Stenographisches Protokoll

88. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 8. Oktober 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

88. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 8. Oktober 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 8. Oktober 1997: 11.00 – 21.58 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

2. Punkt: Bericht über den Antrag 264/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 306/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 377/A der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 388/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes

6. Punkt: Bericht über den Antrag 392/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Konzept für den Abbau von Überstunden

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit

10. Punkt: Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 – GenRevRÄG 1997

11. Punkt: Bericht über den Antrag 418/A (E) der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend Neukodifikation des gesamten Genossenschaftsrechtes


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88. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Erste Lesung des Antrages 478/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AIVG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert werden

13. Punkt: Erste Lesung des Antrages 500/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert werden

14. Punkt: Erste Lesung des Antrages 501/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz – AIVG geändert wird

15. Punkt: Erste Lesung des Antrages 502/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elternkarenzurlaubsgesetz (EKUG) geändert wird

16. Punkt: Erste Lesung des Antrages 504/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz (KUZuG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert werden

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11, 14

Geschäftsbehandlung

Erklärung des Bundesministers für Inneres zum aktuellen Stand der Ermittlungen zur Aufklärung der Bombenanschläge in den letzten Jahren im Sinne des § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung 28

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 29

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 11

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 34, 83

Anton Leikam 39

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 43

Dr. Volker Kier 43

Paul Kiss 48

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 50, 89

Dr. Johannes Jarolim 54

Mag. Karl Schweitzer 56

Günther Platter 58

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 60

Mag. Thomas Barmüller 61

Emmerich Schwemlein 64

Rudolf Anschober 67

Werner Amon 69

Herbert Scheibner 70

Mag. Terezija Stoisits 73

Dr. Helene Partik-Pablé 75

Dr. Jörg Haider 77, 86

Dr. Josef Cap 80


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88. Sitzung / Seite 3

Mag. Doris Kammerlander 82

Andreas Wabl 83

Dr. Hans Peter Haselsteiner 88

Dr. Volker Kier (tatsächliche Berichtigung) 90

Rudolf Anschober (tatsächliche Berichtigung) 90

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 90

Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche Berichtigung)90

Dr. Martin Graf (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 91

Entschließungsantrag (Mißtrauensantrag) der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem gemäß Artikel 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung 38, 91

Antrag des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler gemäß § 18 Abs. 3 GOG auf Anwesenheit des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr – Ablehnung 29, 29

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 34

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit des Bundesministers Dr. Caspar Einem im Zusammenhang mit der politischen Instrumentalisierung des Bombenterrors gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 161

Bekanntgabe 39

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 39

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 161

Anton Leikam 164

Mag. Karl Schweitzer 165

Mag. Thomas Barmüller 167

Dr. Andreas Khol 168

Ablehnung des Antrages 169

Aktuelle Stunde (18.)

Thema: "ArbeitnehmerInnenschutz in Österreich – Wettbewerbsverzerrung und Arbeitsplatzgefährdung"

Redner:

Mag. Helmut Peter 12

Bundesministerin Eleonora Hostasch 14

Dr. Volker Kier 17

Erhard Koppler 18

Mag. Franz Steindl 19

Dr. Helene Partik-Pablé 20

Karl Öllinger 21

Sophie Bauer 22

Karlheinz Kopf 23

Mares Rossmann 24

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 26

Dr. Hans Peter Haselsteiner 27


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88. Sitzung / Seite 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11

Ausschüsse

Zuweisungen 92, 160, 161

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (882 d. B.) 93


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88. Sitzung / Seite 5

Redner:

Helmut Haigermoser 93

Annemarie Reitsamer 95

Mag. Helmut Peter 97

Mag. Dr. Josef Trinkl 99

Karl Öllinger 101

Helmut Dietachmayr 104

Elfriede Madl 106

Ridi Steibl 107

Maria Schaffenrath 108

Winfried Seidinger 110

Reinhart Gaugg 112

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 113

Sigisbert Dolinschek 115

Walter Murauer 116

Dr. Hans Peter Haselsteiner 117

Annahme des Gesetzentwurfes in 882 d. B. 118

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Kontrolle der Berufsausbildung – Ablehnung 104, 120

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 264/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (877 d. B.) 120

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 306/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (878 d. B.) 120

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 377/A der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (879 d. B.) 120

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 388/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes (880 d. B.) 120

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 392/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Konzept für den Abbau von Überstunden (881 d. B.) 120

Redner:

Mag. Herbert Haupt 120

Heidrun Silhavy 122

Dr. Volker Kier 123

Mag. Dr. Josef Höchtl 125

Karl Öllinger 126, 135

Sophie Bauer 128

Hermann Böhacker 129

Karl Donabauer 131

Anton Blünegger 132

Dr. Elisabeth Pittermann 133

Reinhart Gaugg 134

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 877, 878 und 879 d. B. 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung des Weißbuches der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom September 1997 bei der Pensionsreform – Ablehnung 135, 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung der Resolution der Bundesarbeitskammer vom 22. September 1997 bei der Pensionsreform – Ablehnung 136, 136

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 880 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Weiterentwicklung der Sozialhilfe (E 88) 137

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 881 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Gestaltung des Sozialberichtes 1997 (E 89) 137

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (650 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit (874 d. B.) 137

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (768 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit (875 d. B.) 137

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (843 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit (876 d. B.) 137

Redner:

Karl Öllinger 137

Brunhilde Fuchs 138

Dr. Sonja Moser 139

Reinhart Gaugg 140

Genehmigung der Staatsverträge in 874, 875 und 876 d. B. 140

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (840 d. B.): Genossenschaftsrevisionsrechtsänderung 1997 – GenRevRÄG 1997 (872 d. B.) 141

Redner:

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 141

Dr. Johannes Jarolim 142


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88. Sitzung / Seite 6

Mag. Thomas Barmüller 143

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 144

Mag. Thomas Barmüller (tatsächliche Berichtigung) 146

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 146

Mag. Terezija Stoisits 148

Georg Schwarzenberger 149

Ing. Mathias Reichhold 150

Jakob Auer 152

Annahme des Gesetzentwurfes in 872 d. B. 153

11. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 418/A (E) der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend Neukodifikation des gesamten Genossenschaftsrechtes (873 d. B.) 154

Redner:

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 154

Johann Kurzbauer 155

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 873 d. B. 156

12. Punkt: Erste Lesung des Antrages 478/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AIVG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert werden 156

Redner:

Karl Öllinger 156

Heidrun Silhavy 157

Dr. Gottfried Feurstein 158

Anton Blünegger 159

Mag. Doris Kammerlander 159

Zuweisung des Antrages 478/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 160

13. Punkt: Erste Lesung des Antrages 500/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert werden 160

Zuweisung des Antrages 500/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 160

14. Punkt: Erste Lesung des Antrages 501/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz – AIVG geändert wird 160

Zuweisung des Antrages 501/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 160

15. Punkt: Erste Lesung des Antrages 502/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elternkarenzurlaubsgesetz (EKUG) geändert wird 160

Zuweisung des Antrages 502/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 160

16. Punkt: Erste Lesung des Antrages 504/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz (KUZuG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert werden 161

Zuweisung des Antrages 504/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 161


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88. Sitzung / Seite 7

Eingebracht wurden

Bericht 92

III-92: Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1996

Antrag der Abgeordneten

Karl Öllinger und Genossen betreffend Kontrolle der Berufsausbildung (603/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Ausschreibung für die Privatisierung von Gepäck- und Personenkontrollen auf dem Flughafen Salzburg (3018/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend 2726/AB (3019/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Einsparungen im BHS-Bereich (3020/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Integrationsklassen und Interkultureller Unterricht (3021/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Hepatitis C (3022/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Hepatitis C (3023/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Kürzungen der Freigegenstände an AHS und BHS (3024/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Existenzbedrohung durch "Knoten Obersteiermark" (3025/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Lehrerprofil an den Fachhochschul-Studiengängen (3026/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gesprächsdatenaufzeichnung (3027/J)


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88. Sitzung / Seite 8

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3028/J)


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88. Sitzung / Seite 9

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3029/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3030/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3031/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3032/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3033J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3034/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3035/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3036/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3037/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3038/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3039/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Sonderverträge für Ministersekretäre (3040/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3041/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3042/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3043/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3044/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3045/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3046/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3047/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3048/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3049/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3050/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3051/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3052/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (3053/J)


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88. Sitzung / Seite 10

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeiausweise (3054/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstellenabbau bei der Vorarlberger Exekutive (3055/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend eine Klärschlammtrocknungsanlage in Klagenfurt (3056/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundeskanzler betreffend termingerechten Arbeitsbeginn des Bundesasylsenates (3057/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Werbeplakate des Revolutionsbräuhofes (3058/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend § 68 Abs. 8 EStG (3059/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Rasterfahndung im Zusammenhang mit der Briefbombenaffäre (3060/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Aufwertung eines E2a-Arbeitsplatzes beim HZA Klagenfurt von Funktionsgruppe 3 auf Funktionsgruppe 6 (3061/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Veräußerung von gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften, die im Eigentum beziehungsweise mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (3062/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend nicht abgeschlossene, überfällige Forschungsprojekte (3063/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verfahrensdauer bei beschlagnahmten artgeschützten Tieren (3064/J)

Dr. Franz Löschnak und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Sportunterricht in Schulen (3065/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheit im Bezirk Weiz (3066/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Strafgebühr" für Mobilkom-Kunden (3067/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheit im Bezirk Hartberg (3068/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Oberösterreich (3069/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Kärnten (3070/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Steiermark (3071/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Niederösterreich (3072/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Salzburg (3073/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Vorarlberg (3074/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Burgenland (3075/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich der Sicherheitsdirektion Tirol (3076/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend "Antibiotikaresistenz-Risiken der Gentechnik" (3077/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Teilnahme eines jugendlichen, mehrfach vorbestraften Straftäters am "Erlebnispädagogikprojekt" in Nigeria (3078/J)

Herbert  Scheibner  und  Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Ausrüstung des österreichischen UN-Kontingentes (AUSCON/UNFICYP) auf Zypern (3079/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend notwendige Nachbesetzungen von führenden Positionen von Dienststellen des Bundesministeriums für Landesverteidigung und von Truppenkörpern des Bundesheeres (3080/J)

*****

Dr. Martin Graf und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend die objektive Richterbestellung beim Verfassungsgerichtshof (17/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen (2853/AB zu 2982/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (14/ABPR zu 14/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (15/ABPR zu 16/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (16/ABPR zu 15/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (17/ABPR zu 17/JPR)


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88. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 11 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Geschäftsordnung steht, der Präsident eröffnet die Sitzung ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden. In diesem Sinne eröffne ich die heutige 88. Sitzung des Nationalrates und begrüße all jene, die trotz dieser Geschäftsordnungsbestimmung bereits anwesend sind.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Das Amtliche Protokoll der 87. Sitzung vom 2. Oktober 1997 ist unbeeinsprucht geblieben und gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Stippel, Haller, Ellmauer, Mag. Frieser, Dr. Mock, Ablinger, Dkfm. Holger Bauer und Ing. Langthaler.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung Mitteilung gemacht wie folgt:

Die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer wird durch Herrn Bundesminister Mag. Molterer vertreten.

Ankündigung einer Erklärung des Bundesministers für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß der Herr Bundesminister für Inneres Schlögl die Absicht geäußert hat, eine Erklärung zum aktuellen Stand der Ermittlungen zur Aufklärung der Bombenanschläge der letzten Jahre abzugeben.

Sofern kein Einwand erhoben wird, werde ich dem Herrn Bundesminister zur Abgabe seiner Erklärung nach der Aktuellen Stunde das Wort erteilen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Dies ist nicht der Fall. Daher werde ich so vorgehen.

Im Anschluß an die Erklärung des Herrn Bundesministers wird entsprechend einem mir vorliegenden Verlangen gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Debatte durchgeführt werden.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde, für die folgendes Thema vorgeschlagen wurde:

"ArbeitnehmerInnenschutz in Österreich – Wettbewerbsverzerrung und Arbeitsplatzgefährdung"

Herr Kollege Peter, Sie sind als erster Redner gemeldet. Wenn Sie es wünschen, erteile ich Ihnen das Wort, oder ich unterbreche die Sitzung bis zur Anwesenheit der Frau Bundesministerin. (Ruf: Sie kommt schon!)


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88. Sitzung / Seite 12

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

11.04

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Vor Ihnen steht ein Unternehmer, für den der Arbeitnehmerschutz ein wesentlicher Teil seiner Unternehmenskultur ist, und vor Ihnen steht ein liberaler Abgeordneter, der sich ausdrücklich – auch im Namen seiner Partei – zum Arbeitnehmerschutz bekennt. Ich gehöre zu den wenigen Abgeordneten des Hohen Hauses, die die Regelungen des Arbeitnehmerschutzes im eigenen Betrieb durchführen dürfen, und glaube mich daher berufen, dazu zu sprechen und Ihnen davon zu berichten.

Ich weiß, daß wir den Arbeitnehmerschutz in Österreich EU-Richtlinien folgend umgesetzt haben, und ich weiß auch, daß andere europäische Staaten ebenfalls dazu verpflichtet sind. Ich halte aber eines fest: Die Art und Weise, wie wir in Österreich diese Richtlinien zum Arbeitnehmerschutz umgesetzt haben, ist weltmeisterlich. Die Richtlinien sind weltmeisterlich im Produzieren von Verwaltungsaufwand, weltmeisterlich in der Bürokratie in den Betrieben, und sie sind weltmeisterlich in der Erhöhung der Arbeitskosten – genau in dem Punkt also, hinsichtlich dessen wir uns schon in so vielen Debatten darauf geeinigt haben, daß Arbeitskosten Beschäftigung behindern. Arbeitskosten stärken die Rechte derer, die Arbeit haben, aber sie nehmen jenen die Möglichkeit, die keine haben.

Lassen Sie mich auf das Thema eingehen. Wir unterscheiden dabei drei Ebenen: erstens die Evaluierung der Gefahren, zweitens die Frage der Präventivdienste der Sicherheitsfachkräfte und drittens den Bereich der arbeitsmedizinischen Betreuung.

Ich kann mich diesbezüglich nur an Präsident Kaun der Wirtschaftskammer Oberösterreich halten, der eines ganz klar gesagt hat: So, wie diese Arbeitnehmerschutzgesetze umgesetzt werden, sind sie für die Betriebe weit überzogen, zu bürokratisch und zu teuer.

Wenn Sie Sicherheitsfachkräfte einsetzen, dann schreibt Ihnen das Gesetz vor, wie viele Stunden je Mitarbeiter Sie diese einzusetzen haben, gleichgültig, ob Sie einen gefährdeten Betrieb oder einen Betrieb mit reiner Bürotätigkeit haben.

Wir haben zum Beispiel im Bereich des Bauwesens siebenmal so viele Arbeitsunfälle wie im Bereich der Dienstleistung – eine völlig natürliche Entwicklung, weil die Arbeit am Bau eben gefährlich ist –, wir haben im Bereich von Reparaturen von Gebrauchsgütern, im Bereich von Kfz-Werkstätten immer noch eine fünfmal so hohe Unfallhäufigkeit wie zum Beispiel in einer Steuerberatungskanzlei; trotzdem wird weiterhin der Einsatz der Sicherheitsfachkraft in derselben Stundenanzahl vorgeschrieben. Das, meine Damen und Herren, ist wahrlich reine Geldvernichtung!

Die Ausbildung einer Sicherheitsfachkraft im Betrieb kostet das Unternehmen 100 000 S. Haben Sie das Unglück, daß dieser Mitarbeiter Sie verläßt, kann ich Ihnen nur das Beispiel von "Mensch ärgere dich nicht" bringen: Dann sind Sie beim "Mensch ärgere dich nicht" eben geworfen worden, dann müssen Sie wieder einen Sechser würfeln, also wieder 100 000 S setzen, um die nächste Mitarbeiterin oder den nächsten Mitarbeiter auszubilden. Machen Sie es über externe Kräfte, haben Sie Stundensätze zu bezahlen, die weit über 900 S liegen.

Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, keine Evaluierung vorzunehmen – ganz klar müssen wir uns die Arbeitsplätze anschauen, müssen wir schauen, was notwendig ist, was verbessert werden muß, was gerichtet werden muß –, es geht nicht darum, daß es im Betrieb keine Sicherheitsvertrauenspersonen geben soll, die sich um die Umsetzung dieser Auflagen kümmern – nebenbei gibt es auch noch das Arbeitsinspektorat, das ebenfalls die Aufgabe hat, diese Dinge im Betrieb ganz klar zu überprüfen –, aber es geht darum, daß Sie eine sinnvolle Sache so umgesetzt haben, daß sie zu Kosten in den Unternehmungen führt, die schlichtweg abstrus sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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88. Sitzung / Seite 13

Die meisten von Ihnen, meine Damen und Herren im Hohen Haus, spüren diese Kosten ja nicht. Sie beschließen sehr viele Gesetze und zerbrechen sich zwar den Kopf darüber, wie hoch denn der Verwaltungsaufwand wäre, um dieses oder jenes Gesetz umzusetzen, aber offensichtlich zerbrechen Sie sich nicht oder zu wenig den Kopf darüber, was das am Ende des Tages den Normadressaten kostet. Ich lade Sie herzlich dazu ein: Lesen Sie alle diese Verordnungen durch, lesen Sie diese Gesetzestexte durch, beschäftigen Sie sich ernsthaft damit, dann werden Sie merken, daß das nicht vollziehbares, totes Recht ist!

Der nächste Punkt ist der Bereich der Betriebsärzte: Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt! Es geht um eine Umverteilung von den gewerblichen Betrieben Österreichs hin zur Ärztekammer und zur Ärzteschaft. Da sind zum 1. Jänner 1996 doch tatsächlich Mindesthonorarsätze von 1 610 S in der Stunde ausgemacht worden, das geht dann ein bißchen herunter bis 1 250 S – pro Stunde bitte! –, plus Anfahrtszeit, plus Fahrtkostenvergütungen. Und natürlich hat man per 1. Jänner 1997 diese Sätze wieder angepaßt. Darf es ein bißchen mehr sein? Was darf es denn noch kosten? Der Mindestsatz liegt jetzt schon bei 1 642 S, und ich bin ganz sicher, wenn wir noch ein Jahr warten, wird er die 1 700-S-Grenze erreichen.

Meine Damen und Herren! Damit haben Sie nichts anderes beschlossen, als daß ab dem Jahr 2000, wenn das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz in allen Betrieben jeder Größenordnung umgesetzt wird, zusätzliche Arbeitskosten in den Betrieben entstehen und ein jährlicher Abfluß von den Betrieben hin zur Ärzteschaft in der Größenordnung von 1,2 Milliarden Schilling und mehr erfolgt. Und zwar allein in den Betrieben bis 100 Mitarbeiter, von den Großbetrieben rede ich jetzt gar nicht.

Wenn das Ganze nun sinnvoll wäre, wenn die Arbeitsmediziner, die sich uns als Betriebsärzte in den Betrieben anbieten – ich führe schon das dritte Gespräch zu diesem Thema –, wenigstens wüßten, was sie in den Betrieben tun sollen, wenn sie in den Betrieben wenigstens etwas tun dürften, dann wäre das sehr, sehr positiv.

Es ist doch klar, daß ein Arbeitsmediziner uns Unternehmern hilft, den einzelnen Arbeitsplatz im Hinblick auf Evaluierung anzuschauen – was müssen wir ändern, ist der Bildschirm richtig eingestellt, ist der Sessel in der richtigen Position; da gibt es eine Vielzahl von Berufskrankheiten, die wir möglicherweise verhindern könnten –, aber das ist keine Tätigkeit, die Sie für alle Betriebsarten gemeinsam stundenweise regeln können, indem Sie sagen, ein Arbeitsmediziner muß genau 76 Stunden im Jahr eingesetzt werden. Das ist ein Kostenpunkt von 120 000 S – nicht berechnet die Raumkosten, nicht berechnet die Arbeitszeit der Mitarbeiter, die wiederum von dem abgehalten werden, was sie eigentlich tun sollten, nämlich Kundenservice zu bieten, Dienstleistungen anzubieten und nicht nur für die Verwaltung zu arbeiten.

Hier geht es also um ein mittelständisches Unternehmen, das weniger als 100 Mitarbeiter hat und sich Kosten gegenübersieht, die am Anfang bei einer Viertelmillion Schilling liegen werden – wenn man wirklich eine Kostenrechnung erstellen kann und auch bereit ist, diese Kostenrechnung zur Kenntnis zu nehmen – und die auf der anderen Seite jährlich weit über 150 000 S betragen werden.

Wenn dann auf unsere Vorhaltungen eine Sektionschefin des Sozialministeriums aus der Zentralarbeitsinspektion uns schreibt: Was habt ihr denn überhaupt? Das macht doch pro Mitarbeiter ohnehin nur 800 S im Jahr aus!, dann muß ich dieser Dame vorwerfen: Sie weiß einfach nicht, wovon sie redet! Zu sagen, das sind nur 800 S pro Mitarbeiter, ist erstens falsch, und zweitens hat diese Dame nicht verstanden, was Kostendruck in den Betrieben bedeutet. Das ist eine Verhöhnung all derer, die sich mit diesen Gesetzen herumschlagen müssen. Sie hat keine Probleme damit, sie macht das in ihrer Dienstzeit und geht am Freitag um 14 Uhr heim. Wir müssen ein Gesetz umsetzen, das nicht umsetzbar ist in dieser Zeit. Sie zwingen uns zum Gesetzesbruch, Sie zwingen uns dazu, zu sagen: Klagt uns einfach! Sperrt uns schlicht und ergreifend ein, aber wir sind nicht bereit, das umzusetzen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Haigermoser. )


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Meine Damen und Herren! Eine weitere weltfremde Unsäglichkeit rund um dieses ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ist die Haftung des Arbeitgebers für seinen Arbeitnehmer. Das ist wirklich von Menschen erfunden worden, die überhaupt noch nie in ihrem Leben erfahren haben, was Betriebskultur ist, was Unternehmenskultur ist, was Partnerschaft zwischen Mitarbeitern und Unternehmern im Betrieb sein soll.

Meine Damen und Herren! Ich muß also einen Mitarbeiter nachweislich schriftlich abmahnen, daß er dieses und jenes tut. Wissen Sie, was das heißt: "nachweislich schriftlich abmahnen"? Das heißt, daß ich ihn, wenn er das nicht erfüllt, in Wirklichkeit fristlos entlassen muß, denn eine nachhaltige Nichterfüllung einer dienstlichen Weisung ist ein Grund für eine fristlose Entlassung.

Es kommt dann natürlich noch dazu, daß der Staatsdienst aus dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ausgenommen wurde – eine besonders "appetitliche" Variante. Dort, wo wir als Verwaltung, als Staat selbst zuständig sind, sind wir nicht bereit, in diese Richtung etwas umzusetzen. Damit sind wir der einzige Staat der Europäischen Union, der das nicht umsetzt.

Lassen Sie mich zusammenfassen – das ist eine Bitte und eine Erkenntnis, meine Damen und Herren, eine Erkenntnis, die schmerzt –: Sie und Ihre Politik setzen in diesem Land Rahmenbedingungen für uns Unternehmer, die uns eine klare Weisung erteilen: Beschäftige so wenige Mitarbeiter wie möglich! Das ist Ihre Politik auf Kosten jener Menschen in diesem Land, die arbeitslos sind und die damit keine Chance haben, Arbeit zu bekommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: In Ergänzung zu den eingangs genannten Namen wurde auch Frau Abgeordnete Dr. Gredler für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet.

Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Hostasch gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Frau Ministerin.

11.13

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich anläßlich dieser Aktuellen Stunde dafür, einiges Grundsätzliches zum Arbeitnehmerschutz sagen zu können, und darf gleich da beginnen, wo Herr Abgeordneter Peter auf die Arbeitskosten Bezug genommen hat, auf die Kosten, die der Arbeitnehmerschutz verursacht.

Für mich ist wirksamer Arbeitnehmerschutz nicht nur ein wichtiges Element zur Erzielung von humanitären Zielen, sondern ich glaube beweisen zu können, daß Arbeitnehmerschutz auch ökonomischen Nutzen mit sich bringt, und zwar sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Dies deshalb, weil die Kosten für Investitionen in präventive Maßnahmen beträchtlich niedriger sind als die Folgekosten, die aufgrund von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten entstehen. Hohe Standards im Arbeitnehmerschutz sind daher nach meiner festen Überzeugung auch entscheidende Faktoren für Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Peter! Vor allem Arbeitsunfälle führen zu Wettbewerbsnachteilen – aufgrund der damit verbundenen Ausfallszeiten und auch aufgrund der innerbetrieblichen Kosten, die dadurch entstehen. Es räumt sogar die Europäische Union – "sogar" sage ich, weil wir aus sozialpolitischer Sicht beklagen, daß der Sozialpolitik nach wie vor nicht jener Stellenwert beigemessen wird, wie ich ihn mir wünschen würde – der Vereinheitlichung des Arbeitnehmerschutzrechtes einen ganz besonderen Stellenwert ein: Zwei Drittel der EU-Gesetzgebung im Bereich Arbeit, Beschäftigung und Soziales betreffen den Arbeitnehmerschutz. In der EU sind pro Jahr 5 Millionen Arbeitnehmer Opfer von Arbeitsunfällen, 6 000 Arbeitsunfälle sind tödlich. Von 100 000 Arbeitnehmern sterben in der EU pro Jahr sieben Arbeitnehmer an einem Arbeitsunfall, und im Baugewerbe, einer besonders gefährlichen Branche, erleidet in der EU jährlich jeder zehnte Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall.


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Abgesehen von dem hohen menschlichen Leid, das mit jedem Arbeitsunfall verbunden ist, betragen die Folgekosten für Arbeitsunfälle nach Berechnungen der EU jährlich 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, also rund 850 Milliarden Schilling, die sicher besser für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Verfügung stehen sollten als zur Behebung von Schäden.

In Österreich sinkt die Zahl der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten Gott sei Dank kontinuierlich. So nahmen die reinen Arbeitsunfälle, ohne die Wegunfälle, seit 1990 um 15,3 Prozent ab, die anerkannten Berufskrankheiten sogar um 34,7 Prozent. Lag der durch Arbeitsunfälle verursachte volkswirtschaftliche Schaden im Jahr 1994 noch bei rund 30 Milliarden Schilling, so konnte diese Summe nach einer aktuellen Untersuchung der Bundesarbeitskammer in den Jahren 1995 und 1996 um 3,3 Milliarden Schilling gesenkt werden. (Beifall bei der SPÖ.) Das sind Kostensenkungen, die den Unternehmungen zugute kommen und nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Ich glaube, daß diese Zahlen doch sehr deutlich zeigen, daß wir beim Arbeitnehmerschutz auf dem richtigen Weg sind und daß sich vor allem das Arbeitnehmerschutzgesetz, mit dem wir auch die Mindestvorschriften in der Europäischen Union übernommen haben, positiv auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auswirkt.

Die überwiegende Mehrzahl der Arbeitnehmer in der Europäischen Union und somit auch in Österreich ist in Kleinbetrieben beschäftigt, daher legt zu Recht auch die Europäische Union einen besonderen Schwerpunkt darauf, daß der Arbeitnehmerschutz auch in Kleinbetrieben angewendet und durchgesetzt wird. Die Kommission wird künftig verstärkt darauf achten, daß die Mitgliedstaaten die betriebliche Anwendung der Arbeitnehmerschutzvorschriften effektiv kontrollieren.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Für Österreich geht es daher darum, die Mindeststandards der Europäischen Union zum Arbeitnehmerschutz auch für jene Betriebe zu übernehmen, für die sie noch nicht umgesetzt wurden. In meinem Zuständigkeitsbereich gibt es noch einen Nachholbedarf, nämlich im Landarbeitsrecht, aber auch da sind wir dabei, die Defizite zu beseitigen. Das allgemeine Begutachtungsverfahren endete am 30. September, und ich werde mich bemühen, in Kürze auch dieses Defizit einer Lösung zuzuführen.

Ich glaube aber, sehr geschätzte Damen und Herren, daß wir schon ein gemeinsames sozialpolitisches Verständnis dahin gehend haben sollten, daß alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, egal, ob sie jetzt in einem Kleinbetrieb, einem Großbetrieb oder in einem mittleren Betrieb beschäftigt sind, gleichermaßen den Arbeitnehmerschutzbestimmungen unterworfen sein sollten, und ich möchte sehr offen gestehen, daß ich nicht zufrieden bin mit der Situation, daß im öffentlichen Dienst nicht dieselben Regelungen gelten wie in der Privatwirtschaft. Es ist zwar nicht meine Kompetenz, die ich hier anspreche, aber ich weiß, daß Bemühungen im Gange sind, auch im öffentlichen Dienst, im Bundesbediensteten-Schutzgesetz, schrittweise die Umsetzung der EU-Richtlinien in Angriff zu nehmen. Selbstverständlich gelten die Arbeitnehmerschutzregelungen in jenen Bereichen, wo Bundesdienststellen im privaten Bereich agieren, sodaß keine Wettbewerbsnachteile gegenüber Unternehmen der Privatwirtschaft gegeben sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte auch noch darauf verweisen, daß immer wieder von Vertretern der Wirtschaft argumentiert wird, daß die Kosten für die Organisation der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes in keiner Relation zur beabsichtigten Wirkung stehen und sie die Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten führen würden. – Sie, sehr geschätzter Herr Abgeordneter, haben dieses Argument soeben auch in Ihrer Rede verwendet.

Ich möchte ein Beispiel aus Deutschland und eines aus Österreich bringen. Bei der Volkswagen AG hat der Arbeitnehmerschutz aufgrund der sozialen Verpflichtung wie auch der ökonomischen Notwendigkeit Vorteile für das Unternehmen gebracht. Aufgrund interner Berechnungen lagen die Kosten für das betriebliche Gesundheitsmanagement der Volkswagen AG beispielsweise 1995 bei 38 D-Mark pro Auto, während die Kosten für einen einzigen Krankenstandstag mit 500 D-Mark anzusetzen waren.


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Ein österreichisches Beispiel für betriebswirtschaftliche Vorteile durch effiziente Arbeitnehmerschutzmaßnahmen findet sich bei der Vorarlberger Hydro Aluminium Nenzing, die aufgrund eines verbesserten Arbeitnehmerschutzsystems die Arbeitsunfälle von 1988 bis 1995 auf nahezu Null reduzieren konnte, nämlich um 94,7 Prozent. Die damit verbundenen betrieblichen Ausfallstunden konnten um rund 93 Prozent verringert werden.

Dies sind also Beispiele aus der Praxis, konkrete Erfahrungen, wie man durch Arbeitnehmerschutz auch ökonomische und betriebswirtschaftliche Vorteile erzielt.

Ich war vor kurzem bei einer großen Veranstaltung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, bei der auch ein Vertreter des Vorstands von Opel Austria die Bedeutung des Arbeitnehmerschutzes für das Unternehmen und nicht nur für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen herausgestrichen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzter Herr Abgeordneter Peter! Erlauben Sie mir, noch ganz kurz auf den Kostenfaktor der arbeitsmedizinischen Betreuung zu verweisen. Es wird gesagt, daß allein für Unternehmen mit bis zu 100 Arbeitnehmern jährlich insgesamt rund 1,1 Milliarden Schilling aufgewendet werden müssen; ich entnehme das einer seinerzeitigen Veröffentlichung des Liberalen Forums.

Geht man anhand dieser Berechnung aber von den zusätzlichen Kosten aus, die dem einzelnen Betrieb durch die arbeitsmedizinische Betreuung erwachsen, so zeigt sich meiner Meinung nach doch ein anderes Bild. Betrachtet man auf diese Weise einen Betrieb mit 50 Arbeitnehmern, so stellt man fest, daß die betrieblichen Zusatzkosten 39 300 S betragen.

Ich kenne Ihr Argument – Sie verweisen auf die Aussage –, daß es nicht negiert werden kann, wenn da eine Mehrbelastung von 800 S gegeben ist. Auch ich habe ein Kostenbewußtsein, sehr geehrter Herr Abgeordneter, aber es geht immer darum, diese Kosten zu den ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Vorteilen in Relation zu setzen. Ich denke, die Beispiele, die ich gebracht habe, zeigen, daß diese Kosten durch die betriebswirtschaftlichen Vorteile auf der anderen Seite bei weitem kompensiert werden können, wodurch ein Nettoerfolg für alle Beteiligten gegeben ist, sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für die Unternehmungen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zum Schluß folgendes zu sagen: Mein Ressort ist bemüht, auch hinsichtlich der Umsetzung des Arbeitnehmerschutzgesetzes und der Verordnung praxisorientierte Lösungen zu finden. Ich bin gerne bereit, konkrete praxisfremde, nicht sinnvolle Bestimmungen in Verordnungen und in Gesetzen zu überdenken und gemeinsam einer neuen Lösung zuzuführen, aber ich sehe manche Vorwürfe nicht als objektiv an, zum Beispiel dann, wenn Verwaltungsvereinfachungen, wie etwa bei der Dokumentation, die wir veranlaßt haben, als Erschwernisse betrachtet werden. Manchmal habe ich den Eindruck, daß dieses Argument verwendet wird, um insgesamt zu Lasten des Arbeitnehmerschutzes zu agieren, und nicht, um einen umfassenden Arbeitnehmerschutz für alle Beschäftigten in unserem Land durchzusetzen.

Wir haben uns bemüht, gerade auch bei der Dokumentation eine sehr einfache Form zu finden. Ich konnte aus vielen Gesprächen mit der Wirtschaft erkennen, daß es oft auch mangelnde Information hinsichtlich der Gesetzeslage ist, die dazu führt, daß eine übertriebene Bürokratie hineininterpretiert wird, und ich hoffe, daß es uns gemeinsam gelingen kann, durch Information eine umfassende Akzeptanz des Arbeitnehmerschutzes auch in der praktischen Durchsetzung bei allen, den Klein-, Mittel- und Großunternehmen, zu erreichen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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88. Sitzung / Seite 17

11.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

In der nun folgenden Debatte sind die Redezeiten jeweils mit 5 Minuten begrenzt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

11.25

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde die 5 Minuten sehr verdichtet ausschöpfen und möchte in meinen Ausführungen gleich auf die Aussagen der Frau Bundesministerin eingehen und an jene meines Kollegen Helmut Peter anknüpfen.

