtleistungen an die Gemeinde Wien ausschauen. Immerhin erreichen die Gesamtbetriebskosten – Energie, Abschreibungen, Pachtschilling und sonstige Aufwendungen – bei zirka 10 000 Quadratmetern eine Größenordnung von 300 Millionen Schilling, und wenn jetzt 6 000 Quadratmeter dazukommen, dann erhöhen sich auch die Betriebs- und Erhaltungskosten.

Herr Finanzminister! Wir haben im Ausschuß schon darüber gesprochen: Es wäre doch vernünftig, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen, aber Sie sollten die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellen, damit wir Parlamentarier auch dieses Projekt auf seine Wirtschaftlichkeit hin überprüfen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Es geht einfach nicht, daß Sie da mit zwei Maßstäben messen. Sie sitzen genauso wie ich in der ERP-Kommission, in der Anträge in kleinerer Größenordnung hereinkommen. Dort schauen wir ganz penibel nach Bilanzzahlen, Kennzahlen beziehungsweise Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Rentabilitätsvorschauen, ansonsten wird ein Antrag abgelehnt, aber hier wollen Sie einfach großzügig damit umgehen. Da möchte ich wirklich wissen, welche neuen Erkenntnisse Sie gefunden haben, nachdem Ihr Vorgänger, Finanzminister und jetziger Bundeskanzler Klima, im Jänner 1996 dieses Projekt von 100 Millionen Schilling abgelehnt hat. Warum hat er es vermutlich abgelehnt? – Weil es eben keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen gibt und weil sich seit dem letzten Rechnungshofbericht 1991 offensichtlich keine Änderung hinsichtlich klarer, aussagefähiger Unterlagen ergeben hat.

Es wäre doch vernünftig, dem Antrag zuzustimmen, diese Regierungsvorlage wieder in den Ausschuß zurückzuverweisen, damit man mit entsprechenden Unterlagen prüfen kann, wie sich dieses Projekt auswirkt, und dann kann eine einvernehmliche Lösung erzielt werden. Aber daß Sie sich in einer Husch-Pfusch-Aktion hinstellen und ein Investitionsvolumen von 100 Millionen ohne Rentabilitätsberechnung einfach mit der Argumentation verantworten, fünfmal komme der Radiologenkongreß (Abg. Mag. Stadler: Gegen die eigenen Richtlinien!) – gegen die eigenen Richtlinien im § 14 Bundeshaushaltsgesetz –, verstehe ich nicht. Ich schätze Sie als profunden Leser von Kennzahlen – als solchen habe ich Sie auch in der ERP-Kreditkommission kennengelernt –, daher bitte ich Sie: Setzen Sie den gleichen Maßstab auch bei Investitionen, die die Steuerlast des österreichischen Steuerzahlers betreffen, in genau dieser Art und Weise um!

Es geht nämlich darum, daß der Rechnungshof kritisiert hat, daß bei einer Pachtzahlung in der Größenordnung von 90 Millionen die Einnahmen aus der Vermietung beziehungsweise aus der Durchführung von Kongressen ohne Betriebskosten beziehungsweise Energiekosten nur 108 Millionen Schilling ausmachen und daß bei Betriebseinnahmen in der Größenordnung von 180 Millionen Schilling der Bund auf der anderen Seite 125 Millionen Schilling pro Jahr hinzuzah


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len muß und freiwillig pro Jahr zwischen 10 und 15 Millionen Schilling mehr bezahlt, was dann in den Rücklagenfonds für Reparaturen hineinfließt. Dieser Rücklagenfonds wird jetzt ohne Rentabilitätsvorschau für diese Neuinvestitionen herangezogen. Was passiert denn dann mit künftigen Reparaturen für diese Anlage?

Es wäre fair gewesen, wenn Sie uns diese Unterlagen präsentiert hätten, aber wir haben die Vermutung, daß es diese Unterlagen im Haus gar nicht gibt. Es hat sich seit dem Rechnungshofbericht wahrscheinlich leider nichts geändert, und deswegen lehnen wir diese Vorgangsweise im Sinne der österreichischen Steuerzahler ganz strikt ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister. Sie haben das Wort.

