Stenographisches Protokoll

85. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 19. September 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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85. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 19. September 1997

Dauer der Sitzung

Freitag, 19. September 1997: 9.01 – 19.46 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Kunstbericht 1995 der Bundesregierung

2. Punkt: 12. Sportbericht 1995 des Bundeskanzlers

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 442/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (EURO-Bilanzgesetz)

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 465/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 466/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 467/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird

7. Punkt: Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 12

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 556/A (E) betreffend Maßnahmenpaket zur Vermeidung einer Transitlawine als Folge der verzögerten Installation der elektronischen Ökopunktekontrolle gemäß § 43


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Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 7. Oktober 1997 zu setzen – Ablehnung 30, 159

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung 30

Antrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Vorgänge bei der Vergabe des automatischen Ökopunktesystems gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 151

Bekanntgabe 67

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 67

Redner:

Peter Rosenstingl 151

Rudolf Parnigoni 153

Mag. Helmut Kukacka 155

Mag. Helmut Peter 156

Mag. Reinhard Firlinger 157

Ablehnung des Antrages 158

Fragestunde (21.)

Inneres 12

Dr. Helene Partik-Pablé (157/M); Günther Platter, Rudolf Anschober, Mag. Helmut Peter, Helmut Dietachmayr

Paul Kiss (153/M); Rudolf Anschober, Mag. Helmut Peter, Brigitte Tegischer, Franz Lafer

Dr. Volker Kier (159/M); Matthias Achs, Elfriede Madl, Paul Kiss, Mag. Terezija Stoisits

Anton Leikam (155/M); Mares Rossmann, Dkfm. Dr. Günter Puttinger, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier

Rudolf Anschober (160/M); Mag. Helmut Peter, Anton Gaál, Hermann Mentil, Walter Murauer

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 12

Ausschüsse

Zuweisungen 28, 137, 149

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Maßnahmen der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz zur Erlassung und weiteren Aufrechterhaltung eines wirksamen Importverbots für Gentechnik-Mais (2925/J) 94

Begründung: Heinz Gradwohl 96

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 98


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Debatte:

Rudolf Parnigoni 101

Maria Rauch-Kallat 102

Mag. Karl Schweitzer 104

Mag. Thomas Barmüller 106

Rudolf Anschober 107

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 109

Annemarie Reitsamer 111

Karlheinz Kopf 113

Dr. Alois Pumberger 114

Dr. Martina Gredler 116

Mag. Johann Maier 117

Josef Schrefel 119

Franz Koller 120

Dr. Stefan Salzl 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend vorbeugende und begleitende Forschung zur Abschätzung und Bewertung von Risken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen – Ablehnung 115, 122

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Maria Rauch-Kallat, Mag. Thomas Barmüller, Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Erlassung und weiteren Aufrechterhaltung eines wirksamen Importverbots für Gentechnik-Mais – Annahme E 85 119, 122

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1995 der Bundesregierung (III-66/732 d. B.) 30

Redner:

Dr. Michael Krüger 31

Dr. Josef Cap 32, 64

Klara Motter 35

Franz Morak 39

Klara Motter (tatsächliche Berichtigung)43

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 43

Dr. Helga Konrad 46

Mag. Karl Schweitzer 47

Dr. Gertrude Brinek 49

Karl Öllinger 51

Heidemaria Onodi 54

Dr. Brigitte Povysil 54

Paul Kiss 55

Mag. Johann Ewald Stadler 57, 65

Sonja Ablinger 58

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 60

Dr. Harald Ofner 62

Kenntnisnahme des Berichtes III-66 d. B. 67

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den 12. Sportbericht 1995 des Bundeskanzlers (III-61/838 d. B.) 67

Redner:

Mag. Dr. Udo Grollitsch 68

Dr. Franz Löschnak 70


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Ing. Walter Meischberger 72

Karlheinz Kopf 73

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 78

Mag. Helmut Peter 79

Mag. Dr. Josef Höchtl (tatsächliche Berichtigung) 81

Franz Lafer 82

Theresia Haidlmayr 83

Arnold Grabner 85

Mag. Dr. Udo Grollitsch (tatsächliche Berichtigung) 88

Johannes Zweytick 88

Otmar Brix 89

Karlheinz Kopf (tatsächliche Berichtigung) 91

Mag. Karl Schweitzer 91

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 92

Hermann Kröll 122

Hannelore Buder 125

Brunhilde Fuchs 127

Kenntnisnahme des Berichtes III-61 d. B. 128

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 838 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend das Bundesheer als Förderer des Leistungssports E 86 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Arnold Grabner, Karlheinz Kopf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Mag. Helmut Peter, Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend sportpolitische Maßnahmen der Bundesregierung – Annahme E 87 74, 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend echte Privatisierung der Bundessportheime – Ablehnung 79, 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen betreffend Bundeszuschuß zur Finanzierung des Österreich-Ringes – Ablehnung 82, 128

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 442/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (EURO-Bilanzgesetz) 128

Redner:

Mag. Helmut Peter 129

Dr. Alfred Gusenbauer 131

Mag. Cordula Frieser 132

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 133

Dr. Volker Kier 134

Hermann Böhacker 135

Zuweisung des Antrages 442/A an den Finanzausschuß 137

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 465/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird 137

Redner:

Mag. Helmut Peter 137

Mag. Dr. Josef Trinkl 138


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Franz Riepl 140

Sigisbert Dolinschek 143

Edith Haller 146

Reinhart Gaugg 147

Anton Blünegger 148

Zuweisung des Antrages 465/A an den Wirtschaftsausschuß 149

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 466/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird 149

Zuweisung des Antrages 466/A an den Wirtschaftsausschuß 149

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 467/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBI. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird 149

Zuweisung des Antrages 467/A an den Wirtschaftsausschuß 149

7. Punkt: Regierungsvorlage: Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich (844 d. B.) 150

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Redner:

Robert Sigl 150

Genehmigung des Staatsvertrages in 844 d. B. 150

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 150

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 28

843: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit

Bericht 30

III-98: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Änderung der Zielsetzung des EURATOM-Vertrages (564/A) (E)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend die Errichtung einer 380-kV-Leitung in Österreich (565/A) (E)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Behandlung der Thematik "Sicherung/Sanierung der Fischer-Deponie" (566/A) (E)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz (BAG) und das Bundesgesetz über die Beschäftigung von


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Kindern und Jugendlichen (KJBG) in der derzeit gültigen Fassung hinsichtlich der Förderung der Jugendbeschäftigung durch vermehrte Lehrlingseinstellung geändert werden (567/A)

Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (568/A)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Erweiterung des regionalen Entscheidungsfreiraumes in der Zusammenarbeit der Ausbildungspartner (569/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Verlagerung der Verantwortung für die innere Organisation und die Unterrichtsorganisation in die Autonomie der Ausbildungspartner (Lehrling, Berufsschule und Betrieb) (570/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch eine Reform der Ausbildung für BerufsschullehrerInnen (571/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Schaffung von Möglichkeiten zur individuellen Regelung der Berufsschulzeit zwischen Lehrling, Berufsschule und Betrieb bei lehrgangsmäßigen Berufsschulen (572/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Organisation des Berufsschulstoffes in Form von Modulen und durch Definition verschiedener Bildungsziele beziehungsweise Bildungsabschlüsse (573/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Abschaffung der Polytechnischen Schule bei gleichzeitiger Einführung eines Berufsorientierungsjahres als Überleitung zur Ausbildung im dualen System und als erstes Jahr aller berufsbildenden Schulen (574/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Erweiterung des regionalen Entscheidungsfreiraumes in der Zusammenarbeit der Ausbildungspartner (575/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Verlagerung der Verantwortung für die innere Organisation und die Unterrichtsorganisation in die Autonomie der Ausbildungspartner (Lehrling, Berufsschule und Betrieb) (576/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch eine Reform der Ausbildung für BerufsschullehrerInnen (577/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Schaffung von Möglichkeiten zur individuellen Regelung der Berufsschulzeit zwischen Lehrling, Berufsschule und Betrieb bei lehrgangsmäßigen Berufsschulen (578/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Organisation des Berufsschulstoffes in Form von Modulen und durch Definition verschiedener Bildungsziele beziehungsweise Bildungsabschlüsse (579/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Abschaffung der Polytechnischen Schule bei gleichzeitiger Einführung


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eines Berufsorientierungsjahres als Überleitung zur Ausbildung im dualen System und als erstes Jahr aller berufsbildenden Schulen (580/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Anpassung des Kinder- und Jugendschutzgesetzes an eine flexibler werdende Arbeitswelt für bestimmte Branchen bei voller Aufrechterhaltung des Kinder- und Jugendschutzes (581/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Abschaffung der viermonatigen Behaltefrist nach Ende der Berufsschule (§ 18 Abs. 1 BAG) bei Nichterreichung des Berufszieles (582/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Abschaffung der vom Lehrherrn zu übernehmenden Prüfungstaxen (§ 9 Abs. 7 BAG) (583/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Erleichterung der Kündigung des Lehrverhältnisses durch den Lehrherren bei mehrfachem negativem Abschluß des Berufsschuljahres, mangelnder Bereitschaft oder Qualifikation des Lehrlings in einem außerstreitigen Verfahren (584/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch Ausweitung der Probezeit bei Lehrverhältnissen auf drei Monate (585/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch die Kommunalsteuerbefreiung der Lehrlingsentschädigung (586/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Reform der Lehrlingsausbildung durch völlige sozialrechtliche Gleichstellung der Lehrlinge während der Berufsschulzeit (Karenz während der Berufsschulzeit) mit den Schülern (587/A) (E)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Volksabstimmung aus Anlaß der Währungsumstellung vom Schilling zum Euro (588/A)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre (589/A) (E)

Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Denkmalschutz für historische Gärten und Parks (590/A) (E)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen betreffend Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes 1969, BGBl. Nr. 2/1970, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 292/1986 (591/A)

Anfragen der Abgeordneten

Heinz Gradwohl und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Maßnahmen der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz zur Erlassung und weiteren Aufrechterhaltung eines wirksamen Importverbots für Gentechnik-Mais (2925/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend rechtswidrige Vorgangsweise bei Erlassung von Berufungsbescheiden in aufenthaltsrechtlichen Verfahren (2926/J)


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Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Richter kontra richterlicher Unabhängigkeit (2927/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Mißbrauch von Bankomatkarten (2928/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verwendung der zweckgebundenen Strafeinnahmen aus dem Straßenverkehr (§ 100 Abs. 10 StVO) zur Verbesserung der Verkehrsüberwachung (2929/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Bestellung des Geschäftsführers der Telekom-Control GmbH (2930/J)

Werner Amon und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Amtshandlung am 6. Juli 1997 in Zusammenhang mit einer Aktion der Jungen ÖVP-Penzing anläßlich des Jahrestages der Zeugen Jehovas (2931/J)

Dr. Erwin Rasinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Förderung der Lehrpraxis in der postpromotionellen Medizinerausbildung (2932/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Gedenktafelstürmerei (2933/J)

Ute Apfelbeck an den Bundesminister für Finanzen betreffend unerledigte Anregungen des Rechnungshofes – Tätigkeitsbericht 1995 (III-60 d. B., XX. GP) (2934/J)

Ute Apfelbeck an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend unerledigte Anregungen des Rechnungshofes – Tätigkeitsbericht 1995 (III-60 d. B., XX. GP) (2935/J)

Ute Apfelbeck an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend unerledigte Anregungen des Rechnungshofes – Tätigkeitsbericht 1995 (III-60 d. B., XX. GP) (2936/J)

Ute Apfelbeck an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend unerledigte Anregungen des Rechnungshofes – Tätigkeitsbericht 1995 (III-60 d. B., XX. GP) (2937/J)

Ute Apfelbeck an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend unerledigte Anregungen des Rechnungshofes – Tätigkeitsbericht 1995 (III-60 d. B., XX. GP) (2938/J)

Ute Apfelbeck an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend unerledigte Anregungen des Rechnungshofes – Tätigkeitsbericht 1995 (III-60 d. B., XX. GP) (2939/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend EU-Präsidentschaft Österreichs (2940/J)

Dipl.-Ing . Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Steigerung asthmatischer Krankheiten unter Hochspannungsleitungen (2941/J)

Ing. Kurt Gartlehner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Neubauten beziehungsweise Umstrukturierungen von Gerichten in Wien (2942/J)


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85. Sitzung / Seite 9

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend § 68 EStG – Überstundenzuschläge (2943/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verdacht der Willkür bei Aberkennung des großen Pendlerpauschales gemäß § 16 (1) Z 6 lit. c EStG (2944/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vorsteuerbefreiung beim Kauf von Transportbegleitfahrzeugen (2945/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die "Welser Westspange" (2946/J)

Mag. Kurt Gaßner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbau der Prager Bundesstraße (B 125) (2947/J)

Mag. Kurt Gaßner und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend unvollständige Anfragebeantwortung 2798/AB vom 9. 9. 1997 zum Thema begünstigte Sachmittelausstattung für SchülerInnen der privaten Europaschule in Baumgartenberg, Bez. Perg (OÖ) (2948/J)

Anna Huber und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Auftreten von Ehec-Bakterien in Österreich (2949/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Mukopolysaccharidose MPS (2950/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Nuklearmedizin – extramural oder im Ambulatorium? (2951/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erhaltung der vollen Funktionsfähigkeit des Finanzamtes Schärding (2952/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Besprechung obszöner Literatur im Unterricht (2953/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Verfahren Regionalradio- und Lokalradiolizenzvergabe (2954/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Satellitensender TW 1 (2955/J)


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85. Sitzung / Seite 10

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Leitung der Technologieoffensive (2956/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Fachhochschullehrgänge für Jus und Veterinärmedizin (2957/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend umstrittene Bundesländerliste über EU-Förderungsausnützung (2958/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Blaulichtsteuer als Millionen-Flop (2959/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Atomtransporte durch Tirol beziehungsweise Österreich (2960/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Atomtransporte durch Tirol beziehungsweise Österreich (2961/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Murenkatastrophe in Nußdorf-Debant (2962/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend brisante Privatstudie zur Vignettenmoral (2963/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Möglichkeit der Erstellung eines Schulenverzeichnisses nach dem Vorbild des "Wiener Schulführers" (2964/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Giftmülltransporte durch Tirol beziehungsweise Österreich (2965/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Nichtbeantwortung der Anfrage zum Thema: Mautinkasso A 13 Brenner Autobahn (2966/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Mitgliedschaft von SPÖ-MEP BM a. D. Ing. Harald Ettl im ORF-Kuratorium (2967/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Bestellung des Hörfunkbeirates gemäß § 14a RRG (2968/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Sender 3sat (2969/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Frequenzordnung Hörfunk (2970/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Frequenzordnung Fernsehen (2971/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Frequenzordnung Fernsehen (2972/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Regierungsvorlage für Privatfernsehen auf terrestrischer Basis (2973/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Kabelrundfunkveranstalter (2974/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend ungerechtfertigte Ausbootung der Tiroler Bestbieterfirma Schleinzer (2975/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zulassung zum Studium von Auslandsösterreichern (2976/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Initiative Arbeit der SPÖ Wien – telefonische Beratung durch MitarbeiterInnen des AMS und der AK (2977/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vereinbarungen über Bußgeldhöhen bei Weinfesten (2978/J)


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85. Sitzung / Seite 11

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend AMA: irreführende und konsumentenverdummende Rindfleischwerbung (2979/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mißbrauch von Bankomatkarten (2980/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Existenzbedrohung durch "Knoten Obersteiermark" (2981/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Postenbesetzungen im Wissenschaftsministerium (2982/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Gastgartenverordnung (2983/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Stempel für Schweine (2984/J)

Mares Rossmann und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend TV-Werbung des Familienministeriums (2985/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die behauptete Verstrickung von Freimaurern in die Kärntner Straßenbauangelegenheit beim Bau des Karawankentunnels (2986/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Umgliederungsmaßnahmen im Bereich der ÖSTAT (2987/J)

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Helmut Haigermoser und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Werbung am Hohen Haus (15/JPR)


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85. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 85. Sitzung des Nationalrates.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Aumayr, Dr. Haselsteiner, Hans Helmut Moser, Dr. Mock, Dr. Schmidt, Wurmitzer und Dr. Van der Bellen.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung mit folgendem Inhalt Mitteilung gemacht:

Herr Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem wird durch Herrn Bundesminister Mag. Karl Schlögl vertreten, welcher heute auch Gast in der Fragestunde ist.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Fragestunde, und ich beginne um 9.02 Uhr mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte sehr.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Ich freue mich, daß Sie gestern bis spät in die Abendstunden bei uns im Parlament waren und es heute früh schon wieder sind, und erlaube mir, folgende Frage an Sie zu richten:

157/M

Auf welche Höhe beläuft sich die Zahl der in der Zentralstelle des Innenministeriums reduzierten Planstellen im Verhältnis zu der Anzahl der in den übrigen Bereichen der Exekutive eingesparten Planstellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Auch Ihnen einen schönen guten Morgen! Ich darf Ihnen versprechen, daß ich heute noch öfters im Parlament sein werde.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Werden Sie sich auch freuen darüber?

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Das weiß ich nicht.

Ich möchte Ihre Frage wie folgt beantworten: Im Stellenplan 1996 wurde die Zahl der Planstellen im Bereich der Zentralstelle des Innenministeriums um 23 reduziert. Das entspricht im Verhältnis zum Stellenplan 1995 einer Einsparung von 1,67 Prozent. Im Stellenplan 1997 wurde die


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Zahl der Planstellen im Zentralbereich um 21 reduziert. Im Verhältnis zu den im Stellenplan 1995 vorgesehenen Planstellen entspricht das einer Einsparung von 1,52 Prozent. Und für den Stellenplan 1998, der im Ministerrat beschlossen worden ist und demnächst im Parlament diskutiert wird, ist an eine Reduzierung der Zahl der Planstellen um 9 gedacht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Eigentlich ist das keine Zusatzfrage, denn, Herr Minister, Sie haben meine ursprüngliche Frage nicht beantwortet. Ich wollte gerne wissen, in welchem Verhältnis die in der Zentralstelle des Innenressorts eingesparten Stellen zu dem stehen, was man draußen im Bereich der Exekutive einsparen mußte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Für den Stellenplan 1996 wäre das eine Einsparung von 1,55 Prozent im Verhältnis dazu, und im Verhältnis des Stellenplans 1997 zu den Bereichen Bundespolizei, Bundesgendarmerie und Zentralstellen sind es 1,49 Prozent.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Herr Abgeordneter Platter, bitte.

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Die Belastungsstatistik 1996 zeigt, daß ein personeller Ausgleich zwischen den Bundesländern notwendig sein wird, weil zum Beispiel Tirol um 135 Beamte und Oberösterreich um 107 Beamte zuwenig hat. Werden Sie, Herr Minister, im Rahmen dieser personellen Umstrukturierung auch der Verbrechensbekämpfung beziehungsweise Verbrechensvorbeugung eine besondere Priorität einräumen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich glaube, die österreichische Exekutive hat zwei wesentliche Aufgaben. Die erste Aufgabe ist, alles zu tun, um wirkungsvoll gegen Kriminalität und Verbrechen vorzugehen, und die zweite Aufgabe, die ich mindestens als gleichrangig betrachte, ist die, daß man alles tut, um Prävention zu üben, daß man in allen Bereichen versucht, möglichst vorbeugend Maßnahmen zu setzen, damit es überhaupt nicht zu Gewalttaten, zu Verbrechen, zu Kriminalität, aber auch nicht zu Verkehrsunfällen und ähnlichem kommt. Darum ist es für mich ein sehr, sehr wichtiges Anliegen, daß bei allen Umstrukturierungsmaßnahmen diese beiden Säulen im Vordergrund der Tätigkeit stehen, und so gesehen halte ich es beispielsweise auch für wichtig, daß künftig die Ahndung der Kleinkriminalität von der Sicherheitswache übernommen wird, damit die Kriminalbeamten mehr Möglichkeiten haben, ihre Tätigkeit im mittleren und schweren Kriminalitätsbereich auszuüben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Kollege Anschober, bitte.

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Bundesminister! In einigen Deliktbereichen, Sicherheitsbereichen, etwa dem Verkehrsbereich, dem Umweltbereich, steigt der Ermittlungs- und Kontrollbedarf für die Exekutive. Was halten Sie vom Vorschlag der Grünen, notwendige zusätzliche Personalposten durch eine generelle Zweckbindung der Strafgeldeinnahmen zu finanzieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Natürlich hat jeder Innenminister und somit auch ich das Interesse und das Ziel, eine möglichst hohe Anzahl von Beschäftigten im Innenministerium zu haben. Je mehr Exekutivkräfte dem Innenministerium zur Verfügung stehen, desto besser ist es möglich, präventiv tätig zu sein, und desto besser ist es auch möglich, gegen Kriminalität vorzugehen.

Derzeit ist es so, daß von den Strafgeldern, die eingenommen werden – es ist dies eine Summe von an die 2 Milliarden Schilling –, nur 20 Prozent für das Innenministerium zweckgebunden


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sind. Falls es Initiativen gibt, die dazu führen, daß dem Innenministerium mehr Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, werden sie vom Innenminister sicherlich unterstützt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Nächste Zusatzfrage: Kollege Mag. Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Österreich hat hohe Sicherheitsstandards im Inneren, dennoch ist die Bevölkerung, vor allem in den ländlichen Gebieten, davon betroffen, daß die nächtliche Präsenz und Erreichbarkeit der Gendarmerie immer geringer wird. Hat das mit den Einsparungsmaßnahmen, die Sie gesetzt haben, zu tun? Sind Sie bereit, hier Verbesserungen vorzunehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! In den letzten Jahren hat es umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen gegeben, vor allem im Bereich der Bundesgendarmerie, die auch dazu geführt haben, daß eine Reihe von Gendarmerieposten zusammengelegt worden ist, mit dem Ziel, daß Gendarmeriebeamte von Verwaltungstätigkeit entlastet werden und mehr Möglichkeit haben, auf der Straße tätig zu sein, mehr Möglichkeiten haben, Patrouillen und ähnliches durchzuführen.

Diese Umstrukturierungsmaßnahmen sind abgeschlossen, und ich gehe davon aus, daß es in Zukunft zu keinen weiteren Zusammenlegungen von Gendarmerieposten kommen wird. Im Gegenteil: Ich halte es für wichtig und notwendig, daß wir danach trachten, die hohe Dichte an Gendarmerieposten quer durch unser Land auch in Zukunft erhalten zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Letzte Zusatzfrage zu diesem Block: Bitte, Herr Kollege Dietachmayr.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich glaube, kein anderes Ressort ist so personalintensiv wie das Ihre, daher sind auch die Möglichkeiten und Tätigkeiten sehr wesentlich von der budgetären Entwicklung abhängig. Wie sieht die Planstellen- und budgetäre Entwicklung des Innenministeriums hinsichtlich der Budgets 1998 und 1999 aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Darf ich vielleicht folgendes festhalten: Ich habe überprüft, wie sich die Planstellen in den letzten neun Jahren entwickelt haben, und da hat sich gezeigt, daß es gerade im Bereich des Innenministeriums eine sehr positive Entwicklung der Planstellen gegeben hat. Hatten wir im Jahr 1988 noch insgesamt 29 798 Planstellen im Bereich des Innenministeriums, so hat sich diese Zahl im Jahre 1997 auf 32 729 erhöht, wobei ich dazusagen muß, daß natürlich ein Teil davon für die Grenzgendarmerie gedacht ist, rund 1 500.

Aber es zeigt allein diese Entwicklung seit 1988, daß wir nahezu 3 000 zusätzliche Planstellen im Bereich des Innenministeriums bekommen haben, und ich glaube, das ist auch einer der Gründe, warum wir in Österreich einen so hohen Sicherheitsstandard gegenüber anderen Ländern haben.

Die Budgetverhandlungen für 1998 und 1999 sind ohne Zweifel nicht leicht gewesen. Ich bin aber trotzdem glücklich und froh, daß es gelungen ist, zu erreichen, daß es zu keiner nennenswerten Reduzierung der hohen Anzahl der Beschäftigten im Bereich des Innenministeriums kommt. Im Gegenteil: Für 1998 und 1999 können wir jeweils 250 zusätzliche Bedienstete für die Grenzgendarmerie aufnehmen, 66 Beamte aus dem Bereich der Zollwache werden in das Innenministerium optieren, und darüber hinaus werden wir im nächsten Jahr 65 zusätzliche Planstellen für entsprechende Aufgaben bekommen, die neu an die Exekutive herangetragen werden, vor allem Aufgaben im Bereich der neuen Fahndungsmethoden, Aufgaben im Bereich der Europol, aber auch Aufgaben im Bereich des neuen Asylrechtes.


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Gleichzeitig ist vorgesehen, daß es zu einer Reduzierung in der Höhe von 200 Planstellen für das Jahr 1998 und 200 Planstellen für das Jahr 1999 kommt. Mein Ziel ist es, zu erreichen, daß diese Reduzierung um jeweils 200 Planstellen so geschieht, daß die Sicherheitswache und die Gendarmerie möglichst wenig davon betroffen sind, sondern daß vielmehr durch Ausgliederungen, durch Privatisierungen im Bereich der Kfz-Anmeldung und ähnliches die notwendige Einsparung durchgeführt werden kann.

Ich bin sehr, sehr stolz, daß es erstmals seit vielen Jahren gelungen ist, zu erreichen, daß dem Innenministerium mehr als 7 Milliarden Schilling für Sachaufwendungen zur Verfügung gestellt werden, und damit, davon bin ich überzeugt, wird es gelingen, die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zu setzen, um im Bereich der Grenzgendarmerie, aber auch im Bereich der Bundesgendarmerie und der Polizei die notwendigen Anschaffungen durchführen zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Wir kommen zur 2. Anfrage, welche Herr


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Abgeordneter Paul Kiss formuliert. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

153/M

Welche Maßnahmen setzen Sie, um auch in Hinkunft einen bundesweiten Hubschrauberrettungsdienst sicherzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Der Hubschrauberrettungsdienst ist für mich eine sehr wichtige Einrichtung. Diese Einrichtung besteht gesetzlich seit 1982 und ist getragen von einer ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen den Ländern, dem Bund – vor allem dem Innenministerium, teilweise auch dem Verteidigungsministerium – und dem ÖAMTC.

In den letzten Jahren hat es eine bedauerliche Entwicklung gegeben, die dazu geführt hat, daß der Hubschrauberrettungsdienst sehr stark defizitär geworden ist und die Lasten fast ausschließlich vom Bundesministerium für Inneres zu tragen gewesen sind. Gleichzeitig haben wir uns mit dem Problem auseinanderzusetzen, daß es aufgrund neuer Verordnungen notwendig ist, ab einem bestimmten Zeitpunkt zweimotorige Hubschrauber im Einsatz zu haben. Einer dieser zweimotorigen Hubschrauber wird an die 40 Millionen Schilling kosten, sodaß bei einer Neuanschaffung von zehn derartigen Hubschraubern Investitionskosten von rund 400 Millionen Schilling notwendig sind. Und deshalb habe ich Gespräche mit allen Betroffenen begonnen, mit dem Ziel, zu erreichen, daß erstens der Betriebsabgang einigermaßen gedeckt wird und daß zweitens die Neuanschaffungen auch gerecht zwischen den einzelnen Teilnehmern aufgeteilt werden.

Zwischen dem Innenminister und den Ländern herrscht darüber Übereinstimmung, daß auch in Zukunft die Fortführung dieses bewährten Systems gesichert werden soll und daß sich die öffentliche Hand an diesem bewährten System beteiligen soll. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen vordiskutiert, mit dem Ziel, daß diese Maßnahmen auch umgesetzt werden, wie beispielsweise, daß wir höhere Kostenbeiträge von den Sozialversicherungsträgern und von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt bekommen, daß wir ein eigenes Gesetz verabschieden, das eine gesetzliche Grundlage bietet, daß private Versicherungen die Kosten für die Hubschrauberrettung übernehmen müssen, und schlußendlich wollen wir erreichen, daß es zu einem gerechten Kostenausgleich zwischen Bund und Ländern kommt. Ich bin überzeugt davon, daß ich dem Parlament noch in diesem Jahr einen endgültigen Bericht über diese Maßnahmen vorlegen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage?

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich begrüße diese Aussage, die Sie soeben getätigt haben, nachhaltig. Ich habe das Rettungskostengesetz zur Hand genommen und registriert, daß es sieben Bundesländer gibt, die eine Vereinbarung nach § 15a Bundes-Verfassungsgesetz mit dem Bund abgeschlossen haben – beginnend mit Kärnten im Juli 1984 bis Wien im März 1990. Zwei Bundesländer, Herr Bundesminister, fehlen: Burgenland und Niederösterreich.

Werden mit diesen beiden Bundesländern im Zuge der Maßnahmen, die Sie jetzt skizziert haben, diesbezügliche Gespräche geführt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Es stimmt, es gibt diesbezüglich insgesamt sieben 15a-Verträge, die zwischen dem Bund und den Ländern abgeschlossen worden sind. – Burgenland und Niederösterreich fehlen, vor allem deswegen, weil sie Vereinbarungen mit dem ÖAMTC abgeschlossen haben und die Hubschrauberrettung auch so sehr gut funktioniert.

Allerdings ist es so, daß ein Teil des Bundeslandes Niederösterreich auch vom Hubschrauber des Innenministeriums mit betreut wird, es ist dies vor allem der nördliche Teil des Bundeslandes Niederösterreich. Mein Ziel ist es, auch diese beiden Bundesländer in die Vereinbarung mit einzuschließen.

Zwischen dem Bundesland Niederösterreich und dem Bundesland Wien und dem Innenminister wird es nächste Woche einen Gesprächstermin geben, wo hohe politische Repräsentanten vertreten sein werden: Stadtrat Rieder von seiten Wiens, Landesrat Freibauer und Landesrat Wagner von seiten des Landes Niederösterreich. Und ich hoffe, daß sich auch das Land Niederösterreich anschließen wird; das gleiche gilt für das Land Burgenland.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Anschober, bitte.

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Bundesminister! Beim Bundesheer gibt es eigentlich eine hohe Zahl von teilweise freien Kapazitäten von Hubschraubern. Wäre es nicht sinnvoll, auch diese Bundesheerhubschrauber verstärkt zum Rettungseinsatz heranzuziehen, und gibt es dazu Verhandlungen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe in keiner Weise Berührungsängste mit dem Bundesheer, ganz im Gegenteil, ich halte es für sinnvoll, notwendig und richtig, wenn das Bundesheer im Bereich der Flugrettung zusätzlich mit einbezogen wird, vor allem deswegen, weil in den letzten Jahren, seit 1983, an die 50 000 Menschen von uns gerettet worden sind und das Bundesheer auch seinen Teil dazu beigetragen hat.

Derzeit haben wir 14 Standorte, davon sieben Standorte, an denen Hubschrauber des Innenministeriums stationiert sind, sechs Standorte des ÖAMTC und ein Standort des Bundesheeres, nämlich Aigen in der Steiermark. Mein Ziel ist es, zumindest zu erreichen, daß dieser eine Standort in Aigen erhalten bleibt. Schön wäre es, wenn es gelänge, einen zweiten oder dritten Standort zu finden. Das würde nicht nur dazu beitragen, daß das Innenministerium von Kosten entlastet wird, sondern würde auch zusätzliche neue, wichtige Aufgaben für das Bundesheer mit sich bringen. Ich bin in gutem Gesprächskontakt mit den Vertretern des Bundesheeres und hoffe zumindest zu erreichen, daß der Standort Aigen gesichert bleibt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Mag. Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Der Herr Bundeskanzler hat uns im Februar 1997 öffentlich wissen lassen, daß er daran denkt, die Flugrettung


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überhaupt auszugliedern. Was halten Sie davon? Sind Sie dazu bereit, und wie würden die Strukturen aussehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wie es in Zukunft sinnvoll und gut ist, die Hubschrauberrettung, die Flugrettung zu organisieren. Wichtig und notwendig ist, daß einem eines bewußt ist: daß Österreich das Land ist, das die beste Notarztbetreuung hat, die man sich vorstellen kann. Wir haben ein bodengebundenes, ein bodenstationäres System, und es gibt in jedem Verwaltungsbezirk Österreichs ein Notarztsystem mit den entsprechenden Notärzten, mit der entsprechenden technischen Ausrüstung und auch mit entsprechend gut ausgebildeten Notarztsanitätern.

Die Hubschrauberrettung hat die Aufgabe, zu diesem bodengebundenen System eine notwendige und wichtige Ergänzung zu sein, nicht nur im schwierigen alpinen Gelände, sondern auch in anderen Bereichen.

Weil die Hubschrauberrettung in den letzten Jahren stark defizitär geworden ist, ist vom damaligen Finanzminister und jetzigen Bundeskanzler der Wunsch geäußert worden, daß es hier zu einer Kostendeckung kommt. Es gibt verschiedene Varianten, wie diese Kostendeckung erreicht werden kann. Ich habe heute hier meine Vorstellungen präsentiert, die wir versuchen werden gemeinsam mit den Ländern umzusetzen. Dazu bedarf es der Unterstützung durch den Finanzminister, und ich bin mit dem Finanzministerium darüber auch im Gespräch.

Persönlich meine ich, daß man sich dessen bewußt sein muß, daß ein Privater auch seine Kosten für die Hubschrauberrettung hat und daß es gerade im Bereich der Gesundheit, im Bereich der Rettung von Menschen eine Notwendigkeit ist, daß nicht der Profit im Vordergrund steht, sondern die Hilfe für die Menschen. Und darum neige ich eher zu der Ansicht, daß diese notwendige und wichtige Rettung auch in Zukunft von der öffentlichen Hand durchgeführt werden soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines muß ich auch klar sagen – man muß sich dessen bewußt sein –: Auch wenn das Innenministerium die Hubschrauberrettung nicht mehr durchführen würde, hätten wir weiterhin sehr hohe Kosten, da das Innenministerium, gerade was den Bereich der Hubschrauber angeht, auch andere Aufgaben zu erfüllen hat, beispielsweise den Grenzdienst und die Überwachung des Verkehrs. Schon allein deshalb brauchen wir auch in Zukunft Hubschrauber. Das bedeutet, eine Kostenersparnis wäre, wenn die Hubschrauberrettung ausgegliedert werden würde, nicht in dem Ausmaß gegeben, wie viele es sich vorstellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Tegischer, bitte.

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Minister! Eine EU-Richtlinie sieht eine Mindestausstattung und eine Mindestleistungsfähigkeit der Rettungshubschrauber vor. In welcher Form wird das Innenministerium diese Richtlinie umsetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es stimmt, daß es diese Richtlinie gibt; sie soll mit 1. Oktober 1998 in Kraft treten. Es muß jeder verstehen, daß wir, da das Innenministerium derzeit sieben Standorte hat und für die Betreuung dieser sieben Standorte zehn Hubschrauber benötigt, nicht bis 1. Oktober 1998 diese zehn neuen Hubschrauber anschaffen können. Das ist nicht nur eine finanzielle Frage, sondern auch eine Frage der Beschaffung selbst. Ich lasse deshalb jetzt überprüfen, inwieweit diese EU-Richtlinie in den anderen europäischen Staaten umgesetzt wird; das geschieht gemeinsam mit dem Außenministerium.

Mein Ziel ist es natürlich, die zweimotorigen Hubschrauber zügig und rasch einzuführen – das ist auch eine Sicherheitsfrage –, aber ich gehe nicht davon aus, daß es uns gelingen wird, alle zehn


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Hubschrauber mit 1. Oktober 1998 zu haben. Ich hoffe, daß wir dafür eine Übergangsbestimmung erreichen werden, so wie das auch in anderen Ländern Europas der Fall ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Kollege Lafer, bitte.

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Minister! Sie haben heute schon ausgeführt, daß das Rettungshubschraubersystem in Österreich erhalten bleibt. Was wird in Zukunft sein, wird man das Rettungshubschraubersystem weiter ausbauen oder bei dieser Sachlage bleiben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Mein Ziel ist es, daß die Flugrettung eine notwendige sinnvolle Ergänzung zum bodengebundenen System ist. Das fluggebundene System soll nicht in Konkurrenz zum bodengebundenen System stehen, sondern eine Ergänzung sein. Das ist wichtig.

Wichtig ist auch, daß wir die Standorte so, wie wir sie jetzt haben, im wesentlichen aufrechterhalten. Die 14 Standorte sind meiner Meinung nach sinnvoll, sie überlappen, überschneiden sich und werden der geographischen Lage unseres Landes gerecht; der alpine Bereich unseres Staates stellt doch ein sehr großes Gebiet dar.

Ich gehe davon aus, daß es notwendig und wichtig ist, die Standorte, die wir derzeit haben, auch in Zukunft im wesentlichen aufrechtzuerhalten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir diesen Fragenkomplex beendet.

Nunmehr hat Herr Abgeordneter Dr. Kier das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage:

159/M

Was werden Sie unternehmen, damit in Zukunft Bescheide in Ausländerangelegenheiten nicht mehr im Akkord unter Zuhilfenahme von Textbausteinen erlassen werden, wie dies seit einer Dienstanweisung vom 29. Feber 1996 der Fall ist, sondern erst nach gründlicher Prüfung und durch rechtskundige Organe?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir werden heute ohnehin noch Gelegenheit haben, dieses Thema im Rahmen einer Dringlichen Anfrage ausführlich zu behandeln. Trotzdem möchte ich ganz kurz auf Ihre Frage eingehen und versuchen, sie aus meiner Sicht zu beantworten.

Vorweg möchte ich sagen, Herr Abgeordneter, daß mir bewußt ist, wie sensibel diese Frage ist und wie notwendig und wichtig es ist, in diesem Bereich Entscheidungen zu treffen, die klar, transparent und herzeigbar sind. In diesem Bereich werden Beschlüsse gefaßt, die das Leben sowohl von ausländischen Mitbürgern als auch von Österreichern nachhaltig beeinflussen. Es ist daher eines der wesentlichsten und wichtigsten Prinzipien, daß im Bereich des Fremdenwesens der Vollzug nach humanen Gesichtspunkten stattfinden soll.

Gleichzeitig muß einem aber auch bewußt sein, daß es in Österreich in Zukunft wahrscheinlich nur noch begrenzte, beschränkte Aufnahmemöglichkeiten für neue Mitbürger geben kann. Deshalb war für mich die Rechtssicherheit für ausländische Mitbürger, für Asylwerber, für Menschen, die sich im Bereich des Aufenthaltsrechtes bewegen, im Zusammenhang mit dem neuen Integrationspaket ein zentrales Anliegen, und ich glaube, daß es sehr gut gelungen ist, diese durch das Integrationspaket herzustellen.

Ich darf darauf hinweisen – das erscheint mir auch als sehr wichtig, Herr Abgeordneter –, daß es im Bereich des Innenministeriums so wie in vielen anderen Ministerien eine Vielzahl von Er


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lässen gibt, die pro Jahr verabschiedet werden. Aufgrund Ihrer Anfrage habe ich erheben lassen, wie viele Erlässe es im Innenministerium seit dem 1. Jänner 1996 gegeben hat: Vom 1. Jänner 1996 bis zum 18. September 1997 sind 1 526 Erlässe ergangen. Und diese 1 526 Erlässe haben eine Gesamtseitenanzahl von 12 372. Von diesen Erlässen sind rund 300 dem Innenminister – früher Caspar Einem und jetzt mir – direkt zur Kenntnis gelangt. Das bedeutet, um sich dessen bewußt zu sein, daß ein Minister zwar für alles verantwortlich ist, aber nicht immer alles wissen kann, noch dazu, wenn es sich um einen internen Erlaß handelt, wie in diesem Fall.

Die Gründe dafür sind auch schon dargelegt worden. Es gab in den Jahren 1995 und 1996 einen gigantischen Anfall von Berufungen im Aufenthaltswesen. Es waren dies einige Monate lang mehr als 2 000. Die Zahl ist in der Zwischenzeit zum Glück sehr stark gesunken, derzeit gibt es rund 500 bis 600, und daher ist es in der jetzigen Situation nicht notwendig, daß in diesem Bereich nach den damaligen Grundsätzen gearbeitet wird. Es wird auch kaum noch so durchgeführt.

Mein Ziel ist es, zu erreichen, daß wir möglichst wenig Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof haben. Ich bin überzeugt davon, daß aufgrund des neuen Integrationspaketes, des neuen Fremdenrechtes, das große Vorteile und hohe Rechtssicherheit bringt, nicht mehr Berufungen in diesem Ausmaß eingebracht werden werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich habe Ihre Ausführungen mit Interesse zur Kenntnis genommen, möchte Sie aber jetzt in Ergänzung dazu fragen: Ich gehe davon aus, daß Ihnen der Erlaß nicht in der vollen Transparenz bekannt war, das ist auch völlig plausibel, aber haben Sie, seit Sie ihn kennen – es handelt sich bei diesem Erlaß letztlich immerhin um die Anweisung zu einem Dauerdelikt –, unmittelbar veranlaßt, daß dieser Erlaß aufgehoben wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich habe Ihnen am Anfang nicht zugehört, und zwar deswegen, weil ich gerade darüber informiert wurde, daß angeblich die Dringliche, die die Liberalen möglicherweise einbringen werden, nicht stattfinden wird, weil es eine andere Dringliche Anfrage gibt. Ich darf Ihnen aber versichern, daß Sie, da ich bereits gestern von Ihnen den Inhalt der Dringlichen Anfrage bekommen habe und sie gerade von meinen Mitarbeitern bearbeitet wird, unabhängig davon, ob diese Dringliche heute aufgerufen wird oder nicht, noch heute die Beantwortung Ihrer Dringlichen Anfrage schriftlich von mir bekommen werden (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen), weil es für mich wichtig ist, die Fragen, die von Ihnen aufgeworfen werden, klar zu beantworten. Es geht einfach darum, daß hier nichts unter den Tisch gekehrt wird.

Ich glaube, daß von allen Beamtinnen und Beamten des Innenressorts gerade in diesem Bereich sehr genau gearbeitet worden ist. Selbstverständlich passieren Fehler, aber überall dort, wo Fehler passieren, sollen diese Fehler auch aufgezeigt und korrigiert werden.

Weiters gehe ich davon aus, daß es in den kommenden Wochen nicht mehr notwendig sein wird, Berufungsbescheide nach diesen Kriterien zu bearbeiten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit keine Unklarheit entsteht: Es kann an einem Tag nicht zwei Dringliche geben. Eine ist bereits eingebracht, und daher wird jene der liberalen Fraktion heute nicht eingebracht werden. Eine Korrespondenz zwischen dem Minister und dem Liberalen Klub über dieses Thema ist selbstverständlich möglich.

Zusatzfrage: Matthias Achs, bitte.


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Abgeordneter Matthias Achs
(SPÖ): Herr Bundesminister! Welche Behörden werden sich nach dem Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes mit der Beurteilung von Asylansuchen befassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Das neue Asylrecht tritt mit 1. Jänner 1998 in Kraft, und es sieht für Asylsuchende deutliche Veränderungen im Bereich der Behördenstruktur vor. Die erste Instanz, die sich mit Asylansuchen befaßt, bleibt so wie bisher das Bundesasylamt, und das Bundesasylamt ist eine nachgeordnete Dienststelle des Innenministeriums.

Bei den Gesprächen über das neue Asylrecht war es für mich wichtig, eine zweite unabhängige Instanz im Asylverfahren zu schaffen, und diese zweite unabhängige Instanz ist nicht mehr so wie bisher im Innenministerium angesiedelt, sondern es wurde ein eigener Bundesasylsenat geschaffen, der sich im Falle von Berufungen mit Bescheiden der ersten Instanz befaßt. Dieser Senat wird als ausgegliederte Dienststelle des Bundeskanzleramtes eingerichtet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Kollegin Madl, bitte.

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Bundesminister! In Ausländerangelegenheiten ist es im Bereich der Schubhäftlinge einerseits durch die Überlastung des Behördenapparates, andererseits aber auch durch die gesetzliche Grundlage dazu gekommen, daß unsere Haftanstalten durch die Schubhäftlinge überlastet und überfüllt sind. Sie planen jetzt, in jedem Bundesland entweder eine neue Haftanstalt zu bauen oder schon vorhandene Gebäude für diesen Zweck adaptieren zu lassen. Wäre es nicht besser, Herr Bundesminister, wenn Sie sich im Ministerrat dahin gehend durchsetzten, dem Hohen Haus eine Regierungsvorlage vorzulegen, die es Österreich ermöglicht, kriminelle Ausländer schneller als bisher in ihr Heimatland zurückzuführen, anstatt teure Gefängnisse zu bauen oder zu adaptieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Mir ist bewußt, daß es gerade im Bereich der Schubhaftanstalten notwendig ist, Veränderungen durchzuführen. Ich habe nicht vor, in jedem Bundesland eine neue Schubhaftanstalt zu errichten, glaube aber, daß wir zuwenig Schubhaftplätze haben. Das wurde auch von Ihrer Partei kritisiert, und zwar nicht zu Unrecht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schon seit fünf Jahren!) Ich sehe das auch so, und ich streite das auch nicht ab, das ist Faktum.

Wir wollen daher im Bundesland Vorarlberg zusätzliche Schubhaftplätze schaffen, und zwar im Bereich Bludenz. Sie befinden sich derzeit gerade im Bau und werden mit Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres fertiggestellt. In Salzburg befinden wir uns im Stadium der Planung mit dem Ziel, 50 neue Schubhaftplätze zu errichten. Und ich würde gerne in Niederösterreich für die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland zirka 150 zusätzliche Schubhaftplätze schaffen. Es gibt konkrete Verhandlungen, diese im Bereich des Flughafens Schwechat zu errichten. (Abg. Dr. Khol: Und in Tirol?) In Tirol sind vorerst keine Maßnahmen geplant, Herr Abgeordneter Khol (Zwischenruf des Abg. Böhacker ), weil das Bundesland Tirol durch die Aufstockung in Bludenz und durch die Aufstockung in Salzburg einigermaßen gut betreut wird.

Ich war jetzt unhöflich, weil ich nicht weiter auf Ihre Frage, Frau Abgeordnete, eingegangen bin, sondern mich von einem Mann habe ablenken lasse; das passiert mir nicht mehr.

Im Zusammenhang mit der Abschiebung haben wir Probleme, Frau Abgeordnete, weil es Länder gibt, die Menschen, die illegal in unser Land gekommen sind und von uns abgeschoben werden sollen, nicht mehr aufnehmen, beziehungsweise weil es zum Teil sehr schwierig ist, zu eruieren, wohin diese Menschen abgeschoben werden sollen, weil sie keine Dokumente haben, da die Dokumente entweder auf der Flucht verlorengegangen sind oder weil sie selbst die Dokumente absichtlich haben verlorengehen lassen, um es so auszudrücken. Für uns ist es sehr schwierig, diese Menschen abzuschieben, da wir nicht wissen, wohin. Deshalb ist es aus


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meiner Sicht wichtig, daß wir mit möglichst vielen Staaten Schubabkommen treffen, vor allem mit unseren Nachbarländern, und auch erreichen, daß diese Abkommen wirklich eingehalten werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Kiss, bitte.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich komme wieder auf die ursprüngliche Frage des Liberalen Forums zurück. Ein Vorwurf des Liberalen Forums geht in Richtung der Qualitätskontrolle. Es wird damit argumentiert, daß Juristen die einzigen seien, die Berufungsbescheide bearbeiten können, B-Beamte wären dazu eher nicht in der Lage.

Herr Bundesminister! Gibt es signifikante Unterschiede bei der Zahl der Aufhebung der Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof dahin gehend, ob es sich um Bescheide von Juristen oder von B-Beamten handelt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Wir haben in dieser Abteilung – ich hoffe, ich sage jetzt die richtige Zahl – 23 Referenten, die sich damit beschäftigen, davon sind 7 oder 8 Juristen, also Akademiker, und der Rest B-Beamte. Es ist so, daß es bei allen Fällen notwendig und wichtig ist, daß die Bescheide der B-Beamten auch überprüft und kontrolliert werden, und das geschieht, wie mir mitgeteilt worden ist, bis auf einige wenige Routinefälle in der Regel. Ich kann daher keinen Unterschied zwischen jenen Bescheiden, die ausschließlich von Juristen, und jenen, die ausschließlich von B-Beamten erstellt werden, erkennen, weil ich davon ausgehe, daß diese Bescheide im nachhinein noch einmal überprüft und kontrolliert werden.

Ich habe mir heraussuchen lassen, welche Entscheidungen der Verwaltungsgerichtshof im Jahre 1996 aufgehoben hat. Im Jahre 1996 hat der Verwaltungsgerichtshof insgesamt 1 672 Bescheide bearbeitet, davon wurden 790 Beschwerden aus unterschiedlichen formalen Gründen zurückgewiesen, 446 Bescheide des Innenministeriums wurden vom Verwaltungsgerichtshof behoben, und 436 Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Geschätzter Herr Bundesminister! Gerüchteweise haben wir gehört und gelesen, daß die Absicht besteht, jemanden als Vorsitzenden des Bundesasylsenates zu bestellen, der bisher in Asylangelegenheiten keine Erfahrung hat. Ich möchte Sie daher jetzt fragen und gleichzeitig bitten, ob Sie als der bisher Ressortzuständige für Asylangelegenheiten nicht Ihren Einfluß geltend machen könnten, ob Sie sich nicht kraft Ihres Amtes und Ihrer Möglichkeiten dafür einsetzen könnten, daß auf jeden Fall jemand, bei dem das Kriterium der Erfahrung und bisherigen Arbeit in diesem Bereich und vor allem der Unabhängigkeit gewahrt ist, bestellt wird, und daß die Bestellung nach diesen Kriterien erfolgt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Geschätzte Frau Abgeordnete! Sie stellen mir jetzt eine Frage, die nicht in meiner Kompetenz liegt. Ich bin sehr froh darüber, daß sie nicht in meiner Kompetenz ist. Es war von mir im Zusammenhang mit dem Integrationspaket so gewollt, daß der Innenminister in der Frage der Bestellung des Bundesasylsenates keine Kompetenz hat. Ich halte es auch nicht für sinnvoll, nicht für notwendig und nicht für richtig, wenn sich der Bundesminister für Inneres in dieser Frage einmischt. Ich sage Ihnen, daß ich nicht einmal alle namentlich kenne, die sich für den Vorsitz des Bundesasylsenates beziehungsweise für die Stellvertretung beworben haben.

Ich gehe davon aus, daß das zuständige Bundeskanzleramt nach objektiven Kriterien vorgeht und diese Funktion mit dem bestmöglichen Mann oder der bestmöglichen Frau besetzen wird. Mir ist bewußt, daß das ein sehr wichtiger Senat ist und daß es verschiedener Qualitäten und Qualifikationen bedarf. Es bedarf nicht nur der von Ihnen angeführten Qualifikationen, sondern


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meiner Meinung nach auch der Qualifikation eines guten Managers oder einer guten Managerin, da der Bundesasylsenat neu aufgebaut werden muß, und dazu sind umfangreiche Arbeiten erforderlich. Das bedeutet, die Arbeit als Vorsitzender des Bundesasylsenates ist eine echte Herausforderung und kann von einem Mann oder einer Frau geleistet werden, die in vielen Bereichen Erfahrung und eine hohe Qualifikation hat. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir diesen Fragenkomplex abgeschlossen.

Wir kommen zur Frage 155/M. Herr Abgeordneter Leikam ist am Wort. – Bitte.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

155/M

Wie geht es mit der Unterstützungsaktion für bosnische Flüchtlinge in Zukunft weiter?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.


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Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl:
Herr Abgeordneter! Ich möchte ganz kurz antworten, aber trotzdem eingangs festhalten, daß Österreich gerade die Betreuung der bosnischen Kriegsflüchtlinge betreffend enormes geleistet hat, was von allen anerkannt wird, auch vom UNHCR, sodaß Österreich gegenüber vielen anderen Staaten Vorbildwirkung hat.

Wir haben an die 95 000 bosnische Kriegsflüchtlinge aufgenommen, davon sind rund 60 000 in Österreich integriert, mit Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Zirka 10 000 bis 13 000 bosnische Kriegsflüchtlinge sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, 7 000 bis 8 000 sind in andere Staaten weitergereist, und derzeit haben wir nicht ganz 7 000 bosnische Kriegsflüchtlinge, die sich nach wie vor in der Bund/Länder-Aktion befinden. Diese Bund/Länder-Aktion ist mit 31. Juli 1998 begrenzt. Bis dahin werden diese bosnischen Kriegsflüchtlinge von uns betreut und auch unterstützt.

Wir haben einen eigenen Katalog von Kriterien erstellt, die meiner Meinung nach sehr weit gefaßt sind. Mein erklärtes Ziel ist es, gemeinsam mit den Ländern für diese knapp 7 000 bosnischen Kriegsflüchtlinge bis 31. Juli 1998 eine endgültige humane und vernünftige Lösung zu finden.

Wie wird diese aussehen? – Ein Teil der bosnischen Kriegsflüchtlinge wird – was ich für richtig und gut halte – möglicherweise in seine Heimat zurückkehren. Der Großteil von ihnen wird das allerdings nicht tun können, weil viele entweder krank oder pflegebedürftig sind oder aus einem Gebiet kommen, wo sie nun ethnisch in der Minderheit sind. Diese Menschen müssen in Österreich, soweit es möglich ist, in die Arbeitswelt integriert werden. Jenen, bei denen es aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht möglich ist, muß aus humanitären Gründen ein endgültiger Aufenthalt in Österreich gewährt werden. Die Gespräche mit den Ländern laufen gut, und ich bin davon überzeugt, daß uns das gelingen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Kollege Leikam, bitte.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Auch ich habe den Eindruck, daß Österreich, die österreichische Bevölkerung, aber auch die österreichische Bundesregierung, was die Bosnienflüchtlinge betrifft, große, eigentlich gewaltige Hilfe geleistet hat. Ich möchte nur die Aktion "Nachbar in Not" nennen. Trotzdem hat eine Abgeordnete einer kleinen Oppositionspartei Ihnen, Herr Bundesminister, in den letzten Wochen vorgeworfen, daß Sie Massenabschiebungen nach Bosnien vornehmen wollen.

Daher noch einmal meine Frage: Welche Maßnahmen hat Österreich im Rahmen des Rückkehr-Hilfsprogrammes für bosnische Flüchtlinge gesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Gerade in dieser Frage ist es mein Ziel, kein Öl ins Feuer zu gießen, sondern klarzustellen, daß wir in Österreich bisher keinen einzigen bosnischen Kriegsflüchtling abgeschoben haben. Auch jene von der einen oder anderen Seite bereits genannten Horrorzahlen, wonach 4 000 bosnischen Kriegsflüchtlingen in den nächsten Wochen und Monaten die Abschiebung drohe, entbehren jeder Grundlage. Von der österreichischen Bundesregierung und auch von mir ist immer klar festgestellt worden, daß das nicht beabsichtigt ist, politisch falsch und auch inhuman wäre.

Ich glaube, daß Österreich sehr viel geleistet hat, um bosnischen Kriegsflüchtlingen, die in unsere Heimat gekommen sind, wieder die Möglichkeit zur Rückkehr zu geben. Und die bosnischen Kriegsflüchtlinge wollen das auch! Es ist nicht so, daß ein Großteil dieser Flüchtlinge in unserem Land bleiben will, sondern es gibt, wie auch Umfragen zeigen, sehr viele unter ihnen, die wieder zurückkehren wollen, was für mich auch verständlich ist.

Ich kann Ihnen mitteilen, daß der österreichische Staat seit Beginn dieser Aktion im Jahr 1992 nahezu 4,6 Milliarden Schilling, also einen meiner Ansicht nach sehr großen Geldbetrag, für die Betreuung, Hilfe und Unterstützung der bosnischen Kriegsflüchtlinge ausgegeben hat. Allein seit Anfang April dieses Jahres haben knapp 1 600 Personen eine finanzielle Rückkehrhilfe von rund 9 000 S pro Person erhalten.

Wir haben eine Reihe von Rückkehrhilfeprojekten gefördert und unterstützt. Es wurde in Sarajevo für zwei Jahre ein eigener Rückkehrbeauftragter des Innenministeriums bestellt, der die Aufgabe hat, die Rückkehr vor Ort zu koordinieren und eine enge Zusammenarbeit mit den nichtstaatlichen Organisationen, vor allem Caritas und Volkshilfe, aber auch vielen anderen Organisationen, zu realisieren. Wir haben das Projekt "100 Häuser" gestartet, durch das Wohnungen und Häuser in Bosnien, vor allem in Zentralbosnien, bewohnbar gemacht werden sollen, und gemeinsam mit dem Land Tirol, Herr Abgeordneter Khol, das Projekt "Bürglkopf" durchgeführt.

Wir haben auch versucht, bosnischen Kriegsflüchtlingen eine zusätzliche Berufsausbildung zu geben, damit sie in ihrer Heimat wieder leichter integriert werden können. Und wir haben gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt vor, in Bosnien ein Altenheim zu errichten beziehungsweise zu sanieren. – Der österreichische Staat hat also meiner Meinung nach in dieser Frage sehr viel geleistet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Frau Kollegin Rossmann.

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Werter Herr Minister! Die Steiermark hat im Jahr 1997 die höchste Ausländerfamilienzuzugsquote von Österreich, und zwar dreimal mehr als Oberösterreich, viermal mehr als Salzburg, fünfmal mehr als Kärnten, dreimal mehr als Tirol, achtmal mehr als Vorarlberg und – im Verhältnis zur Bevölkerungsdichte – sogar um 20 Prozent mehr als Wien.

Wie erklären Sie sich, daß ausgerechnet die Steiermark die höchste Ausländerzuzugsquote hat, und auf wessen Wunsch wurde diese Quote festgelegt? (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Meinen Sie das Jahr 1997? Im Jahre 1997 hat es nach der Verordnung, also nach dem Aufenthaltsgesetz, eine Zuzugsquote von 17 320 Menschen für ganz Österreich gegeben. Die Steiermark kann 3 850 dieser 17 320 Menschen den Neuzuzug ermöglichen. Diese Zahl gliedert sich folgendermaßen auf: 200 Schlüsselarbeitskräfte, 2 300 Familiennachzug, 400 Studenten sowie 950 Schüler, Private, Pensionisten und diverse andere Erwerbstätige. – Ich halte diese Quote im Vergleich zu anderen Bundesländern für nicht allzu hoch, wenn ich etwa daran denke, daß Wien eine Zuzugsquote von 5 400 hat. Im Vergleich zu Niederösterreich ... (Abg. Rossmann: Familienzuzug!) Ich habe zwar die damaligen Verhandlungen nicht geführt, das war noch mein Vorgänger,


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aber ich nehme an, daß das der Wunsch des Landes Steiermark gewesen ist. (Abg. Rossmann: In der Steiermark weiß niemand etwas davon!)

Frau Abgeordnete! Tatsache ist, daß die Zuwanderungsquote vom Bundesministerium für Inneres und den betroffenen Ländern gemeinsam erarbeitet und erstellt wird. Für das Jahr 1998 gibt es derzeit gerade Verhandlungen zwischen dem Bundesministerium und den neun Bundesländern, und ich gehe davon aus, daß das auch im Jahre 1997 in diesem Bereich so der Fall gewesen ist, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß wir im Innenministerium gegen den Willen des Landes Steiermark eine bestimmte Zuwanderungsquote festgelegt haben. Im Gegenteil, wir haben Interesse daran, in der nächsten Zukunft die Zuwanderungsquote so festzulegen, daß jene Bundesländer, in denen ein hoher Bedarf an Familienzusammenführung besteht, stärker beteilt werden als jene, in denen es einen niedrigeren Bedarf gibt. Einen hohen Bedarf gibt es ohne Zweifel in Wien, in Niederösterreich und in Vorarlberg.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Zusatzfrage? – Kollege Dr. Puttinger.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie sehen Sie die Situation jener Bosnier, die die Unterstützungsaktion nicht in Anspruch genommen haben? Sind sie hinsichtlich Arbeitsplatz, Wohnungsmarkt und so weiter sozial integriert, beziehungsweise sind – Sie haben selbst angegeben, daß bereits sehr große Mittel aufgebracht worden sind – entsprechende Mittel für deren Vollintegration auch in Zukunft vorgesehen?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Wenn Sie jene knapp 7 000 Flüchtlinge meinen, die jetzt noch in der ... (Abg. Dr. Puttinger: Alle, die sich in Österreich befinden!)

Es gibt in Österreich derzeit rund 70 000 bosnische Kriegsflüchtlinge, davon sind noch 7 000 in der Bund-Länder-Aktion, die bis 31. Juli 1998 läuft. Bis dahin soll für diese 7 000 Menschen eine vernünftige und humane Lösung gefunden werden.

Darüber hinaus gibt es rund 60 000 Flüchtlinge, die in den letzten Jahren integriert worden sind. Von diesen 60 000 haben rund 32 000 nicht nur das Aufenthaltsrecht, sondern auch eine Arbeitsbewilligung, und ich halte die Arbeitsbewilligung neben der Kenntnis der Sprache und anderen Dingen für das beste Mittel, in einem Land integriert zu werden. Für diese 60 000 Menschen besteht die Möglichkeit, auch in Zukunft in unserem Land zu bleiben. (Abg. Dr. Khol: Sehr gut!) Ich gehe davon aus, daß die Integration, soweit wie nötig, auch klappen wird. Natürlich wird es auch unter diesen 60 000 bereits Integrierten eine Reihe von Menschen geben, die in den nächsten Jahren wieder in ihr Land zurückkehren wollen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Frau Kollegin Stoisits.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Noch hat es selbstverständlich keine Massenabschiebungen von bosnischen Kriegsflüchtlingen gegeben, denn die Verordnung hat ihnen bis zum 1. September dieses Jahres Schutz geboten.

Nun haben wir allerdings eine neue Situation! Erlauben Sie, daß ich Ihnen eine Frage stelle und Sie gleichzeitig korrigiere, denn der UNHCR hat mitnichten Ihre Vorgangsweise gebilligt, sondern ganz im Gegenteil heftige Kritik an der Verordnung geübt, weil die schutzwürdigen Gruppen von Ihnen nicht nach den Wünschen des UNHCR definiert wurden! Das ist das erste. (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Frage!)

Zweitens: Was passiert zum Beispiel mit Bosniern, die in Österreich leben und inzwischen vielleicht auch einen Arbeitsplatz bekommen haben, diesen aber, aus welchen Gründen auch immer, verlieren und deshalb keine Aufenthaltsbewilligung mehr bekommen, jedoch aus einem sozusagen "ethnisch falschen" Gebiet Bosniens stammen? Was ist die Rechtsgrundlage, auf der ... (Abg. Dr. Maitz: Wortmeldung!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Eine Frage, das steht in der Geschäftsordnung. (Abg. Haigermoser: Geschäftsordnung lernen!) Also was passiert mit diesen Flüchtlingen, nachdem ... (Abg. Mag. Stoisits: Ich glaube, er hat sie verstanden!) Gut! Herr Bundesminister! Ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wer hat jetzt die Frage gestellt – der Herr Präsident oder die Frau Abgeordnete? Ich bin gerne bereit zu antworten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Frau Abgeordnete hat die Frage gestellt, und ich habe sie zusammengefaßt. (Beifall bei den Grünen.)

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Gut. Frau Abgeordnete! Ich möchte zunächst zurückweisen, daß der UNHCR ... (Abg. Dr. Khol: Als Mitglied des Arbeiter Samariter Bundes hat er ihr Hilfe geleistet!) Herr Abgeordneter! Ich bin auch Mitglied des Samariter Bundes.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Stoisits wird das anders empfunden haben. Hauptsache ist aber, der Herr Minister antwortet jetzt.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ja. Frau Abgeordnete! (Abg. Haigermoser  – zu der mittlerweile wieder auf ihrem Platz sitzenden Abg. Mag. Stoisits –: Aufstehen! Das ist unhöflich! Die Antwort muß immer stehend angenommen werden! Der Minister steht ja auch! – Abg. Mag. Trattner: Auch Damen können höflich sein! – Abg. Haigermoser: Was hat Ihnen der Minister getan? Aber von Benimm haben die Grünen noch nie etwas gehört!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte! Am Wort ist nun der Herr Bundesminister, und ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Ich möchte noch einmal betonen, daß die Kriterien der Schutzbedürftigkeit mit dem UNHCR abgeklärt worden sind und daß von seiten des UNHCR große Zustimmung zu diesen Kriterien und zu dieser Wertung gekommen ist.

Welche Menschen sind schutzbedürftig? – Es sind dies Menschen, die in ihrem bisherigen Heimatort nunmehr zu einer ethnischen Minderheit gehören, Menschen, die alt sind und keinen eigenen Lebensunterhalt haben, schwerkranke, traumatisierte Personen in medizinischer Behandlung, Lehrlinge, Schüler aus berufsbildenden Schulen und Studenten für die Dauer ihrer Ausbildung, gemischt ethnische Familien und Zeugen beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Das heißt, daß wir die Kriterien sehr weit gefaßt haben. Das wurde auch von seiten des UNHCR unterstützt.

Das, was Sie immer kritisieren, daß nämlich Frauen, die Schreckliches in diesem Krieg erlebt haben, für uns nicht schutzbedürftig seien, stimmt nicht. Frauen, die vergewaltigt worden sind, zählen sehr wohl zur schutzbedürftigen Gruppe. Wir haben damit die Anregungen des UNHCR nachvollzogen. Deshalb sehe ich in dieser Frage kein Problem.

Mit 31. August ausgelaufen ist lediglich die Unterstützungsaktion für 870 Menschen. Diese 870 Menschen haben von uns den Hinweis bekommen, daß sie in Zukunft nicht mehr unterstützt werden. Wir werden aber jeden einzelnen Fall nochmals genau überprüfen, sodaß es keine Härtefälle gibt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Da wir dieses Problem bereits ausführlich erörtert haben, spitze ich es auf eine ganz kurze Frage zu.

Wenn es Kriterien für eine Unterstützung gibt, dann gibt es auch Leute, die nicht unter diese Kriterien fallen. Was passiert mit diesen Menschen? Dürfen sie noch ein bißchen bleiben, oder müssen sie Österreich sofort verlassen? Das ist die zentrale Frage.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich habe das bereits beantwortet, indem ich gesagt habe, daß es sich um rund 870 Menschen handelt, die von uns die Mitteilung bekommen haben, daß sie nicht unter diese Kriterien fallen und nicht mehr unterstützt werden. Diese Personen haben nun eine gewisse Zeit, dieses Land zu verlassen beziehungsweise zu erreichen, in der einen oder anderen Form doch noch in Österreich integriert zu werden. Bei jenen Menschen, die nach einem bestimmten Zeitpunkt noch immer in unserem Land sind, wird man die Gründe, warum sie nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten, nochmals überprüfen und danach eine endgültige Entscheidung treffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist dieser Fragenkomplex durchdiskutiert.

Herr Abgeordneter Anschober stellt die Frage 160/M.

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

160/M

Welches inhaltliche Konzept liegt der in Traiskirchen geplanten Sicherheitsakademie zugrunde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Sicherheitsakademie soll eine neue Qualität der Bildung bringen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsexekutive bestens aus- und fortbilden.

Ich möchte dieser Akademie mittelfristig den Status einer Fachhochschule für die österreichische Exekutive geben. Die Sicherheitsakademie hat vor allem die Aufgabe, die Führungskräfte innerhalb der österreichischen Exekutive besser und intensiver auszubilden und den Zugang zu einer Offizierslaufbahn zu ermöglichen. Ziel ist es, durch eine hohe Qualifikation eine weitgehende Durchlässigkeit in der österreichischen Exekutive zu ermöglichen, damit nach Absolvierung der entsprechenden Ausbildungslehrgänge an der Sicherheitsakademie auch ein Polizist oder Gendarm bis zum Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit aufsteigen kann. Ich bin überzeugt davon, daß durch eine derartige Durchlässigkeit auch eine zusätzliche Motivation im Bereich der österreichischen Exekutive entstehen wird.

Die österreichische Sicherheitsakademie soll aber nicht nur das Ziel haben, die Führungskräfte gut auszubilden, sondern soll auch wissenschaftliche Symposien und Seminare veranstalten, damit es zu einem Meinungsaustausch und entsprechenden internationalen Kontakten kommt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Bundesminister! Es liegen für diese Sicherheitsakademie einige sehr vorbildliche Rahmenkonzepte und Detailvorschläge von Professoren vor, etwa von Steinert und Pelinka.

Ist in diesem Sinne geplant (Abg. Dr. Khol  – lachend –: Nein! Hoffentlich nicht!) , die Sicherheitsakademie auch zu einer wissenschaftlichen Forschungsstätte zu machen, in der vor allem neue Konfliktlösungsstrategien in neuen Problembereichen, wie steigende Gewalt, Rechtsextremismus et cetera, erarbeitet werden? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Herr Pelinka ist dafür der geeignete!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Es liegen mir eine Reihe von Konzepten vor. Ich werde in den nächsten Wochen den Mitgliedern des Innenausschusses die entsprechenden Unterlagen und auch das Konzept des Innenministeriums zur Verfügung stellen.


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Natürlich soll die Sicherheitsakademie eine Einrichtung sein, die über den Tellerrand hinaus denkt, Visionen und Perspektiven erarbeitet, sich aber auch grundsätzlich mit Sicherheitsfragen beschäftigt, wie mit den verschiedenen Formen der Kriminalität, von der organisierten Kriminalität bis zu Formen des Rechts- und Linksextremismus – Dinge, mit denen man sich in einer Sicherheitsakademie sehr wohl wissenschaftlich auseinandersetzen sollte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Kollege Peter.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich gratuliere Ihnen zur Idee der Sicherheitsakademie. Das ist sicher ein großer Fortschritt in der Ausbildung der Sicherheitsfachkräfte. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Für mich stellt sich die Frage: Welche Ansätze für die Weiterbildung im Sinne des lebenslangen Lernens, der Weiterbildung der Sicherheitsorgane haben Sie in der Sicherheitsakademie vorgesehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Am Konzept der Sicherheitsakademie wurde bereits unter meinem Vorvorgänger, Dr. Löschnak, gearbeitet. Dieses ist in den letzten Wochen und Monaten reaktiviert worden, was ich für sehr notwendig und wichtig erachte.

Das lebenslange Lernen ist für alle Berufsgruppen sehr wichtig und notwendig. Gerade im Bereich der österreichischen Sicherheitsexekutive soll es meiner Meinung nach ein wesentlicher Bestandteil werden. Wir werden im Konzept für die Sicherheitsakademie und für die Ausbildung unserer Beamten auf diesen Bereich großes Augenmerk legen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gaál, bitte.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie wird sich die Führungskräfteausbildung der Exekutive durch die Errichtung einer Sicherheitsakademie entwickeln?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Es scheint mir zweckmäßig zu sein, alle berufsbegleitenden Fortbildungslehrgänge und -seminare des Innenministeriums gut zu koordinieren. An der Sicherheitsakademie soll die Führungskräfteausbildung für Funktionsträger im höheren Management der Sicherheitsexekutive durchgeführt werden.

Inhaltliche Ziele dieser Ausbildung sollten sein: eine praxisbezogene, an wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden orientierte Berufsausbildung, Wissensvermittlung über die sozialen und menschlichen Kompetenzen und Qualitäten von Führungskräften sowie die Impulse für leitende Beamte, Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung des Personals zu ergreifen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Mentil, bitte.

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Laut Parlamentskorrespondenz vom 13. März 1997, Nummer 153, hätte die Tätigkeit der Sicherheitsakademie beziehungsweise der erste Führungskräftelehrgang im Sommer 1997 beginnen sollen.

Wie ist der Stand der Dinge? Wie weit sind Sie mit dieser Sicherheitsakademie, was Baufortschritte et cetera betrifft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Der Baufortschritt der Sicherheitsakademie hat sich bisher darauf beschränkt, daß im Jahre 1994 der Spatenstich in Traiskirchen erfolgt ist. Seitdem hat es keine weiteren Baufortschritte gegeben.


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Unmittelbar nachdem ich Innenminister geworden bin, habe ich mich mit diesem Problem beschäftigt. Ich habe nun bereits mündlich die Zustimmung des Finanzministeriums, daß diese Sicherheitsakademie gebaut werden kann. Ich hoffe, daß ich die schriftliche Zusicherung in den nächsten Tagen bekommen werde, sodaß ich die Bundesimmobiliengesellschaft mit der Planung beauftragen kann. Weiters hoffe ich, daß der Baubeginn noch im Jahre 1998 stattfinden wird, sodaß realistischerweise die Kurse der Sicherheitsakademie im Jahre 2000 beginnen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Walter Murauer, bitte.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Wir sind uns dahin gehend einig, daß die Errichtung der Sicherheitsakademie eine sehr wichtige und dringliche Aufgabe im Sinne der Ausbildung unserer Exekutive ist. Sie haben soeben von der Ausbildung der Führungskräfte gesprochen. Unser Anliegen – das Anliegen der ÖVP und auch meines – ist es, dort nicht nur eine Führungselite auszubilden, sondern im Sinne einer Harmonisierung der Ausbildungspläne aller Lehrgänge den Zugang für alle Exekutivbeamten offenzuhalten und auch die Zugangskriterien zu objektivieren.

Mich würde interessieren, wie Sie das sicherstellen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wenn Sie in Ihrer Frage die Durchlässigkeit meinen, Herr Abgeordneter, dann möchte ich sagen, daß die Durchlässigkeit ein wichtiges Anliegen ist. Sie ist auch ein Anliegen des Innenministers, das sowohl vom Innenministerium als auch von einer Reihe politischer Parteien bereits klar als politisches Bekenntnis formuliert worden ist. Ich nehme an, daß beim inhaltlichen Konzept der Sicherheitsakademie die Durchlässigkeit notwendig sein wird.

Was den Zugang betrifft, gehe ich davon aus, daß jeder, der in der österreichischen Exekutive Interesse daran hat, auch die Möglichkeit haben soll, die Sicherheitsakademie zu besuchen. Es kann natürlich nur eine bestimmte Personenanzahl an den Kursen teilnehmen. Da muß man sich gemeinsam Kriterien überlegen. Diesbezüglich habe ich noch keine konkreten Vorstellungen. Ich bin aber gerne bereit, Vorstellungen von politischen Parteien und Abgeordneten in das Konzept aufzunehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Die 60 Minuten der Fragestunde sind ausgeschöpft. Die Fragestunde ist beendet. Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die im Sitzungssaal gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit (843 der Beilagen),

Antrag 558/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Bundessozialhilfegesetz,


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Antrag 559/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Erstellung von Berechnungsgrundlagen zur Finanzierung einer Grundsicherung;

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 561/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Ausbau der finanziellen Mittel für das Internationale Kriegsverbrecher-Tribunal für Ex-Jugoslawien;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (845 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden (846 der Beilagen),

Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft (848 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (849 der Beilagen);

Geschäftsordnungsausschuß:

Antrag 562/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird;

Gleichbehandlungsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (842 der Beilagen);

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Antrag 563/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen;

Justizausschuß:

Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 – GenRevRÄG 1997 (840 der Beilagen),

Antrag 557/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Neuregelung der gesetzlichen Bestimmungen zur Sterilisation Minderjähriger, geistig behinderter oder psychisch kranker Menschen;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 560/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Einführung einer "Geschlechterbewußten Koedukation";

Verkehrsausschuß:

Antrag 556/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Maßnahmenpaket zur Vermeidung einer Transitlawine als Folge der verzögerten Installation der elektronischen Ökopunktekontrolle;

Wirtschaftsausschuß:

Artenhandelsgesetz – ArtHG (839 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):


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Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-98 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß die Abgeordneten Gradwohl und Genossen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 2925/J der Abgeordneten Gradwohl und Genossen an die Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Maßnahmen der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz zur Erlassung und weiteren Aufrechterhaltung eines wirksamen Importverbots für Gentechnik-Mais dringlich zu behandeln.

Im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: In diesem Zusammenhang teile ich weiters mit, daß Herr Abgeordneter Anschober beantragt hat, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 556/A (E) betreffend Maßnahmenpaket zur Vermeidung einer Transitlawine als Folge der verzögerten Installation der elektronischen Ökopunktekontrolle eine Frist bis zum 7. Oktober 1997 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten der heutigen Tagesordnung erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockredezeit von 8 Stunden vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit hat das Hohe Haus diesen Vorschlag genehmigt.

1. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1995 der Bundesregierung (III-66/732 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Vorschlag auf mündliche Berichterstattung liegt nicht vor. Damit gehen wir sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er ersucht um eine Redezeit von 8 Minuten. – Bitte sehr.