Mein Kollege hat es schon ausdrücklich gesagt, und ich wiederhole es bewußt noch einmal: Der ArbeitnehmerInnenschutz ist uns ein echtes Anliegen. Ich gehe davon aus, daß auch die Frau Bundesministerin ein von der Zielrichtung her gleiches Anliegen verfolgt. Die Kritik, die wir hier äußern, beschäftigt sich in allererster Linie mit den Methoden, den Wegen und der Umsetzungsweise sowie den damit verbundenen Kosten.

Ich muß daher eingangs gleich auf die von Ihnen angestellten Überlegungen betreffend die betriebswirtschaftlichen Effekte eingehen. Sie haben rein arithmetisch unter Anwendung der Grundrechnungsarten richtig ausgerechnet, daß das bei einem Betrieb von 50 Mitarbeitern pro MitarbeiterIn rund 800 S ausmacht – das ist richtig. Sie haben dabei aber übersehen, daß genau diese Methode keine betriebswirtschaftliche Methode ist, denn Sie aggregieren insgesamt und dann dividieren Sie zurück. Damit ist der zentrale Fehler schon zum Ausdruck gebracht: Es sind in den von Ihnen getroffenen gesetzlichen Regelungen keine Mechanismen enthalten, die die Betriebe anspornen, mehr zu tun, als eben diese Kosten in Kauf zu nehmen, damit das gemeinsame Ziel, nämlich den ArbeitnehmerInnenschutz zu verbessern, auch im Interesse des konkreten Betriebes umgesetzt wird. Wenn ich nämlich völlig linear und ohne Rücksicht auf sonstige Möglichkeiten durch diese gesetzliche Anordnung einen bestimmten Betrag aufwenden muß, weil es im Gesetz so vorgesehen ist, dann tue ich das, damit ich das Gesetz einhalte, im übrigen ist aber meinerseits kein Interesse in Richtung einer darüber hinausgehenden Optimierung geweckt. Und das ist der zentrale Fehler! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Natürlich sind auch wir Liberalen nicht so naiv, daß wir annehmen, daß ArbeitnehmerInnenschutz etwas ist, was man unentgeltlich bekommt. Selbstverständlich sind ordentliche, sichere, humane oder sonstwie positiv beschriebene Arbeitsplätze nicht gerade billiger als schleißige. Das ist unbestritten. Wir sind auch nicht der Meinung, daß man ArbeitnehmerInnenschutz umsonst haben kann, wir sind allerdings der Meinung, daß mit dem Gesetz, das Sie hier beschlossen haben und das heute in der Praxis des Vollzuges und in seinen Effekten auch zur Diskussion steht, das angestrebte Ziel weitgehend verfehlt wird, weil Sie nur in kollektiven Größenordnungen denken und die individuellen Notwendigkeiten der Betriebe dabei außer acht lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Um Ihnen deutlich zu machen, was damit gemeint ist: Die AUVA ist ein ganz gutes Beispiel. Sie ist eine alte Einrichtung, sie ist eine erfolgreiche Einrichtung – Sie selbst haben die Trends im Bereich der Arbeitsunfälle genannt –, sie hat Überschüsse, und was geschieht? – Sie wird nicht nach dem Fortschritt der Zeit für neue Zwecke adaptiert oder vielleicht auch redimensioniert, sondern es werden aus ihren Prämienüberschüssen, Beitragsüberschüssen – damit ich deutlich bleibe – andere Dinge finanziert.

Sie sehen, daß das Versicherungselement, das hinter der AUVA steht, wäre, daß Interessengleichklang dahin gehend gegeben ist, durch bessere Arbeitsplätze Kosten zu vermeiden. Es geht nicht um eine lineare Vorschreibung von betriebsärztlichen Einsatzstunden, die noch dazu, wenn man das genauer betrachtet, die Fragen: Was wird in dieser Zeit konkret geschehen? Was kann denn in zwei Stunden in einem Betrieb mit sechs bis zehn Arbeitnehmern geschehen?, unbeantwortet läßt. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Frau Bundesministerin! Es freut uns, daß auch Sie es bedauern, daß der öffentliche Dienst nicht mit einbezogen ist, aber die Kompetenzlage dürfte in einer Bundesregierung, die ein Kollegialorgan ist, kein Hindernis sein, übergreifende Regelungen zu treffen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In diesem Zusammenhang ist mir die letzte Sitzung des Sozialausschusses in Erinnerung. Wir hatten eine Vereinbarung der ILO auf der Tagesordnung, in der es um den ArbeitnehmerInnen


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88. Sitzung / Seite 18

schutz im Bergbau gegangen ist. Eine der Forderungen, die von der ILO in diese Vereinbarung gebracht wurde, war, daß alle ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften in verständlicher Sprache abzufassen sind. Diese Forderung des Abkommens war einer der Gründe dafür, daß wir es nicht ratifizieren konnten.

Der zweite Grund war, daß der BergarbeiterInnenschutz sowohl beim Wirtschaftsministerium – Bergbau – als auch beim Sozialministerium – Arbeitsinspektorat – angesiedelt ist und daher offenbar nicht harmonisiert werden kann. Ich weiß nicht, warum das nicht möglich ist, da wir doch eine einzige Bundesregierung haben!

Um diese Fragen geht es uns. Es geht darum, daß wir ein gemeinsames Ziel haben (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), wir aber der Meinung sind, daß die Wege, die Sie beschreiten, das Ziel verfehlen und am Ende der Kette letztlich nur ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte, die Redezeit zu beachten!

Abgeordneter Dr. Volker Kier (fortsetzend): Das ist der Schlußsatz. – Am Ende der Kette sind nur noch Kosten, und zwar Kosten ohne positives Ergebnis. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koppler. – Bitte.

11.31

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Peter, es freut mich, daß wir uns dahin gehend einig sind, daß ArbeitnehmerInnenschutz sehr wichtig ist – nämlich für die dort Beschäftigten, aber auch für die Unternehmen.

Herr Abgeordneter Peter! Ich verwahre mich dagegen, daß Sie die Gelegenheit ausnützen und hier vom Rednerpult aus eine verdiente Mitarbeiterin des Sozialministeriums so beleidigen. Ich verwahre mich dagegen, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jahr für Jahr erleiden rund 100 000 Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall, und 60 Beschäftigte sterben an ihren schweren Verletzungen. Gott sei Dank ist die Zahl der Arbeitsunfälle rückläufig, aber dennoch passiert viel zu viel.

Die wirtschaftlichen Folgekosten sind enorm. Durch Arztbesuche, Krankenstände, medizinische Versorgung entstehen sowohl den Unternehmen als auch dem Staat direkte und indirekte Folgekosten; das wurde auch schon zum Ausdruck gebracht. Vom menschlichen Leid möchte ich hier überhaupt nicht reden.

Schon allein aus finanziellen Gründen wäre eine weitere Verbesserung im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes dringend notwendig, vor allem in den Produktionsbereichen und im Bauwesen. Bedingt durch neue Techniken, den Druck des Arbeitsmarktes, Streß und andere Faktoren entstehen neue Formen körperlicher und geistiger Arbeitsplatzbelastung.

Ich entnehme, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem "Standard" vom 3. Oktober 1997, daß Universitätsprofessor Winfried Panse in der Politischen Akademie der ÖVP einen Vortrag zum Thema "Angst am Arbeitsplatz" gehalten hat. Herr Panse errechnet, daß aus Sorge der österreichischen Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz der heimischen Wirtschaft jährlich ein Schaden in der Höhe von 80 Milliarden Schilling entsteht. Sinkende Effizienz, steigende Fehlleistungen, Alkoholismus, Tablettensucht und medizinische Folgekosten verursachen diese enorme finanzielle Belastung. Das Gejammer vieler Unternehmer über die Höhe der Kosten des Arbeitnehmerschutzes ist daher keineswegs, wie ich meine, angebracht.

Für diese Aktuelle Stunde des Liberalen Forums bin ich dankbar, weil sie uns die Gelegenheit gibt, die positiven Seiten des Arbeitnehmerschutzes aufzuzeigen. (Beifall bei der SPÖ.)


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88. Sitzung / Seite 19

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich vertrete, Herr Abgeordneter Peter, eine Gegenthese: Arbeitnehmerschutz fördert Arbeitsplatzsicherheit und bringt Wettbewerbsvorteile. (Abg. Mag. Peter: Das steht außer Streit!) Das kann ich deshalb mit ruhigem Gewissen behaupten, weil ich in meiner bisherigen Berufslaufbahn viele verschiedene Arbeitsplätze kennengelernt habe, Herr Abgeordneter Peter.

Arbeitnehmerschutz trägt zur erhöhten Arbeitsplatzsicherheit für den einzelnen Arbeitnehmer bei, fördert die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter, kürzt Fehlzeiten im Betrieb und erhöht damit die Produktivität. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Betriebe. Damit steigt generell die Arbeitsplatzsicherheit.

Geschätzte Damen und Herren! Aus diesem Grund treten wir Sozialdemokraten für einen weiteren zeitgemäßen Ausbau der ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen ein. Und in diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein herzliches "Glückauf!". (Beifall bei der SPÖ.)

11.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte.

11.35

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Diskussion um den Arbeitnehmerschutz ist hier im Hohen Haus nichts Neues. Wenn man sich Medienberichte anschaut, sieht man: Das wird ständig diskutiert, und das wird auch in Zukunft zu diskutieren sein, denn die technischen und organisatorischen Veränderungen unserer Arbeitswelt ändern eben auch die Arbeitsinhalte und stellen neue Qualifikationsanforderungen. Diese Diskussion wird in erster Linie im Sozialpartnerbereich zu führen sein. Ich halte nichts davon, zu versuchen, eine Gruppe gegen die andere auszuspielen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das erleben wir aber jeden Tag, und es bringt uns keinen Millimeter weiter, sondern schafft nur starre Fronten. Daher, Herr Kollege Peter – das muß ich schon sagen –, ist der Titel etwas entlarvend. "ArbeitnehmerInnenschutz in Österreich" – einverstanden, kann man diskutieren. Aber "Wettbewerbsverzerrung und Arbeitsplatzgefährdung" ist schon sehr einseitig. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Ich fürchte, dem Liberalen Forum geht es nicht um eine konstruktive Diskussion, sondern um ein gegenseitiges Ausspielen (Abg. Mag. Peter: Das ist eine Unterstellung!) , und das lehnen wir von der ÖVP entschieden ab! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte auch nichts davon, wenn Herr Haider in einer Presseaussendung meint, man sollte das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zur Gänze aussetzen. Das ist doppelzüngig, denn auf der einen Seite spielt sich Haider als Beschützer der Leistungsbereiten auf – jetzt aber dürfte er vergessen haben, daß Leistungsfähigkeit vor allem auch Gesundheit voraussetzt.

Ich meine daher, daß wir diese Diskussion permanent betreiben sollten, und wir haben ja auch schon entsprechende Akzente gesetzt. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Arbeitnehmerschutzgesetz-Novelle, mit der verschiedene Erleichterungen für die Betriebe, für die Unternehmer erreicht werden konnten. So kann zum Beispiel bei Betrieben bis zu zehn Mitarbeitern bei Nichtvorliegen besonderer Gefahren von einer Gefahrendokumentation abgesehen werden. Oder: Die Termine der Gefahrenermittlung wurden vor allem für Kleinbetriebe bis zum Jahre 2000 hinausgeschoben. Weiters: Für betriebsfremde Arbeitnehmer setzt eine deutliche Minderung der Haftung des Dienstgebers ein.

Wir sollten daher diese Diskussion, sehr geehrte Damen und Herren, differenzierter führen. Und wir sollten vor allem – da bin ich ganz bei Ihnen – den öffentlichen Bereich miteinbeziehen. Es kann doch nicht so sein, daß, wie zum Beispiel in meinem Bezirk, die Mitarbeiter einer Bezirkshauptmannschaft in kleinsten Räumen – ich möchte fast sagen: "Besenkammerln" – untergebracht sind. (Abg. Dr. Haselsteiner: Warum haben Sie es nicht beschlossen, Herr Steindl?) Auch da ist natürlich der Dienstgeber gefordert.


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88. Sitzung / Seite 20

Ich halte fest, daß neue und sichere Arbeitsplätze nur von gesunden und sicheren Unternehmen kommen. Das war immer die wirtschaftspolitische Linie der ÖVP; und so wird es natürlich bleiben. Es ist ein Faktum, daß dazu auch gesunde und gut motivierte Arbeitnehmer gehören. Ich habe da eine Statistik des Zentralamtes vor mir, wonach über 1 Million Arbeitnehmer über Lärm am Arbeitsplatz klagen; 855 meinen weiters, daß sie akut unfallgefährdet arbeiten: In diesen Bereichen hat also noch einiges zu geschehen.

Wir müssen das Arbeitnehmerschutzgesetz vorantreiben. Wir müssen die Bürokratie zurückdrängen; die Betriebe dürfen nicht belastet werden. Schikanen sind zu entfernen: Das muß ein ständiges Thema sein, und diesem werden wir uns von der ÖVP auch in Zukunft annehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé.

11.40

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Steindl, wir führen die Diskussion über ein Arbeitnehmerschutzgesetz sehr differenziert. Wir sagen nämlich, wir wollen einen Arbeitnehmerschutz, aber einen sinnvollen Arbeitnehmerschutz, einen Arbeitnehmerschutz, der nicht zum Einstellungshindernis wird für denjenigen, den er schützen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und in diesem Zusammenhang gleich ein paar Worte zum Herrn Abgeordneten Koppler. Sie haben gesagt, der Arbeitnehmerschutz gewährleiste auch die Arbeitsplatzsicherheit. Diesbezüglich möchte ich Ihnen wirklich widersprechen, denn Sie haben durch die Politik der vergangenen Jahre, durch einen wirklich überzogenen Arbeitnehmerschutz für diejenigen, die Sie schützen wollen, Einstellungshindernisse aufgebaut. Sie haben letztlich dadurch, daß Sie beispielsweise im Lehrlingsbereich sinnvolle Schutzmaßnahmen nicht akzeptiert haben, verhindert, daß die Unternehmer Lehrlinge einstellen. Es haben ja die Unternehmer jahrelang deshalb keine Lehrlinge eingestellt, weil der Lehrling für den Betrieb überhaupt nichts mehr gebracht hat. Die Bezahlung ist immer mehr gestiegen, gleichzeitig sind die Schutzbestimmungen immer stärker ausgeweitet worden, und daher hat es sich der Unternehmer überlegt, ob er überhaupt Lehrlinge einstellen soll.

Gleiches gilt auch für den Bereich der Behinderten. Sie haben es leider Gottes immer wieder verabsäumt, mit den Behindertenvereinen Gespräche zu führen, wie man eine bessere Behinderteneinstellung erreichen kann, und zwar unter Aufrechterhaltung des Schutzes. Tatsächlich werden jetzt nicht einmal im öffentlichen Dienst Behinderte eingestellt. Es sind 3 000 Behindertenstellen im öffentlichen Dienst offen.

Ich glaube, man muß die Diskussion wirklich differenziert führen. Es ist dies, Herr Kollege Steindl, auch kein Ausspielen einer Gruppe gegen die andere – das wird ja völlig falsch gesehen (Beifall bei den Freiheitlichen) – , sondern es geht darum, in Österreich endlich sinnvollen Arbeitnehmerschutz zu praktizieren.

Ich möchte Ihnen vorwerfen, Frau Minister – und auch Ihnen von SPÖ und ÖVP –, daß Sie Arbeitnehmerschutz auch gar nicht ehrlich betreiben. Da gibt es nämlich eine Liste der Berufskrankheiten, und Sie verzögern seit Jahren die Adaptierung, Sie verhindern, daß aktuelle Berufskrankheiten in diese Liste aufgenommen werden, weil Sie nicht wollen, daß um soundso viele Arbeitnehmer mehr von der Allgemeinen Unfallversicherung eine Invalididätsrente oder andere Zahlungen bekommen, weil sie durch eine dieser Berufskrankheiten geschädigt sind. Wenn es Ihnen wirklich ernst wäre mit dem Arbeitnehmerschutz, dann müßten Sie auch dafür Sorge tragen, daß dieser Berufskrankheitenkatalog auf einem aktuellen Stand ist, sodaß alle diejenigen, die durch eine Berufskrankheit zu Schaden kommen, von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt auch eine Unterstützung bekommen. Das machen Sie nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist heute auch schon öfter erwähnt worden, daß es verschiedene Schutzbestimmungen gibt für diejenigen Arbeitnehmer, die im Bundesbereich beschäftigt sind, und für jene im privaten


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Bereich. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir, die Freiheitlichen, haben schon mindestens dreimal einen Antrag auf Gleichstellung des Arbeitnehmerschutzes im Bundesbereich und im privaten Bereich gestellt. Jedesmal haben Sie gegen unseren Antrag gestimmt, und deshalb glaube ich Ihnen das alles nicht, was Sie heute vorbringen (Beifall bei den Freiheitlichen) , nämlich daß es für alle Bereiche einen gleichartigen Schutz geben muß.

Frau Minister! Wenn Sie heute wieder sagen, große und kleine Unternehmen müssen den gleichen Arbeitnehmerschutz gewährleisten, dann ist das schon richtig, aber wo sind die öffentlich Bediensteten, wo ist die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, ebensolche Schutzbestimmungen zu schaffen, ebensolche Auflagen zu haben wie im privaten Bereich? Da müssen Sie sich mehr einsetzen. Sie behaupten zwar, das ist nicht Ihr Bereich, aber immerhin hat ja Ihre Stimme im Ministerrat ein gewaltiges Gewicht, und da müssen Sie sich dafür einsetzen, daß den öffentlichen Arbeitgeber eine genauso große Verpflichtung trifft wie den privaten Arbeitgeber. Der wird nämlich auf Teufel komm raus schikaniert, während beispielsweise im Bundesbereich die Bediensteten in einsturzgefährdeten Aktenlagern arbeiten müssen, die Fenster können nicht geöffnet werden, die Entlüftung stimmt nicht und was weiß ich noch alles. Aber da wird überhaupt nichts getan, darüber wird hinweggesehen.

Selbstverständlich sind auch wir Freiheitlichen für einen Arbeitnehmerschutz, aber er muß sinnvoll sein, er darf nicht von derart vielen bürokratischen Hindernissen überlagert werden, daß er dazu führt, daß sich die Unternehmer weigern, Arbeitnehmer einzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

11.46

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Partik-Pablé, das, was Sie zum Lehrlingsschutz und zur Behinderteneinstellung ausgeführt haben, kann man nicht so im Raum stehenlassen. Würde es stimmen, daß ein bürokratischer und starker Arbeitnehmerschutz die Beschäftigung von Lehrlingen beziehungsweise Behinderten in Österreich verhindert, dann müßte das auch für die Bundesrepublik Deutschland und für die Schweiz gelten. (Abg. Dr. Fekter: Natürlich! Der absolute Kündigungsschutz!)

Diese Länder haben genau die gleichen Probleme bei der Beschäftigung von Lehrlingen und auch bei der Beschäftigung von Behinderten. Sie wissen genausogut wie ich, daß bei den Behinderten die Taxe dafür ausschlaggebend ist, daß die Behinderten nicht eingestellt werden. Das ist der Grund – und nicht der Arbeitnehmerschutz! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Nein, der absolute Kündigungsschutz! Lesen Sie das Urteil des OGH! Der absolute Kündigungsschutz ist kontraproduktiv!) Der hindert niemanden daran, einen Behinderten einzustellen, und er hindert auch niemanden daran, einen Lehrling einzustellen.

Ich komme zum Eigentlichen, meine Damen und Herren, und das Eigentliche ist ein guter Arbeitnehmerschutz, das wurde bereits mehrfach festgestellt. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Herr Kollege Haigermoser! Von dir nicht, denn davon verstehst du nichts! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es wurde von einigen Abgeordneten schon betont, daß ein guter Arbeitnehmerschutz nicht nur für die Beschäftigten wichtig und sinnvoll ist, sondern auch für die Unternehmen, und das ist der eigentliche Punkt, auf den wir hinaus sollten. Haben wir in Österreich einen guten Arbeitnehmerschutz oder nicht?

Ich teile durchaus die Kritik an unserem Arbeitnehmerschutz: Er ist nicht gut, er könnte besser sein. Aber, und das ist der Unterschied zum Liberalen Forum, ich meine, das liegt nicht am Gesetz, sondern an der schlechten Umsetzung des Gesetzes. Wir haben im Gesetz zahlreiche Ermächtigungsverordnungen, die noch immer nicht vollzogen sind. Das Gesetz hängt in der Luft, und wir haben eine schlechte Umsetzung – das ist auch schon gesagt worden in der Debatte –, beispielsweise durch die Unfallversicherungsanstalt, die eigentlich eine wichtige


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Aufgabe in bezug auf den Arbeitnehmerschutz ausüben sollte, aber nicht ausüben kann und nicht ausüben will, weil der Finanzminister jedes Jahr in die Kasse der Unfallversicherungsanstalt hineingreift und die Gelder, die für Prävention vorgesehen sind, herausnimmt, um das Budget zu sanieren.

Das ist das Problem mit dem Arbeitnehmerschutz, das wir hier in diesem Land haben: daß die notwendige Aufgabe der Prävention im Arbeitnehmerschutz nicht gesehen wird, nicht als eine wichtige Aufgabe erkannt wird – auch von Unternehmerseite nicht. Der Grund liegt darin, daß das Geld für die Kosten kein Mascherl hat und die Kosten in anderen Bereichen anfallen. (Abg. Dr. Fekter: Die meisten Unfälle passieren aber nicht am Arbeitsplatz, die meisten Unfälle passieren in der Freizeit!) Wenn die Unfallversicherung versagt und nicht Prävention betreibt, dann zahlt eben die Krankenversicherung! Das ist aber falsch und führt dazu, daß wir im Bereich der Pensionsversicherung einen Großteil der Probleme haben, über die wir an anderer Stelle diskutieren. (Abg. Dr. Fekter: Nicht die Arbeitsunfälle sind das Problem, sondern die Freizeitunfälle!)

Es gibt eine große Anzahl von Frühinvaliden gerade im Baubereich; diese Branche ist schon angesprochen worden. Schauen Sie sich die Unfallzahlen im Baubereich an! Da liegen wir europaweit nicht sehr gut. Da liegen wir ganz unten. Da schaut es immens schlecht aus für Österreich, auch im Vergleich mit der Schweiz und mit der Bundesrepublik Deutschland. Schauen Sie sich das einmal an!

Ich kann Ihnen auch Beispiele bringen. Im Baubereich ist bei uns noch immer – im Unterschied zu anderen Ländern; ich glaube, es wird jetzt geändert – das Tragen von schweren Zementsäcken bis zu 40 oder 50 Kilogramm erlaubt, obwohl das den Bewegungsapparat, den Stützapparat ruiniert. Im Baubereich darf in Österreich noch immer Zement verwendet werden, der schwere Hautekzeme verursacht. Andere Länder haben das saniert, andere Länder haben diesbezüglich Fortschritte erzielt und haben diese Risikofaktoren ausgeschaltet.

Dort fallen keine Kosten an für die Heilbehandlung, dort fallen keine Kosten an für Krankenstände, Unfallrenten und Frühpensionierungen. In Österreich machten wir bisher nichts, was das angeht. Und das liegt auch – es tut mir leid, das sagen zu müssen – an der Wirtschaft, die bisher nicht zur Einsicht gekommen ist, daß ein vernünftiger Arbeitnehmerschutz auch im Interesse der Wirtschaft liegen kann. Vielleicht wird sich das nicht unmittelbar betriebswirtschaftlich niederschlagen, denn niemand wird bestreiten können, daß jede Prävention, jede zusätzliche Präventionsmaßnahme zunächst einmal Kosten verursacht. Das behaupten auch wir nicht, daß das nichts kostet. Aber es rentiert sich auf Dauer, und zwar infolge sinkender Unfallzahlen, sinkender Berufskrankheitenzahlen, sinkender Zahlen von Frühpensionierungen wegen langandauernder Invalidität und, und, und.

Da könnten Sie dann einsparen. Daher: Begreifen Sie die Chance, die in einem guten Arbeitnehmerschutz liegt, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, aber auch vom Liberalen Forum!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend) : Nehmen Sie diese Herausforderung an! (Beifall bei den Grünen.)

11.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

11.51

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das Liberale Forum heute die Kosten des Arbeitnehmerschutzgesetzes in den Vordergrund stellt, muß ich sagen: Auch Sie haben nicht begriffen, daß es auch für den Arbeitgeber Vorteile bringt. Ich möchte deshalb in Erinnerung rufen, wie wichtig das Arbeitnehmerschutzgesetz für alle ist.


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Das Arbeitnehmerschutzgesetz wurde aufgrund der EU-Richtlinien zum Zweck der Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung am Arbeitsplatz für unselbständig Erwerbstätige in der österreichischen Wirtschaft beschlossen. Wie wichtig dieses Arbeitnehmerschutzgesetz ist, werde ich mit Fakten und Zahlen aus einer Studie der Arbeiterkammer belegen, aus denen deutlich wird, daß das Arbeitnehmerschutzgesetz auch dem Arbeitgeber wesentliche Vorteile bringt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1995 ist in den Betrieben eine erfreuliche Trendwende zu beobachten. Als wichtig dabei hat sich die Arbeitgeberpflicht zur Ermittlung aller bestehenden Gefahren und daraus resultierend die Pflicht zur Gefahrenverhütung herausgestellt. Die Klagen aus Kreisen der Wirtschaft und auch vom Kollegen Peter hinsichtlich der administrativen Mehrkosten für Gefahrenermittlung und -bewertung lassen sich jedenfalls anhand der vorhandenen Zahlen und Fakten klar widerlegen.

Waren es nämlich 1994 noch 172 044 Fälle, so konnten diese durch das Inkrafttreten des Arbeitnehmerschutzgesetzes schon 1995 um 5 361 Fälle verringert werden. 1995 betrug der Rückgang schon 14 569 Fälle. Laut Berechnungen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt kostete jeder einzelne anerkannte Versicherungsfall den Betrieb im Durchschnitt 27 000 S. Bezogen auf die Gesamtzahl der Versicherungsfälle ergab dies 1994 4,65 Milliarden Schilling. 1995 waren es schon um 150 Millionen Schilling weniger, 1996 waren es um 400 Millionen Schilling weniger. Das heißt also, daß die österreichischen Betriebe in den Jahren 1995 und 1996 ihre Kosten aufgrund von Arbeitsunfällen um 550 Millionen Schilling reduzieren konnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts dieser Zahlen bin ich überzeugt davon, daß auch der jammernde Teil der Wirtschaft den Nutzen dieser Bestimmungen begreifen wird. Die Frau Bundesministerin hat ja schon darauf hingewiesen, daß der Volkswirtschaft 1994 ein Schaden von zirka 30 Milliarden Schilling entstanden ist. Dieser Schaden konnte in den Jahren 1995 und 1996 um 3,3 Milliarden Schilling reduziert werden.

Dabei ist es aber ganz wichtig, daß die Zusammenarbeit zwischen Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt gut funktioniert, um zusätzliche Hilfestellungen, um Verbesserungen bei der betrieblichen Umsetzung zu ermöglichen. Das Interesse der Arbeitgeber muß es ja auch sein, Unfälle zu verhindern, um somit sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Die Beseitigung aller bestehenden Gefahren am Arbeitsplatz hat zufriedene Mitarbeiter zur Folge und wirkt sich für den Unternehmer kostensenkend aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, in einem Betrieb arbeiten zu können, in dem der Arbeitnehmerschutz oberste Priorität hat. Unser Produkt bringt nicht gerade sehr hohe Gewinne ein. Dennoch wird es aber auch weiterhin die Aufgabe der Sozialdemokraten sein, den Arbeitnehmerschutz weiter zu forcieren und auszubauen – im Interesse aller Beteiligten. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Gleiche Redezeit. – Bitte.

11.56

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, kein vernünftiger Mensch wird sich gegen sachgerechte Bestimmungen zum Schutz der Mitarbeiter in unseren Betrieben wenden, wenn diese Bestimmungen, die Maßnahmen, die darin festgelegt werden, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit dessen, was gefordert wird, und dessen, was dadurch im Betrieb erreicht werden kann, entsprechen.

Aber wer definiert bitte, was vernünftig und was sachgerecht ist? Sind das jene Gewerkschaftsfunktionäre, die, so wie heute früh im Rundfunk zu hören war, Belangsendungen machen lassen und den Amerikaner Bill – ich kenne ihn nicht – erzählen lassen, daß er fünf Jobs brauche, um seine Familie ernähren zu können, und keine soziale Absicherung habe? Sind es jene, die mit diesem Feindbild und mit der Keule Sozialabbau jede vernünftige Diskussion


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darüber, was verhältnismäßig und sachgerecht ist, von vornherein unterdrücken wollen? – Ich glaube nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Helmut Peter, ich bin bei dir in dem Punkt ArbeitnehmerInnenschutzgesetz vor allem bezüglich der Novelle, die 1995 in Kraft getreten ist; es konnten ein paar überzogene Bestimmungen Gott sei Dank zum Teil ja schon repariert werden. Aber da ist eben auch diese eine, von den Unternehmern natürlich wohlwollend aufgenommene Forderung deinerseits, eingebettet in eine liberale Sozialpolitik, die beispielsweise ein Modell einer Grundversorgung für alle vorsieht, abgekoppelt vom Prinzip des Erwerbseinkommens und der Erwerbstätigkeit, wodurch man den Leistungsanreiz, der meiner Meinung nach in jedem System notwendig ist und den du ja sonst auch verteidigst, einfach über Bord wirft. Also auch das ist Teil der liberalen Sozialpolitik, und diesen Teil lehne ich und lehnt mit mir auch die ÖVP ganz eindeutig ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Was ist denn bitte, meine Damen und Herren, die Grundvoraussetzung für Beschäftigung und Wohlstand? – Es sind tüchtige, erfolgreiche Unternehmer, und solche haben wir in Österreich Gott sei Dank in sehr großer Zahl. Was diese aber brauchen, sind Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit, damit sie ihre Tätigkeit auch weiterhin in Österreich ausführen können und nicht genötigt sind, das in anderen Ländern zu tun.

Zunehmend wichtig wird aber auch eines: die Stimmung, in der wirtschaftliche Tätigkeit abläuft. Auch sie ist entscheidend für unternehmerische Entscheidungen. Es geht nicht nur um den Rechenstift. Unternehmer schauen sich auch die Tendenz an, schauen sich das Politikverständnis eines Landes an, schauen darauf, ob – ich nenne es einmal so – sozialdemokratisch geprägte Grundsätze vorherrschen, die generell einem meines Erachtens eher überzogenen ordnungspolitischen Ansatz in der Regelung von Rahmenbedingungen zuneigen. Dazu kommt dann noch der Machtanspruch des ÖGB – Beispiel Arbeitszeitflexibilisierungsregelung –, der es nicht möglich machte, die Probleme auf subsidiäre Art und Weise dort, wo sie eben sehr individuell sind, auch individuell zu lösen, nämlich in den Betrieben. Nein, ohne den Machtfaktor ÖGB ging es nicht, also KV-Regelung. Oder etwa die Liberalen; ich habe zu deren sozialpolitischem Verständnis schon etwas gesagt.

Frau Bundesministerin! Wenn Sie beispielsweise Erfolge einer Firma wie die der Hydro Aluminium Nenzing aus meinem Heimatbundesland erwähnen, dann halte ich das für kein gutes Argument für die Verschärfung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, die wir im Jahre 1994 für das Jahr 1995 vorgenommen haben. Sie haben das Beispiel für einen Zeitraum gebracht, der bis 1995 gereicht hat, in dem diese Firma die Zahl der Arbeitsunfälle auf nahezu Null reduzieren konnte, und zwar in einem Bereich, der nicht ungefährlich ist. Da konnte dieses Gesetz, also diese verschärften Bestimmungen, noch gar nicht greifen. Dieser Erfolg konnte aus dem völlig richtigen Verständnis dieses Unternehmens heraus erzielt werden, daß ein vernünftiger Arbeitnehmerschutz selbstverständlich auch betriebswirtschaftlich Sinn macht.

Ich meine, genau dort sollten wir weitermachen, wenn wir jetzt über einen weiteren Schritt diskutieren. Es gibt von uns ganz konkrete Vorschläge, dieses Gesetz weiter der Praxis anzupassen. Und nur darum geht es. Es geht nicht darum, Schutz abzubauen, sondern dieses Gesetz der Praxis anzupassen. Wir sollten uns genau das, was diese Firmen – nämlich freiwillig! – schon vor dieser überzogenen Verschärfung getan haben, zum Beispiel nehmen! (Beifall bei der ÖVP.)

12.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mares Rossmann. – Bitte.

12.02

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Minister! Ich möchte nicht, daß der Eindruck entsteht, daß österreichische Betriebe aufgrund eines überzogenen Arbeitnehmerschutzgesetzes wie gelähmt sind und ins Ausland


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abwandern. Nein, bei uns ist es die Summe aller Dinge, die Summe aller Schikanen, die uns das Leben schwermacht!

Eine Studie zeigt, daß unter 20 Industrienationen in puncto freier Wirtschaftsentfaltung Österreich bereits an letzter Stelle steht. Eine lähmende Bürokratie schwächt den Standort Österreich. Am schlechtesten hat Österreich in den Punkten staatlicher Einfluß und Regulierung abgeschnitten. Deshalb ist die Regierung aufgerufen, diese totale Blockade und Lähmung des Wirtschaftsstandortes Österreich endlich aufzuweichen.