17.47

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Tat im Finanzausschuß sehr ausführlich über dieses Problem gesprochen, und ich war eigentlich der Auffassung, daß wir doch sehr weitgehend Übereinstimmung dahin gehend erzielt haben, daß dieses Projekt – wie manches andere auch – natürlich einen sehr wichtigen betriebswirtschaftlichen Aspekt hat, daß aber gerade der Zubau zum ACV neben dem betriebswirtschaftlichen Aspekt, bei dem es vor allem von unserer Position her entscheidend ist, in welcher Weise sich die Deckungsbeiträge für den Fall der Abhaltung von Kongressen verändern, auch einen volkswirtschaftliche Aspekt beeinflußt, nämlich welches Steuervolumen zusätzlich durch die Veranstaltung derartiger Kongresse ausgelöst wird, und daß zum dritten gerade im Hinblick auf die IAKW und das Konferenzzentrum auch der internationale Aspekt dabei nicht außer acht gelassen werden kann.

Zum volkswirtschaftlichen Aspekt gibt es eine Studie des Herrn Professors Otruba, der eindeutig nachweist, daß allein – um ein Fallbeispiel zu nennen – aus dem Radiologenkongreß mit einem steuerlichen Volumen in der Höhe von 39 Millionen Schilling per Kongreß zu rechnen ist, wovon – das muß man ehrlicherweise dazusagen – der Anteil der Bundessteuern etwa bei 24 Millionen Schilling liegt, der Anteil der Steuern, die die Stadt Wien direkt einnimmt, bei etwa 5 Millionen Schilling liegt und der Rest gemeinschaftliche Bundesabgaben sind, die sich wieder auf Bund, Länder und Gemeinden aufteilen, sodaß der Zubau schon allein deshalb sinnvoll erscheint.

Die Radiologen haben ernsthaft in Aussicht genommen, Wien als Tagungsort zu verlassen, weil sich auch die Struktur dieses sehr wichtigen Kongresses in den letzten zehn Jahren im wesentlichen verändert hat. Ich habe im Ausschuß ja sehr klar zum Ausdruck gebracht, daß sich gerade so große Kongresse in zunehmendem Maße privat zu finanzieren haben, daß die öffentlichen Mittel aus den Teilnehmerstaaten – woher sie auch immer kommen – zurückgehen und daß es natürlich selbstverständlich ist, daß private Financiers, die inhaltlich mit der Thematik, mit der sich die Kongreßteilnehmer beschäftigen, etwas zu tun haben, das Faktum, daß aus der ganzen Welt Spitzenleute zusammenkommen, dazu benutzen, um ihre Produkte zu präsentieren, was sie ja brauchen, denn sonst könnten sie derartige Veranstaltungen auch nicht sponsern.

Wer das internationale Kongreßgeschehen verfolgt, wird bemerken, daß man nicht nur in Österreich, also in Wien, sondern in vielen anderen Destinationen, mit denen die Bundeshauptstadt im Wettbewerb steht, in den letzten Jahren die Kapazitäten merklich erweitert hat, und zwar nicht die Sitzflächen für die Kongresse, sondern jene Flächen, auf denen solche Präsentationen, Beratungen, Produktmessen und ähnliches durchgeführt werden können. Daher war es für mich und, ich glaube, auch für die Verantwortlichen beim ACV – hier handelt es sich um eine privatrechtlich betriebene Gesellschaft – erforderlich, darauf aufmerksam zu machen, was es bedeutet, wenn dieser weltweit große Kongreß nicht mehr nach Wien kommt.

Ich kann Ihnen sagen, daß die in Aussicht genommene Entscheidung, nämlich den Zubau so fristgerecht zu errichten, daß er für 1999 nutzbar wird, dazu geführt hat, daß der European Congress of Radiology mit Schreiben vom 4. März der ACV mitgeteilt hat, daß der Vorstand des Europäischen Radiologenkongresses in seiner Sitzung am 1. März 1997 beschlossen hat, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre fünf weitere Kongresse in gleicher Größe wie 1991, 1993,


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1995 und 1997 im ACV veranstaltet werden. Diese Entscheidung wurde aufgrund der Zusage über den Bau einer zusätzlichen Ausstellungshalle getroffen.