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10.05

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich in der gestrigen Ausgabe der "Presse" gelesen habe, daß sich die Interessengemeinschaft Österreichischer Autoren, angeführt von Milo Dor und Gerhard Ruiss, für die heutige Kulturdebatte ein vielleicht feuchtes "Gießkannen"-Spektakel – unter Anspielung auf die "Gießkannenförderung" – wünscht, habe ich mir gedacht: Vielleicht ist es besser, heute eine regenfeste Kleidung anzuziehen, weil man ja nicht weiß, wie weit ein derartiger Aktionismus auch tatsächlich umgesetzt wird.

Ich habe allerdings nur einige Zeilen weiterlesen müssen, um mich selbst wieder zu beruhigen und zur Kenntnis zu nehmen, daß die möglichen Anschüttungen – bildlich gesprochen oder auch tatsächlich – mit einer aktionsartigen Gießkanne nicht den "bösen Freiheitlichen" gewidmet sind, sondern keinem Geringeren als unserem Staatssekretär Wittmann.

Weiters wurde in der gestrigen "Presse" ein Brief, der offensichtlich ein offener Brief ist, abgedruckt, der von einigen Künstlern unterschrieben und offenbar von der IG Österreichischer Autoren vorbereitet wurde. Dieser gipfelt letztlich darin – folgende Worte –: "Die Künstler" – mit der Betonung auf "die" Künstler – "dieses Landes fordern Sie auf", sehr geehrter Herr Bundeskanzler, "leichtfertige Unverschämtheiten des Kunststaatssekretärs und anderer Ihrer Mitarbeiter zu unterbinden".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, welche Unverschämtheiten die Sprecher der IG Autoren meinen. Erlauben Sie mir jedoch den Hinweis, daß ich es, gelinde gesagt, als unglaubliche Anmaßung empfinde, wenn einige wenige, die ein derartiges Schreiben unterfertigen, sich anmaßen, die Vertretungsbefugnis für die Künstler schlechthin in Österreich zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber offensichtlich geht es der IG Autoren und gewissen Lobby-Gruppen, die seinerzeit von Pasterk und Scholten gut dotiert und gut gelitten waren, um etwas ganz anderes. Es geht ihnen nämlich um eine Wittmann-Rücktrittsdebatte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von den Freiheitlichen werden Ihnen diesen Gefallen nicht tun, weil von uns eine derartige Rücktrittsaufforderung oder gar ein Mißtrauensantrag nicht erfolgen wird.

Am heutigen Tag steht nicht nur der Kunstbericht zur Debatte, sondern – so meine ich – die Kultur- und Bundeskunstförderung schlechthin. Es wird kaum jemand bestreiten, außer denjenigen, die es sich in diesem Gießkannensystem wohlig eingerichtet haben, daß dieses staatliche System der Bundeskunstförderung erhebliche Schwachstellen aufweist.

Ich kann mich noch erinnern, daß wir von der Freiheitlichen Partei in früheren Kulturdebatten, an denen noch der damalige Minister Scholten teilgenommen hat, in Grund und Boden verdammt wurden, als wir davon gesprochen haben, daß diese Form der Bundeskunstförderung ein Staatskünstlertum begünstigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun kommen wir wieder an den Anfang und auf die Rücktrittsdebatte zurück, die Sie offensichtlich anzetteln wollen. Sie fordern ja, wie der heutigen Ausgabe des "Standard" zu entnehmen ist, definitiv die Wittmann-Ablöse.

Ich komme deshalb auf diesen Punkt zurück, weil Herr Staatssekretär Wittmann genau diese Analyse, die wir seinerzeit aufgestellt haben, wonach die Bundeskunstförderung ein Staatskünstlertum hervorruft, voll bestätigt hat. Das ist offensichtlich der Grund dafür, daß sich die IG Autoren und einzelne Lobbygruppen gestört fühlen.

So ist etwa dem "Standard" vom 18. Juni 1997 zu entnehmen, daß – wie ein Artikel wörtlich übertitelt wird – Wittmann keine Staatskünstler will. Genau das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, was Sie uns immer vorgeworfen haben, nämlich daß wir quasi Gespenster sehen. Daß die Künstler und die Kunst in Freizügigkeit und Unabhängigkeit von der Interessenslage der Politik ihre Kunst betreiben können, davon kann ja überhaupt keine Rede sein, und das wurde auch bestätigt.


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Ich teile selbstverständlich diese Analyse. Sie beweist, daß diese Form der Bundeskunstförderung Schwachstellen aufweist. Es ist ein System einer geschlossenen Gesellschaft geschaffen worden, und zwar einer geschlossenen Gesellschaft derjenigen, die immer wieder durch die Bundeskunstförderung bedacht werden, die drinnen sind und deren Namen in den Kunstberichten nachzulesen sind. Es sind immer wieder dieselben Leute, die gefördert werden. Aber Sie dürfen nicht vergessen, meine Damen und Herren und auch diejenigen Interessengruppen von Künstlern, die ein Alleinvertretungsrecht ableiten, daß es viele gibt, die draußen geblieben sind, die immer wieder Anträge gestellt haben, deren Kunst aber nicht gefördert wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden Ihnen den Gefallen nicht tun – das sagte ich Ihnen bereits einleitend –, uns an einer Rücktrittsdebatte zu Lasten des Staatssekretärs zu beteiligen. Wir von den Freiheitlichen anerkennen sehr wohl, daß es in der SPÖ zwei Strömungen gibt. Die eine Strömung ist diejenige – ich erinnere nur an die Worte des ehemaligen Bundeskanzlers Sinowatz –: Ohne Partei bin ich nichts!, also jene, die das Kollektiv in den Mittelpunkt stellt. Das ist eine Strömung, mit der wir auch ideologisch wenig anfangen können.

Aber ich verhehle nicht, daß es auch moderne Gruppen innerhalb der Sozialdemokratischen Partei und auch Fraktion gibt, die von diesem Kollektivdenken langsam abgehen. Sie wissen, wohin dieses Kollektivdenken in Österreich geführt hat. Es gibt politische Kinderhorte, Kindergärten, sogar Autofahrerklubs, von denen der eine fein säuberlich die schwarze Seite und der andere die rote Seite vertritt. Das geht bis hin zu Schachklubs, Sportklubs und Pensionistenverbänden. Dazu hat dieser Kollektivismus, dem Sie das Wort reden und den Sie auch heute noch teilweise verteidigen, geführt. Wesentlich ist, daß es endlich zu einer Abkehr von der derzeit bestehenden Bundeskulturpolitik kommt.

Herr Staatssekretär! Wir werden Sie bei diesem Unterfangen sicherlich unterstützen, denn wir haben keine Reflexe, die dahin gehen, daß alles, was von der Sozialdemokratischen Partei kommt, a priori schlecht ist. Zum Beispiel kann ich durchaus die Überlegung teilen, daß die Vergabe von Subventionen entpolitisiert werden soll. Herr Kollege Cap! Wir wollen nicht, wie uns immer vorgeworfen wird, eine völlig entpolitisierte Kultur und ein Politikverbot für Künstler. Es kann keine Rede davon sein, daß wir meinen, Autoren sollen sich politisch nicht betätigen, auch keine politischen Romane oder politische Essays schreiben. Aber, bitte, wer leitet denn das Recht der Politik ab, Kunstrichter zu spielen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das steht für ein überkommenes Denken, mit dem endlich Schluß zu machen ist.

Herr Staatssekretär! Wir, die wir immer gesagt haben, daß das kulturelle Sponsoring auszubauen ist, und zwar nicht nur in der Anerkennung von Sponsoringausgaben großer Unternehmen, sondern auch in der Anerkennung von Ausgaben zugunsten der zeitgenössischen Kunst, werden Sie auch in der Umsetzung unserer freiheitlichen Ideen unterstützen. Nur dadurch kann es zu einer Umschichtung kommen, und nur dadurch kann es dazu kommen, daß endlich mit dem staatlichen, mit dem öffentlichen Subventionsmonopol in Österreich aufgeräumt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Wir werden Sie bei diesem Unterfangen sicher unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Cap. – Bitte.

10.15

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Behandlung des Kunstberichtes bietet mir die Gelegenheit, mich hier grundsätzlich mit den Fragen Kunst- und Kulturpolitik auseinanderzusetzen. Schon während des Sommers gab es diesbezüglich eine Debatte in einer österreichischen Tageszeitung, und ich meine, daß die heutige Debatte ein Nachholprozeß ist und daß es notwendig ist, daß diese endlich geführt wird.


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Ich möchte gleich in medias res gehen. Ich denke, es so darzustellen, als ob all das, was der Staat im Kunstbereich schützt, garantiert und ermöglicht, rückwärts gewandt, schlecht, korrupt und falsch wäre, engt die Kunst ein und ist konsumentenfeindlich. Das muß offensichtlich Ideologie sein. Diejenigen, die mit offenen Augen und Ohren durch das Land gehen, können doch nicht sagen, daß es in Österreich kein entwickeltes Kunstverständnis, keine Künstler gibt, die kreativ sein können, und daß hier nicht die Grundlagen dafür geschaffen wurden, daß das ermöglicht wird.

Man kann das eine oder andere Instrumentarium kritisieren. Man kann die eine oder andere personelle oder vielleicht auch budgetäre Einstellung kritisieren. Aber was mich stört, ist, daß es hier keine offene ideologische Debatte gibt, sondern nur eine versteckte ideologische Diskussion.

Nehmen wir das Beispiel Sponsoring. Wir haben das holländische Beispiel in diesem Zyklus der Auseinandersetzungen diskutiert. Wir kennen Modelle aus anderen Ländern wie aus England, wo versucht wird, auch private Gelder und den Markt zu mobilisieren. Aber eines möchte ich schon sagen – das möchte ich meinem Vorredner ins Stammbuch schreiben –: Sponsoring ist nicht bloß eine karitative Tätigkeit, sondern derjenige, der sponsert, will auch etwas dafür haben. Das ist in den meisten Fällen ein beinhartes Geschäft. Der Künstler, der gesponsert wird, muß eine entsprechende Leistung erbringen.

Der Herr Nestlé, der Herr Oetker oder all Ihre Sponsoren, die Ihre Wahlkämpfe sponsern, die Ihnen Hubschrauber und Geld zur Verfügung stellen, tun dies bloß, weil sie knapp vor dem Heiligsprechungsprozeß im Vatikan stehen? – Das ist doch absurd. Dafür wird eine Gegenleistung gefordert. Daher kann es nicht ein Ersetzen staatlicher Kunst- und Kulturpolitik durch ausschließlich private Unterstützung geben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. ) Na bitte, dann haben Sie aber offensichtlich die Pressekonferenz des Herrn Sichrovsky mit dem Ring Freiheitlicher Jugend verschlafen. Er hat ein paar Kulturraketen vom Stapel gelassen, die nicht von schlechten Eltern sind. Die sollten Sie einmal kritisieren. Er sagt beispielsweise: Bilder müssen sich über den Markt durchsetzen, sonst haben sie kein Recht, verkauft zu werden. – Das ist eine beachtliche Diktion. Träumt er von einer Sichrovskyschen Planwirtschaft, daß er bestimmt, was überhaupt verkauft werden darf und was nicht? (Abg. Mag. Stadler: Er war ja früher Sozialist!)

Als nächstes Beispiel schlägt er vor, nicht eine Politik für Künstler, sondern für Konsumenten zu machen. Das heißt: Komm Künstler! Tu was, und wenn du auf die Schnauze fällst, hast du Pech gehabt. – Na ja, gut, das ist auch eine Einstellung. Aber wer sagt, daß jemand, wenn man ihm als Staat die Möglichkeiten zur Verfügung stellt, nicht nach einer gewissen Anlaufzeit ein sehr bekannter, ein sehr guter, ein sehr kreativer, ein sehr wichtiger, ein sehr entscheidender Künstler sein kann? Ich verstehe diese Geisteshaltung nicht, außer daß sie eine ideologische zur Zerschlagung dessen, was heute an Freiheit der Kunst, an demokratischen Zugängen zur Kunst ermöglicht wird, ist. Das wird heute ermöglicht, damit es wirklich eine demokratische Beteiligung geben kann. Diese Geisteshaltung sollte man ein bißchen aufarbeiten.

Wir sind stolz darauf, daß dieses Kunstbudget nicht gekürzt wurde! Aber der FPÖ-Europa-Abgeordnete Sichrovsky sagt, man solle das Kulturbudget überhaupt gleich um ein Drittel kürzen. – Könnten die geschätzten Nachredner der FPÖ sich dazu äußern? Sind Sie jetzt dafür, daß das Kulturbudget um ein Drittel gekürzt wird? Sagen Sie ja oder sagen Sie nein! Sagen Sie, das ist alles bloß Vergeudung! Sagen Sie es bitte hier!

Bitte erklären Sie mir noch einmal: Wollen Sie ausschließlich Sponsoring betreiben? Sollen Bilder wirklich kein Recht mehr haben, verkauft zu werden, wenn sie nicht ausschließlich über den Markt auf die Nachfrage stoßen, die Herr Sichrovsky hier als Latte beschreibt? – Die Selbstverwaltung ist für ihn parasitär. Falls Sie Vertreter von der IG Kultur sein sollten: Parasiten sind Sie, nach Aussage des Herrn Sichrovsky. Ich halte diese Aussage für einen Skandal!

Ich glaube, daß solche Interessengemeinschaften wichtig sind, daß ihre Kritik ernst zu nehmen ist, daß man sich mit ihrer Kritik auseinanderzusetzen und sich mit ihnen zusammenzusetzen hat, um zu klären, was sie tatsächlich an Kritik einzubringen haben.


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Aber Herr Sichrovsky vergleicht das ganze Problem Kunst und Kultur mit einem Problem zwischen Sportler und Sponsor. Also kurz und gut, Isostar, Nike und so weiter ist auf der Ebene anzusetzen, wie das Herr Sichrovsky gemacht hat.

Das beschreibt die Ideologie, die dahinter ist, und es beschreibt auch die Wortkreation, die von Ihnen gekommen ist, nicht von Staatssekretär Wittmann, mit dem Begriff "Staatskünstler". Antonio Fians hat in einem "Standard"-Beitrag sehr ironisch geschrieben: Ein "Staatskünstler" wird beschrieben als ein Mensch, der eine böse Politik im Auftrag von deren Betreibern und gegen gute Bezahlung ästhetisch verklärt und vor einem Massenpublikum rechtfertigt. – Das ist eine Definition, mit der ich etwas anfangen kann.

Aber wo sehen Sie die Staatskünstler herumrennen, die dann die böse Regierungspolitik ästhetisch verklären und vor einem Massenpublikum darstellen? (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. ) – Aber Sie haben dieses Wort erfunden, weil Sie nämlich in Ihren Plakataktionen – Ausdruck der Illiberalität – "Staatskünstler" nennen, solche Künstler, die nicht hurra schreien, wenn Herr Jörg Haider irgendwo auftritt, und die nicht ununterbrochen Deklarationen verfassen, damit Jörg Haider endlich Bundeskanzler und Krüger Kulturminister wird. – Schreck, laß nach, es macht mich schon ganz schwach, wenn ich nur daran denke. (Abg. Dr. Krüger: Setz dich wieder hin, wenn du schon so schwach bist!)

Daher sollten Sie ein bisserl ehrlicher auftreten, und die geschätzten Nachredner sollten das auch machen und sollten sich dazu äußern. Was verstehen Sie wirklich unter Staatskünstler? – Sagen Sie das endlich! Dahinter steht auch wiederum ein gewisses Maß an Ideologie. Schön bringt das Lissmann. Würde man nämlich der Argumentationsfolge der Freiheitlichen nachgehen, dann hätte es die ganzen "miesen Staatskünstler" wie Michelangelo, Leonardo da Vinci, Tizian, Goethe und Wagner gar nicht gegeben. Diese sind dann alle gewissenlose Staatskünstler. Überhaupt dieser Michelangelo mit dieser "widerlichen" Sixtinischen Kapelle, mit diesem Ausdruck von Schmarotzertum und Opportunismus, der sich in diesen "häßlichen" Fresken, in diesen "kriecherischen" Fresken darstellt, die man dort betrachten kann. Gott sei Dank bröckeln die Farben schon herunter, leider hat man es renoviert, wahrscheinlich wieder mit Steuergeldern. Es ist zum Kotzen, man kann sich auf nichts mehr verlassen. – Das ist in etwa Ihre Geisteshaltung, die da herauskommt.

Kein Beichtstuhl der Welt wird diese Beichte ertragen können, ohne daß er sofort auseinanderbricht, falls Sie einmal den Weg der Läuterung einschlagen sollten.

Letzter Punkt: Entpolitisierung der Kultur. Dann bin ich schon fertig. Meine Ausführungen sind sicher wieder zu lang. (Abg. Dr. Khol: Nein, nein! Bitte mehr!) – Mehr, danke! Auf das habe ich ja gewartet.

Zur Entpolitisierung der Kultur. Im Hintergrund schwingt etwas ganz anderes mit. Entpolitisierung der Kultur, Entstaatlichung, das gehört irgendwo in dieses ideologische Programm hinein, das da lautet: All diejenigen, die aus politischen Strömungen, Bewegungen und Geisteshaltungen kommen, die nicht aus Ihrem blauen Stall stammen, werden subsumiert unter dem Motto: Diese muß man "wegentpolitisieren". Sie haben hier nichts verloren, sie stören in Wirklichkeit die Vielfalt, die Qualität, die Kunstautonomie, den demokratischen Zugang, lauter Dinge, die man ohnehin nicht braucht. Dann werden nur mehr die Sponsoren, Herr Oetker, Herr Nestlé und wie all diese Leute heißen, zu entscheiden haben.

Dagegen kann ich nur ganz massiv auftreten. Ich finde, daß der Staat eine wichtige Aufgabe hat. Er soll nicht bevormunden. Wir haben ein Beiratssystem eingeführt, um eventuelle kritisierte Einflußnahmen der Politik zu hintertreiben. Er soll nicht bevormunden, aber er hat eine ganz wichtige Aufgabe: Er hat dafür zu sorgen, daß er nicht nur, wie Herr Sichrovsky sagt, für die Konsumenten da ist, sondern vor allem auch für die Künstler, damit sie eine repressionsfreie, freie Atmosphäre vorfinden, um kreativ wirken zu können, damit sie eine gewisse soziale Absicherung haben. (Beifall bei der SPÖ.) Das halte ich für ganz entscheidend, auch für ein demokratisches, kulturell-liberales Klima. Und das werden wir uns nicht zerstören lassen!


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Ob man jetzt Streß hineinbringen soll, indem man sagt, es ist nur mehr wenig zur Verfügung und da müssen sich wenige darum bemühen – nicht so, wie es bisher eher war, daß man eher viel für ein breites Spektrum zur Verfügung gestellt hat –, darüber müssen auch wir noch diskutieren, ebenso darüber, ob das der richtige Weg ist. Aber im Prinzip soll ermöglicht werden, daß es ein wirklich breites Spektrum an kultureller Vielfalt auch in Österreich gibt, und nicht das, was sich die FPÖ und ihre Ideologen und andere mit ihnen verbündete Kulturjournalisten vorstellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte sehr.

10.26

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte heute auch gerne den Herrn Bundeskanzler als Kulturminister begrüßt. Ich frage mich und ich frage insbesondere Sie: Wann haben wir endlich einmal Gelegenheit, uns mit dem Herrn Bundeskanzler über Kunst und Kultur hier in diesem Haus auszusprechen? – Ich glaube, das wäre notwendig, und ich glaube auch, daß es die Künstler und Künstlerinnen in diesem Land verdient hätten, daß er hier im Hohen Haus, in der Öffentlichkeit einmal Rede und Antwort steht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Denn seit der Herr Bundeskanzler die Kunst zur Chefsache erklärt hat, haben wir noch keine Möglichkeit gehabt, mit ihm in einen kulturpolitischen Diskurs zu treten. Die einzige Gelegenheit – das gebe ich zu – war eine Fragestunde. Aber ich glaube, das ist sehr mager, wenn man die Kultur zur Chefsache erhoben hat.

Zur allgemeinen Debatte, wie ich schon sagte, ist es nicht gekommen. Herr Staatssekretär! Sie vertreten ihn zwar, aber ich würde mir trotzdem in Zukunft für die Liberalen wünschen, daß sich auch der Herr Bundeskanzler einmal die Zeit dazu nimmt.

Es ist meiner Meinung nach auch notwendig, denn ein Kanzler, der die Kunst zur Chefsache erklärt hat, sollte mit den Kultursprecherinnen und Kultursprechern im Parlament in einen Diskurs treten, um die Ereignisse und Spannungsfelder zu besprechen. Was mich besonders interessieren würde – davon hätte ich mir heute erhofft, daß ich es von ihm beantwortet bekomme –, wären die politischen Leitlinien, nach welchem Konzept für den Rest der Legislaturperiode die Kulturpolitik in diesem Land ausgeschrieben werden sollte.

Denn bisher waren nur Schlagworte wie "Schwerpunkte sind für mich die Bereiche Film, neue Medien und Architektur" zu hören, wie dies leider auch – das muß ich sagen – bei der ersten Kulturrede unseres Bundeskanzlers und Kunstministers bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele der Fall war. Ich weiß, das sind schmerzliche Erinnerungen für den Herrn Kunstminister, aber ich möchte es trotzdem hier noch einmal aufwerfen.

Glaubt der Herr Bundeskanzler tatsächlich, daß ein Kulturland wie Österreich in Zukunft ausreichend von ihm versorgt oder ernst genommen werden kann?

Herr Staatssekretär! Ich darf mich jetzt an Sie wenden, und ich glaube, daß auch Ihnen bekannt ist, daß zum Beispiel in den Niederlanden vom kulturpolitischen Entscheidungsträger dem Parlament ein Vierjahresplan mit seinem konkreten Programm vorgelegt wird. Das heißt, jeder beziehungsweise jede in den Niederlanden kann sich bis ins Detail darüber informieren, welche Schwerpunkte der jeweils Verantwortliche setzen beziehungsweise welche grundsätzlichen kulturpolitischen Leitlinien er verfolgen wird. Ich denke, daß dies ein zukunftsweisendes Modell ist und durchaus auch in Österreich angewandt werden sollte.

Meine Damen und Herren! Wir haben gestern die Budgetrede des Finanzministers gehört. Warum sollen wir in Zukunft nicht auch eine Rede des für Kunstangelegenheiten Zuständigen zu Beginn jeder Legislaturperiode hören? – Eine Vorausschau, die dann auch in schriftlicher Form jedem Interessierten und jeder Interessierten zugänglich gemacht wird; eine kulturpolitische


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Grundsatzerklärung, in der der Herr Bundeskanzler sein kulturpolitisches Selbstverständnis darlegen und seine Schwerpunkte definieren könnte.

Ich bin davon überzeugt, daß diese Vorgangsweise beim kulturbegeisterten Publikum, in erster Linie aber bei unseren Kulturschaffenden großen Anklang finden würde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich frage den Herrn Bundeskanzler in seiner Abwesenheit: Warum war er noch nie Studiogast in der ORF-Kultursendung "Treffpunkt Kultur"? Warum gab er noch keiner Zeitung ein ausführliches kulturpolitisches Interview? – Die Tätigkeit als "Kunstkanzler" beschränkte sich bisher nur auf Eröffnungsreden großer Sommerfestspiele und auf zum Beispiel für ihn wichtige Personalentscheidungen. – Ein bißchen unbefriedigend, nachdem er zu Beginn der Tätigkeit als "Kunstkanzler" nicht müde wurde, zu betonen, welch großartige Aufwertung dieses Ressort durch die Verlegung ins Bundeskanzleramt erfahren würde. All diese Ankündigungen erwiesen sich – das muß ich heute feststellen – nach 200 Tagen als Luftblasen.

Oder hat der Herr Bundeskanzler keine Zeit für eine ordentliche Kulturpolitik? Denn selbst die Parteikollegin und frühere Kunstministerin Hilde Hawlicek sagte in einem Zeitungsinterview, daß es schon allein aus zeittechnischen Gründen unmöglich sei, daß sich der Bundeskanzler mit den vielschichtigen Problemen der Kunst- und Kulturszene vertraut macht.

Meine Damen und Herren! Gerade die oft angefeindeten Künstler und Künstlerinnen brauchen eine starke Stimme, die sich, wie zum Beispiel beim Angriff auf H. C. Artmann, schützend vor sie stellt, und sie brauchen auch einen im Ministerrat stimmberechtigten Minister, einen Minister, der dem in Österreich lebenden kreativen Potential jene Rahmenbedingungen bietet und ausbaut, die die Kunst- und Kulturschaffenden dieses Landes brauchen.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Zu den Widersprüchlichkeiten in Sachen Kultur muß leider festgestellt werden, daß sie nicht zielführend sind, denn wenn man sich die verschiedenen Zeitungsinterviews anschaut, die in den letzten Monaten von Ihnen, Herr Staatssekretär, und dem zuständigen Sektionsleiter gegeben wurden, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß eine Hand nicht weiß, was die andere tut.

Der Herr Staatssekretär fördert großzügig ein von vielen Seiten kritisiertes Projekt. Ich glaube, da brauche ich nur Francesca Habsburg zu sagen. Und der "Kunstkanzler" weiß nicht einmal, worum es sich handelt. Oder der Staatssekretär macht Aussagen, die von seinem Sektionsleiter mit Floskeln wie: "So hat er es nicht gemeint", oder: "Da ist der Staatssekretär falsch interpretiert worden" postwendend uminterpretiert werden.

Der Appell an den Herrn Bundeskanzler lautet, er soll doch endlich zugeben, daß sein Versuch, die Kunstangelegenheiten zur Chefsache zu machen, kläglich gescheitert ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich kritisiere damit nicht die handelnden Personen, sondern die entwickelte Konstruktion. Wir Liberalen haben schon Anfang 1996 die Zusammenlegung der Ressorts Wissenschaft, Forschung, Verkehr und Kunst schärfstens kritisiert, da diese Konstruktion keinerlei Sinn ergab. Diese Fehler wurden damals nicht zugegeben, aber immerhin wollte man mit der heurigen Regierungsumbildung diesen Fehler doch noch wettmachen, allerdings mit der Folgewirkung, daß alles noch viel schlimmer wurde. Ich beneide niemanden, der im Rahmen einer solch unglücklichen Konstruktion arbeiten muß, und ich bin auch überzeugt davon, daß unter diesen Bedingungen kein sinnvolles Arbeiten möglich ist.

Die Ergebnisse, die der Herr Bundeskanzler und der Herr Staatssekretär bisher vorweisen können, sind teilweise zu begrüßen. Ich erinnere zum Beispiel an die Novelle des Filmförderungsgesetzes. Allerdings möchte ich betonen, daß diese Ergebnisse im großen und ganzen auf die Arbeit des Vorgängers Rudolf Scholten zurückzuführen sind. Jetzt werden nur Dinge erledigt oder sind erledigt worden, die der vorhergehende Kunstminister noch vorbereitet hat, oder Sie mußten sich eines Themas annehmen, weil der parlamentarische Kulturausschuß auf vorhandene Probleme aufmerksam gemacht hat und sie deshalb in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.


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Ich spreche da zum Beispiel von der Ausgliederung der Bundestheater, die nun in einer Form durchgeführt wird, wie sie das Liberale Forum seit seinem Bestehen immer wieder gefordert hat. Wir freuen uns, daß die Experten nun zu demselben Ergebnis gekommen sind.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Leider ist es auch eine Tatsache, daß gerade einige Aussagen des Kunstsekretärs – also von Ihnen, Herr Kunstsekretär – die Künstlerinnen und Künstler dieses Landes nachhaltig verunsichert haben. Ich zitiere: "Nur kann es nicht darum gehen, daß der Bund Einzelförderungen vornimmt, weil sich Künstler der Mechanismen gut bedienen können." Oder: "Die Qualität ist ein Kriterium, das eingeführt werden muß." Oder: "Es kann nicht weiter so sein, daß jeder Künstler subventioniert wird, damit er ruhig bleibt." Oder: "Wir haben mit der Gießkanne versucht, alle zu befriedigen." – Ende der Zitate.

Diese Aussagen, Herr Staatssekretär, beflügeln sicher keine Künstlerinnen und Künstler. Heute und hier wäre es interessant, vom Herrn Bundeskanzler beziehungsweise von Ihnen, Herr Staatssekretär, zu erfahren, wie diese Aussagen zu verstehen sind, da wir immer wieder von Künstlerinnen und Künstlern gefragt werden, ob der Bund künftig keine sogenannten Kleinförderungen mehr vergeben wird und ob dafür nun die Länder aufkommen müssen.

Ich denke, um in diese Diskussion einzusteigen, sollten Sie einmal definieren, was für Sie ein Gießkannensystem ist und welche konkreten Maßnahmen Ihrer Meinung nach getroffen werden müßten, um dieses System so zu verändern, daß es Ihrer Meinung nach effektiver wäre. Die Beantwortung dieser Fragen und diese Klarstellungen haben sich die Kulturschaffenden in diesem Land verdient. Wir Liberalen, insbesondere unsere Kultursprecherin Heide Schmidt, haben uns bei den zuständigen Stellen in den verschiedenen Landeskulturämtern informiert. Bis heute hat noch niemand aus dem Bundeskanzleramt mit einer der zuständigen Personen gesprochen, und die Frage sei deshalb gestattet: Wie soll eine Umverteilung stattfinden, wenn Sie vorher nicht mit den Vertretern der Länder reden?

Da die Kunstfinanzierungssysteme des Bundes und der Länder sehr stark zusammenhängen, muß ich Sie nochmals fragen, warum Sie mit den Landeskulturabteilungen über die von Ihnen offensichtlich beabsichtigten Umverteilungen noch nicht gesprochen haben.

Ich frage Sie auch, Herr Staatssekretär: Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, die Qualität ist ein Kriterium, das eingeführt werden muß? Wollen Sie damit sagen, daß dies bisher nicht der Fall war? – Wenn dem so ist, würden Sie die Arbeit Ihrer Beamten, Ihrer Beiräte komplett in Frage stellen. Oder wollen Sie damit Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gar Freunderlwirtschaft mit den Kunstschaffenden vorwerfen?

Das sind Fragen, die meiner Meinung nach dringend nach Erklärung rufen, und ich hoffe, daß sie heute von Ihnen, Herr Staatssekretär, beantwortet werden. Der Klärung bedarf auch Ihre Aussage – Zitat –: "Es kann nicht weiter so sein, daß wir jeden Künstler subventionieren, damit er ruhig bleibt." – Wie kommen Sie, Herr Staatssekretär, auf die Idee, daß der Staat jemals alle Künstler gefördert hat? – Das ist schlicht und einfach eine Behauptung. Und wie kommen Sie auf die Idee, daß ein Künstler, wenn er Geld vom Staat bekommt – Zitat – "ruhig bleibt"? Glauben Sie wirklich, daß auch nur ein Künstler, der diese Berufsbezeichnung verdient, auf diese Weise manipulierbar ist? – Wenn Sie dieser Meinung sind, dann frage ich mich wirklich, wie Sie mit einem solchen Verständnis von Kunstproduktion und Kunstfunktion Kunststaatssekretär sein können.

Herr Staatssekretär! Sie laufen weiters Gefahr, den Weg des Ankündigungspopulismus zu beschreiten. Um ein Beispiel zu nennen: Am 18. Juni dieses Jahres sprachen Sie sich für die Einrichtung von fünf bis sechs Stiftungen aus. Das Liberale Bildungsforum veranstaltete am 1. September eine Enquete zum Thema Stiftungswesen, zu der auch der Herr Staatssekretär eingeladen war. Leider kamen weder er noch ein anderer eingeladener Vertreter zu dieser Enquete. Dies ist eine Diskussionsverweigerung, Herr Staatssekretär, die ich nicht nachvollziehen will, denn wenn es einem mit seinem Anliegen ernst ist, sollte man sich anders verhalten. Bei dieser Enquete hätten Sie jedenfalls Gelegenheit gehabt, sich ausführlich über die Stiftungsmodelle in den Niederlanden und in Baden-Württemberg zu informieren.


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Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Daß unsere alte Forderung nach Errichtung einer Bundesstiftung und einzelner Landesstiftungen nun endlich auch von Regierungsseite angesprochen wird, finde ich grundsätzlich positiv, denn das zeigt einmal mehr, daß eine kulturpolitische Forderung des Liberalen Forums von den Verantwortlichen übernommen wird. Man sollte sich dann allerdings auch der inhaltlichen Diskussion stellen und sich nicht verschließen. Ein Weißbuch zu erstellen, so wie Sie es gemacht haben, ist zwar sicher der richtige Schritt, aber sich bis zu dessen Vorliegen der Diskussion zu verweigern, halte ich für den falschen Weg.

Herr Staatssekretär! Sie sprachen am 18. Juli auch davon, daß Sie steuerliche Anreize schaffen wollen, um Kunstkäufe attraktiver zu gestalten. Diese Ankündigung freut uns ebenfalls, da auch dies eine alte Forderung des Liberalen Forums ist. Wir haben allerdings seither zu diesem Thema nichts mehr von Ihnen gehört. Ist dieser Vorstoß zum Beispiel auch mit dem Finanzminister akkordiert? – Wenn ja, wie sollen die nächsten konkreten Schritte aussehen? Wenn nein, warum machen Sie dann überhaupt eine solche Ankündigung? – Ein diesbezüglicher Antrag des Liberalen Forums wartet auf seine Behandlung, und ich würde mich sehr freuen, wenn es gemeinsam gelingen würde, in diesem Bereich etwas weiterzubringen, um private Mittel für den Kunst- und Kulturbereich zu lukrieren.

Meine Damen und Herren! Nun noch kurz zum Kunstbericht 1995, zu dem es ebenfalls einiges zu sagen gibt. Nach wie vor ist im Bericht nicht leicht ersichtlich, welche Kunstsparten wieviel Geld bekommen. Im Kunstbericht kann man zwar nachlesen, für welche Bereiche welche Abteilung zuständig ist und was diese Abteilung ausgegeben hat, allerdings ist es sehr mühsam, wenn man erfahren will, wieviel Geld denn nun wirklich für eine Kunstsparte ausgegeben wurde, zudem ja Gelder oft abteilungsübergreifend ausgegeben werden.

Wie ich vernommen habe, wird der Kunstbericht 1996 ganz anders aufgebaut sein, da eine von Ihnen, Herr Staatssekretär, eingesetzte Arbeitsgemeinschaft ein transparenteres Konzept verfolgt. Ich hoffe und wünsche, daß dann auch endlich die Gesamtanzahl der eingelangten Anträge herauslesbar sein wird, damit die Kulturpolitiker und -politikerinnen endlich einen Überblick darüber bekommen, wie groß der Bedarf im Bereich der Kunst tatsächlich ist. Ein diesbezüglicher Antrag des Liberalen Forums wurde leider im Kulturausschuß von den Regierungsparteien bisher abgelehnt. Ich frage Sie deshalb: Wie wollen Sie Ihren Leuten klarmachen, daß, wenn solche Anträge vorliegen, auch positiv abgestimmt wird?

Weiters leidet der Kunstbericht auch darunter, daß zahllose Einzelförderungen penibel aufgelistet sind, daß allerdings Großkosten wie etwa die Kosten für den Österreichschwerpunkt auf der Frankfurter Buchmesse nur als Gesamtsumme aufscheinen, nämlich mit 20,3, 18,5 und 4,2 Millionen. Ich halte es für eine unverantwortliche Vorgangsweise gegenüber dem Steuerzahler, daß ein Betrag jenseits der 40-Millionen-Grenze im Rechenschaftsbericht in keinster Weise aufgeschlüsselt ist.

Ein weiterer mir sehr wichtiger Punkt ist der Fonds "Soziale Förderung Musikschaffender", ein Fonds, der vor zwei Jahren vom ehemaligen Ministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst eingerichtet wurde, um die schlechte soziale Lage der freien Musikschaffenden in Österreich zu entschärfen. Jeder Musikschaffende hat die Möglichkeit, den Arbeitgeberanteil seiner Sozialversicherung aus dem Fonds rückerstattet zu bekommen. Eine diesbezügliche Anfrage des Liberalen Forums an den Herrn Bundeskanzler wurde am 11. September beantwortet. Nach den uns vorliegenden Informationen sind die 2 Millionen, die dem Fonds jährlich zur Verfügung gestellt werden, bereits im Juli verbraucht gewesen. Er schreibt allerdings, daß diese Mittel noch nicht zur Gänze aufgebraucht sind. Welche Aussage stimmt nun – die des Herr Bundeskanzlers oder die Auskunft der Mitarbeiter des Fonds?

Weiters wird geschrieben, daß auch Leistungen anderer Gebietskörperschaften und von Verwertungsgesellschaften ergänzend anzusprechen wären. Welche Gebietskörperschaften meinen Sie hier konkret, und in welcher konkreten Form sollen die Fondsmitarbeiter Gelder von den Verwertungsgesellschaften, die alle ihre fix festgelegten Verteilungsschlüssel haben, erhalten? Herr Staatssekretär! Wie stellen Sie sich auch die Verhandlungen vor?


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Meine Damen und Herren! Dieses Problem mit der offensichtlichen Unterdotierung des Fonds "Soziale Förderung Musikschaffender" steht auch stellvertretend für das grundsätzliche Problem der sozialen Absicherung der Kunstschaffenden in Österreich.

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch so viel zu tun, und ich bitte den Herrn Bundeskanzler, den Herrn Kunstminister, der Kunst zur Chefsache gemacht hat, inständig, hier endlich klare Aussagen zu machen, klare Formulierungen zu treffen, damit auch die Künstler und Künstlerinnen in unserem Land endlich wissen, wohin der Weg geht, damit sie in ihrer Eigenschaft als Kulturträger für das Kulturland Österreich auch im Sinne echter Kulturförderung weiterarbeiten, weiter kreativ sein und uns auch weiter erfreuen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Franz Morak. Ich erteile es ihm.

10.45

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich heute einen sehr persönlichen Zugang zu dieser Debatte finden. Ein wesentlicher Promotor des Films in Österreich war Reinhard Pyrker, einer, der alles, was er getan hat, zu 100 Prozent getan hat, einer mit aufrechtem Gang. Traditionellerweise tun sich solche Menschen in unserem Lande schwer. Und Reinhard Pyrker hatte es schwerer. Wenn wir an Reinhard Pyrker denken, dann denken wir an ihn als Chef und Leiter der "Viennale", als Pressechef des österreichischen Filmmuseums, als Produzenten von Reinhard Schwabenitzky und als Leiter der "Österreichischen Film Tage" in Wels.

Ich möchte kurz darauf eingehen, daß 1990 der damalige Kunstminister Rudolf Scholten den privat organisierten Filmtagen Wels zugunsten einer staatlichen Filmschau, nämlich der "Diagonale", die "Gas o’draht hat". Wie das dort gelaufen ist, wissen wir alle – privat gegen Staat. Das geht in der ersten Runde immer gegen den Privaten aus. Das geht immer auf Kosten der Bürger in diesem Land und immer auf Kosten der Kunst. Wenn Menschen sensibel sind, dann schlagen sich solche Dinge auf diesen Körperteil, den die Mediziner Herz nennen. Reinhard Pyrker starb an einem Herzinfarkt im 48. Lebensjahr. Und es sei noch einmal gewürdigt: Reinhard Pyrker hat für den österreichischen Film mehr getan als viele, die so tun, als hätten sie den Film in diesem Land erfunden! (Beifall bei der ÖVP.)

Folgerichtig habe ich bei seinem Begräbnis weder den Kunstkanzler noch den Staatssekretär noch seinen leitenden Beamten gesehen. – Gut. Kommen wir jetzt also zu den von Reinhard Pyrker am eigenen Leib erfahrenen Auswirkungen des Inhalts des Kunstberichtes, und lassen Sie mich, so wie das Kollege Cap schon getan hat, prinzipiell anfangen.

Ich habe eine Serie von Galeriegesprächen geführt, und unter anderem war dort eine der Referentinnen die ehemalige Kuratorin Stella Rollig. Stella Rollig resümiert nach zweijähriger Tätigkeit als Kunstkuratorin unter anderem – Zitat –: "Scholten orientierte sich am Künstler, unterstellte diesem eine prinzipiell gesellschaftskritische Utopie und geht davon aus, daß Kunst wehtun müsse, ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft sein solle. (Abg. Dr. Cap: Können!) Das ist eine" – so referierte Stella Rollig, Herr Cap – " eindeutige Festschreibung, die heute" – ich sage: heute; bewußt heute – "im Kulturleben ihre Relevanz verloren hat und im Ergebnis als ausschließend empfunden wird. Das Publikum", so Stella Rollig, "fungierte bei Scholten als feindselige Größe, vor der man den Künstler in Schutz nehmen müsse. Das ist wahrscheinlich die perfekte Illustration jenes Zitats von Robert Menasse, nämlich von den Staatskünstlern, die als Staatsfeinde posieren." Und verstehbar – und dort sind wir jetzt wirklich grundsätzlich, lieber Josef – wird dieses Konzept, wenn ich mir deinen Generalsekretär anhöre. Dieser redet davon, daß die sozialdemokratische Bewegung gleichzeitig nicht nur Regierungspartei, sondern auch eine Protestbewegung sein soll.

Aus den Ausführungen Rolligs wurde klar, wie stark die sozialdemokratische Kulturpolitik immer noch an der nach 1968 sichtbar werdenden fundamentalen Opposition von links nagt, wie sehr


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sie sich bemüht, dieser Opposition ihren Platz zu geben und sie sozusagen in der Hand zu haben, und wie sehr sie dieses Modell auf die Kunst zu projizieren verstand.

Sichtbar wurde aber auch, wie einseitig dieser Kunstbegriff in der heutigen Zeit der neuen Unübersichtlichkeit geworden ist, wie sehr er den Blick auf das Ganze verloren hat und wie strukturkonservativ er ist. Sichtbar wurde auch, daß das von den Künstlern beklagte, entmündigende Element in der Konzeption vorausgesehen und bejaht ist. Kulturpolitik, so Fred Sinowatz, als sinnvolle Fortsetzung der Sozialpolitik.

Tatsächlich ist aus Rolligs Bericht und aus dem selbstgesetzten Anspruch, dem Künstler, der Ideen bringt, in entsprechender Atmosphäre Geld, Rat und Zuspruch zu geben, das Sozialarbeiterische ihrer Tätigkeit sichtbar geworden. Dabei entstehen – so Stella Rollig in einer, wie ich meine, zutreffenden Analyse – letztlich klebrige Abhängigkeitsverhältnisse – das ist das, wovon auch Klara Motter geredet hat – zu den Politikern und den Beamten; deswegen gibt es auch all diese Modelle mit einer Stiftung und so weiter und so fort, ich möchte mich damit nicht länger aufhalten.

Ich möchte jetzt zu den Schlüssen daraus kommen. Ich setze als bekannt voraus, daß in Österreich 15 Milliarden Schilling von den Ländern, Gemeinden, Städten und vom Bund für die Kulturförderung im engeren Sinne ausgegeben werden. Das ist viel! Und ich setze als bekannt voraus, daß in etwa 10 Prozent der zeitgenössischen, jetzt funktionierenden, jetzt erarbeiteten Kunst verbleiben – Zitat Wimmer, ÖKS.

Ich möchte Sie darüber informieren, daß unser Leistungsbilanzdefizit im Bereich der Kultur trotz der hohen Investitionen in diesem Bereich – Einkommen, Ausgaben – 6,7 Milliarden Schilling beträgt, konstant die letzten Jahre, mit einem leichten Anstieg nach oben. Wir sind also im Bereich der Kultur ein Importland! Wir importieren Patente, Lizenzen, Autorenrechte, bildende Kunst, Film, Musik, Hörfunk, TV-Programme, Literatur, Zeitungen, Zeitschriften in einem wesentlich größeren Ausmaß, als wir sie exportieren. Und wenn mir ein ernstzunehmender, extrem informierter und kulturell avancierter Vertreter Österreichs in New York sagt, das Image dieses Landes auf dem kulturellen Sektor wäre noch immer am besten vermittelbar mit "Sound of Music", dann muß es für einen Künstler, der ich bin, erlaubt sein, darüber nachzudenken, ob das, was hier produziert wird, ob die Ideen der Produzenten des Identitätstransfers, des Imagetransfers, des Ideentransfers, des Phantasietransfers, des Selbstbehauptungstransfers, des Innovationstransfers – nennen Sie es, wie Sie wollen –, ob dieses Potential auch genützt wird oder ob unser Förderungssystem, dokumentiert in unserem Kunstbericht, den wir heute diskutieren, mehr die wohlerworbenen Rechte verteidigt anstelle der Produktion von Kunst oder ihrer Vermittlung. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Krüger. )

Zitat Scholten: "Kunstpolitik" – sagt Scholten in diesem Kunstbericht – "neigt dazu, Institutionen zu perpetuieren." Peter Weibel über die Kuratoren: "Die Hälfte der Subventionen geht in der Verwaltung auf." – Ich erinnere nur an die Bundestheater-Fixkosten von um die 85 bis 87 Prozent. Michael Scharang: "Die Interessenvertreter sind den Schriftstellern nicht nur zahlenmäßig, sondern auch stilistisch überlegen." Weiteres Zitat: "Die Zahl der Gschaftlhuber, der literarischen Vereinigungen, Interessenvertreter und – ein wahrer Skandal! – der Verlage, die sich aus dem Literaturbudget nähren, steigt unaufhaltsam, und alle diese Abstauber stützen einander als natürliche Verbündete, und ihr objektiver Feind ist der Schriftsteller." – Soweit Michael Scharang.

Weiter: "Prüft man das Ergebnis der Literaturförderung, wird man verblüfft vor einer beträchtlichen Anzahl herausragender literarischer Werke stehen." – So Michael Scharang. Und Michael Scharang weiter: "Prüft man hingegen das Ergebnis jenes wuchernden Betriebs, steht man vor dem Nichts." – Jetzt können Sie Michael Scharang alles mögliche unterstellen, aber er ist sicher kein ÖVP-Sympathisant, und er ist ganz sicher kein F-Sympathisant; er sagt als Künstler seine Meinung, und ich meine, man sollte darüber einmal nachdenken. (Beifall bei der ÖVP.)

Was heißt das? – Sowohl Künstler als auch der ehemalige Verkehrsminister sagen, die Künstler in diesem Land sind überverwaltet, aber unterorganisiert. Ein gutes Beispiel hiefür bietet mir


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Christoph Ransmayr. Obwohl sein erster Roman "Die Schrecken des Eises und der Finsternis", verlegt bei einem österreichischen Verlag, im deutschen "Spiegel" enthusiastisch gefeiert wurde, blieb die Zahl der verkauften Exemplare lange Jahre unter der 5 000-Stück-Marke. Von Ransmayrs zweitem Buch, erschienen in einem deutschen und nicht sehr kapitalkräftigen Verlag, wurden binnen weniger Monate mehr als 100 000 Exemplare verkauft.

Ich meine damit, allmählich erreichen wir auf dem kulturellen Feld den Status, den Dritte-Welt-Länder haben. Wir exportieren den Rohstoff – in diesem Fall unsere Schriftsteller; wir können das ergänzen mit Musikern, Filmemachern und so weiter – für wenig Geld und kaufen das fertige Produkt – das Buch – teuer zurück. Das heißt im Klartext, wir müssen endlich weg von den schwerfälligen zentralistischen Apparaten, die unser Kulturleben dominieren, weg von den Gschaftlhubern hin zu den beweglichen Einheiten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Peter. )

Projektorientierte Flexibilisierung ist auch im Kulturleben Thema Nummer 1. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wer hindert Sie?) Organisatorische Einheiten müssen ihren selbstzweckhaften Charakter endlich verlieren und auf das Ziel zugeschnitten werden. Bürokratie – und zwar jede Form von Bürokratie – bedeutet Unfreiheit und Entmündigung für Künstler und Rezipienten. Man muß sich regelmäßig genau überlegen, in welchem Fall mündige Bürger ihre Künstler an bürokratische Apparate delegieren. Kultur ist Sache der Bürger und nicht der Apparate! (Beifall bei der ÖVP.)

Entmündigend ist auch die Dominanz des von mir schon angesprochenen Kulturbegriffs von Rudolf Scholten. Kunst ist mehr als hochelaborierte Gesellschaftskritik! In ihr wirken in künstlerisch verdichteter Form genauso Leidenschaften, Wahnsinn, Obsessionen, aber auch der schlichte Wunsch, einfach zu lachen. Wir wissen heute aus zahlreichen internationalen Erfahrungen, daß Kunst und Kultur marktfähiger sind, als wir das in Österreich glauben. Manches, was bei uns nur mühsam mit Subventionen am Leben erhalten wird – ich nenne zum Beispiel das Musical –, erweist sich im Ausland als Gewinnträger ersten Ranges. Der Staat – auch wenn er mit kompetenten Organen besetzt ist, und ich bezweifle das gar nicht – hat einfach nicht die notwendige Sensibilität für Kunst, Kultur und Kunstmarkt. Gleichzeitig verhindert er dadurch aber auch, daß diese Sensibilität aufkommt. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich noch zwei Beispiele erwähnen: Woody Allens neuer Film "Alle sagen: I love you" läuft meines Wissens in drei Wiener Kinos, aber er rennt auch im ÖFI – und das ÖFI ist, wie wir wissen, eine subventionierte Anstalt. Das ist in Ordnung so als ÖFI, aber daß es ein Kino subventioniert betreibt, das hat sich Woody Allen nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Punkt – Francesca Habsburg: Ein solches Projekt mit öffentlichen Mitteln zu fördern, ist der ... (Abg. Dr. Cap: Das sagen Sie in Richtung ÖVP!) Ich sage es ja! Bitte, er hat mitbezahlt. Gut! Das ist auch nicht das Problem, das soll auch nicht das Problem sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Francesca Habsburg in Salzburg ist der nackte Irrsinn, das ist Geld aus öffentlichen Mitteln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten des Liberalen Forums sowie der Grünen.)

Es ist aberwitzig! Der Begriff "Sponsoring" ist für diese Frau wie geschaffen, maßgeschneidert!

Das heißt: Ein Projekt, das in dieser Dimension läuft, war, auch wenn das österreichische Sponsoring-Gesetz Nachteile haben sollte, für Francesca Habsburg ideal. Sponsoren mit diesem Namen von Thyssen bis zu einer Wäscherei gibt es in Hülle und Fülle.

Kommen wir zum Film. – Der Film ist für die österreichische Kunstförderung ein neues Medium: Es ist erst 100 Jahre alt. (Heiterkeit.) Das hat grundsätzlich den Vorteil, daß die Fixkosten der Administration noch keine Chance hatten, sich auf das landesweit übliche Niveau einzupendeln. Im Gegensatz zum Theater sind die Fixkosten beim Film noch geringer als die Produktionskosten.

Der Film als Software ist die ideale Plattform für den von mir schon angesprochenen Ideentransfer, Imagetransfer und ähnliches mehr über Kino, TV, CD-ROM und alle Medien, die in Zukunft


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erfunden werden können. Der Film ist sowohl als Kunst- wie auch als Kommerzprodukt eine extrem verwertbare Vermittlungsform der kulturellen Darstellung eines Landes. Daß wir auf dieses Medium noch nicht wirklich aufgesprungen sind, weist die Verantwortlichen im günstigsten Fall als schrullige Nostalgiker der Kunstförderung aus.

Wie auch immer: Wir behandeln gerade ein Filmförderungsgesetz. Ich glaube, wir verhandeln es ganz gut. Wir von der ÖVP legen Wert auf eine effizientere Referenzmittelförderung. Wir rennen diesbezüglich bei unserem Staatssekretär offene Türen ein. Wir meinen, Erfolg soll sich wieder lohnen. Auf der Entscheidungsebene soll es eine klare Zuordnung geben, wer für den Film beziehungsweise für die Finanzierung eines Films verantwortlich ist. Die Zielvorgaben müssen klar formuliert sein und auch klar von der Leitung angenommen werden: Verdoppelung des Marktanteils und Verdoppelung der erfolgreichen Präsenz auf wesentlichen Festivals und auf dem Gebiet des künstlerischen Films.

Blinkt mein Licht?


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter! Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung. Sie können noch über 3 Minuten reden, dann müssen Sie allerdings aufhören.

Abgeordneter Franz Morak (fortsetzend): Der Herr Bundeskanzler und Kunstkanzler hat in Bregenz, wo ich allerdings vergeblich die Kunstsprecher gesucht habe – ich sehe jetzt auch nicht alle – , gesagt: Film wird ein Schwerpunktthema sein. – Wenn ich mir dann allerdings anschaue, was das ÖFI alles leisten soll, nämlich Drehbuch-Nachswuchsförderung, Marketing im In- und Ausland, Synchronisation, zweisprachiger Dreh und so weiter, dann wird mir klar, daß wir dem ÖFI diese Aufgaben nicht mit einem Mehrbudget von 20 Millionen Schilling zuschustern können. – Wenn der Herr Bundeskanzler sagt – und das glaube ich ihm jetzt einmal –, daß Film ein Schwerpunktthema ist, dann muß zu dieser Summe von 20 Millionen eine zweite Null. Woher er das Geld nimmt, das weiß ich nicht, aber er wird es schon wissen!

Ich komme zu den Bundestheatern. Ganz kurz: Es ist eine Erbsünde passiert. Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Volksoper des Direktors entledigt hat – das heißt, nachdem er ans Burgtheater gegangen ist –, hätte man verhandeln müssen, wer dort der Nachfolger wird, und zwar gleichzeitig. Zu diesem Zeitpunkt wäre nämlich Herr Wopmann noch frei gewesen, wenn man nicht herumgetrödelt hätte.

Es stellt sich die Frage, ob dieser Zustand nicht bewußt herbeigeführt wurde, und zwar vom zuständigen Generalsekretär, um sich selbst bei der Kandidatensuche dann als Lösung zu präsentieren. Wer aber präsentiert sich da? – Es handelt sich um jenen Mann, der in seiner gesamten Amtszeit den größten Kostenfaktor an den Bundestheatern, nämlich die Kollektivverträge, nie ernsthaft verhandelt hat. Es präsentiert sich einer, von dem der Opernchef gesagt hat, er könne nur mit Betriebsvereinbarungen überleben, weil der Kollektivvertrag ihm das Überleben dort nicht sichert. Dieser Mann hat das Chaos am Burgtheater nicht nur still geduldet, er hat es vielmehr gerade durch diese Duldung ermöglicht. Dieser Mann steht an der Spitze des Generalsekretariats, und der Opernchef sagt, daß es ohne dieses Generalsekretariat besser ginge. Daß der Staatsoperndirektor ihn loswerden möchte, das verstehe ich schon, denn ohne ihn geht es leichter. Aber Weihnachten kommt erst; außerdem sind die Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat, vorbei.

Ich meine, Georg Springer ist ein Mann, der als Generalsekretär seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Wenn das Empfehlung genug ist, ihn an die Volksoper zu transferieren, dann wünsche ich dem Herrn Bundeskanzler dazu viel Glück! (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Die 20 Minuten sind abgelaufen. Sie müssen den Schlußsatz sagen.

Abgeordneter Franz Morak (fortsetzend): Wir hätten noch gut 20 Minuten weiter tratschen können. Wie ich sehe, war das Vergnügen nicht einseitig. – Ich danke Ihnen vielmals. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

11.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Motter hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete, beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. 2 Minuten Redezeit.

11.06

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege Morak! Es war teilweise wirklich ein Vergnügen, Ihnen zuzuhören. Ich möchte aber trotzdem berichtigen, daß ich in keiner Weise gesagt habe, daß Künstler eine klebrige Abhängigkeit vom Staat haben.

Herr Kollege Morak! Für mich sind Künstlerinnen und Künstler, wie auch Sie einer sind, freie, unabhängige Menschen im Handeln und Denken. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

11.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Lieber Josef Cap! Ich will mich im folgenden insbesondere mit der Position der SPÖ und des SPÖ-Kultursprechers auseinandersetzen, weil ich das für die dringlichste Debatte halte. Ich will mich nicht mit den Ausführungen des Kunstbeamten Franz Morak auseinandersetzen. (Abg. Dr. Maitz: Das geht auch gar nicht!) Denn wer gegenleistungslos derart aus dem vollen geschöpft hat, bei dem verstehe ich, daß er die sogenannten Tröpfchen aus dem oftmals mißbrauchten Bild der Gießkanne vielen nicht gönnt. Insofern richtet sich das mit der klebrigen Abhängigkeit selbst, meine Damen und Herren von der ÖVP!

Es ist mir sehr wichtig, etwas klarzustellen, weil Stella Rollig in diesem Haus nicht sprechen kann. Ich beziehe mich dabei auf einen Text von ihr. Unter dem Titel "Vier Fäuste gegen Rudolf Scholten oder die Kunst der Demagogie" wehrte sie sich massiv gegen die politische verbale Vergewaltigung, um die es sich tatsächlich handelt. Sie wehrt sich dagegen, daß man ihr das Wort im Munde umdreht. Einmal mehr beklagt sie, daß kritische, differenzierte Töne in diesem Land nicht Anlaß geben für die Bereitschaft zur abwägenden Erörterung, sondern nur auf den Willen zur Demagogie stoßen. – Dem habe ich nichts hinzuzufügen. (Abg. Dr. Maitz: Polemik à la Petrovic!)

Meine Damen und Herren! Lieber Josef Cap! Zur Diskussion, die wir hier führen: Du hast in deinen Ausführungen einmal mehr insbesondere das Schreckgespenst der FPÖ-Kulturpolitik dargestellt. Du hast dich intensiv mit Sichrovsky und mit Krüger auseinandergesetzt, du hast dabei aber vergessen, daß nicht Sichrovsky und nicht Krüger in diesem Land für Kunst- und Kulturpolitik zuständig sind, sondern der Kanzler im Sinne der oftmals zitierten Chefsache und sein Staatssekretär.

Es ist dieses merkwürdige Doppelspiel der SPÖ, das jetzt auch im Bereich der Kunst- und Kulturpolitik voll stattfindet. Wir haben das in vielen anderen Bereichen schon erlebt – zum Beispiel in der Frauenpolitik mit Johanna Dohnal, mit den mutigen Leitbildern, als sich dann in einer ganz konkreten Auseinandersetzung über Sexismus hier im Hohen Haus herausgestellt hat, was tatsächlich geschieht. Wir haben es erlebt im Zusammenhang mit den Ausländerinnen und Ausländern: Da oder dort werden bei Festen oder Integrationsveranstaltungen sehr, sehr wichtige Worte gesagt, aber die Politik der EDV-Bescheide und Massenabschiebungen geht ganz seelenruhig über die Bühne.

Jetzt hat diese janusköpfige Politik auch den Bereich der Kunst- und Kulturpolitik erreicht. (Abg. Mag. Posch: Besonders viel verstehen Sie aber nicht von Kunst!) Josef Cap verteidigt hier das Bollwerk gegen Sichrovsky und gegen Krüger. Ich vermisse jedoch die Auseinandersetzung mit dem, was in der Regierung geschieht, ich vermisse die Auseinandersetzung mit dem abwesenden Kanzler, ich vermisse die Auseinandersetzung mit den Aussagen des Staatssekretärs Wittmann. Wie ist deine Haltung dazu, Josef Cap, wie steht die SPÖ dazu? (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )


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Ich zitiere kurz aus dem Programmentwurf der Grünen zur Kulturpolitik: Die Politik hat sich des Urteils darüber, was Kunst und was nicht Kunst ist, zu enthalten. Die Entscheidung darüber, was Kunst ist, wird von den KünstlerInnen bestimmt. Dem Kunstdiskurs, an dem sich KünstlerInnen, KritikerInnen, das Publikum beteiligen, obliegt die Bewertung. PolitikerInnen können an diesem Diskurs teilnehmen. Sie haben jedoch keinen privilegierten TeilnehmerInnen-Status und keine privilegierte Definitionsmacht darüber, was Kunst ist oder nicht ist.

Die Finanzierung des zeitgenössischen künstlerischen Schaffens, das durch die Verklärung von Heimat und Tradition einerseits und durch kulturstürmerische Tendenzen andererseits immer wieder gefährdet ist, ist den Grünen ein wichtiges Anliegen, und insbesondere wollen die Grünen explizit gesellschaftskritische und widerständische Kunst finanzieren.

Was gesellschaftskritisch oder widerständisch ist oder was sich im Laufe der Entwicklung so herausstellt, das ist oft von Beginn an nicht absehbar, das ist auch für viele von uns nicht beurteilbar. Es gibt oft Pflänzchen, die sich dann anders entwickeln. Es kann sich so verhalten, wie im Lichte des aktuellen Diskurses Julian Schutting schreibt, daß oftmals, wenn in Gärten Pflanzen gegossen werden, sich viele schöne Überraschungen herausstellen, daß das scheinbar unnütz Mitgegossene ins Stattliche heranwächst, oftmals zur Enttäuschung des Kaisers von China oder Japan, der sich vielleicht anderes erwartet hat, was da wachsen könnte.

Herr Staatssekretär! Sie haben in vielem die Diktion der FPÖ aufgegriffen. Sie haben, wie ich meine, sehr bewußt dieses nur zur Denunzierung geeignete Bild der Gießkanne aufgegriffen. Sie haben von "Staatskünstlerinnen" und "Staatskünstlern" gesprochen, und zwar in Ihren Worten, und Sie haben zu einer Zeit, in der es um die massive soziale und finanzielle Bedrohung vor allem des alternativen und widerständischen Kunst- und Kulturbetriebs geht, eine Diskussion um Stiftungen und Ausgliederungen vom Zaun gebrochen, bei der es Ihnen – so sage ich – nicht um die Frage geht, wie man etwas am besten und am praktikabelsten managen kann, sondern bei der es um Drosselungen und Kürzungen geht. Man geht ganz bewußt vom Bild der Gießkanne und vom bewässerten Garten weg, offenbar um in Zukunft in Richtung einiger weniger gut bewässerter Oasen inmitten einer Wüste oder Steppe zu gehen, wo es schon vorkommen kann, daß Pflanzen und Pflänzchen vertrocknen.

Die Künstlerinnen und Künstler haben sich mit dieser SPÖ-Linie auseinanderzusetzen. Und das ist die Linie der SPÖ, denn eine Regierungspartei ist nicht nach dem Schattenboxen und nach der verbalen Spiegelfechterei des Kultursprechers im Parlament zu beurteilen, sondern nach ihrer Regierungspolitik. Diese Politik steht auf dem Prüfstand, nicht die verbalen Turnübungen des Kultursprechers! (Beifall bei den Grünen.)

Künstlerinnen und Künstler haben in einem Pressetext dazu festgehalten: Kulturpolitik wird in Österreich als Kulturkampf an den Stammtischen betrieben, weniger als konzeptuelle Arbeit von ExpertInnen. Wenn es Strategien zur Kulturpolitik gibt, dann sind diese geheim oder unbewußt. – Später heißt es dann in diesem Text: Die heimliche Kulturpolitik gedeiht so prächtig, daß sie den Schutz der Heimlichkeit verläßt. Es beginnen unheimliche Zeiten.

Ich möchte noch viel weiter gehen: Ich bin sicher, daß das keine geheime und vor allem keine unbewußte Politik, sondern Strategie ist. Das ist die Strategie des Machterhalts. Wir haben das – ich habe es vorhin dargestellt – in vielen anderen Bereichen auch schon erlebt: bei der Polarisierung der Geschlechter, bei der Polarisierung von InländerInnen und AusländerInnen. Zurzeit geht es um eine Polarisierung von Alten und Jungen, jene, welche – unter Anführungszeichen – "auf unsere Kosten" studieren, und jetzt wird diese janusköpfige Politik, die offensichtlich Methode hat, auch auf den Kunst- und Kulturbetrieb ausgedehnt.

Warum sage ich, daß diese Politik Methode hat? – Es liegt ja auf der Hand: Die SPÖ kann sich ihres Koalitionspartners nicht mehr sicher sein, er ist gemäß Umfragen zu unbedeutend geworden, er zerbröselt. (Abg. Dr. Maitz: Das hätten Sie gern! – Abg. Schwarzenberger: Das trifft viel stärker auf die Grünen zu!) Vielleicht muß man sich bald schon nach einem anderen Koalitionspartner umsehen, und dort könnte die Kunst- und Kulturpolitik ein Stolperstein sein. Und darum heißt es: Gebt sie doch an eine unpolitische, unparteiliche Stiftung ab, entfernt sie aus der Liste


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der Gründe, aus denen vielleicht einmal ein anderes Koalitionsabkommen verhindert werden könnte!

Ich denke auch an die Hauptklientel, auf die sich die sozialdemokratische Aufmerksamkeit vor Wahlen immer stärker konzentriert: die Pensionistinnen und Pensionisten, die man auch in die Polarisierung getrieben hat. In Anbetracht dieser Wählergruppe kann es ja auch nur nützlich sein, wenn man gerade diese widerständische und nicht mehrheitsfähige Kunst und Kultur herausgibt, wenn der Strahlekanzler mit diesen Dingen nicht belastet ist, wenn er nicht Partei ergreifen und Stellung nehmen muß. Fort damit! Das wäre ein Stolperstein weniger bei der zahlenmäßig wichtigsten Klientel.

Letztlich die Medien: Es wären doch sehr viel Ballast und Widrigkeiten aus dem Weg geräumt, wenn man die auflagenstärksten Zeitungen auf diese Weise ruhigstellt. Der Chef delegiert die Chefsache weg, katapultiert sie hinaus! – Das ist Strategie, das ist Methode, das ist nicht unbewußt. Eine solche aalglatte, stromlinienförmige, mehrheitsfähige Politik zielt darauf ab, vor allem in bestimmten Medien, die eine höhere Auflage haben als der "Falter" oder andere Zeitungen, Akzeptanz zu erreichen.

Das hat sehr wohl Methode, das strebt man so an, weil man ganz genau weiß, was geschieht, wenn man die Kunst- und Kulturpolitik und den Kunst- und Kulturbegriff den Stammtischen überläßt. Es ist klar, was dann passiert!

Es hat auch Methode, ist kein Lapsus und keine mangelnde Information des Kanzlers, wenn er sich in unqualifizierter Art und Weise mit dem bereits vielfach zitierten Staatswappen von Hermine Spann auseinandersetzt. Es war dem Kanzler sehr wohl bewußt, worum es geht, es war auch dem Staatssekretär bewußt, aber man will das denunzieren, so wie man vorher schon bei der experimentellen Arbeitsmarktpolitik mit derselben Strategie verfahren ist: Man hat sich einzelne Projekte mit einem vielleicht in der Öffentlichkeit aneckenden Namen vorgenommen und sich darüber lustig gemacht. – Es gibt nichts Schlimmeres, als sich über kritische, widerständische Arbeiten lustig zu machen! Gerade 70 Jahre nach dem Brand des Justizpalastes wäre es der Sozialdemokratie sehr wohl gut angestanden, eine kritische Arbeit zu Staatssymbolen und Staatswappen zu loben und zu fördern! (Beifall bei den Grünen.)

Das hat Methode, und das ist in der Tat unheimlich. Aber ich denke, die Unheimlichkeit wird geringer, wenn die Motive durchschaubar und in dieser klaren Form erkannt werden. Es kommt nicht darauf an, was Josef Cap hier als Kultursprecher sagt, es kommt auch nicht auf den Diskurs mit Sichrovsky an. Ich frage daher Josef Cap: Wer hat Interesse daran, daß permanent Feindbilder beschworen werden und gesagt wird: Wir schützen das Bollwerk, dort ist das Feindbild? Wichtiger ist: Wie ist die Haltung hier? Wie lautet hier der Diskurs? Welche kritischen Worte werden hier angebracht, und wie willst du, Josef Cap, sicherstellen, daß jetzt nicht mit den Künstlerinnen und Künstlern dasselbe passiert, was mit den AusländerInnen, den StudentInnen, den Frauen, den SozialhilfebezieherInnen schon passiert ist?

Ich kann und will keine Empfehlungen vor allem an die Künstlerinnen und Künstler geben, ich denke mir nur meinen Teil. Es hat einmal in einem zurückliegenden Wahlkampf ein Plakat der Grünen gegeben, darauf war ein Bleistift abgebildet, und darunter stand der Text: Zu den Waffen! – Ich glaube, das ist auch jetzt angesagt. Über diese bewußt verursachte Politik, mit Gespenstern und Feindbildern High-noon-Stimmung zu produzieren, damit man dann sagen kann: Wir sind das geringere Übel!, über diese klar durchschaubare Strategie sollte man schreiben und immer wieder reden. Das sind die Waffen, die die Künstlerinnen und Künstler haben, ihre friedlichen Waffen: ihre Federn, ihre Bleistifte, ihre Pinsel. Damit können sie sich zur Wehr setzen. Es wird ihnen wohl nichts übrigbleiben in dieser Steppe, in dieser Wüste zwischen den wenigen gut bewässerten Oasen, als jedes, aber auch jedes Mittel anzuwenden – die Wünschelruten, die Spaten, die Leitungen, die sie anzapfen können – , um doch noch zu Wasser zu kommen und sich selbst ihre Gießkannen zu schaffen. (Abg. Dr. Cap: Das ist eine Wald- und Wiesenrede!)


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Herr Kollege, Sie haben Gelegenheit, hier Stellung zu nehmen! Es wäre interessant – auch für die Zuhörerinnen und Zuhörer –, zu erfahren, wie Sie das sehen, wie Sie hierauf kontern.

Ich halte es für wichtig, daß diese Quellen nicht versiegen, was in der Praxis bedeutet – beim "steirischen herbst" vor zwei Jahren wurde das schon thematisiert –, daß gerade die widerständischen Künstlerinnen und Künstler, die sich nicht ruhigstellen lassen, diejenigen, die immer aufbegehren und danach trachten, das Eis aufzubrechen, die Taxi fahren und in Hotels arbeiten, nicht zum Schweigen gebracht werden. (Beifall bei den Grünen.)

11.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Konrad. – Bitte.

11.25

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren den Kunstbericht 1995, und ich möchte vorweg sagen, daß es sinnvoll und wichtig ist, daß es diesen Kunstbericht gibt, weil er die Förderpraxis und auch die Situation der Kunstschaffenden sichtbar macht, weil er Entwicklungen und Schwerpunkte aufzeigt und weil er Mängel erkennbar macht, die dann diskutiert und auch behoben werden können. Man kann immer alles noch besser machen, ich meine aber, daß der Bericht jedenfalls einen guten Ausgangspunkt bildet, etwas zu verändern oder darüber nachzudenken, wie etwas verändert werden kann.

Der Bericht macht die Vergabe von öffentlichen Mitteln transparent: Das ist wichtig, das entspricht einer Forderung, die immer wieder eingebracht wird, und das ist notwendig. Und wenn dieser Kunstbericht – oft belächelt – Rechenschaft auch über die kleinsten Förderbeträge ablegt, dann können wir sehen, wie viele Menschen, wie viele Künstlerinnen und Künstler von der öffentlichen Hand mehr oder weniger unterstützt werden.

Ich möchte in meinem Beitrag aber auch auf die aktuelle Diskussion zu sprechen kommen und möchte gleich etwas zum Stichwort "Gießkanne: ja oder nein" sagen. Ein Entweder-Oder darf es in diesem Zusammenhang nicht geben, es dient der Sache überhaupt nicht, wenn man Breitenförderung gegen Spitzenförderung ausspielt. Es gibt keine Spitzen ohne Breiten, und es gibt keine Breite ohne Spitzen. Die Aufbereitung des Bodens ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, ist somit Aufgabe der Politik, und das entspricht auch unserem sozialdemokratischen Verständnis.

Selbstverständlich hat die öffentliche Hand die Aufgabe, das Risiko beim Entstehen von Kunst mit den Künstlerinnen und Künstlern, mit den Produzenten mit zu tragen. Wenn wir in diesem Punkt wahrscheinlich mehrheitlich einer Meinung sind, dann müßte uns eigentlich die Absurdität der Forderung: Politik raus aus der Kunst!, die in der öffentlichen Diskussion erhoben wurde, auch sehr schnell klar sein. Was soll denn hinein statt der Politik? (Abg. Dr. Brinek: Bürger!)

Besonders absurd ist es, wenn Politiker selbst die Forderung nach politischer Absenz oder Abstinenz erheben. Wenn nämlich Politik demokratisch legitimierte und überprüfbare Gestaltung der Gesellschaft ist, dann dürfen sich gerade Politikerinnen und Politiker aus dieser Verantwortung nicht stehlen! Das ist jedenfalls mein Verständnis.

Es ist notwendig und Pflicht und Aufgabe der Politik – und dazu bekennen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns –, daß der Staat und die Regierung Räume schaffen und fördern, in denen gegenläufiges, widerspenstiges, kritisches Kunstschaffen geschehen kann, und gerade in einer Zeit, in der viele von uns die Oberflächlichkeit des Dahinlebens, die Konsumorientiertheit und die Kaufhausmentalität der vom Zeitgeist Beseelten kritisieren, ist die Förderung von Kunst und Künstlerinnen und Künstlern notwendiger denn je.

Die inhaltliche, qualitative Auseinandersetzung mit Kunst hat der Politiker allerdings den Expertinnen und Experten zu überlassen. Aufgabe des Politikers ist es, die Voraussetzungen für das Entstehen von Kunst zu schaffen. Auf diesem Gebiet kann man durchaus Überlegungen anstellen, wie das zu bewerkstelligen ist, hier sind sicher Korrekturen notwendig und auch angebracht, aber schließlich ist die Entscheidung betreffend das Modell – Intendanten, Beiräte oder


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Kuratoren – sekundär. Wichtig ist, daß die Politik eine entsprechende Evaluierung der künstlerischen Entwicklung und der Vorhaben in unserem Land durchführt.

Ich möchte schließlich zu einem Begriff kommen, der in der Diskussion immer wieder auftaucht und auch heute hier öfters gebraucht worden ist, nämlich der Begriff "Staatskünstler". Wer spricht eigentlich von "Staatsbauern", nämlich jenen Bauern, die vom Staat subventioniert werden, weil sie sonst mit ihren Produkten – wenn sie auch noch so ausgezeichnet sind – auf dem Markt nicht bestehen könnten? Sind das deshalb schlechte Bauern?

Oder denken wir an die Forschung. (Abg. Dr. Khol: Also bitte! Die Bauern haben einen Rechtsanspruch! Bei den Künstlern suchen Sie aus! Nicht nach Rechtsanspruch, sondern nach ideologischen Gesichtspunkten! Überlegen Sie sich das!) Ja, den Rechtsanspruch für die Künstler sollten wir eigentlich noch schaffen! Damit geben Sie mir ein gutes Stichwort. Wir sollten auch für die Künstlerinnen und Künstler einen Rechtsanspruch auf Förderung schaffen. Das ist eine gute Idee. Wir werden die Diskussion in nächster Zeit in diese Richtung führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder nehmen wir, meine Damen und Herren, einmal die Forschung her, die intensiv vom Staat gefördert wird, damit Produkte, die heute noch keinen Profit abwerfen, vielleicht einmal marktfähig werden. Es kann dabei auch um Produkte gehen, die nie einen Profit erbringen werden, aber für die Menschen wichtig sind. (Abg. Dr. Brinek: Freiheit der Wissenschaft! – Abg. Dr. Khol: Da gibt es andere Gremien!)

Ich möchte den von gewissen Leuten abschätzig verwendeten Begriff der "Staatskünstler" bewußt neu und anders definieren. Der Staat trägt dafür Sorge – das ist seine ureigenste Aufgabe, dazu bekennen wir uns –, daß das, was im Kunst- und Kulturbereich ohne seine Unterstützung nicht möglich wäre, mit Staatsmitteln ganz bewußt unterstützt und möglich gemacht wird.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Warum sollte ein sogenannter Privatkünstler, der vielleicht von Herrn Lugner oder von der Firma XY gesponsert wird, besser sein als ein Künstler, der mit öffentlichen Mitteln unterstützt wird? (Abg. Böhacker: Was haben Sie gegen den Herrn Lugner?) Es tut mir leid: Wenn Sie dem Inhalt der Diskussion nicht folgen können, sollten Sie eher ruhig sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was heißt: Er kann nicht folgen? – Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Es ist um etwas anderes gegangen. (Abg. Dr. Khol: Dummheit und Stolz sind aus dem gleichen Holz!)

Mir erscheint die Debatte um die Staatskünstler eigentlich absurd. Nie zuvor haben so viele Menschen Kunst angeschaut, gehört und gelesen wie jetzt, und gerade jetzt diskreditieren Sie mit einer engherzigen, kleinkarierten Diskussion Künstlerinnen und Künstler in diesem Lande. (Abg. Böhacker: Kunstsponsoring!)