Das zeigt sich auch in der Selbständigenquote: Österreich ist mit einer Selbständigenquote von 6,3 Prozent Schlußlicht in Europa. In Österreich müßten 150 000 neue Betriebe gegründet werden, um wenigstens den OECD-Durchschnitt zu erreichen. Bei einem internationalen Vergleich schneidet Österreich miserabel ab. Als Beispiel sei nur die Gewerbeordnung erwähnt. Sämtliche Klein- und Kleinstanlagen in Österreich sind gewerbegenehmigungspflichtig. So kommt es in Österreich zu 15 000 Gewerbeverfahren im Jahr – Herr Kollege Stummvoll wird das wissen –, in Deutschland sind es bei der dreifachen Kapazität 6 000 und in England sage und schreibe nur 360! Das sind die Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben.

Die neue Gewerbeordnung wurde als Erleichterung in allen Bereichen verkauft. (Abg. Dr. Fekter: Ist sie auch!) Sie ist eine Erschwernis, Frau Kollegin, und zwar eine gewaltige Erschwernis sowohl für die Gewerbebehörde als auch für die Betriebe, denn bisher hat man ... (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Nein! Nein! Das stimmt nicht!)

Bisher hat man Hürden überwinden müssen, bis man endlich einen Betrieb eröffnen konnte. Nun wurden für den Fall, daß man einen Betrieb stillegen möchte, neue Hürden geschaffen. Das heißt, ein Betrieb kann nicht einmal mehr stillgelegt werden, wenn der Unternehmer dies will. Das ist unser Problem! (Abg. Dr. Fekter: Freilich!) – Nein, das geht nur mehr mit einem Feststellungsbescheid. (Abg. Kopf: Diese Rechtssicherheit wollen viele Unternehmen!) Das heißt: Die Behörde muß handeln. Erst wenn die Behörde gehandelt hat, darf ich meinen Betrieb schließen. So weit haben wir es in Österreich schon gebracht. Aber das ist noch nicht alles. (Abg. Dr. Fekter: Diese Rechtssicherheit löst die Haftungspflicht für die Unternehmen!)

Die Arbeitnehmerschutzbestimmungen beinhalten auch – und das ist heute überhaupt nicht erwähnt worden – eine gewaltige Hemmschwelle hinsichtlich Nachtarbeit von Frauen. In der Koalition wurde so oft angekündigt, daß dies behoben wird. (Abg. Dr. Fekter: Das stimmt! Das ist richtig!)  – Überhaupt nichts ist behoben worden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das führt sogar so weit – Frau Minister, hören Sie zu, das wird Sie vielleicht interessieren! –, daß Ihr roter Parteikollege und steirischer Finanzlandesrat Ressel sagt, man solle Betriebe, die absiedeln, im Ausland fördern. Steirische Betriebe wandern bereits nach Slowenien ab, weil das Nachtarbeitsverbot für Frauen speziell in der Steiermark bereits zur Hemmschwelle geworden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das gilt für den High-tech- und elektronischen Bereich für hochqualifizierte Frauenarbeitsplätze mit guter Bezahlung. Die Frauen dürfen dort in der Nacht nicht tätig sein; als Folge siedeln die Betriebe ab.

Die zweite fatale Folge ist, daß die Betriebe aus anderen Bereichen Facharbeiter abwerben, diese aufnehmen und wir im Gewerbe keine Facharbeiter mehr haben. Frau Minister! Das ist die Misere mit dem Nachtarbeitsverbot für Frauen, die Sie zu verantworten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abgesehen davon sage ich als Frau, daß es eine ungeheuerliche Diskriminierung ist, wenn man als Frau nicht arbeiten darf, wann man will. Es wird niemand gezwungen, in der Nacht zu arbeiten; aber viele Frauen mit kleinen Kindern oder erwachsenen Kindern, die außer Haus sind, würden sehr gerne in der Nacht arbeiten und gut verdienen. Das sei Ihnen gesagt! Aber da versagen Sie total! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Österreich ist auch steuerlich nicht wettbewerbsfähig! Solange – speziell im Tourismus – in Österreich für ein Bier 28 Prozent Steuern zu bezahlen sind, in Italien aber nur 6 Prozent, warne


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ich vor der Einführung des Euro. Auch für den Tourismus ist der Zeitpunkt der Einführung des Euro noch verfrüht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind mit unseren steuerlichen Rahmenbedingungen nicht wettbewerbsfähig, aber wir sind dadurch vergleichbar! Wenn wir vergleichbar werden, wird es für den Wirtschaftsstandort Österreich – Sie lachen –, speziell für Kärnten ein großes Problem sein, wenn das Gösser Bier in Udine 2,50 Euro kostet, aber am Wörthersee 4,50 Euro. Herr Kollege Haselsteiner! Mir vergeht das Lachen dabei, muß ich ehrlich sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Er produziert ja nichts mehr in Kärnten! Er kauft nur mehr Seilbahnen! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Deshalb sind wir Freiheitlichen auch für eine Aufschiebung der Einführung des Euro, solange die ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit beachten! Schlußsatz!

Abgeordnete Mares Rossmann (fortsetzend): Zum Schluß möchte ich Ihnen sagen: Frau Minister! Beenden Sie die Schikanen! Hören Sie endlich mit der Verhinderungspolitik auf, auch in Form von überzogenen Arbeitnehmerschutzbestimmungen, denn nur so können Arbeitsplätze gesichert werden! Hinter vorgehaltener Hand sagen das auch Ihre Gewerkschaftskollegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Gleiche Redezeit. – Bitte.

12.08

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Vorrednerinnen und -rednern sehr aufmerksam zugehört. Ich hoffe, daß die zuständige Bundesministerin und die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion in dieser Frage zumindest bei den Ankündigungen und Aussagen, die sie hier getroffen haben, bleiben oder diese vielleicht noch verbessern. In anderen Punkten nämlich, Frau Bundesministerin, in denen Sie und die Gewerkschaft nachgegeben haben, sollten Sie, so meine ich, einmal dringend eine Evaluierung durchführen.

Dasselbe Argument hinsichtlich Flexibilisierung und Abbau von ArbeitnehmerInnenrechten haben wir im Zusammenhang mit den Arbeitszeitregelungen gehört. Diese sind ohne soziale Begleitmaßnahmen – unter Anführungszeichen – "liberalisiert" worden. (Zwischenruf des Abg. Kopf. ) Und was ist eingetreten? – Eine Explosion von sozial nicht mehr abgesicherten geringfügigen Dienstverhältnissen, wie Sie wissen, und das bei einer Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern, die mehr als 40 Prozent beträgt. Das hat keine Verbesserung gebracht. Das hat auch nicht mehr Arbeitsplätze gebracht, sondern das hat weitere und dramatische Diskriminierungen der Frauen gebracht. (Beifall bei den Grünen.) Hier würde ich mir wirklich eine Evaluierung erwarten, bevor vielleicht auf einen gewissen Druck hin die nächsten unüberlegten Schritte folgen.

Zum ArbeitnehmerInnenschutz: Ich höre immer von Rednern und Rednerinnen der liberalen Fraktion, deren Argumente sich in diesem Punkt nicht von den Argumenten der freiheitlichen Fraktion unterscheiden, das sei alles so bürokratisch und umständlich. – Hier ist der Gesetzgeber, wir sind die Gesetzgeber. Ich muß sagen, ich kenne keinen detaillierten Vorschlag von Ihnen, der in Richtung Abbau dieser Bürokratien gehen würde.

Wir Grüne haben sehr wohl auch in manchen Punkten beklagt, daß bestimmte Regelungen zu umständlich und zu bürokratisch sind. Wir haben dies insbesondere im Zusammenhang mit dem Umweltschutz getan, und wir haben die Konsequenzen gezogen. Wir haben nämlich einen Gesetzentwurf für ein einheitliches Umweltanlagenrecht vorgelegt, ohne daß die Schutzbestimmungen zugunsten der Umwelt, zugunsten der Gesundheit aufgeweicht werden. Ich kann es schon fast nicht mehr hören, daß immer sehr nebulos gesagt wird: Das ist so bürokratisch! Das kostet Arbeitsplätze!, ohne daß eine entsprechende Gesetzesinitiative ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )


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Herr Abgeordneter Peter! Sie sind ein Teil der Gesetzgebung! Machen Sie doch einen Vorschlag und sagen Sie, woran es liegt! Aber ich habe hier einen ganz anderen Verdacht. Ich habe den Verdacht, daß Sie auf Kosten des Sozial- und Umweltniveaus einfach Ihre betrieblichen Kosten minimieren wollen. Das ist der wahre Hintergrund und sonst keiner! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eines kommt noch hinzu: Ich bin immer wieder erstaunt, wie es der Arbeitsinspektion, die österreichweit – und das wissen wenige – nur etwa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufweist, gelingt, das zu leisten, was sie eben leistet. Daß die beschäftigten Bediensteten an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sind, das, so meine ich, ist von den Zahlen abzulesen. Ich würde mir wünschen, daß ein klares Bekenntnis dieses Hauses erfolgt, daß in diesem Bereich nicht gespart werden darf, denn das käme uns allen zu teuer. (Beifall bei den Grünen.)

Ich hätte noch ein weiteres großes Anliegen, und ich bin der Ansicht, daß wir in dieser Richtung nachdenken sollten. Die Umweltgifte – und insofern ist es auch ein zentrales grünes Anliegen – kommen nicht von irgendwo, sondern sie stammen natürlich aus Arbeitsprozessen. Teilweise sind es unvermeidbare Prozesse, aber wir müssen nach dem Stand der Technik bestmöglich vorgehen. Ich meine daher, daß man dringend danach trachten soll, dieses Wirrwarr an verschiedenen Grenzwerten, die maximale Arbeitsplatzkonzentration, die maximale Immissions- und Emissionskonzentration, zu vereinheitlichen, und zwar im Sinne der niedrigsten möglichen Standards. Ich denke, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Recht darauf haben. Die Vollzugskompetenzen sollten ebenfalls zur Arbeitsinspektion gehören, das heißt, die Arbeitsinspektionen sollten nicht den Umweg über die Bezirksverwaltungsbehörden machen müssen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich denke, das wäre ein wesentlicher Schritt ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Das wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Entbürokratisierung, Kostenersparnis und vereinten Umwelt- und ArbeitnehmerInnenschutz. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

12.13

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wieder einmal interessant, zu beobachten, wie perfekt wir aneinander vorbeireden können.

Lassen Sie mich daher zuerst eines feststellen: Das System der Kostentragung im Falle eines Arbeitsunfalles bedingt in Österreich – auch dann, wenn der Unternehmer ein wirklich schrecklicher, schlimmer Mensch ist –, daß er ein vitales egoistisches Interesse daran haben muß, diesen Unfall zu vermeiden. Auch wenn Sie jemandem alle positiven Eigenschaften absprechen, sagen, daß er kein Mensch ist, daß er bis zum Exzeß eigennützig ist, daß er nur darauf aus ist, den armen Arbeitnehmer auszuquetschen, bedingt es das System der Kostentragung, daß es sein erstes und erstrangiges Interesse sein muß, Arbeitsunfälle zu vermeiden, weil er, meine Damen und Herren, in diesem Land die Kosten bezahlen muß. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher, meine ich, brauchen wir uns nicht darüber zu unterhalten, Herr Koppler, meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion, daß es hier einen Gegensatz der Interessen gibt. Es ist auch kein Ausspielen, sondern Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, daß das von diesem Standpunkt aus gesehen und auch, wenn man soziale Kompetenz nicht nur in Anspruch nimmt, sondern sie als Unternehmer auch hat – und das nehmen wir für uns in Anspruch –, eine Schlüsselfrage ist. Es muß eine Diskussion darüber geführt werden, welcher Weg dorthin führt.

Der Weg, den Sie beschritten haben, meine Damen und Herren von der Koalitionsregierung, ist ein schlechter Weg. Sie haben ein ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geschaffen, das tatsächlich erstens nicht exekutierbar ist und zweitens in seiner Kosten-Nutzen-Analyse einfach erschüt


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ternd ist. Es ist kein unmittelbarer verhältnismäßiger Nutzen vorhanden, der diesen Kosten gegenübersteht. Man wird doch als Unternehmervertreter – und ich hoffe, auch Sie als Arbeitnehmervertreter – noch einfordern dürfen, daß wir Regelungen beschließen, die eine vernünftige Relation zwischen Kosten und Nutzen aufweisen, und nicht, daß wir für nichts und wieder nichts Geld hinausschmeißen und im Gegenteil damit eine Scheinlegitimation schaffen und sagen: Für den Arbeitnehmerschutz ist ohnehin gesorgt.

Das wäre so ähnlich, als ob man sagte: Für die Behinderten ist ohnehin gesorgt, weil es dieses berühmte Einstellungsgesetz gibt. Darum brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern. – Das ist der Fluch der Schutzgesetze, daß man daneben auch noch sozusagen legitimiert dieses Kapitel abhaken und sagen kann: Das ist staatlich geschützt. Es ist nicht mehr mein unternehmerisches Anliegen oder meine unternehmerische, ethische Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß etwas weitergeht. Und das ist schlecht, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Bundesministerin! Eines ist ja noch ein besonderes Schmankerl. Sie und die Kollegen von der ÖVP sagen: Es ist wirklich unser Anliegen, daß der öffentliche Dienst einbezogen wird. – Frau Bundesministerin! Wenigstens in diesem Haus würde ich Sie bitten: Ersparen Sie uns das!

Punkt eins: Sie hätten ihn einbeziehen können, Sie könnten ihn jeden Tag einbeziehen, weil Sie eine Mehrheit in diesem Haus haben. Aber Sie können es auf der anderen Seite nicht, weil Sie ein Sanierungspaket bräuchten. Sie bräuchten nämlich ein weiteres Budgetbegleit- oder -überschreitungsgesetz. Dieses Gesetz können Sie im öffentlichen Dienst niemals umsetzen, weil Sie die Kosten nicht tragen können, ohne daß das Maastricht-Kriterium-Defizit explodiert. Und das wissen Sie! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Meine Damen und Herren! Dieses Haus muß sich doch einmal eingestehen, daß Sie zweierlei Gesetze machen, nämlich die Gesetze für die anderen und die Gesetze, die man selbst vertreten muß. (Zwischenruf des Abg. Mag. Steindl. ) Ja, auch Sie, Herr Steindl, gehören dieser Koalition an. Das ist die eigentliche Ursache und auch ein Ärgernis für die Bevölkerung, weil diese das spürt.

Sie könnten diese Gesetze niemals umsetzen. Sie müssen froh sein, meine Damen und Herren, wenn Sie in einzelnen Bereichen Überstunden abschaffen können, die nicht geleistet werden. Das feiern Sie schon als Erfolg. Wie wollen Sie dann hier Vertrauensschutzleute in großer Zahl, Freigestellte und so weiter finanzieren? – Das ist der Grund dafür, warum Sie es nicht einführen.

Wenn Sie, Frau Bundesministerin, dann noch Praxisbeispiele heranziehen, dann muß ich sagen – Kollege Kopf, glaube ich, hat das schon gesagt –, das sind schlechte Beispiele. Die Fortschritte, die die österreichischen Unternehmer erzielt haben, sind trotz dieses schlechtesten aller Gesetze, nämlich des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, erzielt worden und nicht wegen dieses Gesetzes. Sie sind vorher erzielt worden, und sie sind deshalb erzielt worden, weil es unter anderem auch – Gott sei Dank nicht ausschließlich – ein unternehmerisches Anliegen ist, Arbeitsunfälle zu vermeiden, was ein ArbeitnehmerInnenschutzgesetz gewährleisten soll. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Aktuelle Stunde ist daher beendet.

Erklärung des Bundesministers für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu der eingangs der heutigen Sitzung erwähnten Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres zum aktuellen Stand der Ermittlungen zur Aufklärung der Bombenanschläge der letzten Jahre.

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Kollege Stadler gemeldet. – Bitte.


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12.19

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! § 18 Abs. 3 unseres Geschäftsordnungsgesetzes regelt, daß der Nationalrat die Anwesenheit von Mitgliedern der Bundesregierung verlangen kann, und zwar unabhängig vom derzeit geltenden Zuständigkeitsbereich. Es wird also ausdrücklich nicht auf eine Zuständigkeit abgestellt.

Da der Gegenstand dessen, was heute durch Herrn Bundesminister Schlögl berichtet wird, und dessen, was heute in der Debatte stattfinden wird, schwergewichtig in die Zeitphase der Kompetenz von Bundesminister Einem als Innenminister fällt, darf ich namens meiner Fraktion folgenden Antrag stellen:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Debatte über die Erklärung des Bundesministers Schlögl über den aktuellen Stand der Ermittlungen zur Aufklärung des Bombenterrors wird die Anwesenheit des Bundesministers Einem verlangt."

*****

Ich bitte Sie um Zustimmung, Herr Präsident.

12.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag ist zulässig.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag des Abgeordneten Stadler zustimmen, um ein Zeichen. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist die ÖVP? Kiss! – Abg. Dr. Haider: Hose voll bei den Schwarzen!)  – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Daher erteile ich, wie geplant, Herrn Bundesminister Karl Schlögl das Wort zur Abgabe seiner Erklärung. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.20

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mich zu einer Erklärung vor dem Hohen Haus entschlossen – und ich bin sehr dankbar dafür, daß die Mitglieder des Parlaments diese Erklärung auch zulassen –, um Ihnen fernab von allen Spekulationen einen aktuellen Zwischenbericht über den tatsächlichen Ermittlungsstand der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Vorfall in Gralla und über den Zusammenhang mit den Bombenanschlägen in Österreich in den Jahren 1993 bis 1996 zu geben.

Die Bombenanschläge begannen am 3. Dezember 1993. Es gab sechs Serien, in denen insgesamt 25 Briefbomben in Umlauf gebracht wurden. Dazu kamen Rohrbombenanschläge in Klagenfurt, Oberwart und Stinatz. Vier Menschen wurden dabei getötet, 17 Personen zum Teil schwer verletzt. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser ganzes Mitgefühl galt und gilt den Opfern dieser Terrorwelle und ihren Angehörigen. (Allgemeiner Beifall.)

Insgesamt wurden seit Beginn der Anschlagserie neun Schreiben mit unterschiedlichen Bekennungen versandt, in denen immer wieder die Bezeichnung "BBA – Bajuwarische Befreiungsarmee" auftauchte.

In den Nachtstunden des 1. Oktober 1997 wurden zwei Gendarmeriebeamte durch einen wichtigen Hinweis aus der Bevölkerung auf Franz Fuchs aufmerksam. Diese beiden Beamten, Schreiner und Schwarz, die sich in dieser Angelegenheit hervorragend verhalten haben,


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versuchten, eine Personenkontrolle durchzuführen. Bei dieser zündete Franz Fuchs eine Bombe.

Seit diesem Ereignis ermittelt die österreichische Exekutive mit großem Aufwand und Engagement gegen Franz Fuchs und mögliche Mittäter. Ich darf Ihnen mitteilen, daß die Behörden bis zum heutigen Tag viele meiner Meinung nach erdrückende Beweise gegen Franz Fuchs sammeln konnten. Die Ermittlungen bestätigen immer mehr den dringenden Verdacht, daß es sich bei Franz Fuchs entweder um den Einzeltäter oder zumindest einen gefährlichen Mittäter jener Gruppe handelt, die für die Bombenattentate in Österreich verantwortlich ist. Viele Gegenstände und Materialien, die bei der Hausdurchsuchung sichergestellt wurden, untermauern diese Annahme der ermittelnden Behörden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen die Fülle von Beweisen, die mir bisher vorliegen, ganz bewußt sehr ausführlich darlegen.

Neben elektronischen Bauteilen wurden verschiedene sprengstoffverdächtige Gegenstände vorgefunden, wovon insbesondere eine als Blumentopf getarnte gefährliche Sprengfalle, mehrere mit Sprengstoffen gefüllte Rohre, eine mit Sprengstoff gefüllte Plastikflasche, weitere verschiedene Sprengstoffe, verbrannte Batterien und Spulenwicklungen, zwei als Zündauslöser modifizierte Wecker und eine Auslöseelektronik für Sprengkörper sichergestellt, entschärft und untersucht wurden.

Ein mit Mikroschreibmaschinenschrift verfaßtes Schriftstück trägt den Text "Wir wehren uns. BBA. Friedrich der Streitbare". Ein weiteres, mit Nadeldrucker verfaßtes Schriftstück trägt die Namen "Friedrich, Gerold, Hofer, Mahrenberg, Marbod, Oadilo, Primas und Starhemberg".

Ein in Maschinschrift verfaßtes, handschriftlich redigiertes und noch unvollendetes Konzept eines Bekennerschreibens wird derzeit näher untersucht und mit den bereits bekannten Bekennerschreiben verglichen. Die bisherigen Untersuchungen deuten aber auf eine Gleichheit hin. Das Schriftbild eines sichergestellten maschingeschriebenen Textes weist eine Schriftart auf, die mit jener des Bekennerschreibens von Ollersdorf vom Februar 1995 identisch ist.

Die vorgefundenen handschriftlichen Aufzeichnungen von Franz Fuchs zeigen überwiegend elektrische und elektronische Schaltpläne, elektrische Meßreihen sowie Detailbeschreibungen zum Aufbau von Briefbomben und Sprengvorrichtungen. Es wurde eine Checkliste für den Bau einer mit "Gerold" bezeichneten Bombe sichergestellt. Die Schaltpläne entsprechen jenem der Briefbombe der Serie V vom Dezember 1995 und der Sprengfalle Oberwart vom Februar 1995. Darüber hinaus sind auf den Schaltplänen elektronische Bauteile besonders hervorgehoben, die von der BBA erstmals im Bekennerschreiben an den slowenischen Außenminister Peterle vom Oktober 1994 erwähnt worden waren.

Ein mit "Rohr" bezeichneter Schaltplan weist hinsichtlich der Konzeption weitgehende Übereinstimmung mit der Rohrbombe von Klagenfurt vom August 1994 auf. Weiters finden sich Anmerkungen betreffend die mechanische Veränderung sowie Veränderungen der Grundfarben der Bauelemente. Entsprechende Veränderungen wurden bei den Briefbomben der Serie V, den Sprengfallen in Oberwart und Stinatz und der Rohrbombe von Klagenfurt gefunden.

Weiteres Beweismaterial ergab sich nach Untersuchung anderer sprengstoffverdächtiger Gegenstände. Bei dem nach dem Aufschneiden der sichergestellten Zünder vorgefundenen Initialsprengstoff handelt es sich um ein sehr feinkristallines Silberfulminat. In den meisten Sprengsätzen der BBA wurde ebenfalls Silberfulminat verwendet.

Eine geleeartige Masse konnte als ein Gemisch aus Nitrozellulose und Nitroglyzerin identifiziert werden. Derartige Gemische waren als Nebenbestandteile in den Briefbomben der Serie IV vom Oktober 1995, der Serie V vom Dezember 1995 und der Serie VI vom Dezember 1996 enthalten.


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Vorgefundenes, mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst synthetisiertes Nitroglyzerin, das nur geringe Mengen an Synthesenebenprodukten enthält, entspricht von der vermuteten Herstellung und Qualität jenem der Briefbomben Serie I vom Dezember 1993 und der Serien IV, V und VI.

In einer mit Bleistift verfaßten Bauanleitung sind die Verlegung der Auslösedrähte der Briefbomben Serie I, II und IV sowie der Aufbau der Serie IV dargestellt. Die Zuleitungsdrähte von Zündern zeigen den gleichen Durchmesser und dieselbe Zusammensetzung der Lackdrahtisolierung wie jene der Briefbomben Serie V.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben darüber hinaus eine Formel gefunden, mit der sich in einfacher Art jene Primzahl berechnen läßt, die zur Herstellung des verschlüsselten Briefes vom September 1996 diente. Zusätzlich wurden der in der Wohnung des Franz Fuchs befindliche PC, bestehend aus Tower, Bildschirm, Tastatur und Nadeldrucker, sowie 187 Disketten sichergestellt, auf denen größtenteils mathematische Formeln und Berechnungen zu finden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Franz Fuchs hat in seinen Aussagen bei den bisherigen Vernehmungen bis dato zugegeben, ein Mitglied der BBA zu sein, drei Bekennerbriefe an Rechtsanwälte aufgegeben zu haben, Disketten, Kuverts und Briefmarken für die BBA gekauft zu haben und im Auftrag der BBA als Provokateur herumgefahren zu sein, damit die Polizei abgelenkt ist und die BBA unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen kann. Darüber hinaus gibt er an, daß bei der BBA Sekretäre, Chemiker und Elektriker beschäftigt sind. Jene Bomben, die bei ihm gefunden wurden, habe er adaptiert und scharf gemacht, jedoch nicht für eine spätere Verwendung, sondern zum Eigenschutz. Hätten ihn Beamte gefunden, hätte er diese und sich selbst in die Luft gesprengt. Schlußendlich hat er zugegeben, daß er im angeblichen steirischen Kampftrupp die Nummer 3 sei.

Es ist jedoch anzumerken, daß Fuchs von Vernehmung zu Vernehmung verschiedene Versionen seines Geständnisses gibt. Die Ermittler des Innenministeriums meinen, daß Fuchs sehr bewußt seine Rolle als Täter herunterspielt, gleichzeitig damit aber auf das hinweist, was wir ihm derzeit noch nicht beweisen können.

Für die Öffentlichkeit stellt sich nun die berechtigte Frage, ob Herr Fuchs ein Einzeltäter gewesen ist. Vieles, sehr vieles, vor allem das erarbeitete Täterprofil des Innenministeriums, spricht dafür. Manche Hinweise, aber auch fehlende Puzzlesteine im Gesamtbild deuten jedoch auch auf eine Tatausführung durch eine kleine Gruppe hin. Es ist deshalb heute noch zu früh, eine eindeutige Aussage darüber zu treffen, ob Franz Fuchs allein agierte oder nicht. Die Ermittlungen werden daher in beide Richtungen geführt. Für eine endgültige Klärung der Briefbombenattentate haben wir noch einige offene Fragen zu lösen.

Mit Hilfe der Bevölkerung hoffen wir vor allem folgende Fragen zu klären: Wie finanzierte Fuchs den Bau der Bomben und die dafür notwendige Infrastruktur? Wo standen ihm dafür ein Labor oder eine Werkstätte mit Meßgeräten und EDV-Technik zur Verfügung? Wo konnte er eine Medienauswertung durchführen? Hatte er Zugang zu historischer Literatur, und welche sozialen Kontakte pflegte er?

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der derzeitige Stand der Ermittlungen, soweit er aus kriminaltechnischen und taktischen Gründen veröffentlicht werden kann. Bei allem Verständnis für größtmögliche Transparenz bitte ich aber die Öffentlichkeit und alle Medien, die österreichische Exekutive in dieser Frage in Ruhe ermitteln zu lassen. Nicht jede neue Fahndungserkenntnis kann veröffentlicht oder bestätigt werden. Manches, was urplötzlich als neue Spur gehandelt wird, wird von uns bereits seit geraumer Zeit sehr intensiv verfolgt.

Ich bitte Sie deshalb im Interesse der restlosen Aufklärung um Zeit und Ruhe. Die Sonderkommission arbeitet hervorragend. Bringen wir ihr das entsprechende Vertrauen entgegen, damit dieser Kriminalfall restlos aufgeklärt werden kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)


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Ich möchte in meiner Erklärung aber auch zur bisherigen Arbeit der Sicherheitsexekutive und meiner beiden Vorgänger Stellung nehmen. Als im Dezember 1993 diese menschenverachtende Attentatsserie begann, war die österreichische Sicherheitsexekutive, die zu diesem Zeitpunkt unter dem damaligen Minister Löschnak einen bedeutenden Modernisierungsschub sowie eine umfangreiche Personalvermehrung erfahren hatte, noch nicht auf diese Art der Herausforderung eingestellt. Die Einheit zur Bekämpfung des Terrorismus, die mit der Aufklärung dieses Falles betraut wurde, hatte auf diesem Gebiet der Verbrechensbekämpfung kaum Erfahrungswerte gesammelt und war auch im technischen Bereich in bezug auf diese Art der Schwerstkriminalität nicht entsprechend gewappnet.

Dazu kam, daß anfangs vorwiegend radikale, rechtsorientierte Gruppierungen für die Anschläge verantwortlich gemacht wurden. Aber schon Minister Löschnak betonte, daß derartige Ermittlungen in alle Richtungen offen zu sein hätten.

Die hohe Erwartungshaltung im Prozeß gegen Radl und Binder und schlußendlich der Ausgang dieses Verfahrens erschütterten das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Aufklärungsarbeit. Deshalb setzte Minister Löschnak auf strukturelle Umgestaltung und verstärkte technische Aufrüstung. Die Beschaffung modernster Einsatzmittel wurde eingeleitet. Weiters wurde die Ausrüstung des Entschärfungsdienstes auf den modernsten technischen Standard gebracht. Genauso erfolgte eine Aufrüstung der kriminaltechnischen Zentralstelle und der Tatortgruppen. Die Abläufe beim Einschreiten nach Attentaten wurden standardisiert und die Zusammenarbeit zwischen den Sondereinheiten und den Beamten der nachgeordneten Dienststellen auf eine bessere Basis gestellt.

Unter Minister Einem wurde 1995 der Briefbombenfall einer Sonderkommission übertragen. Damit konnte einerseits die Einhaltung der Vertraulichkeit verbessert, andererseits der Übergang von einer rein staatspolizeilichen zu einer kriminalpolizeilichen Ermittlungstätigkeit begonnen werden. Begleitet wurde diese Maßnahme von diversen Veränderungen im Bereich der Spitzenbeamten.

Bei der Fahndungsarbeit wurde davon abgegangen, den oder die Täter einem bestimmten politischen Spektrum zuzuordnen, sondern man begann, unabhängig von solchen Orientierungen zu arbeiten. (Abg. Mag. Stadler  – zu Abg. Dr. Löschnak –: Jetzt sind Sie es gewesen, nicht der Einem! Jetzt war es plötzlich der Löschnak!) Es wurde nicht nur das Kommunikationsnetz innerhalb der österreichischen Sicherheitsbehörden verstärkt, um keine Informationen verlorengehen zu lassen, sondern es wurden auch ausländische Polizeieinheiten wie das deutsche Bundeskriminalamt in die Ermittlungen eingebunden. (Abg. Mag. Stadler: So eine Kritik an Löschnak!) Auch auf der Ebene der Bundesministerien fand eine Vernetzung statt. (Abg. Dr. Haider: Einem wird geschützt und Löschnak angeschüttet!) Es wurde auch eine interministerielle Kommission geschaffen.

Hohes Haus! Ich stelle deshalb fest, daß sowohl Bundesminister Löschnak als auch Bundesminister Dr. Caspar Einem während ihrer Amtszeit als Innenminister bestrebt waren, für die Ermittler und die Sonderkommission die besten Arbeitsbedingungen zu schaffen, die eine Aussicht auf Erfolg erwarten ließen und unter denen die Mitglieder der Sonderkommission professionell arbeiten konnten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Kollege Löschnak! Warum applaudieren Sie nicht? Jetzt sind Sie auf einmal schuld! – Rufe bei der SPÖ: Jetzt seien Sie einmal ruhig!)

Caspar Einem hat mit vollem Engagement gearbeitet und die Rahmenbedingungen für eine kriminalpolizeiliche Bearbeitung der Bombenattentate abseits von jeder politischen Orientierung geschaffen. (Abg. Ing. Reichhold: Das glauben Sie ja selbst nicht, Herr Minister!) Es wurde kein Täterprofil unterdrückt, und es wurde auch nicht einseitig politisch gefahndet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Das werden wir Ihnen noch beweisen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Maßnahmen zur Aufklärung dieses Falles, die in meiner Amtszeit mit großem Nachdruck verfolgt und umgesetzt wurden, sind unter den Bundesministern Löschnak und Einem entwickelt worden. Heute stellt sich die Situation anders


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als zu Beginn der Bombenanschläge dar. Die Ausstattung der Einheiten mit modernster Technik ist weitgehend abgeschlossen. Die Beamten sind hochmotiviert, gut ausgebildet und mittlerweile reich an Erfahrung. Kommunikation und Zusammenarbeit funktionieren bestens. Die Polizeiarbeit in Gralla war ein Beweis dafür. Die vor Ort befindlichen Journalisten lobten einhellig die professionelle Vorgangsweise der Sicherheitskräfte.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die österreichische Sicherheitsexekutive bestens gerüstet ist, um auch in Hinkunft Terroraktionen jeglicher Art wirksam entgegentreten zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Verhaftung von Franz Fuchs und den jüngsten Fortschritten in den Ermittlungen hat Österreich einen wichtigen Schritt in der Bekämpfung des Terrorismus gesetzt. Es ist in den letzten Tagen vielfach argumentiert worden, daß wir diesen Erfolg nur dem Zufall zu verdanken hätten. Das stimmt aber nur zum Teil. Wir verdanken diesen Erfolg einerseits dem wichtigen Hinweis aus der Bevölkerung und dem hervorragenden und schnellen Reagieren der örtlichen Gendarmerie, andererseits aber auch der unermüdlichen Detailarbeit der Sonderkommission, die in den letzten Jahren ein für den oder die Täter immer engmaschigeres Netz gelegt hat. Darüber werde ich nach endgültiger Klärung einen genauen und umfangreichen Bericht vorlegen, der auch beweisen wird, daß wir seit geraumer Zeit durch spezielle Methoden die regionale Eingrenzung auf das Leibnitzer Becken und die angrenzenden Bezirke in Betracht gezogen haben.

Ich bin darüber hinaus überzeugt, daß auch die umfassende Informationsarbeit der Medien sowie die angekündigte Rasterfahndung zu diesem vorläufigen Teilerfolg über den Terror wesentlich beigetragen haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Über die Hintergründe des Bombenterrors und den potentiellen Täterkreis ist viel geschrieben und spekuliert worden. Noch gibt es zahlreiche Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen und – ich bin überzeugt davon – auch finden werden.