Alleine diese Zusage bedeutet, daß sich dieser Zubau durch die steuerliche Umwegrentabilität von alleine finanziert. Dazu kommt noch, daß selbstverständlich der Auftrag an die Geschäftsführung besteht, sich um weitere Kongresse ähnlicher Dimension zu bewerben, die zu bekommen wir aufgrund der beengten räumlichen Ressourcen bislang keine Chance hatten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube auch, daß es nicht ganz unproblematisch ist, gerade für ein Unternehmen, das privatrechtlich geführt ist, das in Konkurrenz steht, innerbetriebliche und betriebswirtschaftliche Kalkulationsfaktoren breit zu diskutieren. Ich habe aber in voller Anerkennung und Achtung Ihrer parlamentarischen Aufgabe natürlich nicht nur Verständnis für eben diese Aufgabe, sondern ich möchte Sie auch informieren, weil auch Sie, da die Investition natürlich zu einer Änderung der staatlichen Finanzierungsgesetze führt, mit besonders großer Sorgfalt vorzugehen haben. Das versteht sich von selbst.

Ich glaube, daß für Ihre Entscheidungsbegründung sicherlich die Information wesentlich sein kann, in welcher Form – und das ist ja das Relevante für die Republik und für den Financier – sich die betrieblichen Deckungsbeiträge verändern. Hier muß ich schon davon ausgehen, daß die natürlich nach den entsprechenden rechtlichen Bestimmungen voll verantwortliche Geschäftsführung und die Aufsichtsorgane mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes an die Beurteilung dieser Faktoren herangehen.

Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, daß sich der Deckungsbeitrag nach den Überlegungen und Berechnungen, die in den Organen der Gesellschaft angestellt worden sind, allein durch die Garantie des Radiologenkongresses bei fünf Veranstaltungen um 58 Millionen Schilling verbessern wird. Wie Sie der Regierungsvorlage entnehmen, wird die Investition aber nicht allein wegen des Radiologenkongresses notwendig, sondern wegen der aufgrund bestehender Anfragen und Vorsondierungen bei der ACV berechtigten Annahme, daß weitere Großkongresse mit Ausstellungserfordernissen akquiriert werden können.

Wenn ich nun davon ausgehe – und hier gibt es bereits Gespräche, die noch nicht abgeschlossen sind, weil ja die Investition noch nicht getätigt worden ist –, daß zehn weitere große Kongresse, mit denen die ACV in Verhandlung steht, gewonnen werden können – und da bin ich durchaus optimistisch und sage, die sind an Land zu ziehen –, dann könnten sich gemäß den Kalkulationen die Deckungsbeiträge für 1999 um weitere 11 Millionen, für 2000 um 5 Millionen, für 2001 um 15 Millionen, für 2002 um 11 Millionen und für 2003 um 10 Millionen Schilling, insgesamt somit um weitere 52 Millionen Schilling verbessern.

Unter Berücksichtigung des Radiologenkongresses tritt daher eine Verbesserung des Deckungsbeitrages für die Republik in einer Höhe von 110 Millionen Schilling ein. Ich bitte Sie daher wirklich, diesem im internationalen und auch im volkswirtschaftlichen Sinne sehr wichtigen Zubau zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wurde nicht begehrt.

Wir kommen daher jetzt zu den Abstimmungen. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Es wurde beantragt, den Gegenstand an den Finanzausschuß zurückzuverweisen. Wir stimmen als erstes über diesen Rückverweisungsantrag ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag, den Gegenstand an den Finanzausschuß zurückzuverweisen, zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Rückverweisungsantrag ist abgelehnt.


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Wir stimmen daher jetzt über die Vorlage ab.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 609 der Beilagen. Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Gesetzentwurf ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf in dritter Lesung zustimmt, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen betreffend Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung. – Herr Abgeordneter (an Abgeordneten Kröll gewendet, der nicht auf seinem Platz ist) , bitte, es ist unmöglich, während des Abstimmungsvorganges Gespräche in den Bänken zu führen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen betreffend Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Damit ist der Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (365 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen (658 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (505 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (659 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (545 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (660 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (556 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (661 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (585 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (662 der Beilagen)


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11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (558 der Beilagen): Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten (664 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 6 bis 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein, und ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Mag. Schreiner das Wort. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

17.59

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beschäftige mich mit den Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und den angesprochenen Ländern, insbesondere mit Hongkong und der Ukraine.