Abschließend möchte ich folgendes sagen: Eine Gesellschaft ohne Kunst, ohne Künstlerinnen und Künstler verarmt, ihr Horizont schrumpft. Wir brauchen das kreative und kritische Potential der Künstlerinnen und Künstler mehr denn je. Wir Politikerinnen und Politiker haben dazu klar Farbe zu bekennen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Bei der Frau Konrad ist es immer die rote Farbe, die zählt! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Daß der Cap dazu überhaupt klatscht, wundert mich!)

11.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. – Bitte.

11.33

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Öffentlichkeit! Lassen Sie mich den Versuch starten, österreichische Kunst einer breiteren Öffentlichkeit zu übermitteln. (Der Redner blättert in einem Katalog. – Abg. Dr. Cap: Liebe Madln und Buam! Liebe Bierbrauer! – Abg. Dr. Khol: Liebe Fotofreunde!) Lassen Sie mich versuchen, das zu transportieren.


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85. Sitzung / Seite 48

Kunst ohne Worte. (Ruf: Das ist aber ein dickes Buch! – Abg. Schwemlein: Das ist das einzige, das der Schweitzer gelesen hat! – Abg. Böhacker: Schwemlein, es kommt noch dicker!) Beschrieben: Mitte, Seite, Rand, oben, unten, rechts, links. Mitte, Seite, Rand, oben – das setzt sich über viele Seiten so fort. (Abg. Schwemlein: Dir wäre ein Buch mit gotischen Buchstaben lieber! – Abg. Dr. Khol: Das hat dein Chef gestern besser gemacht! – Weitere Zwischenrufe.)

Lassen Sie mich Kunst rezitieren: Scheißen und brunzen sind Kunsten. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: So etwas wird subventioniert!) Scheißvater, Scheißmutter, Scheißbruder, Scheißschwester, Scheißkind. Auch übersetzt ins Englische: shitty uncle, shitty aunt, shitty grandfather, shitty grandmother, shit. (Abg. Schwemlein: Ein möglicher Ordnungsruf verhindert, daß ich diese Reihe fortsetze! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Weiters ist Kinderpornographie dargestellt und ganz normale, sehr schlecht fotografierte Pornographie, auf mehreren Seiten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Redner hält den Katalog aufgeschlagen in die Höhe. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sag, wer das finanziert hat! – Weitere Zwischenrufe.)

Noch ein Gedicht: Die Häßlichkeit ist ein Scheißdreck, die Stille ist ein Scheißdreck, die Gleichgültigkeit ist ein Scheißdreck. – Das setzt sich über weitere Seiten fort. Man könnte sagen: Dieser Katalog ist es auch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser mehrere Kilo schwere Katalog, Herr Staatssekretär, ist das Ergebnis eines Auftrages, den Sie, der Herr Bundeskanzler und das Bundeskanzleramt für die offizielle österreichische Präsentation auf der Biennale 1997 in Venedig erteilt haben. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Ich weiß nicht, was dieser Katalog den österreichischen Steuerzahler gekostet hat, Herr Staatssekretär. Ich weiß nur, daß er zu Zehntausenden in Würfelform in Venedig der Öffentlichkeit präsentiert wurde und daß zur Mitnahme aufgefordert wurde. (Abg. Schwemlein: Sehr gut!) Dann ist diese Visitenkarte der österreichischen Kunst in den Kanälen, Straßen und Gassen Venedigs herumgelegen, nachdem man sich vom Inhalt überzeugt und ihn als nicht sonderlich begeisternd empfunden hatte. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Dieser Katalog enthält viele öde Texte, leere Seiten (Abg. Schwemlein: Wer sagt das?) und vor allem – wie Sie immer sagen – eine Ansammlung der vielzitierten Provokation als Kunst. (Abg. Schwemlein: Das ist die Pflicht der Künstler!) Jawohl, die Provokation als Kunst! (Abg. Schwemlein: Ist das jetzt Kunst, was Sie betreiben?) Diese ist aber dann umso bedenklicher, Kollege Schwemlein, wenn dabei reine Pornographie, ja wenn Kinderpornographie zur Darstellung kommt – in einer Zeit, in der in Belgien eine ganze Nation gegen Kinderschänder und Kinderpornographie auf die Straße gegangen ist, Herr Kollege Schwemlein (Beifall bei den Freiheitlichen) , in einer Zeit, in der auch in Österreich immer mehr derartige Fälle aufgedeckt werden, in einer Zeit, in der wir – Sie von Ihrer Partei, und alle anderen Parteien ebenso – voller Entrüstung über diese Entwicklungen diskutiert, uns eingehend damit befaßt und auch schärfere Gesetze beschlossen haben. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Scheinheiligkeit!)

Herr Kollege Schwemlein! Was ist denn die Kunst bei diesen Darstellungen? Herr Staatssekretär! An Ihrer Stelle würde ich mich im Interesse der österreichischen Steuerzahler wirklich bemühen, den Leuten, die das finanzieren, das klar und deutlich zu machen. Sagen Sie ihnen, was Sie daran künstlerisch wertvoll finden. Die Leute haben ein Recht darauf. Es kann jeder tun, was er will. Es kann jeder seine Kunst auf seine Art und Weise machen – aber nicht mit staatlicher Unterstützung, das sage ich Ihnen! Die Steuerzahler haben ein Recht darauf, zu erfahren, warum Sie glauben, daß das alles Kunst ist und daß das die richtige Form der Darstellung der österreichischen Kunst bei der Biennale 1997 in Venedig ist.

Herr Staatssekretär! Ist Kinderpornographie für Sie Kunst? Ist das einmal mehr die Kunst, die Sie als Provokation verstehen, wie auch damals bei der kleinen Mahlzeit zwischendurch in Wiener Neustadt? Sie erinnern sich bestimmt an die Geschichte, die dann in Österreich große Wellen geschlagen hat.


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85. Sitzung / Seite 49

Ich halte es mit Professor Marian Heitger, der wohl recht hat, wenn er sagt: Ziel einer linkstherapeutischen Gesellschaft ist es, mit staatlicher Unterstützung die Beseitigung aller Schamgrenzen zu erreichen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Was das bedeutet, kann man bei Immanuel Kant nachlesen. Er sagt: Scham ist die geheimnisvolle Kraft, die uns nahelegt, in der Achtung vor dem anderen die Grenzen der Zudringlichkeit nicht taktlos zu überschreiten. – Aber mit diesem Machwerk wird sie mehr als taktlos überschritten, meine Damen und Herren (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Den ganzen Kant hast du nicht gelesen!)  – das ist ein Zitat von Kant, das sollte in dieser Diskussion für Sie genügen; mehr gleich aufzunehmen, sind Sie nicht bereit! (Abg. Öllinger: Da sollten Sie zu reden aufhören, wenn es um die Scham geht!)  –, im Auftrag des Bundeskanzleramtes, bezahlt vom Steuerzahler!

Meine Damen und Herren, Kollege Posch! Heitger meint dazu – damit schließe ich –: Zuerst tritt eine ideologisch gleichgeschaltete Schickeria auf. Sie verkündet die notwendige Abschaffung einer repressiven Gesellschaft, damit Lust jederzeit verfügbar ist. Dann treten die Folgen ein. Das Strafrecht muß verschärft werden, die Gesellschaft wird repressiver, und das muß wiederum bekämpft werden. Wann bringen wir die Einsicht, Mut und Kraft auf, diesen Kreislauf endlich zu durchbrechen? – Ich glaube, wir sollten darüber diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

11.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.41

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich kann mir eine Anmerkung zu meinem Vorredner nicht verkneifen, ich kann sie Ihnen nicht ersparen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wir wissen, daß Sie zu dieser Partie dazugehören! Das wissen wir!)

Ich möchte ihm nahelegen, sich nicht zum Schüler und Exegeten von Marian Heitger aufzuspielen. (Abg. Mag. Posch: Auch nicht von Kant! Er hat ihn nur zitiert, aber nicht gelesen! – Abg. Dr. Khol: Und wenn gelesen, dann nicht verstanden!) Ich verstehe mich als seine Schülerin, gewesene und noch immer, und verstehe mich ein wenig besser auf sein Denken und seine Schriften. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich halte mich bezüglich Kant – in Verneigung vor diesem großen Denker – zurück, bringe aber in Erinnerung, daß wir uns mit aller Sorgfalt bewußt sein sollten, daß Kunst selbstverständlich die Abschrift aller möglichen und unmöglichen, aller nur zu denkenden und auszudrückenden menschlichen Phantasien ist. (Abg. Jung: Das glauben Sie, aber nicht die Mehrheit der Österreicher!)

Darüber läßt sich streiten. Auch diesbezüglich gilt es einen ordentlichen Diskurs zu führen. Ich glaube aber nicht, daß Herr Kollege Schweitzer sich hier als der "Humer des Parlaments", als der Pornojäger der Kunstpolitik aufspielen und eine falsche Diskussion einleiten sollte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Denn ich meine, gute Indizien dafür erkannt zu haben, daß es ihm auch um ein klein wenig Gucklochpolitik geht, darum, ein klein wenig Beitrag zu leisten zur weiteren Veröffentlichung eines Themas (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), wobei es darum geht, eine ganz spezifische Abschrift in meinem vorher gelieferten Zitat weiter zu veröffentlichen und damit aus dem qualifizierten und internen kleineren Diskurskreis hinauszutragen, und zwar um des Spektakels willen. – Das ist eine Anmerkung, von der ich bitte, sie ernst zu nehmen. (Abg. Jung: Das ist kein Spektakel! Das ist aus Steuermitteln finanziert, es ist ungeheuerlich!)

Diese Texte in dem Katalog, den ich auch – nicht in allen Details – in Venedig selbst studiert habe, enthält Darstellungen und Textteile im Sinne von historischen Quellen. Es geht um den Aktionismus. (Abg. Scheibner: Haben Sie die Filme auch gesehen?) Ja. (Abg. Scheibner: Alle?) Es geht um eine Darstellung von Quellen, die in einer bestimmten Art und Weise rezipiert und diskutiert werden sollen. Künstler und Kunstpolitiker sollten diese Quellen sehr sorgfältig, sehr besonnen in einen Dialog einbeziehen und diesen Dialog führen, aber nicht um besonderen


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85. Sitzung / Seite 50

Eifers, um politischen Gutpunkte-Sammelns willen hier falsch einsetzen. – Das zu meinem Vorredner – aber das ist nicht das Wesentliche, das steht auch nicht im Kunstbericht. (Abg. Jung: ÖVP verteidigt Pornographiekatalog!)

Der Kunstbericht zitiert einige Studien – es ist die Frage der Evaluierung angesprochen worden, nicht nur von Helga Konrad –, von denen ich meine, daß die Auftragsvergabe so weit zurückliegt, daß der erst kurz im Amt befindliche Staatssekretär sicherlich mit aller Neugierde auf die Ergebnisse wartet. Sie müßten längst vorliegen. Daher meine Bitte an den Herrn Staatssekretär, dazu Stellung zu nehmen.

Ich nenne die Studie zur sozialen Lage der bildenden Künstler, erstellt vom Institut für Soziologie der Universität Wien, und die Studie zur sozialen Lage der Autoren, erstellt von Herrn Ruiss – 1993 in Auftrag gegeben, Fertigstellung für 1996 in Aussicht gestellt. Die besondere Aufmerksamkeit ist deshalb auf diese Studie zu richten, die vor dreieinhalb oder vier Jahren in Auftrag gegeben wurde, weil die davorliegende bereits drei Jahre alt ist. Jetzt liegen wir dreieinhalb Jahre nach der Auftragsvergabe und laufen Gefahr, daß wir, wenn wir sie nicht schnell auswerten, der Veralterung wegen wieder eine neue Studie – im Kettenverfahren – in Auftrag zu geben haben. – Die Logik ist klar.

Ich komme auf den Verein AKKU, Verein für aktuelle Kunst, Theorie und Vermittlung, zu sprechen. Er arbeitet an einer Studie über die österreichischen Kulturinitiativen 1995 und ist laut Bericht mit 500 000 S gefördert worden, um einen Kriterienkatalog zur effizienten Förderung zu erstellen. Wenn es uns ernst ist mit Evaluierung und Verbesserung in der Förderungsvergabe, dann muß uns dieser Kriterienkatalog interessieren, um uns weiter immunisieren zu können gegen Vorwürfe von Gschaftlhuberei, Freunderlwirtschaft und so weiter. Ich bin darauf sehr neugierig und denke, daß dieses Ergebnis auch den Herrn Staatssekretär interessiert.

Zurück zu AKKU, also Kunst, Theorie und Vermittlung. Apropos Vermittlung: Michael Wimmer, Leiter des Österreichischen Kultur-Service, wies in seinem "Standard"-Kommentar dieses Sommers darauf hin, daß in modernen Staaten wie etwa den Niederlanden mehr als drei Viertel der Kunst- und Kulturausgaben für Vermittlung aufgewendet würden. Da stimme ich ihm zu, und ich glaube auch, sein Anliegen gut zu verstehen. Es ist nicht gemeint, daß jeder Kunstrezipient oder Kunstinteressierte von seinem – im klassischen Sinn – Museumspädagogen oder Kulturvermittler an der Hand geführt werden soll und daß es à la longue bald mehr Vermittler als Schaffende gibt, sondern ich meine, es ist damit eine Vermittlungsqualität angesprochen, der wir uns annähern müssen und die sich auf der individuellen, persönlichen Ebene vollzieht, aber auch auf der institutionellen.

Ich will auf etwas Bestimmtes hinaus – Sie haben das erkannt –, etwas, was mir in besonderer Weise am Herzen liegt und von dem ich meine, daß es exemplarisch ein institutioneller Weg ist, um diese Vermittlung in gesamthafter Form ideal zu leisten. Was meine ich damit? – Etwas, was sich in Österreich – erstmals in Wien vor einigen Jahren als Versuch gestartet – "Kindermuseum" nennt. (Die Rednerin hält eine Broschüre in die Höhe.) Das Kindermuseum "Zoom" – hier ist seine neue Ausstellung angekündigt – ist eine in dieser Weise vorbildlich interdisziplinär und einführend arbeitende Einrichtung, die sich gegenwärtig und wahrscheinlich auch künftig durch die Unterstützung von diversen Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden – nährt, und ich bitte den Herrn Staatssekretär, diese wunderbare Einrichtung weiter und noch mehr als bisher zu unterstützen, weil ich meine, daß mit dieser Art von Kunst- und Kulturkonsumenten-, besser Kulturrezipienten- oder Kulturaktivistenförderung viel von dem geleistet wurde und wird und werden soll, was sich insgesamt als Auftrag durch Studien, durch den Kunstbericht und so weiter zieht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Fuhrmann und Motter. )

Herr Staatssekretär! Unterstützen Sie dieses Kindermuseum mit aller Kraft weiter und noch mehr. Es lohnt sich, in späteren Jahren noch stärker als bisher.

Herr Staatssekretär, lassen Sie mich einen weiteren Aspekt ansprechen. Er wurde in großartig überzeugender und selbstevidenter Weise von meinem Fraktionsvorredner Morak ausgeführt.


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85. Sitzung / Seite 51

Ich komme auf das Interview mit Peter Weibel zu sprechen und möchte auf drei Dinge eingehen. Weibel sagt:

"Drei Punkte wollte und will ich durchsetzen: Spitzenförderung, Akzeptanz der eingereichten Verträge ohne Etikettenschwindel und Förderung ungewöhnlicher Projekte."

Herr Staatssekretär, Peter Weibel gesteht sein Scheitern ein. Bitte geben Sie dazu Auskunft. Sie wissen, was gemeint ist: Etikettenschwindel bezieht sich auf höhere Angaben in den Ansuchen, als ernsthaft dahintersteht, um wenigstens die Hälfte – ist gleich das Tatsächliche – zu bekommen; weiters keine Möglichkeit, Spitzenprojekte und ungewöhnliche Projekte zu fördern.

Das zweite: Peter Weibel sagt, ein Teil des Scheiterns einer – ich sage das in graduellem Sinn – noch gerechteren, gemäßeren Kulturpolitik liegt darin, daß sich der gesamte Beirat aus Wienern zusammensetzt.

Der dritte Punkt – auch in der sommerlichen Kulturdebatte angesprochen –: "Nachdem der Beirat" – so Peter Weibel – "österreichintern gut funktioniert, sollten Kuratoren ihre Mittel vermehrt für den Kunstexport einsetzen." Wie hat Franz Morak gesagt? – Die Leistungsbilanz stimmt nicht. Wir sind Importeure.

Das kann nicht sein! Peter Weibel verweist darauf, daß wir auch – natürlich gilt das nicht für den Katalog und für das Berichtsjahr 1995 – schon aktives EU-Mitglied sind, und ich denke, daß im nächsten Kunstbericht viel darüber zu berichten sein wird, wo unsere Achse zu anderen Ländern ist, warum nur England und Frankreich Exporteure von Kunst in Europa sind. – Viele Fragen, hoffentlich einige Antworten.

Und noch einmal ein Hinweis auf die nächste Ausstellung des Kindermuseums ab 7. Oktober: "Schall und Rauch". – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

11.51

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Schweitzer hier ans Rednerpult gekommen ist und den österreichischen Katalog der "Wiener Gruppe" präsentiert hat und ich jetzt erkennen kann, daß offensichtlich noch niemand von den freiheitlichen Mandataren diesen Katalog gelesen, man sich aber vorher schon entrüstet hat (Abg. Jung: Das war kein Versäumnis! – Abg. Scheibner: Ich habe ihn gelesen!)  offensichtlich hat ihn niemand gelesen, sonst würden Sie diesen Katalog nicht so eifrig studieren –, hätte ich auch noch eine Frage an den Kollegen Schweitzer (Abg. Scheibner: Hat er dir gefallen?) : Warst du eigentlich bei der Biennale, hast du dir das selbst angeschaut? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja unwesentlich!) Hättest du dir die Biennale nämlich angeschaut, dann müßtest du nicht nur wegen des österreichischen Beitrags, sondern deinem Kunstverständnis nach offensichtlich wegen vieler Beiträge permanent in Ohnmacht gefallen sein. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es geht nicht um die Biennale! Wir sind hier im österreichischen Parlament!)

Offensichtlich besteht von seiten der Freiheitlichen ja überhaupt kein Interesse daran, sich mit Kunst, mit moderner Kunst auseinanderzusetzen.

Um auf diese Debatte noch einmal einzugehen, Kollege Schweitzer: Ich habe mir die Biennale angeschaut, auch den österreichischen Pavillon, und ich kann dir sagen: Ich hätte auch etwas zu kritisieren an der österreichischen Darstellung bei der Biennale. (Abg. Haigermoser: In welche Richtung?) Ich hätte zu kritisieren, daß Österreich mit einem Beitrag präsent war, der eigentlich schon Geschichte ist (Abg. Haigermoser: Ja!) , Vergangenheit. Ich glaube, daß es Österreich eigentlich besser angestanden hätte, sich mit Künstlern zu präsentieren, die jetzt im Land – vielleicht von seiten der Freiheitlichen – verfemt werden. (Abg. Kiss: Das glaube ich auch!) Das wäre eine Möglichkeit gewesen. (Abg. Haigermoser: Mit wem zum Beispiel? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Beispiele!)


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85. Sitzung / Seite 52

Aber eines sage ich an die Adresse der Freiheitlichen und des Kollegen Schweitzer im besonderen: Sich in dieser Art mit der "Wiener Gruppe" auseinanderzusetzen (Abg. Jung: Schon die Bezeichnung "Wiener Gruppe" ist eine Schande!) , auch mit dem Aktionismus im besonderen, das ist wirklich sehr, sehr primitiv. (Beifall bei den Grünen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich sage das auch deswegen – ich muß meine Kritik an dieser österreichischen Präsentation relativieren –, weil ich im Ausland und bei den Biennale-Besuchern (Abg. Haigermoser: Namens Öllinger!) , die ich studiert habe, weil ich diesen Pavillon ja länger frequentiert habe, feststellen konnte, daß der österreichische Beitrag, vor allem von italienischer Seite, durchaus beachtet wurde. Denn dort wird der Aktionismus, dort werden die Arbeiten der "Wiener Gruppe" goutiert. Das ist ja auch nicht nur Aktionismus, denn wenn man diesen Katalog liest, weiß man, daß es nicht nur um den Wiener Aktionismus geht, sondern daß da sehr viel mehr dahinter ist in dieser "Wiener Gruppe" als nur der Aktionismus. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das weiß man doch, wenn man diesen Katalog studiert. Man kann sich doch nicht hier herausstellen und ein paar Bilder präsentieren und daraus ableiten, daß die Art und Weise, wie der österreichische Beitrag bei der Biennale gestaltet war, pornographisch war. Das ist doch dumm! Das ist doch wirklich primitiv, sich in dieser Art und Weise mit österreichischer Gegenwartskunst auseinanderzusetzen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Was Sie sagen, ist präpotent!) Ich halte die Art dieser Debatte für wirklich beschämend! (Abg. Haigermoser: Oberpräpotent!) Man kann doch heute nicht mehr hergehen und Kunst diskutieren nach dem Kanon des 17. oder 18. Jahrhunderts. (Abg. Haigermoser: Ein Linksextremist wie Sie braucht uns überhaupt nicht zu belehren!) Ja auch du mit deiner Kaufmanns- und Krämerseele, Kollege Haigermoser, bist wahrscheinlich fehl am Platz, eine geeignete und qualifizierte Aussage über Kunst in Österreich zu treffen. Die Krämerseele alleine wird nicht dazu geeignet sein, hier einen entsprechenden Beitrag zu leisten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Linkslinksextremist!)

Ich glaube, es braucht mehr. Es braucht die Bereitschaft, sich mit Gegenwartskunst, mit moderner Kunst auseinandersetzen. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn diese Bereitschaft nicht gegeben ist, weil klar erkennbar ist, weil man sieht, daß eigentlich nur Erregung produziert werden soll, daß nur Vorurteile provoziert werden sollen, dann muß man sich erstens fragen: Wo liegt die Provokation? (Abg. Haigermoser: Bei Ihnen! Sie sind der Oberprovokateur!) – Sie liegt auf der Seite der Freiheitlichen.

Zweitens muß man sich fragen, ob die Art der Debatte, wie die Freiheitlichen sie führen, auch geeignet ist, einen sinnvollen und wertvollen Beitrag zur Diskussion über Gegenwartskunst zu leisten. Ich muß nach dem, was ich bisher gehört habe, sagen: Das ist nicht der Fall! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verstehen von gar nichts etwas! Weder von der Kunst noch von sonst etwas! – Abg. Schwemlein: Kennst du den Katalog, den die Freiheitlichen bei der nächsten Biennale im Bärental präsentieren werden? – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Sie haben Oberprivilegien, Kollege Schwemlein!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, damit könnte man das Kapitel "Freiheitliche Kunst- und Kulturpolitik" abschließen. (Beifall bei den Grünen.) Ich halte es wirklich für beschämend, und ich kann Kollegin Brinek nur voll unterstützten in ihrem Bild von der Schlüssellochpolitik, die da betrieben wurde und wird. Es ist doch wirklich fatal, wenn man einen Katalog hernimmt, hier vom Rednerpult aus sagt: Das ist pfui! Schaut euch diese Bilder an! Erschreckend provokativ! (Abg. Madl: Das stimmt ja!) , und sich dann nach hinten stellt und sich ganz genüßlich die Bilder und alles, was in diesem Katalog ist, noch einmal zu Gemüte führt – selbstverständlich unter furchtbarer Entrüstung, wie ich sie in den Reihen der Freiheitlichen jetzt bemerken konnte. (Abg. Jung: Wie der Schelm denkt, so ist er! – Abg. Haigermoser: Steigen Sie aus dem Schafspelz heraus!)

Meine Damen und Herren! Das Thema meiner Wortmeldung ist aber eigentlich nicht die Kunst. (Abg. Haigermoser: Wählen Sie ein anderes Kleid! Da nützt auch die Krawatte nichts! Gehen Sie aus dem Schafspelz heraus!) Ich glaube, die Politik sollte in ihrer Auseinandersetzung mit moderner Kunst etwas zurückhaltender sein, sollte der Kunst in diesem Land den Rücken


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stärken, sich aber derartiger Wertungen und Äußerungen, wie sie nicht nur von Ihrer Seite passiert sind, weitestgehend enthalten. Da ist die Politik manchmal nicht qualifiziert genug. (Abg. Mag. Schweitzer: Erklären Sie das den Leuten, die das finanzieren sollen, warum sie das bezahlen sollen!)

Ich erinnere daran: Es war ebenfalls ein Bundeskanzler der Sozialdemokratischen Partei, einer, der zwar nicht Kunstkanzler war, sich aber ein Urteil über Gegenwartskunst angemaßt hat, nämlich Kanzler Vranitzky, der sich in einer Auseinandersetzung mit einem sogenannten Staatskünstler, wie das ja jetzt inzwischen teilweise offizielle Terminologie der Sozialdemokratie ist, nämlich mit Thomas Bernhard, ordentlich die Finger verbrannt hat. (Abg. Haigermoser: Sie möchten ja die Staatskünstler! Da sind Sie beheimatet!) Vielleicht können Sie sich noch erinnern, meine Damen und Herren: Es war Bundeskanzler Vranitzky, der versucht hat, die Auseinandersetzung um das Stück "Heldenplatz" mit Thomas Bernhard öffentlich zu führen, und ich meine, in einer Art und Weise, wie sie nicht gut war und wie sie der Politik nicht gut ansteht.

Ich meine, die Politik – da sind Sie, Herr Staatssekretär, aber vor allem der Kunst- und Kulturkanzler gefragt – sollte ihren Auftrag wahrnehmen und der Kunst und der Kultur in diesem Land den Rücken stärken. Ich spreche hier nicht als der Kultur- und Kunstexperte, ich spreche hier nicht als der Kunst- und Kultursprecher der Grünen, sondern als der Sozialsprecher, und ich sage Ihnen: Gerade in diesem Bereich wäre einiges notwendig, Herr Staatssekretär.

Es geht im wesentlichen darum, daß durch die Gesetzgebungen beziehungsweise die fehlenden Gesetzgebungen der letzten Jahre eine für viele Künstler und Kulturschaffende unerträgliche Situation geschaffen worden ist. Ich erinnere an die Werkvertragsregelung, in der es zwar Ausnahmen für Kunstschaffende gibt, aber niemand von denen, die diese Ausnahmen hineingeschrieben haben, weiß, wer jetzt zu den Kunstschaffenden gehört oder wo in der Kunst- und Kulturarbeit der Bereich anfängt, der nicht mehr Kunst ist, sondern bei dem es nur mehr um technische Zuarbeiten geht.

Mit diesen Problemstellungen haben Sie die Künstler und Kulturschaffenden in diesem Land weitgehend alleingelassen. Sie lassen sie weitgehend allein, wenn es darum geht, sich um ihre Altersversorgung zu kümmern, sich um eine Krankenversicherung zu kümmern. Das, was Österreich hier zu bieten hat, meine Damen und Herren, ist erbärmlich und fällt weit hinter den Standard anderer Länder zurück! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Motter. )

Herr Staatssekretär! Nachdem Sie bis jetzt in dieser Debatte beharrlich geschwiegen haben, erwarte ich mir, wenn Sie dann Stellung nehmen, auch ein Wort zur sozialen Situation der KünstlerInnen und Kulturschaffenden hier in diesem Land, was Sie hier an Verbesserungen einzuführen gedenken, was Sie gedenken – etwa im Sinn der von allen beschworenen Harmonisierung und sozialen Absicherung der Sozialsysteme –, auch für diese Gruppen zu tun, was Sie für Ideen präsentieren, ob etwa eine Künstlerversicherung nach bundesdeutschem Vorbild geplant ist, ob Sie andere Schritte unternehmen wollen in Richtung soziale Absicherung, zumindest was die Altersabsicherung der Künstler und Kulturschaffenden betrifft, oder ob Sie mit dieser nicht sehr modellhaften österreichischen Lösung weiter fortfahren wollen.

Es sieht so aus, daß es etwas gibt für die einen, das aus bestimmten Geldern und Einnahmen gefördert und unterstützt wird, daß es eine Spezialregelung für die bildenden Künstler gibt, eine für die musischen, eine für die Literaten, wieder woanders gibt es irgendeine Spezialregelung für eine andere Gruppe, aber was es nicht gibt, ist eine erkennbare Bereitschaft der österreichischen Bundesregierung, sich auch im gesetzlichen Bereich für die soziale Absicherung von Künstlern tatsächlich und effektiv einzusetzen.

Ich erwarte mir, Herr Staatssekretär, daß Sie nicht nur zur Werkvertragsregelung, zu den notwendigen Korrekturen in der Werkvertragsregelung Stellung nehmen, sondern auch ein paar Worte über die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler in diesem Land verlieren, denn es ist erbärmlich, wenn wir am Beispiel der Debatte um H. C. Artmann, die wir ja vor einem Jahr, angezettelt von den Freiheitlichen, in diesem Land hatten, erfahren müssen, daß es renommierte österreichische Künstler gibt, die offensichtlich immer noch – auch im Alter, auch


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wenn sie renommiert sind, auch wenn sie anerkannt sind – Probleme mit ihrer Altersversorgung haben, weil sich diese Republik einfach nicht sehr viel darum schert. Ich erwarte, Herr Staatssekretär, daß Sie hier etwas deutlicher werden. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Motter. )

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte. (Abg. Öllinger  – in Richtung Freiheitliche –: Der Katalog für die Freizeit, nicht? – Abg. Jung: Den kann man nicht lesen!)

12.02

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vorausschicken möchte ich, daß der vorliegende Kunstbericht sehr übersichtlich und informativ gestaltet ist und daß er auch eine Grundlage für unsere Diskussion darstellt.

Der Kunstförderung wird vielfach der Vorwurf gemacht, daß es zu Benachteiligungen kommt beziehungsweise daß Regionalförderungen zu kurz kommen, wobei aber die Zuordnung wirklich oft nicht gerade leicht ist, speziell bei den Regionalförderungen.

Wie steht es jetzt in diesem Bericht mit den Regionalförderungen, zum Beispiel jenen in Niederösterreich? – Hier haben 1995 fünf Bühnen Gelder erhalten. 1994 waren es drei. Mußte auch die eine oder andere Bühne Niederösterreichs Kürzungen hinnehmen, so schmerzhaft sie auch sind, erfolgte insgesamt doch eine breite Förderung. Dabei gilt der Grundgedanke, manches Mal Starthilfen zu geben und nicht einen Daueranspruch entstehen zu lassen.

Überhaupt wurden laut diesem Bericht die Förderungen in Niederösterreich tendenziell ausgebaut, die Förderbasis sozusagen verbreitert. Vor allem Vereine, Initiativen und gemeinnützige Einrichtungen, die dem Land kulturelles Leben einhauchen, kommen laut dem Bericht 1995 in den Genuß dieser Förderungen. So wurde die Förderung von gemeinnützigen Einrichtungen von vier auf acht aufgestockt. Ebenfalls aufgestockt wurden die Förderungsmaßnahmen für Kunstvereine und Künstlergemeinschaften.

Bleiben wir in Niederösterreich. Haben sich 1994 zwei Vereine mit insgesamt 150 000 S abfinden müssen, so haben 1995 sechs Förderungsempfänger Gelder in der Höhe von 1 Million Schilling erhalten. Darüber hinaus, sehr geehrte Damen und Herren, wurden an die 30 Kulturinitiativen mit über 3 Millionen Schilling gefördert, fünf Investitionen, vor allem in Ausgestaltung und Baumaßnahmen, und neun saisonelle Projekte.

Gleichzeitig soll und darf Kunstförderung durch den Bund in den Regionen aber nicht zur Entlassung der Länder aus ihrer Verantwortung für die Kunst und Kultur führen, vielmehr muß sie auch im Sinne der Sparsamkeit und Effizienz ergänzend, erweiternd und kooperierend mit den Landesförderungen agieren. In der Regionalförderung wurde eine im großen und ganzen begrüßenswerte Entwicklung durch die Kunstförderungsmaßnahmen eingeleitet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Niederösterreicherin wünsche ich mir, daß Impulse für die Kunstentwicklung und für das kulturelle Leben der Regionen weiterhin tatkräftig oder – besser – auch finanzkräftig unterstützt werden, denn diese Initiativen und Vereine sind Träger weitreichender Aktivitäten, die oft weit über die Region hinaus Bedeutung haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Povysil. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.05

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich war zu diesem Kunstbericht nicht als Redner vorgesehen, ich bin kein Kunstexperte und nehme das auch nicht für mich in Anspruch wie viele Damen und Herren der Grünen, ich habe aber vorhin diesen Biennalekatalog gesehen und möchte Ihnen einfach


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Dinge, die ich darin gesehen habe, aus meiner rein menschlichen, ärztlichen, bürgerlichen Sicht darlegen.

Sie haben schon recht: Kunst soll Positives (Abg. Öllinger: Na bitte!) , Negatives darstellen, Kunst soll provozieren (Abg. Öllinger: Ja!) – auch wenn ich Ihr Kunstverständnis jetzt nicht treffe, möchte ich Sie bitten, mir zuzuhören –, wie weit aber soll diese Provokation, meine Damen und Herren, wirklich gehen?

Ich möchte Ihnen das an einem ganz einfachen, alltäglichen Beispiel aus meiner ärztlichen Praxis demonstrieren: Vorige Woche ist eine Mutter mit einem siebenjährigen Kind zu mir gekommen. Ein ganz lieber Bub, er hatte Bauchweh. Ich habe ihn mit dem Ultraschall angesehen, und dieser Bub war ein bisserl auffällig, er war sehr still – man kennt das, wenn man Kinder öfter sieht –, und er hat sehr angsterfüllt in die Welt geblickt. Er hat nicht viel geredet. Er hat im Bauch nichts gehabt. Ich habe ihn umgedreht. Er hatte riesige, große Kratzer von Fingernägeln hinten am Rücken. Ich habe den Rücken weiter unten angesehen. Er hatte einen bis hin zum Damm offenen After, aus dem er geblutet hat. Es war ein Kind, das sexuell mißbraucht wurde.

Das sind Fälle, die mir immer wieder unterkommen. Es sind Fälle, die nicht schön zum Ansehen sind, es sind Fälle, die angezeigt werden, es sind Fälle, in denen die Konsequenz dann oft eine sehr schwierige und oft auch eine mangelnde ist.

Meine Damen und Herren! Sie haben diesen Katalog ja zum Teil gesehen. Es gibt da ein Bild herinnen, das mich an diesen Fall erinnert hat. Ich wollte Ihnen diesen Fall aufzeigen, damit Sie sehen, wie man diese Dinge auch sehen kann. Ich zeige Ihnen dieses Bild nicht deswegen, weil wir da so wahnsinnig lustig diesen Katalog anschauen und weil er so toll ist, sondern ich zeige es Ihnen, weil es aus meiner täglichen Praxis ist. (Die Rednerin hält ein Blatt Papier mit der entsprechenden Darstellung in die Höhe.) Ich möchte, daß Sie das ansehen, denn so wie dieses Bild es darstellt, so hat das Kind mit dem offenen After ausgesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

800, hat Herr Innenminister Schlögl gestern gesagt, 800 anzeigepflichtige Mißhandlungen ... (Abg. Öllinger: Bleiben Sie in Ihrer ärztlichen Praxis!) Lassen Sie mich jetzt ausreden, dann können Sie wieder über Ihr Kunstverständnis reden. 800 Anzeigen wegen Kindesmißhandlung gab es in diesem Jahr in Österreich. Die Dunkelziffer dieser Kindesmißhandlungen ist sehr hoch.

Ich lade Sie ein, schauen Sie sich diese Bilder nicht im Katalog an, schauen Sie sich diese Bilder mit mir in der Wirklichkeit an! (Abg. Öllinger: Wo ist der Zusammenhang?) Vielleicht revidieren Sie dann Ihr Verständnis von dem, was staatlich geförderte Kunst sein soll. Sie haben zuerst das Wort "erbärmlich" für unser Kunstverständnis in den Mund genommen. Wissen Sie, was? Das ist erbärmlich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Kiss. 8 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich auf einen Bereich im Kunstbericht 1995 beschränken, den wir laut interner ÖVP-Absprache jetzt auch einbringen wollten – Franz Morak hat in einem Teil seiner Ausführungen darauf hingewiesen, Gertrude Brinek ebenfalls –, er betrifft all das, was die Kunstschaffenden immer wieder monieren, nämlich eine gerechte Verteilung von jenen Mitteln, die sowieso knapp sind.

Herr Staatssekretär! Sie kriegen jetzt seit Stunden Ihr "Fett" ab. Selber schuld, könnte ich jetzt etwas flapsig sagen. Als Bürgermeister haben Sie es leichter gehabt, haben Sie sich ein Profil auch in der Kulturpolitik erarbeitet, jetzt haben Sie unter anderem halt auch jene Ohrfeigen mit einzustecken für das, was eigentlich in vielen Dingen Scholten verursacht hat.


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Herr Staatssekretär! Es gibt in vielen Bereichen dieses Landes Menschen, die kreativ tätig sind, die ein Potential besitzen, das förderungswürdig ist, für das nicht nur Mittel aus der Region, nicht nur aus dem betreffenden Land, sondern auch Bundesmittel aufgewendet werden könnten – aber sie schaffen es nicht. Sie schaffen es deswegen nicht, weil es in diesem Land Förderungsprofis gibt, die ganz genau wissen, wie man bundesstaatliche Geldquellen anzapft. Sie wissen, wann man die Anträge einbringt. Sie wissen, wie man diese Anträge begründet. Sie sind informiert darüber, bei wem dann auch das entsprechende Hintergrundgespräch zu führen ist. Sie haben Zugang zu den Beiräten. – Mit einem Wort: Sie richten es sich, und das ärgert uns, und das, Herr Staatssekretär, gilt es abzustellen.

Ich bin aber nicht einer, der einfach urteilt, sondern ich lasse auch jene sprechen, die in diesem Mechanismus mit drinnen sind. Ich zitiere hier aus dem Kunstbericht 1995, den Scholten in seiner Verantwortung uns, den Parlamentariern, vorgelegt hat. Scholten läßt in diesem Kunstbericht Peter Weibel beispielsweise folgendes sagen – ich zitiere –: Es gibt außerdem zuwenig Mitglieder aus den Bundesländern. Wenn ich etwas für die Bundesländer machen wollte, für Innsbruck, Linz oder Graz beispielsweise, dann bekam ich keine Unterstützung, denn der gesamte Beirat besteht aus Wienern. Für die Zukunft wünsche ich mir deshalb auch eine Pari-Besetzung durch die Bundesländer.

Oder, wieder aus dem Kunstbericht, Gunther Schneider als Mitglied des Musikbeirates: Er weist darauf hin, daß er der einzige Nicht-Wiener im Musikbeirat ist, und merkt an, daß die im Vergleich mit Wien schwache quantitative Präsenz der Bundesländer im Förderungsvolumen nicht in einer ablehnenden Haltung des Musikbeirates oder des BMUK begründet ist, sondern vielfach darin, daß viel zu wenige Betroffene in den Bundesländern – mit abnehmender Tendenz nach Westen – wissen, daß und wo sie Unterstützung für ihre Projekte finden könnten. Hier besteht offensichtlich ein Informationsdefizit, das es aufzuheben gilt. – Zitat aus dem Kunstbericht 1995.

Herr Staatssekretär! Einige wenige Förderungsprofis wissen also, wie man zu Geld kommt. Viele in diesem Land, die kreativ sind, Menschen, die ein unglaubliches Potential haben, Menschen, die wirklich etwas bewegen wollen, Menschen, die tagtäglich beweisen, daß sie in den Ländern, in den Städten und in den Gemeinden dieses unser Land im Kulturdasein auch prädestiniert vertreten, bekommen kein Geld, weil sie nicht wissen, wie sie zu einer Förderung kommen können, weil es keinen Informationsfluß gibt, weil sie nicht aufgeklärt und nicht informiert sind. Wir als Vertreter der diversen Bundesländer registrieren, daß es in den Bundesländern unterschiedlich klappt. Die Wiener "können" es anscheinend. Die Wiener "zapfen" anständig an, und in den Bundesländern registrieren wir, daß eben nur ganz wenige Projekte landesweit gefördert werden.

Es sind überhaupt nur mehr zwei Sektionen, zwei Abteilungen, die uns einen Einblick ermöglichen in das, was auf Länderebene passiert: die Abteilung 3.2 und die Abteilung 3.7. Und wenn man dann so schaut, was es beispielsweise in den einzelnen Bundesländern an Förderungen gibt: Da gibt es eine lange, lange Liste von Möglichkeiten, wie Wien sie beispielsweise ausschöpft, aber es gibt ein enormes Vakuum, wenn es um Vorarlberg, um Tirol, um Salzburg, um Oberösterreich, um Kärnten, um die Steiermark, um Niederösterreich und um das Burgenland geht.

Ich weiß sehr wohl, daß Kunst Landessache ist. Ich weiß aber auch, daß es Aufgabe der Verantwortlichen auf der Landesebene wäre, diese Aufklärung wahrzunehmen, diesen Informationsfluß weiterzuleiten, und ich sage als Burgenländer sehr betrübt, daß, anders als zu Zeiten eines Gerald Mader, anders als zu Zeiten einer Dr. Christa Krammer, als diese beiden Kulturlandesräte im Burgenland gewesen sind, unsere jetzige burgenländische Landeskulturrätin, Christa Prets, nicht imstande ist, genau diese Aufklärungsarbeit zu leisten und diesen Informationsfluß weiterzuleiten. Sie ist eigentlich auf Bundesebene nicht existent, und sie ist auch weithin unbekannt. Sie konzentriert sich eben auf die Landesagenden – gut, recht, schön, brav, bieder –, aber bezüglich dessen, was auf der hohen Ebene des Bundes, auf dem möglicherweise glatten Parkett, Herr Staatssekretär, passiert, ist sie eine Null-Nummer.


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Ich sage also – und ich komme damit zum Schluß –: Wir, die Österreichische Volkspartei, treten dafür ein, daß es für Menschen, ob es nun Einzelkünstler, Gruppierungen, Vereinigungen oder Organisationen sind, die Kunst im überregionalen Sinn machen, die Kunst in einer sehr ambitionierten Art und Weise präsentieren, Geld geben muß als Bestandsgarantie für ihr künstlerisches Schaffen, als Beweis dafür, daß die Republik sich mit ihren Intentionen identifiziert, und wir werden als ÖVP mit Franz Morak, der ja heute bewiesen hat, daß er wirklich eine Kapazität ist, an der Spitze dafür Sorge tragen, daß Bundeskanzler Klima und Staatssekretär Wittmann in diese Richtung geführt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

12.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Freiwillige Redezeitbeschränkung 4 Minuten? (Abg. Mag. Stadler: Nein, ich würde ein bißchen mehr brauchen!) Na, suchen Sie es sich aus. (Heiterkeit. – Abg. Mag. Stadler: Ich brauche die vollen 10 Minuten Redezeit!) – Bitte.

12.16

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst an zwei Debattenbeiträge von gestern erinnern. Der erste Debattenbeitrag war jener des Klubobmannes der Österreichischen Volkspartei, Khol, in dem er festgestellt hat, wer wahrhafter Christ ist und wer nicht und daß es darum geht, die jeweiligen Christen an ihren Früchten zu erkennen. Und ich erinnere an den Debattenbeitrag des Innenministers Schlögl, der gestern als Schwerpunkt der Tätigkeit des Innenministeriums den Kampf gegen den sexuellen Mißbrauch von Kindern genannt hat, von 800 Anzeigen gesprochen und eine Dunkelziffer von 15 000 bis 20 000 Fällen von jener ekelhaften Dramatik genannt hat, wie sie die Kollegin Povysil aus ihrer Praxis geschildert hat.

Meine Damen und Herren! Und da sitzen Sie, Herr Kollege Khol, in einer Regierung, die diesen Schund (der Redner weist ein Bild aus dem betreffenden Katalog vor, das in der linken Hälfte einen liegenden nackten Säugling zeigt, rechts einen auf das Kind gerichteten Penis) in den offiziellen Ausstellungskatalog der Republik Österreich für die Biennale aufnimmt! Das ist nicht etwas, was Frau Kollegin Povysil erfunden hat. Das ist der Schund, der im Jahre eins nach den unglaublichen Vorgängen in Belgien, wo das Kind, das wehrlose, hilflose menschliche Geschöpf zur Ware heruntergestuft wird, zur Ware zum Mißbrauch und zum sexuellen Gebrauch, in einem offiziellen Katalog dargestellt ist!

Und die Regierung regt sich über diesen Kunstkatalog nicht auf. Frau Kollegin Brinek schilt uns noch, daß wir Kunstbanausen seien, Krämer seien wir, und Kollege Khol applaudiert ganz heftig. Das ist eine Frage der Gesellschaftspolitik der Bundesregierung, dieser Bundesregierung, die jetzt – ich habe es hier, Sie können das im Impressum nachlesen –, im Jahre 1997, zur Biennale im Auftrag des Bundeskanzlers Klima – Chefsache! – und seines Staatssekretärs Wittmann – damit man nicht vergißt, daß es ihn auch noch gibt – diesen Katalog erstellt hat.

Herr Kollege Wittmann! Wollen Sie sich nicht schämen für diesen Katalog? Nein? Sie finden das noch lustig? Ich zeige Ihnen gleich die nächste Geschichte.

Ich bin nicht prüde, und ich will mich nicht auf die pornographischen Darstellungen des Mißbrauchs von Kindern, die mich wirklich aufregen, konzentrieren. Aber ich habe selbst zwei kleine Kinder, und wenn ich mir vorstelle, was hier mit menschlichen Geschöpfen passiert, dann muß ich sagen, ich finde es unglaublich, daß Sie das auch noch in einen Ausstellungskatalog aufnehmen.

Der nächste Dreck ist folgender (der Redner weist Seiten aus einem Katalog vor, auf denen behinderte, entstellte Kinder abgebildet sind), und dieser Dreck findet sich über mehrere Seiten. Das ist die dramatischeste Seite dieses Drecks (auf eine Seite besonders verweisend)  – und das alles im Auftrag des Bundeskanzlers und seines Staatssekretärs. Das ist Spekulation mit dem Voyeurismus! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. ) Ja, ich zeige es Ihnen einmal, Frau Brinek, weil Sie ja nicht glauben, daß es das ist. (Abg. Dr. Brinek: Ich kenne es ja!) Ich appelliere nicht an Ihren Voyeurismus. Ich appelliere jetzt an Sie als Christin, als die Sie gestern be


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hauptet haben, Sie stellen fest, wer hier in diesem Haus Christ ist und wer nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Appellation an den Voyeurismus, und das wird international verteilt: das unglaubliche Schicksal von Eltern derartig behinderter Kinder, das Leid der Frauen, die solche Kinder auf die Welt bringen. (Abg. Dr. Brinek: Gehen Sie einmal in die Isonzo-Museumsausstellung! Schauen Sie sich die Greuel an!)

Sie brauchen mir nicht vom Isonzo zu reden. Sie sollten davon reden, was diese Bundesregierung mit den hilflosesten Geschöpfen, mit dem hilflosesten aller menschlichen Geschöpfe, nämlich mit dem Kleinkind, aufführt. Darüber sollten Sie reden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wäre an der Zeit, Ihren eigenen Fraktionskollegen, Ihren eigenen Regierungskollegen einmal etwas ins Stammbuch zu schreiben, bevor Sie sich hier aufspielen und uns des Kunstbanausentums zeihen und behaupten, das Monopol zu haben, beurteilen zu können, wer ein echter Christ ist und wer nicht. Dazu fordere ich Sie auf!

Herr Staatssekretär, Sie sind, glaube ich, als übernächster Redner zu Wort gemeldet, und ich erwarte mir von Ihnen ein Wort der Distanzierung. Ich erwarte mir von Ihnen, daß Sie sagen: Wir haben nicht gewußt, was an Schund und Dreck in diesen Ausstellungskatalog hineingekommen ist. Ich erwarte mir von Ihnen, daß Sie sagen: Das war nicht unser Auftrag, das war nicht beabsichtigt, damit haben wir nichts zu tun! (Staatssekretär Dr. Wittmann spricht mit einer Mitarbeiterin.) Lassen Sie sich kurz beraten, aber es ist eine Frage des Anstandes, und dazu braucht man keine Beratung. Wenn man Anstand hat, dann sagt man nein zu diesem Projekt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dann sagt man nach den Vorgängen in Belgien nein dazu, daß Kleinkinder dem sexuellen Mißbrauch preisgegeben werden und das auch noch als Kunst dargestellt wird.

Herr Kollege Khol! Das ist auch eine Frage des Christentums – ich meine das nicht polemisch –, ob man dagegen laut auftritt oder ob man um den Preis, in gewissen Schickimickikreisen nett gegrüßt zu werden, zu Vernissagen eingeladen zu werden, diese Dinge verschweigt. Wir tun es nicht, denn das ist auch eine Frage des Umgangs mit dem menschlichen Leben und mit dem Hilflosesten und Wehrlosesten in unserer Gesellschaft, nämlich mit dem kleinen Kind. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt nun eine Wortmeldung der Frau Abgeordneten Ablinger vor. – Bitte.

12.22

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Abgeordneten Stadler und zur Frau Abgeordneten Povysil. (Abg. Madl: Es ist besser, Sie sagen nichts!) Moment, ich muß da schon eines fragen: Wer ist jetzt schuld am Mißbrauch von Kindern? (Abg. Dr. Povysil: Die Schuldfrage ist überhaupt kein Thema!) Ist jetzt der Künstler schuld am Mißbrauch von Kindern? (Abg. Dr. Ofner: Drehen Sie doch nicht alles um! Die Republik finanziert das aus Steuermitteln und heißt das gut!) Ich weiß nicht, ich kann mich jetzt täuschen, Herr Ofner, aber eine Frage an Sie: Haben Sie damals gegen das Wegweiserecht gestimmt, als es darum gegangen ist, Gewalttäter aus der Familie zu weisen? Haben Sie damals nicht dagegen gestimmt, als es um diejenigen ging, die Kindern tatsächlich Gewalt antun? (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Und Sie stellen sich da her und machen Künstler verantwortlich! Reden wir doch über die Fakten! Reden wir doch über das, was wirklich stimmt! (Abg. Mag. Stadler: Schämen Sie sich! Sie sollten sich schämen!) Nein! Nein! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Entschuldigen Sie eine Sekunde.

Meine Damen und Herren! Wir wissen in diesem Haus, daß Kunstberichte sehr oft dazu geführt haben, daß es eine hitzige und heftige Atmosphäre gibt. Ich will den Ernst dieser Diskussion hervorstreichen, aber gerade deshalb bitte ich, daß wir jetzt versuchen (Abg. Rossmann: Sie


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machen Pornographie salonfähig! – Zwischenrufe des Abg. Scheibner. ) – Herr Abgeordneter Scheibner, ich bitte, hören Sie mir kurz zu! –, diesen Tagesordnungspunkt halbwegs so über die Bühne zu bringen, wie es einer Diskussion in diesem Haus entspricht.

Bitte, Frau Abgeordnete. Sie sind am Wort.

Abgeordnete Sonja Ablinger (fortsetzend): Das Wesentliche – und ich habe auch einen kleinen Sohn ... (Abg. Mag. Stadler: Schützen Sie ihn vor dieser Regierung! – Abg. Dr. Ofner: Passen Sie auf auf ihn!) Ich schütze meinen Sohn, keine Sorge.

Wir sollten bei den wesentlichen Punkten bleiben und nicht Zusammenhänge herstellen, die eine Stimmung erzeugen sollen, die Ihnen vielleicht recht sein mag. (Abg. Dr. Ofner: Die ist in einem Buch, die Stimmung! Unerhört, so etwas! Sie können nicht nach der Methode "Haltet den Dieb!" vorgehen!)

Kann ich jetzt ausreden?! Kann ich mich richtig erinnern, daß Sie gegen die Wegweisung gestimmt haben, gegen die Wegweisung jener Gewalttäter, die tatsächlich solche Dinge tun? (Abg. Dr. Ofner: Unerhört! Und Sie sind an einer Schule! Das ist nicht zu glauben! Eine derartige Verharmlosung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Ich bitte jetzt noch einmal um Zurückhaltung, sonst muß ich die Sitzung unterbrechen, bis Sie sich beruhigen! (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Die Dame ist Lehrerin! Das muß man auch bedenken!)

Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

Abgeordnete Sonja Ablinger (fortsetzend): Kommen wir zum Begriff "Staatskünstler", der immer wieder zitiert worden ist und der zu einem Modewort geworden ist. Mein Kollege Cap hat ja auf die berühmten Staatskünstler schon hingewiesen. Im Zusammenhang mit den Staatskünstlern setzt man sich von Ihrer Seite ja nie mit der Qualität – und jetzt meine ich nicht das, wovon Sie gesprochen haben, aber etwas Grundsätzliches, was Turrini, Jelinek und so weiter betrifft – der Kunst auseinander, sondern mit den politischen Äußerungen der Betreffenden, und aufgrund dessen werden sie zu sogenannten geförderten Staatskünstlern ernannt. Man setzt sich aber nie mit der Qualität des künstlerischen Produkts auseinander.

Natürlich kann ich sagen: Was die Jelinek öffentlich über politische Zustände sagt, was der Herr Turrini sagt, halte ich für Unsinn, halte ich für schwachsinnig, halte ich für falsch oder was auch immer. Bei verschiedenen Äußerungen würde mir so etwas auch einfallen, aber es geht ja doch um das künstlerische Produkt. Und daß ein Künstler das Recht hat, sich auch politisch zu äußern, das bereitet Ihnen offensichtlich Schwierigkeiten. Ihrer Meinung nach soll Künstlern offensichtlich das Recht genommen werden, sich politisch zu äußern.

Wir reden über die Kunst, und wir reden darüber – und dafür steht die Sozialdemokratie –, daß es in diesem Land ein Klima geben muß, das es nicht notwendig macht, daß sich der Herr Schweitzer hier herstellt und sagt, was Kunst ist und was nicht. Das erinnert doch irgendwie an die Begriffe der entarteten Kunst! Darum geht es! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Sie sollen sagen, was Sie unter Kunst verstehen, was förderungswürdig ist und was nicht!)

Für dieses Klima steht die Sozialdemokratie. Ich sage nicht, was Kunst ist und was nicht. Ich nehme mir nicht das Recht heraus! Sie aber stellen sich her und sagen, was Kunst ist. Uns geht es um ein Klima, das Kunst möglich macht. Wir stellen uns nicht her und beurteilen Künstler nach ihren politischen Äußerungen, danach, ob uns diese recht sind oder nicht. Sie beanspruchen das aber für sich sehr wohl.

Ich komme zum zweiten Punkt, und da geht es um einen anderen Bereich, der Sie vielleicht weniger aufregt, um den Bereich der Kulturinitiativen in diesem Land, die vom Bund mit zirka 5 Prozent des gesamten Budgets gefördert werden. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Förderung der Kulturinitiativen eigentlich eine geringe ist, diese Kulturinitiativen aber trotzdem


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einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Lebendigkeit dieses Landes leisten. In diesem Zusammenhang könnte man auch an so manche Beiträge von Lokalpolitikern der FPÖ erinnern, wenn es um Subventionen geht, um Lokalsubventionen für irgendwelche Gruppen – ich kenne das aus Linz sehr gut –, die darum kämpfen, für ihre kulturellen Ausdrucksformen Subventionen zu bekommen. Hören Sie sich die Äußerungen der FPÖ an, was das betrifft, und hören Sie sich an, was da an Angst, an Mißachtung und an Spott zum Vorschein kommt.

Um aber einen Blick in die Zukunft zu werfen: Welche neuen Herausforderungen für Kulturinitiativen gibt es in unserer neuen Mediengesellschaft? Informationen sind ein neuer Rohstoff in dieser Gesellschaft, und wie, glaube ich, Konrad Becker gesagt hat, unterscheidet man offensichtlich schon zwischen Informationseliten und Informationshabenichtsen. Hier könnten Kulturinitiativen in die Rolle versetzt werden, über neue Medien Bürger zu medienkompetenten Menschen zu machen, indem sie Zugänge zu Vernetzungen haben. So könnten Künstler auch einen kritischen Blick auf unsere neue Mediengesellschaft werfen, und ich glaube, Herr Staatssekretär, auch das wäre für unsere zukünftige Mediengesellschaft eine neue Herausforderung. Da sollte man sich auch budgetär etwas überlegen. Es ist eine der besten Herausforderungen. (Abg. Silhavy: ... ein Internet-Frauen-Café ...!) Ein Internet-Frauen-Café, das Subventionen bekommt. – Ja, gut. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte.

12.29

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich werde versuchen, ziemlich sachlich zu bleiben, um diese emotionell geführte Debatte nicht noch weiter anzuheizen.

Zuerst möchte ich zum Beginn dieser Debatte zurückkehren. Ich möchte eindeutig feststellen, daß es zu keinen Kürzungen im Kulturbudget kommt, weder 1997 noch 1998, noch 1999. Auch die Bindung, die für 1997 gefordert oder in allen anderen Bereichen durchgeführt wurde, konnte für 1997 abgewehrt werden, und es ist uns daher ein ganz großes Anliegen, damit auch demonstrativ zu zeigen, daß sich der Staat aus der Kulturförderung und Kunstförderung nicht zurückziehen darf, sondern umso mehr seiner Verantwortung in diesem Bereich nachkommen muß, umso lauter der Ruf nach einer Verschiebung zugunsten der Privatisierung der Kunst wird. Es kann nicht angehen, daß diese Verschiebung zu Lasten des staatlichen Beitrages geht. Der Staat hat auch weiterhin seiner Aufgabe in Form einer Unterstützung in diesem Bereich nachzukommen.

Wir gehen auch nicht davon aus, daß irgendeine der Institutionen, die im Kultur- und Kunstbetrieb vorhanden sind, privatisiert wird, sondern wir sprechen über Ausgliederungen. Das heißt nichts anderes, als daß auch in diesem Bereich der Staat weiterhin seine Verantwortung wahrnehmen wird, wir uns aber anderer Organisationsstrukturen bedienen wollen, um dieser Verantwortung nachzukommen.

Es ist natürlich auch legitim, von Zeit zu Zeit die Verwaltungsstrukturen des Kulturbetriebes zu hinterfragen. Aber da geht es nicht darum, eine Abkehr von irgendwelchen kulturpolitischen Inhalten zu demonstrieren, sondern da geht es darum, die in der Verwaltung vorherrschende Struktur nach Effizienz und Durchschlagskraft zu hinterfragen. Das bedeutet: Wir wollen einen Teil aus der Verwaltung hin zu den Künstlern verlagern, weil wir glauben, daß da einige Anpassungen notwendig sind.

Wir befinden uns da nicht auf einem Kurs, der so neu ist, wie er dargestellt wird. Es hat auch schon früher Ausgliederungen gegeben. So wurde beispielsweise die Filmförderung in das Filminstitut ausgegliedert, die Musikschaffenden finden sich nunmehr im neu gegründeten Musikinformationszentrum wieder, und auch die Bundeskuratoren sind eine Institution, die die Ausgliederung aus dem Bundesbereich deutlich vor Augen führt.


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Es ist aber sicherlich so, daß in den letzten Jahren eine schnellere Kommunikation auch in der Kunst stattgefunden hat und damit die herrschenden Verwaltungsstrukturen zu hinterfragen sind. Wenn man dieses Hinterfragen ernst nimmt, so kann man nicht davon ausgehen, daß das zu irgendwelchen Kürzungen führt, auch nicht zu Kürzungen in Teilbereichen. So wird der Literaturbereich nicht gekürzt, so wie das gestern in einer Pressekonferenz dargestellt wurde. Auch die Teilgebiete dieses Bereiches werden in voller Höhe bestehen bleiben. Man wird aber darüber nachdenken dürfen, welche Schwerpunkte man innerhalb dieser Teilgebiete setzt, und man wird sich selbstverständlich auch mit den Künstlern auseinandersetzen, die Befürchtungen haben, daß es da zu Veränderungen kommen wird, die zu Lasten der Kunst gehen. Das ist nicht beabsichtigt, sondern die Förderung der Kunst wird so bleiben, wie sie ist. Sie soll nämlich auch Marktunfähiges oder nicht Marktkonformes fördern, weil nur dann die künstlerische Vielfalt jetzt und auch weiterhin gewährleistet ist.

Was den angesprochenen Katalog betrifft, so möchte ich schon darauf hinweisen, daß es sich darin um Kunstwerke aus den sechziger Jahren handelt (Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie nichts anderes anzubieten?) , also um Kunstwerke, die schon lange in Verkehr sind, die schon seit 20 Jahren Teil unseres kulturellen Lebens sind (Abg. Mag Stadler: Das ist unglaublich!) , die schon 20 Jahre im Kulturgeschehen vorhanden sind. Diese Darstellungen sollen eigentlich das Gegenteil dessen bewirken, was Sie hier mit Ihren Ausführungen bezwecken wollen, nämlich die Abkehr und Abwehr vom wirklich desaströsen Verhalten mancher Menschen, die Abscheu davor. Gerade vor solchen Anwürfen, die sehr vordergründig sind, sollte man die Kunst in Schutz nehmen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist unglaublich! Unerhört! Sie sollten sich schämen! Herr Wittmann, schämen Sie sich! Ich schäme mich für Sie!)

Ich glaube, daß die Arbeit der "Wiener Gruppe" ein ganz wesentlicher Beitrag war, das kulturelle Leben nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich unbefangen aufzuarbeiten. Ich meine, vor vordergründigen Anwürfen sollte man die Kunst in Schutz nehmen. Das ist auch die Aufgabe des Kunstpolitikers, für den ich mich halte. (Abg. Mag. Stadler: Vor Ihnen muß man die Kinder in Schutz nehmen! Unglaublich! Ich würde mich schämen!)

Ich glaube nicht, daß es einen Anlaß gibt, daß ich durch Abgeordneten Krüger für die FPÖ-Politik einzunehmen bin (Abg. Mag. Stadler: Sie kann man nicht einnehmen, denn mit Leuten, die solchen Dreck produzieren lassen, wollen wir nichts zu tun haben! Nehmen Sie das zur Kenntnis!), und möchte auch klarstellen, daß ich niemals den Begriff "Staatskünstler" im Zusammenhang mit Künstlern erwähnt habe. Ich distanziere mich von diesem Ausdruck deutlich, weil er diffamierend und herabwürdigend gebraucht wird und weil gerade das nicht im Sinne der Kunst ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe diesen Ausdruck nie verwendet und verwahre mich dagegen, daß er im Zusammenhang mit Künstlern gebraucht wird. Ich habe davon gesprochen, daß sich die Staatskünstler-Diskussion oder -Problematik erübrigen wird, wenn man eine andere Förderung wählt, aber ich habe niemals – und ich beabsichtigte das auch nicht – die Künstler als solche bezeichnet. Gerade das Gegenteil ist der Fall! Ich möchte diese Gelegenheit heute hier nützen, das in aller Form klarzustellen.

Es ist der Vorwurf gekommen, daß wir im Zusammenhang mit dem Stadtwappen von Innsbruck Künstler diffamierend behandelt hätten. Wir haben nicht das künstlerische Werk damit gemeint, sondern gesagt, daß die Förderung dieses Wappens falsch ist. Noch einmal: Wir haben nicht die künstlerische Leistung des Künstlers zu bewerten versucht, sondern – und das ist eine Form der Hinterfragung der Kunstförderung – die Ebene der Förderung.

Wir meinen, daß die Förderung eines Stadtwappens durch den Bund falsch ist. Das ist eine typische Förderung, die durch die Stadt oder Kommune zu erfolgen hat. Das ist also ein zu durchleuchtendes System. Wir müssen die richtige Ebene für die richtige Förderung finden. Es darf nicht so sein, daß sich manche Kommunen und manche Länder aus der Kunst- und Kultursubvention verabschieden und dem Bund auch noch diese Aufgabe übertragen. Das heißt, es geht da nicht um die Bewertung des Kunstwerkes, sondern um die Bewertung der Ebene der Förderung. Ich meine, es muß einem Bundespolitiker, der für Kunst zuständig ist, nach wie vor


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zustehen, die Ebenen und Strukturen der Kunstförderung zu hinterfragen, um auch da Akzente zu setzen.

Die Reform der Kunstverwaltung ist somit eine organisatorische Frage und keine Frage des Inhaltes. In dieser Hinsicht bekenne ich mich voll zu meinen Vorgängern Scholten und anderen, die immer wieder betont haben, daß die Vielfalt der Kunst im Mittelpunkt stehen muß, daß das nicht Marktfähige gefördert gehört – auch das soll weiterhin möglich sein.

Wir sind dabei, diese Organisationsformen international zu studieren, wir versuchen, andere internationale Systeme mit dem österreichischen zu vergleichen, und wir sind uns dessen bewußt, daß wir an der Struktur der Förderung etwas ändern müssen. Wir werden die besten Systeme zusammenführen und wollen damit ein österreichisches System gründen. Da sind wir in alle Diskussionsrichtungen offen. In welche Richtung das dann tatsächlich laufen wird – ob Stiftungen oder andere Organisationsformen wie das Kuratorensystem –, das ist noch offen. Aber es ist wichtig, daß darüber diskutiert wird, weil verschiedene Meinungen zur Geltung kommen sollen.

Es ist auch das noch herrschende Beiratssystem etwas transparenter zu machen. Es gilt auch, die Kunst etwas internationaler auszurichten. Wir werden die Künstler bei ihren Bestrebungen, bei internationalen Auftritten dabeizusein, fördern. Wir werden aber auch die internationale Kunst einladen, in Österreich präsent zu sein. Ich glaube, daß es ein ganz wichtiger Faktor sein wird, sich etwas mehr der internationalen Aufmerksamkeit zu stellen.

Das wird in Zukunft ein Schwerpunkt sein, genauso wie ein Schwerpunkt sein wird, daß wir uns mit den Bereichen Film und audiovisuelle Industrie befassen werden. Da kommen neue Herausforderungen auf uns zu. Weil neue Kunstrichtungen hinzukommen werden – auch dazu bekennen wir uns –, ist innerhalb des bestehenden Budgets eine Umverteilungsdebatte unvermeidlich. Sie soll aber in einem geordneten, entemotionalisierten Rahmen stattfinden.

Ich glaube, daß es auch notwendig ist, der Architektur, die bisher nicht jenen Platz gefunden hat, der ihr gebührt, etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

In letzter Zeit sind neue Musiktheater im Aufschwung. Man wird sich dieser Kunstgattung nicht verschließen können. Aber auch Tanz und Fotografie sind international in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Auch da werden wir Schwerpunkte setzen müssen.

Meine Damen und Herren! Das werden die Schwerpunkte sein, die wir in der nächsten Zeit setzen werden. Im wesentlichen wird es aber darum gehen, die Verwaltungsstrukturen innerhalb des eigenen Bereichs zu reformieren, aber auch die Strukturen, die durch unsere Förderungen aufrechterhalten werden.

Ich glaube, daß wir da einen guten Weg beschreiten. Wir sind mitten in einer Diskussion. Es geht nicht darum, bei der Förderung der Künstler die Breite gegen die Spitze auszuspielen. Es ist notwendig, eine Breite zu haben, um auch zur Spitze zu gelangen, aber es muß auch die Breitenförderung fokussiert, auf die einzelnen Ebenen aufgeteilt werden und eine entsprechende Aufteilung der Förderungen erfolgen.

In diesem Sinne werden wir versuchen, die Kunstpolitik der nächsten Jahre auszurichten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

12.40

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bin wieder mit dem besagten Buch herausgekommen, und zwar nicht deshalb, weil es so groß und offensichtlich so teuer ist, sondern deswegen, weil mir sein Inhalt so erwähnenswert erscheint.


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Ich kann mir nicht vorstellen, daß sozialdemokratische Abgeordnete oder solche der ÖVP sich ohne weiteres in eine Diskussion mit Rednern, die den Inhalt dieses Buches kritisieren, einließen, wenn sie die Aufmachung und den Inhalt dieses Buches kennen würden. Ich glaube, daß viele von ihnen aus einem politischen Reflex heraus glauben, gegen die Ausführungen von Freiheitlichen hier heraußen protestieren zu müssen, daß sie das aber sicher nicht täten – zumindest nicht in dieser Form –, wenn sie auch nur einen Blick auf die in Rede stehenden Seiten geworfen hätten.

Ich lade Sie daher ein – ich meine es ganz ernst –, sich dieses Buch zu besorgen. Das ist ja keine Kunst, man braucht nicht unser Exemplar zu nehmen. Lassen Sie es sich ausheben und blättern Sie es durch! Es wird Ihnen – das sage ich ganz unpolemisch – das Lachen vergehen.

Ich darf ganz kurz schildern, auch wenn es schon hergezeigt wurde, was auf Seite 282 dieses Buches abgebildet ist: Es ist ein kleines Bild, das ein Baby in Rückenlage zeigt mit, wie das eben Babies mitunter machen, emporgestreckten Beinen und im Ansatz zum After ein erigiertes männliches Glied in Einführrichtung zu diesem Körperteil des Babys.

Ich halte das für in mehrfacher Hinsicht unerträglich und skandalös (Beifall bei den Freiheitlichen) , und zwar zunächst einmal deshalb, weil wir uns zum Glück in einer Ära befinden, in der dem sexuellen Mißbrauch der Kinder und seiner Bekämpfung besonderes Augenmerk zugewendet wird, und es daher einfach nicht akzeptiert werden kann, daß ein doch mit einem gewissen Verbreitungsgrad im Inland und im Ausland behaftetes Werk eine massiv strafbare Handlung in dieser Richtung darstellt, in einer unkommentierten und nicht abwertenden Art und Weise, also eine Anleitung, einen Anreiz, eine Animation für Leute, die in dieser Richtung prädestiniert sind, bedeutet. Das ist in einem noch dazu von der öffentlichen Hand herausgegebenen Buch unmöglich!

Es ist aber darüber hinaus eine Schande für Österreich, im Inland und im Ausland, wenn mit der Signatur des Bundeskanzlers und seines zuständigen Staatssekretärs und mit der Jahreszahl 1997 ein solches Machwerk mit einem solchen Inhalt erscheint. Man muß sich genieren, wenn man das auf dem Tisch hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf noch etwas sagen: Ich bin kein prüder Mensch, aber bitte machen Sie sich die Mühe, lassen Sie sich von Ihren Klubmitarbeitern diesen Band ausheben und blättern Sie ihn durch. Ich bin überzeugt, daß Sie Ihren Standpunkt – das muß gar nicht öffentlich geschehen – ändern werden.

Wenn das ein Privater auf seine Kappe nimmt, dann kann ich mich aufregen, aber ich werde mich kaum konkret dagegen wenden können. Aber was steht im Impressum dieses Buches, das immerhin Wien und New York als Herausgabeorte ausweist? Da heißt es: Impressum: Die österreichische Ausstellung im Rahmen der Biennale von Venedig 1997 wurde vom Bundeskanzleramt, Kunstsektion, in Auftrag gegeben. Bundeskanzler Mag. Viktor Klima, Staatssekretär Dr. Peter Wittmann. – Nicht irgendwer, nicht der Herr Weibel, der dann weiter unten als Herausgeber aufscheint, nicht jene, die für die Fotografie verantwortlich zeichnen, sind die, die nach außen hin das alles auf ihre Kappe nehmen! Ich kann nur hoffen, Sie tun es, ohne den Inhalt zu kennen.

Das Verhalten des Herrn Staatssekretärs Wittmann würde dafür sprechen, daß er selbst keine Ahnung davon hat, was da unter seinem Namen geschieht, denn er hat vom Wetter geredet. (Abg. Mag. Stadler: Er hätte zumindest Anstand haben können, wenn er schon keine Ahnung hat!) Hier ist ein Wirbel wegen des skandalösen Inhaltes eines skandalösen Bandes, aber der Herr Staatssekretär verliert kein Wort darüber. In einem langen und nicht wirklich aufbauenden Redebeitrag, den man auch hätte überhören können, wenn man einem Kollegen gegenüber nicht einen gewissen Respekt an den Tag legte, hat er vom Wetter geredet, anstatt mit nur einem Wort darauf zu sprechen zu kommen (Beifall bei den Freiheitlichen), anstatt zu sagen: Ich habe es nicht gekannt, ich werde mich darum kümmern, es wird nicht wieder passieren!, oder meinetwegen auch zu sagen: Das ist alles gut und recht so! – Er verliert aber kein Wort darüber. Ich kann nur hoffen, daß irgendwann einmal durchsickern wird, daß er es nicht gewußt hat. Das


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ist jedoch eine schwache Ausrede, denn wenn jemand, der zwar nicht Regierungsmitglied, aber immerhin Staatssekretär ist, etwas in seinem Ressort nicht weiß, dann ist das nur die drittauglichste Argumentation. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist immerhin noch eine. Aber so zu tun, als ob man sich alles gefallen lassen müßte, als Österreicher, als Familienvater, als Großvater in meinem konkreten Fall, als Abgeordneter, als Angehöriger eines Rechtsberufes, halte ich nicht für richtig. Da kann Frau Petrovic natürlich nur lachen, denn das paßt ganz in das Gesamtbild des Öllinger, der Petrovic und des neuen Abgeordneten im Ruderleiberl, der da hinten steht, das von Ihnen in diesem Zusammenhang hier im Haus präsentiert wird. Zu Ihnen paßt das. Ich bin zwar überzeugt, daß Sie das auch nicht kennen, aber es würde Ihnen vielleicht gefallen.

Aber bei den Sozialdemokraten, die ich in der Mehrzahl, soweit ich sie kenne, als seriöse und ernsthafte Menschen ansehe, und bei der ÖVP, bei der noch hinzukommt, daß sie eine starke christliche Verwurzelung und Verbundenheit hat, kann ich nur glauben, daß Sie das nicht kennen. Schauen Sie sich das an! Frau Reitsamer, wenn Sie sich das angeschaut haben, wird Ihnen das Schmunzeln vergehen. (Abg. Mag. Stadler: Frau Reitsamer! Gehen Sie zum Herrn Eder! Der Eder hat den Katalog!) Vielleicht empfinden Sie auch als Österreicherin.

Es ist eine Schande, und ich schäme mich für die Verantwortlichen, die für so etwas den Kopf hinzuhalten haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Cap hat sich in dieser Debatte zum zweitenmal zu Wort gemeldet. – Ihre Redezeit beträgt noch 10 Minuten. Sie haben das Wort.

12.47

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Schweitzer hat in seinem Redebeitrag eine Latte gelegt, indem er den Begriff "Schamgrenzen" verwendet hat (Abg. Mag. Schweitzer: Ich habe Kant zitiert!) , aber ich bin weit davon entfernt, jetzt irgendwelche Reflexe zu zeigen, wenn von dieser Seite des Hohen Hauses (der Redner blickt in Richtung der Freiheitlichen) etwas kritisiert wird.

Ich möchte das insofern noch differenzieren, als ich sage: Wenn versucht wird, Medienpräsenz auch im künstlerischen Bereich durch Tabubruch zu erreichen, so muß das nicht automatisch gute Kunst sein. Man kann darüber unterschiedlicher Meinung sein. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist Werbung für Österreich!)

Es stellt sich allerdings die Frage: Wie führt man eine solche Diskussion? Wir führen heute eine Debatte über Kunst- und Kulturverständnis, über den Kunstbericht, und man kann darüber diskutieren, wie man sie führen soll. Sie wollen natürlich mehr als bloß eine Debatte über Kunst führen, Sie wollen auch gleich eine innenpolitische, eine moralische, eine wie auch immer gerichtete Debatte führen. (Abg. Dr. Ofner: Sie wollen nur ausweichen!)

Ich kann das von Ihnen kritisierte Bild in diesem Katalog nur so verstehen, daß da etwas dargestellt wird, was tagtäglich passiert, das es gilt, künstlerisch anzuklagen, und nicht, dazu aufzufordern. (Abg. Dr. Ofner: Wo steht das?)

Jetzt kommt meine Kritik an der Darstellung in diesem Katalog: Für mich ist es eine historische Wiedergabe, etwas, das vor sehr langer Zeit produziert wurde. Für mich ist es zuwenig klar ersichtlich, für mich ist es nicht genügend nachvollziehbar, und für mich bietet es Interpretationsspielräume, die Sie heute weidlich ausgenützt haben. Das ist meine Kritik daran. Ich glaube, daß sich auch provokatorische Kunst selbst schaden kann oder, anders formuliert, daß ihr eine Katalogerstellung als Kunstform – so war sie auch gedacht; ich Gegensatz zu meinen drei Vorrednern war ich bei der Biennale in Venedig und habe das auch gesehen und habe mich dazu positiv wie auch negativ geäußert – in Wirklichkeit nicht nützt, sondern sie kritisierbar macht.