Aber lassen Sie mich heute eine Antwort mit aller Deutlichkeit hervorheben: Ich meine die besonnene und kluge Antwort der Österreicherinnen und Österreicher auf den Terror. Politisch motivierte Gewalt, unabhängig davon, von welcher Seite immer sie kommt, unabhängig davon, ob sie angeblich ein übergeordnetes wirres Ziel verfolgt oder nur Angst und Schrecken verbreiten will, hat in unserer Republik keine Chance. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Niemandem wird es gelingen, an den Grundfesten unserer Demokratie und Republik zu rütteln. Die besonnene Reaktion der Österreicherinnen und Österreicher ist aber auch für mich ein klares Signal an alle Ewiggestrigen und an alle Intoleranten in unserem Land. (Abg. Mag. Stadler: In der eigenen Partei!) Im Visier des Täters oder der Täter waren vor allem Angehörige bestimmter Volksgruppen und Menschen, die sich für ein harmonisches Miteinander einsetzten. Mit ihrer Haltung der klaren Ablehnung haben die Österreicherinnen und Österreicher ein deutliches Bekenntnis für ein Österreich in seiner gesamten ethnischen, religiösen und sprachlichen Vielfalt abgegeben (Beifall bei SPÖ, ÖVP und beim Liberalen Forum), für ein Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem alle Menschen in Würde und in Sicherheit leben können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und beim Liberalen Forum.)

Die Bundesregierung wird deshalb ihre Bemühungen zur restlosen Aufklärung des Bombenterrors mit aller Intensität fortsetzen und weiter ihre klare Linie gegen jede Art des Terrors beibehalten. Sie zählt dabei weiterhin auf die Arbeit der Bürgerinnen und Bürger und aller demokratischen Kräfte und Parteien. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dem oder den Tätern der BBA ist es nicht gelungen, mit ihren Wahnvorstellungen erfolgreich zu sein. In Österreich hat der Terror durch die Bomben seine gesteckten Ziele nicht erreicht. Weder die feigen Anschläge noch die abstrusen Theorien und Pamphlete haben es vermocht, der Demokratie in Österreich zu schaden oder diese zu destabilisieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Man hat versucht, eine Blutspur durch alle Schichten der Gesellschaft und eine Vielzahl engagierter Organisationen zu ziehen. Absicht war es, jene zu treffen, die ihr Lebenswerk in den Dienst der Menschlichkeit gestellt haben.

Hohes Haus! Lassen Sie mich abschließend noch eines in aller Deutlichkeit – ich bin überzeugt davon, daß dies von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes auch geteilt und erwartet wird – sagen: Die Bekämpfung des Terrors eignet sich nicht für irgendwelche parteipolitische Taktierungen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und beim Liberalen Forum. – Abg. Ing. Reichhold: Die Einsicht kommt sehr spät! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Reichhold: Späte Einsicht!) Die Herausforderungen können und werden wir nur gemeinsam bewältigen (Beifall bei SPÖ und ÖVP) – unabhängig von unserer gesellschaftspolitischen und parteipolitischen Zugehörigkeit. Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt es, das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Vordergrund zu stellen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

12.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor wir in die Debatte über die soeben abgegebene Erklärung eingehen, gebe ich bekannt, daß über folgende Redezeiten Konsens erzielt wurde: Für die Debatte über diese Erklärung sowie die Debatten der Tagesordnung der heutigen Sitzung wurde insgesamt eine Tagesblockredezeit von neun "Wiener Stunden" vereinbart. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das so beschlossen.

Debatte über die Erklärung des Bundesministers für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nun in die Debatte über die Erklärung ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Stadler. Die Redezeiten sind an sich mit 20 Minuten begrenzt. Kollege Stadler wünscht eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 15 Minuten. – Bitte.

12.46

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Sie haben heute ein ganzes Kilo Kreide zum Frühstück verzehren müssen (Beifall bei den Freiheitlichen), um das zustande zu bringen, was Sie heute in Ihrer Rede an Exkulpierung gegenüber Ihrem unmittelbaren Vorgänger und bezüglich des Appells, doch die Parteipolitik aus dem Bombenterror herauszulassen, vom Stapel lassen mußten.

Wer war es denn, der drei Jahre lang die Parteipolitik in diese Bombencausa hineingezogen hat? – Ihre eigenen Genossen, Herr Bundesminister! Sie tun mir leid, daß Sie heute hier stehen müssen, um dafür die Schelte zu kassieren. Sie alle waren es. Ich kann Ihnen Dutzende Beispiele dafür bringen – Herr Kollege Leikam, Sie können gleich Ihr Redemanuskript korrigieren –, wie Sie die Parteipolitik hineingebracht haben, bis zu dem Ergebnis, daß ein Gericht in diesem Lande das Urteil gefällt hat, daß der Ziehvater des rechtsextremen Terrors, für den es bis heute keinen einzigen Beweis gibt – Sie haben auch keinen geliefert –, Jörg Haider sei. – Ein österreichisches Gericht! (Abg. Schwemlein: So ist es auch!)

Ihre Politik, meine Damen und Herren, war es, die diese Urteile ermöglicht hat. Ihre Politik war es, die nur darauf abzielt, die Freiheitlichen zu treffen und diesen Bombenterror parteipolitisch – ich unterstreiche: parteipolitisch, Herr Minister – zu instrumentalisieren, damit Sie – schütteln Sie


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den Kopf nicht so, Herr Fuhrmann, Sie waren auch dabei –, Ihr Vorgänger und Ihre Partei diesen Bombenterror nutzen können, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Noch nie etwas von unabhängigen Gerichten gehört?)

Jetzt ist plötzlich alles anders. Jetzt stellt sich plötzlich heraus, daß es ein Genosse war. So schnell, meine Damen und Herren, holt Sie die eigene Propaganda ein. (Abg. Schwemlein: Wer ist ein Genosse?) Ein Genosse war es! So schnell holt einen die eigene Propaganda ein. Der Mann kommt aus einem sozialistischen, aus einem erzsozialistischen Elternhaus, wie ein Schulkollege und auch sein ehemaliger Arbeitgeber sagen. Der Vater war Gemeinderat – ohne daß ich dem Vater etwas vorwerfen will. Auch diesbezüglich korrigieren Sie gleich Ihr Manuskript. Der Vater ist nicht immer für seinen Sohn verantwortlich, aber die Sozialisation ist interessant. (Abg. Leikam: Sie haben das aber gesagt!)

Herr Kollege Leikam! Ich hätte Ihre Suada gar nicht hören wollen, wenn der Vater FPÖ-Gemeinderat gewesen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich garantiere Ihnen, dann wäre Sippenhaftung, wie in anderen Fällen, von dieser Rostra aus dokumentiert an der Tagesordnung. – Gerade aus Ihrem Munde! (Abg. Leikam: Da gibt es genug Beispiele!)

Ich hätte mir gar nicht anhören wollen, was gesagt worden wäre, wenn sich herausgestellt hätte, daß der Zusammenhang mit einem freiheitlichen Umfeld vorhanden ist. Es ist aber alles sozialistisch; alles von A bis Z sozialdemokratisch, sozialistisch, bis zu den Spät-68ern. Das sagt ein Schulkollege, das sagen nicht wir. In einer seriösen Tageszeitung steht nachzulesen: "Wir waren echte 68er." Da gehören einige in diesen Reihen dazu. Echte 68er! Politisch linksstehend, sagt sein Schulkollege Reinhold H., meine Damen und Herren!

Ich möchte nicht wissen, was da los wäre, hätte er etwas in unsere Richtung gesagt, meine Damen und Herren! (Abg. Schwemlein: In welche Richtung gehören Sie?) Unglaubliche Dinge müßten wir uns anhören, und zwar Dinge, die wir uns jetzt drei Jahre lang gefallen lassen mußten! (Abg. Schwemlein: 38er!)

Drei Jahre lang haben wir uns die unglaublichsten Dinge, und zwar nicht nur hier in Österreich, sondern auch auf internationaler Bühne, anhören müssen. Wir konnten lesen, daß wir direkt mitverantwortlich sind für den Bombenterror in Österreich. Eine Tageszeitung mit farbiger Aufmachung – ich habe es kopiert, damit die rosarote Farbe nicht blendet – schreibt: "Dr. Jörg Haider und die Toten von Oberwart." Jetzt sagen Sie mir einmal, ob das Parteipolitik ist oder nicht! Dr. Jörg Haider und Oberwart! Es waren Ihre Genossen, Herr Bundesminister! Das war jener Boden, den Sie aufbereitet haben, damit in diesem Land – politisch instrumentalisiert (Beifall bei den Freiheitlichen) – ein Terror gegen die Freiheitlichen in Szene gesetzt werden konnte.

Meine Damen und Herren! Denken Sie an die Agitation, die die Sozialisten im Europäischen Parlament veranstaltet haben, zum Nachteil des Rufes Österreichs, zum Nachteil der größten Oppositionspartei Österreichs, denn an den Wahlurnen können Sie uns nicht mehr stoppen. Das hat auch Oberösterreich wieder gezeigt. An den Wahlurnen stoppen Sie uns nicht!

Herr Kollege Anschober! Lachen Sie nicht, Ihr Erfolg in Oberösterreich ist ein äußerst bescheidener! Es wäre Ihnen wahrscheinlich eher zum Weinen zumute.

Das Perfide an diesem Bombenterror ist jedenfalls, daß es Ihre Partei war, Herr Bundesminister, die diesen Bombenterror zur parteipolitischen Agitation gegen die Freiheitlichen genutzt hat. Dabei hat man ja selbst zugegeben, meine Damen und Herren, ... (Unruhe bei der ÖVP.)

Sie von der Österreichischen Volkspartei brauchen sich gar nicht weiter zu echauffieren da hinten in der zweiten Reihe. Wie heißt der auf der Hinterbank? (Abg. Haigermoser: Hinterbänkler!) Nein, den meine ich. Ich weiß nicht, ob Sie beim CV sind, aber eine Zeitlang ist sogar der CV auf die Anklagebank der Sozialisten gestellt worden. Da man bei den Freiheitlichen nicht fündig war, hat man gemeint, daß es wahrscheinlich die Altherrenschaft des CV sei. Aber die ÖVP applaudiert heute fleißig. Dann sagt man: keine parteipolitische Zuordnung, so als ob Sie


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mit dem CV nichts mehr zu tun hätten. Dabei sitzt hier ein Haufen CVer herinnen, und sie applaudieren auch noch dafür, daß sie angeschüttet wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe hier den jüngsten Jahresbericht 1996 des Bundesministeriums für Inneres zum Rechtsextremismus. Es ist bezeichnend, daß es zum Linksextremismus keinen solchen Bericht gibt. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Schlögl. ) Ich habe ihn bisher nicht bekommen. Schicken Sie ihn mir einmal, Herr Bundesminister! Es gab 40 Bombenanschläge vor der Attentatsserie! Einen Rechtsextremismusbericht bringt man heraus, aber einen Linksextremismusbericht hat man bis heute nicht zustande gebracht. 40 Bombenanschläge vor der Briefbombenserie waren noch nicht Anlaß genug, einen derartigen Bericht herauszubringen.

Aber, meine Damen und Herren, das Interessanteste ist auf Seite 25 zu finden. Da heißt es: Als vordergründiges Motiv dieser Anschläge ist weiterhin Fremdenfeindlichkeit zu vermuten. (Abg. Schwemlein: Ja, was soll΄s!) Vordergründiges Motiv! Man weiß also mittlerweile, daß es ein Hintergrundmotiv gibt, und dennoch stellt man sich weiter her und tut so, als ob hier die Xenophobie das Hauptmotiv sei. Meine Damen und Herren! Bei den Spät-68ern, bei Leuten, die nach Auskunft von persönlichen Bekannten Ausländerfreunde waren, muß ich ein anderes hintergründiges Motiv vermuten als Xenophobie, wie der verdutzten Öffentlichkeit nach wie vor weisgemacht werden soll.

Man ignoriert dazu die Tatsache, daß es sich in diesem Fall um einen linkssozialisierten, linkserzogenen Menschen handelt, um einen Spät-68er. Man ignoriert sogar die eigenen Berichte des Innenministeriums und faselt nach wie vor etwas von einer rechten Täterzuordnung. Aber der politische Hauptkasus, meine Damen und Herren, Hohes Haus, liegt woanders, der liegt in der Tat bei Ihren Vorgängern.

Bitte tun Sie Herrn Löschnak nicht diese Schmach an, ihn jetzt dafür verantwortlich zu machen. Das haben Sie gemacht. Soll ich es Ihnen zitieren? – Das steht auf Seite 12, wenn Sie vielleicht mitlesen, und auf Seite 13. Auf Seite 12 sagen Sie, man sei endlich zu kriminalpolizeilichen Ermittlungstätigkeiten übergegangen. Haben Sie das nicht gewußt, daß man das bei einem Kriminalfall tun muß? Hat es dazu einen Herrn Einem gebraucht, Herr Kollege Löschnak? – Das wirft Ihnen Ihr Nachfolger vor. (Abg. Dr. Haider: Löschnak war unvollständig!)

Dann sagt der Minister weiter, daß bei der Fahndungsarbeit davon abgegangen wurde, den oder die Täter einem bestimmten politischen Spektrum zuzuordnen, als ob Sie das alleine gemacht hätten. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Schlögl. )

Herr Bundesminister! Herr Minister Einem war doch unübertroffen in der politischen Zuordnung und Instrumentalisierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da war das, was Kollege Löschnak noch in gutem Glauben gemacht hat, geradezu eine Kinkerlitzchenleistung. Er war es doch, der mit diesem Bombenterror im Auftrag seiner Partei und mit Billigung seines Parteivorsitzenden Vranitzky ein übles politisches Spiel getrieben hat. Und er hat eineinhalb Jahre lang ein Täterprofil zurückgehalten – das können Sie nicht wegdiskutieren, ich werde Ihnen auch gleich die Belege dafür bringen –, von dem sich jetzt herausstellt, daß es nahezu exakt auf Herrn Fuchs als mutmaßlichen Haupttäter paßt. Das hat nicht nur Herr Grassl-Kosa in der Sendung "Zur Sache" am Sonntag gesagt, sondern das hat auch der Herr Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit bestätigt. Er hat wortwörtlich gesagt, die Ermittlungsarbeit wurde "behindert".

Jetzt muß er natürlich etwas anderes aussenden. Jetzt sendet er aus, es hätte nie eine Behinderung gegeben, es hätte keine Behinderung stattgefunden. Meine Damen und Herren! Aber in der Zwischenzeit hat er auch, wie der verdutzte Leser der heutigen "Kronen Zeitung" erfahren konnte ... Herr Bundesminister! Ich nehme an, Sie haben die "Kronen Zeitung" schon gelesen, Sie haben auch ein besonderes Naheverhältnis zur "Kronen Zeitung", Ihr Parteivorsitzender hat dieses auch, daher werden Sie sie wahrscheinlich schon beim "Kreide-Frühstück" gelesen haben. (Abg. Schwemlein: Bei Ihnen wird es eher die "Aula" sein!)

Meine Damen und Herren! Da steht: Nach Gesprächen mit Einem und Sika scheint der Langzeitkonflikt zunächst geschlichtet. – Man hat also Herrn Sika gesagt, was er zu sagen hat,


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im Gegensatz zu dem, was er vorher noch den Medien, und zwar nicht erst am Sonntag abend in der Sendung "Zur Sache", gesagt hat. Eineinhalb Jahre lang wurde dieses Täterprofil gezielt unterdrückt, weil es nicht mit jenem Täterprofil, das Herr Bundesminister Einem politisch instrumentalisiert hat, zusammenpaßt. Jetzt sind Konsultationen mit dem Herrn Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit draußen im Gange, jetzt muß konsultiert werden, es sind dies vermutlich die nächsten Schlichtungsgespräche. Also vielleicht haben die Herren die Güte, das vor dem Hohen Haus zu machen und nicht da hinten irgendwo in den Couloirs.

Herr Bundesminister! Haben Sie doch die Güte, holen Sie doch den Herrn Generaldirektor herein! Erklären Sie uns einmal, wie das möglich ist! (Abg. Dr. Haider: Er hat gerade gesagt, was er noch alles im Zeitungsinterview gesagt hat!) So ist es richtig! Man wird ihn jetzt unterrichtet haben, was er noch alles von dem, was er vorher gesagt hat, dementieren muß.

Es war in der Tat so – Herr Bundesminister, jetzt erklären Sie mir, daß das nicht stimmt –, daß am 15. Dezember 1996 in der Ihnen bereits sattsam bekannten "Kronen Zeitung" – einer durchaus seriösen Tageszeitung – folgendes gestanden ist: Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit steht vor der Anklage. Wissen Sie, warum? – Wegen Geheimnisverrat wollte Herr Einem Generaldirektor Sika anklagen, Geheimnisverrat, weil er es gewagt hat, den Weg über ein Buch zu beschreiten, damit endlich das Täterprofil an die Öffentlichkeit kommt, jenes Täterprofil, das Bundesminister Einem aus durchsichtigen Gründen zurückgehalten hat. So war es!

Jetzt kommt der Gipfelpunkt, jetzt wird es nämlich interessant: Warum hat man Herrn Sika dazu gebracht, all das zu dementieren und zu sagen, es habe keine Behinderung gegeben, all das sei nicht wahr? Im heute abend erscheinenden "NEWS" ist ein Interview zu lesen. Wissen Sie, was Herr Generaldirektor Sika dort sagt: Ich wurde unter psychischen Druck gesetzt. (Abg. Dr. Haider: Das ist ungeheuerlich!)

Lesen Sie die APA, soeben ist dort die Vorausmeldung erschienen. (Abg. Ing. Reichhold: Wie in der DDR, wie bei der Stasi!) Ich wurde unter psychischen Druck gesetzt, so wird Generaldirektor Sika zitiert, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Kiss! Was ist jetzt los? – Sie sind ja auch ein Opfer des psychischen Drucks. Herr Khol hat Sie unter psychischen Druck gesetzt, denn vor wenigen Stunden noch war Herr Kiss folgender Meinung – ich zitiere Kiss –: Er hat – gemeint ist Einem – die alleinige Verantwortung dafür, daß der mutmaßliche Briefbombenattentäter nicht schon früher gefaßt werden konnte. Mehr als eineinhalb Jahre hat Einem das völlig richtige Täterprofil aus politischen Gründen unterdrückt und schubladisiert, weil die Schlußfolgerungen dieses Täterprofils nicht in seine politischen Absichten paßten. Einem hat daher die alleinige Schuld, die alleinige Schuld dafür, daß der nunmehr gefaßte mutmaßliche Täter jahrelang unbehelligt weiterarbeiten konnte. – Ende des Zitats, meine Damen und Herren! Und dann geht Herr Kiss her und sagt: Nein, ich werde heute den Mißtrauensantrag gegenüber Einem aus Koalitionsräson – das hat mir ein Interviewpartner von Ihnen berichtet – ablehnen, weil Khol gesagt hat, das dürfen wir nicht tun, weil damit die Koalition in Gefahr ist. No na ist die Koalition in Gefahr! (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Meine Damen und Herren! Das versteht doch niemand mehr. Sie gehen viel weiter als ich. Sie sagen, er hat schuld, er ist allein verantwortlich. So weit bin ich gar nicht gegangen. Ich habe noch mehrere Verantwortliche im Visier. Er sagt, er sei allein verantwortlich. – Aber heute bei der Abstimmung über den Mißtrauensantrag wird Herr Kiss schön brav in seinem Sessel versinken, verschanzt hinter seinem Klubobmann Khol, der ihn offensichtlich auch unter psychischen Druck gesetzt hat – wie Herr Sika, der gesagt hat: Ich wurde unter psychischen Druck gesetzt.

Meine Damen und Herren! Das sind Zustände, die nach einem Untersuchungsausschuß schreien. Das sind Zustände in dieser Republik, die nach einem Untersuchungsausschuß schreien! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Tatsache, daß aus diesem Ministerium Informationen hinausgegangen sind, die den Attentäter Bassam Al Taher dazu veranlaßt haben, vorzeitig das Land zu verlassen, um nach Mexiko zu verschwinden, ist bis heute unbestritten. (Abg. Öllinger: Sie!)


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Ja, das habe ich mir gedacht, daß der Obermarxist jetzt mit dem langen Finger auf mich zeigt. Als ich die Pressekonferenz gemacht habe, war der "feine" Bassam Al Taher, Ihr Gesinnungsgenosse, schon 13 Tage lang in Mexiko. Ich weiß gar nicht, was Sie da für eine Rolle gespielt haben. Ich kenne den Herrn nicht, ich weiß nur, daß er 13 Tage lang aufgrund einer Indiskretion des Innenministeriums verschwinden konnte, bevor ich die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht habe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Da wir schon bei den Austromarxisten sind: Die Nachrichtenschwindler dieses Lagers haben dazu beigetragen, daß dem Steuerzahler ein Schaden in Höhe von rund 200 Millionen Schilling entstanden ist. Tausende Leute in diesem Land sind unschuldig kriminalisiert worden, bis zu Greisen in einem Altersheim. – Ich kann Ihnen ein Beispiel dazu bringen. Sogar ein Universitätsprofessor in Innsbruck, 92 Jahre alt, ist kriminalisiert worden, wegen der Nachrichtenschwindler vom DÖW, vom Herrn Neugebauer bis zum Herrn Kufner, alias Kessler, alias Ignaz Härtl, ein Buchautor, einer Ihrer Gesinnungsgenossen, alias Dr. Stern und Herr Purtscheller, der sogar bei den Grünen im Klub die Anfragen geschrieben hat, die man dann zum Teil hier im Haus eingebracht hat.

Meine Damen und Herren! Das ist das Gesinnungsumfeld dieser Nachrichtenschwindler, die einen Schaden für den Steuerzahler von 200 Millionen Schilling – so sagt der Herr Generaldirektor Sika – verursacht haben und Tausende Befragungen, Untersuchungen und Hausdurchsuchungen bewirkt haben – zu Lasten unschuldiger Bürger.

Ich möchte Ihnen einen dramatischen Fall schildern, meine Damen und Herren:

In Klagenfurt ist eine Wohnung eines Ehepaares über den Balkon gestürmt worden. Die Gattin sitzt im Rollstuhl und ist blind. Ihr Gatte wurde während dieser Sturmaktion aufgrund einer Diffamierung aus diesem Lager in Handschellen gehalten. Die Frau hat nahezu einen Herzinfarkt erlitten und mußte ins Spital eingeliefert werden, weil sie aufgrund der Tatsache, daß sie blind ist, gar nicht wußte, was überhaupt los ist. Das war das Milieu, das man aus Ihrer Richtung hergestellt hat – mit Nachrichtenschwindlern, die das gemacht haben, was Herrn Einem genehm war. Politisch instrumentalisieren gegen die Freiheitlichen, nicht aufklären war das vorrangige Anliegen, sondern lediglich die politische Instrumentalisierung dieses Bombenterrors! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Parteipolitische Instrumentalisierung – Herr Bundesminister, nehmen Sie das zur Kenntnis! – hat es aus Ihrem eigenen Lager gegeben. Ich möchte aber die Leute da oben nicht zu Ihrem Lager zählen, so weit gehe ich nicht, sondern da genügt schon das, was da noch laut Zitaten vorhanden ist. Ich glaube nicht, daß Sie so weit gehen, daß Sie so weit links außen sind wie dieses Lager, aber Sie haben Leute in Ihrer Partei, die willig nach der Pfeife dieses Lagers getanzt haben und auch willig die gesamte EBT für dieses Lager eingesetzt haben.

Es sitzen heute noch Beamte in Spitzenpositionen – Herr Bundesminister, das ist schon etwas, was Sie interessieren muß –, die auf diese Nachrichtenschwindler hineingefallen sind – das wissen Sie ganz genau, Herr Kollege Löschnak –, die sich jahrelang von diesen Nachrichtenschwindlern an der Nase haben herumführen lassen.

Daher wird meine Fraktion heute einen Untersuchungsausschuß verlangen. Darüber wird am Ende dieser Sitzung debattiert werden. Ich werde dann noch detaillierte Informationen dazu bringen.

Ich fordere den Herrn Bundesminister im Rahmen einer Entschließung auf, den Herrn Einem aus seinem Kabinett zu entlassen. Daher bringe ich namens meiner Fraktion folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber einem Mitglied der Bundesregierung


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Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Bundespräsidenten gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG in der Fassung von 1929 vorzuschlagen, den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr seines Amtes zu entheben."

*****

Meine Damen und Herren! Der Ball liegt jetzt beim Bundeskanzler. So einfach kann sich der Herr Klima nicht aus der Affäre stehlen. Er hat ihn als Erbmasse übernommen. Der Herr Bundeskanzler muß zur Kenntnis nehmen: Je mehr Täter beim Bombenterror ermittelt werden, desto dicker wird die Verdachtsmasse links und desto mehr kommt sein eigener Herr Bundesminister Einem in ein kompromittierendes Licht. (Abg. Öllinger: Gott sei Dank haben wir Sie! Gott sei Dank haben wir Sie! – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Denn einige der Täter, Herr Bundesminister Schlögl, hat er ja selbst gekannt. Mit dem Herrn Thaler stand er ja in regem Kontakt, da hat er für einen Prozeß gegen Dr. Jörg Haider sogar gespendet, eine Spende geleistet, und dann konnte er sich nicht mehr erinnern, wer Herr Thaler ist.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir werden noch nicht das letzte Wort in dieser traurigen Messe der politischen Instrumentalisierung eines Bombenterrors gegen die größte Oppositionspartei dieses Landes gesungen haben. (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Mag. Stadler vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur näheren Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit des Bundesministers Dr. Caspar Einem in Zusammenhang mit der politischen Instrumentalisierung des Bombenterrors einzusetzen.

Es liegt auch ein von fünf Abgeordneten unterstütztes Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung werden die Debatte und die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung durchgeführt.

*****

Wir setzen jetzt in der Debatte fort.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leikam. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.05

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Bevor ich mit meinem Debattenbeitrag beginne, darf ich Ihnen eine Information zur Kenntnis bringen, die heute im Laufe des Vormittags von Herrn Dr. Franz Vranitzky unserem Klub übermittelt wurde.

Ich zitiere: "Einer Aussendung der APA vom heutigen Tag ist eine Behauptung des Abgeordneten Stadler zu entnehmen, in meiner Privatwohnung hätte im Dezember des vergangenen Jahres ein Schlichtungsgespräch mit Bundesminister Einem und Generaldirektor Sika stattgefunden. Ich halte dazu fest: Ein derartiges oder ähnliches Gespräch habe ich weder im angegebenen Zeitraum noch sonst jemals geführt."


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Das zur Information und sachlichen Aufklärung einer Anschuldigung, wie sie vom Abgeordneten Stadler öffentlich gemacht wurde, die in keinem Punkt den Tatsachen entspricht. (Abg. Wabl: War das jetzt der Nachrichtenschwindler Stadler?)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Seit Dezember 1993 haben 25 Briefbomben und drei Rohrbomben eine blutige Spur quer durch unser Land gezogen. 4 Tote, 17 zum Teil Schwerverletzte sind Opfer dieses abscheulichen, einzigartigen Kriminalfalles in unserer Republik. Wohl jeder Österreicher wird sich in den vergangenen Monaten und Jahren nicht nur einmal die Frage gestellt haben, wer hinter diesen Attentaten stehen könnte. Seit voriger Woche ist Herr Franz Fuchs in Haft. Ich möchte auf die näheren Umstände, die zu seiner Verhaftung geführt haben, nicht mehr eingehen. Es ist schon sehr ausführlich von Herrn Bundesminister Schlögl geschehen.

Ich bin Herrn Bundesminister für Inneres Karl Schlögl sehr dankbar, daß er heute dem Parlament einen sehr umfassenden, detaillierten Bericht über diesen Fall geliefert hat. Ich bin auch sehr froh darüber, daß in seinem Bericht auch die notwendigen Hinweise darauf enthalten waren, welch enormen Anteil an der Briefbombenaufklärung, an den Ermittlungen dieser Fälle seine beiden Vorgänger Dr. Franz Löschnak und Dr. Caspar Einem haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Innenminister Schlögl hat ganz klar dargestellt, welche Aufgaben Franz Löschnak übernommen hat, und er hat auch ganz klar festgestellt, welche Aufgaben Dr. Caspar Einem in diesem Bereich ausgeführt hat. Es waren ganz wesentliche Schritte, die da gesetzt worden sind und die letztendlich mit Sicherheit auch dazu geführt haben, daß viele Erkenntnisse, die es vorher mangels technischer Vorrichtungen, mangels der dafür erforderlichen Organisation, aber auch mangels geeigneten Personals nicht möglich war zu gewinnen, erst jetzt gewonnen werden konnten.

Die Umstellung der Fahndungsmethoden in der Zeit der Ministerschaft von Caspar Einem von rein staatspolizeilichen zu kriminalpolizeilichen hin, wie sie Innenminister Schlögl auch in seiner Erklärung dargestellt hat, war ein ganz wichtiger und wesentlicher Schritt.

In dieser Phase, meine Damen und Herren, ist man auch davon abgegangen, den oder die Täter – es ist nach wie vor nicht klar, in welche Richtung es hier geht – einem bestimmten politischen Spektrum zuzuordnen. Es sollte – das war damals der klare Auftrag von Caspar Einem – unabhängig von solchen Orientierungen gearbeitet werden, und es sollten die Ermittlungen nach rechts, aber auch nach links, faktisch in alle Richtungen fortgeführt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die geistigen Ergüsse des Herrn Stadler, mit denen sich heute die Abgeordneten dieses Hauses wieder befassen müssen, und seine ungeheuerlichen Verschwörungstheorien der letzten Tage, die er über die Medien, über Presseaussendungen einer staunenden österreichischen Öffentlichkeit mitgeteilt haben (Abg. Dr. Haider: Hat! Hat!) – Herr Abgeordneter Stadler, diese Verschwörungstheorien und Ihre Vorwürfe haben die Grenze des guten Geschmacks längst überschritten! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Stadler! Sie lassen jeden Respekt gegenüber den Unfallopfern in Ihren Darstellungen vermissen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Nicht beleidigt sein! Ein Sozialist! Für Sozialisten sind Sie verantwortlich!)

Sie, Herr Abgeordneter Stadler, schrecken auch nicht davor zurück, die völlig gebrochenen Eltern des mutmaßlichen Täters in diesen Fall mit hineinzuziehen. Sie haben das heute von diesem Rednerpult aus wieder getan, Herr Abgeordneter Stadler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das ist ungeheuerlich!)

Nur um Ihre linke Theorie zu untermauern, ist Ihnen jedes Mittel recht, und sei es noch so schäbig. Das haben Sie heute hier wieder bewiesen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Solidarität! Freundschaft! Herr Leikam! Sozialist! Vergessen Sie das nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In einer offenen Gesellschaft – in einer solchen befinden wir uns, Herr Abgeordneter Stadler – kann es durchaus sein, daß der Vater ein Nationalsozialist und der Sohn ein guter Demokrat ist. Das kann es durchaus geben. (Abg. Dr. Haider: Was haben Sie beim Schimanek gesagt? Was haben Sie beim Schimanek gesagt?)

Auf diesen kann man auch noch zu sprechen kommen. Für dieses Hölzl bin ich Ihnen dankbar, Kollege Haider! Sie haben sich bis heute vom Inhalt der Aussage von Schimanek junior nicht distanziert, sondern haben nur den Vater verteidigt (Abg. Dr. Haider: Da war der Vater nichts wert für ihn!) , aber nicht den Inhalt, weswegen Schimanek junior verurteilt worden ist! (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich sage es Ihnen noch einmal: Es kann in einer offenen Gesellschaft durchaus üblich sein, daß der Vater ein Nationalsozialist und dessen Sohn ein guter Demokrat ist. (Abg. Mag. Stadler: So ist es bei dir, glaube ich, der Fall! War nicht dein Vater Nationalsozialist?) Aber genauso, meine Damen und Herren, kann es in unserer Gesellschaft auch sein, daß der Vater ein Demokrat, ein guter Demokrat, vielleicht auch ein Sozialdemokrat – das sage ich dazu –, ein guter Sozialdemokrat und dessen Sohn gegen die demokratischen Einrichtungen unseres Rechtsstaates ist, vielleicht ein Terrorist ist. Das kann in einer offenen Gesellschaft durchaus der Fall sein. (Abg. Scheibner: Vor drei Jahren hätten wir das gerne gehört! Vor drei Jahren hätten wir das gerne gehört!)

Aber, Herr Abgeordneter Stadler, wenn Sie nur einen Funken Anstand haben – ich vermute, daß Sie diesen nicht haben –, dann werden Sie sich zumindest bei den Eltern des Attentäters beziehungsweise bei dessen Familie für das entschuldigen, was Sie ihnen durch Ihre Vorwürfe angetan haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das ist unerhört!)

Meine Damen und Herren! Ich appelliere an die 41 Abgeordneten des freiheitlichen Klubs, ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, es zu tun! (Abg. Dr. Haider: Weil es ein Sozi ist, müssen wir uns entschuldigen!) Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie alle Ihre Denkweise in der gleichen Art ausgerichtet haben, wie es Herr Abgeordneter Stadler heute hier unter Beweis gestellt hat! Herr Präsident Brauneder, Sie sind Universitätsprofessor, was sagen Sie zu den Vorwürfen, die heute hier von Ihrem Klubkollegen Stadler erhoben worden sind? – Distanzieren wenigstens Sie sich von dieser Entwicklung, die in Ihren Reihen um sich greift! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist unglaublich! Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Der Vorwurf, der während der Ermittlungen gegenüber der rechten Szene oder dem rechten Eck gemacht worden ist oder auch, wenn Sie es so wollen, gegenüber der Neonaziszene ... (Abg. Mag. Stadler: Wann entschuldigen Sie sich bei der Familie des Opfers? Wann entschuldigen Sie sich bei den Diskriminierungsopfern? – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich kenne keinen Abgeordneten dieses Hauses, der irgendwann einmal gesagt hätte, die FPÖ sei an den Briefbomben- und Rohrbombenanschlägen beteiligt. Ich kenne keinen in diesem Hause, der dies getan hätte! (Abg. Scheibner: Nachlesen!)