Herr Bundesminister! Wenn ein Unternehmer, der mit diesen Ländern Geschäfte macht und für den so ein Abkommen von großer Wichtigkeit ist, sich den Titel dieser Abkommen durchliest, so glaubt er, seine Investitionen, die er dort tätigt, werden gefördert und geschützt. Ich möchte dem entgegenhalten, daß das nur augenscheinlich der Fall sein kann, denn der Unternehmer in Österreich unterliegt einer anderen Zivilrechtsordnung, einem anderen Strafrecht und einem anderen Steuerrecht als in dem Staat, in dem er diese Investitionen tätigt, und er muß sich natürlich mit der entsprechenden Rechtsordnung auseinandersetzen, bevor er in einen dieser Staaten geht und dort seine Investition tätigt.

Wir Freiheitlichen stimmen zwar diesen fünf vorliegenden Abkommen zu, glauben aber, daß es wichtig wäre, den Unternehmern zu sagen, was ihnen passieren kann, wenn sie in fremden Staaten – zum Beispiel in der Volksrepublik China, mit der es auch ein derartiges Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitionen gibt – Investitionen tätigen, die sich überhaupt nicht daran halten, was in dem abgeschlossenen Abkommen materiell-inhaltlich steht.

Herr Bundesminister! Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die sich auf die vereinbarte Förderung und den Schutz von Investitionen verlassen haben. Ich möchte Ihnen nun aus einem Artikel der "WirtschaftsWoche" mit der Überschrift "Der lange Marsch" ein paar Beispiele bringen, die bezeichnend dafür sind, daß diese Abkommen nur papierenes Recht sind.

Erstes Beispiel: Der Unternehmer Franz Martin Zumtobel hat in China mit einer Kaffeerösterei 100 Millionen Schilling in den Sand gesetzt. Ein internationales Schiedsverfahren hat zwar einen Spruch getätigt, der ihm recht gegeben hat, er konnte aber in der lokalen Provinz nicht durchgesetzt werden, weil die chinesischen Funktionäre gesagt haben, daß das für sie nicht gilt.

Zweites Beispiel: Ein Unternehmer namens Toni Harrer aus Wiener Neustadt hat gesagt: "Wenn Sie mit China einen Vertrag unterschreiben, sollten Sie eines nicht vergessen: ihn gleich zu zerreißen. Er ist nämlich nichts wert."

Herr Bundesminister! Das sind Erfahrungen zweier Unternehmer, die sich darauf verlassen haben, daß sie, wenn sie in China investieren – mit China gibt es nämlich auch ein Investitionsschutzabkommen –, einen Schutz der Republik Österreich haben würden. Aber der dortige Handelsdelegierte mußte eingestehen, daß das nicht der Fall ist. Er erzählte, bei einem Abendessen habe ihm ein hoher KP-Funktionär folgendes mitgeteilt: "Ach wissen Sie", so der Funktionär mit treuem Augenaufschlag, "es gibt bei uns ein altes Sprichwort: Laß den Hund herein, schließe die Tür und erschlage ihn."


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Das scheint ein probates Mittel einiger Staaten zu sein: Die Ausländer dürfen Kapital und Technologie einbringen, und dann werden sie abserviert.

Herr Bundesminister! Das ist auch von dieser Bundesregierung einmal zu thematisieren und zu diskutieren, und es ist dafür zu sorgen, daß nicht Unternehmer zu einer Exportoffensive eingeladen werden und dann, wenn sie diese annehmen im guten Glauben, es gebe ein Schutzabkommen, so etwas erleben müssen. Da ist auch die Regierung gefordert, den Unternehmen mit Information zur Seite zu stehen. Das gilt auch für die Bundeswirtschaftskammer, die das zugegebenermaßen teilweise tut.