Auf dieser Ebene kann man die Diskussion darüber führen. Aber Sie sagen, da gibt es eine Kumpanei, diese Regierung ist in Wirklichkeit Kumpan von versteckten Kinderpornographen und


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fördert das ganz bewußt. Das ist eine ganz andere Stoßrichtung, die, wie ich meine, bereits die erste Schamgrenze überschreitet. Der Abgeordnete Schweitzer hat sie vorhin angeführt. Das ist keine seriöse Auseinandersetzung! (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Man kann den Katalog kritisieren. Das habe ich auch getan. Man kann sich mit dieser Form von Kunst, wie sie vor Jahrzehnten dargestellt wurde, auch kritisch auseinandersetzen. Auch das tue ich. Ich habe keinen Verteidigungsreflex. Aber was ich Ihnen ankreide, ist, daß das von Ihnen mit Ihren Krokodilstränen in Wahrheit der Versuch ist, hier Zensurgedanken einzuführen, der Versuch ist, hier Mitglieder der Regierung so darzustellen, als ob sie Kumpanen von Kinderpornographen wären, um hier das innenpolitische Klima zu erzeugen, das Sie wollen. Das ist Ihr Versuch, das ist es, was Sie heute tun. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Und jetzt kommen wir zum letzten Punkt. Wenn Sie schon von Schamgrenzen sprechen, sind Sie daran zu messen, was Sie in der Vergangenheit getan haben oder eben nicht getan haben, und Sie werden auch daran gemessen werden, was Sie jetzt und in der Zukunft tun oder nicht tun. (Abg. Dr. Ofner: Das ist ein schwaches Rückzugsgefecht!) Hören Sie einmal zu, Herr Abgeordneter Ofner! Sie können sich dann gleich wieder melden und hier wieder das gesunde empörte Volksempfinden spielen. (Abg. Dr. Ofner: Na entschuldige! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wo war bei der Formulierung "ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich", bei der Sie alle wissen mußten, daß es um Zwangsarbeit, um Mißhandlung, um Ausbeutung, um Lagerarbeit in Konzentrationslagern gegangen ist, Ihre Schamgrenze, meine Damen und Herren Abgeordneten von der FPÖ? Wo war sie denn? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Das ist das letzte, was Ihnen einfällt! Das ist das allerletzte, was euch einfällt! Das ist ein schwaches Rückzugsgefecht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Gerade Sie betreiben – nicht Kunst, um Gottes willen, da müßte man Sie unter Umständen ja sogar noch fördern – eine Politik der Provokation, mit der Sie Schamgrenzen tagtäglich überschreiten, ja überschreiten wollen, ganz bewußt, als Bestandteil Ihrer Politik, auch um – wie wir im letzten Ausschuß diskutiert haben – aufzuwiegeln, wenn das in Ihr Konzept paßt! So greifen Sie auch zum Beispiel aus einem Katalog einen Teil heraus, um eine gesamte Förderungspolitik schlechtzumachen, um eine gesamte Regierung schlechtzumachen! Das ist Ihr Konzept, das Sie hier vertreten.

Und dafür werden wir Sie immer kritisieren, daran werden wir Sie auch in Zukunft messen. (Abg. Scheibner: Das ist eine Verteidigungsrede für Kinderschänder!) Die Schweitzersche Doktrin der Schamgrenze wird Sie in Zukunft selbst treffen, und zwar noch deutlicher, als Sie das vielleicht bis jetzt gemerkt haben. Da wird einem Ofner und all seinen Lachkumpanen in der FPÖ das Lachen noch ganz, ganz gründlich vergehen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Das ist ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich kann dieses Podium nicht verlassen, ohne noch einen allerletzten Satz zu sagen, weil mich der Herr Abgeordnete Schweitzer so fast glückselig und erregt ansieht: Das war ein letzter Sieg dieser Aktionisten. Sie haben es geschafft, daß es diese spezielle Erregung gegeben hat, vor allem als der Abgeordnete Schweitzer hier seine Fiskalrhetorik entwickelt und in Wahrheit den Aktionisten diesen letzten Erfolg auch noch verschafft hat. Sie werden sehen: Wir werden Sie in Zukunft an Ihren eigenen Maßstäben messen! (Beifall bei der SPÖ.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat sich ebenfalls ein zweites Mal zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Sie haben in dieser Debatte noch 16 Minuten Redezeit.

12.54

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Cap hat heute vermutlich eine der intellektuell schwächsten Reden gehalten, die er


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überhaupt je hier im Haus gehalten hat. Hier herauszugehen und diesen Schund – Pepi, ich hätte mir etwas mehr von dir erwartet – zu rechtfertigen, indem er gleich mit der Faschismus- und der Nazikeule daherkommt, das ist schon sehr tief gegriffen, da ist schon sehr wenig Intellekt dabei! Da gehört schon ein bißchen mehr dazu, wenn du dem Staatssekretär, der nicht den Anstand aufgebracht hat, auch nur eine Silbe des Bedauerns zu sagen, die Mauer machen möchtest. Da hätte ein bißchen mehr dazugehört. Das ist doch zuwenig, die Nazi- und Faschismuskeule auszugraben.

Ein Satz war schon verräterisch. Herr Abgeordneter Cap hat gesagt: Dieser Ausstellungskatalog – und er war ja, im Gegensatz zu uns allen, denn er ist ja Fachmann, auf der Biennale – sei eine anklagende Darstellung von Verhaltensweisen. – Ende des Zitats. Er hat von einer künstlerisch anklagenden Darstellung von Verhaltensweisen gesprochen.

Kollege Cap! Bitte nimm dir einmal den Ausstellungskatalog, den Herr Kollege Gaál zur Verfügung hat, und blättere mit mir auf Seite 278! Dort findet man vier Darstellungen von Mißgeburten. – Wo ist hier die Anklage, welches Verhalten soll hier angeklagt werden? Weshalb klagt man hier an? Das ist einfach eine Darstellung von Mißgeburten: doppelte Köpfe, vier Arme, völlig mißgebildete Säuglinge, die auf die Welt gekommen sind.

Es geht weiter. Auf Seite 280: eine ganz schwere Mißgeburt, eine Zwillingsgeburt, mit eingezeichneten primären Geschlechtsmerkmalen. Was können diese Säuglinge dafür? Welches Verhalten dieser Kinder wird hier angeklagt?

Gehen wir weiter – es geht über zehn Seiten so weiter –: Ich möchte gar nicht von dieser pornographischen Darstellung reden, mit der der Kindesmißbrauch gutgeheißen wird, nicht angeklagt wird, unkommentiert dargestellt wird. Es geht weiter, Seite 284 – Sie können mitblättern; der Ausstellungskatalog ist ja inzwischen bei der SPÖ eingelangt –: eine schwere Mißgeburt, übrigens noch dargestellt mit dem Rückenmarksröntgenbild.

Es geht weiter, Seite 285: Ein schwerbehindertes Kind wird der öffentlichen Belustigung preisgegeben. Wer wird hier angeklagt? Für welches Verhalten? Welches Verhalten hat dieses Kind gesetzt, aufgrund dessen es hier im Ausstellungskatalog, der im Auftrag Ihres Bundeskanzlers und Ihres Staatssekretärs bei der Biennale vorgestellt wurde, künstlerisch angeklagt wird? Welches Verhalten hat dazu geführt? – Erkläre mir das einmal! Erkläre mir: Was hat dieses Kind verbrochen?

Es geht weiter: Auf Seite 286 wird ein totes Kind mit den Beinen nach oben dargestellt. Was hat dieses Kind angestellt?

Auf Seite 287 sind Mißbildungen, Kopfmißbildungen sonder Zahl zu sehen. Und das geht so weiter, das geht über viele Seiten so weiter. Auf Seite 288 geht das weiter. Weiter hinten kommen die nächsten Darstellungen, zum Beispiel auf Seite 292. Sie haben die Möglichkeit, mitzublättern. Sagen Sie, wenn es nicht stimmt, was ich Ihnen hier berichte!

Was haben diese armen Geschöpfe angestellt? Welches Verhalten wird hier mit der Zurschaustellung dieser Kinder angeklagt? Ich würde mich schämen! Ich würde nicht hier heraustreten und das verteidigen, da könnte ich Parteimitglied oder Parteigenosse sein, wie lange auch immer.

Wenn jemand so etwas in Auftrag gibt und sagt: Das ist eh schon in den sechziger Jahren passiert, was regt ihr euch heute darüber auf?, dann rege ich mich sehr wohl darüber auf, daß im Jahr eins nach den Skandalvorgängen in Belgien so etwas als österreichischer Beitrag präsentiert wird! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Horngacher. )

Dazu, meine Damen und Herren, wäre zumindest eine Silbe des Bedauerns angebracht gewesen, wenigstens hätte man sagen können: Das war nicht gewollt, das ist nicht unser Beitrag. – Das wäre notwendig gewesen.


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Herr Staatssekretär Wittmann! Wenn man schon keine Ahnung hat, dann sollte man wenigstens Anstand haben. Und der Anstand hätte es geboten, sich nicht hierher zu stellen und zu sagen: Was regt ihr euch auf? Das war eh schon in den sechziger Jahren. Was regt ihr euch auf? Die Fotos sind eh schon so alt. – Anstand heißt, zu sagen: Nein, so nicht! Das war nicht beabsichtigt. Man gibt nicht Behinderte und schwer mißgebildete Säuglinge der öffentlichen Lächerlichkeit preis. Ein Gebot des Anstands wäre es gewesen, zumindest das zu sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Ab heute, glauben Sie mir das, stehen Sie nicht im Verdacht, von uns vereinnahmt zu werden. Sie stehen nicht im Verdacht. Ein Mann, der mit seinem Namen für so einen Dreck geradesteht, hat mit uns nichts zu tun. Ich schäme mich heute für Sie als Staatssekretär! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung über den Kunstbericht.

Ich lasse abstimmen über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-66 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Bericht ist mehrheitlich angenommen worden. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den 12. Sportbericht 1995 des Bundeskanzlers (III-61/838 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich in die Debatte eingehe, möchte ich mitteilen, daß die Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der Vorgänge bei der Vergabe des automatischen Ökopunktesystems einzusetzen.

Es liegt ferner gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung ein Antrag von fünf Abgeordneten vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Nach der genannten Bestimmung der Geschäftsordnung werden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung durchgeführt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir fahren jetzt fort in der Behandlung des Tagesordnungspunktes 2.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht begehrt. Wir gehen daher in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Mag. Dr. Grollitsch das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.


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13.01

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrter Herr Bundeskanzler Klima – wo immer Sie im Rahmen der Sportdebatte als Sportminister sein mögen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie Ihr Interesse an sportlicher Tätigkeit derzeit offenbar durch Laufen bekunden, nämlich durch Laufen zum Mittagessen!

Es ist erfreulich, daß es gelungen ist, den Sportbericht 1995 – ich sage dazu: endlich! – hier im Hohen Haus zur Debatte zu bringen, und zwar auch zu einer vernünftigen Zeit, und daß wir das so stiefmütterlich behandelte Thema Sport hier etwas ausführlicher diskutieren können.

Wenn ich den Herrn Bundeskanzler hier in absentia mitbegrüßt habe, dann soll damit auch ausgedrückt werden, daß er seine Absenz nicht nur anläßlich dieser Debatte und nicht nur anläßlich ausschlaggebender Diskussionen zu Sportthemen in unserem Land aufrechthält, sondern er hat sich auch den Ausschußberatungen, die sehr lange gedauert haben, vollständig entzogen. Er ist in Sachen Sport ausschließlich bei Festveranstaltungen und Pokalüberreichungen zu sehen, und das ist mir für einen Bundesminister des Sportes zu wenig.

Der Herr Staatssekretär hat sich mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sehr wohl in die Debatten der Ausschußberatungen eingeschaltet und hat offenbar als Ausfluß dieser Diskussionen vor einigen Tagen ein noch druckfrisches Hefterl mit dem Titel "Nachwuchssport in Österreich" (der Redner hält eine orangefarbene Broschüre im Format A5 in die Höhe) veröffentlicht, in dem eine Lobhudelei über das bestehende Sportwesen, illustriert durch Modelle, Ideen und Demonstrationen des Vereinsgeschehens, versucht wird.

Herr Staatssekretär! Aber so sportlich, wie Sie verständlicherweise auf Seite 1 die österreichische Jugend darstellen, mit dieser Sitzschwebe am Ring, ist bedauerlicherweise der Zustand von Österreichs Jugend in Summe nicht. Es sollte Ihnen nicht entgangen sein, daß die Schulärzte vor wenigen Tagen Alarm geschlagen und berichtet haben, daß 900 000 von insgesamt 1,2 Millionen Schülern in Österreich nach den Befunden der Schulärzte gesundheitlich beeinträchtigt sind. Eine große Zahl übergewichtiger Kinder zwischen 14 und 16 Jahren, mit einem Körpergewicht von bis zu 150 Kilogramm, ist nachgewiesen. 14 Prozent der Erstklassler haben bereits verkrümmte Wirbelsäulen. Bis zur 12. Schulstufe steigt diese Zahl auf 30 Prozent. Übergewicht ist gang und gäbe.

Meine Herrschaften! Das ist das wahre Bild der österreichischen Sportjugend und bedauerlicherweise nicht das in diesem Hochglanzbüchlein veröffentlichte. Dieses läßt im übrigen jegliche Inserate vermissen, woraus zu schließen ist, daß das Bundeskanzleramt dafür eine entsprechend hohe Investition getätigt hat.

Der Zustand der österreichischen Jugend, der Schuljugend wird von der zuständigen Bundesministerin Gehrer auf die Anwürfe der Schulärzte hin so beantwortet, daß sie sagt, man könne nicht behaupten, daß die Schulen die Hauptschuld an dieser Misere trügen. – Frau Bundesminister! Selbstverständlich sind auch Sie heute nicht hier, aber ich hoffe, daß wir Gelegenheit bekommen, bei der Diskussion über den nächsten Sportbericht mit Ihnen darüber sprechen zu dürfen. Wenn Sie diese Schuld von sich weisen, haben Sie selbstverständlich in gewissem Maße recht, aber diejenige, die tatsächlich etwas dagegen tun kann, in erster Linie etwas dagegen tun kann, das sind Sie, das ist der Schulsport, das ist die Schulverwaltung.

Der Schulsport liegt auf dem Boden. Seit 15 Jahren wird nur abgebaut. Die freiwilligen Übungen, die Neigungsgruppen wurden eliminiert, die Schulsportveranstaltungen sind mit dem Sparpaket mehr oder minder abgeschafft worden. Das heißt, es wird im Schulunterrichtswesen immer mehr abgebaut. In der BHS gibt es kaum Sportunterricht, in der Berufsschule ist keine Rede davon, und auch die letzte Novelle sieht den Sport als allerletzten Punkt unter "unverbindliche Übungen" gerade noch formell vor, aber in der Tat geschieht auf diesem Sektor nichts.

Dieses Versagen des Schulsportes setzt sich bis hinauf zu den Universitäten fort. Sie haben im Universitäts-Organisationsgesetz die Vorgabe des Sportes an den Universitäten herausgenommen. Das Ergebnis ist, daß bei vormals 50 000 sportlichen Studenten in nur weniger als zwei Jahren, seit Einführung des neuen UOG, bereits ein Rückgang von 20 Prozent zu verzeichnen


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ist. Und das geht hurtig so weiter, weil einfach nicht zu erwarten ist, daß die Universitäten ihre schmäler gewordenen Mittel in den Sport ihrer Studierenden investieren werden.

Wir haben vor geraumer Zeit eine tägliche Bewegungseinheit an den Schulen vorgeschlagen. Ich habe damals hier auch die Form und das Modell dafür erläutert. Diesem Vorschlag hat sich die Bundessportorganisation angeschlossen, die ebenfalls die tägliche Bewegungsstunde an unseren Schulen fordert. – Derzeit sind wir davon weiter entfernt als je zuvor.

Wir haben in den Bereichen des Breitensportes, des Leistungssportes rundum ein Versagen des österreichischen Sportsystems festzustellen. Die Trendsportarten wie Mountainbiking und Inline-Skating wurden ignoriert. Es wurden trotz mancher Versprechungen keine rechtlichen Regelungen dafür geschaffen. Im Bereich Paragleiten haben sich in diesem Jahr bereits 16 tödliche Unfälle ereignet. Was fehlt, sind Rahmenbedingungen.

Das Wirtschaftsministerium entledigt sich seiner Verantwortung, indem es den Bereich zum Aero Club schiebt. Dieser hat keine Infrastruktur, schickt das ganze Paket an den deutschen Paragleiter-Verband, und dieser hat wiederum eine private Vereinigung beauftragt, Regularia für diese lebensgefährliche Sportart – den österreichischen Verhältnissen angepaßt – zu formulieren.

So geht es rundherum zu. Dieser Sportbericht ist ein Ausfluß dessen, was hier kritisiert wird. Dabei wird nicht die Aufmachung kritisiert – und es seien hier auch nicht die Beamten getadelt, die ihre Aufträge durchaus übersichtlich erfüllt haben –, sondern der Auftraggeber. Diesen Auftraggeber namhaft zu machen, ist allerdings relativ schwierig. Den Bericht über 1995 hat ja noch Herr Bundeskanzler Vranitzky in Auftrag gegeben. Eigentlich sollte diese Aufgabe bei Herrn Bundeskanzler Klima gelandet sein, er hat sie aber an den Staatssekretär weitergegeben.

Ich ersuche Sie, daß man – und das sollte sehr bald geschehen – beim Sportbericht 1996 und in Zukunft immer eine viel breitere Diskussion darüber angeht und alle involvierten Ressorts und deren Vertreter einbezieht, denn es ist Feuer am Dach! Meine Herrschaften! Auch wenn hier von meiner Seite immer wieder die Sorge um die Gesundheit unserer Schuljugend in den Vordergrund gespielt und wiederholt wird: Es ist auch bis hinauf zum Spitzen- und Leistungssport manches faul im Land.

Herr Staatssekretär! Wenn Sie wirklich glauben – mein Kollege Meischberger wird Ihnen das noch im Detail erläutern –, wie Sie hier im Vorwort des Berichtes schreiben, daß die österreichischen Vereine 3 Millionen Menschen für eine gesunde Freizeitgestaltung gewinnen, und wenn Sie hochrechnen, daß die 3 Millionen angeblichen Mitglieder der Dachverbände handelnde sportliche Personen sind, dann sind Sie natürlich gewaltig im Irrtum! Erstens sind die Mehrfachmitgliedschaften nicht berücksichtigt, zweitens ist diese Zahl das Ergebnis nicht bereinigter Karteien, weiters sind Passivmitglieder, Förderungsmitglieder et cetera darin enthalten.

Ich glaube vielmehr den Ergebnissen einer soziologischen Untersuchung aus dem Vorjahr vom Österreichischen Sportsoziologischen Institut, die besagen, daß im Vereinsbereich nicht einmal mehr 400 000 Österreicher aktiv Sport treiben. 500 000 gehen mountainbiken, 600 000 laufen – leider allerdings im illegalen Raum – auf Inline-Skates herum. Diese Vergleichszahlen werden, wie gesagt, von meinen Nachrednern noch weiter ausgeführt werden.

Daß wir uns nichtsdestotrotz in diesem Ausschuß sehr sachlich und am Schluß auch konstruktiv unterhalten konnten, ist mit ein Verdienst der beiden Vertreter der Regierungsparteien. Es ist durchaus auch ihnen zuzuschreiben, daß wir uns als Ergebnis dieser Ausschußberatungen zu einem gemeinsamen Antrag gefunden haben, der heute vorgelegt wird, auch wenn so manche Formulierung von den Regierungsparteien etwas weicher gestaltet wurde als laut den Vorschlägen. Sei’s drum, es ist zumindest gelungen, gemeinsam zu erkennen, daß für den Sport im Land viel zuwenig getan wird und daß es wirklich höchste Zeit zum Handeln ist. Das hat sich unsere Jugend verdient! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.11


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. – Bitte, Sie haben das Wort.

13.11

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich und für meine Fraktion ist der Sportbericht 1995 ein Beweis für die gute Zusammenarbeit im Bereich des Sports zwischen jenen Teilen, die tatsächlich den Sport ausmachen, nämlich dem staatlichen Teil – der Bund, die Länder und vor allem die Gemeinden – und dem nichtstaatlichen Teil, also die Sportvereine, die Verbände, das Ö.O.C. und letztendlich auch die Bundessportorganisation. Daß diese gute Zusammenarbeit gegeben ist, dient dem Sport und dient vor allem den sportausübenden Menschen in dieser Republik. Daher wird meine Fraktion dem Sportbericht 1995 ihre Zustimmung geben.

Ich bin aber nicht hier ans Rednerpult gekommen, um Ihnen nur Positives, was Ihnen ohnehin die einzelnen Funktionäre und die einzelnen Sportausübenden erzählen können, zu vermitteln. Ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, daß im Sportbereich alles okay sei, daß es dort nichts zu verändern und nichts zu verbessern gäbe. Damit wären wir schlecht beraten. Das wissen aber jene, die wirklich für den Sport und daher für die Menschen in diesem Land arbeiten, mindestens ebensogut wie Sie von den Freiheitlichen. Wir führen laufend Gespräche darüber, und in diesen Gesprächen, nicht zuletzt auch mit Herrn Staatssekretär Wittmann, gibt es gute Ansätze dahin gehend, Strukturen zu verändern und Verbesserungen herbeizuführen.

Ich verhehle aber nicht, daß es für die ehrenamtlichen Funktionäre, die für den Sport verantwortlich zeichnen, zunehmend schwieriger wird, die ihnen gestellten Aufgaben auch tatsächlich noch wahrzunehmen. Dies in zweierlei Hinsicht: Zum einen werden die bürokratischen Hürden immer höher. Aber das ist nicht das Thema meiner heutigen Ausführungen, denn dafür würde die Zeit nicht reichen. Dazu müßte man wirklich einmal ins Detail gehen und versuchen, einen Bürokratieabbau herbeizuführen und nicht mit jeder Aktion ein zusätzliches Erschwernis aufzubauen.

Ich möchte heute über die finanzielle Situation sprechen, in der sich der österreichische Sport befindet. Dieser, meine sehr geehrten Damen und Herren, Hohes Haus, umfaßt immerhin 14 000 Sportvereine in diesem Land; das sind Tausende von ehrenamtlichen Funktionären, und das sind Millionen – da könnten wir dann darüber streiten, ob 3 Millionen oder 2,5 Millionen oder 3,5 Millionen; diesen Streit führe ich aber nicht – von Sportausübenden in diesem Land. Diese haben, so meine ich zumindest, ein Recht darauf, daß eine gewisse Grundfinanzierung auch in den künftigen Jahren gegeben ist.

Ich komme damit zu den besonderen Sportförderungsmitteln, die im Glücksspielgesetz verankert sind. Wir mußten schon anläßlich des ersten Sparpaketes zur Kenntnis nehmen, daß die Valorisierung der Mittel für die Sportförderung, die in diesem Gesetz vorgesehen ist – das sind etwa 400 Millionen Schilling sozusagen als Grundsubvention für den Sport durch den Bund; ich wiederhole nochmals: 14 000 Sportvereine, Tausende von Funktionären, Millionen von Sportausübenden –, für die Jahre 1996 und 1997 ausgesetzt wurde. Wir haben das zur Kenntnis nehmen müssen. Das war der Beitrag des Sports zum Sparen, zu dem in diesem Land aufgerufen wurde.

Wir haben, weil das insbesondere die Verbände und damit die Sportvereine sehr betroffen hat, mit dem damaligen Bundeskanzler, der zugleich auch Sportminister war – auch der jetzige ist es –, gesprochen und von ihm die definitive Zusage erhalten, daß diese Aussetzung der Valorisierung eine einmalige sei und die Valorisierung 1998 fortlaufen werde. Das war eine definitive Zusage. Bei diesem Gespräch dabei waren damals der Präsident des Österreichischen Olympischen Comités Wallner, der Präsident des Österreichischen Fußballbundes Mauhart und ich für die Bundessportorganisation.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist jetzt passiert? – Die Novelle zum Glücksspielgesetz geht in die Begutachtung, und die Valorisierung ist wieder für weitere zwei Jahre ausgesetzt – entgegen dieser Vereinbarung, entgegen diesen Zusagen. Als wir dann "nachgestochen"


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85. Sitzung / Seite 71

haben, wurde uns als Begründung gesagt, alle Valorisierungen seien auf zwei Jahre ausgesetzt, man könne den Sport davon nicht ausnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Da kann ja irgend etwas nicht stimmen! Denn wenn ich richtig gelesen habe – und ich gehe davon aus, daß ich das noch kann –, dann heißt es in einer Presseaussendung des ÖVP-Klubs vom 14. September – ich zitiere wörtlich –: "Über Initiative von Außenminister Schüssel wurde Dienstag im Ministerrat beschlossen, für Vorsorgeprojekte in Österreich zusätzlich wertgesichert 100 Millionen Schilling aus Tabakgeldern zur Verfügung zu stellen."

Damit kein Mißverständnis auftritt: Ich bin sehr dafür, daß der Prävention zusätzlich – das heißt, "zusätzlich" ist zuviel, vielmehr erstmals – entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden, ich bin sehr dafür, daß diese auch wertgesichert sind. Nur: An der Begründung, was den Sport betrifft, kann irgend etwas nicht stimmen. Entweder stimmt die Begründung nicht, daß alle Valorisierungen in den nächsten beiden Jahren nicht wertgesichert sind, oder es stimmt die Presseaussendung der ÖVP nicht. Letzteres kann ich mir ganz einfach nicht vorstellen.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum nächsten Punkt. Dieser ist für mich noch gravierender als das Argument, das ich als erstes erwähnt habe. Er geht nämlich über den Sport weit hinaus. Wieweit gilt eigentlich noch die Zusage eines Ministers, der dann nicht mehr im Amt ist? Und wieweit gilt die Zusage von ehemaligen Bundeskanzlern? Das ist für mich eine grundsätzliche Frage. Denn es muß in dieser Republik, unabhängig von den jeweiligen Funktionsträgern, natürlich auch ein Vertrauensgrundsatz über die Funktion hinaus gelten.

Daher, glaube ich, wird man es sich nicht so einfach machen können, daß man sagt: Diese Zusage hat zwar Herr Bundeskanzler Vranitzky getroffen, aber da er nicht mehr im Amt ist, fühlen wir uns daran nicht mehr gebunden. – Wir vom Sport werden weiterhin darauf pochen, daß diese Zusage eingehalten wird, noch dazu, da die Begründung, wie ich darzulegen versuchte, ganz einfach nicht stimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Abschließend: In den letzten Wochen und Monaten wurde andauernd von Problemen im Pensionsbereich gesprochen. Eine der Hauptbegründungen, warum man jetzt so intensiv darüber reden muß, ist unter anderen folgende: Man müsse den jungen Leuten in diesem Staat, man müsse der Jugend jetzt Sicherheit geben. Sie haben sogar ein Recht darauf, zu wissen, wie ihre Pensionsvorsorge in 10, 20, 30 Jahren sein wird. Das heißt: Jetzt muß gesichert werden, was die Jugend dann in Jahrzehnten einmal in Anspruch nehmen wird.

Ich frage mich ganz einfach, ob die Jugend kein Recht darauf hat, jetzt halbwegs gesichert Sport ausüben zu können, und zwar nicht nur im Eigeninteresse, sondern natürlich auch im Interesse der Prävention für später.

Daher mein Appell: Es ist wirklich zuwenig, sich auf Ehrentribünen zu setzen – die nächste Gelegenheit wird ja am 11. Oktober wieder gegeben sein – und dort sozusagen den Sport für sich zu vereinnahmen und verbal bei dieser Gelegenheit den Stellenwert des Sports zu beschwören (Beifall bei den Freiheitlichen), sondern man muß tatsächlich etwas für den Sport tun. Sich damit auseinanderzusetzen, ist nicht immer leicht und ist nicht immer einfach. Aber man muß tatsächlich etwas tun, wie zum Beispiel die Sportsprecher der beiden Regierungsparteien oder der Staatssekretär.

Ich glaube daher, den Appell an alle drei richten zu können, daß es kein Beharren auf dieser Nichtvalorisierung geben möge. Denn ein Beharren darauf, daß diese Valorisierung im nächsten und im übernächsten Jahr nicht stattfinden solle, wäre – so sehe ich das als Obmann der Bundessportorganisation und daher als Hauptverantwortlicher für den gesamten nichtstaatlichen Bereich des Sports in diesem Staate – schlicht und einfach ein Schlag gegen 14 000 Sportvereine, wäre ein Schlag gegen Tausende ehrenamtliche – ich unterstreiche: ehrenamtliche – Funktionäre, wäre ein Schlag gegen Millionen Sportausübende und letztendlich auch ein Schlag gegen die Jugend. Wir wären daher in unserer Gesamtheit gut beraten, Hohes Haus, dies nicht zu tun.


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Das ist mein Appell und meine Bitte! Ich hoffe, wir finden entsprechendes Gehör. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Meischberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

13.22

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe sehr aufmerksam den Worten des ehemaligen Bundesministers Löschnak gelauscht und kann ihm in vielen Dingen wirklich recht geben. Er kämpft dafür, den österreichischen Sport gebührend zu fördern und ihm die notwendigen Grundlagen zu geben. Er hat seine Rede in drei Teile gegliedert. Er hat gesagt, er wolle darüber sprechen, was den Sport in Österreich ausmache. Zum ersten wäre da der staatliche Bereich, zum zweiten gebe es für ihn dann den Sportler, und der dritte Bereich sei die notwendige Finanzierung dieser Sportler. Und wir geben ihm recht, wenn er sagt, der österreichische Sportler beziehungsweise die Sportvereine müssen sich darauf verlassen können, daß Zusagen von früheren Funktionären oder Ministern oder vom Bundeskanzler eingehalten werden.

Aber wir sehen das Ganze auch mit einem sehr kritischen Auge. Wir glauben, daß man, bevor man diese Abermillionen auf den österreichischen Sport einfach losläßt, wie es bisher passiert ist, die Organisation des Sports in Österreich strukturell an Haupt und Gliedern reformieren und der heutigen Zeit anpassen muß.

Kollege Grollitsch hat schon davon gesprochen, daß es wirklich eine Ehre ist, daß wir über das wichtige Anliegen Sport einmal nicht irgendwann zu mitternächtlicher Stunde sprechen müssen und daß wir an mehreren Ausschußtagen ausführlich darüber debattieren konnten. Aber – und das sage ich als einer, der den Großteil der entsprechenden Ausschußberatungen verfolgt hat – das Ergebnis ist für mich ein denkbar schlechtes.

Der Bereich, den der Minister als ASKÖ-Präsident natürlich verteidigt und als gut hingestellt hat, der staatliche Bereich des Sports, also das Institutionelle, das Organisatorische, bleibt unberührt. Es gibt einen Wust an Organisationen, wie auf diesem Schaubild deutlich wird (der Redner hält eine Graphik in die Höhe), wobei man den Sport überhaupt nicht mehr erkennen kann vor lauter Fachverbänden, Sportvereinen, Dachverbänden, Bundesorganisationen. Darüber steht die Bundessportorganisation. Das alles ist noch gegliedert in Bundesbereiche, in Landesbereiche und so weiter. Dieser Wust an Organisationen und diese Funktionärsanhäufungen sind zuungunsten jener, die es eigentlich betrifft, nämlich der Sportler in diesem Lande. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, das ist der eigentliche Punkt, über den wir hier reden sollten. Wir haben es hier mit einer Proporzaufteilungsmaschinerie aus den späten sechziger Jahren zu tun, die wirklich nicht mehr in die Zeit paßt. Ich spreche speziell die Dachverbände an, die nach dem Proporzdenken aus den sechziger Jahren aufgeteilt sind: Der ASKÖ, angeführt von Bundesminister Löschnak, ist natürlich rot, der schwarze Bereich ist durch die Union abgedeckt, und dann hat man als Feigenblatt noch den ASVÖ installiert. Diese Organisationen sind allen Fachverbänden übergeordnet. Die Fachverbände wieder stehen über ihren Sportvereinen. Das ist eine Situation, die nicht mehr zeitgemäß ist.

Ich habe den Staatssekretär zweimal im Ausschuß die einfache Frage gestellt: Wofür sind diese Dachverbände eigentlich gut, und wer braucht sie? Darauf habe ich bis heute keine Antwort bekommen. Auch die Verteidiger der Dachverbände aus den Regierungsparteien sind die Antwort darauf schuldig geblieben. Die Dachverbände haben in Wahrheit nur eine Aufgabe: viele Millionen Schilling parteigerecht in Kanäle zu lenken und damit die Sportverbände zu politisieren.

Der Herr Staatssekretär spricht im Vorwort zum Bericht – Kollege Grollitsch hat dies aufgezeigt – von "3 Millionen Menschen, die in diesen Dachverbänden zusammengefaßt sind". Das stimmt einfach hinten und vorne nicht! Diese drei Dachverbände haben Mitglieder, rund 1,1 Millionen sind es beim ASKÖ, 1,1 Millionen sind es in der Union und 900 000 beim ASVÖ. Die


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Sportler selber wissen zum Großteil gar nicht, in welchem Dachverband sie sind. Der Tennisklub etwa ist ein ASKÖ-Verein, der Fußballklub, bei dem man spielt, ist ein Union-Verein, und durch den Schiklub ist man vielleicht beim ASVÖ dabei. Die Sportausübenden interessiert das im Prinzip nicht. Nur die armen Eltern von Kindern, die gefördert werden wollen, die vielleicht in Richtung Spitzensport gehen, müssen sich sehr wohl überlegen, warum man ein Kind in Wien vielleicht bei einem ASKÖ-Verein oder etwa ein Kind in Oberösterreich bei einem Union-Verein anmelden soll, da diese Vereine natürlich je nach Regierungspartei ganz anders gefördert werden.

Diese Dachverbände, die überall auftauchen, auch zum Beispiel bei der Vergabepraktik der BSO, wo schon 86 Millionen Schilling zur Disposition stehen, vergeben eigenhändig noch rund 54 Millionen Schilling aus der eigenen Tasche. – Was heißt "aus der eigenen Tasche"? Aus den Förderungsmitteln!

Und wie sie das Geld vergeben, läßt sich ja gut anhand der Zusammenstellung über die Sportförderung im Jahre 1995 erkennen. Die Förderungen von Großsportveranstaltungen sind penibel aufgelistet. So wurde etwa der Europapokal der Rennrodler 1996 in Inzing mit 5 000 S gefördert. Ich muß aber dazusagen, damit das komplett ist: mit weiteren 5 000 S aufgrund eines zweiten Antrages. Dann gab es ein paar wichtigere Sportveranstaltungen, wie zum Beispiel die Alpine Schi-WM 1996 für Behinderte in Lech. Diese wirklich wichtige Veranstaltung, die wir alle sehr unterstützen wollen, wurde mit 1 Million Schilling gefördert. Aber bei der besonderen Sportförderung, bei der Sportförderung für Großveranstaltungen erhielten die mit Abstand höchste Summe die Union-Sommerspiele 1995 mit 3,6 Millionen Schilling. Diese wurden also um das 3,6fache höher gefördert als die Behinderten-Weltmeisterschaft, nicht zu reden von Europameisterschaften und so weiter. Das sind Sittenbilder dieser Vergabepraktiken!

Ein weiterer Punkt ist die Zwangsmitgliedschaft. Jeder Sportverein, der an einer Meisterschaft in Österreich teilnehmen will, muß Mitglied in einem dieser Dachverbände sein. Das ist doch in der heutigen Zeit wirklich nicht mehr zu vertreten!

Udo Grollitsch hat schon darauf hingewiesen: Die 1,1 Millionen Sportler beim ASKÖ, die 1,1 Millionen in der Union und die 900 000 beim ASVÖ gelten als 3 Millionen Sportler. In Wirklichkeit ist die Multiplikationszahl 2,6 – es gibt also rund 500 000 aktive Sportler in diesen Sportvereinen. Die Zahl der Mountainbiker in Österreich ist, wie er gesagt hat, bereits gestiegen, dennoch sind sie nach wie vor nicht geregelt, nicht zusammengefaßt und in diese Verbände nicht eingebunden; die Zahl der Inline-Skater ist ebenfalls gestiegen, von den Snowboardern gar nicht zu reden. All diese Sportler, die eben auch Sportler sind, fallen durch den Rost.

Wir Freiheitlichen meinen: Diese Dachverbände braucht wirklich niemand mehr außer die Funktionäre selbst, um die notwendigen Reisen "unter dem Dach" sozusagen stattfinden zu lassen. Die Fachverbände sind sehr wohl notwendig, diese gehören auch dementsprechend gefördert. Es gibt die BSO in Österreich, die wirklich funktioniert und die in Wahrheit von der Regierungsseite her die gleiche Aufgabe wahrnimmt, wie sie die Dachverbände erfüllen. Die BSO sollte genug sein, die Dachverbände hingegen könnte man auflösen. Die gesamten Förderungsmittel von 165 Millionen Schilling, die von den Dachverbänden freihändig vergeben werden, sollten von der BSO vergeben werden, die Dachverbände könnten mitsprechen.

Ich glaube, daß das dringend notwendig ist, und ich glaube auch, daß die Zwangsmitgliedschaften bei Verbänden im Sport höchst antiquiert sind und raschest zu stoppen sind. In diesem Sinne werden wir in naher Zukunft einen Initiativantrag einbringen, den ich hiermit ankündige. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten.

13.32

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst aus aktuellem Anlaß doch kurz auf den Abgeord


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neten Meischberger eingehen. Durch das, was ich bisher getan und gesagt habe, laufe ich bestimmt nicht Gefahr, ein Verfechter der Dachverbände zu hundert Prozent zu sein, weil es – wie es Kollege Löschnak schon gesagt hat – im Sport da oder dort natürlich Veränderungsnotwendigkeiten und Reformbedarf gibt. Aber sich hier herzustellen und die Abschaffung einer gewachsenen Struktur zu verlangen, die sich über fünfzig Jahre hinweg entwickelt hat, die für den Sport Beachtliches geleistet hat, ohne irgendeinen Ersatz dafür anzubieten, ohne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, was alles geleistet wird und wer das dann machen soll, das entbehrt jeder Grundlage, darauf weiter einzugehen und diesen Vorschlag ernst zu nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Meischberger. )

Kollege Meischberger! Schau dir einmal an, was die Dachverbände tun! (Abg. Ing. Meischberger: Ich weiß, was sie tun!) Schau dir an, welche Breitensportaktivitäten sie fördern, vor allem diese Vielzahl an multisportiven Vereinen (Abg. Ing. Meischberger: Was fördern die, was die Fachverbände nicht fördern?), die über mehrere Sportarten hinweg tätig sind, die in mehreren Fachverbänden zu Hause sind, gehört gebündelt.

Und da du im Zusammenhang mit dem Geldverteilen immer das Wort "freihändig" verwendest: Die Dachverbände müssen die Förderungen, die sie verteilen, selbstverständlich nach den gültigen Toto-Richtlinien abrechnen. Da ist nicht alles beliebig verteilbar und abrechenbar, sondern es gibt ganz klare Richtlinien, wofür diese Mittel verwendet werden, und sie müssen die Vergabe auch jährlich durch einen zuständigen Ausschuß kontrollieren lassen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Meischberger. )

Ich komme damit eigentlich schon zu dem, was ich konstruktiv sagen wollte. Zum ersten möchte ich auf unseren Ausschuß zurückkommen. Kollege Grollitsch hat es schon betont: Kollege Grabner und ich haben uns recht schnell gefunden, als es um die Strukturierung dieser Ausschußberatungen, als es auch um die inhaltliche Gestaltung dieser Ausschußarbeit ging. Wir haben viele Fachexperten zu diesen drei Ausschußsitzungen geladen. Wir haben Vertreter des organisierten Sports gehört, die uns genau die Fragen zu diesem Bereich beantwortet haben, wir haben die Finanziers des Sports dabei gehabt – Lotto-Toto zum Beispiel – und auch Verantwortliche von Bundessporteinrichtungen – wir haben uns selbst eine dieser Einrichtungen angeschaut –, und wir waren uns eigentlich über alle fünf Fraktionen hinweg zumindest über einige Dinge einig, die sich jetzt auch in einem Entschließungsantrag wiederfinden, zunächst vor allem über die Bedeutung des Sports in unserem Lande.

Sport hat Bedeutung für die Gesundheitsvorsorge, denn Sport ist wirklich Gesundheitsvorsorge mit höchstem Wirkungsgrad, Sport schafft Persönlichkeit und soziale Kompetenz bei jedem einzelnen, der Sport betreibt, er schafft Identifikation und Wirtschaftskraft in unserem Land. Sportförderung ist für uns – und so steht es auch in diesem Antrag – Gesundheits-, Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in höchstem Maße, also ein Lenkungsinstrument der Politik.

Ich bringe nun folgenden Entschließungsantrag aller fünf Parlamentsfraktionen ein – er umfaßt 11 Punkte, die ich kurz verlesen werde –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Arnold Grabner, Karlheinz Kopf, Dr. Udo Grollitsch, Mag. Helmut Peter und Theresia Haidlmayr

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht,

1. Anliegen des Sports im Rahmen aller Ressorts bestmöglich zu unterstützen,

2. die Verbesserung des Gesundheitszustandes und der motorischen Fähigkeiten unserer Jugend durch fachgerechte und ausreichende Bewegungs-, Leibes- und Sporterziehung in allen Altersstufen bis hin zu Studierenden sicherzustellen,


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3. die regelmäßige Ausübung von Bewegungssport aller Altersgruppen der Bevölkerung als Maßnahme der Gesundheitsvorsorge besonders zu forcieren,

4. die Förderung des Breitensports und der dafür notwendigen Infrastrukturmaßnahmen weiter zu verstärken,

5. dem Behindertensport wegen seiner Bedeutung für die Integration besondere Aufmerksamkeit zu schenken und eine Aufnahme im Bundessportförderungsgesetz in Erwägung zu ziehen,

6. den Spitzensport gezielt, leistungsorientiert und nach größtmöglicher Effizienz zu fördern,

7. Großsportveranstaltungen wegen ihrer über die eigentlichen Sportinteressen hinausgehenden Bedeutung für das Ansehen Österreichs, den österreichischen Tourismus und die Verbesserung der Sportstätteninfrastruktur zu unterstützen und zu fördern,

8. im Rahmen ihrer Aktivitäten in der Europäischen Union die besondere Bedeutung des Sports herauszustreichen,

9. sich für eine Umsetzung der Anti-Doping-Konvention des Europarates einzusetzen,

10. im Rahmen der Vorberatungen des Sportberichtes 1996 gemeinsam mit dem Sportunterausschuß des Nationalrates Strategien zur bestmöglichen Zusammenarbeit im Bereich der Sportpolitik zu entwickeln und

11. in den jährlichen Sportbericht sämtliche sportrelevanten Bereiche und eine lückenlose Auflistung aller Förderungen aufzunehmen sowie insbesondere die Themen ,Frauen im Sport‘ und ,Behinderte im Sport‘ zu behandeln."

*****

Wir haben uns auch darauf geeinigt, daß wir bei der Behandlung des Sportberichtes 1996 einen nächsten Schritt im Hinblick auf die Einbindung derer gehen wollen, die mit dem Sport zu tun haben, die für den Sport auch etwas tun können. Zuerst werden es die Verbände und Sportorganisationen sein, beim zweiten Schritt geht es um die Ministerien, um fast alle Ministerien, vor allem aber um BKA, Unterrichtsministerium, Wissenschaftsministerium, Verkehrsministerium, Sozialministerium, um nur einige zu nennen, die alle in einem Teilbereich Kompetenz für den Sport haben beziehungsweise den Sport unterstützen könnten.

Es zeigt sich allerdings aus dieser Aufzählung bereits eine ungemein zersplitterte Kompetenz für den Sport, was die Bundesministerien anbelangt – und das ist zu bedauern: der Schulsport im Unterrichtsministerium, der außerschulische Sport im Bundeskanzleramt – um nur zwei wesentliche Dinge herauszugreifen –, der Universitätssport im Wissenschaftsministerium. Der Sport gehört endlich in eine Hand, und die kann nur das Unterrichtsministerium sein, wo er auch einmal war.

Der Ansatz, ein Bildungsministerium zu schaffen – wir waren kurz davor –, in das auch die Wissenschaft integriert gewesen wäre, hätte eine Riesenchance geboten, den Sport – wobei ich auch da wieder auf einem eigenen Staatssekretär für den Sport bestehen würde – diesem Ministerium zuzuordnen, um endlich diese Kompetenzzersplitterung zu beseitigen. Wir werden hoffentlich wieder einen Anlauf nehmen, wenn es darum geht, eine neue Bundesregierung zu formen.

Ich möchte nun noch einige konkrete Punkte über diese Entschließung hinaus anführen:

Sport ist Gesundheitsvorsorge. – Hinter dieser von Fachleuten belegten Aussage steht die Tatsache, daß regelmäßiger Bewegungssport die Leistungsfähigkeit, das psychosoziale Wohlbefinden, die Lebensqualität steigert, auch das Gesundheitsbewußtsein hebt und letzten Endes die Neigung zum Drogenkonsum senkt.


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Vizekanzler Schüssel hat kürzlich einen Vorschlag gemacht und diesen auch in der Bundesregierung durchgesetzt, diesen Vorsorgefonds aus den Geldern der Tabaksteuer mit 100 Millionen Schilling zu dotieren. Herr Kollege Löschnak, dieser Betrag ist tatsächlich valorisiert, so heißt die Vereinbarung. Seien wir beide dem Vizekanzler Schüssel dafür dankbar, daß er diese Formulierung "valorisiert" hineingenommen hat. Sie bietet nämlich uns beiden beziehungsweise uns allen den Hebel, die Argumentation, das auch für den Sport, für die besonderen Sportförderungsmittel zu fordern. Ich bin ganz auf Ihrer Seite. Die Valorisierung dieser besonderen Sportförderungsmittel wurde zwei Jahre lang ausgesetzt. Das war der Beitrag des Sports zum Sparpaket. Aber damit muß jetzt Schluß sein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, dieser Vorsorgefonds bietet wiederum Möglichkeiten für den Sport, und wir sollten Mittel aus diesem Fonds gerade aus diesem Titel "Sport ist Gesundheitsvorsorge" für den Sport fordern. Es fehlt uns bis heute in Österreich – im Gegensatz zu einer vorliegenden deutschen Studie – eine Studie über die gesamthafte Bedeutung des Sports für die Wirtschaft, für alle Bereiche. Diese Studie ist dringend auch als Argumentationsgrundlage notwendig, sie könnte daraus finanziert werden, ebenso wie wichtige Maßnahmen im Bereich des Bewegungssports, um diesen wirklich als prophylaktische Maßnahme in das Bewußtsein der Leute hineinzubringen.

Zweiter Punkt: Der Sport schafft soziale Kompetenz und trägt zur Persönlichkeitsbildung bei. Vor allem der in Vereinen ausgeübte Sport ist ein Mittel zur Entwicklung persönlicher Fähigkeiten und Eigenschaften. Es gilt an dieser Stelle allen Ehrenamtlichen, die im Sport tätig sind, wirklich einmal Dank zu sagen. Ich glaube, in kaum einem anderen Bereich unserer Gesellschaft sind so viele Menschen für unsere Jugend, für diese Werte, die ich vorhin auch zitiert habe, ehrenamtlich, ohne Bezahlung tätig.

Diese Ehrenamtlichen kämpfen allerdings mit Problemen, die immer noch nicht gelöst sind. Auf rechtlicher Ebene gilt das für die vieldiskutierte, aber nie wirklich gelöste – höchstens in einem Ansatz in der Werkvertragsregelung gelöste –, sich jetzt wieder in Gefahr befindliche Sozialversicherungsfreistellung von Amateursportlern und Amateurtrainern. Das ist sehr wichtig. Wir haben das zwar in Bereichen der Erwachsenenbildung durchsetzen können, es darf aber nicht passieren, daß diese Bereiche jetzt durch Sozialversicherungspflicht wieder in Gefahr geraten.

Wir haben bei der Gesetzgebung, was die Vereinsfeste betrifft, leider einen Fehler gemacht. Wir haben uns zwar um die Feuerwehren gekümmert, es machen jedoch auch andere Vereine, nämlich auch Sportvereine, Feste, um ihren Betrieb finanzieren zu können. Diese haben wir in diesem Schnellschuß – das gebe ich zu – nicht ausreichend berücksichtigt. Nicht nur Feuerwehren, so wichtig sie auch sind, sind wichtige Vereine. (Abg. Meisinger: Die Feuerwehr ist kein Verein!)  Richtig!

Die Kapitalertragsteuer macht vielen Vereinen Probleme, nämlich dann, wenn sie über mehrere Jahre aus Förderungsgeldern Mittel ansparen, um ein Projekt realisieren zu können. Dieselbe Körperschaft, die es ihnen vorher über Förderungen gegeben hat, nimmt es ihnen zum Teil über Kapitalertragsteuer und ähnliches wieder weg.

Ein ganz leidiges Thema: die Überwachungsgebühren für viele Sportveranstaltungen, die exorbitante Höhen erreichen. Das ist eine Zumutung für die Vereine. Ich appelliere da noch einmal ganz dringend an den Herrn Innenminister, diese Verordnung wieder zurückzunehmen, weil sie auch wieder genau dasselbe bewirkt: Vereinen, die man mit öffentlichen Mitteln fördert, wird dieses Geld auf einem anderen Weg wieder abgenommen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Ein dritter Punkt: Der Sport ist in hohem Maße Identifikationsvehikel, würde ich fast sagen, für unsere Bevölkerung, Identifikationssymbol, vor allem dann, wenn es um den Leistungs- und Spitzensport geht. Wir haben ja im Ausschuß bereits eine Entschließung eingebracht und mit in den Ausschußbericht eingearbeitet, in der es um einen besonderen Förderer des Spitzensportes und des Leistungssportes geht, nämlich um das Bundesheer. Wir haben uns mit Bundesminister Fasslabend verständigen können ... (Abg. Haigermoser: Kollege Kopf, wo ist deine


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Fraktion?)  – Die kennen das alle schon von mir, bei uns ist Sport intern ein wichtiges Thema (Ruf bei den Freiheitlichen: Bei Klubsitzungen?) , über das wir diskutieren. (Abg. Haigermoser: Wahrscheinlich sind sie im Gym-Raum!)

Wir haben uns mit Bundesminister Fasslabend darüber verständigen können, daß ihn der Nationalrat in einer Entschließung erstmals auffordert, den Spitzensport zu fördern. Es hat bisher jeglicher Auftrag des Gesetzgebers gefehlt, was fallweise zu Problemen in der Umsetzung geführt hat. Das ist ganz, ganz wichtig, denn es ist eine existentielle Frage für den Spitzensport.

Es gibt aber auch in diesem Zusammenhang Probleme, das will ich gar nicht verhehlen. Das Bosman-Urteil wirft in arbeits- und sozialrechtlicher Weise Probleme auf, was die Stellung des Berufssportlers anbelangt, welche ja durch viele Gesetze des Sports an sich geregelt ist, die jedoch zum Teil mit nationalen und internationalen Gesetzen in Konflikt geraten, wie eben zum Beispiel beim Fall Bosman; das muß gelöst werden.

Noch ein paar Sätze zum Thema Sportförderung. Im Entschließungsantrag bekennen wir uns vehement zur Förderung und Förderungswürdigkeit des Sports, die Valorisierung wurde schon angesprochen, und man muß wirklich sagen, daß diese zwei Schienen der Sportförderung – eigentlich sind es drei – jede für sich sehr wichtig sind. Das Aussetzen der besonderen Sportförderung, die die Basisförderung für die Vereine und Verbände darstellt, das Aussetzen der Valorisierung führt bei vielen Verbänden zu existentiellen Problemen, weil sie sich nicht einmal mehr ihre Grundstruktur leisten können. Vor allem Fachverbände wären davon massiv bedroht und betroffen. Das kann und darf nicht sein, da müssen wir wirklich eine Allianz bilden, um das in der kommenden Budgetberatung durchsetzen zu können.

Aber auch der Bereich der allgemeinen Sportförderungsmittel scheint mir wichtig zu sein, und dieser Bereich ist mir ein besonderes Anliegen, weil er wirklich einmal näher durchleuchtet werden muß. Der Rechnungshof hat sich das schon angeschaut und ist zu der Erkenntnis gekommen: Da fehlt Effizienz, da fehlt Transparenz, da fehlen Richtlinien für die Vergabe dieser Mittel. Kollege Meischberger hat nicht ganz zu Unrecht einige Beispiele – ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen eingehen – unterschiedlicher Förderung erwähnt. Die sind für viele – für ein paar Insider vielleicht schon – nicht nachvollziehbar. Da braucht es endlich Richtlinien.

Herr Staatssekretär! Sie haben versprochen, im Ausschuß einen Vorschlag einzubringen. Wir warten darauf. Genauso gehe ich davon aus, daß im Sportbericht 1996, der ja hoffentlich demnächst ins Parlament kommen wird, verwirklicht wird, daß die Sportförderungen in all ihren Details – und zwar alle Förderungen, nicht nur beispielhaft – aufgezählt sein werden.

Noch ein paar abschließende Sätze zu den Bundessporteinrichtungen. Diese stellen die dritte Förderungsschiene dar, sind immens wichtig für Verbände, Vereine, für Spitzensportler ebenso wie für den Schulsport und für den Vereinssport. Die Sportheime, Einrichtungen des Bundes, die über ganz Österreich verstreut sind, müssen dem Sport in dieser Weise erhalten bleiben. Wir sind jedoch gesprächsbereit, diese Ausgliederung, die jetzt vorgenommen werden soll – sie ist auch Teil der Regierungsübereinkunft –, vorzunehmen, weil wir von der ÖVP generell der Meinung sind, daß Aufgaben, die die Hoheitsverwaltung nicht durchführen muß, weil es keine hoheitlichen Aufgaben des Staates sind, auszugliedern, in weiterer Folge vielleicht sogar Privaten zu übertragen sind.

Es gibt bereits einige Beispiele dafür, daß man das auch Privaten übertragen kann – Beispiel ÖSV bei zwei Heimen – St. Christoph und Kitzsteinhorn – oder auch Aero Club Spitzerberg. Das sind gute Beispiele. Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht auch noch weitere Träger finden, die das eine oder andere dieser Heime – unter der Prämisse, die ich vorhin erwähnt habe: volle Erhaltung für den Sport und volle Förderung, auch was Tarife und so weiter anlangt – übernehmen würden, bevor wir es einer staatlichen Gesellschaft übertragen. Das können wir dann immer noch mit jenen tun, für die wir derartige Lösungen nicht finden.

Ein Problem habe ich allerdings schon mit der Ausgliederung: Ich zweifle an der Wirtschaftlichkeit, wenn wir eine Gesellschaft über alle drüberstülpen, weil diese mit einem neu aufzubauenden Overhead, der wiederum einige Millionen Schilling verschlingen wird, möglicherweise das,


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was wir uns aufgrund von Rationalisierungen ersparen, das, was wir dadurch, daß nicht mehr die Beamten- und Bundesbedienstetengesetze zur Anwendung kommen und wir uns wie bei einem Privatbetrieb bewegen können, lukrieren, wieder verspielt.

Ich habe Ihnen einen Vorschlag gemacht, wie wir diese Kosten minimieren könnten – es wurde vorhin gesagt, daß darüber eingehend diskutiert werden sollte –, und dieser Vorschlag dient im wesentlichen dazu, die Effizienz, die Erfahrung zu erhalten und gleichzeitig Geld zu sparen, das wir anderswo im Sport, wie ich glaube, dringender brauchen.

Wir müssen auf jeden Fall darauf schauen, daß die Mittel, die wir hierbei unter Umständen einsparen können – was natürlich in der Anfangsphase noch etwas unsicher sein wird –, dem Sport erhalten bleiben. Eine Möglichkeit wäre, einen Teil davon auch für die Valorisierung zu verwenden, wobei mir noch lieber wäre, wir könnten das erhalten plus die Valorisierung machen. Aber eines darf sicher nicht passieren: daß wir diese Mittel, die wir dort einsparen, auch noch an andere Budgetposten verlieren.

Ich komme zum Schluß. Ich möchte mich noch einmal bei allen fünf Parlamentsparteien für die konstruktiven Beratungen im Ausschuß bedanken. (Abg. Mag. Schweitzer: Was, fünf?) Es waren bei einzelnen Sitzungen alle fünf Fraktionen anwesend. (Abg. Mag. Schweitzer: Wann?) Ich möchte mich für das konstruktive Klima bedanken. Ich glaube, der Sport ist wirklich nicht dazu geeignet, parteipolitisches Hickhack zu betreiben oder daraus politisches Kleingeld zu schlagen, wenngleich natürlich auch da gesellschaftspolitisch unterschiedliche Anschauungen zum Ausdruck kommen. Das soll so sein. Aber ich glaube, noch wichtiger ist das, was du gesagt hast, Kollege Löschnak: Sport findet nicht auf der Ehrentribüne statt, dort kann man ihn sich anschauen und sich zeigen, aber wir müssen für den Sport dort kämpfen und dort arbeiten, wo wir auch etwas umsetzen können, nämlich als Gesetzgeber hier im Hohen Haus. Auf der Ehrentribüne fühlen wir uns auch alle sehr wohl, aber das allein wird nicht genügen, sondern wir alle miteinander werden den Herrn Exbundeskanzler Vranitzky beziehungsweise seinen Nachfolger noch einmal dringend an sein Versprechen erinnern müssen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Abgeordneter Kopf vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

13.53

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich zunächst darüber, daß das ständige Drängen der Freiheitlichen, insbesondere unseres Sportsprechers Dr. Grollitsch, endlich bewirkt hat – das Drängen gibt es seit 1994, seit der Abgeordnete Grollitsch hier im Hause ist –, tatsächlich nicht nur einen Sportausschuß einzurichten, sondern auch Sportausschußsitzungen abzuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich erlaube mir, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Staatssekretär, speziell zu den Bundessportheimen Stellung zu nehmen. Die Bundessportheime sind, wie wir alle wissen, zumindest seit dem Jahre 1992 im Gespräch, seit jenem Jahr, als von seiten der Medien festgestellt und als Skandal bezeichnet wurde, daß sehr viele Bundessportheime von Politikern, Beamten, Managern genutzt werden, um dort Billigurlaube zu verbringen. Dies sollte angeblich anders werden – unter Ausserwinkler, unter Vranitzky, unter allen möglichen Ministern und Staatssekretären und Kanzlern sollte dies anders werden –, die Heime sollten letztendlich ausgegliedert werden.

Als ersten Schritt hat man Tarife festgelegt, nämlich einen Normaltarif für all jene, die gleichsam den Billigurlaub dort verbringen, und einen Fördertarif für jene, für die die Bundessportheime an sich gedacht waren. Das hat dazu geführt, daß trotzdem 95 Prozent dem Fördertarif und nur 5 Prozent dem Normaltarif zuzurechnen sind, wobei – das ist erwähnenswert – die Schere zwischen diesen beiden Tarifen ohnedies marginal ist. Die Tarife sind je nach Saison unterschied


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lich, und sie sind in den einzelnen Bundessportheimen verschieden, aber wenn sie bei einigen dieser Bundessportheime beispielsweise nur 40 S pro Tag ausmachen, so ist es nicht verwunderlich, wenn es letztendlich unmöglich erscheint, den finanziellen "Erfolg", nämlich ein Defizit, das mehr als 100 Millionen Schilling ausmacht, zu reduzieren oder gar zu beseitigen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir vertreten die Ansicht, daß es unabdingbar ist, eine Ausgliederung, und zwar eine saubere Ausgliederung dieser Bundessportheime vorzunehmen. Unser Standpunkt ist, daß es durchaus Sinn macht, eine echte Privatisierung durchzuführen, und zwar nicht über Umwege, sodaß wieder das Budget belastet wird (Abg. Kopf: Es muß belastet werden, weil die Förderungen bestehenbleiben!), und – das möchte ich auch gleich dazusagen – die freiwerdenden finanziellen Mittel sollten nicht zum Stopfen der Budgetlöcher verwendet, sondern sehr wohl dem Sport zugeführt werden. Man muß von der derzeitigen Objektförderung endlich zu einer Subjektförderung übergehen, damit das Geld dem Sport verbleibt, das heißt, über die Fachverbände den Vereinen und den Spitzensportlern zufließt, wobei ich, meine sehr geehrten Damen und Herren – über Dachverbände wurde bereits gesprochen –, den Filter Dachverbände für den Fluß der Förderungsmittel wie auch die Dachverbände selbst – auch das ist schon dargestellt worden – für durchaus entbehrlich halte.

Ich erlaube mir daher, einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Hofmann, Lafer und Grollitsch einzubringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Franz Lafer, Dr. Udo Grollitsch und Kollegen betreffend echte Privatisierung der Bundessportheime

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, eine echte Privatisierung der österreichischen Bundessportheime durchzuführen und die dadurch erzielten Einsparungen als direkte Subjektförderungen dem Sport zukommen zu lassen."

*****

Von Kollegen Kopf wurde die betriebswirtschaftlich orientierte Führung im Zusammenhang mit der Ausgliederung der Bundessportheime angesprochen. Gestatten Sie mir folgende Anmerkung dazu: Ich sehe dem sehr zuversichtlich entgegen. Beispielsweise die Abteilung I/B/14 im Haus des Sports, als Verwaltungseinrichtung mit entsprechenden Kosten verbunden, wäre bei einer Ausgliederung mit Sicherheit nicht mehr erforderlich. Betriebswirtschaftlich durchaus sinnvolle Straffungen würden damit einhergehen. Ich darf Sie, da ja quasi von allen Parteien Ankündigungen in Richtung Ausgliederung gemacht worden sind, darum ersuchen, diesem Entschließungsantrag beizutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den der Abgeordnete Dipl.-Ing. Hofmann vorgetragen hat, ist den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend überreicht worden. Er ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

13.59

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Wie gut, daß wir einmal über Sport – einen wichtigen gesellschaftlichen Bereich – diskutieren. Er hat diese Behandlung im Unterausschuß verdient. Und ich meine, wir sollten uns bei den Experten bedanken, die im Unterausschuß ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben. Sie waren in höchstem Maße informativ, interessant und sehr auskunftsfreudig. Die Erfahrungen im Unterausschuß waren sicherlich gute.


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Beim Sport ist, weil er eben ein Teil des gesellschaftlichen Lebens ist, spannend festzustellen (Abg. Haigermoser: Helmut, du betreibst aber wenig Sport!), wie sehr er – wie so vieles in Österreich – von der Parteipolitik vereinnahmt wird. Die Dachverbände haben wirklich keine, aber schon gar keine andere Funktion, als parteipolitisch aufzupassen, daß man seine Finger mit dabei hat. Die Dachverbände Union, ASKÖ und ASVÖ sind in der Bundessportorganisation absolut verzichtbar. (Beifall des Abg. Ing. Meischberger. )

Wir diskutieren heute in vielen Organisationen Re-Engineering, Lean-Management, neue Strukturen. Und wenn man darüber nachdenkt, dann kommt man darauf, daß die Dachverbände im Sport, außer daß sie parteipolitischen Einfluß von Rot und Schwarz sichern, wirklich aber schon gar keine Funktion mehr haben! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.) Also wenn Sie Geldmittel freimachen wollen im Sport, dann lösen Sie die Dachverbände auf und verwenden Sie das Geld, das dort verbraucht wird, dafür, Sportler wirklich direkt zu fördern.

Schauen Sie sich, meine Damen und Herren, doch einmal die Organisation des Sports in Österreich an! Das ist ein Horror, bitte, das ist die Steinzeit der Organisation! Wir reden heute, Herr Staatssekretär, von Lean-Management, von Reingeneering und vielen solchen gescheiten Sachen. Wissen Sie, die haben auch ihren Sinn, denn das, was gut und alt ist, ist das Gefängnis der Erfahrung, aus dem wir uns, wie ich meine, befreien sollten. Es fällt halt schwer, sich zu befreien, wenn man sich aus parteipolitischem Einfluß befreien muß, das sehe ich schon ein, und die Multifunktionäre werden dann ihren Funktionärskalender etwas kürzen müssen.

Muß es wirklich parteipolitischen Sport geben, schwarze Radfahrer und rote Radfahrer, schwarze Läufer und rote Läufer? Das sollte doch bitte wirklich der Vergangenheit dieser Republik angehören! Ich hoffe, daß die beiden großen Regierungsparteien dieses Landes darauf verzichten werden.

Sport ist zu wichtig, Sport hat viel mehr zu tun mit ehrenamtlichen Mitarbeitern in den Vereinen, mit den Trainern. Von denen sollten wir mehr reden als von den parteipolitischen Wichtigtuern! Was dort Positives geleistet wird von Leuten, die sich dem Sport in Vereinen ehrenamtlich zur Verfügung stellen, Menschen helfen, jungen Leuten ein Ziel geben, halte ich für großartig. Bedauerlich finde ich, wie schlecht wir es mit der Versicherung dieser ehrenamtlichen oder halbamtlichen Funktionäre halten. Es gibt zwar Unfallversicherungen da und dort, aber gerade bei den halbamtlichen Trainern fehlt meiner Ansicht nach eine sozialversicherungsrechtliche Basis, die wir finden sollten.

Die erste Forderung an die Sportpolitik aus liberaler Position ist ein Bekenntnis zum Spitzensport. Der Spitzensport ist die Voraussetzung und Vorbild für den Breitensport. Er ist vor allem auch ein Botschafter Österreichs, und ich meine, man darf diesen Botschafter Österreichs nicht unterschätzen.

Ich bekenne mich zweitens zu den Großveranstaltungen, zu den vielzitierten und vieldiskutierten Events. Diese Events, seien es die Olympischen Spiele, Fußballeuropameisterschaften oder was immer, sind letztlich ein Teil des Standortmarketings von Österreich. Und dieses Standortmarketing, die Positionierung Österreichs im Wissen der Welt halte ich für ganz besonders wichtig.

Was ich nicht einsehe, ist, warum die Schuleinrichtungen nicht schon lange für den Vereinssport geöffnet worden sind. Es gibt da und dort Beispiele, aber es geht wahnsinnig zäh. Es ist unendlich schwierig, durchzusetzen, daß leerstehende Schulsporthallen, daß leerstehende Schulsportplätze von Vereinen wirklich in extenso genützt werden können. Woran liegt das, Herr Staatssekretär? Wo ist das Problem? Warum geht es nur punktuell? – Ich glaube, da sollten wir den Förderungsschwerpunkt setzen.

Es ist doch zum Weinen, wenn ein bestehender Sportplatz, ein bestehender Sportsaal von Vereinen nicht genutzt werden kann. Da sollten wir den Schwerpunkt der Förderung setzen, und ich glaube, wenn wir diese ganze Sportorganisation etwas ausholzen und sie klarer und einfacher gestalten, werden Mittel dafür da sein. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)


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Ich sehe eigentlich nicht ein, warum wir die HSNS, die Heeressport- und Nahkampfschule, nicht auch für weibliche Spitzensportler öffnen. (Abg. Kopf: Kommt!) Ich glaube, das ist ja geplant, aber derzeit ist es leider nicht so. Das wäre eine ganz wesentliche Möglichkeit des Trainings und auch der sozialen Absicherung von Spitzensportlerinnen, die dieselben Möglichkeiten haben sollen.

Mein Ceterum censeo, meine Damen und Herren: Ich werde nicht müde werden – und Herr Grabner wird in dasselbe Horn stoßen –, die Angelegenheit der Forststraßen immer wieder zum Gespräch zu machen. Ich weiß schon – wie mir Frau Rauch-Kallat immer vorwirft –, Bayern ist ja bekanntlich ein kommunistisches Land, denn in Bayern darf man auf den Forstwegen radfahren, wenn sie 1,50 Meter breit sind. (Abg. Kopf: Und das von einem Liberalen!) Also diese Form von "Kommunismus" wünsche ich mir bitte auch in Österreich. Auch Südtirol ist dann kommunistisch, aber die Gräfin wird das halt nicht so gern hören.

Die Ausgliederung der Bundessportheime haben schon einige Vorredner angesprochen. Warum haben wir nicht den Mut, sie schlicht und ergreifend zu verpachten? (Abg. Kopf: Ja, machen wir!) Sie sollen im Besitz des Staates bleiben, damit habe ich kein Problem, er soll auch weiter investieren können, das kann man im Pachtvertrag festhalten, aber bitte verpachten wir sie an Private! Dann kostet der Tag im Bundessportheim das, was er eben kostet, aber die Mittel, die eingespart werden, kann man dann in der Subjektförderung ganz gezielt einsetzen, um diese Sportlerin, diesen Sportler, diesen Verein et cetera für Trainingslager auszubilden.

Ich erlebe in meinem großen Freundeskreis immer wieder, daß mir einer ganz stolz berichtet: Ich war jetzt in Schileiten, das war klaß und billig. – Das ist nicht der Sinn und Zweck, daß der Tennisklub von irgendwo, der von 40-, 50-, 60jährigen Herren besucht wird, die alle sehr gut verdienen, dann nach Schileiten zum Tennisspielen um den viertel oder halben Preis fährt. Das halte ich schlicht und ergreifend für lächerlich. Das ist nicht der richtige Weg. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der ÖVP.)

Privatisieren wir bitte die Bundessportheime so, daß wir sie aus dem Bund in eine private GesmbH ausgliedern, verpachten wir sie! Es gibt genügend tüchtige Pächter in Österreich, und diese werden den Preis verlangen, den sie auf dem Markt brauchen, um unter diesen Pachtbedingungen gewinnbringend arbeiten zu können. Und fördern wir dann ganz klar die Subjekte: die Frau, den Mann, den Verein, von denen wir sagen: Ihr sollt im Bundessportheim trainieren können. Dann haben wir auch kein Problem damit, wenn ein hochrangiger Sektionschef oder Politiker dort einmal hinfahren will. Er muß die volle Länge brennen, und es ist eine ehrliche Geschichte. (Abg. Böhacker: Was ist das: "brennen"?) Herr Böhacker, ich überlege, wie ich Ihnen das jetzt übersetzen soll. Es war umgangssprachlich, das gebe ich zu. "Brennen" heißt "pecken" auf Wienerisch, wenn Sie das besser verstehen. (Abg. Böhacker: Setzen!) Setzen, einverstanden, Herr Böhacker! Ich bedanke mich bei Ihnen.

Meine Damen und Herren, abschließend: Sport ist wirklich ein gesellschaftspolitisches Thema. Es besteht daher die große Gefahr, daß er eine parteipolitische Spielwiese ist. Ich glaube, das hat er nicht verdient, und die Kopfs und die Löschnaks und die Grabners und die Meischbergers dieser Welt werden ihren Beitrag dazu leisten, daß er einmal keine parteipolitische Spielwiese mehr ist, daß wir uns mehr auf den Sport konzentrieren und weniger auf die Ehrentribüne.

Wir Liberalen werden dem Sportbericht zustimmen, weil wir ihn positiv finden, und uns auch dem Entschließungsantrag anschließen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Höchtl gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

14.07

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Mag. Peter hat die Behauptung aufgestellt, daß die Dachverbände rein parteipolitische Konstruktionen wären. (Abg. Mag. Peter: Das wollen Sie berichtigen? Das finde ich aufregend!)


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Ich möchte berichtigen: Die Dachverbände sind keine parteipolitischen Konstruktionen (Abg. Mag. Peter: Höchtl muß zum Krenn beichten gehen!), zumindest was die Union anlangt. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie bekennt sich zu einem christlichen Weltbild, hatte aber nie eine Verbindung zur ÖVP in irgendeiner Form. Das ist die Wahrheit – und alles andere ist ein Wunschdenken von Ihnen, um einen Angriffspunkt finden zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

14.08


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lafer.

14.08

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich war selbst Mitglied dieses Sportunterausschusses und konnte feststellen, daß die Arbeit dort sehr produktiv war und daß die Sachverständigen wirklich gute Beiträge geleistet haben.

Herr Staatssekretär, wir haben damals auch die Veranstaltungsüberwachung durch die Exekutive besprochen, und Sie haben dem Sportunterausschuß zugesichert, einen Vorschlag vorzulegen, wie Sie den Veranstaltern dahin gehend entgegenkommen, ihnen bei den Kosten behilflich zu sein – die Exekutive kann bei den Veranstaltungen extreme Kosten verrechnen, wie es in den Budgetgesetzen festgeschrieben ist.

Aber ich möchte gleich zu einem aktuellen Anlaß kommen, und zwar zum Grand Prix in Zeltweg, wo seit gestern Training ist und am Sonntag nach einigen Jahren wieder ein Rennen stattfindet. Im Jahre 1995 wurden Verhandlungen aufgenommen, an denen auch der freiheitliche Landtagspräsident Dipl.-Ing. German Vesko wesentlich beteiligt war, und die steiermärkische Landesregierung hat den Beschluß gefaßt, den A1-Ring zu subventionieren. Es kam dann zu Absprachen beziehungsweise zu Zusagen, und zwar vom Herrn Bundeskanzler Dr. Vranitzky am 18. August 1995 und am 6. September 1995 und vom damaligen Wirtschaftsminister Dr. Johannes Ditz am 10. Oktober 1995, daß die Bundesregierung den A1-Ring in Zeltweg mit 120 Millionen Schilling subventioniert. – Diese Subvention in der Höhe von 120 Millionen Schilling ist bis heute nicht bezahlt worden.

Ich zitiere noch aus einem Stenographischen Protokoll des Steiermärkischen Landtages, Landesrat Dr. Hirschmann, ÖVP: Nach einem sehr kurzen Gespräch mit dem Herrn Vizekanzler Schüssel und dann mit dem Kollegen Ressel wurde mitgeteilt, daß wir die 120 Millionen Schilling auf fünf Jahre verteilt bekommen.

Meine Damen und Herren! Weil diese 120 Millionen Schilling, die seitens der Bundesregierung für diese Region versprochen wurden, noch nicht ausbezahlt wurden, stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lafer, Apfelbeck, Dr. Grollitsch, Koller, Dipl.-Ing. Schöggl, Dipl.-Ing. Hofmann und Kollegen betreffend Bundeszuschuß zur Finanzierung des Österreich-Ringes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, die seinerzeitig gegenüber dem Land Steiermark gegebene Zusage, die Reaktivierung des Österreich-Ringes mit Hilfe eines Bundeszuschusses in Höhe von 120 Millionen Schilling zu unterstützen, unverzüglich zu erfüllen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Wir werden ganz genau darauf achten, ob Sie diesem Entschließungsantrag zustimmen oder nicht; dementsprechend werden wir uns dann verhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr, die von ihrem Platz aus sprechen wird. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.11

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mir heute meine "Sportveranstaltung" in diesem Haus ersparen, ich brauche nämlich nicht die Rampe hinunterzufahren. Ich danke, daß ich heute von diesem Platz aus sprechen darf.

Im gesamten Sportbericht – und das ist meiner Ansicht nach schon sehr bezeichnend – werden nicht einmal in einem Satz die Aktivitäten des Behindertensports erwähnt. Genauso wie die Aktivitäten des Behindertensports nicht erwähnt sind, genauso beschämend und spärlich sind die Förderungen für den Behindertensport.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie wissen, daß lediglich 1 Prozent der gesamten Bundes-Sportförderung an den österreichischen Behindertensport geht, dann, glaube ich, können Sie auch klar für sich feststellen, wie wenig Bedeutung diesem meiner Ansicht nach sehr wichtigen Sport zugemessen wird.

So umstritten der Behindertensport auch in manchen Bereichen ist – ob er nun gesundheitsfördernd oder gesundheitsschädlich ist oder ob man als behinderter Mensch zusätzlich auch noch Sport betreiben soll –: Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, daß der Behindertensport behinderte Menschen in ihrer Gesundheit fördert und nicht schädigt.

Nicht nur, daß der Behindertensport gesundheitsfördernd ist: Er stellt auch eine wichtige psychische Komponente für Menschen dar, die plötzlich aus dem Alltag hinausgedrängt werden und neu anfangen müssen. Der Sport bietet in diesem Bereich sehr, sehr viele Möglichkeiten, um wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können. Ich glaube, dementsprechend sind auch die Leistungen unserer österreichischen Behindertensportler zu bewerten.