Die Ermittler haben sehr oft von einer rechten Szene, vom rechten Eck und von der Neonaziszene gesprochen. Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich darin finden – weil Sie sich heute so aufregen –, dann ist das Ihre Sache! (Abg. Scheibner: Eine Frechheit sondergleichen!) Wir haben das nicht gesagt! Sie sollten einmal in einer ruhigen Minute darüber nachdenken, wieweit Sie sich selbst in dieses Eck hineinmanövrieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nun einmal ein besonderes Kennzeichen der rechten Szene, daß sie Fremdenfeindlichkeit zu ihrem Inhalt gemacht hat. Es war klar, wer die Opfer der Briefbombenattentate sind. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, wer die Opfer sind. Es war daher auch klar, daß auch in dieser Richtung ermittelt werden mußte. (Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich kann mir nicht vorstellen, daß man einen Attentäter findet, ohne irgendwelche Einvernahmen vorzunehmen. Da kann es natürlich auch sein, daß der eine oder andere einvernommen wird, der mit der Sache nichts zu tun hat.

Meine Damen und Herren! Da wir über die Anschuldigungen reden, da hier Anschuldigungen gemacht worden sind, darf ich Sie darauf hinweisen, was Sie in diesem Zusammenhang an


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Anschuldigungen in den Raum gestellt haben. Ihr Parteiobmann Dr. Haider hat gegenüber einer Zeitung gemeint, bei den Briefbomben gebe es keine neuen Ergebnisse. Auf die Frage des Redakteurs hat er gemeint: "Ich vermute nach wie vor, daß der serbische Geheimdienst seine Finger im Spiel hat. Österreich war immer der Feind der Serben, und daher muß es destabilisiert werden." – Originalzitat Haider.

Es lautete die nächste Frage des Redakteurs: Was sagen Sie zu Oberwart? – Haider: "Das könnte auch andere Hintergründe haben. Wer sagt, daß es da nicht um einen Konflikt bei einem Waffengeschäft oder einem Autoschieberdeal oder um Drogen gegangen ist?"

Das war Ihre Zuteilung, meine Damen und Herren! Das war Ihre Zuteilung beziehungsweise Ihre Einschätzung dieses Kriminalfalles. Daß Gewalt für Sie, Herr Dr. Haider, keine so unbekannte Theorie in der Verwirklichung der politischen Arbeit ist, wird Frau Kollegin Schmidt wahrscheinlich bestätigen können. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie haben nämlich beim Ausländervolksbegehren auf den Einwurf der Kollegin Schmidt, da könnte es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen, wörtlich gemeint: Das ist einkalkuliert. Damit rechne ich, aber da müssen wir durch. (Abg. Mag. Stadler: So ein Topfen! So ein Topfen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Also Gewalt ist für Sie bei der Umsetzung Ihrer politischen Ziele nichts Fremdes! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schlögl hat in seiner Darstellung gebeten, die Ermittler bei ihren Arbeiten jetzt in Ruhe zu lassen und sie bei ihrer Aufgabe nicht zu behindern. Ich darf das nur unterstreichen. Derzeit hat man oft das Gefühl, daß es bei den Ermittlungen am Tatort mehr Journalisten als Sicherheitsorgane gibt. Ich glaube, daß das nicht der Weg ist, auf dem man erfolgreich arbeiten kann. Ich kann diesen Appell nur unterstreichen: Lassen wir die ermittelnden Kräfte in Ruhe arbeiten! Wir sind uns dessen sicher, daß der Schritt, der jetzt mit der Verhaftung von Franz Fuchs eingeleitet worden ist, durchaus auch noch zu weiteren Ergebnissen führen wird.

Terror und demokratiezerstörende Elemente dürfen in unserer Republik keine Chance bekommen, meine Damen und Herren! Halten wir parteipolitisches Geplänkel, parteipolitisches Taktieren aus diesem so schwierigen Kriminalfall heraus! Das ist kein geeignetes Mittel zur Terrorbekämpfung! Ich kann all das, was der Innenminister heute hier gesagt hat, nur unterstreichen.

Die Österreicherinnen und Österreicher, meine Damen und Herren, wollen in einem Land leben, in dem die innere Ruhe, die innere Sicherheit, der soziale Frieden gewährleistet sind, und wir als Abgeordnete, wir als Politiker haben die Verpflichtung, der österreichischen Bevölkerung die von ihnen erwarteten Werte auch sicherzustellen, anstatt durch parteipolitisches Hickhack den Frieden im Lande zu gefährden und die Aufklärung eines so schwierigen Falles zu behindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben diese Verantwortung! Nehmen wir diese Verantwortung auch wahr! Helfen wir gemeinsam der Exekutive bei ihrer schwierigen Aufgabe! Ich stehe nicht an, im Namen unseres Klubs, im Namen der sozialdemokratischen Fraktion jenen Beamten, die zur Aufklärung dieses Falles in den vielen Jahren, seit es diese Briefbomben- beziehungsweise Bombenserie in Österreich gibt, eingesetzt waren, herzlich und aufrichtig für ihre Arbeit bei der Erfüllung dieser schwierigen Aufgabe zu danken.

Wir haben aus dem Bericht des Innenministers gehört, daß der Täter, der in Haft sitzt, auch nicht davor zurückgeschreckt hätte, Exekutivbeamten das Leben auszulöschen. So schwierig und verantwortungsvoll ist ihre Aufgabe! Nehmen wir sie ernst und unterstützen wir unsere Exekutive bei ihrer schwierigen Aufgabe! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Genauso wie Sika unterstützt wurde!)

13.19


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88. Sitzung / Seite 43

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen!

13.19

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Leikam hat in seinem von Weinerlichkeit triefenden Debattenbeitrag (Zwischenrufe bei der SPÖ) die unrichtige Behauptung aufgestellt, er kenne kein Mitglied dieses Hauses, das die Freiheitlichen direkt oder indirekt mit dem Bombenterror in Zusammenhang gebracht hätte. – Das ist unrichtig! (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. )

Richtig ist vielmehr, daß sowohl derzeitige als auch ehemalige Mitglieder dieses Hauses Behauptungen in diese Richtung aufgestellt haben. Diese seien hier nur beispielhaft genannt.

Erstes Beispiel: Löschnak am 23. Jänner 1994. Ich zitiere: "Darauf angesprochen, ob ein konkreter Zusammenhang zwischen Aktivitäten der rechtsextremen Szene und FPÖ-Mandataren vorhanden sei, wies Löschnak darauf hin, daß der Ehegatte einer Landtagsabgeordneten mit einem der Verdächtigen in der Briefbombenaffäre auf einem Video zu sehen ist." (Abg. Dr. Schmidt: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Zweites Beispiel: In einer APA-Aussendung der SPÖ-Bundesgeschäftsführerin und früheren Abgeordneten zum Nationalrat Brigitte Ederer vom 17. Oktober 1995 lautet es folgendermaßen:

"Der rechtsextreme Hintergrund des Briefbombenterrors ist unter Demokraten unumstritten. Daß Haider als politischer Ziehvater und Ideologe des rechtsextremen Terrors verzweifelt versucht" (Abg. Leikam: Das ist ein rechtskräftiges Gerichtsurteil! – Rufe bei der SPÖ: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) , "seine Verantwortung loszuwerden und die offensichtlichen Zusammenhänge zu vertuschen, ist nur allzu verständlich."

Drittes Beispiel: Kostelka am 26. April 1995. Zitat: "Man könne nicht leugnen, daß es zwischen der ,F’-Bewegung und den Rechtsextremisten in Österreich im Zusammenhang mit der Briefbombenserie kommunizierende Gefäße gebe, setzte der Klubobmann fort." – Diese Zitate seien nur als Beispiele genannt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich von jetzt an alle tatsächlichen Berichtigungen erst nach Schluß der Debatte aufrufen werde.

Wir fahren jetzt in der Debatte weiter fort.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. (Abg. Mag. Stadler: Der hat sogar ein Fax zur Diffamierung ins Europäische Parlament geschickt! – Abg. Dr. Kier: Das ist gar nicht notwendig!)

13.21

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich werde versuchen, nicht weinerlich zu sein; Kollege Leikam hat dieses Prädikat bekommen, obwohl er es sich nicht verdient hat. – Ich werde mich zunächst mit dem Fall selbst beschäftigen.

Der Herr Innenminister hat hier über diesen Fall einen Bericht gegeben, und dieser sein Bericht gibt Anlaß zu Optimismus dahin gehend, daß der Faden, den man jetzt in der Hand hat, die Chance bietet, tatsächlich bis auf den Grund dieses Kriminalfalls zu gelangen und abzugrenzen, ob es ein Einzeltäter war, was in bestimmter Hinsicht unplausibel ist, oder ob es mehrere Täter waren, was auch nicht sicher ist, und so weiter.

Ich meine, diese Aspekte des Berichtes des Innenministers sollte man in solch einer Debatte nicht ganz aus dem Auge verlieren, und in diesem Sinne bin ich Kollegen Leikam dankbar, daß


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er darauf hingewiesen hat, daß noch viel und harte Knochenarbeit auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsexekutive wartet, daß die Sonderkommission noch viel zu tun haben wird und daß dieser erste Erfolg, der, wie ich sagen muß, auf einen glücklichen, aber doch Zufall gegründet war, jetzt eine Möglichkeit bietet, bei diesem Fall wirklich profund und schnell weiterzukommen. Dieses Anliegen scheint mir das erstrangige zu sein. Erst dann, wenn alles aufgeklärt ist, läßt sich eine summarische politische Debatte führen, denn sonst bleibt man im Hin und Her stecken und wird politisches Kleingeld daraus geschlagen. Doch das ist schlecht, denn genau dieser Stil, den wir hier vorführen, ist das Klima, in dem solche Attentate wachsen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Solche Debatten sind kein guter Boden, um den Bürgern hohe demokratische Gesinnung, hohes Ethos und so weiter und so fort abzuverlangen – was wir ja alles als demokratischen Konsens erwarten, was wir nicht in die Gesetze hineinschreiben können und auch gar nicht hineinschreiben wollen (Abg. Dr. Graf: Auf einmal! Auf einmal!), denn das wäre die Anweisung zu einer bestimmten Gesinnung. Das ist, glaube ich, wesentlich! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich meine, daß es sehr wohl eine Rolle spielt, in welchem Klima die Zeitgeschichte, auch die Kriminalgeschichte und auch der Terrorismus ablaufen. (Abg. Dr. Graf: Geben Sie es endlich zu, daß der FPÖ unrecht getan wurde! Haben Sie den Mut!) – Herr Kollege Graf! Mit aller Deutlichkeit sage ich Ihnen – Herr Kollege Leikam hat das auch schon gesagt –: Wenn Sie sich so betroffen fühlen, wenn jemand den objektiven Befund erstellt, daß der Opferkreis, daß die Zielorientierung der Bekennerschreiben, all diese Details, eindeutig politisch zuordenbar sind, dann ist das Ihr Problem! Darauf mache ich Sie aufmerksam! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Wenn Sie Xenophobie offenbar gerne als Alleinstellungsmerkmal Ihrer Partei hätten und wenn ein Bundesminister für Inneres in dieses Haus Gesetze bringt (Abg. Dr. Graf: Genau das ist das Klima! Sie hören und hören nicht auf!) , die Ihnen gefallen, und Sie dann sagen: Das ist unser bester Mann in der Regierung!, was soll das dann anderes heißen? (Abg. Dr. Graf: Ich fühle mich nicht betroffen!)  – Herr Kollege Graf! Regen Sie sich nicht so auf, das ist schlecht für Ihren Kreislauf! Ich bitte Sie herzlich, mir lieber zuzuhören, vielleicht können Sie dabei etwas lernen!

Wer sich in der Selbstbetroffenheit dauernd selbst gemeint fühlt, der setzt – und das ist in der Kriminalistik beschrieben – ein typisches Täterverhalten. (Abg. Dr. Graf: Das ist ja ungeheuerlich! Was heißt denn das? – Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Grünen.) Das, was dem Zufall hier geholfen hat, war, daß der Ertappte ungeschickt reagiert hat.

Ich meine ein geistiges Täterverhalten, es geht da um das geistige Klima. (Abg. Dr. Graf: Das haben Sie vorhin nicht gesagt!) Herr Kollege Graf, versuchen Sie, was immer Sie wollen ... (Abg. Scheibner: Was heißt "Täterverhalten"?) Na, er ist ertappt bei seinen Argumenten. (Abg. Scheibner: Was heißt "Täterverhalten"? Wer ist da der Täter?) Der, der die Unwahrheit zum Mittel der Politik macht, ist ein Täter. Glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.) Wenn jemand die Unwahrheit zum Mittel der Politik macht, ist er ein Täter! Glauben Sie mir das! (Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Täter wofür?)  – Für das geistige Klima! Und das ist der Nährboden, auf dem das wächst!

Herr Kollege Graf! Hat irgend jemand zu irgendeinem Zeitpunkt irgend jemanden Ihrer Organisation in einen konkreten Tatzusammenhang mit einem Terroranschlag gebracht? (Rufe bei den Freiheitlichen: Ja! Ja!) In einen konkreten? Hat irgend jemand gesagt: Haider hat den Zünder eingestellt (Abg. Mag. Stadler: Haider ist der Ziehvater, wenn Sie wissen, was das ist!), Stadler hat ihm dabei geholfen, und das Nitroglyzerin kommt von Graf!? Hat das irgend jemand gesagt? – Niemand! Niemand hat das gesagt! (Abg. Mag. Stadler: Sie selber! Sie selber waren das!)

Herr Kollege! Wenn Sie glauben, daß Sie mir die Worte im Mund verdrehen können, beweisen Sie ja nur einmal mehr, daß Sie genau für jenes Klima, in dem dieses Unkraut wächst, die


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88. Sitzung / Seite 45

Knochenarbeit leisten. Glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie bei den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Wenn ein Innenminister – welcher auch immer; Löschnak, sage ich einmal – zum Ausdruck gebracht hat, man sollte vielleicht auch nach rechts – auch nach rechts! – nachforschen, dann muß ich sagen: Das ist in diesem Land leider notwendig, weil in diesem Land gelegentlich nur nach links nachgeforscht wurde! Daher war das ein Aufruf, in der Mitte zu bleiben.

Zur Einvernahme von Unschuldigen im Zusammenhang mit der "Aula"-Kartei – das wird Sie jetzt vielleicht mehr interessieren – möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß unsere Fraktion in unterschiedlicher Vertretung von diesem Pult aus zu allen Zeiten gesagt hat: Das war ein übler Mißgriff, ein Vorgriff auf die Rasterfahndung! Andererseits muß man, wenn man wirklich fahnden will, in Kauf nehmen, daß auch Unschuldige einvernommen werden. Hoffentlich stellt sich das dann bei der Einvernahme heraus, und dann werden die Unschuldigen wieder aus der Einvernahme entlassen. Sonst könnte man niemals ... (Abg. Mag. Stadler: Greise! Bettlägrige! Rollstuhlfahrer! Blinde!) – Das ist jetzt etwas anderes! – Sonst könnte man sich niemals, auch nur gedanklich nicht, einen Millimeter der Rasterfahndung nähern. Bei der Rasterfahndung ist nämlich das hauptsächliche Merkmal der Betroffenen, daß sie unschuldig sind. Glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Purtscheller ist bis heute nicht einvernommen!)

Die Einvernahme von Abonnenten ist nichts anderes als eine physische Form von Rasterfahndung. (Abg. Mag. Stadler: Eine Entschuldigung wäre fällig bei diesen Leuten, anstatt das auch noch zu rechtfertigen, Herr Volker!) Wenn dabei im Einzelfall möglicherweise – so, wie Sie das jetzt hier unterstellen – mit einem Rollstuhlfahrer schlecht umgegangen wurde, dann ist das ein Skandal. Das bestreite ich keine Sekunde lang. Wenn ein 87- oder 97- oder 98- oder, ich weiß nicht, 105jähriger Universitätsprofessor bei einer Einvernahme schlecht behandelt wird, dann ist das ein Skandal. Aber auch dann, wenn er schuldig wäre, wäre das ein Skandal. Verstehen Sie mich? – Das ist der Unterschied! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wenn er unschuldig ist, ist es vielleicht ein bißchen auffälliger, aber ich meine, auch ein Schuldiger, der einvernommen wird, hat den Anspruch, daß er ordentlich behandelt wird. Ich hoffe, mit dem jetzt Verdächtigen Fuchs geht man sorgfältig um, denn er ist immerhin schwerverletzt und vielleicht nicht beliebig belastbar bei der Einvernahme. Aber die Ärzte werden das wohl mit entscheiden.

Genau solche Dinge sind Ihnen völlig fremd. (Abg. Mag. Stadler: Ist ja nicht wahr!) Ja, aber selbstverständlich! Sonst würden Sie ja nicht dauernd von den Unschuldigen reden! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Ich sage Ihnen noch einmal: Die parteipolitische Zuordnung, über die Sie sich so beklagen, beten Sie ja geradezu selbst förmlich dauernd herbei. (Abg. Mag. Stadler: Nein! Wir beklagen uns nicht! Wir ertappen nur die Sozialisten dabei, Ihre Gesinnungsgenossen!)

Wenn Sie selbst den "Ziehvater" zitieren, Herr Kollege Stadler, und Peter Pilz im Zusammenhang mit dem "Ziehvater"-Zitat nennen, dann sage ich Ihnen: Sie sind vielleicht der Stiefvater! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.) Wenn Sie gerne möchten, dann machen Sie von allen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch! (Abg. Mag. Stadler: Eines weiß ich: daß sich Ihr leiblicher Vater für Sie geniert hat! Das weiß ich!)

Aber den physischen Vater, den leiblichen Vater eines Verdächtigen, nämlich Herrn Fuchs senior, hier eitel zu nennen, das ist etwas ganz anderes, denn das steht nicht mehr im Bereich des geistigen Klimas, das steht nicht mehr im Bereich einer noch so harten weltanschaulichen Auseinandersetzung, sondern das ist tatsächlich ein alter Mensch – vielleicht noch nicht 97, aber ein alter Mensch –, der möglicherweise jetzt durch das Schicksal seines Sohnes innerlich gebrochen ist, denn es ist ja für einen Vater nicht angenehm, zu erleben (Abg. Dr. Graf: Das wußte auch Ihr Vater!), daß sein Sohn unter einem solchen Tatverdacht steht und möglicherweise verurteilt wird. Auf den wird draufgetreten, indem ihm nämlich mitgeteilt wird, er habe das


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Kind schlecht sozialisiert – "geprägt", habe ich gelesen in der Presseaussendung. Diese Art von Menschenverachtung ist genau das Klima, in dem ein noch so verqueres Gehirn auf die Idee kommt, Flüchtlingshelfer zu bombardieren. Das ist das Problem! (Beifall beim Liberalen Forum, bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Andererseits kann man natürlich als Beobachter der Szene mit dem Hin und Her beim Täterprofil auch keine Freude haben – das sage ich Ihnen schon –, denn die Frage, ob ich ein Fahndungsinstrument – und ein Täterprofil ist zu allen Zeiten ein Fahndungsinstrument – veröffentliche oder nicht veröffentliche, ist aus meiner Sicht eine kriminaltaktische oder kriminalpolizeiliche Fachfrage.

Da kann man wahrscheinlich unterschiedlicher Meinung sein. Ich weiß nicht, ob es zu allen Zeiten probat ist, Tätern, denen man in so einem Fall eine große Intelligenz zuordnen muß, weil die Taten ja recht ausgeklügelt waren, mitzuteilen, wie nahe man schon an ihnen dran ist, und das ist die Veröffentlichung eines Täterprofils. Ich bin nicht Fachmann genug, Ihnen sagen zu können, ob das gut ist oder nicht, aber ich meine, es ist sicherlich vertretbar, daß man das mit einer gewissen Skepsis sieht. (Abg. Dr. Graf: Bevor man es unterdrückt, ist es besser, es zu veröffentlichen!)

Erlauben Sie mir ein Zitat aus der heutigen Ausgabe einer Tageszeitung, in der sich der eigentliche Verfasser des Täterprofils äußert; das wird Sie vielleicht interessieren (Abg. Mag. Stadler: Was nützt ein Täterprofil, von dem niemand etwas erfährt?): Laut Thomas Müller, dem für das Täterprofil verantwortlichen Psychologen des Innenministeriums, sei das Originalgutachten zum Täterprofil noch gar nicht veröffentlicht worden. Jenes im Buch des Grassl-Kosa sei ein anderes. Müller: Es wird der Zeitpunkt kommen, wo wir es veröffentlichen können. (Abg. Mag. Stadler: Da schüttelt der Innenminister den Kopf! Das ist ja nicht richtig!)

Solange solche Dinge in Schwebe sind, ist es müßig, politisches Kleingeld daraus zu schlagen, ob die Maßnahme der Veröffentlichung richtig oder falsch ist, denn das müssen die Fachleute entscheiden. Ich bin der Auffassung: Wenn ich jemanden ausforschen will, ist es nicht besonders günstig, wenn ich den, hinter dem ich nachforsche, frühzeitig warne. Es kann Leute geben, die meinen, das sei günstig, weil sie glauben, daß sie dann den Täter in Angst und Schrecken versetzen und er dann Fehler macht. Das ist eine Möglichkeit. Nur: Der Fehler, den der Herr Fuchs gemacht hat und der zu seiner Festnahme geführt hat, war der panische Fehler eines Menschen, der auch sonst vielleicht nicht überall ganz richtig reagiert. Allerdings hat er eine Phobie ausgelebt, die in ihren Ergebnissen eindeutig fremdenfeindlich ist. Ob er das jetzt bewußt gemacht hat, planmäßig, organisiert, oder ob er nur auf dem Nährboden gelebt hat, der in diesem Land für manches leider sehr konstitutiv ist, ... (Ruf: Sie fallen ja immer noch darauf rein! Unglaublich!) Wenn ein Mensch entgleist, geistig, gedanklich, in seinen Handlungen, wie Fuchs, dann sucht er sich Ziele, und daß er dabei auf solche Ziele kommt, ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Das ist ja marxistische Ideologie: Die Gesellschaft ist schuld an allem!)

Das ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Er hätte sich genausogut irgendein anderes verqueres Ziel suchen können, von mir aus die Eisenbahn, von mir aus die Autobahnen oder irgend etwas anderes, aber er hat mit sehr großer Sorgfalt und Akribie Personen ausgewählt, die in einen ganz bestimmten Raster passen, und das ohne Rasterfahndung. (Abg. Dr. Graf: Marxismus und Liberalismus sind unverwechselbare Zwillingsbrüder! Wer hat denn das gesagt?)

Die Zuordnung ist eine kulturgeschichtliche Leistung, eine geistige Leistung, keine organisatorische Frage. Das ist nicht eine Frage der Organisationsmerkmale, sondern das ist eine Frage: Wie positioniert sich jemand innerlich, oder seine Mittäter? Und dieses geistige Klima ist das Thema der Auseinandersetzung.

Aber verlassen wir diesen Boden, gehen wir zurück zur Aufklärungsfrage und fragen wir uns: Ist im Innenministerium wirklich alles so effizient gelaufen?! Da bin ich mir nicht ganz sicher. Ich will jetzt nicht rückwirkend frühere Erfolge einmahnen – bei solchen Taten sind die Erfolge schwer


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zu haben –, aber in diesem ganzen Hick-hack in den Medien ist sichtbar geworden, daß der jeweilige Innenminister gelegentlich seine Sektionschefs, in diesem Fall den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, nicht wirklich unter Kontrolle hat. (Abg. Mag. Stadler: Das wäre ja noch schöner! Jetzt ist der Sika schuld!)

Den Vorwurf, den Sie erhoben haben, nämlich daß ein Minister den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit unterjocht hätte, kann ich nicht teilen. Ich habe gelegentlich eher das Gefühl, die Sektionschefs im Innenministerium machen das, was sie für richtig halten, und da fallen mir zwei Namen ein, nicht nur Sika, sondern auch Matzka. Sie wissen, was ich meine. Ich will das hier jetzt nicht ausbreiten. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Daß dann der Minister die politische Verantwortung hat, ist etwas anderes. Das ist in diesem Zusammenhang etwas anderes. In einem Haus, in dem die Sektionschefs ein fröhliches Eigenleben entfalten und – Zitat – zwölf Minister überleben – ich sage in Klammern dazu: (Pragmatisierung) –, wird der Fahndungserfolg vielleicht manchmal verlangsamt beziehungsweise schaut der jeweilige Minister vielleicht manchmal etwas "alt" aus, weil er möglicherweise nicht einmal umfassend informiert ist und sich manchmal sogar nicht ganz fundiert seine eigene Meinung bilden muß. Diesen Eindruck hatte man beim Vorgänger des jetzigen Ministers deutlicher als bei Schlögl. Daß der Bundesminister Einem gelegentlich einen nicht recht informierten Eindruck gemacht hat, bestätige ich gerne von diesem Rednerpult aus. Aber das ist keine Frage von falschen Weisungen, sondern das ist eine Frage einer sich zu stark verselbständigt habenden Beamtenschaft. Das ist im Bereich der Sicherheitspolizei kein erfreulicher Befund, denn diese Beamten haben das Gewaltmonopol und das Nachforschungsmonopol in der Hand, und beide Monopole berühren die Grundrechte fundamental.

Daher meine ich, wir sollten bei aller Freude über den momentanen Zwischenerfolg innehalten und uns fragen, ob nicht der Preis, den wir für diesen Erfolg bezahlt haben oder für die nächsten Erfolge bezahlen werden, vielleicht zu hoch ist, nämlich der Preis der Anwendung der Rasterfahndung hier und jetzt. Wenn Sie tatsächlich die These aufstellen, Sie hätten den Herrn Fuchs auch mit der Rasterfahndung gefunden, dann stelle ich die rhetorische Frage von diesem Pult aus – und es gibt eine parlamentarische Anfrage meiner Fraktion dazu –: Mit welchen Merkmalen hätten Sie denn gerastert? Mit dem Merkmal "über 50", wie das Täterprofil ausweist? Er ist 48. Mit dem Merkmal "lebt allein"? Er war zwar ein Eigenbrötler, hat aber doch in einem Verband gelebt. Oder hätten Sie seine organisatorischen Merkmale verwendet? Hätten Sie bei der Rasterfahndung das Merkmal der Mitgliedschaft seines Vaters bei einer Partei verwendet, bei einer großen Partei, bei einer anderen Partei? Hätten Sie das verwendet? Das ist die Frage, die ich an die Sicherheitsverantwortlichen richte.

Mit der Rasterfahndung hätten Sie diesen Mann natürlich nicht gefunden – das wissen Sie so gut wie jeder in diesem Haus –, außer es gibt Datenbanken, von denen wir nichts wissen. Je sicherer sich ein Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit ist, wenn er verkündet, daß der Täter mit der Rasterfahndung gefunden worden wäre, desto mehr erhebt sich der Verdacht, daß es Datenbanken gibt, von denen wir nichts wissen. Aber das macht mir Sorgen!

Herr Kollege Stadler! Wenn Sie sich darüber aufregen würden, hätte ich mehr Freude, bei aller sonstigen Kontroverse.

Aber wenn die Rasterfahndung so hervorragend ist, wie Generaldirektor Sika sagt, dann erwarte ich mir, daß in einer oder zwei Wochen die möglichen restlichen Täter ausgeforscht sind beziehungsweise die Mehrtätertheorie endgültig ausgeschlossen werden kann, denn dann, wenn das so gut funktioniert, wie uns gesagt wird, müßte das wohl möglich sein. Oder wurde wieder einmal der Mund zu voll genommen wie damals, als die Anzeige Radl/Binder gemacht wurde? Von derselben Sicherheitsbehörde wurden zwei vor Gericht gebracht, und die Staatsanwaltschaft hat angeklagt, obwohl in dieser Phase schon erkennbar war, daß das Material recht dünn war – nur um eines vorzeitigen Erfolges willen! (Abg. Jung: Es war nicht opportun, in einer gewissen Richtung zu fahnden!) Aber das ist eine ganz andere Frage. Die Leute sind ja zu Recht vor Gericht gestanden, allerdings wegen anderer Delikte. Daß man da den eigenen Pseudofahndungserfolg benützt hat, um sich rasch ein Mäntelchen des Erfolges auch in der


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Briefbombenserie umzuhängen, war ein Skandal der anderen Art und hat nichts mit dem zu tun, was Sie hier wehleidig beklagen, sondern das war auch ein Ergebnis der Tatsache, daß manchmal die Sicherheitspolizei etwas aus der politischen Kontrolle läuft. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Kiss. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.38

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Während der "Kriminologe" und "Psychologe" Kier in expertenhafter Manier extemporiert hat, hat sich hinten auf der Bank der "Hobbykriminologe" Sika offensichtlich gewunden. So verschieben sich in einer parlamentarischen Diskussion plötzlich die Gewichte. Ich muß sagen: Mir ist es noch allemal lieber, die Experten dieser Republik hinter mir auf der Bank sitzen zu wissen, als den Kier hier vorne stehen zu sehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Posch: Sie sind den Zwischenruf nicht wert!)

Denn die hypothetischen Annahmen, die Fiktionen, die er hier aufgebaut hat, lassen mich eigentlich schmunzeln. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie sind doch ein Sicherheitsrisiko! Dürfen Sie überhaupt sprechen?) Wenn Sie zum Beispiel sagen, daß es in Angelegenheiten des Täterprofils überhaupt nichts gäbe, was fundiert wäre, dann frage ich, Herr Kollege Kier: Leben wir da im Hohen Haus in einer anderen Welt? Sicherheitshalber habe ich mir das Buch von Grassl-Kosa und Steiner mitgenommen, denn seit dem ersten Redebeitrag ist immer von diesem sogenannten Täterprofil die Rede.

Ich weiß nicht, werte Kolleginnen und Kollegen, wer es wirklich gelesen hat, doch zur Information für jene, die es vielleicht nicht konsumiert haben: Es ist vieles frappierend, wenn man die Beschreibung der Person Franz Fuchs mit dem Täterprofil, das vor Jahren von Experten, von Psychologen im Innenministerium erarbeitet wurde, vergleicht.

Es steht hier plakativ – ich zitiere –: "Er ist Österreicher. Er ist ein Mann. Er ist 50 Jahre. Er wohnt in der Steiermark. Er wohnt in einem Einfamilienhaus. Er hat eine Hobbywerkstatt eingerichtet. Er besitzt Spezialwerkzeug. Er ist alleinstehend. 1985 und 1993 gab es markante Einschnitte. Er ist Katholik. Er hat Matura. Sein Markenzeichen ist die Sprachgewandtheit. Er ist chemisch versiert. Er ist elektronisch hoch versiert. Er ist rhetorisch versiert. Seine Freizeitbeschäftigung ist das Lesen von Büchern und Zeitungen. Er hat einen eindrucksvollen Beweis seiner mikrosensorischen Fähigkeiten zu Hause. Er ist ordnungsliebend. Sein Humor ist der Zynismus." (Abg. Dr. Cap: Und Scientologe!) Möglicherweise!

Jetzt sage ich dazu: Wenn das, was der Herr Bundesminister zur Person von Franz Fuchs gesagt hat, und wenn das, was ich hier aus diesem Buch (der Redner zeigt es vor) über das Täterprofil von Grassl-Kosa und Hans Steiner zitiert habe, identisch ist, dann gibt es erstaunliche Parallelen, dann ist die Frage der Veröffentlichung des Täterprofils eine bedeutsame Frage, dann ist die Unterschlagung dieses Täterprofils entgegen den Intentionen des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit eine Frage, die hier in diesem Haus zu diskutieren ist. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. )

Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich zitiere aus der Vorausmeldung von "NEWS" für morgen Generaldirektor Sika: "Als alle im extremen Eck suchten, habe ich immer erklärt, man werde Überraschungen erleben." (Abg. Dr. Kostelka: Alle!) Nein, nein, ich zitiere Sika, Herr Klubobmann! – "Ich habe nie apodiktisch an den politischen Background geglaubt. Vieles spricht dafür, daß ich recht habe. Unser Psychologe und ich haben immer gesagt, der Täter, der so etwas macht, muß ein Bombenhirn sein im Sinne eines gewaltigen Denkers. Ich habe immer vor politischen Dimensionen gewarnt." – Zitatende.


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Ich bringe es auf den Punkt: Wenn der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit vor politischen Kategorisierungen warnt, vor dem politischen Denken, und empfiehlt, bei diesem wirklich größten Kriminalrätsel Österreichs in der Zweiten Republik eine Aufklärung in eine andere Richtung hin zu betreiben, dann muß ich sagen: Da ging der verantwortliche Innenminister sicher nicht den richtigen Weg! Und der hat damals Caspar Einem geheißen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Lassen Sie den Generaldirektor, wenn er vom politischen Denken spricht!)

Ich sage und ich stehe dazu: Aus dieser politischen Verantwortung entläßt Caspar Einem niemand! Ich behaupte dies hier und jetzt, und ich führe auch den Beweis in den folgenden Ausführungen, die ich mache.

In einer ganzen Reihe von persönlichen Gesprächen, die ich mit Beamten des Innenministeriums geführt habe, in Hintergrundgesprächen, durch Informationen, die an mich herangetragen wurden, wurde mir bestätigt, sodaß sich mein Verdacht nährt, daß Einem gegen den Apparat arbeiten wollte, daß Einem eben auch politisch instrumentalisieren wollte und daß Einem nicht kriminalpolizeilich erheben ließ. Das ist mein Vorwurf, zu dem stehe ich, und das behaupte ich! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Ich habe noch gar nichts getan und werde es begründen, Herr Kollege. (Abg. Dr. Pumberger: Es hat schon früher Mißtrauensanträge gegeben!) Damals, am 5. Mai 1995, als wir hier im Hohen Haus mit Caspar Einem diskutiert haben, hat unser Klubobmann Andreas Khol vier Fragen an den damaligen Innenminister Caspar Einem gerichtet. Frage 1: Herr Innenminister, wie stellen Sie sich zur wehrhaften Demokratie? Frage 2: Gibt es bei Ihnen blinde Flecken, oder sehen Sie auf beiden Augen gleich gut? Frage 3: Wie stellen Sie sich zum Verfassungsschutz? Frage 4: Wie schaut Ihr Verhältnis zu Gewalt aus?

Das sind Fragen, die heute genauso aktuell sind, wie sie es damals waren. Nur, werte Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei: Der Innenminister heißt nicht mehr Caspar Einem, sondern der Innenminister heißt jetzt Karl Schlögl!