Herr Bundesminister! Ich glaube aber, daß es Sand in die Augen zu streuen heißt, wenn wir solche Abkommen der Reihe nach im Parlament beschließen und hier sagen, da wird eine Investition geschützt und eine Förderung gewährt. Dem ist nicht so, Herr Bundesminister, und die Regierung tut gut daran, sich einmal zu überlegen, wie man Investitionen nachhaltiger schützt. Das haben die österreichischen Unternehmer verdient. Das ist die Position der Freiheitlichen dazu.

Herr Bundesminister! Es ist mir völlig klar, wir können nicht von Österreich aus die Rechtsordnungen anderer Länder so beeinflussen, daß wir den vollen Schutz von Investitionen gewährleisten können. Ich glaube aber, daß es notwendig ist, daß wir trotz dieser Investitionsschutzabkommen vor dem Hintergrund der Entwicklungshilfe, die wir in diesen Ländern in Form von finanziellen Förderungen im Wege internationaler Organisationen leisten, darauf achten sollten, daß unseren Unternehmern, die in gutem Glauben dort investieren, auch wirklich der Schutz ihrer Investition gewährt wird.

Herr Bundesminister! Eine Nebenbemerkung noch. Es muß sichergestellt werden – ich glaube, Sie haben das im Ausschuß bereits klargestellt –, daß das Abkommen, das mit der Regierung von Hongkong abgeschlossen werden soll, auch ab 1. 7. 1997 Gültigkeit hat. Hongkong geht ja dann an die Volksrepublik China über. Ich glaube, es wäre notwendig, das zu präzisieren und sicherzustellen, daß das Abkommen mit Hongkong so geregelt ist, daß es auch die Volksrepublik China mit allen Rechten und Pflichten übernimmt.

Zum Schluß kommend möchte ich sagen: Die Freiheitlichen stimmen mit der Auflage, daß Sie als Regierung in Hinkunft angehalten sind, österreichische Unternehmerinteressen im Ausland mehr zu schützen, den fünf Abkommen zu. Wir sind der Meinung, daß die Notwendigkeit besteht, daß Sie das wirklich durchsetzen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

18.06

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe einen Antrag der Abgeordneten Dr. Nowotny und Genossen zur Regierungsvorlage 558 der Beilagen ein, der folgendermaßen lautet:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Jakob Auer und Genossen zur Regierungsvorlage 558 der Beilagen (Ausschußbericht 664 der Beilagen): Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten ist hinsichtlich der authentischen Texte in arabischer, chinesischer, französischer,


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russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen, daß er im Bundesministerium für Finanzen aufliegt.

*****

Ich ersuche um die parlamentarische Behandlung dieses Antrages. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Antrag, den Herr Abgeordneter Gartlehner soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Als letzter Redner zu diesen Punkten hat sich Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.08

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich halte für das Protokoll fest, daß auch die Grünen den vorliegenden Investitionsschutzabkommen zustimmen werden, möchte aber bei dieser Gelegenheit – vielleicht auch im Sinne der Wortmeldung von Herrn Schreiner – anmerken: Wir haben jetzt schon das x-te solcher Investitionsschutzabkommen hier im Nationalrat beschlossen. Jetzt wäre vielleicht einmal der Zeitpunkt gegeben, zu evaluieren, was in der Praxis eigentlich mit diesen Abkommen passiert ist, also inwiefern sie für die Unternehmer wichtig waren, die in den betreffenden Ländern investiert haben, ob sie eine rechtliche Bedeutung gehabt haben, ob die Abkommen nützlich waren oder ob das, was wir hier beschlossen haben, nur Papier ist, da ja doch auch gewisse Ressourcen an Beamtenzeit und Geld des Steuerzahlers in diese Abkommen fließen.

Außerdem möchte ich anmerken, daß ich im Ausschuß gegen die Vorlage betreffend das Behälter-Pool-Übereinkommen gestimmt habe, und zwar aus einem einfachen Grund: Im Vorblatt zu dieser Regierungsvorlage heißt es nämlich unter "Kosten" – ich zitiere –: "Der mit der Überwachung des Behälterverkehrs verbundene Aufwand kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden." Da hat es mir natürlich alle Haare aufgestellt. (Bundesminister Edlinger: Meine auch!) Auch die des Herrn Ministers haben sich etwas gesträubt.