Wenn Sie wissen, daß wir in Österreich in der Zeit von 1945 bis heute in Summe eine größere Menge an Medaillen im sogenannten Behindertensport für Österreich erwerben konnten, als österreichische nichtbehinderte Sportler bei Olympischen Spielen nach Hause bringen, und daß dieser Umstand nicht einmal einer Erwähnung wert gefunden wird, dann wissen Sie auch, wie stiefmütterlich der Behindertensport in Österreich behandelt wird.

Dem Behindertensport wird in Österreich ein solch untergeordneter Stellenwert eingeräumt, daß, wenn Olympische Spiele stattfinden, die Organisationen betteln gehen müssen – bei Privatpersonen, bei kleinen Firmen –, um zumindest einen einheitlichen Trainingsanzug finanzieren zu können, weil nicht einmal sichergestellt ist, daß unsere Mannschaft in einer einheitlichen Bekleidung auftreten kann. Das ist auch sehr bezeichnend.

Ich werde nach Schluß dieser Sitzung zu einer internationalen Behinderten-Sportveranstaltung fahren. Mir ist es wichtig, dort zu sein, aber nicht, weil ich den Sport unbedingt mit meiner optischen Anwesenheit unterstützen möchte, sondern mir geht es um die Anliegen des Behindertensports und um die Sicherstellung seiner Finanzierung.

Herr Staatssekretär Wittmann! Ich glaube, Sie wissen, daß es seit August die Verfassungsbestimmung gibt, die besagt, daß Bund, Länder und Gemeinden sicherstellen müssen, daß behinderte Menschen gegenüber nichtbehinderten Menschen gleichgestellt werden müssen. Das heißt, die Gleichstellung muß sichergestellt werden. Gleichstellung heißt auch, daß der Bereich Behindertensport in das Bundes-Sportförderungsgesetz aufgenommen werden muß, daß der Behindertensport jährlich einen klaren Betrag zugewiesen bekommen muß – und daß nicht


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jedes Jahr ein Ansuchen gestellt werden muß und die Behindertensportverbände eigentlich nicht wissen, mit welchen Mitteln die behinderten Menschen ihren Sport ausüben können.

Es gibt in Österreich 12 000 Behindertensportlerinnen und -sportler und 100 aktive Sportler, die in Weltranglisten aufscheinen. Diese Menschen haben nur deshalb die Chance, ihren Sport weiterzubetreiben, weil sie so ziemlich alles aus Eigenmitteln zahlen. Es gibt kaum Sponsoren für den Behindertensport, weil es ja nicht üblich und öffentlich anerkannt ist, weil man sich immer noch davor scheut, behinderte Menschen auch als Werbeträger einzusetzen. Es macht eben kein schönes Bild, wenn ein schwerstbehinderter Mensch auf einem Werbeplakat einer Firma gezeigt wird. Das heißt, auch im Bereich des Sponsorings bestehen die größten Probleme, zusätzliche Mittel zu bekommen.

Behinderte Menschen möchten sich auch nicht unbedingt im Sinne des Sponsorings um jeden Preis verkaufen lassen, sondern brauchen staatliche Mittel. Diese Mittel müssen festgeschrieben und zugesichert werden.

Der österreichische Behindertensport versucht, seine Arbeit verantwortungsvoll und im Interesse der behinderten Menschen, die Sport betreiben, zu machen. Dazu braucht es – neben den Sportlern – auch entsprechendes Organisations- und Assistenzpersonal. Das heißt, die Kosten im Behindertensport sind wesentlich höher als im sogenannten Nicht-Behindertensport anzusetzen.

Wir behinderte Menschen – ich möchte dazusagen, ich betreibe keinen Sport – haben aber kaum die Chance, unseren Sport auch entsprechend ausüben zu können, denn alle Sporteinrichtungen des Bundes, alle Sportheime sind so gut wie nicht barrierefrei. Wir müssen betteln und bitten, daß behinderte Menschen zum Beispiel Tennis spielen dürfen, weil nichtbehinderte noch immer die Angst haben, daß Rollstuhlfahrer den Boden kaputtmachen und nichtbehinderte Menschen dann mit ihren Schuhen diesen Platz nicht mehr benutzen können. Es ist ein Spießrutenlauf und ein Bettelgang, wenn behinderte Menschen irgendwo Sport ausüben wollen. Ich halte das für eine verfehlte Politik.

So verfährt man auch in der Behinderten-Kulturpolitik: Man hat behinderte Menschen ins Parlament eingeladen; Politiker haben mit ihnen einen halben Tag lang gemalt. Und viele meinten dann, das war Behindertenkunst und Förderung von Behindertenkunst, nein: Das war Verdrängung von Behindertenkunst!

Auch im Sportbereich ist es ähnlich: Es wird doch niemand glauben, nur weil er bereit ist, sich auf einen Sportplatz zu stellen und mit behinderten Menschen Sport zu betreiben, daß das Sportförderung ist! Das ist natürlich eine – unter Umständen – gute Unterstützung, aber keine Sportförderung! Sportförderung im Behindertenbereich heißt finanzielle Absicherung, finanzielle Sicherstellung.

Herr Staatssekretär! Ich weiß, daß es sehr schwierig sein wird, weil es eine sehr große Gegnerschaft gegen die Absicherung des Behindertensports im Bundes-Sportförderungsgesetz gibt, aber es muß unser Ziel sein, dies durchzusetzen. Wenn wir Abgeordnete uns zum Behindertensport in Österreich bekennen, dann muß eine gesetzliche Absicherung rasch gehen. Sie wissen ganz genau, die nächsten Olympischen Spiele stehen vor der Tür, und Österreichs Behindertensportler möchten an diesen selbstverständlich wieder teilnehmen. Derzeit ist überhaupt nicht sichergestellt, ob das in Zukunft – mit den spärlichen Mitteln, die zur Verfügung stehen – noch möglich sein wird.

Wir brauchen Grundlagen, die den Behindertensport sicherstellen. Ich möchte mit dieser Zusicherung heute nach Salzburg fahren und den Menschen, die dort ihren Sport ausüben, sagen können, daß wir in Österreich, daß die österreichische Politik bereit ist, auch den Behindertensport entsprechend finanziell zu unterstützen, daß eine Weiterarbeit in diesem Bereich sichergestellt werden kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei der ÖVP.)


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14.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. Er hat das Wort.

14.19

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Über den Sportbericht 1995 wird erstmalig – und ich bin immerhin schon das siebzehnte Jahr hier im Parlament – ausführlich berichtet und ausführlich diskutiert. Wenn auch andere gegenteiliger Meinung sind: Wir behandeln den Sport hier. Dafür möchte ich ein herzliches Dankeschön sagen.

Ich hoffe, daß der Sportbericht 1996 in wenigen Tagen ins Parlament kommen wird, damit wir ihn noch im heurigen Jahr behandeln können, damit wir nicht immer zwei Jahre im nachhinein darüber diskutieren und damit wir bei dieser Gelegenheit – einige Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Fraktionen haben das ja bereits angesprochen – die Ministerien dazu einladen können. Ich darf Frau Kollegin Haidlmayr mitteilen, daß wir bei der Diskussion über den Sportbericht 1996 selbstverständlich auch ausführlich den Behindertensport behandeln werden.

Der Behindertensport ist heuer in die Bundes-Sportorganisation aufgenommen worden; es ist also etwas geschehen. Zusätzlich bekommt der Behindertensport – aber ich weiß: es ist immer zuwenig Geld – 5 Millionen Schilling vom Finanzministerium. Daß dies zu wenig ist, ist klar, aber gerade Staatssekretär Dr. Wittmann hat für den Behindertensport sehr viel übrig.

Meine Damen und Herren! Es ist wichtig, daß über den Sport gesprochen wird – man kann ja darüber diskutieren, in welchem Ausschuß das behandelt werden soll. Sport wurde schon einmal im Unterrichtsausschuß behandelt. Wenn aber eine Schulstunde gestrichen wurde, so waren das die Leibesübungen. Deshalb wird das auch im Unterrichtsausschuß nicht mehr behandelt.

Der Obmann des Gesundheitsausschusses war nicht bereit, den Sportbericht 1993 und – aufgrund der Neuwahlen – den Sportbericht 1994 zu behandeln. Mich freut auch, daß fast alle Fraktionen einen Sportsprecher haben, damit man sich zusammensetzen und das eine oder andere besprechen kann.

Der Sportunterausschuß hat drei ganze Tage getagt. Wir haben es heute schon gehört: Viele Experten, Funktionäre, Fachleute und Spitzensportler waren anwesend: Vertreter der BSO, des Olympischen Comités, Lotto/Toto, IMSB und Vertreter der Dachverbände. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Kollege Peter, da hast du gefehlt, aber du warst entschuldigt. Wir haben dort von den Leistungen der Dachverbände gehört. Viele – Kollege Höchtl hat es schon erwähnt –, auch bei den Freiheitlichen, haben gesagt: Ich bin bei einem ASKÖ-Verein, oder: Ich bin bei einem Union-Verein.

Der Generalsekretär der Union hat uns dort mitgeteilt – ich sage dafür ein Dankeschön –, daß Herr Bundesparteiobmann Dr. Haider etliche Jahre Obmann eines Union-Vereines war. Man sieht also, daß die Fraktionszugehörigkeit nicht auch die Zugehörigkeit zu einem Verein widerspiegelt. In einem Ort, wo es nur einen Sportverein gibt, fragt niemand, ob das die Union oder der ASKÖ ist. Man weiß das ohnehin, wenn man sich auch nur ein bißchen damit beschäftigt. So läuft das in Wirklichkeit ab. (Abg. Dr. Haider: Das halte ich wirklich für einen Irrtum! Ich war nie Obmann eines Union-Vereines!) So ist es uns vom Herrn Generalsekretär berichtet worden. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Der Fußballverband war bei diesen Sitzungen auch vertreten. Wir sind stolz darauf, daß wir mit unserer Mannschaft zur Weltmeisterschaft fahren, denn das ist auch wirtschaftlich bedeutend. Sport ist nicht mehr die wichtigste Nebensache der Welt: Sport hat in unserer Gesellschaft einen Platz, der sehr wichtig ist. Sport ist ein Partner der Wirtschaft geworden. An die Adresse der Wirtschaft gerichtet, die immer betont, daß sie den Sport subventioniert: Sport ist ein Partner! – Wir sehen ja bei internationalen Veranstaltungen, was der Sport für die Wirtschaft bringt.

Wir haben gesehen, daß der Sport in Österreich mit den derzeitigen Funktionären gut besetzt ist – egal, ob es das Olympische Comité, die BSO, die Dachverbände oder ob es der Spitzensport-Ausschuß ist. Wir vom Sportunterausschuß haben auch Sportstätten und Sporteinrichtungen besichtigt. Das ist sehr wichtig, da kann man sich Anregungen für seine Arbeit holen.


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Ich möchte auch dem Herrn Staatssekretär ein herzliches Dankeschön sagen, denn er hat schon einige Gespräche über Themen geführt, die wir im Sportunterausschuß besprochen haben: Mit Frau Unterrichtsministerin Gehrer hat er über den Schulsport gesprochen. Auf diesem Gebiet muß etwas geschehen; das wissen wir alle. Er hat auch bereits mit dem Herrn Bundesminister für Inneres über die Überwachungsgebühren gesprochen. – Es tut sich also etwas auf diesem Gebiet. Dafür sage ich herzlichen Dank.

Ich möchte auch den Beamten ein Danke sagen. Man kann immer wieder – das haben wir auch heute gehört – Änderungen treffen, aber ich muß sagen, dieser Sportbericht ist kein Kunstbericht: Da kennt man sich aus, da tut sich etwas. Das ist das Wichtigste. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Es ist eine Kunst, vom Sport zur Kunst zu kommen!) Ich komme schon noch auf die Kunst zu sprechen – ein Wort möchte ich darüber noch verlieren.

Ich möchte allen Vertretern der Parteien ein Dankeschön sagen. Ich betone noch einmal: In diesem Sportunterausschuß herrschte ein sehr gutes Klima, wenn auch jeder den Sport von seiner Weltanschauung, seinem Gesichtspunkt aus gesehen hat. Aber es hat sich dort etwas getan, und es gab ein sehr gutes Klima.

Daß wir überall zu wenig Geld haben – insbesondere für den Sport –, hat der Präsident der Bundes-Sportorganisation, der Präsident von 14 000 Sportvereinen mit insgesamt 250 000 Funktionären, bereits mitgeteilt.

Meine Damen und Herren! Da gehen wir, glaube ich, alle konform: Sozusagen das Gold des Sportes in Österreich sind die ehrenamtlichen Funktionäre. Ich habe einmal ausrechnen lassen: Wenn man den Funktionären für ihre Arbeit auch nur 100 S pro Stunde zahlen wollte, wären das über 30 Milliarden Schilling. – Das könnte sich keine Gebietskörperschaft oder ähnliche Einrichtung leisten. Wir hätten viele Sportstätten nicht, wenn nicht so viele Funktionäre ihre Freizeit hiefür opfern würden.

Ich weiß, du hast dich bereits dafür eingesetzt, Herr Staatssekretär Wittmann, aber wir müssen uns weiter für eine Valorisierung im Zusammenhang mit dem Sport einsetzen.

Jetzt komme ich auf die Kultur zu sprechen. Der Sport hat keine Lobby, aber im Kulturbereich gibt es sehr viele Lobbies. Das wird auch in Zukunft notwendig sein.

In den Jahren 1996 und 1997 war das Budget das wichtigste Thema. Das Budget für die Sportförderung dieser Jahre hat sich zusammengesetzt aus Darlehen, allgemeinen Förderungen und Investititonsförderungen. Meine Damen und Herren! 42 Prozent dieser Förderungen sind für Sportstätten, Sportgeräte und Lehrmittel zur Verfügung gestellt worden. Ein sehr großer Teil dieser Förderungen ist also den Gemeinden zugute gekommen.

Großveranstaltungen sind für Österreich von großer Bedeutung – nicht nur für Österreich als Sportland, sondern auch wirtschaftlich, als Werbung für den Fremdenverkehr. Großveranstaltungen bringen zudem für den Sport auch direkten Gewinn.

Meine Damen und Herren! Ohne Subventionen wäre es aber nicht möglich, Großveranstaltungen nach Österreich zu bringen – Kollege Meischberger hat nur zwei oder drei Veranstaltungen genannt –: American-Football-Europameisterschaft: 250 000; Bahngolf-Weltmeisterschaft: 250 000; Leichtathletik-Frühlingsmarathon: 150 000 – die Kollegen Haider, Schweitzer und Herr Minister Bartenstein sind da mitgelaufen –; Volleyball Spring-Cup Damen: 300 000; Rhythmische Sportgymnastik, Weltmeisterschaft: 1 Million. Da sitzt ein Kollege, der lange Jahre mit mir Funktionär beim Volleyball-Verband war, nämlich Kollege Feurstein.

Zu den Bundessportheimen darf ich sagen: Kollege Hofmann, wir haben heute die Entschließungsanträge besprochen. Du bringst einen Entschließungsantrag ein und sagst dann, wir sollen mitstimmen. So kann man es nicht machen, und daher werden wir auch nicht zustimmen; das sage ich gleich dazu. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Vertreter des Österreichischen Olympischen Comités, ein sehr wichtiger Faktor für den Sport in Österreich, mit Präsident Wallner und Generalsekretär Jungwirth gut besetzt, sind bereits seit 14 Uhr in Kitzbühel, fahren dann nach Salzburg und Kärnten. Im November fällt dann die Entscheidung, wer für die Spiele im Jahre 2006 vorgeschlagen wird. (Abg. Schwarzenberger: Salzburg!) Das kann ich nicht sagen. Ich bin zwar ÖOC-Mitglied, aber ich möchte sagen: Es kann nur jene Stadt werden, die auch international die Chance hat, die Olympischen Spiele für das Jahr 2006 zu bekommen. (Abg. Schwarzenberger: Das kann nur Salzburg sein! – Weitere Zwischenrufe.) Ich weiß schon: Da ist ein Salzburger, ein Kärntner oder dort ein Tiroler. Jeder will die Spiele für sich, das ist eine klare Sache.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das kann nur Wiener Neustadt sein; das ist doch klar. (Heiterkeit.)

Abgeordneter Arnold Grabner (fortsetzend): Wiener Neustadt hat sich nicht beworben – und wird sich auch in Zukunft nicht bewerben, Herr Präsident.

Zur Sporthilfe: Ich möchte von dieser Stelle aus dem langjährigen Verantwortlichen der Sporthilfe, Herrn Mag. Schwab, herzlichst danke sagen. Er hat die Sporthilfe dem Kollegen Neuper gut übergeben, und ich glaube, daß da etwas im Gang ist, denn er versucht bereits, die Gemeinden zu überzeugen, und er wird auch noch an euch alle herantreten, damit jeder Abgeordnete Mitglied der Sporthilfe wird.

Beim Schulsport hat sich auch einiges getan: Herr Staatssekretär Wittmann hat gemeinsam mit Frau Ministerin Gehrer die Initiative "Schulsport und Breitensport" gesetzt, was eine Forderung des Sportausschusses war. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie schaut die aus?) Diese Sportinitiative läuft unter dem Titel "Hits für Kids", und wenn das funktioniert, dann wird das nächstes Jahr in 24 Städten und Gemeinden Österreichs durchgeführt werden.

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch einige wichtige Punkte – wie beispielsweise Sport und EU – zu besprechen; tun wir das nicht einfach so beiseite. Ich möchte Herrn Staatssekretär Wittmann bitten, das Thema Sport nächstes Jahr bei der Präsidentenkonferenz auf die Tagesordnung zu bringen.

Es liegen noch viele Forderungen von Sportverbänden vor, und ich möchte jetzt nicht vom Rednerpult hier weggehen, ohne etwas festzustellen, was mir aufgefallen und viel wichtiger ist, als wahrscheinlich alle annehmen: Öffnen wir die Forstwege für den Tourismus! Sie wurden schon vielfach aufgemacht, aber nur dann, wenn dafür gezahlt wird; in Bayern oder Südtirol ist das aber nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Noch einmal ein Dankeschön an alle. Ich hoffe, daß wir auch in Zukunft nicht Partei-, sondern Sportpolitik machen. Sport ist etwas Lebendiges, ein Sinnbild der Ausdrucksfreude an körperlicher Betätigung. Sport ist Ausdruck der Lebensfreude und wichtig für die Gesundheit, aber Sport ist auch Wirtschaftsfaktor und Werbeobjekt. Es sollte daher unser vorrangigstes Anliegen sein, den Sport als das zu sehen, was er ist: ein Mittel der Körperertüchtigung für die Menschen (Abg. Mag. Schweitzer: "Körperertüchtigung", das ist ja fast faschistoid!) , eine Ausdrucksmöglichkeit für talentierte Sportler und ein unterhaltsamer Freizeitbereich. (Ruf: "Sport ist Mord"!) Ich hoffe, daß der Sportbericht 1995 zur Kenntnis genommen wird. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Kollege Schweitzer zieht – wie immer – alles ins Lächerliche. Ich möchte die 250 000 Funktionäre in Österreich sehen, wie sie dich anschauen, wenn du immer alles lächerlich zu machen versuchst! (Abg. Dr. Haider: Ich bin auch Funktionär – und Sportler, lieber Freund!)

Ich bitte um Ihre Zustimmung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

14.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch gemeldet. Ich mache auf die einschlägigen GOG-Bestimmungen aufmerksam.


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85. Sitzung / Seite 88

14.33

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollege Grabner hat soeben in seinen Ausführungen behauptet, daß unser Bundesparteiobmann Haider Mitglied in einem Union-Verein und dort auch als Funktionär tätig gewesen sein soll. Und meiner Erinnerung nach ist im Sportausschuß Kollegen Haider unterstellt worden, daß er bei einem ASKÖ-Verein als Aktiver beziehungsweise als Funktionär tätig gewesen sei. – Beides entspricht nicht den Tatsachen. (Abg. Dr. Haider: Alle wollen mich vereinnahmen!)

Ich berichtige tatsächlich: Dr. Haider war bei einem Verein des ÖTB, des Österreichischen Turnerbundes, sowohl in Bad Goisern als auch in Klagenfurt aktiv und als Funktionär tätig. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Und in München!)

14.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

14.34

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Sportfreunde! Die einstimmige Entschließung aller Parteien sagt eigentlich schon viel aus über den Sportbericht und über die künftigen sportlichen Aktivitäten, unter anderem auch, wie es mit dem Sport in Österreich weitergehen soll. Ich selbst bin sehr froh darüber. Es ist von meinen Vorrednern schon sehr viel Richtiges und Wichtiges gesagt worden. Dem könnte ich nur wenig hinzufügen, aber einige Dinge, die mir ein Anliegen sind, möchte ich kurz erwähnen.

Bei der Olympiabewerbung wäre die Steiermark auch sehr gerne dabei, Kollege Grabner, aber aus verschiedenen Gründen war das nicht möglich – es war vor allem nicht so, wie wir es uns gerne vorgestellt hätten. Wir beweisen jetzt auf anderem Gebiet, nämlich mit großen sportlichen Events, daß es doch geht, wirtschaftliche Bewegung ins Land zu bringen. "Olympia Steiermark" und "Olympia 2000" hätten sicherlich große Chancen gehabt, mitzumischen, und es hätte in deinem Sinne auch – was die wirtschaftliche Bedeutung anlangt – sehr viel gebracht.

Wenn wir heute das Wort "Sport" aussprechen, dann reden wir gleichzeitig über Gesundheits-, Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftspolitik. In Vereinen ausgeübter Sport ist ein Mittel zur Entwicklung persönlicher Fähigkeiten und Eigenschaften wie Ausdauer, Leistungsbereitschaft, Selbstbeherrschung, Gemeinschaftssinn, Fairneß, Umgang mit Älteren, Schwächeren oder Behinderten, und er kann somit auch ein geeignetes Instrument zur sozialen Integration sein. Ich meine aber, daß die Leistungen der Vereine, Teams und Sportklubs für unser gesellschaftliches Zusammenleben, welche durch hohes persönliches und unentgeltliches Engagement erbracht werden, oft unterbewertet und nicht gewürdigt werden. An dieser Stelle muß natürlich auch die Bedeutung der privaten Sponsoren für die Finanzierung der Vereine und Klubs erwähnt werden, denn ohne sie könnten viele Veranstaltungen aus finanziellen Gründen nicht stattfinden.

Sport schafft Identifikation und Wirtschaftskraft. Leistungs- und Spitzensport, Sport-Großveranstaltungen und Höchstleistungen geben Impulse für die Gesellschaft, geben Anreiz zum Ausüben von Sport und wirken stimulierend auf die einschlägigen Wirtschaftsbereiche. Besonders für den Tourismus, für die Freizeitwirtschaft dürfen wir die Bedeutung des Sports in Zukunft nicht unterschätzen!

Diverse Fußballspiele haben – dabei denke ich an das vorjährige Champions-League-Finale in Wien – das ganz deutlich gezeigt. So hat dieses Finalmatch zwischen Ajax Amsterdam und AC Milan der Landeshauptstadt Wien eine Umwegrentabilität von etwa 500 Millionen Schilling gebracht. Das war eine "Rieseng'schicht", und ähnliches kann man eigentlich auch für den A-1-Ring in der Steiermark hoffen. Das OGM-Institut hat beispielsweise für den A-1-Ring ausgerechnet: Sollte dort sechs Jahre gefahren werden, ist mit Einnahmen von 1,7 Milliarden Schilling aus dem Tourismus, mit 912 Millionen Schilling an Wertschöpfung, mit 1,2 Milliarden Schilling an Deviseneinnahmen und mit 990 Millionen Schilling an Steuereinnahmen zu rechnen. Damit würde die Umwegrentabilität eines einzigen Grand Prix bei rund 800 Millionen Schilling liegen.

Für die Obersteiermark ist die neue Rennstrecke ein Signal für ein wirtschaftliches Comeback, wobei viele Arbeitsplätze gesichert beziehungsweise neue geschaffen werden können. In bezug


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auf das Engagement von Verantwortungsträgern auf Landesebene ist besonders Landesrat Gerhard Hirschmann herzlich dafür zu danken, daß in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit neue Impulse in dieser Gegend gesetzt wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Sport bedeutet eine Motivationssteigerung für die Bevölkerung und eine Zunahme an Attraktivität der Region als Wirtschafts- und Tourismusstandort. (Zwischenruf des
Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. )
Ich halte es aber für falsch, durch parteipolitisches Hickhack die positiven Auswirkungen des Sports – wie das zum Beispiel in der Steiermark durch eine Diskussion um den Bau des A-1-Ringes geschehen ist – immer wieder herunterzumachen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. ) Die steirische FPÖ verfolgt in dieser Angelegenheit keine sachorientierte Wirtschaftspolitik, sondern handelt ohne Rücksicht auf die Entwicklung im Bundesland Steiermark, so nach dem Motto, daß nicht sein kann, was nicht sein darf.

Für die SPÖ, für Landeshauptmann-Stellvertreter Peter Schachner-Blazizek und Landesrat Hans-Joachim Ressel ist der A-1-Ring geblieben, was der Österreich-Ring für die SPÖ-Fraktion immer war, nämlich eine umweltfeindliche, unnötige Geldvernichtungsmaschine, der man das "Gas" abdrehen muß. Ich glaube, die SPÖ müßte sich einmal auch offiziell von dieser Haltung verabschieden, denn das ist wirklich nicht mehr zeitgemäß. Die Zahlen sprechen dafür, daß das ein Riesengeschäft werden wird, sogar ein notwendiges Geschäft, weil es sehr viele Arbeitsplätze bringt.

Ich erinnere an das Versprechen des Ex-Kanzlers Vranitzky und auch an die Worte des Kollegen Löschnak und möchte dazu sagen: Was grundsätzliche Zusagen einstiger Kanzler betrifft, so sollten diese eingehalten werden – auch wenn diese heute nicht mehr im Amt sind.

Deshalb appelliere ich gerade an Sie, Herr Staatssekretär Wittmann, den Herrn Bundeskanzler an das seinerzeitige Versprechen zu erinnern, 120 Millionen Schilling für den Bau des Ö-Rings und für wirtschaftliche Förderungen in dieser Region zur Verfügung zu stellen. Dieses Versprechen haben wir ernstgenommen, und daran glauben wir.

Es ist unser Anliegen, die Steiermark auch diesbezüglich wieder in Erinnerung zu bringen, und ich bitte Sie, das weiterzuleiten. Wir wären Ihnen dafür sehr dankbar, und nochmals: Wir glauben an Ihr Versprechen. Deshalb werden wir dieser Entschließung nicht zustimmen. Nur, so glaube ich, müssen wir immer wieder rechtzeitig daran erinnern. Das ist notwendig, denn es profitiert auch der Bund davon, und es kann nicht so sein, daß nur auf Kosten der Steiermark und mit steirischen Geldern in diesem Bereich finanziert wird.

Ich persönlich halte es für unverantwortlich, Chancen, welche durch sportliche Großveranstaltungen geschaffen werden, für die Region und die dort lebenden Menschen nicht zu nützen. Ich kann jede Bürgerin und jeden Bürger verstehen, der an dieser Verzögerungspolitik verzweifelt.

Die steirische ÖVP jedenfalls ist sich ihrer Verantwortung bewußt, und deshalb wird sie sich weiterhin vehement für den Sport und die wirtschaftliche Belebung dieser Region einsetzen.

Ich möchte mich beim Unterausschuß für das Fair play, um es sportlich zu sagen, recht herzlich bedanken, und ich möchte das Versprechen von Bundeskanzler Vranitzky wieder in Erinnerung bringen, um dieses Projekt voranzutreiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte. (Ruf bei den Freiheitlichen: Jetzt fallen "hochpolitische" Aussagen!)

14.40

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Zu Beginn hätte ich gerne die tatsächliche Berichtigung des Dr. Grollitsch noch komplettiert. Es ist richtig, daß Dr. Haider Mitglied des Österreichischen Turnerbundes war. Ich füge noch hinzu, daß der Österreichische Turnerbund selbstverständlich auch Mitglied einer Dachorganisation ist, und zwar des ASVÖ. (Abg. Mag. Schweitzer: Man muß ja irgendwo Mitglied bei einem Dachverband sein!)


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Lieber Kollege Schweitzer! Ich habe das Glück, hier nicht als Funktionär und auch nicht als Mitglied eines Dachverbandes, sehr wohl aber als Funktionär eines der größten österreichischen Sportverbände, nämlich dem der Schwimmer, zu sprechen. Ich freue mich und bin wirklich glücklich darüber, daß Sport zurzeit in aller Munde ist. (Abg. Haigermoser: Was ist deine Spezialdisziplin: Krauler oder Taucher? – Abg. Leikam: Schmetterling! – Abg. Dr. Haider: Laß’ dich nicht rausbringen!) Ich glaube, daß du dich beim Schwimmen nicht gut auskennst: Tauchen ist keine Disziplin, und über das Kraulen können wir später reden.

Sport ist in aller Munde! Den ganzen Tag sprechen die Leute darüber, wer von den drei Regionen Kitzbühel, Klagenfurt, Salzburg den Zuschlag für die Olympiade bekommen soll, oder wir freuen uns, daß unsere Fußballnationalmannschaft zur Weltmeisterschaft fährt, und wenn es Rapid gelingt, stark zu spielen, werden wir wahrscheinlich große Fußballveranstaltungen nach Wien bekommen.

Herr Staatssekretär! Wir vom Fachverband sind wirklich sehr traurig, daß uns das Geld insofern genommen wurde, als eine Zusage des österreichischen Bundeskanzlers nicht wahrgenommen wurde. Dem Fachverband wurde versprochen, daß es eine Valorisierung in bezug auf den Sport ab dem nächsten Jahr wieder geben wird, daß eine solche Aussetzung also nur zwei Jahre beträgt. Kann eine Valorisierung in weiterer Folge nicht stattfinden, so bedeutet das, daß den Fachverbänden Geld fehlt. Die gesamten Bundes-Sportfördermittel machen 400 Millionen Schilling aus, und es gibt dabei sehr viele "brotlose" Sportarten, so zum Beispiel Schwimmen. Man braucht aber für diesen Sport viel Geld. Diese entfallenen finanziellen Mittel sind einfach nicht ersetzbar.

Meine Damen und Herren! In Wien zum Beispiel zahlen wir für eine Schwimmsportveranstaltung eine Tagesmiete von 56 000 S, haben aber keine Einnahmen. Wir können nichts aus Eintritten oder nicht viel aus Werbung lukrieren, und wir sind daher auf Bundes-Sportmittel angewiesen. Wird diese Valorisierung gestoppt, dann fehlt den Sportverbänden ganz einfach das Geld. Aber gerade solche Verbände wie Schwimmen oder Leichtathletik, also jene, die sich mit Grundsportarten beschäftigen, sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Jetzt höre ich – und davon bin ich sehr angetan, meine Damen und Herren –, daß Herr Staatssekretär Wittmann vorschlägt – er hat das bereits zur Begutachtung ausgeschickt –, jene Geldmittel, die durch die Privatisierung der Bundessportheime hereinkommen, dem Sport als Ersatz für eine fehlende Valorisierung zur Verfügung zu stellen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ein freiheitlicher Erfolg!) Ich sage gleich dazu, wir vom Österreichischen Schwimmverband haben noch nie ein Bundessportheim – ich persönlich kenne auch keines – benutzt. Ich will daher bei dieser Diskussion gar nicht mitmachen. Als Sportfunktionär aber sage ich danke. Geld hat ja kein Mascherl – und das ist für uns eine Hilfe in nächster Zeit.

Betrüblich stimmt mich nur folgendes: Es kursiert das Gerücht, daß angeblich versucht wird, die Ausgliederung der Bundessportheime mit der Privatisierung des Umweltbundesamtes zu junktimieren. Daher richte ich an die Adresse von Bundesminister Bartenstein den Appell – er ist ja auch Familienminister –, davon Abstand zu nehmen. Damit wird nicht nur das Umweltbundesamt – dieses hat eine wichtige Funktion, nimmt eine unparteiische Haltung ein, und wir brauchen es für die Umweltprüfung – präjudiziert, sondern der Familienminister nimmt auch Geld, das für die Familien, für die Kinder, für den Sport bereitgestellt werden soll, weg. Dazu darf es einfach nicht kommen, denn der Sport braucht dringend diese Mittel!

Wenn schon das Wort des Bundeskanzlers gebrochen wird und es zu keiner Valorisierung kommt, so darf ein dafür geschaffener Ausgleich nicht durch einen anderen Minister verhindert werden, sodaß die vorgesehene Lösung dann nicht zustande kommt.

Noch einmal: Namens vieler Sportverbände und als einer der vielen Sportfunktionäre Österreichs bitte ich – und ich bitte auch den Sportsprecher der ÖVP, sich dafür zu verwenden –, daß diese beiden Bereiche nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern daß man sagt: Schauen wir uns erst einmal an, was beim Begutachtungsverfahren herauskommt, damit diese Mittel bereitgestellt werden. (Abg. Böhacker: Wir kommen darauf zurück!)


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Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas Positives von den Sportverbänden berichten. Kollege Grabner hat schon von der Sporthilfe gesprochen, und ich möchte das noch ergänzen. Es konnten durch die Sporthilfe folgende Klassen geschaffen werden: die Weltklasse, die Leistungsklasse und die Sonderklasse, die mit 6 000 S, 2 000 S und 1 000 S dotiert sind und wo ein Sportler, der der Weltklasse angehört – beispielsweise die Schwimmerin Vera Lischka –, einmal monatlich 6 000 S bekommt.

Zusätzlich gibt es, erstmals seit dem Jahre 1996, die Frauen-Sportförderung, was ich sehr gut finde, durch die Lischka noch einmal 5 000 S bekommt, weil sie in der Welt- oder Leistungsklasse eingestuft ist. Somit bekommt sie 11 000 S, und so kommt man als Sportlerin doch ein bißchen besser über die Runden. Schwimmen ist ein Sport, bei dem man täglich vier bis fünf Stunden lang ein eher eintöniges, aber sehr intensives Training absolvieren muß.

Für noch besser halte ich es – und das muß ich Staatssekretär Wittmann mit Dank ins Stammbuch schreiben –, daß es unter seiner Führung gelungen ist, einen sogenannten Spitzensportausschuß zu schaffen, wo wir, projektgefördert, zwölf Verbände unter dem Titel "Sidney 2000" unterstützen, nämlich jene Sportlerinnen und Sportler, die eventuell Chancen haben, sich bei der Olympiade 2000 in Sidney gut zu plazieren. Dafür werden 9,5 Millionen Schilling im Jahr zur Verfügung gestellt.

Ich kann das anhand von Zahlen belegen: Das macht für meinen Verband bei den Wasserspringern und Schwimmern rund 800 000 S aus. Das ist schon etwas! 3,5 Millionen Schilling aus Bundes-Sportförderungsmitteln, 800 000 S extra – das ist sehr viel, womit man den Spitzensport unterstützen kann.

Daher ist es gescheit, wenn man diese Fachverbände durch solche Förderungen noch mehr unterstützt, weil wir damit dem Spitzensport in Wirklichkeit eine Chance geben, nämlich jenem Spitzensport, bei dem es nicht so großen medialen Rummel wie zum Beispiel beim Fußball gibt, sondern der sich auf andere Weise um die Beschaffung von Geldmittel kümmern muß.

Abschließend: Wenn ein Wort gebrochen wurde – ich wiederhole das noch einmal – und es keine Valorisierung gibt, was ich wirklich schlimm für unsere Sportverbände fände, so ist alles daranzusetzen, daß das wirklich das letzte Mal gewesen ist. Wenn es aber Möglichkeiten gibt, wenigstens ein bißchen an Geld zurückzubekommen, dann, Herr Minister Bartenstein: Blockieren Sie das nicht! Treten auch Sie für eine Ausgliederung der Bundessportheime ein, damit wir dieses Geld dem Sport wieder zuführen können! (Beifall bei der SPÖ.)

14.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir das Verlangen auf tatsächliche Berichtigung von Herrn Abgeordneten Kopf vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.49

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Brix hat vorhin die Vermutung geäußert, daß eine Junktimierung zwischen zwei Ausgliederungsprojekten stattfinden solle, und er hat weiters den Verdacht ausgesprochen, Herr Bundesminister Bartenstein wolle dem Sportbereich finanzielle Mittel vorenthalten. (Abg. Marizzi: Kann man eine Vermutung berichtigen?)

Ich stelle tatsächlich richtig, daß es keinerlei Zusage gibt, Gelder, die man sich durch die Ausgliederung der Bundessportheime erspart, der Valorisierung besonderer Sportförderungsmittel zuzuführen. Somit hat auch Herr Bundesminister Bartenstein gar keine Möglichkeit, eine Höherdotierung des Sportes zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP.)

14.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. – Bitte.

14.50

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, daß ich heute einen freiheitlichen Erfolg mit meiner Fraktion feiern kann.


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Spät, aber doch hat die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP eine freiheitliche Kritik an der Führung der Bundessportheime, die ich schon im Jahr 1991 hier artikuliert habe, zur Kenntnis genommen. Endlich wurden die "Privaturlauber" in der Form hinausgeworfen, daß, wenn sie jetzt kommen wollen, auch ein anständiger Preis bezahlt werden muß. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das Ganze wurde nach freiheitlichem Vorschlag spät, aber doch privatisiert. Es werden also, wenn ÖVP-Kollegen aus dem Vorarlbergischen wieder in die Bundessportheime kommen wollen, entsprechende Preise verlangt werden, auch von Herrn Jäger, der Ihrer Fraktion angehört, auch von Kollegen Bruckmann und wie all jene geheißen haben, die diese Einrichtungen damals zum Billigtarif zum Urlaubmachen in Anspruch genommen und womöglich Spitzensportlern den Platz dort versessen haben. – Nun gibt es einen späten Erfolg für eine freiheitliche Initiative. Das freut mich!

Deshalb komme ich gleich zum nächsten Thema: Ich trete schon sehr lange für eine Aufwertung des Schulsports ein. Auf diesem Gebiet sind wir noch nicht sehr weit. Herr Präsident Löschnak! Speziell wenn ich den heute zur Diskussion stehenden Sportbericht betrachte, muß ich feststellen, daß kein einziger Satz im ganzen Sportbericht dem Schulsport gewidmet ist. Wir sind uns zwar darüber im klaren und auch gleicher Meinung, daß der Schulsport das Fundament für viele Fachverbände und für den österreichischen Spitzensport liefert, dennoch führt er ein Schattendasein, das jeglicher Beschreibung spottet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es muß in der künftigen Sportpolitik zu einer Aufwertung des Schulsports kommen. Es geht nicht an, daß schon im Grundschulalter Schüler von Lehrern unterrichtet werden, die überhaupt keine diesbezügliche Ausbildung haben. Es geht auch nicht an, daß die Bewegungsstunden in allen übrigen Schulen von Mal zu Mal gekürzt werden, daß zum Beispiel an den HTL, an welchen Schüler über 40 Wochenstunden haben, nur eine einzige Stunde für den Sport zur Verfügung steht.

Auf der anderen Seite fordert nämlich die Öffentlichkeit immer mehr Erfolge auch im Schulsport. Man hat Schüler-Ligen eingeführt, und man hat sie zu hervorragenden Werbeträgern gemacht. Das Geschäft mit den Schüler-Ligen blüht. Man will es auf ein immer höheres Niveau bringen, aber tatsächlich getan wird wenig. Die Rahmenbedingungen für den Schulsport sind weiter schlecht.

Es gibt mehr als 20 Bundessportwettkämpfe im Schulsport, die mit Schülern beschickt werden sollen. Was dahinter steckt, ist, daß die Schüler auf ein entsprechendes Niveau gebracht werden, sodaß es tatsächlich Sinn macht, daran teilzunehmen und in weiterer Folge auch international zu bestehen, das sehe ich am Beispiel meiner eigenen Tochter, die bis zu viermal in der Woche mit sehr engagierten Lehrern trainiert: Sie hatte zuletzt bei den ISF-Spielen in Italien im Orientierungslauf einen entsprechenden Erfolg, sie konnte den zweiten Platz für Österreich erringen.

Was bedeutet das aber für den Lehrer ohne jegliche Unterstützung? – Es wurde zum Beispiel Volleyball genannt: Was das an Arbeit bedeutet, bis man im Volleyball überhaupt wirklich System spielen kann, das weiß wirklich nur jemand, der sich damit beschäftigt hat.

Meine lieben Sportlerfreunde in allen Fraktionen! Ich habe mit Kollegen Kopf heute über einen Antrag zum Schulsport gesprochen. Er hat mir signalisiert: Reden wir noch einmal darüber, machen wir keinen Schnellschuß! – Ich bringe heute, Kollege Kopf, keinen Antrag ein, weil ich dieses Angebot wirklich ernst nehme und aufnehme. Reden wir darüber, wie wir dem Schulsport in Zukunft gemeinsam helfen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

14.55

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Herr Präsident! Hohes Haus! Eines der Hauptthemen all der Redner, die heute hier gesprochen haben, war die Valorisie


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rung. – Die Valorisierung wird deswegen ausgesetzt, weil eine allgemeine Aussetzung der Valorisierung stattfinden soll. Man hat sich aber selbstverständlich auch Gedanken darüber gemacht, wie man diesen Ausfall für den Sport wieder wettmachen kann.

Wir haben am Montag das Konzept der Ausgliederung der Bundessportheime in die Begutachtung geschickt. Aus diesem Konzept geht hervor, daß wir zumindest jenen Betrag, der durch die Valorisierung für den Sport entfällt, für nächstes Jahr einsparen können, wenn wir gemäß dem ausgeschickten Entwurf mit 1. Jänner 1998 die neue Betriebsform der GesmbH für die verbleibenden Bundessportheime wählen. Das bedeutet: Spitzerberg bekommt der Aeroklub als Betreiber, aber Kitzsteinhorn und St. Christoph werden dem ÖSV als Betreiber übertragen. Der Rest erhält die Rechtsform einer GesmbH und soll in einer privatwirtschaftlichen Struktur geführt werden. Das bedeutet, daß es dort Einsparungen gibt.

Es gibt eine Vereinbarung mit dem Finanzminister, daß jener Betrag, der auf diese Weise eingespart wird, im Sportbudget verbleibt. In diesem Punkt muß ich Sie ganz eindeutig korrigieren. Es gibt diese Vereinbarung, es gibt diese Zusage. Ich ersuche daher alle Verantwortlichen, die dazu beitragen können, das schnell und effizient umzusetzen, das auch zu tun. Das kommt dem Sport zugute. Diese Chance, diese Gelder wieder in die Sportförderung zurückzuführen, sollte man nützen.

Ein anderes Thema, das angesprochen wurde, betraf die Dachverbände. Es wurde behauptet, ich hätte im Ausschuß nichts dazu gesagt. – Ich habe mich sehr wohl im Ausschuß dazu geäußert, und ich werde auch hier dazu etwas sagen: Ich glaube, daß das Potential an Sportfunktionären, das über diese Dachverbände aufgebaut wurde, nicht von einem Tag auf den anderen zerstört werden darf, weil auf diese Weise Zigtausende freiwillig und unentgeltlich arbeitende Mitarbeiter vor den Kopf gestoßen werden würden und keine Organisationsform mehr hätten. Das heißt: Das geht weit über das parteipolitische Geplänkel hinaus. Es ist eine Struktur von Funktionären in diesen Verbänden organisiert, die den gesamten Sportbetrieb auf freiwilliger Basis und unentgeltlich unterstützen, wenn nicht aufrechterhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage der HSNS-Öffnung für Frauen: Auch in diesem Zusammenhang sind die Gespräche weit fortgeschritten. Das wird stattfinden.

Hinsichtlich der Anmerkung zum Behindertensport darf ich hier antworten: Selbstverständlich sind wir bereit, den Behindertensport zu unterstützen. Es ist ein Anliegen meinerseits, diesen zu unterstützen. Er wurde auch schon 1995 mit 4,8 Millionen Schilling unterstützt, zusätzlich gab es für die Behindertensportveranstaltung in Lech 1 Million Schilling. Das steht auch im Bericht; es ist nicht so, daß das nicht erwähnt würde. Auf den Seiten 82 und 83 ist auch der Behindertensportverband mit seinen Aktivitäten erwähnt.

Im wesentlichen kann man sagen: Wir versuchen einerseits, die allgemeine Sportförderung auf ihre Effizienz hin zu überprüfen und neue Vorschläge zu machen. Wir versuchen, die Sportheime entsprechend ihrer Effizienz und Kostentransparenz auszugliedern. Außerdem versuchen wir, Schwerpunkte bei Sport-Großveranstaltungen zu setzen. Österreich hat sich für die Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2004 beworben. Wir werden unseren Kandidaten für die Bewerbung für die Olympischen Spiele im Jahre 2006 unterstützen. Wir werden 2001 die Weltmeisterschaft im alpinen Schilauf in St. Anton und 1999 die nordische Schiweltmeisterschaft in der Ramsau haben. Das heißt, wir bemühen uns in diesem Bereich, in dem durchaus auch wirtschaftliche und touristische Akzente in diesen Regionen gesetzt werden können, auch weiterhin. Ich glaube, daß wir gezeigt haben, daß wir das organisieren und damit auch große Werbung für Österreich machen können.

Im Sinne des Sportes glaube ich auch, daß es zu einer Zusammenführung von Schulsport und Leistungsbreitensport beziehungsweise Leistungssport kommen muß. Auch darum werden wir uns bemühen. Es gibt verschiedene Ansätze. Auch in diesem Zusammenhang kann ich Ihnen meine Unterstützung zusagen. Ich glaube, daß wir da zu einem guten Ergebnis kommen werden.


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Das Wesentlichste ist gesagt. Ich möchte zum Schluß nur noch anführen, daß wir selbstverständlich die Anregung aufgenommen haben, für den Sportbericht 1996 eine detaillierte Klarstellung der Subventionsvergaben zu machen, daß wir auch weiterhin die Schwerpunkte im Behindertensport, im Frauensport setzen werden, und wir haben eine Förderung des Spitzensportes auf vollkommen neue Art und Weise erstellt, sodaß es projektbezogen Förderungen gibt. Ich glaube, im Sinne des Sportes gibt es hier eine durchaus positive Entwicklung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über Punkt 2 der Tagesordnung, da die Verpflichtung besteht, um 15 Uhr mit der Behandlung der Dringlichen Anfrage, die heute eingebracht wurde, zu beginnen.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Gradwohl, Annemarie Reitsamer, Mag. Maier, Parnigoni und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz zur Erlassung und weiteren Aufrechterhaltung eines wirksamen Importverbots für Gentechnik-Mais (2925/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Behandlung der Dringlichen Anfrage 2925/J. Diese ist inzwischen allen Abgeordneten zugegangen; es erübrigt sich somit eine Verlesung durch den Schriftführer. (Abg. Dr. Khol: Wo ist denn die Frau Minister, Herr Präsident!? – Ruf: Hier!)

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Biotechnologie und Gentechnik sind zukunftsweisende Technologien, die sowohl in wirtschaftlicher als auch in technischer Hinsicht enorme Möglichkeiten in sich bergen. Die Biotechnologie und ihr Spezialbereich Gentechnik sind Schlüsseltechnologien für die Zukunft. Gemeinsam mit der Telekommunikations-Technologie wird sie die Wirtschaft und Gesellschaft des 21. Jahrhunderts prägen.

Die grundlegenden Erfahrungen der Menschen dieses Jahrhunderts mit Wissenschaft und Technik sind jedoch nicht immer ohne Ambivalenz. Wissenschaftliche Entdeckungen tragen immer beides in sich: Sie können zum Nutzen der Menschen oder zur Schädigung bis hin zur Zerstörung des Lebens angewendet werden. Das beste Beispiel hierfür ist die Atomtechnologie, die aus vielen Lebensbereichen, vor allem aus der Medizin, nicht mehr wegzudenken ist. Ihre Anwendung zur Gewinnung von Kernenergie birgt jedoch so hohe Risken in sich, daß Österreich durch das Atomsperrgesetz aus deren Nutzung für immer ausgestiegen ist.

Im Bereich Gentechnologie verhält sich dies ebenso. Am Beispiel der genetischen Diagnostik zeigt sich einerseits, wie riesig die Fortschritte bei der Genomanalyse sind. Andererseits kann nicht übersehen werden, daß die Risken bei Eingriffen in genetische Codes enorm sind.

Ziel einer ausgewogenen Politik in diesem Bereich muß daher sein, das positive Potential dieser Technologie zu nützen und gleichzeitig Fehlentwicklungen zu verhindern. Für die SPÖ hat zudem die Berücksichtigung von Bedürfnissen und Wünschen der Verbraucher einen hohen Stellenwert.

Gen- und Biotechnologie sind an sich weder rein ,positiv‘ noch rein ,negativ‘ zu beurteilen. Jeder Anwendungsbereich – unter Umständen jeder Einzelfall – muß für sich gewissenhaft geprüft werden. Die Frage ist jeweils nach dem Nutzen einer Entwicklung und nach ihren Auswirkungen in sozialer, ökologischer, gesundheitlicher, wirtschaftlicher und nicht zuletzt verbraucherpolitischer Hinsicht neu zu beantworten. Pauschalurteile sind seriöserweise weder national noch international möglich.


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Mit über 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreichern beziehungsweise 21,3 Prozent der Wahlberechtigten in unserem Land war das Gentechnik-Volksbegehren das zweiterfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte der Zweiten Republik. Organisiert und getragen wurde es von einer Vielzahl von Umweltgruppen, Tierschutzverbänden, kirchlichen Organisationen, Verbänden des biologischen Landbaus sowie zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft.

Das Ergebnis des Volksbegehrens löste eine inhaltliche Dynamik für die österreichische Konsumenten-, Agrar-, Wirtschafts-, Technologie- und Wissenschaftspolitik aus: Bisher weitgehend unbestritten ist die direkte und indirekte Anwendung der Gentechnologie in Medizin und Pharmazie sowie ihre Anwendung in Wissenschaft und Forschung. Zum Teil heftig umstritten dagegen ist die Anwendung der Gentechnologie bei der Herstellung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln und im Bereich der Umwelt. Sind im Medizin- und Pharmabereich Nutzen, Erfolg sowie Kontrolle weitgehend gegeben, sind Auswirkung und Kontrolle im Bereich der Herstellung und Verarbeitung von Pflanzen, Tieren und Nahrungsmitteln noch weitgehend ungeklärt.

Auch der Einwand namhafter Wissenschafter, die Gentechnologieentwicklung auf diesem Gebiet sei nicht mehr kontrollierbar beziehungsweise prognostizierbar und jeder weitere Entwicklungsschritt wäre als irreversibel anzusehen, hinterläßt bei zahlreichen Menschen nachhaltigen Eindruck.

Österreich hatte daher für den Genmais der Firma Novartis im Frühjahr nationale Vermarktungsbeschränkungen erlassen, um die Sicherheit der Konsumenten zu gewährleisten. Italien und Luxemburg schlossen sich diesem Importverbot an, nachdem der gentechnologisch behandelte Mais Dezember 1996 von der Kommission gegen den Widerstand von 13 Mitgliedstaaten zugelassen wurde.

Die Europäische Kommission will das von Österreich, Italien und Luxemburg verhängte Vermarktungs- und Verwendungsverbot für den gentechnisch veränderten Mais jedoch nicht hinnehmen. Ihre Begründung: Eine Prüfung durch die wissenschaftlichen Ausschüsse habe die von den drei Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken nicht bestätigt.

Aus der Sicht Österreichs ist dies nicht der Fall: So konnten die Bedenken sowohl hinsichtlich Bildung einer Antibiotikaresistenz bei Menschen und Tieren als auch einer raschen Resistenzbildung von Schädlingen gegen das BT-Toxin nicht ausgeräumt werden.

Eine endgültige Entscheidung der Europäischen Kommission wird für den Oktober erwartet.

Da das Importverbot Wunsch der überwiegenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist, sollte die österreichische Bundesregierung diese Schutzmaßnahme mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aufrechterhalten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort bis zur Entscheidung des Artikel-21-Ausschusses setzen?

2. Werden Sie nochmals an die Mitgliedstaaten herantreten, um im Artikel-21-Ausschuß eine Mehrheit für die Beibehaltung des Importverbotes zu erreichen?

3. Werden Sie an potentielle Importeure herantreten und diese auffordern, auf Importe von Genmais zu verzichten?

4. Welche Schritte werden Sie im Falle einer negativen Entscheidung der EU-Kommission setzen?

5. Welche Gründe können gegen eine negative Entscheidung angeführt werden?

 


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6. Beabsichtigen Sie ein Importverbot für Gentech-Raps zu verhängen?

In formeller Hinsicht wird begehrt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erster Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Gradwohl. Er erhält das Wort gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung. Die Redezeit darf 20 Minuten nicht überschreiten.

Im Anschluß daran wird die Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz die Dringliche Anfrage beantworten. – Bitte, Kollege Gradwohl.

15.01

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Mit unserer heutigen Dringlichen Anfrage wollen gerade wir Sozialdemokraten unserer Informationspflicht der interessierten österreichischen Bevölkerung gegenüber in einem heißen und emotional geführten Diskussionsprozeß um die Gentechnologie nachkommen.

Wie geht die österreichische Bundesregierung in der Causa des ausgesprochenen Importverbotes für Gentechnik-Mais weiter vor? Welche Schritte zur wirkungsvollen Aufrechterhaltung des Importverbotes setzt die österreichische Bundesregierung, aber nicht nur diese, sondern auch dieses Hohe Haus?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber möchten wir umfassend informieren und diskutieren. – Doch bevor ich zu den Fragen komme, die Gegenstand der Dringlichen sind, einige wenige Gedanken zur gesamten Thematik: Wie jedes Ding hat auch die Problematik der Gentechnologie meiner Meinung nach zwei Seiten. Man kann einen breiten Diskussionsbogen spannen, und ich bin überzeugt davon, daß er in dieser heutigen Diskussion auch gespannt werden wird.

Eine Vielzahl von Behörden, öffentlichen Einrichtungen, Vereinen und Verbänden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darüber hinaus auch sechs Ministerien dieser Republik haben sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Der Bogen läßt sich von der wissenschaftlichen Betrachtung über die Anwendung dieser Technologie in der Medizin, in der landwirtschaftlichen Produktion, der Verarbeitung und Zubereitung der nach dieser Technologie erzeugten Produkte bis schließlich hin zum Konsumenten spannen.

Biotechnologie und Gentechnologie sind, wie viele sagen, eine zukunftsweisende Technologie, und zwar sowohl in wirtschaftlicher als auch in technischer Hinsicht. Sie bergen enorme Möglichkeiten der Entwicklung in sich. Mancherorts werden diese beiden Technologien in einem Atemzug mit der Computertechnik, der Informationstechnologie, aber auch der Telekommunikation genannt. Und weil die Biotechnologie eine relativ junge und aufstrebende Wissenschaft ist, erwarten sich internationale Konzerne von dieser Technologie und aus deren Ergebnissen auch große Gewinne für ihre Konzerne.

Ich darf hiezu aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zitieren: "Das Spekulationsfieber hat sich darin niedergeschlagen, daß der Börsenwert der Biotech-Unternehmen nach Angaben von Ernst & Young von 52 Milliarden Dollar Mitte 1995 auf 83 Milliarden Dollar 1996 gestiegen ist." – Ende des Zitats.

Beflügelt wird dieses Spekulationsfieber meiner Meinung nach vor allem durch den Biotech-Pharmabereich. Dieser Bereich – und das werden mir all jene Kolleginnen und Kollegen, die mit mir gemeinsam im Unterausschuß des Gesundheitsausschusses mit den Experten diskutierten, bestätigen – steht weitgehend außer Frage und außerhalb der Diskussion. Auch Österreich wird in diesem modernen Bereich der Biotechnologie seinem internationalen Ruf als führendes Industrieland gerecht. Die in diesem Sektor tätigen Unternehmen sind einerseits große Weltkonzerne, andererseits zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen. Das bedeutet für 5 700 Mit

 


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arbeiter und Mitarbeiterinnen in den Großkonzernen und für rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den 49 kleineren und mittleren Unternehmen einen Arbeitsplatz. Sechs von insgesamt neun internationalen Konzernen betreiben Forschung in Österreich, und sechs Institute an österreichischen Universitäten forschen auf diesem Gebiet der Gentechnologie und der Biotechnologie.

Es gibt aber – das habe ich bereits eingangs erwähnt – auch die Kehrseite der Medaille. Mit über 1,2 Millionen unterstützenden Unterschriften – das sind immerhin 21,3 Prozent der Wahlberechtigten Österreichs – hat das Gentechnik-Volksbegehren den zweiterfolgreichsten Abschluß in der Geschichte der Zweiten Republik erbracht. Organisiert und getragen wurde dieses Volksbegehren von einer Vielzahl von Umweltgruppen, Tierschutzorganisationen, kirchlichen Organisationen, Biolandbaubetrieben und -verbänden und von zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

In der Ausgabe 9/1996 der Zeitschrift "ÖMIG" – Österreichische Milch- und Lebensmittelwirtschaft – ist zu lesen, daß eine Umfrage der AK-Konsumentenschutzabteilung ergab, daß 82 Prozent der Österreicher – ich zitiere wiederum – " keinerlei gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen" würden. "97 Prozent verlangten eine eindeutige Kennzeichnung solcher Produkte." – Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein klarer Auftrag an die Politik.

Daß der Handel und die Handelsketten in Österreich darauf bereits reagiert haben, darf ich Ihnen ebenfalls anhand eines Zitates näherbringen. So ist zum Beispiel im "Cash" zu lesen  – ich zitiere –: "Die Manager des Billa-Konzerns haben seit vielen Jahren ein untrügliches Gespür, was der Konsument denkt. Jüngstes Beispiel: 85 Prozent wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel – ergo wird es bei Billa keine geben." – Ende des Zitats.

Aber nicht nur der Handel, sondern auch die Gastronomen haben auf diese breite Bewegung in der Bevölkerung reagiert. So schlossen sich die führenden Spitzengastronomen Österreichs bereits zur Plattform "Gastronomen gegen Genmanipulation" zusammen. Der Wiener Spitzengastronom Christian Wrenkh meint – ich zitieren ihn hier – : "Als Koch kann ich meine Gäste nicht bevormunden. Ich bin aber dafür verantwortlich, ihnen nach bestem Wissen und Gewissen gesundes Essen zu servieren. Daß ich kein Gentechnik-Essen auftische, ist für mich selbstverständlich." – Diese Aussagen und Zitate beweisen, daß Handlungs- und Informationsbedarf bestehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber noch einen Bereich, der mir besonders am Herzen liegt, nämlich der österreichische Biolandbau und die österreichischen Biobauern. Sie haben in den letzten Jahren viel unternommen und große Anstrengungen auf sich genommen, um den Konsumentenwünschen entgegenzukommen und gentechnikfrei zu produzieren. Auch die EU hat sich nun nach einiger Diskussion mit deutlicher Mehrheit für ein allgemeines und striktes Verbot der Gentechnologie im Bereich des Biolandbaus ausgesprochen. Das ist nur aufgrund des Druckes und der entsprechenden Information möglich gewesen. Und was im Biolandbau zufriedenstellend für alle Beteiligten funktioniert, könnte – bei dementsprechender Zusammenarbeit und gemeinsamer Anstrengung und Aufgeschlossenheit – auch im Lebensmittelbereich erreicht werden.

Die Beratungen im Unterausschuß des Gesundheitsausschusses, die ich bereits angesprochen habe, haben die Bandbreite der Diskussion und der Meinungen der Experten gezeigt, aber auch die Notwendigkeit der Information. Die Kolleginnen und Kollegen, die mit mir gemeinsam mit den Experten diskutiert haben, werden das heute bestätigen.

Im Rahmen der Verhandlungen zum Saatgutgesetz – auch ein für die Landwirtschaft wichtiger Bereich – wurde ein Entschließungsantrag angenommen, der in den nächsten Wochen einen Entwurf des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zur Folge haben wird, in dem eine klare Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saatgutes zu erwarten ist, die Inhalt dieser Vorlage sein wird. – Auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt hin zu mehr Sicherheit für den Produzenten, den Verarbeiter und den Konsumenten.


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Darüber hinaus haben wir in den Verhandlungen zum ÖPUL-Programm 1997 vereinbart, daß im Herbst des heurigen Jahres begonnen wird, im Rahmen der ÖPUL-Verhandlungen zu ÖPUL II das Thema "Gentechnikfreiheit in der Landwirtschaft" ganz intensiv zu beraten und zu einem Ergebnis zu bringen – auch wenn es für Bundesminister Molterer nicht leicht war, dem zuzustimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Herbst dieses Jahres werden aller Voraussicht nach als gentechnikfrei gekennzeichnete Waren in den Regalen unserer Läden und unserer Handelshäuser zu finden sein. Auch in diesem Punkte befinden wir uns meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg zur Umsetzung dessen, was die österreichische Bevölkerung von uns erwartet.

Auch die Frage der Patentierung von Organismen, der Patentierung von Leben ist eine ganz besonders wichtige, die wir in diesem Diskussionsprozeß und in diesem Zusammenhang zu klären haben werden. Dieser Herbst wird sicherlich angefüllt sein mit vielen Verhandlungs- und Diskussionsterminen zu diesem Thema.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, daß ich mit meinen Ausführungen, in denen ich noch immer nicht alle Bereiche, die die Gentechnologie und die Biotechnologie umfassen, genannt habe, doch ein wenig die Bandbreite und die Verschiedenartigkeit dieses Themas angerissen und erläutert habe: vom Standpunkt jener, die die Gentechnologie verdammen und verteufeln, bis zum Standpunkt jener, die sie glühend befürworten. Ich hoffe aber auch, daß ich Ihnen die Widersprüchlichkeit mit diesen wenigen Sätzen näherbringen konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesen Gründen wollen wir Sozialdemokraten heute mit dieser Dringlichen Anfrage unserer Informationspflicht an die interessierte Bevölkerung, nicht nur an die 1,2 Millionen Unterfertiger des Gentechnik-Volksbegehrens, sondern auch an die weit darüber hinausgehende Anzahl von interessierten Menschen in unserem Lande in dem einen Teilaspekt des Importverbotes für Gentechnik-Mais nachkommen und damit gleichzeitig auch den aktiven Weg der österreichischen Bundesregierung zum Thema "Importverbot" im Zusammenhang mit dem Thema "Gentechnologie" aufzeigen und unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.13

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Bevor ich zu den konkreten Fragebeantwortungen komme, möchte ich ein paar einleitende Sätze sagen.

Schon vor der Zulassung des Genmais – und es geht heute um den Genmais – hat es auf europäischer Ebene bereits sehr kontroversielle Standpunkte gegeben. Das möchte ich all jenen sagen, die das vielleicht nicht mehr in Erinnerung haben. So haben sowohl ein großer Teil der Mitgliedstaaten als auch das Europäische Parlament Bedenken gegen die Zulassung des heute in Diskussion stehenden gentechnisch veränderten Mais geäußert. – Trotz dieser Bedenken hat die Europäische Kommission die Zulassung nunmehr bedauerlicherweise genehmigt beziehungsweise die dementsprechende Empfehlung an den sogenannten Artikel-21-Ausschuß vorgelegt.

Österreich hat daraufhin im Februar dieses Jahres gemeinsam mit Luxemburg und Italien aus, wie ich meine, guten Gründen das Importverbot gegen den Genmais erlassen und verordnet. Zu meinem Bedauern hat die Kommission letzte Woche unsere Gründe für das Importverbot jedoch als nicht ausreichend bewertet und einen entsprechenden Entscheidungsvorschlag vorgelegt.

Ich bedauere diese Entscheidung sehr, da ich der Ansicht bin, daß in diesem Fall die Kommission eine falsche Entscheidung getroffen hat. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, daß der


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Genmais mit Risken verbunden ist, die ein Importverbot zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger, aber auch unserer Umwelt rechtfertigen, und ich bin daher auch entschlossen, eine negative Entscheidung der Kommission nicht zu akzeptieren, sondern entsprechende Schritte zu setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu den konkreten Fragen:

Zur Frage 1: Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort bis Entscheidung des Artikel-21-Ausschusses setzen?

Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, daß ich gemeinsam mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, dem Kollegen Bartenstein, den Mitgliedstaaten schriftlich nochmals unsere Bedenken dargelegt und gebeten habe, unsere Haltung bei der Entscheidung im Artikel-21-Ausschuß zu unterstützen.

Ich werde darüber hinaus meine persönlichen Kontakte zu den Mitgliedstaaten nutzen, um eine Unterstützung unserer Position zu erreichen. Dies scheint mir insofern als notwendig und sinnvoll, weil einige Mitgliedstaaten ohnedies vorweg schon andere Positionen eingenommen hatten, als dies die Kommission getan hat.

Weiters habe ich natürlich während dieser Zeit die Prüfung aller rechtlichen Möglichkeiten in Auftrag gegeben, insbesondere die Einbringung einer Klage gegen eine etwaige negative Entscheidung bei der Kommission.

Zur Frage 2: Werden Sie nochmals an die Mitgliedstaaten herantreten?

Das habe ich bereits in meiner Beantwortung von Frage 1 kurz dargelegt. Es wurde von Kollegen Bartenstein und mir ein Memorandum verfaßt, und dieses ist im Wege des Außenministeriums bereits den betroffenen Ministern der EU-Mitgliedstaaten zugeleitet worden. Ich hoffe sehr, daß wir im Artikel-21-Ausschuß gemäß Richtlinie 90/220/EWG eine für Österreich positive Abstimmung erzielen können. Dort wäre eine qualifizierte Mehrheit notwendig, um den Ministerrat noch einmal damit zu befassen, welche Bedeutung diese Entscheidung nicht nur für Österreich, sondern für Gesamteuropa hat.

Zu Frage 3: Werden Sie an potentielle Importeure herantreten und diese auffordern, auf Importe von Genmais zu verzichten?

Derzeit – und ich bitte Sie, das ganz genau zu beachten, denn das ist ja der springende Punkt – gilt noch immer das Importverbot gemäß der Verordnung BGBl. II/45/1957. Sollte im Artikel-21-Ausschuß keine für Österreich günstige Abstimmung erzielt werden und die EU-Kommission daher ihre Entscheidung auf Aufhebung des österreichischen Importverbotes rechtsgültig erlassen, so werde ich neben den unter Punkt 4 meiner Beantwortung zu nennenden Schritte natürlich auch an die potentiellen Importeure herantreten und sie darauf hinweisen, daß sie in Anbetracht der öffentlichen Meinung in Österreich, aber auch im Hinblick auf die österreichischen Bedenken gegen dieses Produkt gut beraten sind, vorerst freiwillig auf Importe dieses Produktes, insbesondere zur Weiterverarbeitung zu Lebens- und Futtermitteln, zu verzichten.

Es gab im Sommer mehrere Gespräche zwischen potentiellen Importeuren und mir. Ich habe diese Gespräche angebahnt, und diese Gespräche werden natürlich auch fortgesetzt.

Zu Frage 4: Welche Schritte werden Sie im Falle einer negativen Entscheidung der EU-Kommission setzen?

Da mit einer endgültigen Entscheidung der Kommission auch bei einer allfälligen Abstimmungsniederlage im Artikel-21-Ausschuß vermutlich erst im November dieses Jahres zu rechnen ist, werde ich die verbleibende Zeit für die Überlegung entsprechender Schritte intensiv nutzen. Ich werde darauf im folgenden noch detailliert eingehen. Ich bin jedenfalls fest entschlossen, alle mir zu Gebote stehenden rechtlichen Möglichkeiten gegen eine solche negative Entscheidung


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auszuschöpfen. Eine dieser Möglichkeiten ist auch die Einbringung einer aktive Klage gegen die Kommission auf Nichtigkeit ihrer Entscheidung beim Europäischen Gerichtshof.

An dieser Stelle sei angemerkt, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsdienstes gemeinsam mit dem Völkerrechtsbüro des Außenministeriums bereits sehr intensiv die rechtlichen Voraussetzungen einer Klage an den Europäischen Gerichtshof prüfen und diese vorbereiten. – Zu Ihrer Information, was eine derartige Klage kosten könnte: Ich denke, das Porto für das Schreiben an den Europäischen Gerichtshof wird sich die Republik Österreich leisten können! (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich hat die Möglichkeit, eine Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission binnen zwei Monaten, verlängert um zehn Tage Postfrist, beim Europäischen Gerichtshof einzubringen. Als Klagsgründe kommen dabei grundsätzlich die Verletzung des Vertrages – absolut unzumutbare Risken hinsichtlich Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren, aber auch Schutz der Umwelt – beziehungsweise ein Ermessensmißbrauch der Europäischen Kommission bei dem in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren in Betracht, zum Beispiel auch die Würdigung diverser Sachverständigengutachten.

In diesem Fall ist davon auszugehen, daß die Europäische Kommission in ihrer Gegenschrift gegenüber dem Europäischen Gerichtshof die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung darstellen wird. Das ist der aktive Weg, kurz beschrieben.

Spätestens im Falle einer Abweisung dieser Nichtigkeitsklage durch den Europäischen Gerichtshof in den folgenden Monaten, sollte eine solche kommen, hat Österreich gleichfalls mit einem Vertragsverletzungsverfahren zu rechnen.

Gemäß Artikel 163 EG-Vertrag bedarf ein Beschluß der Europäischen Kommission zur Einleitung eines solchen Verfahrens der Mehrheit ihrer Mitglieder. Es scheint unwahrscheinlich zu sein, daß die Europäische Kommission bereits gleichzeitig mit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage durch Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten wird.

Bringt Österreich keine Klage ein und hält das Importverbot von diesem gentechnisch veränderten Mais weiter aufrecht, das heißt, übergeht die Entscheidung der Europäischen Kommission, wird vermutlich gleichfalls ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 beziehungsweise Artikel 170 EG-Vertrag gegen Österreich geführt werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Das kommt den Steuerzahler billiger, oder?)  – Ich weiß nicht, ob die Portogebühr so gravierend ist, ansonsten übernehme ich sie gerne aus meiner eigenen Tasche. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 5: Welche Gründe können gegen eine negative Entscheidung angeführt werden?

Als Gründe gegen eine negative Entscheidung können inhaltliche, aber auch formale Gründe angeführt werden. Inhaltlich wird jedenfalls vorzubringen sein, daß die Kommission bei ihrer Entscheidung die vorhandenen wissenschaftlichen Bedenken Österreichs im Hinblick auf die vorhandene Antibiotikaresistenz auf die nachteiligen Auswirkungen einer breiten Verwendung des BT-Toxins nicht ausreichend gewürdigt hat. Weiters wird zu beanstanden sein, daß zu den anstehenden Fragen weitere wissenschaftliche Gutachten einzuholen gewesen wären und auch der mögliche rechtliche Spielraum der Richtlinie 90/220/EWG für die Vorschreibung von einschränkenden Bedingungen und Auflagen beim Inverkehrbringen dieses Produktes nicht ausgenützt wurden.

Ich möchte auch hier in Erinnerung rufen: Diese und ähnliche gentechnisch veränderte Maissorten sind in den USA zugelassen, allerdings nicht so, wie sie die Kommission jetzt zugelassen hat, sondern in den USA ist es üblich – und wir kennen die Position der USA zur Gentechnik –, daß sehr wohl bei Zulassung Monitoring-Programme vorgeschrieben sind, die aber in Österreich beziehungsweise in Europa von der Europäischen Kommission gänzlich ignoriert wurden.

Frage 6: Beabsichtigen Sie, ein Importverbot für Gentech-Raps zu verhängen?


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Da die Kommission zwei gentechnisch veränderte Rapslinien positiv beurteilt hat, obwohl Österreich begründete Einwände vor allem aus ökologischer Sicht vorgebracht hat, erwäge ich, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie auch hier entsprechende Maßnahmen gemäß Artikel 16 der Richtlinie 90/220/EWG zu setzen. Eine derartige Maßnahme kann allerdings erst nach Vorliegen der endgültigen Genehmigung durch die zuständige französische Behörde erfolgen.

Lassen Sie mich abschließend noch einmal sagen: Es ist eine sehr ernste Angelegenheit, daß sich Österreich, weil es gute Gründe hat, um sein Recht, um sein österreichisches und damit europäisches Recht, bemüht, und ich denke, nicht nur die österreichische Bevölkerung, sondern die gesamte Europäische Union, alle Mitgliedstaaten beobachten mit großer Neugierde unsere Schritte und sind gespannt auf den Ausgang des Verfahrens. Eines muß wohl klar sein: Uns liegen die Gesundheit und die Umwelt so sehr am Herzen, daß wir alles daransetzen, diese auch zu schützen und zu erhalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Bundesministerin für die Beantwortung.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam: Redezeiten maximal 10 Minuten, pro Klub maximal 25 Minuten.

Erstredner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Redezeit: 10 Minuten.

15.26

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das Thema Gentechnologieeinsatz in Österreich und Import von gentechnologisch veränderten Lebens- und Nahrungsmitteln ist natürlich ein sehr emotionelles Thema. Mein Vorredner hat ja schon gesagt, daß 1,2 Millionen Menschen dieses Gentechnik-Volksbegehren unterzeichnet haben. Wir wissen auch aus Umfragen, daß sehr viele Menschen der Gentechnik generell sehr kritisch gegenüberstehen, daß es Ängste gibt, daß es Sorgen gibt, daß man diese Technologie nicht beherrscht, nicht im Griff hat.

Meine Damen und Herren! Daher ist der Bundesregierung und im besonderen der Frau Minister Prammer zu danken, daß sie den Mut hat, dieses Importverbot vor allem bei diesem Produkt, um das es geht, nämlich einen Mais, ein Altprodukt aus den USA, zu verbieten, bezüglich dessen es wissenschaftliche Bedenken gibt, gegenüber dem es in Wirklichkeit auch im EU-Parlament Skepsis gibt, gegen den auch andere Staaten ein Importverbot verhängt haben. Ich glaube daher, daß wir die Frau Minister auffordern sollten, sich gegen Lobbyisten im Bereich der EU zur Wehr zu setzen, die problematische Importe durchsetzen wollen. Ich glaube, es muß unser gemeinsames Bemühen sein, die Bundesregierung und die zuständige Ministerin dabei auch mit diesem Akt der Diskussion im Parlament zu unterstützen, weil es hier um eine österreichische Position in dieser Frage geht. Es geht vor allem um den Schutz der Konsumenten, um den Schutz unserer Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Daß Gentechnologie etwas ist, was in einem Spannungsfeld stattfindet, ist uns allen bewußt. Ich möchte das an einem Beispiel, nämlich am Beispiel meiner eigenen Region, ganz kurz darstellen.

Das Waldviertel als Region hat in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren insgesamt etwa 100 Millionen Schilling Bundes- und Landesgelder dafür aufgewendet, sich als eine Region darzustellen, in der die Biobauern sozusagen den Schwerpunkt bilden. Wir haben uns bemüht, aus dem Waldviertel die gesündeste Ecke Österreichs zu machen, sozusagen die Ökoregion Waldviertel zu kreieren. Wir haben versucht, ein Zentrum der Biobauernbewegung im Waldviertel zu schaffen, und das ist uns auch gelungen, meine Damen und Herren.

Wir hatten das Ziel, die Überlegungen, die der ehemalige Landwirtschaftsminister Fischler gehabt hat, nämlich daß Österreich der Spezialitätenladen Europas (Abg. Dr. Khol: Feinkostladen!) oder der Feinkostladen Europas – danke, Kollege Khol – werden könnte, im Waldviertel


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zu verwirklichen. Ich bin der Hoffnung, daß Kommissar Fischler unsere Ministerin und die österreichische Bundesregierung bei der Position, die wir hier heute untermauern und bekräftigen, auch tatkräftigst unterstützen wird. Es wird auch von ihm abhängen, ob das gelingen wird.

Meine Damen und Herren! Es gibt eine Reihe von Modellen, etwa das Modell in Harbach, wo sich ein großes touristisches Unternehmen mit Bauern zusammengeschlossen hat, um biologisch erzeugte landwirtschaftliche Produkte zu vertreiben, die in einer eigenen Molkerei – man stelle sich vor: eine eigene Molkerei hat man sogar gebaut! –, in einer eigenen Fleischerei und Fleischverarbeitung produziert werden. Dieses Unternehmen wird in den nächsten Tagen feierlich eröffnet werden, um im Sinne unserer Zielsetzung einen Schritt weiterzukommen, nämlich sicherzustellen, daß die Produkte, die in der Region Waldviertel erzeugt werden, absolut biologisch, ökologisch erzeugt werden und diese daher ein besonderes Markenzeichen darstellen.