Karl Schlögl hat – und ich habe das auch in meinen vorangegangen Reden bestätigt – für mich Handschlagqualität. Er ist ein Mann, mit dem man Verhandlungen führen kann. Er ist der Innenminister, den wir von der ÖVP massiv stützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frage eines Mißtrauensantrags gegen Caspar Einem ist damit für mich obsolet. Sie stellt sich mir nicht. Er ist nicht mehr Innenminister der Republik Österreich. (Abg. Jung: Entweder ist er vertrauenswürdig oder er ist es nicht! – Zweimal haben Sie ihm das Vertrauen ausgesprochen!) Sie wissen es am besten, daß er nicht nur oft genug mein Reibebaum gewesen ist, sondern daß er auch jener Minister war, der in der Koalition permanent für Reibungsverluste gesorgt hat, daß er derjenige gewesen ist, der durch seine Arbeitsweise, dadurch, daß er seine Arbeit durch die politische Brille gesehen hat, uns, die ÖVP, mit der Koalition in ein Fahrwasser gebracht hat, in das wir nicht wollten. Ich behaupte das hier, und ich beweise es hier! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Gartlehner: Auf diese Beweise bin ich gespannt! Das sind leere Behauptungen!) Nein!

Werte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was – und das ist das Wesentliche für uns – unterscheidet die ÖVP von allen anderen in diesem Haus befindlichen politischen Parteien? Der Beweis ist leicht zu führen. (Abg. Jung: Sie müssen sich unterwerfen!) Nein!

Alois Mock zum Beispiel sagte am 14. Dezember 1992: "Es gibt nicht den geringsten Grund, den Rechtsextremismus zu schonen, aber auch gar keinen, den Linksextremismus zu verharmlosen."

Wolfgang Schüssel sagte am 4. Mai hier im Plenum: "Die Demokratie muß wehrhaft und wachsam sein, sich gegen alle Extreme schützen."

Dafür standen wir, dafür stehen wir, und dafür werden wir auch künftig stehen! Damit ist klar und deutlich die Position der ÖVP abgegrenzt. Das ist leicht nachvollziehbar: Wir sind die politische


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Mitte, wir waren es in der Vergangenheit und haben nie mit Links oder mit Rechts geliebäugelt. Wir werden es auch in Zukunft so halten: Wir lehnen jede Form des Extremismus ab! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist Franz Fuchs Hauptverantwortlicher für die Briefbombenattentate. Ich möchte an dieser Stelle im Namen der ÖVP den Kolleginnen und Kollegen in der Exekutive, die ihre Arbeit hervorragend tun, ein Dankeschön sagen, dem Bundesminister als dem politisch Verantwortlichen unsere Loyalität, aber auch unsere Unterstützung innerhalb der Koalition versichern (Abg. Schwemlein: Das ist gefährlich, wenn du Loyalität versprichst!) und darüber hinaus das Mitgefühl jenen Personen aussprechen, die durch den Täter oder die Täter zu Schaden gekommen sind, vor allem aber auch der Familie des Täters, die durch die Verbrechen ihres Sohnes beziehungsweise Bruders unschuldig ins Gerede gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

13.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete. Auch Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten bekanngegeben? (Abg. Dr. Petrovic: Freiwillige Redezeit?) Mir wurde es so bekanntgegeben. Bleibt es dabei? (Abg. Dr. Petrovic: Das muß ich erst im Laufe meiner Rede feststellen!) Frau Dr. Petrovic, was soll ich einstellen? (Abg. Dr. Petrovic: 15 Minuten!) 15 Minuten. Okay.

13.48

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zu meinen Ausführungen, die zwei Punkte betreffen, nämlich das konkrete Delikt beziehungsweise die Deliktserie und die Frage einer allfälligen politischen Verantwortung, komme, ein paar ganz kurze Vorbemerkungen.

Erstens: Herr Bundesminister, ich finde es sehr korrekt und möchte mich bei Ihnen bedanken, daß Sie heute hier in der Sache Briefbobenattentate Bericht erstattet haben. Ich wünsche mir, daß in dieser Angelegenheit auch in Zukunft so verfahren wird, nämlich daß wir Abgeordnete hier in diesem Haus von Ihnen stets über den aktuellen Stand der Dinge informiert werden. Ich meine, daß über eine Causa, die ganz Österreich beschäftigt, natürlich auch im Parlament, im Hohen Haus debattiert werden soll. Ich habe es auch beachtlich gefunden und stehe nicht an, das anzumerken, daß Exminister Löschnak zugegeben hat, daß es insbesondere in der Anfangsphase der Ermittlungen Fehlleistungen auch aufgrund unzureichender Ausstattung gegeben hat. Ich meine, daß das Eingestehen von Fehlleistungen die ganze Diskussion wesentlich entlastet und entkrampft.

Es ist mir auch ein Bedürfnis, jenen beiden Frauen zu danken, deren Wachsamkeit letztlich viel mehr bewirkt hat als Instrumente, die ich aus meiner politischen Überzeugung heraus für die Demokratie für zu gefährlich halte, wie zum Beispiel die Rasterfahndung. Diese beiden Frauen haben sicherlich nicht gewußt, wen sie da vor sich haben, aber vielleicht hat da auch ein bestimmtes Gespür mitgewirkt, das letztlich für die ganzen Ermittlungen eine besonders wichtige Grundlage gelegt hat.

Noch zwei Vorbemerkungen, die zu machen mir auch wichtig ist. Zum einen: Es hat natürlich auch hinsichtlich der Person von Franz F. die Unschuldsvermutung zu gelten. Wir können ihn erst dann als Bombenleger, als Mitglied einer Attentätergruppe oder als den Attentäter bezeichnen, wenn er von einem österreichischen Gericht rechtskräftig verurteilt ist. Das ist nicht der Fall. Daher ist er einstweilen ein mutmaßlicher Attentäter, ein Verdächtiger.

Zum zweiten: Es ist meiner Ansicht nach bezeichnend – und ich merke das schon auch an, denn ich hätte gerne eine ernsthafte und seriöse Auseinandersetzung gerade auch mit dem geschäftsführenden Klubobmann der freiheitlichen Fraktion beziehungsweise mit deren Parteiobmann geführt –, daß Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, die Vorgangsweise, die Sie auch bei jüngsten Gelegenheiten immer wieder an den Tag gelegt haben, nämlich zuerst so ziemlich das ganze Haus anzuschütten, mit unbegründeten Vorwürfen zu agieren und


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sich dann zu verabschieden, auch heute wieder einmal praktiziert haben. Ich finde das sehr bedauerlich.

Meine Damen und Herren! Nun zu den beiden Punkten, mit denen ich mich im Detail beschäftigen will – ganz wichtig ist mir dabei die Abgrenzung dieser beiden Bereiche voneinander –: einerseits zum konkreten Delikt, der Serie der Brief- und Rohrbombenattentate, der Tötung, der Verletzung, der Bedrohung, der versuchten Einschüchterung von Menschen, und andererseits zur Frage, ob es legitim ist, nach politischen Verantwortungen zu fragen.

Zum ersten, zum Delikt selbst: Mir ist es wichtig – und ich glaube auch, daß das pro futuro für dieses Haus wichtig ist –, peinlich genau zwischen einer politischen und einer kriminellen, einer deliktischen Verantwortung zu unterscheiden. Es ist uns von der grünen Fraktion auch immer dann, wenn wir beispielsweise in Sachen Kurdenmorde oder zu anderen Themen Untersuchungsausschüsse verlangen und begehren, wichtig, von vorneherein festzustellen: Es unterstellt niemand einer Politikerin oder einem Politiker, direkt Delikttäterin oder Delikttäter zu sein, es unterstellt niemand auch nur eine Billigung, ein Gutheißen krimineller Handlungen, und die Frage der politischen Verantwortung ist eine Frage, die nicht von den Polizeibehörden und auch nicht von den ordentlichen Gerichten zu klären ist, sondern eine Frage, die hier im Hohen Haus zu klären ist, was leider allzuoft nicht getan wurde.

Zur Frage des Deliktes selbst: Ich bin doch besorgt beziehungsweise beunruhigt, daß im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Bombenattentäter Franz F. eine ganz merkwürdige Entpolitisierung, teilweise sogar Mystifizierung oder Glorifizierung versucht wird und daß das teilweise auch von sonst kritischen Medien betrieben wird.

So ist zum Beispiel die Rede von einem gewaltigen Denker, von einer Intelligenzbestie, von jemandem mit enormen Fähigkeiten und Kenntnissen. Ich halte es für ganz gefährlich, im Zusammenhang mit einem gemeinen, einem feigen und verabscheuungswürdigen Delikt derartige Worte in den Mund zu nehmen. Ich glaube, das geht nicht an.

Da liegt ein Verbrechen vor, das selbstverständlich von den Behörden mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln aufgeklärt werden muß, und ich hoffe, daß es in Zukunft nicht oder kaum noch Fehlleistungen geben wird und daß diese Deliktserie lückenlos aufgeklärt werden kann. Für Mystifizierungen, für eine Überhöhung dieses Täters gibt es meiner Meinung nach nicht den Funken eines Anlasses, und insbesondere die Polizeibehörden und Vertreter der Polizeibehörden haben sich derartiger Äußerungen zu enthalten. (Abg. Jung: Haben Sie nicht vorhin von der Unschuldsvermutung gesprochen?)

Wenn Sie jetzt so dazwischenrufen, fällt mir ein, daß die unglaublichsten Unterstellungen in diesem Bereich sehr wohl vom jetzt abwesenden Parteiobmann der Freiheitlichen kamen, der – das wurde hier schon zitiert – im Zusammenhang mit den Morden an den Roma irgendwelche Bandenkriege, Fehden und ähnliches unterstellt hat. Das war eine der übelsten Verleumdungen und der übelsten Anschüttungen von Menschen, die sich sicher in einer außerordentlichen Situation persönlichen Schmerzes befunden haben.

Zur Frage der politischen Verantwortung: Diese ist, wie gesagt, von der konkreten Frage des Deliktes zu trennen. Politische Verantwortung heißt nicht kriminelle, strafrechtliche Verantwortung. Daß es aber bei dem in Rede stehenden Delikt um ein politisches Delikt geht, steht außer Zweifel. Es fehlen mir einfach die Worte, wenn Sie angesichts der uns allen vorliegenden Quellen und Beweise, die offenbar von dem oder den Tätern stammen, das wegzuretuschieren versuchen.

Es ist mir wichtig, denn ich komme noch einmal darauf zu sprechen, einige wörtliche Zitate aus den Bekennerbriefen zu bringen. Sie werden sich dann bei den Ausführungen über die politische Verantwortung wundern, wie deutlich manche Parallelen zu erkennen sind.

Es wird im Zusammenhang mit dem verletzten Polizeibeamten von Klagenfurt folgender Satz geschrieben: "Die beiden von uns unabsichtlich geschädigten Herren sollen nach Wien fahren und sich an der Schulter ihrer Tschuschen-Häuptlinge Klestil, Vranitzky, Busek, Mock, Lösch


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nak, Klima, Lacina, Scholten (offensichtlich ein asiatischer Jude mit deutschem Namen), Michalek, Hesoun, Dohnal, Verzetnitsch, Petrovic, Stoisits, Zilk, Weingartner (dunkelhäutig, vermutlich Zigeuner), Krainer und so fort ausweinen."

An anderer Stelle heißt es: "Falls dem von den Juden mit Orden überhäuften Ausländertribun Zilk das Leben zu mühsam wird, schicken wir ihm gerne wieder sieben Gramm Nitroglycerin. Es steht ihm auch gut an, daß er eine Hand verloren hat, denn mit dieser Hand hat er in unsere Sparbücher gegriffen, um Eindringlinge mit Wohnungen zu versorgen und durchzufüttern sowie die Kinder der Wiener Tschuschen in den öffentlichen Dienst zu stopfen."

Oder: In dem Bekennerbrief, der an Landesrat Schimanek gegangen ist, wird, nachdem zuvor – das ist anzumerken – sehr klar auf Namen, auf unterstellte Abstammungen abgestellt wird, dem Landesrat Schimanek, der völlig korrekt – das merke ich an – und entgegen den Empfehlungen des Briefschreibers diesen Brief der Exekutive gegeben hat, empfohlen, ein Täuschungsmanöver gegenüber dem Anwalt Dr. Prader zu inszenieren. Die Frau von Herrn Schimanek solle sich direkt in die Höhle des Löwen, nämlich zu Dr. Prader, wagen, Prader aufsuchen, die verzweifelte Mutter mimen und ihm vorweinen, wie ratlos sie sei, sie möge eine bezahlte Beratung in Anspruch nehmen und von Prader zu erfahren versuchen, welche Strategie er vorschlägt beziehungsweise welche Fehler Dr. Werner seiner Ansicht nach im Zusammenhang mit der Verurteilung von Schimanek junior gemacht hat.

Er empfiehlt Schimanek weiter, anders als den zuvor Genannten, mit der ganzen Familie einen deutschen Namen anzunehmen. Es heißt hier: "Erklären Sie, daß die Leute Sie immer wieder auffordern, den Namen zu buchstabieren, und das sei lästig."

Dann kommt eine Äußerung, in der es heißt: "Hätten unsere Urgroßväter die Ziegelböhmen und Knödelköchinnen bereits an der Grenze niedergeschossen, bliebe den Deutsch-Österreichern das heutige Desaster erspart, sich gegen die Schlagkraft einer Herrenkaste aus Tschuschen wehren zu müssen."

Weiter heißt es: "Man hört schon in der Schule von der Türkenbelagerung im Jahr 1683. Es bedarf keines Anstoßes durch irgend jemanden, um die Analogie zur heutigen Situation zu erkennen, wo wiederum schwarzäugige Leute mit zusammengewachsenen Augenbrauen in den ehemaligen Vorstädten herumschwirren."

Als Letztes steht da: "Finstere Gesichter vom Hauttyp IV aufwärts mit zusammengewachsenen Augenbrauen und hagere Balkanweiber haben sich in den letzten zehn Jahren immer mehr in den Vordergrund geschoben." – Dann kommt wieder eine ähnliche Aufzählung wie die zuerst von mir erwähnte.

Angesichts derartiger Zitate zu sagen, das sei kein politisches Delikt, finde ich eine ganz arge Vernebelung. Das ist selbstverständlich – und selten haben wir es so deutlich, in derart vielen Unterlagen, schwarz auf weiß – die Tat eines ganz offenbar rechtsextrem, faschistisch, faschistoid agierenden Täters. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin fassungslos, wenn man jetzt von diesem Täter in irgendeiner Form ablenken will oder wenn man diese Äußerungen als nie gemacht, als nie abgegeben darstellen will. Dieses Nichthörenwollen und Nichtlesenkönnen halte ich für bedenklich.

Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt, zur politischen Verantwortung, die wohlgemerkt streng vom Delikt zu trennen ist. Vielleicht, das gebe ich durchaus zu, ist diese Abgrenzung nicht immer hinlänglich deutlich erfolgt. Aber ich glaube, wir können und sollen aus dieser Debatte auch Schlüsse für die Zukunft ziehen und diese Trennung ernst nehmen, das Delikt einerseits und die Frage des politischen Klimas anderseits sehr genau auseinanderhalten. Es ist das eine und das andere nicht harmlos.

Wenn der Herr Bundesminister heute gesagt hat, es wurde weder das Täterprofil unterdrückt noch wurde einseitig gefahndet, dann hat das für mich sehr überzeugend geklungen. Ich denke auch, Herr Bundesminister, daß es an Ihnen liegen wird, diese Ihre Aussagen zu untermauern


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beziehungsweise nicht zu dulden, daß aus Ihrem Apparat gegenteilige Äußerungen gemacht werden (Abg. Scheibner: Das ist wieder ein Unter-Druck-Setzen von Sika!), denn das ist sicherlich verwirrend.

Aber wenn Sie diese Frage erneut ansprechen, dann muß ich Ihnen zum politischen Klima folgendes sagen. Wie gesagt, das hat nichts mit dem Delikt zu tun, ich unterstelle niemandem eine strafrechtliche Handlung. Aber es gibt aus dem Munde des freiheitlichen Parteiobmannes selbst ein Zitat, das ich hier wiedergeben möchte. Ich sage dazu, ich habe diesen Film auch persönlich gesehen. Da heißt es – ich zitiere –: "Wir" – O-Ton! – "haben doch nicht die Türkenkriege vor hunderten Jahren erfolgreich geführt, um auf Umwegen hier eine Veränderung herbeizuführen."

Oder – nächstes Zitat –: "Das ist unser Verständnis von der parlamentarischen Demokratie, das ist unser Verständnis von den Menschenrechten, die, bitte, nicht nur für Ausländer gelten. Auch Österreicher sind Menschen und haben einen Anspruch auf Menschenrechte!" – so, als ob es in Österreich geteilte Menschenrechte gäbe. (Zwischenrufe der Abg. Dr. Ofner und Dr. Graf.  – Abg. Scheibner: Was ist daran so schlecht?!) – Diese Zwischenrufe disqualifizieren Sie selbst! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Da frage ich Sie schon, ob Sie darin nicht auch – selbstverständlich mit aller Mäßigung und in aller Behutsamkeit geäußerte – gefährliche politische Parallelen sehen, die sich, wie gesagt, nicht auf die Tat beziehen, wohl aber auf das politische Klima in diesem Lande und auf das Umfeld. (Abg. Scheibner: Ebergassing!)

Wenn wir aus der heutigen Debatte und aus der hoffentlich jetzt rasch folgenden Gesamtaufklärung Konsequenzen ziehen wollen – und ich denke, das sollten wir, damit diese Debatte Sinn macht –, dann müssen wir, wie ich einmal mehr glaube, die Gesetze im Bereich der Integration, im Bereich des Aufenthaltsrechtes und der Arbeit von Fremden überdenken. Ich glaube, daß darin teilweise rechtliche Konsequenzen vorgesehen sind, die überzogen sind, die rechtsstaatlich einfach zu weit gehen. Zum Beispiel erscheint mir der Verlust der Existenz als Folge einer Fristversäumnis als überzogen und für einen Rechtsstaat untragbar.

Ich glaube auch, daß wir mit den verbalen Diskriminierungen aufhören müssen. Ich denke, es geht nicht an, daß Menschen – auch, wenn sie Unrecht gesetzt haben, auch dann, wenn sie zum Beispiel Verwaltungsvorschriften gebrochen haben – mit dem wirklich bösen Sammelbegriff "Illegale" erfaßt werden (Abg. Jung: Ist das nicht die Wahrheit?!) und aller anderen Aspekte ihres Menschseins beraubt werden. Das wäre doch genauso, als würde man jemanden, der ein anderes Gesetz gebrochen hat, einen Falschparker etwa oder meinetwegen auch einen Dieb, als "Illegalen" bezeichnen. Das ist doch eine Verallgemeinerung, eine Vergröberung, die verletzend ist und nicht angeht!

Meiner Ansicht nach bedarf es auch einer besseren Kontrolle des Verhaltens von Beamten. Es wurde schon etwas darüber gesagt. Einerseits denke ich, man soll solche widersprüchlichen Aussagen nicht im Raum stehen lassen und auch keine Glorifizierungen von Tätern aus dem Polizeibereich zulassen. Es ist aber insbesondere auch das Verhalten von anderen Beamten – Stichwort "Schimmelbescheide", Stichwort "EDV-Bescheide", Stichwort "Abschiebungsbescheide im Akkord" – zu überprüfen. Ich denke, um diesem Klima entgegenzuwirken, wäre derartiges wirklich abzustellen. Es sollen auch für die Zukunft keine falschen Signale gesetzt werden, und zwar gerade, wenn es um klimatische Fragen geht. Wie gesagt: 100 Prozent ja zur Vollziehung rechtsstaatlicher, nicht überzogener Gesetze, aber nein zu falschen Signalen, wie etwa einem Containergefängnis in Schwechat.

Eines vielleicht noch als Letztes, als Lehre: So, wie es ganz offenbar Antisemitismus auch ohne oder nahezu ohne Juden gibt, so, wie es Fremdenhaß unabhängig von der Anzahl oder dem Verhalten von Fremden gibt, so haben wir aus dieser Attentatsserie wohl auch politisch die Lehre zu ziehen, daß überscharfe, überzogene Gesetze kein Schutz vor kriminellen Entgleisungen sind. Diese müssen polizeilich, kriminaltechnisch aufgeklärt werden, aber an uns liegt es, politisch, klimatisch die richtigen Signale zu setzen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.06


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88. Sitzung / Seite 54

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

14.06

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wer heute früh die Unrichtigkeiten und die Anwürfe des Herrn Kollegen Stadler hier vernommen hat, der wird verstehen, daß es sehr schwer ist (Abg. Dr. Graf: Heute früh hat er gar nicht gesprochen!)  – doch, als erster Redner! –, in dieser Diskussion eine gewisse Sachlichkeit zu bewahren. Ich werde mich bemühen, mich daran zu halten, und gestehe, daß meine Vorrednerin wesentlich dazu beigetragen hat. (Abg. Haigermoser: Die linke Achse funktioniert!)

Ich habe heute früh einen Artikel von Walter Osztovics gelesen, der sicherlich nicht im Verdacht steht, meiner Partei nahezustehen. Er schreibt in seinem Artikel einen, wie ich meine, sehr treffenden Schlußsatz, der eigentlich viel von dem vorwegnimmt, was heute hier schon gesagt wurde. Der Satz lautet – ich zitiere –: "Fuchs ist offensichtlich kein Neonazi, kein Deutschnationaler, kein Burschenschafter, und war vielleicht nie bei einer FPÖ-Veranstaltung. Aber was er herbeibomben wollte, war ein Österreich, das deutlich näher bei den Vorstellungen von Karl-Heinz Grasser, Hans Achatz und Co. liegt als bei jenen von, sagen wir, Terezija Stoisits." – Dem kann man nicht mehr viel hinzufügen, meine Damen und Herren.

Die Frage, die wir uns heute stellen müssen, lautet nämlich: Was ist der Ursprung dieses politischen Klimas, das in Österreich letztlich etwas entstehen hat lassen, was in Bomben geendet hat? (Abg. Haigermoser: Da bleibt ihm die Kreide im Hals stecken! Er muß die Kreide vorher zerbröseln, er darf keine ganzen Stücke nehmen, die stellen sich im Hals quer, und dann verkutzt er sich hinter dem Rednerpult!)

Herr Kollege! Sie können dazwischenquaken, soviel Sie wollen. Ich bin es gewohnt, daß von Ihrer Seite alles kommt, um eine wirkliche, der Demokratie entsprechende Auseinandersetzung zu unterbinden. Das ist völlig klar! (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Gegenrufe des Abg. Schwemlein. )

Das ist auch in dieser Angelegenheit so, in der wir grundsätzlich einen Fortschritt erzielt haben – ob mit oder ohne Zufall, steht hier nicht zur Debatte –, in der es gelungen ist, letztlich eines Bombenattentäters, der bereits ein Teilgeständnis abgegeben hat, habhaft zu werden. Aber Sie stellen sich hierher und sagen, das ist kein Erfolg. Sie polemisieren dagegen, und wir nehmen zur Kenntnis, daß Sie grundsätzlich jeden Fortschritt in diesem Land negativ betrachten und dagegen sind, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage, die sich für mich stellt, ist nur: Was steckt hinter dieser ganzen Aufregung und Aufgeregtheit, hinter dieser unnötigen Pressekonferenz, in der Sie vom "Sozialisten Fuchs" gesprochen haben? – Das ist ja völlig obskur!

Stellen Sie sich vor, wie es sich etwa anhören würde, wenn ich das einmal auf Ihre Seite ummünzen würde, auf den Herrn Westenthaler zum Beispiel, der erwiesenermaßen auch aus einem sozialdemokratischen Haus kommt (Abg. Jung: Viele Sozialdemokraten sind lernfähig , das sehen Sie bei den Wahlen!) , der sogar seinen Namen geändert hat, damit er sich davon distanziert. Ich muß sagen, ich verstehe Ihre Argumentation nicht. Ich verstehe nicht, warum Sie jetzt plötzlich auf das Elternhaus zurückgreifen, das die Grundlage dafür sein soll, daß ein Sozialist in dieser Art und Weise aktiv geworden ist. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Graf: Ursache!) Das ist ein derart niedriges Niveau einer Argumentation, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, daß es einfach skandalös ist! Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Da wird sich der Fritzi Hochmair schön bedanken!)

Meine Damen und Herren von der "F"! Der Grund dafür ist mir schon klar: Im Zuge all dieser Fahndungen, im Rahmen dieser Erhebungen ist nämlich eine nicht unerhebliche Zahl von radikalen Tätern zutage getreten, die durchaus Ihrer Reichshälfte zuzuordnen sind. Ich denke da


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zum Beispiel an den Herrn Schimanek, einen Landtagsabgeordneten, der in Stellungnahmen betreffend seinen Sohn, der erhebliches kriminelles Potential geoffenbart hat, ein Gesetz in Verfassungsrang in Frage gestellt hat (Abg. Dr. Graf: Wie oft werden diese Gesetze von euch geändert?!) , ohne daß von Ihrer Seite irgendeine Reaktion erfolgt ist. – Sie sagen: "Da können wir nichts dafür! Wiederbetätigung ist vielleicht eh nicht so arg, vielleicht sollten wir doch darüber reden. Das Gesetz ist ja nicht unseres." – Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Das ist ein Skandal, und Sie graben damit an den demokratischen Fundamenten dieses Staates! (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Jung: Vielleicht ein paar Worte zu Ebergassing!)

Sie sollten sich vielleicht noch eines vor Augen halten: Dieses gewisse Klima, das damit geschaffen worden ist, das haben Sie erzeugt! Ich darf Ihnen dazu noch ein paar Äußerungen zitieren, die ausschließlich von Ihrer Seite stammen. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Haider in der "Neuen Zeit" vom 13. Jänner 1988 – ich zitiere –: Ich finde es beschämend, daß 180 000 Arbeitslose gemeldet sind und noch immer 140 000 Gastarbeiter im Land sind.

Sagen Sie mir bloß nicht, daß das nicht zu dem Klima beiträgt, das letztlich Ursache für die Bombenattentate war!

Oder: Zum Demokratieverständnis der FPÖ wird Herr Haider im Jahr 1991 wie folgt in "Basta" zitiert: Wer sich von der politischen Linie ... (Abg. Haigermoser: Adrenalinspiegel senken! Herunter mit dem Adrenalin! Ich warte auf einen inhaltlichen Beitrag!)  – Hören Sie mir ein bisserl zu, Herr Kollege, und nehmen Sie es auf! Vielleicht kommen Sie dann irgendwann einmal doch zu einer anderen Denkweise, was ich zwar bezweifle, aber es wäre sicher positiv, und es wäre demokratiehygienisch notwendig.

Zitat Haider 1991: Wer sich von der politischen Linie absentiert, muß gehen, meine Damen und Herren. Da muß man Härte zeigen. Ich erwarte auch von keinem, daß er mir die Hand reicht, wenn ich unten liege, meine Damen und Herren. – Zitatende. Das hat Parteiobmann Haider gesagt. (Abg. Haigermoser: Der böse Wolf kommt auch gleich!)

Und weiter heißt es hier: Wenn wir Freiheitliche mehr zu sagen haben, dann werden wir dafür sorgen, daß nicht mehr soviel gelogen wird in den Redaktionsstuben. Ich werde ein einheitliches Erscheinungsbild in der ganzen Partei durchsetzen. Das ist eine Führungsaufgabe, die noch zu erledigen ist. – Zitat Haider, 9. September 1991.

Das ist ein Klima Marke Haider, meine Damen und Herren! Mich wundert, daß Sie sich gefallen lassen, daß jemand sagt, er hätte eine Führungsaufgabe zu erledigen. Das wundert mich. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Oder: Haider, 7. Oktober 1984: Die heutige Form des Zusammenlebens ist denaturiert. (Abg. Haigermoser: Jetzt schwimmt er weg!) – Meine Damen und Herren von der FPÖ! Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß das das Klima ist, das Sie seit dem Jahre 1984 aufgebaut haben! Und Sie wollen sich jetzt hier herstellen und erklären, ein Sozialist hätte die Attentate verbrochen? – Das ist eine völlig obskure Argumentation. Das glaubt ja auch niemand. Nicht von ungefähr haben sich ja bei der Pressekonferenz des Herrn Kollegen Stadler sogar die Journalisten vor Lachen gebogen. Mich wundert, daß er sich dem überhaupt aussetzt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme zum Schluß. Bemerkenswert waren – und das habe ich eigentlich in dieser Diskussion seitens der Freiheitlichen Partei bis jetzt noch nicht vernommen – die heutigen Ausfälle des Herrn Kollegen Stadler gegen den Obersten Gerichtshof. Er hat nämlich erklärt, daß im Rahmen einer politischen Kampagne – gemeint ist wahrscheinlich eine parteipolitische Kampagne – ein Urteil durch den Obersten Gerichtshof erwirkt wurde, in dem festgestellt wird, daß man auch weiterhin zu Haider sagen kann, daß er der Ziehvater des rechtsextremen Terrorismus ist. – Meine Damen und Herren! Das sagt der OGH nicht zu Unrecht, und dabei soll


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88. Sitzung / Seite 56

es auch bleiben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Und Sie sind der Ziehvater des linksextremen Terrorismus!)

14.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.13

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jarolim! Darf ich Ihnen die Frage stellen, was die Freunde von Herrn Minister Einem, die Kollegen Thaler und Konicek, herbeibomben wollten? Herr Kollege Jarolim! Wie lautet die Antwort auf diese Frage? Was wollten Thaler und Konicek herbeibomben? Wie wäre die Einordnung dieser Tat erfolgt?

Wie die Zuordnung dieses Attentats erfolgt wäre, das haben ja sowohl der ZiB-Kommentar des Kollegen Kössler als auch viele andere politische Reaktionen gezeigt, allerdings bevor bekannt wurde, daß sich die Täter dort selbst in die Luft gesprengt haben. Damals hat man also durchaus versucht, einem erfolgten, einem versuchten Attentat eine politische Richtung zu geben (Abg. Dr. Jarolim: Was ist die Ursache?!) , der es nie zuzurechnen gewesen ist, wie die dort liegenden Toten gezeigt haben, Herr Kollege Jarolim. – Das nur einmal vorweg zur Einordnung von Attentaten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich gebe jenen recht, die jetzt in Aussendungen fordern, man soll das alles nicht parteipolitisch mißbrauchen. (Abg. Dr. Nowotny: Sagen Sie das dem Stadler!) Sie fordern das völlig zu Recht, Kollege Keppelmüller! Aber seit die erste Briefbombe im Dezember 1993 detonierte, haben immer wieder Vertreter von drei in diesem Land agierenden Parteien versucht, das zu tun. Immer wieder haben Sie versucht, daraus parteipolitisches Kapital zu schlagen.

Ich erinnere nur an die Trauersitzung vom 8. Februar 1995, als der Bombenterror durch den Anschlag von Oberwart eine neue Qualität bekommen hat. Wieder waren es Vertreter dieser drei Parteien, die damals versucht haben, parteipolitisches Kapital daraus zu schlagen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Reden des Kollegen Voggenhuber und der Kollegin Petrovic. (Zwischenruf des Abg. Dr. Keppelmüller. )

Kollege Keppelmüller! Es hat damals zwei freiheitliche Redner gegeben, die folgendes gesagt haben: Erstens – ich zitiere –: Ich halte es daher für falsch, wenn via Pressedienst und Zeitungserklärungen der eine oder andere auch aus der Politik versucht hat, seine voreiligen Schlüsse zu ziehen oder seine politische Abrechnung zu gestalten. – Zitat Jörg Haider. (Abg. Dr. Keppelmüller: Ich verstehe überhaupt nicht, daß du heute hier hinausgehst und redest!)

Zweitens – ich zitiere –: Meine Damen und Herren! Ich appelliere an alle Berichterstatter der Medien, an alle Kollegen in allen politischen Parteien, an alle Meinungsbildner, die sich jetzt in der Öffentlichkeit zu Wort melden: Bitte, hüten wir uns davor, unschuldige Opfer von Wahnsinnstaten für diverse politische Zielsetzungen zu instrumentalisieren! – Wer hat das gesagt, Kollege Keppelmüller? – Das war der Schlußappell meiner eigenen Rede. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben damals wirklich versucht, dieses Attentat aus der parteipolitischen Auseinandersetzung herauszuhalten, und dabei hätte es auch bleiben sollen. Aber, meine Damen und Herren, wie war es denn dann? – Es hat ja konzertierte Kampagnen gegeben! Ich erinnere nur an die konzertierte Kampagne im Europäischen Parlament, als man schon wenige Tage nach dem Attentat von Oberwart versucht hat, unseren Parteiobmann Jörg Haider in einen direkten Zusammenhang mit den Attentaten von Oberwart zu bringen. Das waren doch Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, mit Ihren Kollegen im Europäischen Parlament! Sie waren das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und es ist Ihnen noch ein zweites Mal gelungen, uns anzuschwärzen und sogar eine diesbezügliche Abstimmung im Europäischen Parlament zu gewinnen, und zwar mit dem Oostlander-Bericht. Dabei war wieder die SPÖ federführend, unterstützt von den Grünen im Euro


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päischen Parlament. Sie haben die Opfer parteipolitisch instrumentalisiert, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es geht noch weiter. Auf der Basis eines Erlasses von Herrn Scholten, der ja nicht mehr in der Politik ist – manche meinen: Gott sei Dank –, wurde diese parteipolitische Instrumentalisierung ja sogar bis in die Schulen hineingetragen. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.) Auf der Basis eines Erlasses durfte ja sogar ein derzeit von den Behörden gesuchter Mann namens Purtscheller an unseren Schulen unterrichten. Ich habe einmal gemeinsam mit Frau Kollegin Stoisits das "Vergnügen" gehabt, mir persönlich anzuhören, wie er versucht hat, im Rahmen der politischen Bildung die Verantwortung für die Attentate den Freiheitlichen in die Schuhe zu schieben.