Ich habe jetzt – so wie die anderen Ausschußmitglieder auch, nehme ich an – einen Brief des Finanzministers erhalten, in dem zur Frage der Kosten Stellung genommen und im wesentlichen gesagt wird, die Kosten seien so gut wie Null, zumindest bis auf weiteres, und wenn welche anfallen sollten, würden sie in der Größenordnung von 1 000 S pro Jahr liegen. Ich glaube, das können wir uns auch angesichts der angespannten Budgetsituation noch leisten. – Danke schön. (Beifall des Abg. Hans Helmut Moser .)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich noch der Herr Bundesminister für Finanzen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

18.09

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Klarstellung nur ein paar Bemerkungen machen. Auch wenn der Titel der Abkommen "Investitionsschutzabkommen" heißt, so würde ich nach meiner semantischen Empfindung eher meinen, daß das natürlich nicht bedeutet, daß eine getätigte Investition von der Republik Österreich absolut geschützt wird. Unter dem Titel "Investitionsschutzabkommen" versuchen wir – so wie viele andere Staaten auch –, durch bilaterale Vereinbarungen günstige Bedingungen für Auslandsinvestitionen zu schaffen und Auslandsinvestitionen, soweit dies natürlich mit dem jeweiligen Vertragspartner möglich ist, auch völkerrechtlich abzusichern.


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Ich möchte in aller Deutlichkeit festhalten: Falls es außer dem Herrn Abgeordneten Schreiner noch jemanden gibt, der meint, daß ein Investitionsschutzabkommen eine Haftungsgarantie der Republik Österreich sei, bitte ich, das nicht so mißzuverstehen.

Ich möchte aber doch meiner Meinung Ausdruck geben, daß es bei den vorliegenden Abkommen in der Tat um wichtige Materien geht, und ich bin daher sehr froh, daß wir dafür eine sehr breite Zustimmung bekommen werden. Es geht nämlich bei diesen Abkommen darum, wirtschaftliche Beziehungen mit Staaten, die von ihrer inneren politischen Substanz her sehr in Bewegung sind, zu ordnen, nämlich günstige Rahmenbedingungen und völkerrechtliche Absicherungen zu vereinbaren. Dazu gehören die Vereinbarung der Meistbegünstigung und der Gleichbehandlung mit Inländern – das darf nicht vernachlässigt werden –, die Gewährleistung des freien Transfers in frei konvertierbaren Währungen, ein umfassender Enteignungsschutz – auch das ist etwas ganz Wichtiges –, eine Entschädigungspflicht und die Rechtsweggarantie durch Vereinbarung internationaler Schiedsgerichtsbarkeit.

Ich glaube allerdings – und das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen –, daß Wirtschaft natürlich auch die Übernahme von Risiko bedeutet. Das bestreitet ja auch niemand. Wirtschaft spielt sich in Konkurrenz ab, die Märkte sind weltweit offen, und wir können als Staat nur versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer sich dann wirtschaftliches Handeln privater österreichischer Unternehmen in China, in der Ukraine oder wo auch immer unter geordneten Rechtsverhältnissen abspielt.

Ich möchte ergänzend noch bemerken, daß selbstverständlich – und ich habe darauf auch im Ausschuß hingewiesen – das Abkommen mit Hongkong im Einvernehmen mit der Volksrepublik China abgeschlossen worden ist, mit der wir ja übrigens auch ein derartiges Abkommen haben. Das heißt, daß diese Vereinbarung selbstverständlich auch nach den politischen Veränderungen in Hongkong Mitte des Jahres 1997 weiterhin gilt.

Ich hoffe, die notwendigen Klarstellungen vorgenommen zu haben, und bitte um Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Es liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters ist nicht gewünscht.

Wir haben jetzt einige Abstimmungen durchzuführen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen. – Ich verstehe schon, daß man gemessenen Schrittes das Plenum betritt (Abg. Dr. Kier betritt langsamen Schrittes den Sitzungssaal), aber zu gemessen soll es wieder auch nicht sein. (Heiterkeit.)

Wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst stimmen wir ab über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages in 365 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür Ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages in 505 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Die Genehmigung erfolgte einstimmig. Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages in 545 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


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Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Genehmigungserteilung erfolgte einstimmig. Einstimmige Annahme des Antrages.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages samt Protokoll in 556 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Genehmigungserteilung erfolgte einstimmig. Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Jetzt lasse ich über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages samt Protokoll in 585 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen, abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch diese Genehmigung wird einstimmig ... Herr Kollege, daß Sie mir zuwinken, ist mir ein geringer Trost. (Allgemeine Heiterkeit.) – Auch diese Genehmigung ist einstimmig erteilt worden. Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages samt Vorbehalten in 558 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch da erfolgt eine einstimmige Annahme.

Zur Abstimmung steht weiters der Antrag der Abgeordneten Dr. Nowotny, Auer und Genossen gemäß § 76 Abs. 3 der Geschäftsordnung, daß das Übereinkommen samt Vorbehalten hinsichtlich der authentischen Texte in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen ist, daß es im Bundesministerium für Finanzen aufliegt.

Wer für diese Form der Kundmachung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch dieser Beschluß erfolgt einstimmig.

12. Punkt

Regierungsvorlage: Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen (577 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Von der Vorberatung in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.17

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Danke, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Mir ist natürlich bewußt, daß der letzte Redner in der Sitzung, noch dazu zu so vorgeschrittener Tageszeit, die Verpflichtung hat, sich kurz zu fassen. (Abg. Aumayr: So spät ist es noch nicht! Es geht schon noch!) Ich werde das auch tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, den Verhandlern beziehungsweise den für den Abschluß dieses Vertrages zwischen Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen Verantwortlichen ein Kompliment auszusprechen. Er ist nämlich ein Beweis dafür, daß es auch auf internationaler Ebene, wenn es um rechtliche Probleme geht, möglich ist, einen Vertrag zu verhandeln und abzuschließen, der nicht nur für Insider lesbar und verständlich ist, sondern auch für Leute, die sich nicht unbedingt intensiv mit


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einer solchen Materie befassen. Ich bin daher der Auffassung, daß man dieser Regierungsvorlage auch aus diesem Grund zustimmen kann.

Meine Damen und Herren! Weil wir es in Zeiten der Globalisierung für vernünftig halten, einen direkten Rechtsverkehr in Rechtshilfesachen auch mit Kanada zu haben, werden wir sehr gerne diesem Vertrag zustimmen. Ich hoffe und gehe davon aus, daß das auch alle anderen in diesem Hause vertretenen Parteien tun werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Gegenstand der Abstimmung ist die Genehmigung des Abschlusses des Staatsvertrages in 577 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Genehmigung des Abschlusses erfolgt einstimmig.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, das Amtliche Protokoll dieser Sitzung hinsichtlich des Punktes 1 der Tagesordnung zu verlesen, damit dieser Teil des Protokolls mit Schluß der Sitzung als genehmigt gilt.

Dadurch soll die umgehende Ausfertigung des vom Nationalrat gefaßten Beschlusses ermöglicht werden.

Ich verlese jetzt den Teil des Amtlichen Protokolls, der den Tagesordnungspunkt 1 betrifft.

Das Amtliche Protokoll lautet:

"Tagesordnungspunkt 1:

Es liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung (Beilage I/1) vor.

Die Abgeordneten Scheibner und Genossen bringen den Abänderungsantrag Beilage 1/1 ein.

Die Abgeordneten Mag. Kammerlander und Genossen bringen den Abänderungsantrag Beilage 1/2 ein.

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschußantrag in 657 der Beilagen bei Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung mit wechselnden Mehrheiten und in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit – und zwar jeweils mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – angenommen.

Der Abänderungsantrag Beilage 1/1 wird abgelehnt.

Der Abänderungsantrag Beilage 1/2 wird abgelehnt."

Soweit die Fassung des Amtlichen Protokolls betreffend den Tagesordnungspunkt 1.

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.


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Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluß der Sitzung als genehmigt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 440/A bis 446/A eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 2303/J bis 2324/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 14. Mai 1997, um 9 Uhr in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.21 Uhr