Es gibt darüber hinaus eine Reihe erfolgreicher Projekte des Waldviertler Managements im landwirtschaftlichen Bereich, die darauf abzielen, den ökologischen Landbau massiv zu unterstützen, und daher hat die Bevölkerung auch die Bemühungen sehr unterstützt, eine gentechnikfreie Zone im Waldviertel durchzusetzen und keine Freisetzungen zuzulassen.

Andererseits aber, meine Damen und Herren, haben wir in der gleichen Region einen österreichischen Multi, der dort versucht hat, seine gentechnologischen Aktivitäten entsprechend zu konzentrieren und durchzusetzen. In einem Diskussionsprozeß mit dem Management muß es nun darum gehen, zu überzeugen, daß es natürlich nicht gescheit ist, eine Haltung der Konfrontation mit den Kritikern oder ängstlichen Menschen einzunehmen oder diese gar zu verfolgen oder in irgendeiner Art und Weise mundtot zu machen. Man muß versuchen, das Management zu überzeugen, daß es wesentlich vernünftiger wäre, sich der Zielsetzung dieser Region anzuschließen. Und das wäre möglich, weil dieses Unternehmen ganz besonders stark ist in der Erzeugung von derlei Lebensmitteln. Es könnte doch auch eine Möglichkeit sein, daß in diesem Unternehmen Lebensmittel hergestellt werden, die eben auf Grundprodukten, die biologisch und ökologisch hergestellt werden, basieren.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber deutlich sagen, daß ich eine generelle Verdammung der Gen- oder Biotechnologie ablehne, es muß Platz sein für beides. Mir liegen die Arbeitsplätze in Kundl genauso am Herzen wie die Anliegen der Region Waldviertel, die sich eben einem anderen Weg verschrieben hat.

Meine Damen und Herren! Ich denke, daß die österreichische Politik beides zulassen muß, und ich glaube, daß wir, wenn wir diese Entschließung heute hier gemeinsam unterstützen und mit dieser Dringlichen Anfrage an die Frau Minister die österreichische Position deutlich machen, auf diesem Weg einen Schritt weiterkommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Sie hat das Wort.

15.33

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Das Volksbegehren zur Frage Gentechnik im April dieses Jahres hat ganz deutlich gezeigt, wie hoch die Sensibilität der österreichischen Bevölkerung gegenüber der Gentechnik und insbesondere gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist. Es war daher auch gar nicht verwunderlich und den Wünschen einer großen Gruppe in der österreichischen Bevölkerung durchaus entsprechend, daß sich die österreichische Bundesregierung dazu entschlossen hat, ein Importverbot über diesen gentechnisch veränderten Mais der Firma Novartis zu verhängen. Es war ja offensichtlich kein Zufall, daß 13 der 15 EU-Staaten gegen die Zulassung von Genmais Einspruch erhoben haben, aber die Zulassung trotzdem erfolgt ist.

Nunmehr scheinen sich die Befürchtungen der österreichischen Bundesregierung, daß dieses Importverbot, das neben Österreich auch Italien und Luxemburg vorgesehen haben, von der EU-Kommission nicht anerkannt wird, zu bewahrheiten, und die Artikel-21-Kommission wird in


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den nächsten Wochen zu entscheiden haben, ob dieses Importverbot aufgehoben beziehungsweise anerkannt wird.

Jetzt ist es an der Zeit, Frau Minister, intensiv mit dem Lobbying zu beginnen; eigentlich wäre das auch in den letzten Wochen und Monaten sinnvoll gewesen. Die Entscheidung in dieser Artikel-21-Kommission wird natürlich von allen Mitgliedstaaten und den Mitgliedern in dieser Kommission getroffen, insgesamt sind es 84. Ich darf Sie ersuchen, Frau Minister, sich nicht auf Briefeschreiben zu beschränken, sondern Ihren ganzen persönlichen Einsatz in die Waagschale zu werfen, und Ihnen empfehlen, mit den einzelnen Mitgliedern dieser Kommission ins Gespräch zu kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann Ihnen meine persönlichen Erfahrungen aus einem durchaus vergleichbaren Fall, nämlich der Kreditvergabe für das Kernkraftwerk Mochovce durch die EBRD, schildern. Wir haben uns nicht darauf beschränkt, die Direktoren der EBRD aus den verschiedenen Mitgliedsländern anzuschreiben, sondern ich bin einige Male nach London gefahren und habe mit jedem einzelnen Direktor dieser Kommission, der die Entscheidung zu treffen hatte, ein ausführliches, langes Vier-Augen-Gespräch geführt, weil es den Herren – es waren in dem Fall fast nur Herren, ganz wenige Damen – im persönlichen Gespräch sehr viel schwerer fällt, ihre Linie aufrechtzuerhalten, als wenn sie nur einen Brief bekommen oder überhaupt nur in der Gruppe angesprochen werden.

Es ist daher dringend notwendig, die nächsten Wochen dafür zu nutzen, intensives Lobbying bei dieser Artikel-21-Kommission für die österreichische Position zu betreiben, und ich gehe davon aus, Frau Minister, daß Sie das auch tun werden – und wir erwarten das auch von Ihnen.

Gleichzeitig halte ich es natürlich für wichtig und richtig, daß alle rechtlichen Schritte überprüft werden, die Österreich für den Fall offenstehen, daß dieses Lobbying keinen Erfolg zeitigt und die Artikel-21-Kommission gegen Österreich entscheidet. Und ich halte es hier mit Bundesminister Bartenstein, der sagt: Wir scheuen den Gang zum Europäischen Gerichtshof sicherlich nicht!

Meine Damen und Herren! Das Volksbegehren und die ganze Diskussion um die Gentechnik haben natürlich auch in der österreichischen Bevölkerung zu einer breiten Verunsicherung geführt, insbesondere auch bei den Konsumenten. Das, was wir brauchen, sind aber nicht verunsicherte, sondern mündige Konsumenten. Aber um zu mündigen Konsumenten zu kommen, bedarf es einer umfassenden Information, und natürlich bedarf es auch einer umfassenden Kennzeichnung. Daher möchte ich an Sie, Frau Bundesminister, als zuständige Konsumentenschutzministerin eine Frage anschließen, die in dieser Dringlichen Anfrage der SPÖ nicht enthalten war: Was haben Sie in den letzten Wochen und Monaten auf innerstaatlicher Ebene getan, um diese umfassende Kennzeichnung umzusetzen beziehungsweise in die Wege zu leiten?

Ich glaube, daß es dringend notwendig ist, daß die Konsumenten beim Kauf der Produkte feststellen können – das muß ganz klar erkennbar und vor allem leicht verständlich sein –, ob in diesem Produkt gentechnische Veränderungen vorgenommen worden sind oder gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten sind oder ob dieses Produkt gentechnisch unverändert ist.

Ich würde Sie daher sehr herzlich bitten, gerade im Bereich der Kennzeichnung alle Anstrengungen zu unternehmen, damit die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten gemeinsam mit der österreichischen Wirtschaft und natürlich auch der europäischen Wirtschaft zu einer sinnvollen, klar erkennbaren Kennzeichnung kommen. In diesem Zusammenhang begrüße ich auch sehr die Ankündigungen der Europäischen Kommission, neben der Novel-food-Richtlinie auch eine Novel-feed- und eine Novel-seed-Richtlinie zu erlassen. Das sind ganz wesentliche Richtlinien, die es auch den österreichischen Landwirten ermöglichen werden, genau zu überprüfen, was sie einkaufen, was sie aussäen und was sie an ihre Tiere verfüttern.

Die ganze Diskussion rund um das Gentechnik-Volksbegehren hat aber auch zu einer starken Verunsicherung in der österreichischen Forschung und in der österreichischen Wirtschaft geführt, nicht ganz zu Unrecht, weil die Diskussion sehr emotional geführt wurde. Von der österreichischen Forschung und der österreichischen Wirtschaft wird nicht zu Unrecht befürchtet, daß


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nichts mehr möglich ist, daß nichts mehr geht, daß der österreichische Vorsprung auf diesem Gebiet eingebüßt wird und die österreichischen Fähigkeiten auf diesem Gebiet nicht mehr eingesetzt und genutzt werden können.

Nicht zu Unrecht auch, weil natürlich viel, was in der Gentechnik passiert, und viel, was als Segnung in der Medizin gepriesen wird, letztendlich ambivalent zu beurteilen ist, denn nicht alles, was möglich ist, ist auch vertretbar. Es erheben sich die Fragen: Wie weit darf Gentechnik gehen? Wie weit darf sie in den menschlichen Organismus eingreifen? Inwieweit sind diese Möglichkeiten zu kontrollieren und strengen Kontrollen zu unterwerfen?

Die Österreichische Volkspartei hat daher auch schon in dieser Diskussion nicht nur zur Versachlichung aufgerufen, sondern auch vorgeschlagen, bei der Akademie der Wissenschaften eine Ethik-Kommission ins Leben zu rufen, fächerübergreifend, in der verantwortungsvolle in- und ausländische Wissenschafter auch in Grenzsituationen Beurteilungen vorzunehmen haben.

Letztendlich war der Erfolg des Volksbegehrens – mehr als 1,2 Millionen Österreicher haben es unterzeichnet – auch ein unmißverständliches Votum für eine sachliche Behandlung der Anliegen dieses Volksbegehrens. Diese vernünftigen Anliegen des Volksbegehrens dürfen nicht der Angstmache oder dem Populismus zum Opfer fallen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Österreichische Volkspartei wird nicht zulassen, daß Forschung und wirtschaftliche Unternehmungen, für die Gentechnik unerläßlich ist, verteufelt werden. Gerade weil die Gentechnik und ihre Anwendungsmöglichkeiten so kontrovers gesehen werden, dürfen wir Österreicher uns nicht unwissend dem Rest der Welt ausliefern, sondern müssen in diesem Bereich weiterforschen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist absurd, so zu tun, als wären Genetiker und Biotechnologen die Ausgeburt alles Bösen auf der Welt. Es wäre daher auch falsch, in Österreich eine Bunkerstimmung zu erzeugen, durch die die Forschung verdrängt würde und letztendlich österreichische oder ausländische Unternehmen, die in Österreich beheimatet sind, zur Abwanderung ins Ausland gezwungen würden.

Deshalb hoffe ich sehr, daß es uns gelingen wird, daß in dem Sonderausschuß, den das österreichische Parlament zur Behandlung des Gentechnik-Volksbegehrens eingesetzt hat und der am 30. September erstmals tagen wird, eine sachliche Diskussion all dieser Fragen möglich ist, und daß in diesem Sonderausschuß auch sichergestellt ist, daß wir den Anliegen der Vertreter, der Proponenten des Volksbegehrens gerecht werden und wir eine für die Zukunft unseres Landes sinnvolle Lösung finden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit.

15.44

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hätte der letzten Worte der Kollegin Rauch-Kallat nicht bedurft, um wieder einmal die Position zu verdeutlichen, die sie in dieser Frage bereits bezogen hat. (Abg. Rauch-Kallat: Wir sind für die Arbeitsplätze!) Es war dies einmal mehr ein Fingerzeig für uns, die wir auch in diesem Sonderausschuß tätig sind, daß wir sehr darauf achten müssen, daß wir dieser Genlobby nicht auch durch das österreichische Parlament Vorteile verschaffen. Ihre Ausführungen haben eindeutig in diese Richtung gezeigt. Sie gehören zu jenen, die die Interessen der Lobbies im Europäischen Parlament und jetzt wahrscheinlich auch im österreichischen Parlament vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Dringlichen. Frau Bundesminister, die Fragen, die an Sie gerichtet wurden, waren doch nicht wirklich dringlich. Ich erlaube mir, hier festzustellen, daß dies meiner Ansicht nach ein Mißbrauch des parlamentarischen Interpellationsrechtes ist (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), um sich noch einmal vor der Landtagswahl, die am 5. Oktober in Ihrem Heimatland Oberösterreich über die Bühne gehen wird, ins rechte Licht zu setzen. Denn


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die Fragen, die Kollege Gradwohl gestellt hat, hätte er Ihnen auch bei einem Kipferl und einem Kaffee im Parlamentsbuffet stellen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt im Moment wahrlich wichtigere Fragen, deren Behandlung dringlich gewesen wäre, die aber an den Finanzminister zu richten gewesen wären. Wir Freiheitlichen hätten gerne etwas Klarheit in die Finanzsituation Österreichs gebracht, da die gestrige Budgetrede des Finanzministers eindeutig dazu beigetragen hat, daß nun endgültig alle Klarheiten beseitigt sind. In diesem Zusammenhang hätte es dringliche Fragen genug gegeben. Sei’s drum.

Meine Damen und Herren! Diskutieren wir heute über eine Kommissions-Entscheidung, die von der Gentechniklobby in Brüssel gegen den Willen – und das ist entscheidend: gegen den Willen – von 14 EU-Staaten durchgesetzt wurde. Eine demokratisch nicht legitimierte Kommission setzt sich gegen den Willen von 14 Staaten, die etwas anderes wollen, durch. Meine Damen und Herren! Das ist ein wunderschönes Beispiel dafür, wie die Demokratie auf der Ebene der Europäischen Union mit Füßen getreten wird: 14 Staaten wollen etwas anderes – und ein Staat setzt sich mit der nicht demokratisch legitimierten Kommission in dieser Frage durch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb meine ich, Frau Bundesminister, daß eine Klage beim Europäischen Gerichtshof der völlig falsche Weg ist. Meines Erachtens wäre Österreich gut beraten, die Entscheidung, die von der Kommission getroffen wurde, einfach zu ignorieren. Wir fänden uns dabei in bester Gesellschaft. Lassen wir uns doch klagen, Herr Kollege Khol! Wo liegt denn da das Problem? Warum sollen wir uns nicht klagen lassen? (Abg. Dr. Haider: Das liegt am Mut! Sie haben keinen Mut! – Abg. Dr. Khol: Wenn wir nicht klagen würden, sondern klagen lassen, würden Sie uns vorwerfen, daß wir nicht den Mut zur Klage haben!)

Tatsache ist, daß – und das weiß jeder, der sich damit beschäftigt – gentechnische Manipulation mit herkömmlichen Züchtungsmethoden nichts gemein hat. Erstmals kommt es zur Überschreitung von Artgrenzen ohne jedwede Technologiefolgenabschätzung, meine Damen und Herren – und das in erster Linie deshalb, weil es Konzerne gibt, die in die Forschung sehr viel investiert haben und die jetzt auf das Prinzip Hoffnung bauen, nämlich daß keine Fehler auftreten, da sie die Investitionen zurückbekommen wollen, und dazu brauchen sie die Allmacht der Kommission und setzen sie auch ein.

Obwohl niemand sagen kann, ob vorgenommene Veränderungen und deren Auswirkungen überhaupt rückholbar sind, will man das jetzt durchsetzen, meine Damen und Herren! Insbesondere in diesen hier in Diskussion stehenden Freisetzungsversuchen liegt eine sehr große Gefahr. Neu entstehende Organismen, deren genetische Komponenten und Verbindungen überhaupt nicht kontrollierbar sind, können zur Gefahr werden. Wer kann die Sicherheit geben, daß durch die Freisetzung genmanipulierter Organismen eine Bedrohung der genetischen Vielfalt ausgeschlossen werden kann? Können die Gentechnikbefürworter alle Sekundärauswirkungen, die es in 20, 30 Jahren geben kann, zur Gänze vorhersehen und beschreiben, Frau Bundesminister? – Selbstverständlich können sie das nicht. Und deshalb gilt es, mit allen Kräften gegen diese Entscheidung aufzutreten. Ich würde es darauf ankommen lassen. Lassen wir uns klagen! Meines Erachtens brauchen Sie in dieser Frage nicht tätig zu werden.

Es gibt ein enorm großes Risiko, das nicht abschätzbar ist. Es geht im Endeffekt, wenn man das weiter fortführt, um massive Eingriffe in die Evolution. Komplexe Systeme können dadurch nachhaltig verändert werden. Manche sagen, damit werde die molekulare Uhr verstellt und davon gehe eine große Gefahr aus.

Ich behaupte daher, daß die Gentechnikbefürworter die Risken nicht umfassend prognostizieren können – und auch nicht wollen. Deshalb kann auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die manche machen wollen, in solchen Fragen nicht aufgestellt werden.

All diese offenen Fragen, diese Unabwägbarkeiten sind Grund genug dafür, auf diese Technologie zu verzichten. Kollege Parnigoni hat es ja angesprochen: Wenn Österreich der Feinkostladen Europas werden soll, dann muß die naturnahe Produktion geschützt werden! Meine Damen und Herren! Wir haben die Interessen der bäuerlichen Familienbetriebe, der Konsumen


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ten und der kommenden Generationen zu vertreten. Was Monsanto, DeKalb, DuPont, AgrEvo und wie sie alle heißen, wollen, das hat uns nicht zu interessieren. Uns haben die Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft, die ein wesentlicher Bestandteil dieses Landes sind, die einen wesentlichen Teil der Kultur dieses Landes ausmachen, zu interessieren. Diese Interessen haben wir zu vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denen den Markt zu öffnen, ist unsere Aufgabe, und nicht den großen Chemiekonzernen.

Am Ende steht ein entfesselter Markt mit einem brutalen globalen Wettbewerb, den nur wenige Multis überleben, die kleinen überschaubaren Strukturen, die unser Land so reizvoll machen, wird es dann nicht mehr geben.

Deshalb sollten wir versuchen, die Verantwortung namhaft zu machen, solang das noch möglich ist, die Verantwortung für jene tragen, die dieses Land nach uns bewohnen werden: Im Interesse dieser Menschen gegen die Konzerne, die die Gentechnik weltweit durchsetzen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Er hat das Wort.

15.51

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß die Materie dringlich ist, und sie ist – das kann man an dem, was jetzt zwischen den Fraktionen an Entschließungsanträgen vorverhandelt wird, erkennen – sicher auch gut für Österreich. Daß es nebenbei auch gut sein wird für die oberösterreichischen Landtagswahlen, wird ein Synergieeffekt sein, den man sich nicht entgehen lassen wollte. Aber ich nehme nicht an, daß das die primäre Motivation gewesen ist, denn unmittelbar stimmt es, daß wir mit dieser Materie konfrontiert sind. Und die Entscheidung, die auf europäischer Ebene gefallen ist, wird natürlich auch von österreichischer Seite her zu Überlegungen dahin gehend führen müssen, ob man nicht sinnvollerweise selbst klagt oder sich eventuell klagen läßt. Das wird noch zu klären sein; aber darauf wird insbesondere Frau Abgeordnete Martina Gredler noch eingehen. Ich möchte mich nämlich auf den nationalen Bereich konzentrieren.

Denn während allenthalben so getan wird, als sei die Entwicklung in der bäuerlichen Landwirtschaft eine solche, die erst durch die Gentechnologie entstanden sei, muß man vorweg schon auch sagen, daß das nur Technologien sind, die einen Prozeß, der schon besteht, beschleunigen und verstärken. Wahr ist vielmehr, daß die strukturellen Probleme im Bereich der bäuerlichen Landwirtschaft schon länger existieren und daß sie jetzt nur umso stärker aufbrechen. Es ist also nicht so, daß die Europäische Integration dafür verantwortlich wäre, daß es zu diesen strukturellen Änderungen kommt, sondern das sind Probleme, denen wir uns ohnehin stellen werden müssen.

Zweiter Aspekt, den ich herausstreichen möchte: Wir werden auf der internationalen Ebene nicht umhin kommen, daß Technologien immer wieder nach Österreich hereingetragen werden; das ist auch wünschenswert. Ich meine, daß wir uns nicht einer politischen Entwicklung überlassen sollten, die meint, wir könnten hier eine Alpenfestung bilden und nichts mehr von außen hereinlassen. Wir sind diesen Technologien und diesen Entwicklungen ausgesetzt und müssen uns mit ihnen auseinandersetzen.

Obwohl es durch den Beitritt zur Europäischen Union jetzt Entscheidungen gibt, die wir hinnehmen müssen, wenn sie einmal auf europäischer Ebene getroffen worden sind, gibt es immer noch auf nationaler Ebene Maßnahmen, die wir ergreifen können. Eine dieser Maßnahmen, meine Damen und Herren, ist auch in dem einstimmig beschlossenen Bericht über die Enquete-Kommission betreffend die Abschätzung der Folgen der Gentechnologie enthalten: die Umwelthaftung.

Sie wissen, meine Damen und Herren, daß dieser damals von allen Parteien beschlossene Bericht eindeutig sagt, daß wir eine eigene Haftungsbestimmung brauchen, die auf die Gentechno


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logie zugeschnitten ist, und daß damals von seiten der Bundesregierung – konkret durch Herrn Bundesminister Ausserwinkler – noch schnell, bevor dieser Bericht im Hause verhandelt wurde, ein Gentechnikgesetz vorgelegt wurde, das keine Haftungsbestimmungen enthalten hat, mit der damals durchaus glaubwürdigen Argumentation, das müsse man in einem eigenen Umwelthaftungsgesetz regeln. Aber seit damals ist nichts – nichts! – von einem Entwurf eines Umwelthaftungsgesetzes hier im Hause zu sehen gewesen. Sie wissen, daß der Herr Bundesminister für Justiz einen Entwurf vorbereitet hat, aber der hat die Pforten dieses Hauses nie erreicht.

Ich meine, daß die Diskussion, die wir jetzt angeblich nur auf europäischer Ebene zu führen haben, auch auf nationaler Ebene geführt werden muß. Wir sollten uns daran erinnern, daß es einen Gentechnik-Enquete-Bericht gibt, daß in diesem eindeutig steht, daß wir eine eigene Gefährdungshaftung für den Bereich der Gentechnologie brauchen, daß wir einen eigenen Fonds brauchen für den Fall, daß Haftungslücken entstehen, und daß in diesem Bericht auch die Anmerkung enthalten ist, daß dieser Fonds möglichst von jenen gespeist werden soll, die den finanziellen und den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vertrieb solcher Technologien und der Anwendung dieser Technologie haben.

Meine Damen und Herren! So wichtig es auch ist, über die europäische Ebene zu reden, wäre es auch für Österreich insgesamt wichtig – und vielleicht auch für den oberösterreichischen Wahlkampf –, über ein Umwelthaftungsgesetz auf nationaler, österreichischer Ebene zu reden. Das, Frau Bundesminister, würde ich mir von Ihrer Seite auch erwarten. Die Liberalen wünschen sich, daß Sie, da Sie sich schon auf europäischer Ebene um diese Frage angenommen haben, nicht davor zurückschrecken, in Ihrem Rahmen und insbesondere im Rahmen der Bundesregierung darauf zu dringen, daß die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung in diesem Haus eine Debatte über ein Umwelthaftungsgesetz, das als Entwurf beim Herrn Bundesminister für Justiz in der Schublade liegt, zulassen, damit wir zu jenen nationalen Haftungsregelungen kommen, die allein in der Lage sein werden, jene Vorsicht in der Forschung und bei den Anwendungen herbeizuführen, hinsichtlich derer wir uns alle wünschen, daß sie existieren, und daß niemand versucht ist, die Gewinne nur für sich zu lukrieren und die Risken zu sozialisieren. Wenn in diesem Zusammenhang etwas Größeres passiert, werden die Mittel dafür großteils durch das Budget aufzubringen sein, denn der Schaden, der durch einen großen gentechnologischen Unfall entsteht, wird nicht von einer einzelnen Firma abgedeckt werden können.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen daher ein nationales Umwelthaftungsgesetz und sollten noch dieses Jahr darüber in diesem Hause diskutieren. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Tegischer. )

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anschober. Er hat das Wort.

15.56

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Geschätzte Frau Ministerin! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Gradwohl hat die heutige Dringliche Anfrage mit der Informationspflicht in dieser wichtigen, entscheidenden Frage begründet. Ich halte das für durchaus berechtigt, völlig gleichgültig, ob da sonst irgendwelche Intentionen, Interessen mitschwingen: Es besteht ein akuter Informationsbedarf, auch in diesem Haus, und es ist gut, daß wir heute über die entscheidenden Fragen in diesem Zusammenhang diskutieren und auch darüber, was in diesen vielen einzelnen Bereichen, die durch die 1,2 Millionen Schilling, Entschuldigung, Menschen, die das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben haben, an Handlungsauftrag an die Politik mitgegeben wurde (Abg. Dr. Khol: Ein Freudscher Versprecher!) und was bislang, ein halbes Jahr später, daraus geworden ist.

Es besteht eine Informationspflicht hinsichtlich des Importverbots von Genmais und Genraps. Wir unterstützen dieses Vorgehen seitens der Bundesregierung, das bisher angekündigt wurde; ich halte das für richtig. Man kann darüber diskutieren, ob der aktive oder der passive Weg zu


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wählen ist – das halte ich für eine Detailfrage –, wichtig ist aber eine konsequente Haltung, und an dieser zweifeln wir nicht, sie ist bislang realisiert worden.

Was die Informationspflicht betrifft, wäre für uns Grüne entscheidend, daß Sie, Frau Ministerin, uns heute auch sagen, wie in weiteren Produktbereichen die österreichische Haltung aussieht – hinsichtlich der Nelken zum Beispiel, der Erdäpfel; also überall dort, wo es schon konkrete Anträge und konkrete Vorgangsweisen gibt. Wird es da die gleiche konsequente österreichische Haltung geben?

Wenn man über die Informationspflicht in Sachen Gentechnik diskutiert, dann sollte sich dieses Haus ein halbes Jahr nach Abhaltung des Gentechnik-Volksbegehrens nicht nur dieses eine Segment aus diesem Arbeitsbereich ansehen, sondern generell dieser Informationspflicht nachkommen und sagen, wo die einzelnen Parteien hinsichtlich der drei großen Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens stehen, inwieweit es politische Bereitschaft und Intentionen gibt, diese umzusetzen, und wie vor allem die konkrete Positionierung der hauptzuständigen Ministerin in diesem Zusammenhang ist.

1,2 Millionen Menschen haben der Politik einen klaren Handlungsauftrag in drei großen Bereichen mitgegeben. Der erste Bereich war die Forderung: Kein Essen aus dem Gentechnik-Labor! Ein Einsatzverbot von Gentechnik in der heimischen Landwirtschaft – ich unterstreiche das doppelt. Dazu wäre es notwendig, das Lebensmittel- und das Gentechnikgesetz zu verändern. Bislang hat es seitens der Regierungsparteien keine Bereitschaft in diesem Zusammenhang gegeben.

Meine Frage an die Ministerin, um der Informationspflicht auch in diesem Bereich konkret nachzukommen: Welche Position nimmt die Konsumentenschutzministerin – was natürlich auch mit der gesamten Lebensmittelfrage zu tun hat – in diesem Zusammenhang ein? Wird es tatsächlich die notwendigen Änderungen im Lebensmittelgesetz und im Gentechnikgesetz geben?

Der zweite große Forderungsbereich des Gentechnik-Volksbegehrens ist der Punkt "kein Patent auf Leben". In dieser Frage hat es seitens einzelner EU-Mandatare aus Österreich, nämlich jener der ÖVP, ein durchaus beschämendes, wirklich negatives Vorgehen gegeben, da mit den Stimmen dieser ÖVP-Mandatare und -Mandatarinnen die EU-Patentierungsrichtlinie im Europa-Parlament durchgegangen ist.

Die entscheidende Frage wird nun sein: Wie wird im November der diesbezügliche Ministerratsbeschluß auf EU-Ebene ausfallen? Denn erst dann kann diese negative Patentierungsrichtlinie gültig werden. Unsere Intention ist es, daß der zuständige österreichische Wirtschaftsminister Farnleitner durch den Hauptausschuß für sein Verhalten die klare Bindung erhält, auf europäischer Ebene für Österreich ein klares Nein zu dieser Patentierungsrichtlinie auszusprechen.

Zurück zur Informationspflicht: Welche Position nehmen ÖVP und SPÖ bezüglich dieser Bindung des Wirtschaftsministers in dieser entscheidenden Frage, in diesem Kernpunkt des Gentechnik-Volksbegehrens konkret ein? Kann die Konsumentenschutzministerin heute eine Garantieerklärung etwa dafür abgeben, daß sich die SPÖ, ihre eigene Partei, für eine solche Bindung des Wirtschaftsministers einsetzt?

Der dritte Bereich ist die Frage der Freisetzung. Dazu gibt es seit geraumer Zeit einen Antrag der Grünen auf einen fünfjährigen Freisetzungsstopp. Auch da stellt sich an die Konsumentenschutzministerin die Frage: Kommen wir der Informationspflicht nach? Wie sieht die Position der Konsumentenschutzministerin zu dieser konkreten Frage, also dem dritten Forderungspunkt des Gentechnik-Volksbegehrens, im Detail aus?

Entscheidend in allen diesen Punkten – und das ist im gesamten umweltpolitischen Bereich einer unserer grundsätzlichen Kritikpunkte an der Bundesregierung – ist auch in diesem Themenbereich die Frage: Wie engagiert verhält sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene? Welche "Vorreiterrollen" – unter Anführungszeichen – werden tatsächlich realisiert?


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Vorreiterrollen wurden der Bevölkerung vor der Volksabstimmung über den EU-Beitritt versprochen. Nun stellt sich doch die Frage: Wie wird dies realisiert?

In umweltpolitischen Bereichen sehen wir bislang sehr wenig von einer österreichischen Vorreiterrolle. In vielen Bereichen, wie zum Beispiel im Umweltbereich, ist Österreich sogar ein "Nachreiter". Auch in der Frage Gentechnik fehlt uns eine engagierte, gemeinsame, offensive österreichische Regierungslinie, um auf EU-Ebene noch viel stärker als bisher Allianzen zu schmieden.

Solche Allianzen wären durchaus machbar! Es gibt zum Beispiel grüne Umweltminister in Frankreich, Italien und Finnland, die sich als gute, verläßliche und engagierte Partner auf europäischer Ebene förmlich anbieten. Und es wäre wichtig, daß Österreich diese Chance zu Allianzen nützt, um auf europäischer Ebene tatsächlich eine positive Wende in Richtung Umwelt- und Konsumentenschutz einzuleiten.

Zum Punkt Gen-Mais als solchem scheint mir eines besonders drastisch zu sein – und die Verdrossenheit von immer weiteren Bevölkerungsteilen in Sachen Europäischer Union wird in dieser Frage auf den Punkt gebracht –: Wenn sich die EU-Kommission, obwohl sich auf europäischer Ebene 14 Länder entschieden gegen Gen-Mais aussprechen, und sich nur ein einziges Land, nämlich Frankreich, positiv dazu geäußert hat, trotzdem für Gen-Mais entscheidet, dann ist ein drastisches Versagen der Demokratie auf EU-Ebene zu diagnostizieren! Man merkt in dieser Frage extrem, wie groß das demokratiepolitische Defizit auf EU-Ebene nach wie vor ist und wie notwendig es ist, daß die Bedeutung, die Mitbestimmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten des Europaparlaments aufgewertet werden.

Insgesamt ist es notwendig, sinnvoll und wichtig, nun, zirka ein halbes Jahr nach dem Volksbegehren, nach diesem Auftrag von 1,2 Millionen Menschen, der Informationspflicht nachzukommen. Ich begrüße deshalb noch einmal die heutige Dringliche Anfrage. Es ist aber meiner Meinung nach ebenso dringlich, den vielen schönen Worten, die auf Regierungsebene zu hören sind, konkrete Taten in den drei Schlüsselbereichen "kein Essen aus dem Gentechnik-Labor", "kein Patent auf Leben" und "keine Freisetzung in Österreich" folgen zu lassen.

Dies sind die entscheidenden Punkte, und ich erwarte mir heute von der Konsumentenschutzministerin konkrete Antworten auf diese Fragen, damit das Informationsbedürfnis befriedigt und der angekündigten Informationspflicht tatsächlich nachgekommen wird. (Beifall bei den Grünen.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. Ich erteile es ihr.

16.05

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gab eine Reihe zusätzlicher Fragen an mich; aus diesem Grund habe ich mich nun gleich vorweg noch einmal gemeldet.

Zur Klarstellung: Es ist auch mir als Ministerin bekannt, daß es, wenn man sich auf europäischer Ebene durchsetzen will, nicht nur darum geht, Briefe zu schreiben, sondern daß es natürlich auch persönlicher Kontakte bedarf. Ich wußte nur nicht, daß ich bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage auch mein Terminbuch offenlegen hätte sollen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Motter und Dr. Gredler. )

Es ist heute nicht nur einmal, sondern mehrfach die konkrete Frage gekommen, ob etwas bei der Kennzeichnung weitergeht. Das ist wesentlich und wichtig! Die Frage ist, was ist in der Zwischenzeit in Österreich von meiner Seite her dazu geschehen? – Es gibt bereits ein abgeschlossenes Begutachtungsverfahren über die Kennzeichnungsverordnung aufgrund des neuen Anhanges der EU-Freisetzungsrichtlinie. Derzeit arbeiten die Beamten unseres Hauses intensiv daran, die Ergebnisse dieses Begutachtungsverfahrens zu beurteilen und, soweit das möglich oder notwendig ist, einzubauen.


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Die Zusatzstoffkennzeichnungsverordnung zur Ergänzung der Novel-Food-Verordnung befindet sich noch in Begutachtung und wird demnächst abgeschlossen sein. Auch das wird besonders interessant und wesentlich sein, da wir in Österreich die Position vertreten, daß wir uns sehr wohl in einem gesetzlichen europäischen Rahmen befinden, wenn die Zusatzstoffe gesondert gekennzeichnet werden. Diese Verordnung ist derzeit in Begutachtung.

Die Positivkennzeichnung klingt sehr gut. Ich weiß, daß sich die Europäische Kommission in der Zwischenzeit auch sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Ich selbst habe mehrfach diesbezüglich Gespräche in Brüssel geführt. – Für uns in Österreich ist es wichtig, daß wir diese Gentechnikfreiheit klar definieren, denn mit der Überschrift allein wird es nicht funktionieren. Aus diesem Grund habe ich die Kodex-Unterkommission "Neuartige Lebensmittel" ersucht, sich damit zu beschäftigen. Sie tut das in der Zwischenzeit mit großer Intensität, und wir erwarten auch dazu schon bald eine Definition, wann ein Lebensmittel "gentechnikfrei" ist. Denn das ist für eine Positivkennzeichnung die wesentliche Notwendigkeit.

Ich möchte die Frage, ob wir uns klagen lassen oder aktiv klagen sollen, noch einmal anschneiden, einfach nur, um nicht mißverstanden zu werden. Wenn wir den aktiven Weg gehen und auf europäischer Ebene nicht recht bekämen, bedeutet das noch immer nicht, daß wir deswegen unsere Verordnung außer Kraft setzen müssen, da die Kommission erst dann – sollte sie das nicht während unseres ersten Schrittes vorweg schon getan haben – den Rechtsweg betreffend Vertragsverletzung beim Europäischen Gerichtshof beschreiten müßte.

Insofern haben wir meiner Ansicht nach die einmalige Möglichkeit, zwischen beiden Schritten zu wählen, uns beide Wege offen zu lassen, und das ist wohl das Vernünftigste auf Basis der Informationen, die ich derzeit habe. Die Rechtsmaterie ist sicher keine einfache, und ich möchte mich von dieser Stelle aus noch einmal bei den Verfassungsjuristinnen und -juristen sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Völkerrechtsbüros herzlich dafür bedanken, daß sie sich so intensiv einbringen – und das im Rahmen ihrer bürokratischen Aufgaben, ohne zusätzliche Rechtsanwaltskosten zu verursachen. Wie gesagt, aus diesem Grund ist auch die aktive Klage nicht teurer als das Porto nach Brüssel. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Zur Haftungsfrage ganz generell: Sie wissen, daß im Justizministerium intensiv an einem Gentechnik-Haftungsgesetz gearbeitet wird, und wir werden ganz sicher noch heuer Ergebnisse beziehungsweise einen ersten Entwurf erhalten.

Herr Abgeordneter Anschober hat die Frage nach einer konsequenten österreichischen Haltung, Stichwort "Nelken und Kartoffeln", angeschnitten. – Was ist eine konsequente österreichische Haltung? Das zu definieren und zu diskutieren ist meiner Meinung nach ebenso notwendig.

Derzeit arbeiten die Experten an den Unterlagen, die wir bekommen haben. "Konsequent" kann nicht heißen, negative Botschaften ohne Argumente Richtung Brüssel zu vermitteln! Wir benötigen auch immer Handlungsanleitungen, diese waren auch für die Entscheidung in den Fragen "Mais" und "Raps" notwendig. – Derzeit arbeiten die Experten an den Zulassungsverfahren für Nelken und Kartoffeln, aber ich möchte gleich betonen, daß weder die Nelken noch die Kartoffeln als Lebensmittel geplant sind, weswegen natürlich auch die Fragen wesentlich komplizierter zu beantworten sind.

Zum Lebensmittelgesetz und der Frage nach dem "österreichische Weg": Ich habe zwei Studien in Auftrag gegeben – eine davon wird wahrscheinlich noch im Oktober, die andere im Laufe dieses Jahres fertig –, beide zur Fragestellung, wie groß der Spielraum Österreichs im Rahmen des Gentechnik-, des Lebensmittelgesetzes sowie des Lebensmittelrechts ist, da ich einmal Klarheit darüber haben wollte, welche rechtlichen Möglichkeiten es für Österreich tatsächlich gibt. Ich werde Ihnen diese Studien, sobald sie abgeschlossen sind, natürlich gerne zur Verfügung stellen.

Was das Moratorium von fünf Jahren betrifft, habe ich sehr intensive und, wie ich glaube, notwendige Gespräche mit der Wirtschaft aufgenommen. Ich habe während des Sommers zu Gesprächen am "Runden Tisch" eingeladen, an denen Vertreter der Wissenschaft und der


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jeweiligen Wirtschaftsunternehmen teilgenommen haben. Es waren intensive und sehr aufwendige Gespräche, aber ich denke, sie waren notwendig. Ich meine, daß die österreichische Wirtschaft sehr wohl versteht beziehungsweise verstanden hat, worum es uns in dieser Politik, die wir in dieser Frage beschritten haben, geht.

Das alles und vieles mehr ist seit dem Gentechnik-Volksbegehren geschehen. Deshalb haben wir als Mitglieder der Bundesregierung meiner Ansicht nach sehr wohl den Beweis erbracht, daß wir jene 1,2 Millionen Menschen, die das Volksbegehren unterschrieben haben, sehr ernst nehmen, sehr sorgfältig mit unseren Entscheidungen umgehen und dementsprechend auch nicht nur den eigenen, österreichischen Horizont sehen, sondern immer auch den europäischen berücksichtigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Annemarie Reitsamer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. (Im Saal läutet ein Handy. – Abg. Dr. Khol: Hier geht ein Telefon, Herr Präsident!) Handies sind im Sitzungssaal bitte nicht zu verwenden!

Frau Abgeordnete, bitte.

16.13

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die heutige Dringliche Anfrage beschäftigt sich mit einer bestimmten Maissorte, für die ein Importverbot erlassen wurde, das nun ziemlich heiß umkämpft wird, nämlich BT-Mais der Firma Novartis, Ciba-Geigy.

Es handelt sich dabei um Mais, in welchem aus technischen Gründen zusätzlich zu gewünschten Genen wie Herbizid-Resistenz Marker-Gene eingebaut sind, die Antibiotika-Resistenzen bewirken können. Diese Maissorte – ein entsprechendes Importverbot wurde noch von der Vorgängerin der Frau Bundesministerin in einer Verordnung erlassen – hat das Resistenz-Gen gegen Ampicillin, ein Antibiotikum, welches man sehr häufig in der Humanmedizin verwendet, eingebaut. Das ist jedoch genau der Punkt, in dem große Gefahren zu befürchten sind. Dieses Gen könnte nämlich auf die Mikroorganismen des Darmes übertragen werden. Bei gleichzeitigem Antibiotika-Druck durch eine etwaige Antibiotika-Behandlung kann es dadurch zur Resistenzbildung kommen. – Soweit zu den Inhalten.

In Amerika ist diese Maissorte schon sehr lange bekannt. Es werden nun – man höre und staune! – aus den USA Meldungen und Gutachten bekannt, wonach bereits einige Probleme mit dieser Maissorte festgestellt wurden. Diese Gutachten mit neuen Erkenntnissen wurden jedoch von der EU samt und sonders negiert. BT-Mais ist eigentlich ein alter Hut, ein Ladenhüter, der "Dinosaurier" der Gentechnik, wie man sagt. Wir wissen, daß auf Antibiotika als Marker bereits verzichtet werden kann, es gibt modernere Produkte. Die Zulassung von BT-Mais könnte die Mindestsicherheitsstandards für künftige Produkte herabsetzen. Deshalb ist besondere Vorsicht geboten.

Von kritiklosen Befürwortern der Gentechnik werden die USA immer als "Traumland" bezeichnet, aber ein begleitendes Monitoring, das es zum Beispiel in den USA gibt, kennt die Europäische Union bis dato nicht. Neuerdings gibt es in den Vereinigten Staaten Probleme mit gentechnisch erzeugter Milch: Es wird von einem erhöhten Krebsrisiko gemunkelt. 94 Prozent der Bevölkerung fordern bereits die Kennzeichnung. Sogar fortschrittsgläubige Länder setzen auf Prüfung und Einzelmaßnahmen. Kanada, Australien und Neuseeland haben bereits ein Importverbot für diese Milch erlassen, und Japan – nicht gerade als technologiefeindlich bekannt – setzt auf den freiwilligen Verzicht, derartig Bedenkliches zu erzeugen.

Meine Damen und Herren! Das ist meiner Ansicht nach ein Beweis dafür, daß die Maßnahmen der Frau Bundesministerin, Konzerne an den Besprechungstisch zu bringen und auf den freiwilligen Verzicht auf Freisetzungsanträge und Importe zu setzen, durchaus richtig und sinnvoll sind. Schritte zur Aufrechterhaltung des Importverbotes wurden von der Frau Bundesministerin bereits ausführlich geschildert und sind durchaus positiv zu bewerten; ich brauche daher nicht näher darauf einzugehen.


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Die österreichische Politik ist in hohem Maße gefordert. Der maßvolle Umgang mit der Gentechnik ist gefragt. Wir haben es hier mit einer extrem großen Bandbreite zu tun. Ich denke dabei etwa an Gesundheitsfragen wie Insulin, Impfstoffe, pränatale Diagnostik et cetera. Gentechnik an sich kann weder positiv noch negativ beurteilt werden. Jede Anwendung – ich würde sogar behaupten: jeder Einzelfall – ist für sich gewissenhaft zu prüfen. – So viel zur konsequenten Haltung, die immer wieder verlangt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde bereits erwähnt, daß sich am 30. September der Sonderausschuß, der sich mit dem Gentechnik-Volksbegehren auseinandersetzt, konstituieren wird. Wir haben dabei eine sehr große Verantwortung. Die drei hauptsächlichen Forderungen wurden vom Kollegen Anschober bereits erwähnt. Zwei davon, würde ich sagen, sind so nicht erfüllbar. Was das Patent auf Leben anlangt, wird sich der Hauptausschuß noch mit der Patentrichtlinie auseinanderzusetzen haben. Wir werden dem zuständigen Minister mitteilen, was er in der EU in unserem Sinne letztlich zu vertreten hat.

Meine Damen und Herren! Ich kann es mir nicht ganz verkneifen: Ich habe gestern abend – was ich, wie ich gerne zugebe, selten und nur, wenn ich keinen anderen Lesestoff habe, tue – die "Kronen Zeitung" zur Hand genommen. (Abg. Mag. Peter: Na geh! Der Herr Staberl ist ja ganz nett!)

Herr Staberl war "entzückend", gerade gestern, Herr Kollege Peter! – Erinnern Sie sich noch, wie vor dem Gentechnik-Volksbegehren für alle Forderungen und ein lückenloses Verbot Stimmung gemacht wurde? – Gestern erzählt Herr Staberl ganz nett vom "tapferen Schneiderlein", leitet dann über – ich zitiere wörtlich – auf die "tapfere Schneiderin Barbara", schimpft darauf, daß sie eine Klagsabsicht kundtut, und sagt, sie sollte doch bitte etwas mehr auf Kennzeichnung setzen. – Ich habe geglaubt, mich tritt ein Pferd, das muß ich Ihnen ehrlich sagen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Meine Damen und Herren! Kritiklose Fortschrittsgläubigkeit ist ebenso falsch, wie alles verhindern zu wollen. Hätten wir in der Vergangenheit alles verhindert, müßten wir wohl noch mit Pferdekutschen fahren und hätten weder Eisenbahn noch Auto.

Es wird aber immer wieder eine Palette von Widersprüchlichkeiten aufgezeigt. Ich möchte auf die Widersprüchlichkeiten eingehen, die gestern auf der Wissenschaftsseite der "Salzburger Nachrichten" – drei Artikel auf einer Seite! – zu lesen waren.

Einer der Artikel lautete: Ablehnung der Gentechnik, Wissenschafter warnen vor teuren Folgen. – Der nächste Artikel: Fortschritte im Kampf gegen Krebs, Gentherapie gewinnt an Boden, Vorsorgeuntersuchungen unumgänglich notwendig. – Der dritte Artikel – und da sind wir eigentlich wieder bei dem Anwendungsgebiet im Lebensmittelbereich –: Fettere Milch mit Gensoja, Ursache unklar, Versuch der US-Firma Monsanto. – Das, meine Damen und Herren, beweist das ganze Dilemma und bestätigt die Richtigkeit von Entscheidungen in jedem Einzelfall: BT-Mais, Suchen von Verbündeten in anderen Ländern.

Die Frau Bundesministerin hat sowohl auf das Moratorium als auch darauf hingewiesen, daß man sich eventuell klagen lassen würde oder daß sie klagen würde. Aber sie hat – aufbauend auf der soliden Basis der Arbeit ihrer Vorgängerinnen – auch andere Schritte gesetzt und einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der neun Punkte umfaßt.

Wenn Frau Kollegin Rauch-Kallat heute der Frau Bundesministerin zu erklären versuchte, was sie nicht alles zu tun hätte, dann, muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen, möchte ich daran erinnern, wie lange wir, als die nationale Kennzeichnungsverordnung erlassen hätte werden sollen, auf die Unterschriften der ÖVP-Regierungspartner warten mußten. Bis heute sind sie teilweise noch ausständig. (Ruf bei der SPÖ: So ist es! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Den Beweis dafür, daß wir jene 1,2 Millionen Menschen – das sind immerhin 21 Prozent der Wahlberechtigten Österreichs –, die dieses Volksbegehren unterzeichnet haben, ernst genommen haben, haben wir hinlänglich erbracht; wir werden weiterhin auf sachlich fundierte Arbeit im Sonderausschuß setzen. Ich meine, das ist eine gute, ja die beste Voraussetzung. Aber wenn


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Herr Kollege Schweitzer sagt, die Frau Bundesministerin hätte ihm bei Kaffee und Kipferl erzählen können, was sie vorhabe, dann muß ich schon sagen: Die "F" strapaziert immer den Souverän, das Volk. Wenn es aber um Informationspflicht für die Bevölkerung geht, dann soll das in einem Vier-Augen-Gespräch bei Kaffee und Kipferl geschehen. – Bilden Sie sich bitte selbst ein Urteil, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

16.23

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir den ersten Absatz der Dringlichen Anfrage, also ihren Vorspann, vor Augen führe, in dem ausgeführt wird, daß die Biotechnologie und Gentechnik "zukunftsweisende Technologien" sind, die "sowohl in wirtschaftlicher als auch in technischer Hinsicht enorme Möglichkeiten" in sich bergen und die Biotechnologie wie ihr Spezialgebiet Gentechnik "Schlüsseltechnologien für die Zukunft" sind und gemeinsam mit der Telekommunikations-Technologie die "Wirtschaft und die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts prägen" werden, dann muß ich sagen, ich unterschreibe das.

Nur: Wenn ich mir auf der einen Seite die Bedeutung vor Augen führe, die diese Technologie nach dieser Einschätzung vor allem in Zukunft noch erlangen wird, wenn ich mir auf der anderen Seite aber die Angst vor Augen führe, die im Augenblick nicht nur latent, sondern tatsächlich stark in der Bevölkerung vorhanden ist, die Unkenntnis zu diesem Thema vielerorts und auch die Reaktionen, die daraus resultieren sowie die öffentliche Diskussion, dann komme ich nicht umhin, festzustellen, daß wir diesbezüglich bereits in der Vergangenheit eine Chance vertan haben.

Wenn ich daran denke, daß diese Technologie die Gesellschaft und die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts prägen wird und weder ein Wissenschaftsminister noch die damalige Gesundheitsministerin Maßnahmen gesetzt haben, tätig geworden sind, um auch der Bevölkerung Aufklärung und Hilfestellung zu bieten, damit ihr einmal klar wird, was Gentechnik, was Biotechnologie überhaupt ist, was sie kann oder nicht kann, wo die Chancen und wo die Risken liegen, dann muß ich sagen: Das wäre zum Beispiel für einen Wissenschaftsminister die vornehmste Aufgabe gewesen – aber nicht erst heute, sondern schon vor Jahren. Das wäre wirklich schon vor Jahren angestanden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Reitsamer: Wer war vor Jahren Wissenschaftsminister? – Abg. Dr. Khol: Der Herr Scholten! Haben Sie ihn schon vergessen? – Abg. Reitsamer: Wir vergessen gar nichts, Herr Khol!) Offensichtlich haben Sie es verdrängt. (Abg. Dr. Khol: Sie haben ihn verdrängt!)

Meine Damen und Herren! Das Resultat ist einfach fatal. Angst – und die verwenden manche Leute ja gerne für populistische Aktivitäten – ist ein schlechter Ratgeber, wenn es darum geht, Sachthemen, Sachprobleme zu behandeln. Diese Verunsicherung der Bevölkerung bis in die Unternehmerschaft hinein oder bis hin zu möglichen Investoren wird nicht dadurch beseitigt, daß Leute, wie Herr Kollege Parnigoni vorhin, eine gentechnikfreie Zone für das Waldviertel propagieren. – Das Waldviertel ist heute genausowenig gentechnikfrei wie Wien oder andere Regionen. Ich denke, daß man auch im Waldviertel Brot, Bier und Käse mittels des Einsatzes von Enzymen herstellt, die diesem Bereich zuzurechnen sind. Es ist Nonsens, auf diese Art und Weise über solche Dinge zu reden.

Selbstverständlich müssen der wirtschaftlichen Nutzung dieser Technologien Grenzen gesetzt werden. Das ist überhaupt keine Frage! Es gibt ethische und gesundheitspolitische Gründe dafür. Patentierung von Leben ist zum Beispiel so eine ethische Frage, und das ist dort abzulehnen, wo es um das Lebewesen an sich geht. Aber man möge das auch nicht so undifferenziert tun, wie vorhin Kollege Anschober das Abstimmungsverhalten unserer Abgeordneten im EU-Parlament darzustellen versucht hat. Doch dazu ist an sich schon genug gesagt worden.

Die Lebensmittelproduktion ist überwiegend eine gesundheitspolitische Frage. Ich bin durchaus der Meinung, daß dieser Genmais, um den es hier im speziellen und konkreten geht, zumindest so bedenklich zu sein scheint, daß ein Verbot dieses speziellen Produktes gerechtfertigt ist und


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alle Mittel ausgeschöpft werden sollten und müssen, dies auch wirklich durchzusetzen; so schwierig es in der Praxis auch im Augenblick scheinen mag.

Dies aber zu einer grundsätzlichen und generellen Position zu machen, wäre meiner Meinung nach unzulässig und eine übertriebene Interpretation. Man muß sich da sicher die Einzelfälle anschauen. Wir setzen grundsätzlich doch viel eher in liberaler Weise auf den mündigen Bürger, der durch eine vernünftige Kennzeichnung in die Lage versetzt wird, selbst zu entscheiden, ob er letzten Endes zu diesen Produkten greift oder nicht.

Frau Bundesministerin! Ich meine, es wäre wirklich notwendig gewesen – das betrifft vielleicht nicht einmal unbedingt Sie –, Dinge wie Kennzeichnungen und so weiter frühzeitig in Angriff zu nehmen. Man sollte sich da nicht auf den Wirtschaftsminister ausreden, der im Sinne einer EU-konformen Regelung nach einer Lösung für diese Kennzeichnungsverordnung gesucht hat, die aber schon viel früher fällig gewesen wäre – oder auf das Moratorium, das irgendwann im Sommer mit einem ersten Gespräch in Angriff genommen wurde.

Der Aktionismus im Zuge dieser Genmais-Diskussion, den Sie jetzt entwickeln, kann das nicht kompensieren. Er kann nicht zudecken, daß meines Erachtens vorher zu spät oder überhaupt nicht reagiert wurde.

Abschließend: Ich meine, daß die Aktivitäten, die Ihrerseits und vor allem vorher – was ich in bezug auf den Wissenschaftsminister angesprochen habe – auch in bezug auf Information gesetzt wurden, der Gesamtbedeutung dieser Technologie leider nicht gerecht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pumberger. – Bitte.

16.29

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gradwohl hat diese Dringliche Anfrage damit begründet, daß es der SPÖ darum gehe, ihrer Informationspflicht nachzukommen. – Man sieht ja anhand Ihrer Präsenz hier, wie geradezu "begierig" Sie auf das Wissen sind, das Sie jetzt von der Frau Bundesministerin erhalten sollen. Sie von der SPÖ sind ja alle "vollzählig" anwesend. (Abg. Gradwohl: Und wo ist Ihr Kollege Schweitzer?) Aber das kann es dann doch nicht gewesen sein, denn: Die Aussagen der Frau Bundesministerin haben nicht so viel Neues beinhaltet. Man hat sich vielleicht mehr erwartet. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Wir befinden uns ja rein zufällig 16 Tage vor der Landtagswahl in Oberösterreich; und Frau Bundesministerin Prammer muß wohl einem etwas angeschlagenen Landesparteiobmann, dessen Stellvertreterin sie – die das Volksbegehren gar nicht unterschrieben hat, wie ich gehört habe – ist, ein bißchen Rückenwind verschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und sie glaubt, meine Damen und Herren, daß sie mit einer Gentechnik-Debatte Gewinne für die oberösterreichische SPÖ erzielen kann. – Ich sage Ihnen dazu eines: Dazu ist mir das Anliegen einer überwältigenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung wirklich zu schade! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was Sie nämlich heute bei Ihrer Information geboten haben, Frau Bundesministerin, war die Ankündigung, einige weitere Briefchen zu schreiben – einen an die Kommission und einige an eventuelle potentielle Importeure von gentechnisch veränderten Lebensmitteln –, also wiederum nur die Ankündigung, Briefe zu schreiben, und sonst gar nichts.

Sie haben die Frage des heutigen Tages in den Raum gestellt: Klagen oder klagen lassen – das ist hier die Frage. – Frau Bundesministerin! Sie werden mit beiden Aktivitäten, wenn Sie klagen oder wenn Sie sich klagen lassen, keinen dauerhaften Erfolg im Sinne einer Aufrechterhaltung des Importverbotes erzielen; denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns Genmais in Österreich aufgezwungen werden wird. Wir können uns schon heute nicht mehr dagegen wehren. (Abg. Schwemlein: Die Methoden sehen nicht vor, daß Sie mit Ihren Panzern fahren!)


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Viel wichtiger wäre es gewesen, Frau Bundesministerin, wenn Sie die Leute nicht hinters Licht geführt hätten, sondern sie schon vor dem EU-Beitritt über die volle Wahrheit informiert hätten, daß nämlich die hohen Umweltstandards in Österreich, die hohen Qualitätsstandards der österreichischen Lebensmittel nach einem EU-Beitritt aufgrund des Gemeinschaftsrechtes nicht aufrechtzuerhalten sind. (Abg. Schwemlein: Sie haben das eh mit dem Joghurt gemacht!) Dann hätten die Leute gedacht: Aha!, und es hätten vielleicht weniger bei der Volksabstimmung mit Ja unterschrieben, aber sie hätten gewußt, daß, wenn ein Gentechnik-Volksbegehren käme, es chancenlos wäre und sie gar nicht zu unterschreiben bräuchten, weil sowieso das Gensoja, der Genmais und alles mögliche nach Österreich kommen und auch nicht gekennzeichnet werden wird. Dagegen hat sich schon der Herr Kommissar Fischler ausgesprochen.

Da jammert nun die künftige Obfrau des Gentechnik-Ausschusses – sie ist gar nicht mehr da; sie ist nach ihrer kurzen Rede wieder gegangen –, daß man mündige Konsumenten braucht. Was wir brauchen, ist eine Information betreffend eine umfassende Kennzeichnung, meinte sie. – Bei der Ablehnung, die uns jetzt hinsichtlich Import von Genmais ins Haus gestellt wurde, hätte sich wenigstens Kommissar Fischler dafür einsetzen können, daß die Kennzeichnung endlich durchgesetzt beziehungsweise aufrechterhalten wird. Aber nicht einmal das hat er gesagt.

Die Frau Ministerin beklagt sich mit Recht, daß er sie im Stich gelassen hat; sie hat keine Unterstützung durch Kommissar Fischler erhalten. Und dann kommt die aus derselben Fraktion stammende Abgeordnete Rauch-Kallat, die künftige Obfrau des am 30. September dieses Jahres neu zu konstituierenden Gentechnik-Ausschusses, und jammert, daß die umfassende Kennzeichnung kommen soll. – Da weiß die Rechte nicht, was die Linke will, und Sie fallen der eigenen Fraktion in den Rücken und jammern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gäbe dazu noch sehr viel zu sagen, nur abschließend: In Zukunft müssen wir darauf achten, daß die vorbeugende und begleitende Forschung genau so hoch dotiert wird, wie jene Mittel sind, die für gentechnische Forschungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Kollegen betreffend vorbeugende und begleitende Forschung zur Abschätzung und Bewertung von Risken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen

Der Nationalrat möge beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß für von gentechnologischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen unabhängige Forschungseinrichtungen, die der vorbeugenden und begleitenden Forschung zur Abschätzung und Bewertung möglicher Risken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen dienen, mindestens in dem Umfang Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, wie sie gentechnologischen Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehen.

*****

Ich bitte Sie, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen, meine sehr verehrten Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte sehr.

16.35

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Man muß sich einmal überlegen, was da dahintersteckt. In Wahrheit reden wir über den Weltmarkt für biotechnologische Produkte, der von Experten für das Jahr 2000 auf eine Dimension von etwa 100 Milliarden Ecu geschätzt wird.

Bei 100 Milliarden Ecu gibt es massivste wirtschaftliche Interessen. Es wurde ausgerechnet, daß die USA ungefähr die Hälfte dieses Marktes abdecken. Nun beginnt die Aktion zu laufen: Wie können die USA diesen Markt für sich in Anspruch nehmen? Was können sie tun? – Sie drohen mit einer Klage der WTO, daß sie durch protektionistische Maßnahmen, die möglicherweise innerhalb der EU von manchen Ländern gesetzt werden, in ihrer Marktausdehnung beschränkt werden.

Meine Damen und Herren! Da muß man ansetzen. Innerhalb Europas kann die Europäische Kommission nur darüber wachen, daß die WTO-Kriterien und die WTO-Verhandlungen, die geführt werden, von beiden Seiten beachtet werden, nämlich von seiten unserer Kontrahenten, den USA, und von seiten Europas. In diesem Punkt gibt es überhaupt keinen Ansatz in der Bundesregierung. Weder der Wirtschaftsminister noch der Außenminister sagen: Wir bringen das einmal zur Sprache. Wer ist die WTO? Gibt es dort demokratische Kontrollen? – Nein, die gibt es nicht. Das ist ein Organ, das sich verselbständigt, und daher haben wir mit diesen Konsequenzen zu rechnen. Die Konsequenzen sind im Falle der Gentechnologie besonders deutlich geworden.

Ich meine, da müßte man einmal primär ansetzen. Es wäre wirklich eine Aufgabe, mit den 14 anderen Ländern gemeinsam vorzugehen, um einfach die Spielregeln neu zu definieren.

Wie wäre es denn, wenn wir versuchten, die Beitrittskandidaten zur EU, die in unserer Nachbarschaft liegen, zu motivieren, uns zu drohen, eine Klage einzureichen, weil wir ihr Staatsgebiet mit Gentechnologie, mit freigesetzten gentechnologischen Produkten gefährden? Das wären neue Ansätze, wenn man plötzlich hören würde, daß Slowenien, Ungarn oder Polen aufstehen und sagen: Wir wollen diese Produkte nicht an unserer Grenze haben, weil sie auch unser Gebiet gefährden; und bitte, EU, werde aktiv! – Vielleicht könnte man sich dieses Problem einmal von der Warte aus anschauen, daß man von außerhalb Druck ausübt, um innerhalb etwas zu bewirken. Das wären neue Wege.

Frau Bundesministerin! Ich würde Sie bitten, das zu prüfen beziehungsweise vielleicht einmal den Anstoß zu geben, mit dem Herrn Außenminister in dieser Richtung einmal aktiv zu werden. Es nützt nämlich nichts, wenn Frau Kollegin Rauch-Kallat sagt: Sie schreiben Briefe. – Ich muß sagen, ich habe in dieser Situation nicht verstanden, wer hier mit wem Koalition macht. Es handelte sich dabei um eine Unterstellung der Unfähigkeit der Frau Bundesministerin. Ich empfand das als einen massiven Angriff von seiten der ÖVP.

Was ich in diesem Zusammenhang gar nicht verstanden habe, war, daß am Ende der Rede manche Leute Ihrer Fraktion sogar noch applaudiert haben. Ich hätte in diesem Fall Frau Rauch-Kallat nicht zu einem Angriff, der so unqualifiziert war, applaudiert. Dem muß man sich wirklich nicht anschließen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwemlein: Richtig! Das war unqualifiziert!)

Ich möchte vorlesen, worum es dabei eigentlich geht. In der Richtlinie 90/220 steht folgendes: "... wodurch andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden können. Auswirkungen solcher Freisetzungen können unumkehrbar sein." – Das steht ganz am Anfang. – Und weiters: " ... eine gebührende Kontrolle der Risken infolge der beabsichtigten Freisetzung der GVOs".

Und weiters heißt es: "Maßnahmen zur Angleichung der Vorschriften der Mitgliedstaaten, deren Ziel in der Verwirklichung des Binnenmarktes liegt, sollten in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau in der gesamten Gemeinschaft ausgehen. Es ist notwendig, die gefahrlose Entwicklung von Produkten zu gewährleisten, in denen GVOs angewendet werden." – Zitatende.


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Ich muß sagen, bei dieser Einleitung haben wir eigentlich alle Möglichkeiten in der Hand, Verbündete zu finden. Wenn wir 13 bis 14 Verbündete innerhalb der EU hätten, dann wäre, wie ich meine, der Aktionsradius groß genug.

Was ich nicht genau beurteilen kann, weil mir die Kompetenz in Verfassungsfragen fehlt, ist, warum die Klage einen Vorteil für uns brächte. Soweit ich informiert bin – ich entnehme der APA vom 12. September, daß damit nicht Zeit gewonnen wird, sondern das Gegenteil der Fall ist –, hätten wir eigentlich einen Nachteil, wenn wir selbst die Klage einreichen würden.

Sie haben das anders dargestellt. Frau Bundesministerin! Ich sehe ein, daß Sie jetzt andere Dinge zu tun haben, aber es wäre trotzdem ganz gut, ab und zu zuzuhören. Ich glaube, daß man sich das sehr wohl überlegen sollte. Ich glaube, den Prozeß abzuwarten, bis man geklagt wird, und die Kommission zu zwingen, zu reagieren, ist vielleicht der weisere Weg, mit dem man mehr Solidarität unter den Ländern und Sympathisanten erwirkt.

Es nützt nichts, wenn sich nur Italien und Luxemburg in der Opposition zur Freisetzung von Gentechnologie zu uns gesellen, sondern man muß auch die Sympathisanten wie Dänemark und Deutschland – auch Frankreich hat etwas in der Art erkennen lassen – motivieren, einiges in diese Richtung zu unternehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich Schweden ausklinkt. Es ist ein mehrstufiges Prinzip, wobei ich glaube, daß man auf die Klage warten und nicht selbst klagen sollte, weil wir dann die schlechteren Karten in der Hand hätten. Aber ich gebe zu, daß mir die Expertise fehlt.

Noch einmal: Wenn wir auf dem Niveau der WTO versuchen, einiges zu erreichen, dann ist das der richtige Ansatz, um andere Gefahren, die uns möglicherweise drohen, gleichzeitig ebenfalls abwehren zu können. Diesbezüglich ist bis jetzt noch nichts geschehen. Da könnten wir einmal österreichisches Profil in der Handels- und in der Außenpolitik zeigen! Ich appelliere, daß in der Richtung massive Anstrengungen gemacht werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. Er hat das Wort.

16.42

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich nicht alltäglich, daß eine Regierungspartei eine Dringliche Anfrage an die eigene Ministerin einbringt. Wir halten es allerdings für absolut notwendig, daß dieses Thema hier in diesem Haus diskutiert wird, und daher stellen wir eine Dringliche Anfrage.

Es geht letztendlich um die Glaubwürdigkeit der österreichischen Politik, nicht nur gegenüber den eigenen Wählern, sondern insbesondere auch gegenüber der Europäischen Union. Wir müssen aber auch eine Antwort auf das Volksbegehren, auf die Forderungen des Volksbegehrens geben, worüber wir in einem Sonderausschuß noch hinlänglich diskutieren werden. Heute wird sicherlich nicht genug Zeit sein, alle Aspekte der Biotechnologie und Gentechnologie zu diskutieren.

Uns geht es darum, die klare Haltung der österreichischen Bundesregierung, die unserer Meinung nach von allen Parteien getragen werden sollte, aufzuzeigen und hier zu diskutieren und damit auch die Öffentlichkeit darüber zu informieren, welchen Weg die österreichische Politik einschlägt. Es geht um die Aufrechterhaltung des Importverbotes, und es geht um die Frage, welche Rechtsmittel wir einsetzen, um dieses Importverbot aufrechtzuerhalten. Hier schließe ich mich der Meinung meiner Vorrednerin an. Es wird eine taktische Frage sein, ob man eine Aktivklage einbringt oder sich im Zuge eines Vertragsverletzungsverfahrens klagen läßt. Das werden wir in diesem Hause nicht klären, sondern das sollen die entsprechenden Verfassungsjuristen klären, die in diesem Bereich tätig sind.


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Erlauben Sie mir, daß ich ganz kurz auf die FPÖ eingehe. Kollege Schweitzer ist nicht hier, und auch Kollege Pumberger ist nicht hier, der gerade vorhin festgestellt hat, wie wenig Abgeordnete im Raum anwesend seien. Ich würde gerne mit den Kollegen Schweitzer und Pumberger diskutieren. Beide verweigern die Diskussion, genauso, wie sie sich dem Entschließungsantrag verweigert haben. (Abg. Schwemlein: Aber sie fehlen dir nicht wirklich!)

Kollege Schweitzer hat vom Mißbrauch des Interpellationsrechtes gesprochen. Ich weise das mit aller Deutlichkeit zurück. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir meinen, daß die Gelegenheit wahrzunehmen ist, diese Fragen und Themen in diesem Haus zu diskutieren und die österreichische Bevölkerung darüber zu informieren. Aber es geht noch um mehr. Es geht um die bisherigen Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung. Ich verhehle nicht – das sage ich hier ganz offen –, daß ich von einigen Wortmeldungen, auch von der ÖVP-Seite, mehr als enttäuscht bin. Ich darf daran erinnern, daß die Linie, die wir in dieser Frage einschlagen, auf einen Ministerratsbeschluß zurückgeht. Da ist die Linie festgelegt worden, und ich darf daran erinnern, welche Maßnahmen von unserer Bundesministerin Barbara Prammer bisher bereits eingeleitet wurden.

Vorweg noch einige Worte zu Kollegen Kopf, er ist leider nicht hier. Er hat von Aktionismus und von Versäumnissen gesprochen. Er hat dann gemeint, der Wissenschaftsminister wäre zuständig gewesen. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, daß es zu der damaligen Zeit einen Wissenschaftsminister namens Busek gegeben hat. (Abg. Schwemlein: Wer war Busek?) Ich frage mich auch, welche Maßnahmen seitens des Wirtschaftsministers in den letzten Jahren eingeleitet wurden. Da gab es einen Informationsbedarf, und diesem Informationsbedarf wurde in keiner Weise entsprochen.

Auf der anderen Seite darf ich zum Bereich Gesundheit, da ich selbst im Konsumentenberatungsbereich tätig bin, an die Informationsmaterialien betreffend Gentechnik erinnern, die von der Vorgängerin unserer Frau Bundesministerin bereits herausgebracht wurden, und an die Gentechnikbroschüre, die vor kurzem wieder neu aufgelegt wurde. Ich meine daher, wir sollten gemeinsam kämpfen – gemeinsam für mehr Information – und uns gemeinsam an eine bestimmte Linie halten, damit wir in der Öffentlichkeit nicht unglaubwürdig werden.

Unsere Frau Bundesministerin, so der Vorwurf, hätte nur Briefe geschrieben. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt natürlich auch Briefe. Es gibt auch ein Memorandum, unterschrieben vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, in dem die österreichischen Bedenken betreffend Aufhebung der österreichischen Maßnahmen gemäß Artikel 16 der Richtlinie 90/220/EWG in bezug auf den gentechnisch veränderten Mais der Firmen Ciba-Geigy und Novartis noch einmal klar festgelegt wurden.

Ich darf aber auch an die diversen Verordnungsentwürfe erinnern, die anscheinend diesem Hause nicht bekannt sind, die aber in der Öffentlichkeit bereits diskutiert werden. Da gibt es – besonders aktuell – den Verordnungsentwurf, mit dem die Anhörungsverordnung geändert werden soll. Damit wird zum ersten Mal ein Rechtsanspruch für betroffene Personenkreise festgelegt und darüber hinaus auch noch verfügt, daß die Informationsunterlagen, sofern es Freisetzungen betrifft, bei den Behörden in allen Ländern verpflichtend aufgelegt werden müssen.

Ich darf an die Zusatzstoffkennzeichnungsverordnung erinnern und erinnere an die Diskussion in diesem Hause, die auch von den Freiheitlichen als solche geführt wurde, in der verlangt wurde, daß gentechnisch veränderte Organismen, aber auch Zutaten und Zusatzstoffe gekennzeichnet werden müssen. – Kollege Pumberger! Ich habe von Ihnen dazu überhaupt nichts gehört. Ich habe nur gehört, die Frau Bundesministerin schreibe nur Briefe. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß mehr passiert und daß bereits zahlreiche Verordnungen in Begutachtung sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt darüber hinaus eine Reihe von Maßnahmen, die noch geplant ist. Die meisten dieser Maßnahmen werden wir im Rahmen des Sonderausschusses diskutieren. Ich möchte noch


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ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Barmüller eingehen. Ich gebe ihm absolut recht. Die Frage der Haftung wird eine der wesentlichen Fragen sein. Wir werden uns zu entscheiden haben, ob wir dies in einem Gentechnikhaftungsgesetz oder in einem umfassenden Umwelthaftungsgesetz regeln werden. Die Zustimmung der Koalitionsparteien zu einer derartigen Regelung ist sicher.

Frau Bundesministerin! Ich bedanke mich bei Ihnen auch für Ihre Anfragebeantwortung, in der Sie klargelegt haben, daß auch die österreichischen Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung entsprechend ausgestattet werden. Ich bedanke mich dafür, daß nun danach getrachtet wird, daß alle Bundesanstalten in Zukunft gentechnisch veränderte Lebensmittel und Organismen überprüfen werden können und daß die Möglichkeit besteht, die Einhaltung derartiger Bestimmungen zu kontrollieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie, daß ich abschließend einen Entschließungsantrag einbringe. Es ist ein Entschließungsantrag, dem sich vier Parteien angeschlossen haben. Eine Partei hat sich selbst ausgegrenzt.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl, Maria Rauch-Kallat, Mag. Barmüller, Ing. Langthaler, Annemarie Reitsamer, Schrefel, Mag. Maier, Parnigoni und Genossen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, darauf hinzuwirken, das derzeit bestehende Importverbot für Gentechnikmais aufrechtzuerhalten und sowohl im Rahmen der nationalen Gesetzgebung als auch im Rahmen bilateraler Verhandlungen mit EU-Staaten und auf Gemeinschaftsebene die dazu erforderlichen rechtlichen Schritte und Umsetzungsmaßnahmen zu setzen."

*****

Ich darf Sie ersuchen, dieser Entschließung zuzustimmen, und bedauere, daß sich eine Fraktion davon ausgegrenzt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schrefel. Er hat das Wort.

16.51

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine geschätzten Damen und Herren! "Österreich hat seinen Kukuruz-Krieg". – Diese makabre Überschrift las ich kürzlich in einem Gastkommentar im "Kurier" zum Thema "Streit Österreichs mit Brüssel gegen Import von Genmais".

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein mutiger Schritt, das Importverbot und eine nationale Vermarktungsbeschränkung, welche die Bundesregierung als Schutzmaßnahme beschlossen hat, aufrechtzuerhalten. Denn es ist für uns als Politiker nicht zu verantworten, sowohl die wissenschaftlichen Bedenken Österreichs im Hinblick auf vorhandene Antibiotika-Resistenzen bei Mensch und Tier als auch eine rasche Resistenzbildung von Schädlingen gegen das BT-Toxin dieses Genmaises zu negieren oder nicht ausreichend zu beachten. Ich sage bewußt, dieses Genmaises, weil es vielleicht einmal ein Produkt geben kann oder auch wird, welches wissenschaftlich einwandfrei abgesichert ist. Ich finde es auch richtig, daß man sich in diesem Falle gegen die Brüsseler EU-Eurokraten auf die Hinterbeine stellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur das Importverbot für Genmais beschäftigt Österreich und die Konsumenten, sondern auch eine verpflichtende Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut und Futtermitteln steht noch aus. Denn jeder Landwirt soll und muß auch wissen, welches Saatgut und welche Futtermittel er einsetzt.


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Da zum Beispiel die Gentechnikfreiheit für den biologischen Landbau eine Voraussetzung ist und auch in Zukunft sein muß und der Konsument von Bioprodukten möglichst naturnahe Lebensmittel ohne Agrarchemie und Gentechnik will, sind neben der Novel-Food-Verordnung auch eine Novel-Seed- und eine Novel-Feed-Verordnung dringend notwendig.

Landwirtschaftsminister Molterer hat bereits dafür Sorge getragen, daß eine gesonderte Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Saatgutsorten in die österreichische Sortenliste eingetragen wurde. Doch als allein innerösterreichische Maßnahme würde diese keine Wirkung zeigen. In zahlreichen Dringlichen Anfragen, Vorsprachen in Brüssel und Briefen an die Kommission und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments hat Minister Molterer ständig urgiert, sich der Behandlung der Saatgutverkehrsrichtlinien umgehend anzunehmen und eine Kennzeichnung gentechnisch veränderter Sorten in dem gemeinsamen Sortenkatalog vorzunehmen.

Im Juni hat der Herr Bundesminister dem österreichischen Ministerrat einen Bericht des Rates vorgelegt, wonach die Kommission vorschlägt, diese Kennzeichnung auch vorzuschreiben. Dieser Vorschlag soll, so Molterer, voraussichtlich im Herbst dieses Jahres von der Kommission dem Rat vorgelegt werden. Ich ersuche Sie, Frau Bundesministerin Prammer, als zuständige Ressortchefin, sich dafür einzusetzen, daß ein diesbezüglicher Beschluß auch möglichst rasch im Rat gefaßt wird. Es ist also aus unserer Sicht ein besonderes Gewicht auf Gewissenhaftigkeit, objektive und transparente Zulassungsregelungen und Verfahren – für die Produktion sowie die Produkte – zu legen, wie es etwa das österreichische Gentechnikgesetz vorsieht.

Meine geschätzten Damen und Herren! Schade wäre nur, wenn durch diesen sogenannten Kukuruz-Krieg auch jenes Denkverbot für neue gentechnische Verfahren verlängert würde, das meiner Meinung nach de facto das kollektive Bewußtsein so vieler Österreicher lähmt und nach welchem Gentechnik von vornherein "pfui" ist, weil man darüber viel zu wenig weiß. Jeder, der sich ernstlich mit der Genmaterie befaßt, wird sofort als Lobbyist bezeichnet, wie es Kollege Schweitzer vorhin getan hat.