Scholten hat einen Erlaß für den parteipolitischen Mißbrauch des Unterrichtes an unseren Schulen herausgegeben! – Wenn es gegen die Freiheitlichen geht, dann ist euch jedes Mittel recht, weil ihr sonst die Wählerstimmen verliert, meine lieben Freunde von der SPÖ! Darum geht es doch in Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wolfgang Purtscheller hat gemeinsam mit Sozialisten und Abgeordneten der Grünen im Unterricht eindeutig Stimmung gegen die Freiheitlichen gemacht und diese Attentate, diesen Bombenterror parteipolitisch schändlichst mißbraucht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Peinlich!)

Übrigens: Kollegin Stoisits hat sich dann, als sie gemerkt hat, daß Wolfgang Purtscheller offensichtlich irgend etwas mit Ebergassing am Hut hat, schön langsam von ihm distanziert. Aber die Dringliche Anfrage, die damals im Rahmen der Trauersitzung am 8. Februar 1995 eingebracht wurde, umfaßte noch immer 20 gezielte Fragen im Interesse des Wolfgang Purtscheller. Ich glaube, die hat er damals im Klub der Grünen selbst geschrieben, meine Damen und Herren. (Abg. Mag. Stadler : Das brauchst du nicht nur zu glauben! Er hat!)

Diese Dringliche Anfrage zeigt doch, daß zwischen dem Klub der Grünen und Wolfgang Purtscheller, der im Verdacht steht, wirklich etwas mit dem Bombenterror in diesem Lande zu tun zu haben, sehr gute Verbindungen bestanden haben. Das ist ein Faktum. Damit ist klargestellt: Politischer Mißbrauch mit diesen Bombenattentaten wird immer wieder von der SPÖ und von den Grünen betrieben, meine Damen und Herren! Das ist ein Faktum. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Karli! Was ist mit den Friedhofsschändern?!)

Klaus Kufner ist auch keiner, der bei uns ein- und ausgegangen ist. Klaus Kufner ist in anderen Klubs dieses Hauses ein- und ausgegangen – sicherlich nicht bei der ÖVP und ganz sicherlich nicht bei den Freiheitlichen, aber in anderen Klubs, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Kollege Wabl! Als Einem Innenminister wurde, entstand sehr rasch der Eindruck, daß die Behörden immer dann in ihren Ermittlungen behindert wurden, wenn sie eine neue Ermittlungsrichtung einschlagen wollten.

Dafür sprechen auch mehrere heute schon zitierte Aussagen Sikas. Es wurde offensichtlich, daß die Ermittler unter Einem ständig unter politischem Druck standen. Das wird heute in einem Interview in "NEWS" noch einmal wiederholt. (Abg. Koppler: Also ist alles richtig, was "NEWS" schreibt?) Es war nicht erwünscht, daß man darüber nachdachte – und jetzt paߒ gut auf, damit du es verstehst! –, ob es auch Verbrechen gibt, deren Hauptzweck es ist, andere in Verdacht zu bringen. Darüber sollten Sie, meine Damen und Herren da drüben, einmal nachdenken, wenn Sie die geistige Kapazität dazu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Keppelmüller. ) Trotz Ebergassing!

Bis heute konnte Einem nämlich die Vorwürfe nicht entkräften, daß er mit seiner direkten Einflußnahme bewußt manipuliert hat, daß er Druck auf politisch Andersdenkende ausgeübt hat und daß er gemeinsam mit dem Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes, dubiosen Journalisten wie Kufner und Purtscheller, "TATblatt"-Schreibern und einigen Mitglie


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88. Sitzung / Seite 58

dern dieses Hauses versucht hat, den Bombenterror gegen uns Freiheitliche zu instrumentalisieren – dem Zufall sei Dank ohne Erfolg! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Platter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haigermoser: Keppelmüller, du hast heute deinem Namen alle Ehre gemacht! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Herr Abgeordneter! Bitte beginnen Sie, man wird Sie reden lassen! Ich werde dafür sorgen.

14.21

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Danke schön. – Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, die Debatte etwas ruhiger zu führen. Ich glaube, es tut der gesamten Debatte sehr gut, wenn man versucht, wieder auf die sachliche Ebene zurückzukommen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Die Bürger unseres Landes wurden durch den Briefbombenterror in den letzten Jahren zweifellos in Atem gehalten. Frauen und Männer wurden Opfer dieser schrecklichen Attentate. Wir mußten Tote und Schwerverletzte beklagen. Bei diesem Briefbombenterror handelt es sich wohl um die größte, schrecklichste Kriminaltat, die wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben.

Meine Damen und Herren! Nun konnte von den Exekutivbeamten der mutmaßliche Täter gefaßt werden. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, aber derzeit deutet alles darauf hin, daß es sich um einen Einzeltäter handelt. Die Bürger unseres Landes sind zweifellos froh darüber, daß die Exekutivbeamten bei dieser schwierigen Fahndungsmaßnahme Erfolg hatten. Ich möchte als Bundesexekutivbetreuer der ÖVP den Kriminalisten und allen, die mit der Aufklärung dieses Verbrechens zu tun hatten, danken und ihnen meine Gratulation zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich hoffe, daß durch diesen Fahndungserfolg wieder Ruhe in unser Land einkehren wird.

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich die Causa Briefbombenterror aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten, und zwar zum einen aus der kriminalpolizeilichen Sicht, aus der Sicht der Exekutive, und zum anderen aus der politischen Sicht.

Zur kriminalpolitischen Bewertung: Ich bin zutiefst der Überzeugung und weiß, daß die Exekutive einen besonderen Ehrgeiz hatte, diesen Briefbombenterror aufzuklären. Die Aufklärung einer solchen Straftat ohne entsprechende Instrumente für die Exekutive, ohne moderne Ermittlungsmethoden ist eine äußerst schwierige Angelegenheit. Gerade bei einer so schwierigen Thematik, bei der viele Emotionen vorhanden sind, soll man auf dem Boden der Sachlichkeit bleiben. Ich glaube aber, daß die Wahrscheinlichkeit einer früheren Aufklärung dieses Briefbombenterrors höher gewesen wäre, wenn der Exekutive die notwendigen Instrumente, die modernen Ermittlungsmethoden, früher zur Verfügung gestellt worden wären. (Beifall bei der ÖVP.)

Altbürgermeister Zilk aus Wien, Opfer dieses Terrors, hat meine jetzt getroffene Aussage betreffend die Anwendung von modernen Ermittlungsmethoden wesentlich schärfer formuliert. Er war immer ein Verfechter der Rasterfahndung. Und gerade den Aussagen des mutmaßlichen Täters ist zu entnehmen, daß dieser geglaubt hat, durch die Rasterfahndung ertappt worden zu sein.

Allein durch die Tatsache, meine Damen und Herren, daß die Rasterfahndung seit 1. Oktober möglich ist, wurde der mutmaßliche Täter nervös, machte durch seine Nervosität Fehler und konnte festgenommen werden. Daher hat die Rasterfahndung, welche die ÖVP schon lange gefordert hat, dazu beigetragen, daß es zu diesem Erfolg gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin sehr froh darüber, daß bei solch schwerwiegenden Straftaten nun zum Schutze der Bevölkerung unseres Landes gerastert werden kann.


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Meine Damen und Herren! Wenn man auf die emotionalen Debatten der verschiedenen Parteien während der letzten Jahre in diesem Haus zurückblickt und, um politisches Kleingeld zu machen, überlegt, welcher Ideologie der oder die Täter angehören könnten, dann muß ich sagen: Das ist unglaublich und daher entbehrlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Arbeit der Exekutive in dieser Causa wurde durch die Politik sehr erschwert. Diese permanente Einmischung der Politik, vor allem der Parteipolitik der Opposition – ich nehme dabei vielleicht das Liberale Forum aus –, war mit Sicherheit eine Unart, die ich scharf kritisieren möchte. Diese Einmischung war der Aufklärung der Straftat sicherlich nicht dienlich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Wer hat den Sika unterdrückt?)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang bin ich sehr froh darüber, daß es sich bei dem mutmaßlichen Täter höchstwahrscheinlich um einen Einzeltäter handelt, der psychisch zweifellos Probleme hat. Ich bin im Interesse der Sicherheit unseres Landes sehr froh darüber, daß der mutmaßliche Täter nicht irgendeiner politischen Gruppierung angehört. Durch die Einzeltäterschaft ist gewährleistet, daß sich dieser Briefbombenterror nicht mehr wiederholen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu ein Appell, der mir ganz besonders wichtig ist: Habt Vertrauen zur Exekutive und erschwert nicht die ohnehin schwierige Aufgabe unserer Sicherheitsorgane! (Beifall bei der ÖVP.) Das gilt auch für Sie, sehr verehrter Herr Stadler: Habt Vertrauen zu den Exekutivbeamten! (Abg. Mag. Stadler: Das war der Einem! Herr Einem war das, und das ist kein Freiheitlicher! – Abg. Dr. Khol  – zu Abg. Mag. Stadler –: Er ist euer bester Bundesgenosse!)

Meine Damen und Herren! Nun zur politischen Bewertung dieser Situation. Aufgrund der heutigen Debatte sehe ich mich veranlaßt, eine politische Bewertung abzugeben. Hier im Hohen Haus findet heute ein Schlagabtausch statt, der für mich und sicherlich auch für die Bürger unseres Landes nicht mehr nachvollziehbar ist und zweifellos großes Unverständnis hervorrufen wird. Es wird von einigen Fraktionen dieses Hauses mit aller Gewalt versucht, den mutmaßlichen Täter in eine bestimmte Ideologie einzuordnen. Dafür hat man mit Sicherheit kein Verständnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Chefredakteur der "Tiroler Tageszeitung", Claus Reitan, hat heute einen Kommentar geschrieben mit der Überschrift "Schädliche Wortgefechte". Ich möchte daraus einige Zitate entnehmen, Herr Kollege Stadler. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Ich komme auf den Kollegen Stadler auch noch zu sprechen. (Abg. Haigermoser: Das hat er sich auch nicht verdient!) Bitte, Sie müssen zuhören!

Claus Reitan schreibt also unter dem Titel "Schädliche Wortgefechte": "Gerade so, als hätten die Briefbomben nicht schon genug Schaden angerichtet, hagelt es nun übermäßig harte Worte und politische Schuldzuweisungen. Sie kommen samt und sonders zur falschen Zeit." (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )  – Ich weiß, daß Sie dadurch nervös werden, mein lieber Kollege.

Und weiter heißt es: "Es wären nicht die Grünen, würden sie nicht kritiklos mit der Bezeichnung ,rechts‘ um sich werfen. Und auch die Freiheitlichen wären kaum das, was sie so zweifelhaft macht, würden sie nicht mit dem Etikett ,links‘ als Aufkleber durch die Lande ziehen.

Konkret: Ewald Stadler zieht unbekümmert und noch lange vor den Fachleuten und einem Abschluß ihrer kriminalpolizeilichen Tätigkeit eine erste politische Bilanz des Bombenterrors. Sein verblüffendes Ergebnis" – so schreibt Claus Reitan von der "Tiroler Tageszeitung" –: "Der Terror habe samt und sonders eine linke Prägung, sei sozusagen sozialistisch. Das ist vorerst unbewiesen und bleibt daher eine Ungeheuerlichkeit."

"Ähnlich überzogen wie Stadler äußerte sich auch die grüne Abgeordnete Terezija Stoisits. Sie spricht anläßlich der Briefbombenserie von einer mörderischen Spielart des Rechtsextremismus. Als eine von Attentaten bedrohte Politikerin mag ihr eine besondere Empfindsamkeit zugestanden werden. Aber das Problem liegt gleich wie bei Stadler, nämlich Terror anhand


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eines Rechts-links-Spektrums nach Parlamentsparteien zuzuordnen. So also den kurzen Weg zu nehmen von den Rechten über die Extremen bis zu den Terroristen."

Abschließend schreibt Claus Reitan: "Alle Beteiligten werden gut beraten sein, diese schädlichen Wortgefechte einzustellen."

Diesem Kommentar kann ich vollinhaltlich zustimmen. Wir von der ÖVP nehmen an solch einem Schlagabtausch mit Sicherheit nicht teil! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schaffenrath: Ist der Kiss ausgenommen? Gehört Kiss nicht zur ÖVP?)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen uns nicht darüber zu wundern, daß die Politik, die Parteien und die Parlamentarier in der Achtung der Bevölkerung immer weiter sinken, wenn man sich bei einer so positiven Angelegenheit wie der, daß der mutmaßliche Täter, der ganz Österreich in Furcht und Unruhe versetzt hat, gefaßt ist und man noch dazu weiß, daß es sich vermutlich um einen geistig gefährdeten Einzeltäter handelt, wenn man sich bei einem so erfreulichen Fahndungserfolg solche Wortgefechte liefert, wie das heute der Fall ist. Diese heutige Debatte hat unser Haus mit Sicherheit nicht verdient!

Mein Kommentar dazu: Ich freue mich, daß der mutmaßliche Täter gefaßt wurde, und ich gratuliere der Exekutive zu diesem Erfolg. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

14.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte.

14.31

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Hohen Haus ganz kurz erklären, wieso ich während der Rede des Herrn Abgeordneten Stadler mit dem Sicherheitsdirektor und dem Leiter der Staatspolizei hinausgegangen bin. Das war keine Unhöflichkeit gegenüber dem Kollegen Stadler, sondern erfolgte aufgrund der Tatsache, daß ich die Nachricht bekommen habe, daß möglicherweises eine neue Briefbombe aufgetaucht ist. Aber es hat sich zum Glück jetzt herausgestellt, daß es eine Attrappe war. Es war allerdings eine sehr gut gemachte Attrappe, weil einige Dinge enthalten waren, die die Briefbomben normalerweise zum Inhalt haben, nur zum Glück kein Sprengstoff. Es hat daher längere Zeit gedauert, um zweifelsfrei festzustellen, daß es eine Attrappe ist.

Genau das bewegt mich, an dieser Stelle nochmals an Sie alle und an die österreichische Bevölkerung zu appellieren, nicht zu glauben, daß der Terror mit der Verhaftung des Herrn Fuchs endgültig zu Ende ist. Es ist nicht auszuschließen, daß dieser Mann mögliche Mittäter hat. Und solange das der Fall ist, gilt die Warnung, daß es unter Umständen in der einen oder anderen Form Bomben geben könnte. Und ich kann auch nicht ausschließen, daß es in der einen oder anderen Form Nachahmungstäter gibt.

Daher mein klarer Appell, jetzt nicht in die Illusion zu verfallen, daß der Fall restlos aufgeklärt sei. Das ist er leider noch nicht. Wir wissen bereits sehr viele Dinge, aber es gibt doch noch einiges, das ungeklärt ist. Darum ist auch nach wie vor die These aufrecht, daß Herr Fuchs der alleinige Täter sein kann, es aber genausogut einen zweiten Täter oder möglicherweise eine kleine Gruppe von Tätern geben kann. – Das wollte ich dazu sagen.

Ich will zu den Ausführungen der einzelnen Abgeordneten nur ganz kurz Stellung nehmen. Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Stadler versichern, daß es von seiten des Innenministeriums sehr wohl auch eine umfangreiche Dokumentation zum Linksextremismus gibt (Abg. Mag. Stadler: Weil Sie Minister sind! – Abg. Dr. Khol – zu Abg. Mag. Stadler –: Hat es schon früher gegeben! Eine lange Liste!) , daß diese Dokumentation in den letzten Wochen erschienen ist und den Mitgliedern des Innenausschusses in den nächsten Tagen zugesandt wird.

Wichtig ist folgendes – das möchte ich auch sehr klar sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren –: Ich bin nicht einer derjenigen, der behauptet und garantiert, daß wir mit der Raster


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fahndung zum Täter gekommen wären, Herr Abgeordneter Kier. Ich glaube aber und bin davon überzeugt, daß die Rasterfahndung dem oder den Attentätern schon einiges Kopfzerbrechen bereitet und Unruhe hervorgerufen hat. Und ich darf Ihnen auch versichern, daß es keine Datenbestände gibt, die geheim sind, zumindest keine, die ich kenne, und daß wir mit der Rasterfahndung sehr wohl eine berechtigte Chance gehabt hätten, daß dieser Name aufgetaucht wäre, weil wir sehr vieles zueinanderzuführen versucht hätten.

Was sehr wichtig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir haben eine wissenschaftliche Methode gefunden, mit der wir das Gebiet ziemlich stark eingrenzen konnten. Diese Methode muß in der nächsten Zeit ohnehin bekanntgegeben werden. Sie hat dazu geführt, daß man das Gebiet im wesentlichen auf sieben Verwaltungsbezirke Österreichs einschränken konnte. Und wenn wir die männlichen Bewohner dieser sieben Verwaltungsbezirke Österreichs mit der entsprechenden beruflichen Ausbildung, das heißt begonnenes oder abgeschlossenes Studium in Chemie, Mathematik oder Physik, verbunden hätten, wenn wir unter Umständen noch damit verbunden hätten: Männer, die alleine in einem Haushalt leben – wobei ich mir nicht sicher bin, ob das in diesem Fall gegriffen hätte oder nicht –, wenn wir das noch mit anderen Daten – ich könnte jetzt einiges aufzählen, jedenfalls alles Daten, die rechtlich zugänglich sind, alles Daten, die öffentlich zugänglich sind, alles Daten, die nicht über politische, gesundheitliche oder andere Orientierungen Auskunft geben – verbunden hätten, dann wären wahrscheinlich einige wenige hundert Leute übriggeblieben. Ob wir dann zum Täter gekommen wären, weiß ich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, daß der Name aufgetaucht wäre, ist sehr hoch gewesen. Was wir damit anfangen hätten können, ist wieder eine andere Frage. Aber ich glaube, daß das schon sehr einleuchtend ist und man das auch sehr deutlich hervorheben sollte.

Zur Frage der Frau Abgeordneten Petrovic betreffend das Containerdorf – und das ist mein letzter Beitrag; er paßt zwar hier nicht unmittelbar dazu –: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was als Schlagzeile in einer Zeitung steht, muß noch lange nicht das sein, was das Innenministerium beabsichtigt. Wir beabsichtigen an Veränderungen im Bereich der Schubhaft im wesentlichen drei Dinge:

Erstens fordern viele Menschenrechtsorganisationen und auch der Europarat von uns, daß wir Verwaltungshäftlinge von Schubhäftlingen trennen. Darum ist es wichtig, daß wir ein neues, eigenes Gebäude errichten. Das wird natürlich kein Containerdorf sein, sondern ein ordentliches, festes Bauwerk. (Abg. Dr. Khol: Läßt die Firma Rogner bauen!)

Zweitens müssen wir trachten, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir genügend Schubhaftplätze haben. Derzeit ist die Situation gegeben, daß manche Schubhäftlinge kreuz und quer durch Österreich transportiert werden müssen. Das ist ein Nonsens und muß abgestellt werden.

Drittens werden wir auch die Bedingungen für die Schubhäftlinge verbessern. Diesbezüglich gibt es einen Modellversuch aus Oberösterreich mit verschiedenen karitativen Organisationen, den wir mit 1. Jänner 1998 auf ganz Österreich ausdehnen werden. Ich glaube, mit diesen Maßnahmen werden wir dazu beitragen, daß die Schubhaft menschlicher wird, daß sie aber auch gleichzeitig für die österreichische Exekutive effizienter wird.

Daher bitte ich Sie, nicht mehr von einem Containerdorf zu sprechen, weil das wirklich – das sage ich offen und ehrlich – nicht beabsichtigt ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.38

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Eines hat mich jetzt schon verwundert, Herr Bundesminister: Sie haben in Ihrer Rede eingangs gesagt, daß es natürlich auch ein vorläufiger Teilerfolg der angekündigten Rasterfahndung ist, daß Fuchs aufgegriffen beziehungsweise verhaftet werden


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konnte. Wenn ich mich an die Berichterstattung recht erinnere, dann hatte dieser Hinweis mit dem Täterprofil doch überhaupt keinen Zusammenhang. Man hatte nicht Sorge, daß hier ein mutmaßlicher Bombenbauer und Briefbombenverschicker herumfährt, sondern zwei junge Frauen fühlten sich von einem Mann offensichtlich verfolgt. Das heißt, das, was im Täterprofil gestanden ist – und ich glaube, daß das auch sehr wesentlich ist in bezug auf den Vorwurf, den die Freiheitlichen gemacht haben –, hatte mit dieser ganzen Entwicklung in Wahrheit nichts zu tun.

Auch die Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung hätte in diesem Fall überhaupt keine andere Entwicklung hervorgerufen. Insofern ist auch dem Abgeordneten Kiss und dem Abgeordneten Platter zu widersprechen. Sie haben gesagt, es hätte wahrscheinlich schon früher eine Aufklärung gegeben, wenn die Rasterfahndung bereits zur Verfügung gestanden wäre. Aber ich wiederhole: Hätte es das bisherige Täterprofil als Grundlage für eine Rasterfahndung gegeben, dann wäre doch genau die Person des Herrn Fuchs schon aufgrund des Alters herausgefallen. Als Herr Abgeordneter Kier das angemerkt hat, hat es von seiten der ÖVP schon einige Unmutsäußerungen gegeben, wie in etwa: Na ja, nur weil dort gestanden ist: "50 und älter" und weil der Herr Fuchs erst 48 ist, werden Sie doch nicht glauben, daß er herausgefallen wäre.

Und da sind wir genau bei dem Punkt, den die Liberalen in diesem Zusammenhang immer relevieren: Es wird ein Täterprofil erstellt. Dann sagt man: Wir machen einen Raster. Aber so genau nehmen wir es nachher nicht damit, denn der ist vielleicht 50 Jahre oder älter oder vielleicht auch ein bißchen jünger, da nehmen wir dann gleich die 40- oder 45jährigen auch noch dazu. – Und so wird der Kreis ausgeweitet. Das führt dazu, daß massiv in Grundrechte eingegriffen werden kann, sodaß die ÖVP in dieser Situation eigentlich gut beraten wäre, zu sagen: Halt, wir müssen dafür Sorge tragen, daß jene Kautelen, die eingebaut sind, auch ganz, ganz sicher eingehalten werden!

Daß das aber nicht der Fall sein wird, beweist Herr Abgeordneter Kiss in "Dianetischer" Logik immer wieder, denn er ist derjenige, der gesagt hat: Einem hat einen Fehler gemacht, Einem wollte gegen den Apparat arbeiten.

Aber das ist natürlich eigentümlich, denn Herr Bundesminister Einem war nach unserer Verfassung – so habe ich das zumindest noch während meines Studiums gelernt – ein oberstes Organ der Verwaltung, daher konnte Einem nicht gegen den Apparat arbeiten, sondern allenfalls der Apparat gegen Einem. Aber das fällt Herrn Abgeordnetem Kiss gar nicht mehr auf, weil offenbar in diesem Bereich der Polizei ein hohes Maß an Eigenleben besteht – Herr Abgeordneter Kier hat es "ein fröhliches Eigenleben" genannt –, was dann umso traurigere Auswirkungen hat.

Daher wundert es mich, meine Damen und Herren, daß Herr Abgeordneter Kiss am Ende von einer politischen Verantwortung von Bundesminister Einem spricht, aber sagt, wir stützen ihn natürlich. – Das ist ein typisches Problem und eine typische Haltung der ÖVP: Na selbstverständlich ist der Herr Bundesminister verantwortlich, wir können nicht umhin, das auch klar und deutlich aufzuzeigen, aber wir stützen ihn natürlich. – Wenn Bundesminister Einem in diesem Zusammenhang einen Fehler gemacht hat, dann haben Sie auch die Schneid und stehen Sie doch bei jenen Maßnahmen, die die Freiheitlichen fordern, auf! Denn entweder gibt es eine politische Verantwortung, dann muß sie auch eingefordert werden, oder es gibt sie nicht, dann reden Sie auch nicht davon! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es wurde gesagt, daß der Fall nicht für parteipolitisches Taktieren geeignet ist. Das war natürlich primär an die FPÖ gerichtet, aber, Herr Bundesminister, es gilt selbstverständlich für alle Agierenden und es gilt auch für die Sozialdemokraten und für jene, die die Rasterfahndung und den Lauschangriff vorangetrieben haben. Denn – ich sage es noch einmal –: Rasterfahndung beziehungsweise Lauschangriff haben mit der Lösung dieses Falles nichts zu tun, obwohl in der Diskussion um die Einführung dieser Mittel immer wieder die Briefbomben als wesentlicher Grund genannt wurden. Offenbar haben Sie jetzt ja auch einen


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Weg gefunden, auch ohne diese Mittel bereits eine sehr starke Eingrenzung des Täterkreises durchführen zu können.

Daher, meine Damen und Herren, glaube ich, daß gerade in diesem Rahmen primär releviert werden muß, welche politische Dimension hinter dieser ganzen Geschichte steckt. In diesem Zusammenhang gibt es meines Erachtens den sehr negativen Beigeschmack, daß man zu einer politischen Sippenhaftung gefunden hat. Herr Abgeordneter Stadler hat das in seiner bekannt explosiven Art hier beim Rednerpult als erster vorgetragen.

Herr Abgeordneter Stadler! Es bringt aber absolut nichts – Herr Abgeordneter Kier hat das schon gesagt, ich wiederhole es nur –, wenn Sie hier etwa auf die Eltern des mutmaßlichen Bombenlegers rückgreifen. Denn diese Eltern haben sich – und das konnte man in allen Medien nachlesen – vom Verhalten (Abg. Dr. Haider: Wie beim Schimanek! – Abg. Mag. Stadler: Beim Schimanek waren Sie genauso der Meinung ...!) ihres Sohnes von vornherein ganz massiv distanziert. Nein, genau da ist der Unterschied! (Abg. Dr. Haider: Er hat sich distanziert!)

Herr Schimanek hat sich nicht distanziert, sondern gesagt, das Verbotsgesetz ist eigentlich ein ziemliches Unrechtsgesetz. Und genau das ist das Problem (anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler ): Es geht nicht darum – ich habe das auch von diesem Rednerpult aus bei anderer Gelegenheit, etwa, als es um den freiheitlichen Landesrat Schimanek gegangen ist, klargelegt –, daß sich jemand im familiären Bereich von einem anderen distanziert, sondern es geht darum, daß man inhaltlich klare Worte findet, und das vermißt man bei Ihnen immer. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Ich möchte ein Beispiel herausgreifen, das auch durch die Medien gegangen ist. Es geht dabei um den Lauschangriff in Leoben. Meine Damen und Herren! Daß dieser Lauschangriff in Leoben möglich war, sollte eigentlich den Herrn Bundesminister irritieren beziehungsweise sollte zumindest dazu führen, daß man nachfragt und disziplinäre Maßnahmen einleitet. (Abg. Mag. Stadler: Wer hat das aufgezeigt?) Daß die Freiheitlichen von diesem Fall nicht reden, liegt natürlich daran, daß jener Kriminalbeamte, Bezirksinspektor L. – den Namen brauche ich nicht zu nennen, den weiß Herr Abgeordneter Stadler ja längst –, ein AUF-Personalvertreter gewesen ist. Er hat diese Lauschangriff-Maßnahmen getroffen. (Abg. Dr. Haider: Aufgezeigt!) Für dieses Vorgehen gab es keine gesetzliche Grundlage.

Das ist etwas, Herbert Scheibner, was du, wenn du das ernst meinst, wie du das ja immer behauptest, und Herr Abgeordneter Stadler, den man da ja nicht ernst nehmen kann, hier einfordern hättet sollen. (Abg. Mag. Stadler: Wir haben das in unserer Anfrage aufgezeigt!) Die Anfrage des Abgeordneten Ofner reicht in diesem Zusammenhang ja überhaupt nicht. Das wißt ihr auch.

Daher ist es auch eigentümlich, wenn dann ein ÖVP-Abgeordneter hier herauskommt und – beinahe "Helmi"-mäßig – sagt: Habt doch Vertrauen zur Exekutive!

Er weiß ja vielleicht gar nicht, daß in Leoben längst ohne irgendeine gesetzliche Grundlage vom Personalvertreter der AUF – den Freiheitlichen nahestehend – Lauschangriffe gestartet wurden, zum Beispiel mit der Installierung einer Videokamera hinter einer Bühne! Und wissen Sie, wer dort überwacht wurde? – Die freie Christengemeinde, ein ganz harmloses Grüppchen, soviel man bisher weiß. Völlig harmlos, überhaupt nichts dahinter! Aber diese Gruppe mußte im Kongreßzentrum mit einer Videokamera überwacht werden!

Wissen Sie, wie man draufgekommen ist? – Weil Bezirksinspektor L. sie nicht bedienen konnte, er mußte nachfragen. Es klingt ja wirklich grotesk (Abg. Mag. Stadler: Herr Barmüller! Wir haben das aufgezeigt!), wenn es nicht ein Sittenbild dessen wäre, daß offenbar auch im Innenministerium, Herr Abgeordneter Stadler, vieles schiefgeht, ohne daß es releviert wird und ohne daß eine politische Verantwortung eingefordert wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Und das, meine Damen und Herren, möchte ich auch in bezug auf das Täterprofil herausarbeiten. Wenn man im Zusammenhang mit dem Täterprofil sagt, es ist nicht veröffentlicht worden – und das ist ein Problem (Abg. Mag. Stadler: Das ist wirklich ein Problem!)  –, dann


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glaube ich schon – wenn man es auch als einen Fehler in der Ermittlung bezeichnet, das mag dahingestellt sein, das will ich überhaupt nicht beurteilen –, daß ein veröffentlichtes Täterprofil in Buchform, ohne daß das oberste Verwaltungsorgan darüber Bescheid weiß, weil einfach ein in anderen Bereichen durchaus verdienter Mann auf der Ebene darunter ein Eigenleben entwickelt hat, das offenbar politisch nicht akkordiert war oder er nicht die Erlaubnis dazu gehabt hat, sehr bedenklich ist. Es kann ja nicht so sein, daß man vielleicht auch in Zukunft sagen wird: Na ja, die betreffenden Beamten haben schon 13 Minister überlebt. – Man könnte es nämlich auch umdrehen, man könnte dann irgendwann einmal auf die Idee kommen, zu denken, daß bei uns die Minister die Beamten nicht überleben.

Meine Damen und Herren! Wenn man zu diesem Schluß kommt, dann ist wohl auch offenkundig, daß es in diesem Zusammenhang ein intensives Eigenleben gibt. Herr Abgeordneter Stadler, der heute hier sehr glaubwürdig und offenbar sehr betroffen darüber war, daß viele unschuldige Menschen im Rahmen solch notwendiger Ermittlungsmaßnahmen ins Netz der Exekutive kommen, hat überhaupt nicht beachtet, daß er es war, der vehement Rasterfahndung und Lauschangriff gefordert hat. (Abg. Mag. Stadler: Ich stehe auch dazu!) Natürlich! Das ist ja genau dieser Widerspruch (Abg. Mag. Stadler: Natürlich stehe ich dazu!), der beim Kollegen Stadler von einer Rede zur anderen entstehen kann und mittlerweile sogar innerhalb einer Debatte! (Abg. Mag. Stadler: Das war das DÖW!) Diese Entwicklung beim Abgeordneten Stadler ist wirklich bedenklich! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Das war das Ihnen nahestehende DÖW!)

Noch einmal: Kümmern Sie sich um den Fall in Leoben. Ich glaube, das muß wirklich aufgegriffen werden.

Ich möchte vor allem Herrn Abgeordneten Schweitzer noch auf folgendes aufmerksam machen: Er ist überhaupt nicht bereit, anzuerkennen, daß es auch eine Mitverantwortung für ein politisches Klima in einem Land gibt. Das hat nichts damit zu tun, was wer konkret tut, sondern es geht darum, welchen Spielraum politischer Maßnahmen man in einem politischen Klima erlaubt. Und als der Herr Bundesminister – der natürlich diesen Fall jetzt auch versucht zu verwerten – im Rahmen seiner Ausführungen sagte, politisch motivierte Gewalt hätte in unserer Republik keine Chance, niemandem werde es gelingen, an den Grundfesten unserer Demokratie und Republik zu rütteln, hätte ich mir erwartet, daß auch von seiten der FPÖ applaudiert wird – was jedoch nicht geschehen ist. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Schwemlein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.48

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! (Abg. Böhacker: Frau Bundesminister!) Frau Bundesministerin! – Entschuldigen Sie vielmals! – Danke, das war der erste kluge Zwischenruf, den ich von dir gehört habe. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das war der erste Zwischenruf, den er intellektuell verstanden hat!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein großes Problem, das ich in dieser heutigen Diskussion orte, besteht darin, daß sie im wesentlichen eigentlich nur für die Ohren in diesem Haus bestimmt ist; in erster Linie deshalb, weil all jene, die anwesend sind – vor allem die Damen und Herren auf der Zuschauertribüne –, mitverfolgen können, welche Positionen hier vertreten werden. Und man könnte sehr leicht dem Eindruck erliegen, eigentlich meinen es doch alle gut. Eigentlich haben quer durch alle Parteien die jeweiligen Redner gesagt: Machen wir aus dieser mißlichen Affäre, aus diesem traurigen Kapitel österreichischer Kriminalgeschichte kein politisches Körberlgeld. – Das ist grundsätzlich richtig, das sollte man nicht tun.

Gleichzeitig lade ich alle ein, sich zum einen ein bißchen in Erinnerung zu rufen, was trotzdem immer wieder hier herinnen gefallen ist, und zum zweiten, daß es klarerweise für so viele der Zuhörer schwer möglich ist, zu verifizieren, ob das, was heute hier an diesem Rednerpult gesagt wurde, ernst gemeint war beziehungsweise auch gestimmt hat.


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Ich denke da zum Beispiel an die Ausführungen des Kollegen Schweitzer. Ich habe leider nicht die Zeit, das im Detail darzustellen, aber der Redebeitrag des Kollegen Schweitzer ist Welten davon entfernt (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler – Herr Kollege Stadler, Sie können das gerne nachlesen –, was im "Standard" vom 24. August 1996 steht.