Ich weiß schon, die Gentechnik ist kein Allheilmittel. Wir stehen in Österreich als hochtechnisiertes Land aber vor einer bedeutsamen Wahl. Wir könnten weiterhin nichts als Angst haben und zuschauen, wie sich die großen Auftraggeber aus der heimischen Produktion zurückziehen, samt allen Konsequenzen für die Forschung und den Akademikermarkt. Es geht immer wieder um das gleiche Problem, nämlich, daß zwischen Vision und Realisierung ein Meer an Mühsal liegt und sich auftut, abgesehen vom Diktat der Weltmärkte auf der anderen Seite.

Ich glaube, wir haben die politische Verpflichtung und Verantwortung, einen Ausbruch aus diesem Jammertal zu versuchen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koller. Er hat das Wort.

16.56

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Über 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben im April das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben. Dies ist Auftrag und Verpflichtung, Österreich zur gentechnikfreien Zone zu machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hinter dem Wort "Gentechnik" verbirgt sich der bisher radikalste Eingriff der Menschen in die Natur. Genforscher dringen in den Zellkern der einzelnen Organismen vor, in dem alle wesentlichen Erbinformationen eines Lebewesens gespeichert sind, und verändern dieses, indem ein fremdes, oft künstliches Gen eingesetzt wird. Neuschöpfungen können binnen kürzester Zeit geschaffen werden. Das, wofür die Natur Millionen Jahre benötigt hat, wird von der Gentechnik in kürzester Zeit geschafft.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern hat diese Broschüre herausgegeben. Was steht in der Broschüre über die Gen


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technik? – Die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs hält aufgrund der bisherigen Diskussion eine gentechnikfreie Zone Österreichs für nicht realisierbar.

Weiter heißt es: Die Präsidentenkonferenz fordert daher: Die Entscheidung über den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft muß jeweils anhand konkreter gentechnischer Entwicklungen und Produkte getroffen werden. Das bedeutet eine strenge Beurteilung von Fall zu Fall, auf der Basis wissenschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Erkenntnisse und Aspekte, aber nicht eine generelle Ablehnung einer neuen züchterischen Methode.

Sehr geehrte Herren von der ÖVP, vom Bauernbund! (Abg. Donabauer: Wir haben auch Damen! Wir haben auch Damen dabei!) Herr Donabauer, Herr Schwarzenberger und Herr Schwarzböck! Sie haben sich ein Schlupfloch gesucht! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Vergessen wurden die Versprechungen, eine soziale und ökologische Vorreiterrolle in Europa einzunehmen. Wo bleibt die ökosoziale Marktwirtschaft, die Sie immer wieder preisen? – Das ist eine Verhöhnung aller, die am ÖPUL-Programm teilnehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ingenieurbüro TB-Agrartechnik aus Bad Vöslau wollte für die deutsche Firma AgrEvo, an der die Konzerne Hoechst und Schering beteiligt sind, herbizid-resistenten Mais auspflanzen, hat aber das Vorhaben verschoben. Der nächste Anlauf kommt sicher, die Gen-Lobby wird nicht aufgeben. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich befürchte, daß diese Gen-Lobby sich die Euro-Propaganda zum Vorbild nimmt. Sogenannte Experten werden gekauft, um die Bevölkerung zu überfahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen stehen der Gentechnik in der Landwirtschaft ablehnend gegenüber. Kennzeichnung allein ist zuwenig. Uns ist es ein großes Anliegen, daß in Österreich gentechnisch veränderte Lebensmittel weder produziert noch verkauft werden dürfen. Wir fordern ein gänzliches Verbot von gentechnischer Manipulation an Pflanzen und Tieren. Sie bringen weder den Bauern noch den Konsumenten etwas.

Frau Ministerin Prammer! Ihre Genossen Gradwohl, Reitsamer, Maier und Parnigoni haben Ihnen einen Maiskolben überreicht. Durch die schwammige Politik der Regierungsparteien werden Sie, wenn Sie in diesen Maiskolben hineinbeißen, nicht wissen, ob die Kukuruzkerne gentechnisch manipuliert sind oder nicht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte.

17.01

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So unbestritten und wichtig die Gentechnik im medizinischen Bereich ist, so umstritten ist sie gerade im Bereich der Lebensmittelproduktion. Während sie in der Medizin, wie etwa bei der Insulinproduktion oder bei der Herstellung lebenswichtiger Hormone und Impfstoffe, für viele kranke Menschen oftmals lebensnotwendig ist, ist sie bei der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln nicht nur umstritten, sondern oftmals – nach Meinung von Experten – auch gesundheitsschädlich.

Dabei geht es den Großkonzernen nicht um die Versorgung der Menschen mit besseren Nahrungsmitteln, sondern schlicht und einfach um Gewinnmaximierung, indem sie nämlich mittels Gentechnik die Möglichkeit schaffen, Nahrungsmittel billig und in großen Mengen industriell zu produzieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen nicht zulassen, daß womöglich die Gesundheit unserer Bevölkerung dabei aufs Spiel gesetzt wird. Offensichtlich wissen das auch die Österreicherinnen und Österreicher und lehnen daher zu 80 Prozent gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.


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85. Sitzung / Seite 122

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen bekennen uns zu einer gesunden und naturnahen Lebensmittelproduktion. Wir bekennen uns zu einer Biologisierung unserer Landwirtschaft, weil dort auch die Überlebenschancen unserer Landwirtschaft, unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft liegen.

Ich fordere Sie daher auf, Frau Bundesministerin, standhaft zu bleiben und diese profitorientierte Entwicklung im Bereich der Gentechnik auf dem Lebensmittel- und Futtermittelsektor zu unterbinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber einen Vorwurf kann ich dieser Bundesregierung doch nicht ersparen: Es ist dies die Säumigkeit, die sie auf der einen Seite im Bereich der Kennzeichnung, vor allem aber bei den Haftungsfragen seit Jahren an den Tag gelegt hat. Auch wenn Herr Kollege Maier hier versucht hat, mit Nebelkerzen von dieser Säumigkeit abzulenken, sei doch zu seiner Erinnerung darauf hingewiesen, daß wir Freiheitlichen bereits vor Jahren beim Gentechnikgesetz eine Lösung der Haftungsfragen eingefordert haben. Aber diese Bundesregierung hat es verabsäumt, da wirklich etwas zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt zu sagen, es werde ohnehin bald etwas geschehen, ist meiner Meinung nach eine billige Ausrede und kommt um Jahre zu spät.

Frau Bundesministerin! Es ist akuter Handlungsbedarf gegeben. Tun Sie daher etwas! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.05


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85. Sitzung / Seite 123

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir haben jetzt zwei Abstimmungen durchzuführen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend vorbeugende und begleitende Forschung zur Abschätzung und Bewertung von Risken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gradwohl, Rauch-Kallat, Mag. Barmüller, Ing. Langthaler und Genossen betreffend Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Erlassung und weiteren Aufrechterhaltung eines wirksamen Importverbots für Gentechnik-Mais.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen. (E 85.)

Damit ist die Debatte über die Dringliche Anfrage beendet.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über den 2. Punkt der Tagesordnung betreffend den Sportbericht 1995 wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Kröll. – Bitte.

17.07

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nach der Gentechnik kommen wir wieder zum Sport. Ich darf die unterbrochene Sitzung aufnehmen und fortführen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich bin nicht empfindlich, aber die Wiederaufnahme verfüge ich.

Abgeordneter Hermann Kröll (fortsetzend): Herr Präsident! Ich setze die Reihe der Redner zu dieser Debatte fort, und damit ist das Interesse für den Sport wiederhergestellt, meine Damen und Herren!

Churchills "No sports!", Fendrichs "Es lebe der Sport!" und die – zu Recht erfolgte – Zurechtweisung vom Präsidenten bringen uns wieder in eine positive Sportstimmung. Es liegt mit dem Sportbericht 1995 eine sehr gute Gesamtübersicht über den österreichischen Sport vor. Es wurde auch im Unterausschuß am 2. Juli 1997 eingehend darüber diskutiert, das kam auch in den Berichten aller Fraktionen, die für den Sport sehr positiv waren, zum Ausdruck. Unser Sportsprecher Karlheinz Kopf hat die Haltung der ÖVP zum Sport und zu den wesentlichen Schwerpunkten des Sports insgesamt umfassend dargelegt.

Ich möchte mir daher erlauben, zu zwei Dingen einige Worte hinzuzufügen, und zwar zum Behindertensport und zu den Großveranstaltungen generell.

Zum Behindertensport: Laut Bericht 1995 gelang es in der Generalversammlung des österreichischen Behindertensportverbandes vom 2. Juli 1995, für alle behinderten Sportler und Gruppen eine Integration, eine Zusammenarbeit zu beschließen. Das ist überaus erfreulich und gelang erst nach langen Bemühungen. Auf dieser Ebene muß weitergearbeitet werden.

Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Haidlmayr, hat schon darauf hingewiesen, daß beim Behindertensport allerdings noch sehr viele Punkte offen sind. Es ist natürlich erfreulich, wenn Blinde und Sehbehinderte, wenn Amputierte und Hörbehinderte, wenn mental Behinderte, wenn Rollstuhlfahrer und andere Behinderte nunmehr unter einem Dach national und zum Teil auch international zusammenarbeiten.

Es gilt aber einiges zu verbessern. Es ist im Bericht nachlesbar, daß die finanzielle Lage, insbesondere im Bereich der Paralympics und der Special Olympics weiter verbessert werden muß. Es ist da noch zu keinen Vollmitgliedschaften gekommen. Im Bereich der Paralympics wiederum gibt es internationale Bestrebungen, die Gemeinsamkeit zu verlassen, obwohl in Atlanta, aber auch in Toronto, wo ich bei den letzten Weltwinterspielen die Ehre hatte, die österreichische Delegation anzuführen, große Erfolge erzielt wurden. Österreich bekam die meisten Medaillen aller Länder. Daher ist es wichtig, daß da weitergearbeitet wird.

Ein Rechtsanspruch auf bundesstaatliche Mittel für die mental Behinderten in diesen Organisationen besteht auch heute noch nicht, sie finden aber stets eine offene Hand und Verständnis – Herr Staatssekretär, ich möchte das gerne konzedieren – in der Politik und auch in der Wirtschaft. Dafür, daß wir große Ereignisse durchführen können, danke ich Ihnen und all Ihren Mitarbeitern im Amt. Es kam ja in den letzten Jahren zu großen und bedeutenden Veranstaltungen.

Ich wollte nur sagen, daß wir diesen Weg fortsetzen müssen, weil wir damit eine Integration eröffnen, ein Fenster in der Gesellschaft aufmachen, das schon bisher sehr viel Verständnis für den Behindertensport gebracht hat.

Nach wie vor kommt dem Sport eine besondere Bedeutung zu – im Wettkampf, im Wettstreit, betreffend Fairneß, Toleranz, Friedensförderung, Gesundheitsförderung, in der Wirtschaft und im Bereich Tourismusförderung. Die Sportler und die Delegationen, ob Einzel- oder Mannschaftssport, sind nicht zuletzt deshalb auch Herzeigepersonen und Botschafter ihrer Länder. Diesbezüglich können wir auf unsere Österreicher sehr stolz sein – egal, ob sie im Behindertensport oder im sogenannten Nichtbehindertensport tätig sind.

Konkret möchte ich aber auch im zweiten Teil meiner Rede die ganz große Bedeutung der großen Ereignisse ansprechen, die in Österreich vor der Tür stehen. Es wurde die nordische Ski-WM 1999 in der Ramsau am Dachstein in unserer Nachbarschaft kurz angesprochen, unter


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Einbeziehung von Bischofshofen mit der Großschanze, ebenso wie die alpine Ski-WM 2001 in St. Anton am Arlberg. Das heißt, sowohl die letzte Skiweltmeisterschaft in diesem Jahrtausend als auch die erste im neuen Jahrtausend werden in Österreich stattfinden.

Wir werden uns gemeinsam mit Ungarn für die Fußballeuropameisterschaft 2004 bewerben. Das wirft auch neue Perspektiven auf. Ein besonderer Höhepunkt ist wohl – gerade am heutigen Tag ist diese Feststellung ganz passend – die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2006.

Heute, während wir hier den Sportbericht diskutieren, präsentieren sich im Haus des Sports vor dem ÖOC die österreichischen Kandidaten, in alphabetischer Reihenfolge: Kitzbühel mit Toni Sailer an der Spitze, Klagenfurt mit Kärnten mit "Senza Confini", Slowenien und Italien mit Franz Klammer an der Spitze, und die Salzburger haben irgendwo auch Amadeus Mozart dabei, vor allem aber die Sportlerin Annemarie Moser-Pröll. Das wird ein spannender Wettbewerb, ein sehr spannender Wettbewerb! (Abg. Schwarzenberger: Auch Pröll unterstützt das!)  – Ich sage jetzt ganz ehrlich dazu, ich hätte mich auch sehr darüber gefreut, wenn es möglich gewesen wäre, die steirische Kandidatur 2002 mit Graz – Schladming wäre dann der Hauptnebenort gewesen – fortzusetzen, das gelang aber nicht. Wir hatten nicht die entsprechenden Beschlüsse zur Fortsetzung. Es überwiegt aber die Freude – ich komme auf etwas anderes zurück –, daß es drei bedeutende Orte und Regionen gibt, die an unserer Stelle diese Stafette weitertragen. Es wäre schade, hätte Österreich für das Jahr 2006 keinen Kandidaten. (Beifall bei den Freiheilichen.)

Ich kann daher sehr gut mit den Verantwortlichen dieser drei Orte und Städte, mit ihren vielen Mitarbeitern, mit den Stäben, die die Kandidatur gezimmert haben, mitfühlen, hatte ich doch die Möglichkeit, für 2002 mitzuwirken und auch für die Weltmeisterschaft 1982 und für die Special Olympics 1993 die Präsentation vornehmen zu dürfen.

Nach Prüfung durch das Olympische Comité muß und wird Anfang November der österreichische Kandidat feststehen. Bis dahin liegen auch die Ergebnisse der Volksbefragung in Salzburg und in Kärnten vor. In Tirol ist die Abstimmung schon durchgeführt worden.

Mein Appell an alle Sportbegeisterten in Politik und Wirtschaft lautet daher: Wer immer jetzt als österreichischer Kandidat durch die Betrauung durch das IOC für Lausanne nominiert wird, dem müssen wir unsere ganze Kraft und Unterstützung angedeihen lassen, denn wir haben die historische Chance, daß Österreich oder die Schweiz – also wieder ein Alpenland – im Jahre 2006 die Winterspiele ausrichten kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Natürlich weiß ich ganz genau, daß der Sport laut Verfassung Landessache ist. Trotzdem muß auch der Bund – das macht er ja auch, und das hat auch der Herr Staatssekretär schon in seiner Beantwortung gesagt – den österreichischen Kandidaten entsprechend unterstützen, und zwar fair und gut unterstützen. Konzepte liegen vor, und wer die letzten Olympischen Spiele gesehen hat, wer gesehen hat, welche Einnahmen allein durch Werbeeinnahmen und Rechte – ich sage nur: TV – erzielbar sind, der kann auch davon ausgehen, daß die gesamte Wirtschaft außerordentlich davon profitieren wird.

Als steirischer, als obersteirischer Abgeordneter möchte ich am Schluß meiner Rede noch einmal auf das zurückkommen, was Hannes Zweytick und auch der freiheitliche Sprecher hier schon angesprochen haben, und zwar auf das Ereignis vom kommenden Sonntag, den Österreichring, A-1. Nach zehn Jahren gibt es wieder das große Ereignis eines Grand Prix.

Meine Damen und Herren! Es ist wirklich eine große Leistung für Österreich und insbesondere für die Steiermark, daß es Josef Krainer, Waltraud Klasnic und Gerhard Hirschmann mit Unterstützung der Freiheitlichen gelungen ist, dieses Ereignis in unser Land zu bekommen. Das ist im Land Steiermark mit Unterstützung der Freiheitlichen gelungen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Ich erkenne das an. Das bedeutet für die ganze Region eine Aufbruchstimmung, das ist eine sehr wichtige Veranstaltung für uns alle. Sie schafft Optimismus, sie gibt Events, und sie schafft


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Zuversicht. Ich hoffe sehr, meine sehr verehrten Kollegen von der SPÖ, daß Sie nach einer gewissen Zeit des Schmollens Ihre Einstellung zu dieser Großveranstaltung neu überdenken werden, denn hinsichtlich des Sports sitzen wir doch alle in einem Boot, und erfreulicherweise halten da alle zusammen. Es wäre schade, wenn Sie dem weiter fern bleiben würden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Buder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.18

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Den Sportbericht 1995 diskutieren wir nun schon einige Stunden lang. Wir alle wissen, daß Sport eine attraktive und sinnvolle Freizeitgestaltung und natürlich auch von gesellschaftspolitischer und gesundheitspolitischer Bedeutung ist, denn wir alle wollen ja – auch wenn manche "No sports!" sagen und auch sehr alt geworden sind, wie Churchill – gesund leben. Dazu gehört natürlich auch kontrolliertes körperliches Training, denn dann brauchen wir weniger Medikamente. Wir haben mehr Lebensqualität, und wir wollen natürlich bis ins hohe Alter fit sein.

Die Sportvereine bieten uns das. Sie bieten uns gesunde Initiativen. Sie bieten ein Herz-Kreislauf-Training. Sie machen Langsam-Lauf-Treffs und Gesundheitstraining für den Rücken. Der Sport beginnt ja schon bei den Kleinen im Kindergarten und setzt sich im Volksschulalter fort. Wir wissen, daß für die Kinder im Volksschulalter Bewegung einen sehr hohen Stellenwert hat; Untersuchungen zeigen, daß es 87 Prozent sind. Und da bin ich natürlich einer Meinung mit manchen meiner Vorredner, die gesagt haben, für den Schulsport müsse noch mehr getan werden. Wenn sich der Herr Staatssekretär schon mit Frau Bundesministerin Gehrer in dieser Sache ins Einvernehmen gesetzt hat, so denke ich doch, daß in Zukunft für die Kinder, für den Sport in Österreich und für den Schulsport noch mehr getan wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Österreicher – das sagt man auch – ist oft ein Sportmuffel, denn ein Viertel der österreichischen Bevölkerung betreibt nie Sport – traurig! 29 Prozent betreiben selten Sport, 28 Prozent öfter und nur 16 Prozent häufig, und am häufigsten sind die Sportarten Radfahren, Schwimmen, Wandern und Gymnastik. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal den vielen Vereinsfunktionären danken, denn ohne ihre unverzichtbare Arbeit, ihren unbezahlten Einsatz wäre vieles nicht möglich. Sie trommeln die Leute zusammen und sie sorgen dafür, daß man kostengünstig Sport betreiben kann.

Man darf nämlich eines nicht vergessen: Alle in den Vereinen organisierten Sportler genießen Versicherungsschutz.

Vom Breitensport bis zum Leistungssport ist schon vieles besprochen worden. In diesem Sportbericht werden auch zwei Einrichtungen genannt, die sich in der Steiermark befinden: Die Skihandelsschule Schladming und das Nordische Ausbildungszentrum Eisenerz werden lobend erwähnt. Es ist die Voraussetzung für die Nachwuchsförderung im Leistungssport, daß man Sport, Schule und Lehre miteinander verbinden kann. Das ist eine ideale Kombination, und es ist einzigartig, was in Schladming und im Ausbildungszentrum Eisenerz geboten wird. Die jungen Menschen haben dort Zeit für die Schule, sie können einen Beruf erlernen oder weiterführende Schulen besuchen, und sie haben selbstverständlich auch Zeit für Training und Wettkämpfe.

Spitzensportler sind zweifellos Werbeträger, und jeder weiß, wie "bepflastert" so ein Spitzensportler ist. Meiner Ansicht nach müßte man mehr für die Jungen tun, denn diejenigen, die dem Kader angehören, haben es leichter. Es sollte aber nicht so sein, daß man einem, wenn er gewinnt, auch noch ein passendes Trikot überzieht, wie es schon geschehen ist.

Herr Staatssekretär! Ich darf Ihnen ein paar Wünsche aus der Eisenerzer Ramsau überbringen. Dort ist man bemüht, den Umbau der Schanze vorzunehmen. Für die Präparierung wird ein


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Pistengerät gebraucht, außerdem sind noch einige Sicherheitseinrichtungen erforderlich. Sie wissen, daß dort am 31. Jänner 1998 die österreichischen Meisterschaften in der Kombination und im Spezialsprunglauf stattfinden werden. Meiner Ansicht nach sollten Land und Bund diese Veranstaltung unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär! Sie haben das nächste sportliche Großereignis in unserer Region, die nordischen Skiweltmeisterschaften in der Ramsau, selbst schon angesprochen. Das ist ein wichtiger Impuls für die gesamte Region. Der Bund ist den Verpflichtungen nachgekommen, die er eingegangen ist, aber trotzdem fehlt immer noch ein Teil der nötigen Mittel. Die Ramsau benötigt noch eine 60-Meter-Schanze. Man sollte in Zukunft darüber nachdenken. Denn es sollte nicht so sein, daß man zwar jetzt für die Weltmeisterschaft 1999 vorsorgt, aber hinterher alles wieder vergessen ist. Wenn man gute Trainingsmöglichkeiten bietet, wird sicherlich nicht nur unsere Mannschaft, sondern es werden auch andere Mannschaften wieder in die Ramsau kommen und die Gegend nützen. Denn es ist wirklich eine wunderschöne Gegend, die alles zu bieten hat. Dafür, Herr Staatssekretär, bitte ich um Ihre Unterstützung.

Ich möchte nun auf eine Trendsportart zu sprechen kommen, die heute bereits angesprochen worden ist: das Mountainbiken. Gerade diesen Radfahrern ist die Öffnung der Waldwege ein besonderes Anliegen. Darüber ist im Hohen Haus schon oft gesprochen worden. Wenn es – wie wir wissen – 139 000 Kilometer befestigte und 440 000 Kilometer unbefestigte Forstwege gibt, dann kann ich mir vorstellen, daß viele Strecken geöffnet werden könnten, allerdings nicht zu einem Preis, wie er im allgemeinen üblich ist. Denn das könnten sich die Vereine und Gemeinden sowie die Träger nicht leisten.

Im Salzkammergut hat man nun einen guten Vertrag abgeschlossen, allerdings befristet auf zwei Jahre. Lieber Kollege Schrefel! Im Grenzgebiet von Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich plant man so etwas wie ein "Biker-Country". Ich hoffe, daß dort diejenigen, die sich jetzt noch dagegen wehren, die Strecken zu öffnen, sich schließlich dazu bereit finden werden, und daß man dort eine ebenso gute Lösung wie im Salzkammergut finden kann.

Ein bißchen möchte ich auf den Fußball zu sprechen kommen. Man hat gesehen, daß beim Ländermatch zwischen Österreich und Schweden die Begeisterung hochgegangen ist, aber ich meine, daß treue Fans ihrer Mannschaft nicht nur beistehen sollten, wenn sie im Gewinnen ist, sondern ihrem Verein auch dann die Treue halten sollten, wenn es einmal nicht so gut läuft. Ich glaube, erst dann sind sie richtige Fans. (Abg. Böhacker: Das ist richtig! Das sind die wahren Fans!)

Selbstverständlich freue ich mich darüber, daß es in der Steiermark zwei erstklassige Vereine gibt und diese nun an der Spitze stehen. Es freut mich allerdings weniger, daß das Stadion, in dem sie spielen, den Namen von Schwarzenegger trägt. Denn wir hätten in der Steiermark auch andere verdienstvolle Sportler oder Fußballer gehabt, wie zum Beispiel den mehrfachen Teamtormann Gernot Fraydl oder den Teamspieler und Trainer Helmut Senekowitsch, zwei Sportler, die nichts mit Brutalität zu tun haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Nachdem an dieser Stelle von meinen Vorrednern, Kollegen Kröll und Kollegen Zweytick, der A-1-Ring angesprochen wurde, wünsche ich mir genauso wie Sie, lieber Kollege Zweytick, daß Ihre Prognosen zutreffen und die Umwegrentabilität eintritt. (Zwischenruf des Abg. Kröll. ) Das wollen auch wir. Aber wir wissen eines: Der wirklich große Gewinner wird wahrscheinlich weder Österreich noch die Region sein, sondern der große Gewinner an diesem Ring ist Bernie Ecclestone. Wir haben leider nicht die Garantie, daß dieses Rennen auch im nächsten und übernächsten Jahr, daß es – wie wir es uns wünschen – in den kommenden sechs Jahren durchgeführt wird.

Für das kommende Wochenende hoffe ich auf gutes Wetter, denn nur dann wird ein Teil der Umwegrentabilität dieser krisengeschüttelten Region zugute kommen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.26


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte. (Abg. Böhacker: Sind Sie auch für die Fußballer?)

17.26

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Als letzte Rednerin möchte ich mich nicht wiederholen, sondern lieber die Bedeutung des Schulsportes noch einmal besonders hervorheben (Abg. Mag. Schweitzer: Bravo!) und auf die Notwendigkeit hinweisen, dem immer stärker ausgeprägten Bewegungsmangel der Kinder und deren täglichem Schulstreß entgegenzusteuern und ausgleichend zu wirken. Das tut der Schulsport. Diese Möglichkeiten sollten wir aber auch dazu nützen, Schülerinnen und Schüler zu motivieren, längerfristig Sport zu betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Gemeinschaft der Gleichaltrigen in Sportvereinen erleben zu können, ist eine besonders wichtige Sache. Das sage ich als Präsidentin des größten Sportdachverbandes in Wien. Ich bekenne mich damit auch zur Existenz und Notwendigkeit von Sportdachverbänden, obwohl diese heute schon mehrmals in Frage gestellt wurden ... (Abg. Mag. Schweitzer: Sie sind beim ASKÖ? Logisch!) Natürlich, ASKÖ. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum ist das natürlich?) Also die Frage ist ein bißchen ... Das war jetzt keine Elferfrage! (Abg. Mag. Schweitzer: Warum sind Sie "natürlich" beim ASKÖ?) Das überlasse ich jetzt Ihrer Phantasie, Herr Abgeordneter.

Ich sage Ihnen, daß der ASKÖ und die anderen Dachverbände – da beziehe ich alle ein – die Träger des Breitensportes sind. Das wissen wir alle. Ohne diese Dachverbände gäbe es keinen Breitensport. Das hat der Herr Staatssekretär schon gesagt, und überdies haben einige meiner Vorredner darauf hingewiesen. Mitgetragen wird der Breitensport dabei von allen ehrenamtlichen Funktionären. Das darf man wiederholen, das kann auch öfters gesagt werden, denn das ist wirklich ein großartiges Verdienst. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir ist auch das Thema "Frauen im Sport" ein besonderes Anliegen. Dazu kann ich Ihnen berichten, daß es im Rahmen der Sporthilfe ein Frauenförderungsprojekt gibt, an dem auch der Bund finanziell beteiligt ist. Die Wirtschaftskammer ist dabei leider ausgefallen. Ich hoffe aber trotzdem, daß weitere Sponsoren gefunden werden können, damit speziell Frauen weiterhin gezielt gefördert werden können. Als Beispiele dafür nenne ich Handball und Rudern. Dort können wir bereits deutliche, schöne Erfolge verbuchen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie auf das am 30. und 31. Oktober dieses Jahres geplante Forum "Frau und Sport" hinweisen, welches sich als Plattform und Motor für entsprechende Frauenförderung konstituieren wird. Staatssekretär Wittmann hat dankenswerterweise die Patronanz dafür übernommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.) Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, daß es sich um eine Privatinitiative handelt, welche in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportwissenschaft und der BSO gestartet wird. Erarbeitet werden verschiedene Initiativen und ein Förderungsprogramm für die nächsten Jahre.

Neben der Förderung des Leistungssportes und der Unterstützung von Spitzensportlern im österreichischen Bundesheer muß aber auch das Thema der Chancengleichheit für Frauen besondere Berücksichtigung finden. Dazu möchte ich anmerken, daß ich grundsätzlich über die Öffnung des Bundesheeres für Frauen nicht besonders erfreut bin. Aber nach der diesbezüglichen Einigung zwischen Frau Frauenministerin Prammer und dem Herrn Landesverteidigungsminister ist es notwendig geworden, die gleichberechtigten Möglichkeiten von Berufskarrieren für Frauen – selbstverständlich auf freiwilliger Basis – beim Bundesheer zu sichern. In diesem Zusammenhang betrachte ich auch die Öffnung der Heeres-Sport- und Nahkampfschule für Frauen als dringliches Anliegen und als unumgänglich.

Meine Damen und Herren! Wie Sie im Sportbericht 1995 des Bundeskanzleramtes nachlesen können, besteht insbesondere im Leistungssport der Frauen besonderer Nachholbedarf. In dieser Hinsicht müßten für Sportlerinnen Bedingungen geschaffen werden, die ihnen gleichberechtigte Möglichkeiten in allen Bereichen der Sportausübung und Sportförderung eröffnen. Es steht bis heute keine der HSNS ähnliche Einrichtung für Spitzensportlerinnen zur Verfügung, die ihnen ebenso gute Trainingsmöglichkeiten bietet, wie sie Männer schon seit langem


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genießen. Entgegen allen Beteuerungen der Verantwortlichen, daß mit der Öffnung des Heeres für Frauen eine adäquate Öffnung der HSNS für Frauen möglich sein wird, bin ich ein bißchen skeptisch, daß das gelingen wird.

Ich meine auch, daß die besondere Trainingsmöglichkeit für Frauen in der HSNS nicht sehr effizient sein wird, wenn das bisherige Kontingent nicht grundsätzlich erhöht wird. Eine entsprechende Aufstockung ist sicherlich für alle Beteiligten notwendig. Es müssen Möglichkeiten für die rasche Aufnahme von betroffenen Spitzensportlerinnen geschaffen werden, um für diese Frauen eine faire und gleiche Behandlung zu gewährleisten, sodaß wir im nächsten Bericht feststellen können, daß die Situation wesentlich verbessert worden ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Rasinger. )

17.32


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens der Berichterstattung wird nicht verlangt.

Wir kommen daher jetzt zu den Abstimmungen. (Einige Abgeordnete sind noch auf dem Weg zu ihren Plätzen.)  – Ein echter Sportsprecher. (Heiterkeit.)

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-61 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über die dem Ausschußbericht 838 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 86.)

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Grabner, Kopf, Dr. Grollitsch, Mag. Peter, Haidlmayr und Genossen betreffend sportpolitische Maßnahmen der Bundesregierung zu III-61 der Beilagen, 12. Sportbericht 1995.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist Einstimmigkeit. Dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen. (E 87.)

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen betreffend echte Privatisierung der Bundessportheime.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lafer und Genossen betreffend Bundeszuschuß zur Finanzierung des Österreich-Ringes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

3. Punkt

Erste Lesung des Antrages 442/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (EURO-Bilanzgesetz)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangen wir zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile zunächst dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Mag. Peter, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.35

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen den Antrag des Liberalen Forums betreffend ein Euro-Bilanzgesetz in erster Lesung vorstelle.

Worum geht es? – Es betrifft eine wirtschafts-, eine finanztechnische Materie. Wir werden in absehbarer Zeit den Schilling gegen den Euro tauschen. Es wird keine Währungsreform sein, wie immer wieder behauptet wird, sondern es wird sich um einen Währungstausch handeln. Im Zuge dieses Währungstausches besteht die Möglichkeit, die uns auch durch die IV. Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsform eröffnet wird: In diesem Rahmen gibt es die Möglichkeit, eine Neubewertung der Unternehmenswerte in den Bilanzen österreichischer Unternehmen vorzunehmen.

Die wenigen großen Unternehmungen Österreichs haben diese Frage schon längst durch Schachtelkonstruktionen, Holdings und entsprechende Neubewertungen gelöst. Den Klein- und Mittelbetrieben ist diese Möglichkeit aus Kostengründen bisher verschlossen gewesen. Es ist aber insbesondere in einem gemeinsamen Währungsraum – in dem wir gemeinsam dessen Finanzinstitute nützen und eine Vergleichbarkeit der Bilanzen herstellen wollen – von großer Bedeutung, daß die durch das österreichische Steuerrecht über Jahrzehnte deformierten Bilanzen guter und gesunder österreichischer Unternehmen auf freiwilliger Basis aufgewertet werden können.

Dies verbietet heute das Handelsgesetzbuch, das entsprechend dem strengen Niederstwertprinzip vorschreibt, daß immer maximal die Anschaffungswerte oder – dort, wo abgeschrieben wird – die Restbuchwerte angesetzt werden dürfen. Das führt zum Beispiel dazu, daß Grundstücke, die vor 20 oder 30 Jahren in das Unternehmensvermögen aufgenommen wurden, in den Büchern zu Werten aufscheinen, die mit den Verkehrswerten keinerlei Verwandtschaft haben.

Infolgedessen besteht in Österreich eine Eigenkapitalsituation zu Buchwerten, die wirklich dramatisch ist. Wenn Sie mit der österreichischen Bilanz eines Klein- oder Mittelbetriebes zu einer ausländischen Bank gehen – das soll ja auch ein Effekt des Euro sein –, dann müssen Sie ein Kilogramm Bewertungsgutachten mitnehmen, die nachweisen, daß die Buchwerte des Anlagevermögens in Ihrer Bilanz gar nicht stimmen, sondern die wirklichen Werte erst aus den Bewertungsgutachten zu ersehen sind. Ausländische Banker können unsere Bilanzen nicht lesen, weil sie die dazu nötige österreichische Brille nicht besitzen.

Ich glaube daher, man sollte – dahin zielt unser Antrag – den Unternehmungen die Möglichkeit geben, sowohl in bezug auf das unbewegliche Anlagevermögen – Grund und Boden sowie Gebäude – als auch hinsichtlich des beweglichen Anlagevermögens Aufwertungen vorzunehmen: bis maximal zu den Verkehrswerten bei Grund und Boden und bis maximal zu den Anschaffungswerten bei unbeweglichem Vermögen – Gebäude – und beweglichem Vermögen.

Selbstverständlich muß diese Aufwertung – soweit es sich nicht um Grund und Boden handelt – mit einer Steuer versehen sein; diese Steuer stellt einen Aufwertungsgewinn in der Bilanz des Unternehmens dar. Wir schlagen dazu konkret folgendes vor: bei beweglichem Vermögen 15 Prozent, bei unbeweglichem Vermögen – Gebäude – 10 Prozent. Bei unbeweglichem Vermögen, das nicht abschreibbar ist – also Grundstücken –, kann auch keine Sonderaufwertungssteuer eingehoben werden. Selbstverständlich muß für das aufgewertete unbewegliche Vermögen an Grundstücken eine Neubewertungsrücklage gebildet werden, damit das buch


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mäßig gewonnene Kapital nicht sofort aus der Firma entnommen wird, denn das wäre nicht Sinn und Ziel dieser Maßnahme.

Mit dieser Maßnahme stehen wir in der Tradition der Schilling-Eröffnungsbilanz, die vor 40 Jahren stattgefunden und eine sehr positive Wirkung auf die Bilanzstruktur österreichischer Unternehmen gehabt hat. Wir sind der Ansicht, daß es sich um eine freiwillige Maßnahme handeln muß, weil von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich zu beurteilen sein wird, ob man diesen Schritt setzen soll oder nicht. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, daß man sich als Unternehmer entscheiden muß: Wenn man diese Aufwertung durchführt, dann erfolgt sie entweder für das gesamte unbewegliche Vermögen – Liegenschaften –, das gesamte unbewegliche Vermögen – Gebäude – oder/und das gesamte bewegliche Vermögen.

Ich kann Ihnen aufgrund von Gesprächen mit vielen Wirtschaftstreuhändern, mit denen ich dieses Thema diskutieren durfte und die dem Vorschlag sehr positiv gegenüberstehen, die sieben wesentlichsten Gründe dafür sagen, daß eine solche Maßnahme sinnvoll ist und daß sich gerade jetzt der Währungstausch von Schilling gegen Euro dazu anbietet.

Es ist eine Verbesserung der buchmäßigen Unterkapitalisierung, führt zu mehr Bilanzwahrheit, zu mehr Bilanzklarheit und folgt damit den betriebswirtschaftlichen Geboten.

Wir können damit die Eigenkapitalien darstellen, die gesunden Unternehmen – es wird nicht für alle Unternehmen sinnvoll sein – helfen, im Rahmen des Unternehmensreorganisationsgesetzes und des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes einem Reorganisationsverfahren zu entkommen. Sie wissen ja: Wenn mittlere Betriebe ab einer gewissen Größe bilanzmäßig weniger als 8 Prozent Eigenkapital haben oder eine theoretische Entschuldungsdauer, die länger als 15 Jahre ist, dann müssen sie ein Reorganisationsverfahren in Angriff nehmen.

Wir sind, wie ich schon sagte, besser vergleichbar mit den Bilanzen im EU-Raum, und wir haben so auch die Möglichkeit, sukzessive Investitionsreserven aufzubauen.

Die Besteuerung von Scheingewinnen, die man jetzt über viele, viele Krampflösungen wegzubringen versucht, wäre damit auch gelöst, und ich möchte hier nicht anstehen, dazu zu bemerken, daß ich meine, daß der Investitionsfreibetrag in der Form, wie wir ihn derzeit haben, nicht mehr das Instrument ist, das wir geglaubt haben, darin finden zu können. Darüber sollte man meiner Meinung nach diskutieren.

Wir haben damit weiters eine höhere Dispositionsfähigkeit der Unternehmungen, wenn wir die Wahl, ob sie diese Maßnahme tätigen wollen oder nicht, den Unternehmen überlassen.

Und – jetzt ist der Herr Finanzminister leider nicht da – selbstverständlich gibt es a priori für den Herrn Finanzminister Mehreinnahmen, denn diese Aufwertungen führen ja zu Steuerleistungen der Unternehmen, die erst dann mit einem Faktor von vier, fünf Jahren von den Unternehmen durch höhere Abschreibungen wieder verdient werden können.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesen Antrag seriös zu prüfen. Ich hoffe, daß wir bald die Möglichkeit haben werden, im Finanzausschuß die Verhandlungen darüber aufzunehmen, und zeige Ihnen noch einen weiteren Schritt auf, der sich mit diesem Antrag auch ergeben würde.

Es gibt eine lange Diskussion – auch im Finanzministerium – darüber, was wir denn mit den nichtentnommenen Gewinnen tun sollen, vor allem mit den nichtentnommenen Gewinnen der Personengesellschaften. Sie wissen ja: Die nicht entnommenen Gewinne einer Kapitalgesellschaft werden mit 34 Prozent Körperschaftsteuer besteuert, die nichtentnommenen Gewinne einer Einzelfirma oder einer Personengesellschaft unterliegen dem 50prozentigen Grenzsteuersatz der Einkommensteuer.

Daher wäre es ein gutes Modell, zu sagen, man nimmt das buchmäßige Eigenkapital eines Unternehmens, verzinst es zum Beispiel mit der Sekundärmarktrendite, und dieser Zinsertrag, der als eine Art Vorausgewinn zu betrachten wäre, wird nur mit der Mindest-KESt von 25 Pro


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zent besteuert. Es ist ja nicht einzusehen, daß jemand, der ein Unternehmen gründet und sein Kapital, das er bisher frei verfügbar hatte und das er etwa in Staatspapieren, wenn Sie wollen, veranlagt hatte – dort hat er die 25 Prozent KESt bezahlt –, in das Unternehmen steckt, nun auf den Grenzsteuersatz von 50 Prozent kommt. Das ist eine Besteuerung der Substanz einer Personengesellschaft oder Einzelfirma, verhindert die Akkumulation von Kapital für zukünftige Investitionen und führt zu laufenden Kapitalabflüssen, weil es offensichtlich interessanter ist, sein Geld außerhalb der Firma zu veranlagen und 25 Prozent KESt zu bezahlen, als es in der Firma stehen zu lassen, wo man für die Erträge aus diesem Kapital 50 Prozent Einkommensteuer bezahlt.

Ich glaube, das ist ein weiterer Beitrag, den wir bei der Beurteilung von Lösungen hinsichtlich der Unternehmensbesteuerung mit diskutieren sollten. Ich bitte daher um eine seriöse und sachliche Diskussion. Ich darf mich dafür schon im vorhinein bedanken und hoffe, daß wir bald im Ausschuß ernsthaft über diese Themen reden werden. Die Zeit drängt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.44

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich, ohne den Beratungen des Finanzausschusses vorzugreifen, in einer ersten Lesung, wie es so richtig heißt, mit den aufgeworfenen Fragen befassen. Nach den Informationen, die ich aus dem Justizministerium eingeholt habe, scheint dieser Antrag ein Problem mit dem EU-Recht zu bringen, und zwar in bezug auf die vorgesehene Änderung des Handelsgesetzbuches. Die darin vorgesehene Aufwertung ist – zumindest nach Auskunft des Justizministeriums – bisher nicht mit dem EU-Recht kompatibel, daher könnte eine österreichische Änderung ohne eine entsprechende EU-rechtliche Sonderregelung nicht erfolgen. Meiner Information nach ist auch nicht mit einer Änderung innerhalb der Europäischen Union in diese Richtung, nämlich einer handelsbilanzmäßigen Aufwertungsmöglichkeit bis zum Verkehrswert, zu rechnen.

Was auf der anderen Seite die Steuerbilanz betrifft, wäre natürlich eine Aufwertung auf die Verkehrswerte EU-rechtlich zulässig. Nur frage ich mich, ob es, wenn es dann zu einem völligen Auseinanderfallen zwischen den handelsbilanzmäßigen und den steuerbilanzmäßigen Buchwerten kommt, eine wirkliche Verwaltungsvereinfachung im Rechnungswesen der Unternehmen bringen würde oder ob das ... (Abg. Böhacker: Kollege, das ist ja jetzt schon so! Handelsrecht und Steuerrecht klaffen ja jetzt schon weit auseinander!) Richtig! Aber dies würde, zumindest meinem Verständnis nach, eine zusätzliche Veränderung bringen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Und die EU-Kompatibilität? Da dürfte es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen zwischen Ihnen und dem Justizministerium geben.

Was die Frage der steuerlichen Betrachtung des Ganzen betrifft, ist es natürlich reizvoll, daß Sie höhere Einnahmen in Aussicht stellen. Das hört sich gut an. Meinem Eindruck nach findet das aber nur im Aufwertungsjahr statt. Nur dann ist mit einem gewissen Mehraufkommen zu rechnen. Allerdings wird es in den Folgejahren durch entsprechend höhere Abschreibungen zu Mindereinnahmen kommen. (Abg. Böhacker: Richtig!)

Wenn wir wissen, daß bei Körperschaften der lineare Satz von 34 Prozent zur Anwendung kommt und Sie die Aufwertungsgewinne nur mit in etwa 10 bis 15 Prozent besteuern wollen, dann bedeutet das langfristig natürlich Mindereinnahmen für das Budget. Das kann durchaus gewollt sein. Ich halte das aber, zumindest zur Stunde, für keinen sehr probaten Vorschlag.

Der dritte Punkt, der mir problematisch erscheint, ist die Frage der Technik der Besteuerung des Aufwertungsgewinnes. Denn die bloße Festsetzung eines Steuersatzes für den Aufwertungsgewinn läßt nämlich die Frage offen, wie etwa bei Verlusten aus dem laufenden Geschäftsbetrieb, bei Verlusten aus anderen Einkunftsarten oder bei Verlustvorträgen vorzugehen ist. Sollte zum Beispiel – das kann ich mir vorstellen – eine objektsteuerartige Erfassung des


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Aufwertungsgewinnes erfolgen oder müßte am Ende ein positives Einkommen zumindest im Ausmaß des Aufwertungsgewinnes verbleiben, um den betreffenden Steuersatz anzuwenden? Das heißt, auch diese administrativen technischen Fragen scheinen mir noch aufklärungsbedürftig zu sein.

Daher sage ich dazu, daß es mir aus Gründen der diskutierten Nichtkompatibilität mit dem EU-Recht, aus Gründen verringerter budgetärer Einnahmen und aus Gründen einiger technischer Unausgereiftheiten zumindest zur Stunde nicht möglich scheint, diesem Antrag zuzustimmen. Aber wir werden uns ja im Finanzausschuß mit der Frage noch im Detail auseinandersetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.48

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg ein paar Worte zu Ihnen, Herr Kollege Gusenbauer. Ich wußte gar nicht, daß Sie jetzt auch schon ein Experte in Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Bilanzwesen sind! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Sie haben mich wirklich verblüfft (Abg. Nürnberger: Positiv überrascht!), wenn Sie wollen, auch positiv überrascht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer .) Ich weiß, in Ihnen schlummern ungeahnte Fähigkeiten und Möglichkeiten, und Sie können sie im Finanzausschuß weiter ausbauen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Herr Kollege Peter! Im Unterschied zum Kollegen Gusenbauer sehe ich Ihren Antrag durchaus positiv. Ich kann dem sehr viel abgewinnen. Vorweg aber: Was mir wenig sympathisch ist, ist die Bezeichnung. Ich weiß, das ist bloß die semantische Perspektive, aber "Euro-Bilanzgesetz" erinnert mich eben zu sehr an die Schilling-Eröffnungsbilanz und hat den Beigeschmack einer Währungsreform. Dieser Konnex mit der Einführung des Euro ist meiner Ansicht nach durchaus verzichtbar.

In den Argumenten für eine Aufwertung stimme ich Ihnen nahezu in allen Punkten zu. Was die Steuersätze beziehungsweise die Situation für den Fiskus angeht, Herr Kollege Gusenbauer, meine ich, daß ein Verlustausgleich mit einem solchen Aufwertungsgewinn für den Finanzminister sogar positiv wäre, weil damit der laufende oder der Normalsteuersatz in späteren Jahren ja wieder voll zum Tragen käme. An sich – ich darf Ihnen das vielleicht später einmal technisch erklären – wären Verlustausgleiche mit solchen Aufwertungsgewinnen und Verlustvorträge ein Gewinn für den Finanzminister. Wir geben Ihnen gerne noch weitere Informationen, um es für Sie nachvollziehbarer zu machen, warum das so ist.

Ich könnte mir vorstellen, daß der Finanzminister diesem Antrag nicht nur aus diesen Gründen positiv gegenübersteht, sondern auch deshalb, weil sozusagen der Vorgriff auf diese zu versteuernden Aufwertungsgewinne für den Finanzminister durchaus verlockend scheint; sogenannte Vorgriffe sind ja auch in diesem Budget durchaus probate Mittel.

Ich könnte mir auch vorstellen, daß der Finanzminister gerade in den Jahren 1998/99 sehr glücklich über zusätzliche Einnahmen wäre, nämlich dann, wenn die jetzt ausgesetzten Verlustvorträge wieder schlagend werden. Es könnte durchaus sein, daß das Budgetloch, das sich möglicherweise durch die wieder absetzbaren Verlustvorträge auftut, dann durch diese Aufwertungsgewinne wieder etwas gestopft wird.

Lieber Herr Kollege Peter! Wir von der Volkspartei stehen diesem Antrag also sehr positiv gegenüber. Wir werden ihn auch sehr ernsthaft diskutieren, und in mir haben Sie eine seriöse Kombattantin. (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)


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17.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.52

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Peter! Dieser Antrag macht sicherlich Sinn, wenn man eine Voraussetzung in diesem Antrag auch mitberücksichtigt: daß vielleicht durch eine Neueröffnungsbilanz die Unternehmen aus einer Schräglage ihrer Bilanz in eine eher gerade Lage kommen. Ich glaube, das ist eine Intention, die Sie mit diesem Antrag verfolgen. Ich hätte nur eine bescheidene Frage, was die Praxis angeht.

Es wertet also ein Unternehmer sein Grundstück und sein Anlagevermögen auf und bezahlt beim Grundstück bei einer Aufwertung von 1 Million Schilling – und Sie haben gesagt, das sei ein Klein- und Mittelbetrieb – 100 000 S Steuer und bei einer Aufwertung im Anlagevermögen 150 000 S Steuer. Er zahlt 250 000 S, damit seine Bilanz von einer Schräglage in eine Normallage kommt. Es wird ein Scheingewinn besteuert. Er muß 250 000 S sozusagen aus seiner Liquidität "herausnehmen" und muß warten, ob sich das in der Zukunft rentiert.

Ich hätte da einen anderen Vorschlag, einen Vorschlag, der in diesem Hause auch schon mehrmals diskutiert worden ist, aber leider haben wir die liberale Fraktion dabei nie als Partner gefunden. Ich meine die Möglichkeit, den Unternehmer in die Lage zu versetzen, daß die Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, überhaupt keiner Besteuerung unterzogen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In der gestrigen Sitzung des Europäischen Parlaments, liebe Frau Kollegin Frieser, hat sich etwas sehr Eigenartiges getan. Es gab nämlich von der sozialistischen Fraktion den Antrag eines portugiesischen Abgeordneten, Couto, in dem wortwörtlich gefordert wird, daß neben der Senkung und Beseitigung der Erbschafts- und Schenkungssteuer auch die Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, keiner Besteuerung unterzogen werden. – Dieser Antrag ist auch von Ihrem EU-Abgeordneten Dr. Rübig aus Oberösterreich gelobt worden, der wortwörtlich gesagt hat – ich zitiere aus dem Protokoll des Europäischen Parlaments von gestern –: Ich fordere, daß die Erbschafts- und Schenkungssteuer überhaupt gestrichen wird, wenn man einen Betrieb innerhalb der Familie übergibt, und natürlich auch, daß die nicht ausgeschütteten Gewinne, die im Betrieb bleiben, nicht versteuert werden sollten.

Hier im Parlament stimmt eben diese Partei, die ÖVP, freiheitliche Initiativen permanent nieder und sagt ganz einfach: Das kommt budgetär nicht in Frage!, während die ÖVP-Fraktion im Europäischen Parlament einen solchen Antrag unterstützt. Das ist für mich das doppelte Spiel, das diesbezüglich in der Volkspartei getrieben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf der einen Seite, in Österreich, sagt man, obwohl man ganz genau weiß, daß wir eine Eigenkapitalstärkung unserer Betriebe brauchen, nein, aber im Europäischen Parlament unterstützt man einen solchen Antrag, weil es ein sozialistischer Antrag ist. Auch die Sozialisten müßten einmal über ihren Schatten springen, Herr Kollege Heindl. Auch Sie haben hier immer nur Lippenbekenntnisse abgelegt, wenn es um die Unternehmer ging, aber wenn es ans Eingemachte geht, stimmen Sie jedesmal freiheitliche Initiativen, die durch eine solche Maßnahme die Stärkung des Unternehmens zur Folge hätten, nieder.

Das, Herr Kollege Peter, geht auch an Ihre Adresse. Wir diskutieren ja auch eine Reform des Einkommen- und Körperschaftssteuergesetzes, und vielleicht sollte man im Zuge dessen auch im Finanzausschuß einmal über diese Frage seriös diskutieren. Wenn nämlich unsere europäischen Mitbewerber darangehen, die im Unternehmen verbleibenden Gewinne keiner Besteuerung mehr zu unterziehen, haben wir in Österreich einen gravierenden Wettbewerbsnachteil, wenn unsere Betriebe Steuern zu bezahlen haben. Diese Steuern sind dann nämlich nicht mehr Betriebsausgaben – die Körperschaftssteuer ist keine Betriebsausgabe –, sie sind vom Unternehmen aus seiner Liquidität zu leisten, und unsere Unternehmen wären damit einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt.

Ich stimme mit Frau Kollegin Frieser überein, daß man bei diesem Antrag auch über die Frage der Semantik, nämlich über die Bezeichnung "Euro-Eröffnungsbilanz" diskutieren kann. Das kann ja auch die Jahrhundert-Eröffnungsbilanz oder die Eröffnungsbilanz in das nächste Jahr


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tausend sein. Ich erinnere nur daran, daß es im Jahr 1955 ja auch schon eine Eröffnungsbilanz gegeben hat, nämlich die Schilling-Eröffnungsbilanz. Damals, Herr Kollege Peter, gab es eine Aufwertung des Anlagevermögens, eine Aufwertung der Grundstücke mit null Schilling Besteuerung zusätzlich. – Null Schilling Besteuerung zusätzlich! Und gerade diese Schilling-Eröffnungsbilanz hat quasi dieses kleine österreichische Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre initiiert. Dieser Schilling war bereits seit 1923, seit der Ersten Republik, die österreichische Währung, und trotzdem hat man sich im Jahre 1955 auf eine Schilling-Eröffnungsbilanz verständigt.

Ich glaube daher, daß wir in das Budget des Finanzministers von der betrieblichen Seite her gesehen und angesichts einer Gesamtabgabenbelastung, die mittlerweile in Österreich 45,7 Prozent erreicht hat, keine Einnahmen einfließen lassen sollten, bevor er nicht wirklich radikale Sparmaßnahmen ergreift. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich erinnere an das von mir bereits genannte Beispiel: Dieser Betrieb zahlt 250 000 S, damit seine Bilanz aus einer Schräglage in eine gerade Lage kommt. Das macht wirklich nur dann Sinn, Herr Kollege Peter, wenn man dahinter handfeste Interessen hat. Das kann natürlich der Fall sein. Ich kann mir schon vorstellen, daß die Aufwertung von Grundstücken vielleicht im Interesse eines späteren Verkaufs dieser Grundstücke liegt, weil der Betreffende sonst einen riesigen Betrag an Spekulationssteuer zu bezahlen hätte. Im Einzelfall kann es also Sinn machen, daß man jetzt nur zehn Prozent Steuer zahlt und sich nachher, beim Verkauf dieses Grundstücks, von dem man schon weiß, daß man es in vier, fünf Jahren verkaufen wird, eine Steuer von 50 Prozent erspart.

Aber, Herr Kollege Peter, kommen Sie nicht mit dem Argument, daß der "kleine" Bäckermeister, der "kleine" Installateur mit einer sogenannten Euro-Eröffnungsbilanz große Liquiditätsvorteile hätte. Diese Liquiditätsvorteile hat er nur, wenn wir gemeinsam versuchen, eine vernünftige Unternehmensbesteuerung mit geringeren Steuersätzen zu schaffen, einen Steuersatz, der mit jenem der europäischen Mitbewerber vergleichbar ist. Herr Kollege Peter! Wenn Sie diese Intention im Finanzausschuß vertreten, sind wir sehr gerne zu einer Diskussion über dieses Modell, das Sie vorschlagen, bereit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.00

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wirklich sehr angenehm, daß sich hier eine echte Diskussion entwickelt. Ich möchte gerne einige Fragen, die – unter anderem von Kollegen Schreiner – in den Raum gestellt wurden beziehungsweise ein paar Thesen von Kollegen Gusenbauer aufgreifen.

Kollege Schreiner! Sie haben sicher ein paar erläuterungsbedürftige Elemente angesprochen, und zwar sehr stark aus der Sicht des Steuerberaters; das ist auch wichtig und notwendig. Im Falle der Grundstücke ist anzumerken, daß es in diesen Fällen eine Neubewertungsrücklage gibt, wenn man davon Gebrauch machen will. Das dient ja insbesondere der verbesserten Darstellung der Eigenkapitalbasis. Diese Neubewertungsrücklage würde innerhalb von zehn Jahren sozusagen steuerschonend "abschmelzen": Wenn vor Ablauf dieser zehn Jahre verkauft wird, so ist das, was in der Neubewertungsrücklage verblieben ist, wie ein Spekulationsgewinn zu behandeln. Damit ist sozusagen das Augenmaß gewahrt, aber darüber kann man natürlich auch noch im Detail reden. Das nur, damit Sie sehen, das ist mitbedacht.

Was den Aspekt der nichtentnommenen Gewinne anlangt, so stehen wir diesen Überlegungen durchaus aufgeschlossen gegenüber, diese Problematik geht jedoch vielleicht über den Rand dieser Überlegungen hinaus. Es ist aber auch das nicht in jedem Fall unproblematisch zu sehen. Insbesondere bei den Personengesellschaften ist es unter Umständen schwierig, und zwar einfach von der administrativen Umsetzung her. Es ist aber meiner Meinung nach sicher ein wichtiger Gedankengang, den man immer wieder neu aufgreifen muß, weil er auch eigenkapitalbildungsbegünstigend ist. Es müßte nur sichergestellt sein, daß das, was es bei Kapitalgesellschaften nicht gibt, auch bei Personengesellschaften Platz greift: Es wäre vielleicht einmal


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die verbotene Rückgewähr in Kapitalgesellschaften in der handelsrechtlichen Dimension anzudenken, aber das wird bei Personengesellschaften sehr schwierig sein. Solange das für das Unternehmen nicht wirklich gebunden ist, ist eben der Besteuerungszeitpunkt aus der Sicht der Einbringlichmachung von Steuern logischerweise der Jahresgewinn. Aus diesen Gründen ist das heikel.

Die Sorgen des Kollegen Gusenbauer kann ich nicht teilen. Es ist schon richtig, daß auch die Abschreibungsbasis erhöht wird, wenn die Bereiche aufgewertet werden, die abschreibungsfähig sind, das gilt jedoch nicht für Grundstücke. Dazu ist eben der Ansatz gebildet, daß diese Aufwertungsgewinne mit einem moderaten Satz zu besteuern sind, sodaß sich über einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren diese Vor- und Nachteile neutralisieren. Es ist nicht darauf abgestellt, steuerliche Begünstigungen der besonderen Art damit herauszuholen, sondern das Hauptziel dieses Gesetzes ist es, in den Bilanzen die tatsächliche Eigenkapitalkraft der Unternehmen so sichtbar zu machen, daß sie sich dann auf der Bonitätsebene widerspiegeln.

Sie dürfen nicht vergessen, daß das alles Unternehmen sind, die nicht zu 100 Prozent eigenkapitalgestützt sind, sondern die in großem Ausmaß fremdkapitalgestützt sind; sie haben daher gelegentlich eine schiefe Optik, was ihre Eigenkapitalbasis anlangt. Das ist, je internationaler die Wirtschaft wird, je mehr sie verflochten ist und je mehr Quervergleiche es dann im internationalen Feld gibt, nicht günstig, denn auch bei Auftragsvergaben im internationalen Wettbewerb betrachtet der mögliche Auftraggeber auch die Eigenkapital- und Finanzsituation seines möglichen Lieferanten mit. Die Bonität seines Lieferanten ist für ihn zum Beispiel im internationalen Anlagenbaugeschäft oder dergleichen nicht unwichtig. Er will nicht irgendwo einen günstigen Preis haben, aber inzwischen "stirbt" ihm der Lieferant weg. Das ist einer der Gründe, warum eben das, was man als Bilanz herzuzeigen in der Lage ist, der wirtschaftlichen Wirklichkeit so nahe als möglich sein sollte. Natürlich ist es ein Unfug, daß teilweise Steuer- und Handelsbilanzen auseinanderlaufen, aber da besteht ein zusätzlicher Harmonisierungsbedarf, der übrigens da durchaus mitbedacht ist, sonst würden diese Dinge nicht so formuliert sein.

Ich gehe davon aus, daß, wenn man schon bei der ersten Lesung so konstruktiv und so seriös beginnt, sich aus dem vielleicht wirklich etwas Positives, Fraktionsüberschreitendes, Grenzüberschreitendes machen lassen wird. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.04

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen zur steuerbegünstigten Neubewertung des Betriebsvermögens, Herr Kollege Peter, ist eine bereits lange bestehende freiheitliche Forderung. Wenn wir heute über eine derartige gesetzliche Möglichkeit diskutieren, dann ist es sehr spät, um nicht zu sagen: fast zu spät. Daher stört mich auch der Begriff Euro-Bilanzgesetz. Dieses Gesetz hätte schon Anfang der neunziger Jahre beschlossen werden sollen, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Daher schlage ich vor, wenn schon ein Gesetz, dann Schilling-Eröffnungsbilanz 2000. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wurde heute bereits mehrfach auf das Schilling-Eröffnungsbilanzgesetz vom 7. Juli 1954 hingewiesen, das positive Auswirkungen auf die gesamte österreichische Wirtschaft hatte. Ich glaube, wir gehen kein Risiko ein, wenn ein Schilling-Eröffnungsbilanzgesetz 2000 in diesem Hohen Haus beschlossen wird.

Wenn man von einer sogenannten Startbilanz in das nächste Jahrtausend ausgeht, das viele positive Auswirkungen für die österreichische Wirtschaft und die Arbeitsplätze haben wird, muß man natürlich auch beachten, daß derartige Aufwertungen in den Bilanzen nur unter Beachtung größter kaufmännischer Sorgfalt erfolgen dürfen. Es darf keinesfalls der sogenannte Gläubigerschutz unter derartigen Aufwertungen leiden.


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Viele positive Auswirkungen wurden hier bereits genannt: Bilanzwahrheit, Bilanzklarheit, Steuerbilanz, Handelsbilanz. Es bedarf heute schon wirklich akrobatischer Tricks und Bemühungen, Steuerbilanz von einer Handelsbilanz abzuleiten: Das ist nicht nur zeitaufwendig, sondern verursacht auch sehr oft hohe Kosten. Durch die Schaffung neuer, höherer Abschreibungsgrundlagen besteht aber auch die Möglichkeit, mehr gewinnmindernde Abschreibungen zu lukrieren und dadurch entsprechende Investitionsrücklagen, Investitionsreserven in Form von Eigenkapital im Unternehmen zu bilden. Auch die fatale Besteuerung von sogenannten Scheingewinnen, die meistens inflationsbedingt zustande kommen, könnte mit einer derartigen Schilling-Eröffnungsbilanz 2000 vermieden werden.

Ein riesiges Problem, Herr Kollege Peter, ist auch die Betriebsaufgabe, gerade in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Bei Hotelbetrieben, die Buchwerte einer Liegenschaft, eines Gebäudes von 1 Million Verkehrswert haben, beträgt der Teilwert, zu dem entnommen werden muß, vielleicht 5 Millionen Schilling. Differenz also: 4 Millionen, daher auch entsprechende Millionenbeträge an Steuern. Ein Betrieb kann nicht stillgelegt oder in Wohnungen und Arbeiterwohnstätten umgewandelt werden, weil das Steuerrecht das nicht zuläßt oder nicht finanzierbar macht. Daher ergibt sich auch für diesen Bereich ein Vorteil einer Schilling-Eröffnungsbilanz 2000.

Der Finanzminister lukriert daraus momentan, ich möchte jedoch dazu sagen: Diese Schilling-Eröffnungsbilanzgesetz 2000 darf keine isolierte steuerliche Maßnahme sein. Es muß, wie Kollege Schreiner richtig gesagt hat, die Steuer- und Abgabenquote von derzeit 45,7 systematisch in Richtung 40 Prozent gedrückt werden (Beifall bei den Freiheitlichen), denn nur so kann die österreichische Wirtschaft überleben und können Arbeitsplätze gesichert werden.

Herr Kollege Peter, ich gehe mit vielem in der Begründung konform. Nur was den materiell-rechtlichen Inhalt betrifft, gibt es einiges zu hinterfragen und anzumerken.

Zum ersten: Die Möglichkeit, das Niederstwertprinzip für einen Zeitraum von fünf Jahren nicht geltend werden zu lassen, ist aus meiner Sicht zu bemängeln. Das ist viel zu lange. Bei Grund und Boden gibt es eine Aufwertung bis hin zum Verkehrswert, warum nicht bei den Gebäuden?

Zweitens: Was ist der Verkehrswert? Wer stellt den Verkehrswert fest? Ist das eine Schätzung? Wäre es nicht besser, ein Vielfaches des derzeitigen Einheitswertes anzusetzen, das Fünffache, Siebenfache, Zehnfache, um objektive Bemessungsgrundlagen zu bekommen? Warum wollen Sie bei den Gebäuden nur bis zu den historischen Anschaffungskosten aufwerten und nicht bis zum Teilwert, wie immer der dann auch berechnet werden soll?

Das nächste: Sie schlagen in Ihrem Antrag fixe Steuersätze zur Besteuerung eines derartigen Ausgabegewinnes vor. Da gebe ich dem Kollegen Schreiner recht: Das kann zu Liquiditätsbelastungen im Unternehmen führen, die nicht zu bewältigen sein werden. (Abg. Dr. Kier: Er muß ja nicht, er darf!)

Ich weiß, es ist nur eine Optionsmöglichkeit, aber wäre es nicht besser, wenn man nicht auf fixe Steuersätze, sondern auf den Viertelsteuersatz abstellt? Damit wäre ein Problem gelöst. Wenn nämlich in einem Jahr ein Verlust entsteht, der mit dem Aufwertungsgewinn ausgeglichen ist, dann beträgt der Steuersatz durchschnittlich 20 Prozent, der Viertelsteuersatz entsprechend nur 5 Prozent. Viele Dinge wären noch zu feilen, viele Bestimmungen materiell-rechtlicher Natur stehen noch auf tönernen Beinen.

Wir werden sicherlich in eine Diskussion eintreten, um dieses Schilling-Eröffnungsbilanzgesetz 2000 im Rahmen eines gesamten steuerlichen Entlastungspaketes zu diskutieren. Ich hoffe, daß der Vorsitzende des Finanzausschusses Professor Nowotny diesen Antrag möglichst rasch auf die Tagesordnung setzt, damit wir endlich sehen, wohin die steuerliche Belastungsreise dieser Bundesregierung geht beziehungsweise ob wir bereit sind, im Interesse der österreichischen Wirtschaft und der österreichischen Arbeitnehmer endlich eine Steuerpolitik für alle zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.11


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 442/A dem Finanzausschuß zu.

4. Punkt

Erste Lesung des Antrages 465/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen in die Debatte ein.

Herr Abgeordneter Peter, Sie sind zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen als Erstredner das Wort.

18.12

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie nun noch mit einer Materie heute befassen, die wir Liberalen genau so wie Sie für besonders wichtig halten. Wir haben schon am Beginn dieser zwei Parlamentstage über die Jugendbeschäftigung gesprochen, und es ist meine feste Überzeugung, daß Probleme der Jugendbeschäftigung nicht durch kurzfristige Maßnahmen zu lösen sind, sondern daß wir tiefgreifende Reformen in der dualen Ausbildung machen müssen werden.

Wir geben heute für Sonderförderungen viele, viele hundert Millionen Schilling aus, mit dem Effekt, daß junge Menschen – Gott sei Dank! – zumindest kurzfristig einen Lehr- oder Ausbildungsplatz bekommen. Wir wissen aber genau, daß das Problem Ende des Schuljahres 1998 noch viel, viel drückender werden wird. Denn die Lehrlinge, die jetzt aufgenommen wurden, verbleiben drei Jahre im Betrieb. Was machen wir also mit jenen, die jetzt ein Jahr in der Schule "geparkt" sind? Dieses Problem müssen wir, glaube ich, tiefgreifend lösen.

Lassen Sie mich vorweg folgendes festhalten: Als jemand, der Lehrlingsausbildung seit über 25 Jahren mit wirklicher Überzeugung betreibt, weiß ich, daß dazu eine Menge Emotion gehört. – Es prüfe sich einmal jeder, was er durch unbedachte Aussagen und Interesse an parteipolitischem Kleingeld an dieser Emotion der lehrausbildenden Betriebe kaputtgemacht hat. Diesbezüglich möge sich jeder einmal prüfen! Ich werfe das niemandem vor. Aber prüfen Sie einmal die unbedachten Äußerungen, in Anbetracht welcher die Lehrausbilder, die Lehrherren oder Lehrfrauen, gesagt haben: Eigentlich habe ich das nicht notwendig.

Die Ausbildung eines Lehrlings ist viel mehr als ein Arbeitsverhältnis. Es handelt sich hiebei um die Auseinandersetzung mit einer jungen Persönlichkeit, mit einer jungen Frau oder einem jungen Mann mit all den Schwierigkeiten von pubertierenden Menschen, die es gibt. Das ist vielleicht der wichtigste Punkt in der Lehrlingsausbildung überhaupt, und die Mißachtung dieses Aspekts ist eine der größten Sünden, die begangen wurde. Das hat dazu geführt, daß heute die Anzahl der Lehrstellen – beziehungsweise eigentlich schon seit 1992, wir reagieren viel zu spät – zurückgegangen ist.

Der zweite Grund ist der oft diskutierte gesetzliche Rahmen, der dritte steht im Zusammenhang mit den Kosten, und der vierte ist die Qualifikation nach den Pflichtschulen.

Wir müssen also die Lehre in Form der dualen Ausbildung zu einem wirklich gleichberechtigten Pfeiler in die sekundäre Bildungsstufe stellen. Ich bin davon überzeugt, daß es in gar nicht so ferner Zukunft eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr geben wird, denn die Informationsgesellschaft in einem gemeinsamen Europa wird so schwierig und so komplex sein, daß wir ein Mehr an Grundausbildung brauchen werden, um diese Gesellschaft zu meistern.

Heute geht es um die drei Anträge, mit welchen wir das Berufsausbildungsgesetz ändern wollen. Es sind nur kleine Reparaturen, wir sind jedoch überzeugt, daß unter anderem – es gibt


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mehrere Gründe – gerade diese Punkte es sind, die die Ausbildung junger Menschen behindern.

Einerseits geht es um die Frage einer Verlängerung der Probezeit. Es ist unheimlich wichtig, daß, wenn für die Lehre ein geschütztes Ausbildungs- und Dienstverhältnis besteht, die Probezeit länger ist, damit der junge Mensch sich in dem Betrieb eingewöhnen kann und der Lehrherr entscheiden kann, ob er diesen jungen Mann oder diese junge Frau auf Dauer übernehmen kann und will.

Ferner geht es um die Frage des Versagens in der Schule: Einmal wird jeder in der Schule durchfallen dürfen. Ein nachhaltiges Versagen in der Schule kann jedoch nicht dazu führen, daß die Lehre fortgesetzt wird, wenn das Lehrziel nicht mehr erreichbar scheint. Also muß auch in diesem Fall eine Möglichkeit bestehen, das Lehrverhältnis zu lösen.

Der dritte Punkt betrifft die Frage der Behaltefrist, die überhaupt kein Problem bei den jungen Menschen darstellt, die sich in dem Beruf, den sie ergreifen wollen, bewähren. Die Behaltefrist stellt jedoch in dem Fall ein Problem dar, wenn man jemanden mit Müh und Not in der Schule über die Runden bringt und sich dann fragt: Warum straft mich der liebe Gott nach drei Jahren so, daß ich mich mit diesem jungen Menschen noch weiter abgeben muß?

Noch einmal zurück zur Emotion: Es gehört ein großes Herz dazu, junge Menschen auszubilden. Und wenn mir heute Lehrer nach 20 Berufsjahren erklären, wie ausgebrannt sie trotz 14 Wochen Urlaubs sind, dann muß ich sagen: Ich verstehe das eigentlich nicht. Wir haben, obwohl wir auch junge Menschen ausbilden, nicht 14 Wochen Urlaub im Jahr, sondern vielleicht drei oder vier. Wir setzen uns mit unseren fünf, zehn oder 20 Lehrlingen genauso auseinander, manchmal sogar viel intensiver als ein Lehrer in der Schule, und haben wenig Möglichkeiten, autoritär durchzugreifen. Ich bin allerdings davon überzeugt, daß das gar nichts nützen würde, denn die jungen Leute von heute sind super. Man muß nur in ihr Hirn vordringen, sie für voll nehmen und ihnen eine Möglichkeit der Identifikation geben.

Wir haben zum gleichen Zeitpunkt heute eine Vielzahl von Entschließungsanträgen eingebracht, 13 an der Zahl in den Wirtschaftsausschüssen, sechs im Unterrichtsausschuß, die sich mit genau demselben Thema beschäftigen, nämlich einer kompletten Reform der dualen Ausbildung.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie die duale Ausbildung nicht reformieren, werden Sie das Lehrlingsproblem nicht vom Tisch bekommen: Da können Sie die Betriebe mit Geld zuschütten, es wird jedoch keine wirkliche neue Dynamik in der Lehrausbildung eintreten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Haben Sie den Mut, reformieren Sie die Lehre! Setzen Sie eine dritte Säule in die sekundäre Bildungsstufe! Bringen Sie die Berufsschule in ein vollkommen neues Kleid, entkoppeln Sie die Lehrzeit und die Zeit der Berufsschule, dann wird die Verlängerung der Berufsschuldauer kein Thema sein!

Diese Entschließungsanträge dienen dazu, den Unterrichtsausschuß und den Wirtschaftsausschuß dazu zu bringen, einen gemeinsamen Unterausschuß einzusetzen, um dieses gesamte Thema der dualen Ausbildung auf parlamentarischer Ebene zu verhandeln. Die Sozialpartner sind dazu nicht mehr in der Lage. Wir im Parlament werden das in die Hand nehmen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gut ausgebildete und leistungsbereite Mitarbeiter stellen den wichtigsten Standortvorteil für die österreichische Wirtschaft dar. Die österreichischen Facharbeiter sind absolute Weltspitze. Das hat auch der letzte Wettbewerb in St. Gallen zutage gebracht: Mit vier Gold


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medaillen, zwei Silbermedaillen und drei Bronzemedaillen steht Österreich in der Nationenwertung wieder auf dem ersten Platz. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist tatsächlich großartig, was in den Ausbildungsbetrieben geleistet wird. Wir mußten aber zur Kenntnis nehmen, daß die Bereitschaft unserer Betriebe, Lehrlinge aufzunehmen, sinkt, und wir haben diese Problematik schon vor Jahren erkannt. Deshalb hat die ÖVP ein umfassendes Lehrlingspaket vorgeschlagen und vorgelegt. Die Maßnahmen, die wir vor dem Sommer gemeinsam beschlossen haben, waren ein wichtiges Signal und ein wichtiger erster Schritt. Und wenn die Lehrlingszahlen heute steigen, so beweist das, daß die Betriebe dieses Signal angenommen haben, daß sie dieses Bemühen anerkannt haben und daß die Wirtschaft bereit ist, einen Beitrag zur Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung zu leisten. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann müssen Sie sich die Zahlen selbst besorgen, sie liegen auf. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich hier und heute ausdrücklich bei den Betrieben bedanken, die immer wieder bereit sind, diese Herausforderung anzunehmen. Und es ist eine Herausforderung, Herr Kollege Peter, da gebe ich Ihnen vollkommen recht! (Beifall bei der ÖVP.)

Trotzdem müssen wir feststellen, daß die getroffenen Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichen, um alle Jugendlichen, die einen Lehrplatz suchen, auch auf einem Lehrausbildungsplatz unterzubringen.

Ich halte aber fest und nehme das für uns in Anspruch, daß wir bereits im Juni dieses Jahres darauf hingewiesen haben, daß wir unter Umständen nicht genügend Maßnahmen setzen konnten, um der Wirtschaft das Ausbilden leichter zu machen. Wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, daß viele aufgrund ihrer Betriebsstruktur mit dem vorhandenen gesetzlichen Korsett – innerhalb der geltenden gesetzlichen Bestimmungen – eine Lehrlingsausbildung in ihrem Betrieb tatsächlich nicht durchführen können. Es besteht also Handlungsbedarf.

Ich verstehe daher in dieser Situation die Rundumschläge des Herrn Gewerkschaftspräsidenten nicht, die er gestern hier gegen seinen eigenen Sozialpartner vom Stapel gelassen hat. Ich verstehe das nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe nicht, daß, wenn im guten Geist einer Partnerschaft versucht wurde, tagelang beziehungsweise wochenlang zu verhandeln, und wenn in einigen wenigen Branchen eine Einigung zustande gekommen ist, dann angeblich diese Einigung wieder in Frage gestellt wird. Dieses Vorgehen verstehe ich nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Mit einer Haltet-den-Dieb-Methode werden wir das Problem der Jugendlichen nicht lösen können. Nur mit gemeinsamer Anstrengung werden wir dieses so wichtige Ausbildungssystem weiterentwickeln können.

Heute stehen drei liberale Anträge zur Diskussion. Das ist eine gute Gelegenheit zu überlegen, wie wir dieses System gemeinsam weiterentwickeln und weitere Schritte zu einer Verbesserung dieses Systems gemeinsam setzen können.

Es gibt tatsächlich nach wie vor – in diesem Punkt bin ich auch der Meinung meines Vorredners – viel zu viele Bestimmungen, die kompliziert sind, die bürokratisch sind, die niemand versteht und die letztlich Betrieben die Chance nehmen, gesetzeskonform auszubilden.

Ein Punkt mag tatsächlich die lange Bindungsdauer sein, die ein Betrieb eingehen muß, wenn er einen Lehrvertrag abschließt. Viele scheuen zurück, weil sie noch nicht wissen, wie sich der Betrieb entwickeln wird, und weil sie auch nicht vorhersehen können, wie sich der Lehrling entwickeln wird. Es scheint daher tatsächlich sinnvoll zu sein, über eine Verlängerung der Probezeit nachzudenken und zu reden, um gegebenenfalls zögernden Betrieben die Scheu vor einer Lehrlingsaufnahme zu nehmen und so auch neue Betriebe in den Kreis der Ausbildungsbetriebe mit einzubeziehen, um aber auch den Lehrlingen die Chance zu geben, sich selbst länger zu prüfen, ob der Beruf für sie geeignet ist, sodaß sie nicht unnötig Zeit ihres Lebens verplempern.


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Die vorzeitige Lösung des Lehrverhältnisses bei Nichterreichen des Lehrzieles scheint uns allerdings zum gegebenen Zeitpunkt unter den jetzt geltenden Voraussetzungen nicht der richtige Weg und das falsche Signal zu sein. Mit unserem Vorschlag der Schaffung einer Teillehre wollen wir einen anderen Weg gehen. Wir möchten Jugendlichen unterschiedlicher Entwicklungsstufen die Möglichkeit bieten, einen Bildungsabschluß zu erreichen, der ihnen sonst verwehrt bleibt. Wir wollen mit diesem neuen Instrument aber auch jene Betriebe animieren, Jugendlichen eine Chance zu geben, die bisher von der Lehrlingsausbildung ausgeschlossen waren, weil sie das Berufsbild nur zum Teil vermitteln können. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies trifft etwa für den Selbstbedienungshandel oder die automatisierte Industrie, aber auch für jene neuen Gewerbe zu, die durch die Gewerberechtsnovelle Teilgewerbe sind. Auf diesem Gebiet soll der Jugend ebenfalls eine Chance gegeben werden, da gibt es die Möglichkeit einer Spezialisierung, und ich bitte daher, den Vorschlag der Teillehre wirklich ernstlich zu überlegen. Wir müssen vor allem aber sehr schnell darangehen, das Jugendlichenbeschäftigungsgesetz so zu ändern, daß wir Tausende Ausbildungsbetriebe nicht von vornherein ausschließen.

Ich fürchte, wir waren in diesem Zusammenhang wieder einmal – das gebe ich zu – EU-Umsetzungssieger. Wenn Brüssel vorschlägt, möglichst zwei aufeinanderfolgende Tage Freizeit zu gewähren, so verlangen wir, daß auch in Bereichen zwei aufeinanderfolgende Tage gewährt werden, wo es nicht möglich ist. Dafür gibt es viele, viele Bespiele, und wir alle kennen diese Beispiele. (Abg. Haller: Und warum haben Sie das so gemacht?) Es hat einmal ein weiser Mann – er war nicht aus Österreich, sondern aus Deutschland – gesagt: Es ist keinen Tag zu spät, gescheiter zu werden. Wir nehmen das jetzt für uns in Anspruch.

Wir haben heute einen entsprechenden Antrag eingebracht. Ich bitte auch die freiheitliche Fraktion, diesen Antrag genau zu studieren und diesem Antrag beizutreten. Wir laden jeden ein, mit uns gemeinsam dieses Problem zu lösen, weil das wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Jugendschutz ist ein Aspekt, und wir bekennen uns zu diesem Jugendschutz. Aber ideologische Bestemm-Haltung ist die andere Seite, und die versteht niemand. Sie nützt auch niemandem, am allerwenigsten nützt sie den Eltern, die für ihre Kinder einen Arbeitsplatz suchen. Der beste Jugendschutz, meine Damen und Herren, ist ein sicherer Arbeitsplatz. Viele Probleme entstehen erst gar nicht, wenn Jugendliche die Chance einer sinnvollen Beschäftigung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle sind aufgefordert, nach Kräften an der Lösung dieses Problems mitzuwirken. Ich sage an dieser Stelle auch sehr deutlich: Wir stehen nicht an, jene deutlich zu nennen, die bei der Lösung dieses Problems auf der Bremse stehen. Ich darf daher an alle in diesem Hohen Haus appellieren: Meine Damen und Herren! Bekennen wir uns zu unserem System der dualen Ausbildung, um das uns so viele in der Welt beneiden! Lassen wir die Jugend arbeiten! Werfen wir aber nicht unnötige Prügel auf jene, die wir als Partner und Ausbildungsbetriebe so dringend benötigen, räumen wir vielmehr jene Prügel weg, die heute noch auf dem Weg zu einer Lehrlingsausbildung, wie wir sie uns wünschen, liegen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

18.28

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn ein paar Bemerkungen zu meinem Vorredner machen, der natürlich von seiten der Wirtschaft und von seiten der Volkspartei auf die Vorschläge und Überlegungen hingewiesen hat, die in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gemacht wurden.

Ich glaube, wir sollten uns – und dazu bekenne ich mich persönlich – in der Frage der Lehrlingsausbildung hinsichtlich der weiteren Veränderungsschritte dazu bekennen, sachlich darüber zu diskutieren, einander zuzuhören und auch andere Standpunkte zu akzeptieren.

Zu dem Begriff "Teillehre" möchte ich bemerken: Es ist zuwenig, ein Konzept mit vier, fünf Sätzen darzustellen, beim welchem viele Fragen offenbleiben und nicht klar ist, in welchen


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konkreten Berufen es das geben soll, ob eine volle berufsschulbegleitende Ausbildung erfolgen soll, wie die Bezahlung ausschauen soll. Man nennt nur das Schlagwort "Teillehre" und glaubt, damit die Probleme zu lösen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Volkspartei! Wenn Sie Vorschläge haben, dann nennen Sie entsprechende Konzepte, von denen wir meinen, daß es sich auszahlt, darüber miteinander zu reden. Sie aber beschränken sich auf Schlagworte und sind dann vielleicht beleidigt, wenn man meint, daß das keine Diskussionsgrundlage ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Welche Vorschläge haben Sie?)

Ich glaube, daß die drei Anträge des Liberalen Forums, die derzeit zur Diskussion stehen, nämlich die Probezeit von zwei auf drei Monate zu verlängern, die Behaltezeit von vier auf zwei Monate zu verkürzen und das zweimalige Wiederholen einer Berufsschulklasse als Auflösungsgrund im Gesetz festzuschreiben, es wirklich wert sind, ein bißchen analysiert zu werden.

Ich möchte dies ganz seriös tun und mit dem dritten Punkt beginnen, der ja, wie wir gehört haben, auch nicht die Zustimmung der Volkspartei findet. Dieses Thema hat mich neugierig gemacht, und ich habe heute vormittag noch mit einigen Berufsschuldirektoren diese Frage telefonisch erörtert. Der erste Direktor einer Elektrotechnikerberufsschule hat mir beispielsweise gesagt: Seit 1956 ist er im Berufsschuldienst, und es hat bei 15 000 Schülern, die er schulisch begleiten durfte, nur einen einzigen Fall gegeben, daß ein Schüler tatsächlich zweimal eine erste Klasse besucht hat. Ansonsten hilft Förderunterricht, helfen Beratungslehrer, um zeitgerecht dafür zu sorgen, daß das Lehrziel bestmöglich zu erreichen ist.

Ein zweiter Berufsschuldirektor einer Metallarbeiterberufsschule mit Elektromechanikern hat mir gesagt, daß er überhaupt noch nie einen solchen Fall gehabt hat.

Dann bin ich allerdings bei einem dritten Direktor fündig geworden, der mir gesagt hat, daß das tatsächlich vorkommt. Er hat einen Fall unter 500 gehabt. Herr Abgeordneter Peter! Dieser eine Fall ist genau das Gegenbeispiel zu dem, was Sie gesagt haben. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß es keinen Sinn hat, jemanden auf einen Beruf festzunageln. Aber dieser eine, den mir der Direktor nannte, lernte Schlosser, ein Beruf, der eher handwerklich orientiert ist. Er hat tatsächlich zweimal die erste Klasse wiederholt. Er hat natürlich mit der zweiten Klasse die Schulpflicht beendet, ist trotzdem zur Lehrabschlußprüfung angetreten und hat sie bestanden. Das ist ein Beispiel dafür, daß es manchmal auch junge Menschen in Ihrem Sinne geben kann, die Motivation und viel Geduld brauchen, bei denen es dann aber doch geht.

Ich sage zu diesem Punkt abschließend: Wir haben den Bedarf nicht erkennen können. Aber ich gebe zu, daß es vielleicht Berufsbereiche gibt, wo das anders ist. In den Bereichen, in denen wir nachgefragt haben, ist genau das Gegenteil der Fall. Ich glaube also, daß dort, wo der Ausbildungserfolg nicht zu erwarten ist, eine vorzeitige Auflösung erfolgen soll, entweder in der Probezeit oder später. Daher sind meiner Meinung nach Gesetzesänderungen nicht unbedingt notwendig und derzeit sicherlich entbehrlich. Jedes fünfte Lehrverhältnis wird vorzeitig gelöst, die Zahlen kennen Sie bestimmt. Das ist, wenn es notwendig ist, möglich. Der Begriff "Pragmatisierung des Lehrlings" ist natürlich ein idealer Begriff, den man medial schön präsentieren kann, die Zahlen drücken aber eigentlich genau das Gegenteil aus.

Herr Abgeordneter Peter! Ich habe nicht die Erfahrung im Bereich der Lehrlingsausbildung, die Sie haben. 25 Jahre kann ich nicht anbieten, aber ich kann schöne sieben Jahre anbieten, in denen ich persönlich beruflich in der Berufsausbildungsberatung und im Lehrlingsjugendschutz tätig war, und ich habe mich immer mit den Problemen, die es gegeben hat, auseinandergesetzt, wenn etwa Lehrlinge gekommen sind und gesagt haben: Der Chef will mit mir nicht mehr. Ich habe dafür gesorgt, daß man sich im Betrieb zusammengesetzt und gemeinsam eine vernünftige, für beide Seiten zumutbare Lösung gefunden hat. Manchmal habe ich einem Lehrling vorgeschlagen, anderswo weiter zu lernen, manchmal hat man sich auch geeinigt, es noch ein paar Monate zu probieren, und oft hat das dann auch funktioniert. Ich meine, wir sollten diese Probleme auch künftig in diesem Sinne lösen.

In Oberösterreich beträgt die entsprechende Auflösungsquote 9 Prozent. Bei diesen neun Prozent halten einander einvernehmliche Auflösungen, solche, die durch den Betrieb erfolgt


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sind, und Auflösungen, die der Lehrling vornimmt, in etwa die Waage. Damit ist auch der Beweis erbracht, daß derzeit Möglichkeiten durch das Gesetz gegeben sind, Auflösungen auch während der Lehrzeit oder in der Probezeit vorzunehmen.

Vorarlberg: 11 Prozent Auflösungsquote, davon von 768 Auflösungen in einem Jahr: 134 in der Probezeit, 160 im Einvernehmen, 144 durch den Betrieb und 330 durch die Lehrlinge selbst, die erkannt haben, daß sie lieber etwas anderes machen möchten.

Wien: 17,2 Prozent Auflösungsquote, davon 33 Prozent, also ein Drittel der Auflösungen, in der Probezeit. Es zeigt sich also: Es besteht genug Spielraum, zu erkennen, ob es weitergehen oder ob man aufhören soll.

Ich glaube daher, daß die Probezeit derzeit ausreicht. Wir haben keinen besonderen Handlungsbedarf.

Es gibt aber auch Fälle, die uns manchmal ein bißchen Sorge bereiten. Einen davon möchte ich Ihnen kurz schildern: Es wurde eine sogenannte "Sonderprobezeit" vereinbart. Ein Mädchen sucht eine Friseurlehrstelle in Wien, findet einen Lehrbetrieb in der Inneren Stadt, und die Chefin sagt: Du kannst am 5. August dieses Jahres beginnen. Sie freut sich, sie hat ihr Problem gelöst, schließt die Schule ab und möchte im Monat vor dem 5. August noch ihre letzten Ferien machen. Da erhält sie einen Anruf des Betriebes: Wir brauchen dich eigentlich sofort. Hast du Zeit? Bist du da? Willst du nicht schon vorher ein bißchen aushelfen und mitarbeiten? – Das Mädchen sagt: Ja natürlich, warum nicht? Wie oft braucht ihr mich? Man einigt sich auf dreimal in der Woche.

Sie absolviert diese dreimalige Arbeit pro Woche. Einen Tag oder zwei Tage vor dem 5. August teilt die Chefin dem Mädchen jedoch mit: Ich habe es mir überlegt, ich brauche eigentlich gar keinen Lehrling. Und damit ist die Sache erledigt. Das Mädchen steht jetzt da, geht aufs Arbeitsamt und hört dort unter Umständen noch den Vorwurf: Jetzt kommst du erst? Hast du das nicht früher gewußt? Auf die Frage nach der Bezahlung dieser Schnupperzeit heißt es: Da gibt es keine. Es wurden dir ohnehin zweimal gratis die Haare gewaschen und geschnitten! Solche Fälle sind jetzt auch bei Gericht anhängig. (Abg. Dr. Trinkl: Was ist das für ein Niveau! Das sind doch Einzelfälle! Wo bleibt die Sachlichkeit? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das sind Fälle, von denen wir hören, keine Einzelfälle – ich bemühe mich wirklich um Sachlichkeit! –, und diese erschweren die Diskussion immer wieder. Wenn Sie es für nicht sachlich halten, sehr verehrte Kollegen, wenn man hier auch Fälle aufzeigt, die sich tatsächlich und nachweislich ereignen, dann frage ich mich, welchen Sinn die Diskussion für Sie überhaupt hat! Ich glaube, wir sollen uns gegenseitig Fälle aufzeigen, und wir haben heute auch mit Frau Kollegin Tichy-Schreder schwierige Fragen, zwar noch nicht endgültig, aber jedenfalls gemeinsam diskutiert. Es war auch zulässig, daß Ihre Fraktionskollegin in der Diskussion Einzelfälle genannt hat, um zu beweisen und zu dokumentieren, wie schwierig manchmal das Finden einer eigenen Haltung bei der Problemlösung ist. Ich verstehe Ihr Lachen in dieser Frage nicht! (Zwischenruf des Abg. Kopf. ) Ich bitte Sie wirklich, die Sachlichkeit nach Möglichkeit beizubehalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte nun noch einige Worte zum dritten Antrag sagen. Die Behaltezeit betrug drei Monate, derzeit beträgt sie vier Monate, wie wir wissen, und ich glaube, die Verlängerung seinerzeit war richtig. Ich habe ein bißchen im Protokoll der damaligen Diskussion geblättert: Als 1978 das Berufsausbildungsgesetz entsprechend novelliert wurde, gab es einige Wortmeldungen von Abgeordneten verschiedener Fraktionen zu diesem Thema, die die Verlängerung der Behaltezeit und damit die größere Arbeitsplatzsicherheit für den jungen ausgelernten Menschen sehr positiv dargestellt haben. Unter anderem hat das damals auch Kollege Höchtl ausdrücklich positiv gesehen.

Ich glaube daher, daß man über alle Vorschläge diskutieren sollte. Ich möchte noch ein Beispiel bringen, um zu beweisen, daß man manchmal auch mit Vorschlägen, denen man nähertritt, sichtlich nicht den Erfolg zustande bringt, den man sich wünscht: Ein großer Wunsch der Wirtschaft in der vergangenen Zeit, insbesondere in Wien, war es, den Blockunterricht anstelle


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der Tagesberufsschule in den Berufsschulen – dort wo es auch organisatorisch möglich ist – einzuführen. Wir haben lange darüber diskutiert. Ich sage ehrlich dazu: Es hat lange Widerstand der Gewerkschaften betreffend diesen Vorschlag gegeben. Wir haben letztendlich in einem Metallberuf, nämlich konkret bei den Spenglern – unter anderem in Wien – dann gemeinsam eine Lösung gefunden, und es wurde von den zuständigen Funktionären der Innung immer wieder betont, daß das die Möglichkeit zu mehr Lehrstellen entscheidend verbessert und dies auch anhand der Lehrlingsaufnahmezahl nachvollzogen werden kann.

Es gibt nun also den Blockunterricht. Das Ergebnis: Seit wir den Blockunterricht haben, ist die Anzahl der Lehrplätze, insbesondere der Lehranfänger, in diesem Jahr zurückgegangen. "Blockunterricht, dann mehr Lehrstellen" lautete das Versprechen, jetzt haben wir den Blockunterricht und weniger Lehrstellen. Das ist die Erfahrung, die wir machen mußten. Es zeigt sich, daß wir trotz mehr Lehrstellensuchenden bei den Spenglern weniger Lehrstellen haben, obwohl wir den Wunsch erfüllt haben, dessen Umsetzung uns von der Wirtschaft immer wieder als ganz wichtig signalisiert wurde. Wir halben also, wie ich meine, genug Zeit, aber auch genug Arbeit vor uns, um sinnvolle Veränderungen im Berufsausbildungsrecht auch künftig zu gestalten.

Ich möchte zum Abschluß noch eine Bemerkung zu einer Aussage machen, die gestern hier im Rahmen einer Diskussion vom Kollegen Schweitzer in einem Nebensatz gemacht wurde und die mich zugegebenermaßen ein bißchen gestört hat, weshalb ich ihm eine Antwort darauf geben möchte.

Kollege Schweitzer hat gesagt: Wir brauchen eigentlich keine Dummen, die gefördert werden. Er hat das im Zusammenhang mit der Lehrlingsförderung und mit der Jugendbeschäftigung gesagt. Ich meine, wir sollten uns da eher an der Meinung des Herrn Abgeordneten Peter orientieren, der gesagt hat, Jugendliche sind immer vollzunehmen, auch wenn sie vielleicht in ihrer Persönlichkeitsentwicklung einen Nachholbedarf haben oder in ihrem Schulerfolg Defizite aufweisen. Wir sollten gerade in der Lehrlingsausbildung nicht sagen, der Dumme ist selbst schuld, sondern wir sollten nachdenken, wie wir auch dem Dummen in Sinne des Abgeordneten Schweitzer helfen können.

Meine Fraktion wird diesen Weg auch weiterhin beschreiten, und wer bereit ist, auch in Hinkunft an der Verbesserung des Lehrlingswesens, an der Verbesserung der Berufsausbildung im Interesse unserer Jugend mitzuarbeiten, der findet bei uns immer ein offenes Ohr. (Beifall bei SPÖ.)

18.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.42

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Riepl! Zunächst eine Bemerkung zu Ihrer Anwort auf die Aussage meines Kollegen Schweitzer in der gestrigen Aktuellen Stunde, daß man die Dummen nicht fördern sollte. Ich glaube, mein Kollege Schweitzer hat das so gemeint, daß es natürlich für Schulabgänger, die ein positives oder sogar ein ausgezeichnetes Zeugnis haben, unverständlich ist, daß für sie, wenn sie eine Lehre angehen wollen, kein Lehrplatz gefördert wird im Gegensatz zu jemandem, der ein negatives Zeugnis hat. Um das richtigzustellen: Wir haben nichts gegen Jugendliche, die die schulische Reife nicht erreicht haben. Natürlich müssen wir uns auch um diese Jugendlichen kümmern und dafür sorgen, daß sie einen Lehrplatz bekommen.

Dem Kollegen Trinkl kann ich nur beipflichten, wenn er meint, bei der Anlehre gehört schon ein ordentliches Konzept her. (Abg. Murauer: Ein guter Vorschlag! – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )

Sie sind ja gefordert, Herr Kollege Trinkl, denn Sie sitzen in der Sozialpartnerschaft! Aber die hat in dieser Frage überhaupt nichts weitergebracht. Ihre Fraktion sitzt auch in der Bundesregierung. Auch die hat überhaupt nichts weitergebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da brauchen wir aber Vorschläge. Ich habe gewisse Vorstellungen, wo eine Teillehre, eine Anlehre vielleicht möglich ist, aber das muß einmal im Detail durchdiskutiert werden. Aber die


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Kollektivverträge werden alle in der Sozialpartnerschaft und nicht hier diskutiert. Diese ist daher gefordert, genauso wie die Bundesregierung! (Abg. Dietachmayr: Wissen Sie nicht, wie man Kollektivverträge abschließt?)

Herr Kollege Riepl! Sie sagten, daß kein Handlungsbedarf besteht, und schilderten uns hier, wie viele Lehrlingsverhältnisse aufgelöst wurden. Es interessiert eigentlich niemanden, wie viele Lehrlingsverhältnisse aufgelöst wurden, sondern es interessiert uns lediglich, wie viele Arbeitsplätze und Lehrstellen für die Jugendlichen geschaffen wurden und werden. Noch einmal: Es interessiert uns nicht, wie viele Lehrlingsverhältnisse – einvernehmlich oder auf anderem Wege – aufgelöst wurden. Wenn eine Ehe nicht klappt, dann wird sie auch aufgelöst. Das ist ganz klar. Das ist kein Frage.

Trotz der sich seit Jahren abzeichnenden katastrophalen Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt hat die Bundesregierung bisher nichts anderes getan als Maßnahmen angekündigt und Alibiaktionen gesetzt. Dies trifft für die Sozialpartner genauso zu. Die beflegeln sich gegenseitig, sind in ihren Türmen einbetoniert und bringen auch nichts weiter.

Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt und bei der Jugendbeschäftigung ist unterschätzt worden. Seit Jahren sind die Zahlen bei den offenen Stellen und auch bei der Lehrlingsanstellung rückläufig, aber nur in Vorwahlzeiten erinnert sich unser Bundeskanzler daran, daß auch er eine Verantwortung für unsere Jugend hat. Dies ist ihm zum Beispiel bei einem Wahlkampfauftritt in Klagenfurt zur Gemeinderatswahl am 9. März wieder zu Bewußtsein gekommen, und er hat dort gesagt, es müsse uns zu denken geben, wenn allein in Klagenfurt und Umgebung 280 Jugendliche keine Lehrstelle finden. Er wollte daher die Jugendarbeitslosigkeit mit einem Schwerpunktprogramm auf Regierungsebene bekämpfen. Geworden ist daraus überhaupt nichts. Lediglich eine halbherzige Novelle wurde hier im Juli beschlossen, nämlich das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz, das der Bezeichnung Schwerpunktprogramm in keiner Weise gerecht wird. Dies zeigen die Zahlen der Lehrstellensuchenden und offenen Lehrstellen sehr deutlich.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, woher Kollege Trinkl seine Zahlen hat, ich kann sie nirgends finden. Es ist einfach ein Wahnsinn: In diesen Reigen der haltlosen Versprechungen und Ankündigungen reihen sich natürlich auch Frau Sozialministerin Hostasch und auch Vizekanzler Schüssel ein. Ausgerechnet am Tag der Arbeit, am 1. Mai, sagte Schüssel zur arbeitsuchenden Jugend, daß er sich bis Ende Mai 2000 neue Lehrstellen erwartet. Wie schauen die Zahlen tatsächlich aus, Kollege Trinkl? In der Zeit von April bis Juni ist die Zahl der offenen Lehrstellen um 226 zurückgegangen, und es wurden um 96 mehr Lehrlinge eingestellt. (Abg. Dr. Trinkl: Bei uns ist die Schule erst im Juli aus!) Wo bleibt die Differenz? Da besteht doch eine große Differenz. Ich weiß nicht, woher du deine Zahlen hast. Das ist wirklich grandios. Diese Versäumnisse habt ihr zu verantworten.

Frau Bundesministerin Hostasch, Ihr Partner, teilte in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung mit, daß einer Erhebung der Bundeswirtschaftskammer zufolge bis Herbst 1997 mit etwa 3 600 zusätzlichen Lehrstellen im Bereich der Privatunternehmen zu rechnen sein wird. Die Realität ist wieder eine ganz andere, eine völlig andere! Laut einer Zeitungsmeldung des "WirtschaftsBlattes" vom 11. September 1997 wurden bisher durch die sogenannte Lehrlingsoffensive lediglich 250 Lehrstellen geschaffen. Das ist die Realität, Herr Kollege Trinkl! (Abg. Dr. Trinkl: Das ist nur die finanzielle Förderung!)

Aber das geht noch weiter. Erst am 15. September 1997 hat eine Besprechung über die Lehrplatzproblematik zwischen dem Sozialministerium und dem Arbeitsmarktservice stattgefunden. Endlich ist man einmal munter geworden und hat darüber gesprochen. Davor hat man ein paar Jahre geschlafen, obwohl man gesehen hat, welche Entwicklung sich da abzeichnet.

Jetzt soll jeder Lehrstellensuchende – das ist ausgemacht worden – im Herbst einen Ausbildungsplatz bekommen. Das Arbeitsmarktservice hat gesagt, das sei einfach nicht realisierbar, und ich glaube das auch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Weiters hat man bei dieser Besprechung vereinbart, in den nächsten sechs Monaten jedem Jugendlichen, der sich beim Arbeitsmarktservice meldet, irgendeine – irgendeine!, das muß kein Lehrplatz sein – Beschäftigung anzubieten. Das ist eine Möglichkeit, die Jugendarbeitslosigkeit unten zu halten. Aber die Qualität sinkt dadurch natürlich. Jemandem, der eine Lehre absolvieren will, ist damit nicht Genüge getan.

Meine Damen und Herren! Die Frau Sozialministerin hat angeregt, daß Jugendlichen eine Ausbildung angeboten werden sollte, auch wenn sie danach keine Chance haben, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Damit werden wir dasselbe Problem wie bei den arbeitslosen Lehrern heute haben. Schon seit fünf Jahren wissen wir, daß die Lehrer nicht unterzubringen sind. Es kann doch nicht so sein, daß jemand ausgebildet wird und dann hinterher keine Arbeit findet. Was hat denn das für einen Sinn? Man muß auch dafür die Rahmenbedingungen schaffen. In Wirklichkeit habt ihr überhaupt keine Rahmenbedingungen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgearbeitet, ihr setzt nur Alibimaßnahmen. (Abg. Dr. Puttinger: Wie schaut eure Lösung aus?)

In Wahrheit hat das Arbeitsmarktservice im heurigen Jahr überhaupt kein Budget dafür. Auch für die Förderung der Privatwirtschaft, die Lehrlinge einstellen sollte, hat sie kein Budget, sondern sie muß auf das nächste Jahr, auf 1998 vorgreifen. (Abg. Dr. Puttinger: Macht einen Vorschlag! Wie schaut die Lösung aus, Herr Kollege?)

Ich sitze nicht in der Regierung. Wenn wir in der Regierung sind, machen wir das auf jeden Fall besser. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dr. Puttinger: Einen Vorschlag könnten Sie doch machen! Haben Sie keinen?)

Wir müssen das noch einmal durchprobieren. Uns hört ihr nicht einmal an! Wenn wir einen Vorschlag einbringen, so wird er von Haus aus niedergestimmt. Der passiert ja nicht einmal den Ausschuß, sondern wird schon vorher abgelehnt, so wie es beim Jugendbeschäftigungsgesetz im Sommer der Fall war. Da seid ihr von der ÖVP dreimal umgefallen.

Es werden da einfach Maßnahmen vorgegaukelt, Maßnahmen, die in Wirklichkeit gar nicht stattfinden können. Auch die Hotline, die Sie für die Jugend eingerichtet haben, hat sich als großer Flop erwiesen. 108 Jugendliche haben sich gemeldet, und 181 waren vorher schon beim Arbeitsmarktservice gemeldet; genau 27 bleiben übrig. Also was soll das Ganze?

Im öffentlichen Dienst wurden in der Vergangenheit Lehrstellen geschlossen, und für die Privatwirtschaft existieren Rahmenbedingungen, die das Interesse, Lehrlinge auszubilden, sinken lassen. Die Bundesregierung und die Sozialpartner sind nicht in der Lage, auf die durch den Wandel der Zeit und durch die neuen Technologien entstandenen Anforderungen mit entsprechenden Rahmenbedingungen zu reagieren, die Berufsbilder so zu gestalten, daß der Lehrberuf wieder attraktiv wird.

Auf die Veränderungen der Technologie haben Sie überhaupt noch nie reagiert. Wie viele Berufsbilder haben wir denn? Sie wissen das genau: zirka 240. Aber da ist überhaupt nichts weiter getan worden. Denken Sie einmal darüber nach, welche neuen Berufsbilder geschaffen werden könnten und welche gestrichen werden sollen! (Abg. Dr. Trinkl: Drei sind neu dazugekommen!) Wachen Sie endlich auf! Es ist höchste Zeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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18.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Haller. (Rufe: Sie ist nicht da!) Bei Aufruf ... (Abg. Haller kommt in diesem Augenblick in den Sitzungssaal gelaufen.) Sie haben schon ein großzügiges Präsidium, Frau Abgeordnete. (Heiterkeit. – Abg. Haller, auf dem Weg zum Rednerpult: Ich weiß das zu schätzen, Herr Präsident, aber es war nicht vorauszusehen, daß ich jetzt drankomme!) Ja, es ist nicht alles in diesem Haus vorauszusehen. (Neuerliche Heiterkeit.)

Frau Abgeordnete, Sie sind nun am Wort. Ihre freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 8 Minuten.

18.50

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ganz typisch, wie die Debatte heute, bei der es sich um erste Lesungen handelt und wo man wirklich sachlich bleiben sollte, abläuft. (Abg. Fuchs: Woher wissen Sie das?) Kollege Peter hat es bereits gesagt: Seit dem Jahr 1992 ist die bedrohliche Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt abzusehen, und heute ist es bereits fünf nach zwölf.

Wenn ich die Wortmeldungen meiner Vorredner von ÖVP und SPÖ vor meinem geistigen Auge vorüberziehen lasse, dann wird mir bloß aufgrund dieser beiden Wortmeldungen ganz klar, warum wir heute diesen Stand haben und warum es eigentlich bereits fünf nach zwölf ist.

Kollege Trinkl von der ÖVP hat bereits einmal eine sachlich fundierte, auch von meiner Seite zu unterstützende Wortmeldung bezüglich Änderungen im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz abgegeben – es sind darin teilweise unsinnige Vorstellungen verankert –, und auch heute wieder wäre am sachlichen Inhalt seiner Rede von meiner Seite aus kaum etwas auszusetzen, wenn – ja wenn! – er natürlich in seiner Situation nicht Schönfärberei hätte betreiben müssen wegen der Reparaturmaßnahmen, die man heuer zu setzen versucht hat.

Zu den Ausführungen des Kollegen Riepl von der SPÖ muß ich hingegen sagen: Er hat immer wieder die Sachlichkeit seiner Ausführungen betont, aber in Wirklichkeit hat er von diesem Pult aus wieder einmal versucht, Klassenkampf pur zu betreiben. So kann es doch bitte nicht weitergehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Riepl. )

Herr Kollege! Sie haben gesagt, Sie kennen einen Fall, wo ein Lehrling die erste Klasse zweimal machen mußte. Ich kann Ihnen einen weiteren Fall anbieten. In unserem Betrieb, der seit über 50 Jahren ein Familienbetrieb ist und seit über 50 Jahren Lehrlinge ausbildet – früher waren es drei, dann zwei, einen bilden wir nach wie vor noch aus (Abg. Riepl: Warum nur einen?)  – hatten wir vor kurzer Zeit einen Lehrling, und zwar einen weiblichen Lehrling, die nicht nur die Schule nicht geschafft hat, sondern auch noch dazu vor zehn Uhr vormittags zur Arbeit nicht erschienen ist, wenn sie überhaupt erschienen ist. Wenn sie gekommen ist, war sie total unausgeschlafen und teilweise noch high. Auch die Einschaltung der Arbeiterkammer, wo man versucht hat, auf eine gemeinsame Lösung mit Eltern, Lehrling und dem Betrieb zu kommen, hat nichts genützt. (Zwischenruf der Abg. Huber. ) Ich erzähle das nur deshalb, weil Sie mit solchen herausragenden Einzelfällen angefangen haben. – Wir mußten sie dann noch die anschließenden vier Monate behalten. Wir konnten dann den Kompromiß treffen, daß sie während dieser vier Monate Behaltefrist statt 38,5 Stunden nur mehr 30 Stunden zu arbeiten braucht, damit die Madame erst um elf Uhr vormittag im Betrieb erscheinen muß, um wenigstens die Chance zu haben, daß sie dann arbeitsfähig war. Auch so schaut die Realität aus, meine lieben Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese drei Anträge des Liberalen Forums, die uns hier heute vorliegen, haben meiner Meinung nach absolute Berechtigung, daran gibt es nichts zu rütteln. Aus der Sicht des Praktikers sind die drei Punkte, die in diesen drei Anträgen angeschnitten werden, höchst reparaturbedürftig, denn sie stellen ein Hemmnis in der Praxis dar, und dieses Hemmnis ist sehr oft dafür verantwortlich, daß Wirtschaftstreibende einfach keine Lehrlinge mehr anstellen können, und zwar nicht deshalb, weil es keine Arbeit mehr für die Lehrlinge gibt, und nicht deswegen, weil die Wirtschaftstreibenden nicht mehr ausbilden wollen, sondern weil es wirtschaftlich nicht mehr möglich ist.

Was wurde dagegen unternommen? Sie haben heuer im Frühjahr ein Lehrlingspaket vorgelegt, das eigentlich nur ein Flickwerk darstellt. Warum denn? Zuerst hat es einen Gesetzentwurf gegeben, dann hat man sich nur mehr auf einen Initiativantrag einigen können. Das ist halt das Problem in Österreich mit dieser Koalitionsregierung: daß man sich auch dann, wenn Feuer auf dem Dach ist, so wie es im Lehrlingsbereich von niemandem mehr bestritten wird, nicht darauf einigen kann, zielführende Reparaturen durchzuführen. Die Gesetzesbasis fehlt einfach; Kollege Peter hat das bereits angeschnitten.


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85. Sitzung / Seite 147

Von Herrn Kollegen Trinkl wurden die Maßnahmen, die man gesetzt hat und die mit 1. Juli in Kraft getreten sind, so gelobt, und er hat gemeint, daß die Bemühungen des Arbeitsmarktservices und der Wirtschaftskammer gegriffen hätten. Dazu muß ich sagen: Ja, ein bißchen schon, aber das ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und es löst die echte Problematik nicht, darüber sind wir uns doch im klaren!

Also es wird uns nichts anderes übrigbleiben – wenn es uns ernst ist! –, als ein Paket zu schnüren, aber ein großes. Das ist der einzige Kritikpunkt, den ich in dieser Hinsicht an die Liberalen richten muß: Diese drei Anträge haben volle Berechtigung, ohne Zweifel, aber sie stellen in dem ganzen Lehrlingsbereich nur ein Segment an Korrekturen, die zu machen wären, dar.

Es wäre zum Beispiel eine sofortige Reparatur des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes in der Hinsicht notwendig, daß man zumindest das repariert, was man im Juli verpatzt hat, nämlich daß Lehrlinge am Montag nicht mehr arbeiten dürfen, daß man die Lehrlingsentschädigung von der Kommunalsteuer entsteuert, vom Dienstgeberbeitrag, vom Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, daß man die Schutzbestimmungen insgesamt überarbeitet, daß Investitionsfreibeträge für jene Anschaffungen in den Betrieben, die der Ausbildung dienen, schafft, daß man, wenn man wirklich will, daß Lehrlinge aufgewertet werden, aber auch überlegt, die Lehrlinge bei der Sozialversicherung der Erziehungsberechtigten miteinzubeziehen. Warum kann man das bei Lehrlingen nicht? Bei Studenten und AHS-Schülern ist das doch selbstverständlich.

Aber auch am Ausbildungsniveau ist etwas zu verändern. Das fängt bereits in den Pflichtschulen an; mein Kollege Schweitzer hat gestern in der Früh bereits darauf hingewiesen. Auch die Reform des Berufsschulwesens steht an: Blockunterricht dort, wo es für die Betriebe sinnvoll ist.

Das wären aus unserer Sicht die Punkte, bei denen man insgesamt ansetzen muß. Ich habe aber nichts dagegen, wenn man irgendwo einmal einen Anfang macht. In diesem Sinne gebe ich von meiner Seite aus die Zustimmung für die Anträge des Liberalen Forums. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich als nächster Herr Abgeordneter Gaugg. – Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihrer Fraktion als Ganzes nur mehr 7 Minuten zur Verfügung stehen.

18.59

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Es grüßt der Frust aus Rust! Wir haben am Ende der Parlamentstagung im Sommer hören können, welche grandiosen Ereignisse in Rust stattgefunden haben, unter anderem auch die Aussage: Jeder Lehrling wird im Herbst einen Arbeitsplatz haben! – Enttäuscht von dieser Regierung kann aber nur der sein, der sich etwas erwartet.

Es ist halt wieder einmal passiert, daß sich ein Ankündigungsriese als Umsetzungszwerg erwiesen hat. Und die traurigste Figur macht dabei der ÖAAB. Er duckt ab vor Stummvoll und Maderthaner, er geht in die Knie, man hört nichts. Die wenigen noch verbliebenen Interessensvertreter oder Arbeitnehmervertreter in der ÖVP schweigen, ja sie gehen sogar noch weiter. Ich bin wirklich weit davon entfernt, auf einer Linie mit dem Herrn Verzetnitsch zu sein, aber er hat gestern in seiner Wortmeldung schon recht gehabt, denn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, die im Frühjahr Beträge in Millionenhöhe für die Lehrlingsförderung beschlossen haben, sind gescheitert.

In Wahrheit scheint nicht der finanzielle Anreiz entscheidend zu sein, sondern es gibt halt viele Hemmnisse, Regelungen, die veraltet sind und die wir wegräumen müssen. Tatsache ist auch, daß gerade ÖVP-Unternehmer nach wie vor trotz Millionenzuschüssen nicht bereit sind, Lehrlinge einzustellen. Und die Klagenfurter haben, wie wir schon vom Kollegen Dolinschek gehört haben, Herrn Bundeskanzler Klima schon damals, im März, als er gemeint hat, er werde


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85. Sitzung / Seite 148

Lehrstellen schaffen, nicht geglaubt. Damals hat die SPÖ in Klagenfurt eine fürchterliche Abfuhr erlitten. Das war die erste Antwort auf seine gesamte Regierungspolitik. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren von der SPÖ: Mit Problemverschiebungen, mit Denk- und Handlungslähmungen, wie sie teilweise stattfinden, werden Sie die Zukunft für unsere Jugend nicht meistern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo sind die versprochenen 5 600 zusätzlichen Schulplätze für jene Lehrlinge, die keinen Ausbildungsplatz finden? – Tatsache ist, daß wir im Jahre 1996 noch doppelt so viele Lehrstellenangebote hatten wie heuer, und Tatsache ist, daß wir jetzt doppelt so viele Lehrstellensuchende haben wie im Vorjahr. Eine größere Minusbilanz in diesem Bereich kann man wirklich nicht haben!

Sie bringen in der Pensionsreform nichts weiter, und Sie bringen auch im zweitwichtigsten Thema, im zweiten medial bearbeiteten Thema, nämlich in der Jugendbeschäftigung, nichts weiter. Ich zweifle mit meiner gesamten Fraktion auch an der Ernsthaftigkeit der Umsetzung.

Sie sind große Sprechblasenerfinder. In Wirklichkeit haben Sie überhaupt nichts zusammengebracht, null, nichts, nein! Sie sind nicht einmal in der Lage, die Medien zu lesen, sonst würden Sie wissen (der Redner hält einen Zeitungsartikel in die Höhe), daß die Textilindustrie dringendst Lehrlinge sucht! Nicht einmal das wissen Sie. Aber später werden Sie es wieder auf Ihre Kappe schreiben und sagen, das war Ihr Erfolg! In Wirklichkeit erkennt die Industrie, daß sie Arbeitskräfte braucht, aber Sie wissen das bis zum heutigen Tag nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es kann und darf nicht so sein, daß eine Koalition noch immer auf Gedeih und Verderb zusammenhält, damit nur ja keine frischen Kräfte und neuen Ideen zum Zug kommen. Ihr seid ja wirklich nur mehr Ertrinkende! Das ist in Wahrheit insbesondere die Politik der ÖVP. Enttäuscht bin ich von der SPÖ, weil sie bei diesem Kasperltheater mitmacht. Sie hätte schon längst einen gemeinsamen Weg mit der FPÖ suchen müssen. Das sage ich Ihnen hier in aller Deutlichkeit. Bei dieser ÖVP fragt Kollege Puttinger nur: Wo sind denn die Lösungen? – Da kann ich nur sagen: Wählen Sie einmal uns, dann werden Sie wissen, wo die Lösungen sind! Bauen wir die Bürokratie ab, senken wir die Steuern, räumen wir die Hemmnisse weg, dann werden wir alle Lehrlinge unterbringen, die eine Stelle brauchen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. ) Das sage ich Ihnen in dieser Deutlichkeit.

Ich sage Ihnen noch etwas: Jetzt gibt es Förderungen in Millionenhöhe für die Unternehmer, und sie stellen trotzdem keine zusätzlichen Lehrlinge ein. Wir werden die Bindungsdauer kürzen, wir werden die Probezeiten verlängern, aber trotzdem werden sie keine Lehrlinge einstellen, weil sie sie nicht haben wollen. In Wahrheit läge es aber in der Verantwortung gerade der politischen Mandatare, die in der Wirtschaftskammer sitzen oder auch in anderen Bereichen verantwortlich tätig sind, etwa in den Sozialversicherungsanstalten, wieder einmal Lehrlinge einzustellen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn Sie das tun, meine Damen und Herren von der Wirtschaftskammer, dann werden wir Sie wieder ernst nehmen, aber das wird sicher nicht mehr in dieser Legislaturperiode der Fall sein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

19.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Blünegger. Restredezeit: 2 Minuten. Damit ist dann die Redezeit Ihres Klubs aufgebraucht.

19.04

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Trinkl hat in seinen Ausführungen hier etwas gebracht, was mich wundert. Er ist ja bei der Bundeswirtschaftskammer angestellt, er ist dort praktisch Bezirksstellenleiter. Die verschiedenen Funktionäre der Bundeswirschaftskammer machen nämlich Aussagen, in denen sie auffordern, keine Lehrlinge einzustellen. – Das ist Ihre Institution, Kollege Trinkl, und ich würde mich schämen, überhaupt


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dort dabeizusein! (Abg. Dr. Trinkl: Langsam, langsam!) Solche Aussagen werden dort getätigt. So sieht die Lehrlingsproblematik heute in diesem Land, in diesem Staat aus!

Das Liberale Forum hat drei Anträge dazu eingebracht. Es ist für mich keine Glaubensfrage, ob die drei Monate Verlängerung der Probezeit eine Rolle spielen oder nicht. Es ist für mich auch die Aufweichung der Bestimmungen über die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung keine Glaubensfrage. Es ist aber auch jetzt schon möglich, Lehrlingsverhältnisse aufzulösen, ohne daß man irgendwelche Schwierigkeiten dabei hat. Wenn nämlich der Lehrling die entsprechende Ausbildung nicht absolviert und keinen entsprechenden Erfolg nachweist, dann ist es auch heute schon jederzeit möglich, das Lehrverhältnis zu lösen.

Zu den verschiedenen Zahlen, die ich vom Kollegen Trinkl gehört habe, möchte ich in der Zeit, die ich zur Verfügung habe, ganz kurz etwas aufklären. Vielleicht hat er seine eigenen Statistiken, aber es gibt eine offizielle Statistik vom 4. September 1997, die folgendes beinhaltet:

August 1995: 6 404 offene Lehrstellen, 6 421 Lehrstellensuchende, also noch relativ wenige. August 1996: 3 867 offene Lehrstellen, 8 753 Lehrstellensuchende. August 1997: 3 594 offene Lehrstellen, 10 186 Lehrstellensuchende. – Wenn das die richtigen Zahlen sind, dann möchte ich wissen, Kollege Trinkl, woher Sie die von Ihnen genannten Zahlen genommen haben.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Anton Blünegger (fortsetzend): So wie "Die Presse" in einem heutigen Artikel betreffend Lehrlinge schreibt, möchte ich zum Abschluß sagen: Der Schmäh der Bundesregierung und der Sozialpartner ist gegeben. – Aber wir Freiheitlichen bieten den Lehrlingen eine Chance! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

19.0


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7

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Den Antrag 465/A weise ich dem Wirschaftsausschuß zu.

5. Punkt

Erste Lesung des Antrages 466/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Es liegen keine Wortmeldungen dazu vor, sodaß ich den Antrag 466/A sogleich dem Wirtschaftsausschuß zuweise.

6. Punkt

Erste Lesung des Antrages 467/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969 (BGBl. 1969/142) in der geltenden Fassung geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen weiters zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Es liegen auch hiezu keine Wortmeldungen vor.

Ich weise daher sogleich den Antrag 467/A dem Wirschaftsausschuß zu.

7. Punkt

Regierungsvorlage: Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich (844 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen daher zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Von der Vorberatung in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Ich korrigiere mich, er ist zwar zu Wort gemeldet, aber es gibt keine Redezeit mehr für den Klub.

Nächster Redner ist daher Herr Abgeordneter Sigl. – Bitte.

19.08

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich ist Mitglied der Internationalen Fernmeldeunion, deren Rechtsgrundlage der Internationale Fernmeldevertrag ist. Er regelt auf weltweiter Basis die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Fernmeldewesens.

Die Internationale Fernmeldeunion wurde 1865 als Welttelegraphenverein gegründet, ist seit 1947 eine Spezialorganisation der Vereinten Nationen und stellt die älteste zwischenstaatliche Organisation dar. Sie hat ihren Sitz in Genf und zählt derzeit 184 Mitgliedsländer. Ihr Ziel besteht in der Erleichterung der friedlichen Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern durch einen leistungsfähigen Fernmeldedienst.

Der Internationale Fernmeldevertrag wurde 1992 in Genf überarbeitet. Die 1994 in Kyoto beschlossenen Änderungen von Satzung und Vertrag sollen für Österreich in Kraft gesetzt werden. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr ist zum Vollzug des Vertrages ermächtigt worden. Der Vertrag bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat. Meine Damen und Herren! Um bei der Ende Oktober 1997 stattfindenden Konferenz das Stimmrecht nicht zu verlieren, ersuche ich Sie, diesem Staatsvertrag Ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils den Platz einnehmen zu wollen.

Gemäß § 65 der Geschäftsordnung gelangen wir zur Abstimmung über den Staatsvertrag, nämlich Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich in 844 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vertragswerk die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht mit Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung darüber, daß dieses Vertragswerk gemäß Artikel 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes dadurch kundzumachen ist, daß es im Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden aufliegt.

Wer diesem Antrag die Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch diese Zustimmung erfolgt stimmeneinhellig. Angenommen.


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Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Vorgänge bei der Vergabe des automatischen Ökopunktesystems.

Da dieser Antrag inzwischen an die Abgeordneten verteilt wurde, braucht eine Verlesung durch den Schriftführer nicht zu erfolgen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Kollegen betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG zur Untersuchung der Vorgänge bei der Vergabe des automatischen Ökopunktesystems

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung der Vorgänge bei der Vergabe des Auftrags zur Errichtung eines automatischen Ökopunktesystems durch das Verkehrsministerium wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus 12 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 LIF, 1 Grüne besteht."

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 2 iVm § 57a und b GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen in die Debatte ein.

Gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit pro Redner 5 Minuten. Dem Erstredner stehen allerdings 10 Minuten zur Verfügung.

Das Wort erhält als Antragsteller Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Bitte, Herr Abgeordneter. 10 Minuten Redezeit.

19.12

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Freiheitlichen haben wieder einmal recht behalten. (Abg. Wabl: Ach!) Wie immer, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben bereits im Jahre 1996 dieses Thema diskutiert. Wir haben den damals zuständigen Bundesminister Scholten darauf aufmerksam gemacht, daß bereits vor der Ausschreibung Unregelmäßigkeiten erfolgt sein könnten. Im Mai 1996 haben wir eine Anfrage an den zuständigen Minister gerichtet. Am 23. Mai 1996 gab es eine Besprechung der Anfragenbeantwortung. Dabei haben wir genau angegeben, wo unserer Meinung nach die Fehlleistungen lagen. Wir haben angegeben, daß die Ausschreibungsunterlagen bedenklich waren.

Damals war die arrogante Reaktion des Herrn Bundesministers Scholten folgende: Nachdem wir Einzelheiten dargelegt hatten, hat Herr Bundesminister Scholten sich am Ende der Debatte zu Wort gemeldet – wie gesagt, das war vor der Ausschreibung – und gemeint – und ich zitiere jetzt aus dem Protokoll vom 23. Mai –: "Ich darf Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß ich – beruhigt über die Qualität der Vorarbeiten – morgen die Ausschreibung aussenden werde." – Zitatende.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die "Qualität der Vorarbeiten" hat sich nun herausgestellt. Die Qualität war sehr bedenklich. Die Qualität ist schlecht, und Bundesminister Scholten hat sich damals mit diesem Thema leider nicht befaßt.

Es steht noch etwas Bemerkenswertes in diesem Protokoll, meine sehr geehrten Damen und Herren. Nach dieser Aussage des Herrn Bundesministers Scholten steht: "(Beifall bei SPÖ " – was klar ist – "und ÖVP. ) "

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben daher überhaupt keinen Anlaß, gestern und heute scheinheilig Presseaussendungen zu machen, in denen Sie sich "bestürzt" darüber äußern, was damals passiert ist. Herr Kollege Kukacka und Frau Kollegin Rauch-Kallat! Sie haben das mitzuverantworten! Sie haben damals zugestimmt! Lesen Sie im Protokoll vom 23. Mai 1996 nach, was Ihre Redner damals, als wir das Problem aufgezeigt haben, gesagt haben. Sie haben das auch mitzuverantworten, und Sie sollten wenigstens heute mit der Zustimmung zu unserem Antrag die Möglichkeit dazu geben, daß vielleicht doch noch Licht in diese Sache gebracht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen, was mittlerweile passiert ist. Das Bundesvergabeamt hat mit Bescheid vom 9. April 1997 festgestellt, daß der Zuschlag nicht dem Bestbieter gegeben wurde. Dabei handelt es sich aber nicht um Fehlleistungen, bei denen man sagen könnte, es sind Fehler passiert, die entschuldbar sind, sondern die Bescheidbegründung ist eindeutig. Und das Verhandlungsprotokoll sagt noch mehr darüber aus. Es besteht der Verdacht, daß hier bewußte Manipulationen vorgekommen sind. Es besteht der Verdacht, daß es Weisungen aus dem Bundesministerium für Verkehr gab, die ungesetzlich waren. Daher ist die politische Verantwortung zu klären.

Für den Fall, daß Sie diesen Bescheid nicht kennen und vielleicht wieder einmal sagen: Na ja, das ist typisch freiheitlich, die Freiheitlichen wollen da irgendeinen Skandal provozieren!, darf ich Ihnen einige wenige Sätze aus diesem Bescheid näherbringen.

In diesem Bescheid steht zum Beispiel, daß Alternativangebote – nämlich von demjenigen, der dann den Zuschlag erhalten hat, nämlich von der Firma Kapsch – preislich nicht beziffert waren. Es steht dort weiters – und ich darf das wortwörtlich zitieren –: "Im Rahmen dieser Angebotseröffnung wurde ein im Begleitschreiben des Angebotes der Firma Kapsch enthaltener Preisnachlaß von 5 Millionen Schilling nicht verlesen." – Ich meine, es ist doch sehr aufklärungsbedürftig, daß ein Preisnachlaß von immerhin 5 Millionen Schilling – das ist ja keine Kleinigkeit! – nicht verlesen wurde.

Es wird weiters festgestellt, daß gemäß § 10 Abs. 4 jemand, der vorher tätig war, der vorher einen Auftrag in dieser Angelegenheit bekommen hat, von der Angebotslegung auszuschließen ist. – Es steht daher weiters in dieser vorliegenden Bescheidbegründung: "Der § 10 Abs. 4 geht in seinem Wortlaut vom Regelfall aus, daß die Beteiligung eines Unternehmens an den Vorarbeiten zu einer Ausschreibung üblicherweise Wettbewerbsvorteile auslöst."

Das wird dann weiter ausgeführt und festgestellt, daß es diese Wettbewerbsvorteile für die Firma Kapsch gegeben hat. Und es wird weiters festgestellt, daß es keine Vorkehrung gegeben hat, diese Wettbewerbsvorteile auszuschließen. Es wird dann wortwörtlich festgestellt – ich zitiere –: "Und damit liegt unbestreitbar ein erheblicher Wettbewerbsvorteil und ein erheblicher Wettbewerbsvorsprung fest." – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das ist unter Aufsicht des Bundesministeriums für Verkehr, der Bundesminister Scholten und anschließend Einem geschehen!

Es wird weiters darauf hingewiesen, daß bei Angebotseröffnung die Angebote zu kennzeichnen und so zu verwahren sind, daß es nachträglich auszuschließen ist, daß es Veränderungen geben kann. Und im Bescheid steht eindeutig, daß das in diesem Fall nicht geschehen ist. Es steht eindeutig darin, daß die Angebote nur so aufgehoben wurden, daß es nicht auszuschließen ist, daß es nachträglich Veränderungen gegeben hat.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist interessant, daß dieses Angebot durch eine Lochung gekennzeichnet wurde und daß dann gerade jene Seiten, die wesentlich dafür waren, daß der Firma Kapsch der Zuschlag gegeben wurde, eine völlig andere Lochung aufgewiesen haben als das ursprüngliche Angebot und daß gerade jene Seiten, die für den Zuschlag an die Firma Kapsch ausschlaggebend waren, eine andere Maschinenschrift aufgewiesen haben als die ursprünglichen Seiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welchen Beweis brauchen Sie noch, daß es da eventuell zu Manipulationen gekommen ist? – Das ist doch aufklärungsbedürftig! Da hat es unter Umständen einen Betrug gegeben. Wir können in diesem Haus nicht einfach die Augen davor verschließen und sagen: Das alles geht uns nichts an, da ziehen wir keine Konsequenzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einen weiteren wichtigen Hinweis gibt es in diesem Bescheid. Es wird nämlich darauf hingewiesen, daß die Alternativangebote, bei denen keine Preisvorstellung genannt wurde, vom 15. Juli 1996 stammen. – Ich wiederhole: Alternativangebote ohne Preisdarstellung vom 15. Juli 1996!

Aber – oh Wunder! – einige Zeit später taucht das Alternativangebot mit einer Preisangabe auf, und interessanterweise hat dieses Alternativangebot das Datum 14. Juli 1996, also von einem Tag früher als das Angebot ohne Preis.

Ursprünglich war nichts vorhanden, das ursprüngliche Angebot hatte ein späteres Datum. Irgendwie, auf wundersame Weise, kommt ein Alternativangebot in diesen Akt, das ein ganz anderes Datum trägt. – Meine Damen und Herren! Ist das nicht doch auch für Sie ein Hinweis darauf, daß es da vielleicht Mißbräuche gegeben hat? Ich jedenfalls meine, daß wir in diesem Hohen Haus die Verpflichtung haben, das aufzuklären.

Weiters ist sehr interessant, daß es Weisungen des Verkehrsministeriums gegeben hat, nämlich dahin gehend, daß bei der Präsentation der Prüfungsergebnisse der Bericht, obwohl er vorbereitet war, nicht verteilt wurde. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wurde da gespielt? Wir verlangen Aufklärung! Und es ist Ihre politische Verantwortung, uns dabei zu helfen!

Die ÖVP könnte jetzt beweisen, daß sie ihre heutigen und gestrigen Presseaussendungen, die sehr vollmundig waren, auch ernst nimmt. Herr Kollege Kukacka! Ich erwarte mir von Ihnen, daß Sie heute zustimmen, oder Sie haben ein für allemal unter Beweis gestellt, daß Sie zwar großartig Presseaussendungen machen, aber dann die Sache nicht ernst nehmen – so wie damals, als Sie Applaus gespendet haben. Nehmen Sie einmal Ihre Verantwortung als Abgeordneter dieses Hauses ernst! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich erwarte mir eigentlich auch von den Sozialdemokraten, daß sie zustimmen. Wenn Sie das Verhandlungsprotokoll lesen, müssen Sie feststellen: Es steht der Vorwurf des Betruges im Raum. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie auch da an keiner Aufklärung interessiert sind, dann ist das für mich der Beweis dafür, daß Sie etwas zu vertuschen haben. Springen Sie also über Ihren eigenen Schatten und stimmen Sie diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu, denn da gibt es wirklich aufklärungsbedürftige Tatbestände! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bei den weiteren Wortmeldungen beträgt die Redezeit 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

19.22

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich vorweg ankündigen, daß die Sozialdemokraten diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ablehnen werden. (Ruf bei den Freiheitlichen: Welche Überra


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schung!) Es wäre dies ganz eindeutig eine parteipolitisch motivierte, einseitige Maßnahme, die sich zum Schaden der Republik auswirken würde.

Meine Damen und Herren! Worum geht es? – Die Fakten sind folgendermaßen: Die Auftragsvergabe für dieses System ist ordnungsgemäß abgelaufen (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl ), denn die rechtliche Betreuung dieser Ausschreibung ist durch Universitätsprofessor Dr. Josef Aicher, den Vorsitzenden der Vergabekommission, erfolgt. Nachdem eine eingehende Prüfung der aufgrund der EU-weiten öffentlichen Ausschreibung des elektronischen Ökopunktesystems eingelangten Angebote durch die Ingenieurgemeinschaft Lässer-Feizlmayr durchgeführt wurde, wurde eine ressortübergreifende Vergabekommission, bestehend aus Vertretern des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, des Finanzministeriums und der Bundesländer, eingerichtet. Diese Kommission hat nach eingehender Prüfung am 5. September 1996 das Projekt an die Firma Kapsch vergeben, damit, verbunden mit einem engen Zeitplan, das gesamte Ökopunktesystem mit 1. Dezember 1997 in Betrieb gehen kann. Es ist das primäre Interesse Österreichs – das möchte ich deutlich sagen –, daß dieses elektronische Ökopunktesystem zu dem mit der EU vereinbarten Zeitpunkt 1. Jänner 1998 installiert ist und auch funktioniert.

Zum zweiten, meine Damen und Herren: Selbstverständlich sind wir an einer Aufklärung interessiert für den Fall, daß es da oder dort, wie behauptet wird, etwas gegeben haben sollte. Derzeit sind aber die Gerichte am Wort, und diese sollen aufklären; das ist ihre Aufgabe. Seitens der Politik sollten wir zu dem Zeitpunkt, zu dem sich diese ganze Angelegenheit bei den Gerichten befindet, nicht eingreifen. Die Republik hat übrigens durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 18. August beantragt, welche den Baustopp des Ökopunktesystems bewirkt hat. (Abg. Mag. Kukacka: Hat sie nicht! Nur angekündigt!)  – Das ist geschehen, das ist mit 18. August beantragt worden.

Diese Vorgangsweise wird durch ein Rechtsgutachten von Universitätsprofessor Dr. Heinz Mayer gestützt. Der Sachverhalt ist eigentlich so, daß das Bundesvergabeamt in Wirklichkeit niemals diesen Rechtsakt hätte setzen dürfen, sondern es hätte diese Frage der Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung dem Europäischen Gerichtshof gemäß § 167 Abs. 3 EGV zur Vorabentscheidung vorzulegen gehabt. Der Verfassungsgerichtshof hat eine rasche Prüfung dieser Angelegenheit zugesagt. Und ich sage noch einmal: Die Gerichte sollen nunmehr entscheiden! Denn es geht in Wirklichkeit um diese einstweilige Verfügung.

Meine Damen und Herren! Zum dritten: Im nationalen Interesse ist eine raschestmögliche Fertigstellung des ohnehin zu 95 Prozent fertigen elektronischen Ökopunktesystems erforderlich. (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. ) Jene, die hier vordergründig einen politischen Wirbel inszenieren, handeln gegen die Interessen Österreichs. Da am 23. September dieses Jahres der Transitausschuß der EU tagt, ist es unverantwortlich, wenn man jetzt die Position Österreichs schwächt. Das nationale Anliegen der Österreicher muß doch sein, daß die im Transitvertrag enthaltenen entsprechenden Beschränkungen des Schwerverkehrs durch Österreich durchgesetzt werden. Außerdem handelt es sich – und das bitte ich Sie zu bedenken! – beim Ökopunktesystem um ein in Österreich arbeitsplatzförderndes, wichtiges innovatives Technologieprojekt, wo es Möglichkeiten gibt, entsprechende Folgeaufträge aus dem Ausland zu bekommen. Ich glaube daher, daß wir hier die Aufgabe haben, in diesem Sinn zu handeln.

Daraus ergibt sich für mich folgende Schlußfolgerung: Es wird ein politischer Wirbel inszeniert, und warum, das ist allen ganz klar. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses dazu entbehrt nicht nur jeder Grundlage, sondern wäre völlig kontraproduktiv für das einzige, auch von allen Parteien dieses Hauses als unbedingt notwendig bezeichnete Ziel, nämlich ein elektronisches Ökopunktesystem im Sinne des Transitvertrages mit 1. Jänner 1998 zu installieren. Daher werden wir diesen Antrag ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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19.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

19.27

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte einleitend festhalten, daß wir seit dem Jahre 1995 der Vergabe des elektronischen Ökopunktesystems mit großer Distanz gegenüberstehen. Wir haben das mehrfach in Aussendungen und auch in schriftlichen parlamentarischen Anfragen klargemacht. Für uns ist die Situation ziemlich klar.

Erstens: Sollte ab 1. Jänner 1998 die lückenlose Kontrolle des Ökopunktesystems durch ein elektronisches Abbuchungssystem nicht möglich sein, trifft Verkehrsminister Einem und seine Vorgänger die politische Verantwortung für dieses Versäumnis. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: Bundesminister Einem muß sowohl die kritisierte Vergabe des Ökopunktesystems, die zu einem Baustopp führte, schnellstens einer Aufklärung zuführen als auch alles daransetzen, daß der Starttermin für dieses System ab 1. Jänner 1998 eingehalten wird. (Beifall bei der ÖVP.) Nur so ist gewährleistet, daß eine entsprechende Ökopunktekontrolle durchgeführt und ein Anstieg des LKW-Transitverkehrs verhindert werden kann.

Drittens: Die Chronologie der Ereignisse rund um die Vergabe dieses Systems zeigt, daß schon der frühere Verkehrsminister Klima darin involviert war, denn begonnen hat diese merkwürdige Auftragsvergabe mit der freihändigen Vergabe des Pilotprojektes an die Firma Kapsch, die dieser Firma einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil ermöglicht hat.

Viertens: Obwohl Österreich durch den EU-Beitrittsvertrag verpflichtet war, seit Anfang 1997 die elektronische Abbuchung der Ökopunkte durchzuführen, war das Verkehrsministerium dazu nicht in der Lage, sodaß es dazu kam, daß mit Zustimmung der EU die Verlängerung dieser Frist um ein Jahr ermöglicht wurde.

Fünftens: Die Vergabe an die Firma Kapsch führte zu einem Desaster, denn sowohl das Bundesvergabeamt – immerhin die Kontrollbehörde der Republik Österreich für die öffentlichen Aufträge des Bundes – als auch die EU-Kommission sahen in der Auftragsvergabe an die Firma Kapsch einen Verstoß gegen mehrere Ausschreibungsrichtlinien.

Sechstens: Dieser Beschluß des Bundesvergabeamtes begründet sich darin, daß, wie es heißt, der damalige Verkehrsminister Scholten zumindest fahrlässig gehandelt hat, denn durch die Entscheidung Scholtens könnte dem Steuerzahler ein Schaden von bis zu 100 Millionen Schilling entstanden sein. (Demonstrativer Beifall des Abg. Jung. ) Dies befürchtet zumindest das Bundesvergabeamt beziehungsweise die EU-Kommission.

Siebentens: Aus diesen Umständen ist ein veritabler Rechtsstreit entstanden. Nun sind der Verfassungsgerichtshof beziehungsweise die EU-Kommission am Zug, denn die EU-Kommission hat in der Zwischenzeit in einer begründeten Stellungnahme ein Verfahren gegen Österreich eingeleitet. Sollte Österreich die Vorwürfe nicht entkräften können, droht eine Klage beim Europäischen Gerichtshof. Obwohl das Verkehrsministerium bereits im Juli angekündigt hat, sie wolle den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid der Bundesvergabekommission anrufen, soll das laut heutiger Aussendung des Verkehrsministeriums erst am Montag geschehen. Unnötig viel Zeit hat sich da das Verkehrsministerium gelassen – das möchte ich ausdrücklich festhalten.

Aber immerhin, meine Damen und Herren: Die Gerichte sind eingeschaltet, die EU-Kommission prüft. Aufklärung und Wahrheitsfindung werden sich ihren Weg bahnen; daran zweifle ich nicht. Deshalb ist im derzeitigen Stadium ein diesbezüglicher politischer Untersuchungsausschuß weder notwendig noch sachlich sinnvoll, er würde nur zu einer weiteren Verwirrung bei dieser heiklen und komplizierten Sachlage beitragen. Dieser Untersuchungsausschuß wird deshalb zu diesem Zeitpunkt von uns abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP.)

Offen ist, meine Damen und Herren, ob aufgrund dieser verpfuschten Auftragserteilung eine rechtzeitige Installierung des Ökopunktesystems möglich ist. Wir wünschen und hoffen es, denn andernfalls würde dies zu einem erheblichen Schaden für die österreichische Transitpolitik, aber


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auch zu einem erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust für die österreichische Verkehrspolitik führen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (fortsetzend): Wir erwarten deshalb, meine Damen und Herren, daß rasch alle rechtlichen, alle organisatorischen und alle politischen Schritte eingeleitet werden, damit entweder im Land allein oder gemeinsam mit der Europäischen Union der vereinbarte Termin eingehalten wird und das Ökopunktesystem installiert werden kann, damit wir ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz, bitte!

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (fortsetzend): ... unsere internationalen Verpflichtungen einhalten können und ein zusätzlicher Anstieg des Transitverkehrs verhindert wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Stadler. )

19.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

19.33

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Schwere Verdachtsmomente stehen im Raum. Abgeordneter Rosenstingl spricht vom Verdacht bewußter Manipulation, von ungerechtfertigten Weisungen des Verkehrsministers, von Mängeln bei der Ausschreibung, bei der Angebotslegung, bei der Eröffnung. Der Vorwurf des Betrugs steht sogar im Raum. Das sind schwerwiegende Anwürfe, die Kukacka mit anderen Worten wiederholt. (Abg. Parnigoni: Der versteht ja nichts!)

Lassen Sie mich zu den Fakten, wie ich sie sehe, kommen. Wir haben ein automatisches Mautabbuchungssystem mit 95 Prozent Baufortschritt, dessen Probetermin am 1. Oktober 1997 beginnen und dessen Fertigstellung am 1. Jänner 1998 erfolgen soll. Wir haben einen Transitvertrag zu erfüllen, wobei uns schon ein Jahr Aufschub bei der automatischen Abbuchung gegeben wurde. Wir sind also schon im Fristverzug gegenüber der Europäischen Union. Und wir haben ein österreichisches Unternehmen mit österreichischer Technologie beschäftigt, das damit neue Exportchancen hat. Momentan konzentriert sich die Diskussion auf diese Firma, deren Firmenwert darunter leidet. Ich halte das für eine bedenkliche Entwicklung.

Es läuft eine Rechnungshofprüfung. So weit, so gut. – Daß der Rohbericht schon wieder Teilen der Abgeordneten zur Verfügung steht, anderen nicht, halte ich für, gelinde gesagt, eine sehr, sehr bedenkliche Situation. (Zwischenruf.)

Wir sollten auch festhalten, daß der Wettbewerb um diesen Auftrag offensichtlich mit allen Mitteln geführt wird. Ich weiß nicht, wieweit der Bereich der Unterstellung, der Falschaussage hier ebenfalls mitspielt. Die Unterlagen zu diesem Pilotprojekt sind EU-konform auch den anderen Anbietern zur Verfügung gestanden, sie hätten sie nur einsehen und abholen müssen. Nachschicken kann man sie ihnen nicht. (Abg. Mag. Stadler: Stimmt es, daß der Kapsch das Liberale Forum finanziert?)

Ich glaube daher, daß der Baustopp, den heute der Verwaltungsgerichtshof erlassen hat, indem er eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, mehr Schaden als Nutzen bringt, denn, Herr Stadler, die Aufklärung ... (Abg. Mag. Stadler: Kennen Sie den Herrn Kapsch so gut, daß er das Liberale Forum finanziert? – Abg. Dr. Mertel, zu Abg. Mag. Stadler: Wieder etwas eingesagt gekriegt!) Herr Stadler, die Aufklärung dieser Frage kann dann erfolgen, wenn das System fertig ... ( Abg. Mag. Stadler: ... wenn man weiß, wie eng er mit dem Liberalen Forum ist, der Herr Kapsch!) Der Herr Stadler spricht Unterstellungen aus, die ich zurückweise. (Abg. Mag. Stadler: Nein, ich unterstelle nichts!) Er wird sie weitersagen, er kann den Mund nicht halten, und ich werde trotzdem weiterreden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ich frage Sie ja nur, Herr Peter!) Herr Stadler, lassen Sie das, es ist einfach fad!


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Der Baustopp durch die einstweilige Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes bringt meiner Ansicht nach Schaden für dieses System und für die Fertigstellung dieses wichtigen österreichischen Beitrags zum EU-Transitverkehr. Der Antrag der Bundesvergabebehörde wird jetzt durch eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof geprüft. Ich glaube, daß die erste, die an einer absoluten Aufklärung dieser Frage interessiert ist, die Firma Kapsch selbst sein muß, denn es geht um ihren Ruf als eine der anerkannten österreichischen technologisch führenden Firmen.

Ich halte daher nichts von dem, was Herr Kollege Stadler und seine Partei machen, nämlich sofort Skandalisierung zu betreiben und nach einem Untersuchungsausschuß zu schreien. Aber ich halte sehr viel davon, die Rechnungshofprüfung abzuwarten, die Prüfungen auf EU-Ebene abzuwarten und nötigenfalls auch den Europäischen Gerichtshof einzuschalten, weil uns in Österreich sehr viel daran liegen muß, daß wir solche Vergaben so astrein und sauber abwickeln, wie es sein sollte.

Ich schließe mit Kollegen Kukacka, der schwere Vorwürfe gegenüber seinem Koalitionspartner beziehungsweise den Ministern Scholten und Einem hier im Parlament erhoben hat, und ich meine, es soll ... (Abg. Mag. Kukacka: Das Bundesvergabeamt und die EU-Kommission, nicht ich!) Sie haben wörtlich gesagt, Scholten und Einem tragen die Verantwortung und waren zumindest fahrlässig. So zitiere ich Sie richtig? (Abg. Mag. Kukacka: Sie tragen die Verantwortung!) So zitiere ich Sie richtig, und daher, so meine ich, muß es auch im Interesse des Herrn Verkehrsministers Einem liegen, diese Frage aufzuklären. Jetzt einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, wäre sinnlos und brächte außer freiheitlichem Krach gar nichts. Prüfen wir die Sache ernsthaft! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Was bringt das für das Liberale Forum? – Abg. Mag. Peter, das Rednerpult verlassend: Mein Gott, Herr Stadler, du bist so eindimensional, daß es sich nicht lohnt, zu antworten! – Abg. Mag. Stadler: Fragen Sie den Haselsteiner, der ist Finanzreferent!)

19.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

19.37

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Bleibt wieder einmal die Aufgeregtheit ohne Konsequenz", so titulierte eine führende österreichische Tageszeitung am 4. August 1997 eine Szene, die der jetzigen Debatte wirklich haarscharf gleicht. Damals war die Rede vom Fall Praschak, der mit Akribie unter den Teppich gekehrt wird, unter dem Titel: Weg mit dem Gras, das über den Fall Praschak gewachsen ist. Bevor im gegenständlichen Fall noch ein leiser Verdacht geäußert werden kann, daß Gras über die Angelegenheit wachsen kann, fängt man schon an, dahin gehend zu argumentieren, daß man sagt: Das ist alles nichts, diese Vorwürfe sind alle haltlos, die Freiheitlichen wollen nur polemisieren und und und. – Wir kennen dieses Theater, meine Damen und Herren! Sie werden dafür noch ordentlich zur Kasse gebeten werden – das kann ich Ihnen schon heute versichern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem Kollegen Peter möchte sagen – er ist jetzt nicht hier, sondern raucht mit dem Kollegen Kier eine Zigarette; ich vergönne sie ihm; man möge es ihm aber ausrichten –: Er ist nicht ganz auf dem richtigen Dampfer. Es gibt nämlich in dieser Causa keinen Rechnungshofbericht. Das verwechselt Kollege Peter mit einem anderen Fall, mit einem anderen Skandal (Abg. Mag. Stadler: So ist es!) , nämlich dem Vergabeskandal rund um die Vignette. Das ist Skandal Nummer drei, meine Damen und Herren! Wir haben den Fall Praschak, den Vignetten-Skandal und jetzt den Skandal um die Vergabe des Ökopunktesystems.

Es kommen aber noch weitere Skandale hinzu, meine Damen und Herren. Es vergeht praktisch keine Woche, in der nicht ununterbrochen Beweismaterial im freiheitlichen Klub über neue Skandale, die im Wirkungsbereich der Regierung passieren, einlangt. (Rufe bei der SPÖ: Redezeit!)


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Stenographisches Protokoll
85. Sitzung / Seite 158

Es vergeht kein Tag, keine Woche, in der nicht Anrufe bei uns getätigt werden, durch die diese Dinge laufend unterlegt werden. Ich kündige Ihnen heute schon an: Der nächste Skandal in Milliardenhöhe zeichnet sich bereits jetzt ab. Ich bin gespannt darauf, was Sie dann sagen werden; ich werde Sie beim Wort nehmen.

Aber zurück zu den Ausführungen des Kollegen Parnigoni: Kollege Parnigoni hat offenbar noch aus den Julitagen ein derart schlechtes Gewissen über sein Verhalten (Abg. Mag. Stadler: Zu Recht!) , sodaß er hier beim Rednerpult hastig eine Erklärung, die ihm ein Sekretär geschrieben hat, verliest, sagt, es war nichts – und wieder geht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )  – Kollege Kukacka schimpft und poltert, wie wir es seit eh und je von ihm gewöhnt sind, aber sein Handeln bleibt ohne Konsequenzen. Herr Kukacka, es ist halt Ihr Problem, daß Sie sich in eine andauernde Geiselhaft mit diesem Regierungspartner begeben haben!

Aber lassen Sie mich noch einmal auf die Fakten zurückkommen, ganz kurz, nur noch zwei Minuten. Alle – mit Ausnahme des Kollegen Rosenstingl –, die vor mir das Wort ergriffen haben, sind sich anscheinend nicht darüber im klaren, daß es ein Vernehmungsprotokoll, ein Verhandlungsprotokoll des Bundesvergabeamtes gibt. Ich möchte daraus zitieren.

Auf Seite 25 sieht man beispielsweise, daß als Zeuge Herr Dipl.-Ing. Seitz einvernommen wird. Der Vorsitzende hält dem Zeugen den Umstand vor, daß ausgerechnet jene Seite, die die ziffernmäßige Festlegung des Alternativangebotes enthält, zumindest eine andere Schriftgröße aufweist. Dazu gibt der Zeuge an: Das ist mir noch nie aufgefallen. – Das ist interessant. (Heiterkeit des Abg. Mag. Stadler. )

Meine Damen und Herren, da gibt es auch noch andere Dinge: nie aufgefallen, jetzt ganz neu, alles ganz neu, völlig neuer Tatbestand und so weiter. Das können Sie auf insgesamt 40 Seiten nachvollziehen. Besorgen Sie sich bitte dieses Protokoll – und dann reden wir nochmals über diese Angelegenheit! Sie werden jetzt diesen Antrag niederstimmen, da bin ich mir zu 100 Prozent sicher. Es stört mich auch nicht weiters, aber Sie werden damit rechnen müssen, daß wir bei nächster Gelegenheit diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wieder einbringen werden (anhaltende Zwischenrufe), denn nur ein Untersuchungsausschuß und keine andere Institution kann Licht in dieses Dunkel bringen, denn nur im Untersuchungsausschuß herrscht in dieser Auseinandersetzung als politischer Prozeß Wahrheitspflicht. Wenn sich diese Herren, die einvernommen werden, dann auch noch ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (fortsetzend): ... dazu versteigen, dort nicht die Wahrheit zu sagen, dann werden sie mit gewaltigen rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, den jeweiligen Sitzplatz einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 556/A (E) betreffend Maßnah


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
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menpaket zur Vermeidung einer Transitlawine als Folge der verzögerten Installation der elektronischen Ökopunktekontrolle eine Frist bis zum 7. Oktober 1997 zu setzen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit . Der Antrag ist damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 564/A bis 591/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2925/J bis 2987/J eingelangt.

Schließlich ist die Anfrage 15/JPR des Abgeordneten Haigermoser an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsgemäße Mitteilungen betreffen wird, berufe ich für heute, 19.46 Uhr ein; das ist im Anschluß an diese Sitzung.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 19.46 Uhr