Ich gehe davon aus, daß es Absicht vom Kollegen Schweitzer war, hier von diesem Rednerpult aus die damalige Situation im Burgenland bewußt falsch darzustellen. Ich gehe einfach einmal davon aus, denn alleine die Tatsache, die Urteilsfindung im Jahre 1996, beweist das Gegenteil. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wir hörten – ich wiederhole es noch einmal – von allen Seiten: Man kann doch nicht die Eltern dafür verantwortlich machen, was ein Kind letztlich in Taten umsetzt. Gleichzeitig geht aber der Kollege Stadler her und sagt: Die Bombenserie wurde in der Vergangenheit fälschlich als Rechtsextremismus dargestellt; Tatsache ist aber, daß sie ein Beispiel, ein Ergebnis der linken Terrorszene ist.

Meine Damen und Herren! Wir sollten uns hier bewußt machen, daß auf der einen Seite richtigerweise gesagt wird, es kann keine Sippenhaftung erfolgen, während im gleichen Atemzug selbige geradezu eingefordert wird. Das ist genau der falsche Weg, das ist genau die Form von Populismus und Verdrehung, die in diesem Haus ständig passiert, die uns allen aber nicht gut tut! Das ist das Faktum. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Gehen wir von weiteren Dingen aus. Kollege Stadler meinte in seiner heftigen Art – und derartiges ist leicht und schnell gesagt –, daß Entschuldigungen fällig wären. – Möglicherweise. Nur: Würden wir umgekehrt vom Kollegen Stadler Entschuldigungen einfordern für all das, was er bereits hier gesagt hat, dann würde er die Redezeit eines gesamten Tages nur für sich alleine in Anspruch nehmen. Das geschieht aber auch nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Was mich am Fortlauf dieser Debatte noch sehr stört, ist die Doppelzüngigkeit, die so mancher, die so manche in diesem Hause pflegt. Ich zitiere aus den "Kärntner Nachrichten" vom 27. Juli 1995. Herr Dr. Haider – befragt zur Briefbombenaffäre – meinte: Ich vermute nach wie vor, daß der serbische Geheimdienst seine Finger im Spiel hat. Österreich war immer der Feind der Serben, und daher muß es destabilisiert werden. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Damit hilft man auch den Linken in Österreich, an der Macht zu bleiben, indem man den rechten Freiheitlichen die Bomben in die Schuhe schiebt. – Hinterfragen wir nun einmal diese Antwort des Kollegen Haider. Sie ist im Prinzip nichts anderes als die schon von mehreren Vorrednern dargestellte Situation, von der sich im wesentlichen der überwiegende Teil des Hauses distanziert; die Freiheitlichen hingegen nicht.

Ich nenne nur etwa das Beispiel der Familie Schimanek. Ich glaube, daß jeder einen Fehler gemacht hat, der behauptet hat, daß der Vater gemäß einem Sippenhaftungsdenken die volle Verantwortung für seinen Sohn zu tragen hat. Das ist falsch. Es sind sehr viele Väter hier, ich habe auch zwei Söhne. Jeder von uns, jeder Erziehungsberechtigte versucht zwar, seinem Kind die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu bieten, aber keiner weiß, wann ein Kind ausklinkt oder nicht, straffällig wird oder nicht. Natürlich steht man zu seinen Kindern, aber ich gehe davon aus, daß jeder demokratisch und rechtsstaatlich denkende Mensch, jeder demokratisch und rechtsstaatlich denkende Vater seine Betroffenheit über die Handlung seines Kindes ausspricht, aber gleichzeitig von einem rechtsextremen oder von einem linksextremen Terror in Form einer entsprechenden Geste Abstand nimmt. Und das vermissen wir bei Ihnen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Kollege Haider hat eine weitere Aussage im "Standard" vom 16. August 1995 getätigt – ich zitiere –: Das muß ja nicht eine Auftragsarbeit der SPÖ oder der Koalition oder der Linken sein, sondern da gibt es Leute, die sagen: Ich will nicht, daß in Österreich in demokratischer Weise Veränderungen möglich sind. – Darauf der Redakteur: Heißt das, Sie glauben, die Briefbomben sollen Jörg Haider verhindern? – Darauf seine Antwort: Durchaus möglich, durchaus möglich. (Abg. Dr. Haider: Ja, war eh so!)


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Wenn Sie jetzt darauf warten, daß ich das bewerte, dann müssen Sie lange warten. Mir geht es darum, zu zeigen, welches Spiel Sie da spielen: Das ist nicht auf Fakten begründet, sondern das ist nichts anderes als der Versuch, eine Betroffenheit zu erzeugen und die Einschätzung dieser mißlichen Situation bewußt auf ein falsches Gleis zu führen. Das ist die Realität. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Ich gehe einmal davon aus, daß wir uns heute, nachdem wir nun einen höheren Wissensstand haben, in der Diskussion viel leichter tun. Es ist keine Kunst, im nachhinein klüger zu sein. Dennoch waren die Bekennerbriefe für uns im wesentlichen ein Fingerzeig, aus dieser Richtung kommt es, in jene Richtung soll es gehen. Das ist ein Faktum. Die Frage ist jetzt, ob man hergeht und sagt: Ich verurteile diese rechtsextremistische Form!, oder ob man sich als Beschützer dieser rechtsextremistischen Form gibt, deren Erscheinungsbild Fremdenfeindlichkeit ist.

Sie von den Freiheitlichen haben uns in der Vergangenheit eine Fülle von Beweisen dafür geliefert, daß Sie die Fremdenfeindlichkeit in einer bestimmten Art und Weise nicht ungern unterstützen. Daher ist es kein Wunder, wenn der Analogieschluß letztlich dazu führt, daß man Sie in die Nähe all dessen bringen kann.

Denn, meine Damen und Herren, wer mit jedem Wort, wer mit jeder Handlung, wer mit politischer Strategie Fremdenfeindlichkeit sät, der braucht sich nicht darüber zu wundern, welche Früchte er dann einfährt. Sie haben in der Vergangenheit ohne Zweifel einige dieser Früchte vor die Füße gelegt bekommen, nicht immer in einer feinen und freundlichen Art und Weise, das gebe ich zu. Aber Sie sind nie auf Distanz dazu gegangen, wie diese Früchte eigentlich entstanden sind. Dafür muß man vorher Saatgut ausbringen, und das machen Sie nicht ungern. Aber Sie beschweren sich dann über die Früchte, die Ihnen vor die Füße gelegt werden. (Abg. Mag. Stadler: Das war aber Saatgut der Sozialisten!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch zwei Sätze dazu sagen. (Abg. Mag. Stadler: Senior Schwemlein! Das war sozialistisches Saatgut!) Ich möchte etwas zitieren, was wahrscheinlich auch in Vergessenheit geraten ist. Rainer Pawkowicz, bekanntlich ein Freiheitlicher in Wien, sagte am 28. April 1995 – ich bringe bewußt dieses Zitat –: Zum ersten Mal, meine Damen und Herren, und zum ersten Mal in der Anrede an den Wiener Bürgermeister, in der Geschichte der Republik ist ein Innenminister selbst involviert, ist im Naheverhältnis und in Verbindung mit Terroristen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer hat denn das Geld gespendet?), mit denen er sogar durch das Du-Wort verbunden ist. – Das ist eine Aussage des Rainer Pawkowicz. Und die Tatsache (Abg. Mag. Stadler: Gregor Thaler war ein Freund des Einem!), daß es heute möglich ist (Abg. Mag. Stadler: Gregor Thaler war ein Freund von Caspar Einem!), wie es auch in der Vergangenheit in diesem Haus passiert ist und in der Zukunft passieren wird, daß man Aussagen treffen kann (Abg. Mag. Stadler: Gregor Thaler war ein guter Freund von Einem!), daß man Beleidigungen aussprechen kann, daß man jemanden diffamieren kann, daß man all diese Dinge ungestraft tun kann, ist ein Zeichen dafür, welche Geisteshaltung auf der rechten Seite in diesem Haus herrscht. Das ist zu verurteilen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Gregor Thaler war ein guter Freund des Caspar Einem!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte nur folgendes dazu sagen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler ): Wer – egal, um welche Person es sich handelt – es verabsäumt, in diesem Haus klarzustellen, daß ein Minister Löschnak, ein Minister Einem und ein Minister Schlögl bestmögliche Arbeit geleistet haben, damit wir – wenn auch mit Hilfe eines Zufalls – so früh wie möglich zu dieser für uns positiven Situation einer Weiterentwicklung in der Aufklärung gekommen sind, wer diesen Ministern nicht Dank und Anerkennung zollt, wer nicht allen Beamtinnen und Beamten, die nun weiter damit beschäftigt sind, diesen Fall aufzuklären, Mut, Zähigkeit und Ausdauer bescheinigt, der hat anderes im Sinn als die Aufklärung dieser Bombenserie. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ja sehr dumm in Ihrer Argumentation! – Abg. Mag. Stadler: Er ist nicht nur in seiner Argumentation dumm!)


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Wir sollten uns hier klar und deutlich diesen Leuten zur Seite stellen und ihnen Mut zusprechen, damit wir bald zu einem Endergebnis kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Die SPÖ muß schwere Personalprobleme haben, wenn sie sowas wie Sie in den Nationalrat setzt!)

15.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anschober. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

15.01

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Die Zwischenrufe, die da gekreuzt werden, sprechen für sich und dokumentieren auch das Niveau eines Teils dieser Debatte. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt kommt das moralische Gewissen dieses Hauses!)

Herr Kollege Stadler! (Abg. Mag. Stadler: Purtscheller ...!) Ich habe mir überlegt, worüber man in dieser Debatte eigentlich sinnvollerweise reden kann. Ein kurzer Vorspann zu Ihnen und Ihrer heutigen Rede. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Sie müssen furchtbar nervös sein, Herr Kollege Stadler, daß Sie in einer derartigen Aggressivität auf der Flucht vor der politischen Mitverantwortung für das Klima in diesem Land sind! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben Ihre Krawatte vergessen!) Sie müssen sehr, sehr nervös sein. Nur das kann diese Aggressivität erklären. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum sollen wir nervös sein?)

Jetzt sage ich Ihnen aber folgendes: Nach dem Wahlerfolg der Grünen vom vergangenen Sonntag (Abg. Mag. Stadler: Der eigentlich ein freiheitlicher war!) werde ich Anfang November aus diesem Haus ausscheiden. (Beifall bei den Freiheitlichen und Ruf: Das ist ja so schade! – Abg. Schwemlein: Das ist tief!) Der Applaus von dieser Seite ehrt mich. Danke schön. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich habe in dieser Zeit viele interessante Persönlichkeiten und Personen kennengelernt, und es tut mir teilweise leid, diesen Kontakt und dieses Zusammenarbeiten bald nicht mehr zu haben. Nur in einem Bereich bin ich wirklich froh über mein Ausscheiden: das ist das Faktum, daß ich mir die Haßtiraden des Herrn Mag. Stadler ab heute nicht mehr anhören muß. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie sich schon einmal die Haßtiraden von Frau Stoisits durchgelesen?)

Worüber sollte man heute noch reden? – Man muß heute über den Erfolg, über einen ersten Erfolg der Ermittlungen reden. Daß das von einer bestimmten Seite nicht getan wird, spricht eigentlich Bände. Man muß über einen ersten Ermittlungserfolg reden, man muß aber auch darüber reden, wie es dazu gekommen ist: daß es nicht neue Ermittlungsmethoden, nicht Lauschangriff und Rasterfahndung waren, die dazu geführt haben, sondern etwas, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, nämlich praktizierte Bürgernähe durch einen Exekutivbeamten. Ein Exekutivbeamter hat unglaublich rasch und korrekt auf einen Hinweis reagiert. Nur dadurch war es möglich, daß Inspektor Zufall Regie geführt hat und ein großer und wichtiger Fortschritt realisiert wurde.

Was mir in dieser Debatte auffällt – und davor möchte ich warnen –, das ist der Versuch, den man von manchen Rednerinnen und Rednern hört und auch von Teilen der Exekutive, eine Einzeltäterthese beinahe herbeizureden, so unter dem guten österreichischen Motto: Wir sind froh darüber, daß wir einen Schritt weiter sind, alle sind wir froh darüber, und jetzt möglichst einen Strich darunter. – Ich glaube an diese Einzeltäterthese aus ganz bestimmten Gründen nicht, und ich bin froh darüber, daß es in der Exekutive viele gibt, die mit großer Akribie das Umfeld erforschen und sich anschauen, wie manche große Fragezeichen zu erklären sind.

Ich war froh über die zweite Wortmeldung des Ministers Schlögl, die die erste Rede für mich etwas korrigiert hat. Der erste Redebeitrag ist sehr deutlich in Richtung Einzeltäterthese gegangen, der zweite hat beide Optionen auf gleiches Niveau gestellt. Ich glaube, genau so und in diese Stoßrichtung muß jetzt argumentiert und gehandelt werden.


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88. Sitzung / Seite 68

Worüber kann man noch in dieser Situation heute reden? – Man kann darüber reden, wie diese Ermittlungen auch politisch forciert werden können. Man kann darüber reden, wer Interesse daran hat, daß dieser Terrorfall derzeit von manchen auf einen Kriminalfall reduziert, die politische Dimension, das politische Umfeld negiert wird und der Terrorfall von der Innenpolitik in die Chronikspalten wandert. Das ist kein Zufall, wie ich glaube. Man kann aber auch darüber reden, wer derzeit politisches Kleingeld aus diesem Terrorfall, aus dieser Terrorserie schlägt. Ich erinnere nur an die völlig geschmacklose – mehr fällt mir dazu nicht ein – Aussendung des Herrn Westenthaler vom Sonntag, die für sich spricht und wo ich gar nichts mehr qualifizieren möchte. (Abg. Dr. Graf: Vier Jahre lang haben wir politisches Kleingeld gemacht!) Das ist jenseits von Gut und Böse.

Man kann auch darüber reden, wie dieses politische Klima zustande gekommen ist, in dem Terrorismus leichter entstehen kann, wie das geistige Umfeld von Terroristen entstanden ist. (Abg. Mag. Stadler: Wer übernimmt dann die Rolle des moralischen Gewissens?) Wir sollen auch darüber reden, Herr Kollege Stadler – und das werden wir auch tun (Abg. Mag. Stadler: Ihr pastoraler Tonfall wird mir fehlen!)  –, welche konkreten Ziele die BBA eigentlich verfolgt hat, wohin sie Österreich bomben wollte. Stichwort: drohende Fremdeninvasion, Stichwort und wörtliches Zitat ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Reden wir doch über die Haßtiraden der Grünen den Freiheitlichen gegenüber!) Frau Kollegin Pablé! Wissen Sie, Ihre Aggressivität demaskiert Sie ganz einfach in dieser Debatte. Das ist so klar und deutlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Reden wir doch darüber, in welchem geistigen und politischen Umfeld ein Zitat aus den Bekennerbriefen steht – ich zitiere es Ihnen wörtlich –: In diesem Land, schreiben die Briefbombenattentäter, sind Personen willkommen, die aussehen wie wir, die reden wie wir, die beten wie wir. – Und reden wir auch darüber, welche Partei es ist, die in diesem Land polarisiert, die emotionalisiert, die versucht, politisches Kleingeld mit potentiellen Sündenböcken zu machen. (Abg. Dr. Graf: Das sind die Grünen! – Abg. Mag. Stadler: Gut charakterisiert!) Schauen wir uns doch an, welche politische Partei es ist, die bereits in zwei Bundesländern gefordert hat, daß an Firmen, die Ausländer beschäftigen, keine öffentlichen Aufträge mehr vergeben werden sollen. Und reden wir darüber, welche Partei es ist, die im letzten Wahlkampf in Oberösterreich unter anderem folgendes Zitat verwendet hat: 88,5 Prozent aller schweren Verbrechen werden in Oberösterreich von Ausländern begangen. – Jeder in Oberösterreich, jeder Exekutivbeamte, jeder Experte weiß, daß das eine Unwahrheit ist, und trotzdem wird gezielt mit derartigen Desinformationen, mit Panikmache agiert.

Reden wir darüber, welche Auswirkungen eine derart verantwortungslose Politik mit sich bringt. Reden wir auch darüber, daß sich im Vorfeld der Wahlen vom letzten Sonntag vier Parteien in dieser Frage absolut seriös und anständig verhalten haben – für mich war es sehr interessant und positiv, daß auch die Österreichische Volkspartei sehr klare Worte in dieser Frage gefunden hat – und die eine Partei, die trotzdem versucht hat, mit der politischen Keule zu agieren, auch in der Ausländerfrage, auch in der Migrationsfrage, keinen Erfolg hatte und 8 Prozent hinter ihrem Ergebnis der Europawahlen geblieben ist. (Abg. Dr. Krüger: Wir haben aber mehr Prozent gewonnen als die Grünen!) Reden wir auch darüber, daß man in diesem Österreich wieder politischen Erfolg haben kann mit Solidarität, mit Integration und mit einer positiven Politik in Richtung Dialog! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Innenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, nach den ersten Ermittlungserfolgen ist es jetzt in diesem Land die wichtigste Aufgabe, in einer seriösen politischen Kultur, also nicht im Stil dieser Debatte des heutigen Tages, dafür zu sorgen, daß erstens die Suche nach politischen Mittätern und den Mittätern des Terroristen vorangetrieben wird und daß zweitens über das geistige Umfeld, über das politische Klima, das Terror ermutigt hat, das Terror gefördert hat, das Terror auch mitverursacht hat, klar und deutlich geredet wird, damit sich im politischen Klima in Österreich in Zukunft etwas zum Positiven verändert. – Danke. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.10


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Stenographisches Protokoll
88. Sitzung / Seite 69

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

15.10

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist in dieser Debatte schon viel gesagt worden. Es wurde eine Reihe von Argumenten gegeneinander aufgewogen. Und ich glaube, es hat sehr wenig Sinn, erneut Öl ins Feuer dieser Debatte zu gießen, denn Feuer ist in der Tat auch heute wieder zur Genüge gelegt worden. (Abg. Mag. Stadler: Herr Amon, schauen Sie, ich habe einen Haufen von Zitaten bei mir, wo Sie Öl ins Feuer gegossen haben! Ich kann sie Ihnen vorlesen!)

Herr Mag. Stadler! Ich sage gleich einiges dazu, wenn Sie mir die Gelegenheit geben. (Abg. Mag. Stadler: Sie hätten Gelegenheit, sich dafür zu entschuldigen!) Ich möchte folgendes sagen: Man merkt, daß so etwas wie Erleichterung durch die Bevölkerung geht, weil man der gesamten Aufklärung offensichtlich sehr nahe ist und weil man hoffentlich bald wieder – und das muß man schon sehr deutlich sagen – eine Politik vertreten kann, die sich etwa für Flüchtlinge und für Ausländer ausspricht, ohne Angst davor haben zu müssen, möglicherweise deshalb, weil man eine solche Position vertritt, eine Bombe ins Haus geschickt zu bekommen.

Ich möchte das deshalb sagen, weil es nicht sein kann, daß man diesen Fall von Bombenanschlägen politisch instrumentalisiert. Herr Stadler, damit bin ich bei Ihnen. (Abg. Mag. Stadler: Haben Sie dem Kiss zugehört?) In der Tat ist es so, daß alle Bekennerschreiben, die es gegeben hat – und das müssen Sie zugestehen, da können Sie nichts Gegenteiliges sagen –, natürlich zunächst den Eindruck erwecken mußten, daß die Anschläge einen ausländerfeindlichen Hintergrund haben. (Abg. Mag. Stadler: Für naive Leute schon!) Dieses Faktum können Sie nicht wegdiskutieren, das ist der offensichtliche Zugang gewesen. (Abg. Mag. Stadler: Für schlichte Gemüter schon!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber ein paar Fragen stellen, und zwar weil ich es auch durchaus sehr kritisch betrachte, daß Herr Bundesminister Einem das berühmte Täterprofil des Herrn Mag. Müller zurückgehalten hat. Einem hat argumentiert, daß es unterschiedliche Positionen, unterschiedliche Meinungen im Bereich seines Ressorts gegeben hat und er sich dafür entschieden hat, das Täterprofil bewußt zurückzuhalten. Die Frage, die man aber sehr wohl stellen muß, ist natürlich: Warum hat er diese Entscheidung so getroffen? Das ist politisch zu bewerten. Das glaube ich jedenfalls, diese Frage ist berechtigt, und Herr Bundesminister Einem wird eine Antwort auf diese Frage geben müssen: Steckt der Versuch einer politischen Instrumentalisierung in Richtung der Freiheitlichen dahinter, oder gibt es ein anderes Motiv, das dahintersteckt? (Abg. Mag. Stadler: Wo soll er die Antwort geben? Sie lehnen den Untersuchungsausschuß ja ab!)

Herr Stadler, zu Ihnen. (Abg. Mag. Stadler: Herr Amon, er soll die Antwort in einem Untersuchungsausschuß geben!) Den Versuch, den Sie heute gestartet haben, nämlich hier einer Sippenhaftung pauschal das Wort zu reden, weil der Vater des mutmaßlichen Attentäters ein sozialdemokratischer Gemeinderat ist oder war, halte ich für verabscheuungswürdig, muß ich Ihnen sagen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Bravo!)

Sie, Herr Mag. Stadler, haben in Wahrheit an der linken Reichshälfte genau das kritisiert, haben es als verabscheuungswürdig bezeichnet, was Sie selbst heute hier am Rednerpult getan haben. Und das ist nicht in Ordnung, Herr Mag. Stadler! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Scheibner: Einen größeren Gefallen hätten Sie mir nicht tun können!)

Ich würde mir wünschen, daß man hier einen reiferen Zugang zu dieser Diskussion findet und daß man diese schrecklichen Attentate weder von links noch von rechts politisch instrumentalisiert. Das würde ich mir wirklich wünschen. (Abg. Dr. Graf: Das ist ein echter Nachfolger vom Moralapostel Anschober!) Ich sage Ihnen nämlich auch, warum: weil es eigentlich beachtlich ist – und ich nehme da keines der Bombenopfer aus –, mit welcher Reife diese Menschen auf die fürchterlichen Anschläge reagiert haben. Man muß sich einmal vorstellen, was es für einen


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Menschen, ganz gleich, ob er in der Politik, in der Flüchtlingshilfe, wo immer tätig ist, heißt, aufgrund seiner Geisteshaltung eine Bombe ins Haus geschickt zu bekommen. Das ist der Wahnsinn!

Ich kritisiere eine politische Vereinnahmung von jeder Seite. Aber Sie von den Freiheitlichen haben das ganz massiv betrieben. Genauso paradox wäre es doch gewesen, den Herrn Fuchs in Ihr Eck zu stellen, weil er vielleicht jemanden kennt, der jemanden kennt, der einmal freiheitlich gewählt hat. Das kann es wirklich nicht sein. Das kann nicht der Zugang sein.

In Wahrheit müssen wir doch froh darüber sein, daß die erdrückende Beweislast, die der Herr Innenminister heute vorgelegt hat, sehr stark für eine Einzeltätertheorie oder für eine vielleicht sehr, sehr kleine Gruppe einiger Verrückter spricht und weit weniger für einen politischen Hintergrund bei diesen Anschlägen. Das ist meine Überzeugung. Herr Mag. Stadler! Ich ersuche Sie wirklich, das nicht zu tun, was Sie bei anderen verurteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

15.16

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eingangs eine Frage an meinen Vorredner, Kollegen Amon. Wer schreibt denn Ihre Presseaussendungen, oder haben Sie ein so schlechtes Gedächtnis? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er verdrängt es!) Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie glauben, daß wir ein so schlechtes Gedächtnis haben oder eine so schlechte Pressestelle, wenn Sie hier ans Rednerpult treten und sich scheinheilig, nicht überbietbar scheinheilig gegen Sippenhaftung aussprechen und den Kollegen Stadler kritisieren.

Herr Kollege Amon! Lesen Sie einmal nach, welche Aussendung Sie am 7. Oktober 1994 gemacht haben. Soll ich sie Ihnen vorlesen, falls Sie es selber nicht mehr wissen? – Kollege Amon wirft in dieser Aussendung wegen dieser Attentate der FPÖ vor, sie habe Faschisten aus der Reserve gelockt. Er stellte die Frage an FPÖ-Repräsentanten wie Haider und die niederösterreichischen FPÖ-Politiker Hans Jörg Schimanek senior und Barbara Rosenkranz, ob es sie glücklich macht, wenn ihre Politik jetzt die gebührenden Früchte trägt. – Kollege Amon! Was ist das, wenn nicht Sippenhaftung gegenüber Hans Jörg Schimanek senior oder Barbara Rosenkranz? Was haben sie denn anderes verbrochen, als daß Hans Jörg Schimanek senior einen Sohn hat, der eine Politik vertritt, die wir alle nicht vertreten? Und von dieser Politik hat er sich auch x-mal distanziert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Amon, ich fordere Sie auf, nicht hier ans Rednerpult zu treten wie andere auch und sich scheinheilig gegen Sippenhaftung auszusprechen und völlig zu vergessen, was ihr alle in den letzten drei Jahren auch von diesem Rednerpult aus und in Presseaussendungen in diesem Land aufgeführt habt, wenn es darum ging, genau diese Fragen zu instrumentalisieren!

Wir haben uns nicht für die Sippenhaftung ausgesprochen, wir haben nur darauf hingewiesen, daß, wenn wir solche Maßstäbe wie ihr anlegen würden, die SPÖ eine Mitverantwortung für diese Anschläge hätte. – Dasselbe Spielchen, das man mit uns gemacht hat. Kollege Amon! Wir wenden uns gegen diese Sippenhaftung. Aber euer Gedächtnis ist offenbar so schlecht, daß ihr heute all das vergessen habt, was ihr in den letzten drei Jahren an Aussendungen verbrochen habt.

Meine Damen und Herren! Kollege Leikam! Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie wirklich alles glauben, was Sie da vom Rednerpult aus gesagt haben. (Abg. Leikam: Doch, ich bin überzeugt davon!) Wenn Sie davon überzeugt sind, dann muß ich sagen, es wundert mich nicht – und das sage ich aus tiefster Überzeugung; Herr Jarolim hat von verschiedenen Leuten bei uns gesprochen, die sozialdemokratische Wurzeln haben –, und mir ist auch klar, warum sich in den letzten zehn Jahren Zehntausende echte Sozialdemokraten von Ihrer Partei abgewendet haben (Beifall bei den Freiheitlichen), nämlich Sozialdemokraten, für die das Wort "Gerechtigkeit" noch ein Wert ist, Gerechtigkeit und Wahrheit, Kollege Leikam!


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Sie haben in Ihrer Rede gesagt, es hat niemand in diesem Parlament die Freiheitlichen in den letzten drei Jahren beschuldigt, daß sie mitverantwortlich an diesen Anschlägen, an diesen Gewalttaten sind. Herr Kollege Leikam! Ich empfehle zur Lektüre das Stenographische Protokoll der 20. Sitzung des Nationalrates aus der XIX. Gesetzgebungsperiode, 8. Februar 1995.

Kollege Leikam! Damals gab es eine Debatte, die von direkten und indirekten Vorwürfen sowie von politischer Instrumentalisierung dieser schrecklichen Verbrechen nur so strotzte. Gehen Sie heute nicht her und behaupten Sie nicht, daß dies alles nicht so gewesen sei. Gehen Sie nicht scheinheilig her und sagen Sie nicht, Sie hätten damit nichts zu tun und das wäre alles nicht geschehen. Lesen Sie dieses Protokoll nach, dann wissen Sie, welche Verantwortung auch Sie auf sich geladen haben. (Abg. Leikam: Die rechte Szene!) Sie haben drei Jahre lang die Bevölkerung verunsichert, Sie haben in diesem Land Angst geschürt, und Sie haben eine Million Menschen der Mittäterschaft verdächtigt. Das haben Sie zu verantworten! Daß Sie das einmal einbekennen, hätten wir uns heute erwartet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer Rede mit Recht gesagt, daß es anzuerkennen ist, daß die Bevölkerung und die Demokratie sich nicht durch diese Attentate haben beeinflussen lassen. Aber, Herr Bundesminister und meine Damen und Herren, haben Sie jemals daran gezweifelt? Haben Sie jemals geglaubt, daß diese österreichische parlamentarische Demokratie so schwach sei, daß sie sich durch solche Verbrechen destabilisieren läßt? Haben Sie das wirklich geglaubt? (Der Redner blickt in Richtung Bundesminister Mag. Schlögl. )  – Sie vielleicht nicht.

Meine Damen und Herren! Ich werde jetzt noch etwas zitieren – darin besteht der wirkliche Skandal, und dabei sieht man, vor welchem Hintergrund Politik gemacht worden ist. Ich werde Ihnen zitieren, was der Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion, Kostelka, in ebendieser Debatte sagte, genau in die Richtung, die Sie jetzt angesprochen haben.

Kollege Kostelka sagte als Resümee seiner Rede: "Mit den Bomben in Oberwart und in Stinatz wurde auch die Illusion zerstört, daß wir nach 1945 eine Demokratie errichtet haben, die so sehr in sich ruht, daß sie keiner Gefährdung mehr ausgesetzt sein kann." Weiters äußerte er die Überlegung, daß die Bevölkerung, daß die Österreicher empfänglich sind für Extremismus und Fremdenfeindlichkeit.

Meine Damen und Herren! Man muß sich einmal vorstellen, was das bedeutet. Der Klubobmann der Sozialdemokratischen Partei sagt hier im Parlament, daß er Zweifel hat, daß nach 1945 die Demokratie so gefestigt ist, daß sie sich durch diese Bombenattentate nicht mehr aus dem Gleichgewicht bringen lassen kann. Das ist ein Skandal erster Ordnung, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir glauben an diese Demokratie, Herr Klubobmann, aber Sie anscheinend nicht! Sie werden Ihre Gründe dafür haben. (Abg. Dr. Kostelka: Da erregen Sie sich aber früh! Da haben Sie aber lange gebraucht! – Abg. Leikam: Wie war das mit der "Mißgeburt"?)

In derselben Debatte kommt die frühere Frau Präsidentin, die Klubobfrau des Liberalen Forums, Heide Schmidt, heraus und geht noch einen Schritt weiter – auch das nur zur Frage der politischen Instrumentalisierung, meine Damen und Herren! Sie geht gleich so weit, zu sagen, daß sich Österreich im Stadium des "Vorkrieges" befindet! Im Stadium des "Vorkrieges", nämlich so, wie sich Österreich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen darin befand!

Meine Damen und Herren! Ein besseres – oder vielmehr: ein schlechteres – Beispiel dafür, wie man diese Verbrechen instrumentalisiert hat, wie man versucht hat, hier ein Klima der Angst und der politischen Gegnerschaft zu schaffen, läßt sich wirklich nicht bringen. Das sind die Dinge, von denen wir uns erwartet haben, daß Sie heute dazu Stellung nehmen.

Kollege Kier – er lächelt gerade so merkwürdig! Auch Sie haben gesagt, diese Vorwürfe hätte es nie gegeben. Sie selbst waren es, Herr Kollege Kier, der damals eine Bemerkung in einem Debattenbeitrag unseres Klubobmannes aus dem Zusammenhang gerissen und eine europaweite Kampagne entfacht hat, weil es eben nicht sein darf, daß sich Freiheitliche von solchen


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Gewalttaten distanzieren. Selbst das war Ihnen nicht zu schäbig, diese Rede damals für Ihre parteipolitischen Interessen zu mißbrauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Leikam! Diese Zitate könnte man noch einige Zeit fortsetzen. Was Kollege Löschnak als Minister getan hat, war überhaupt das "beste". Er sagte damals, als die Freiheitlichen angefragt hatten, warum der freiheitliche Parteiobmann keinen Personenschutz bekäme, daß man aus dem Anlaßfall und aus den Hintergründen darauf schließen könne, daß sich gerade Haider sicherlich nicht fürchten müsse. Das sagte der Minister, meine Damen und Herren! Heute wissen wir über die wirklichen Hintergründe Bescheid.

So aber geht es weiter. Kollege Pilz – jetzt Gott sei Dank nicht mehr hier im Hohen Haus tätig – sagte: Die geistige Spur des Rechtsextremismus führt zur FPÖ. (Abg. Wabl: Das ist ja leider nicht falsch!) Frau Kollegin Petrovic führte aus: Wer dieses politische Klima, das zu Radikalität und Gewalt führt, mit aufbereitet, ist verantwortlich dafür.

So geht es weiter – Cap, Heide Schmidt, Stoisits, all diese Debattenbeiträge könnte man dazu zitieren.

Meine Damen und Herren! Herr Innenminister! Ich denke, daß eines klar ist: Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, und wir hoffen, daß jetzt wirklich alle Hintergründe aller Bombenattentate aufgeklärt werden können. Denn etwa auch der Zusammenhang mit Ebergassing ist noch völlig ungeklärt. Wo sind die Bomben aus Ebergassing gefertigt worden? Welche Hintergründe bestehen bei diesen Tätern? Gibt es hierzu Querverbindungen? – Es ist wohl eindeutig, daß dieser – wie ich unter Anführungszeichen sagen möchte – "Unfall" keinen rechtsradikalen Hintergrund hatte. Er hätte einen solchen dann in der öffentlichen Diskussion bekommen, wenn es funktioniert hätte. Aber da sind Querverbindungen, über die man heute überhaupt nicht diskutiert. All das sollte nun zur Sprache kommen.

Meine Damen und Herren! Weil dabei immer von Menschenrechten und von Rechten der Staatsbürger die Rede gewesen ist, möchte ich auf folgendes hinweisen: Wo waren denn die Rechte der Staatsbürger, als es darum ging, unbescholtene, unschuldige Leute in ihren Bürgerrechten zu beschneiden? – Kollege Stadler hat schon darauf hingewiesen, daß man ein Elaborat eines privaten Vereines – des Dokumentationsarchivs – gleichsam als Bibel hernahm und sagte: Wenn der Herr Neugebauer behauptet, der Täter müsse ein "AULA"-Abonnent gewesen sein, dann wird sofort der gesamte Staatsapparat in Aktion gesetzt, und es werden quer durch den Kreis aller Abonnenten Hausdurchsuchungen durchgeführt – egal, unter welchen Umständen, egal, wie alt die Leute sind, egal, ob dieser Verdacht begründet ist.

Meine Damen und Herren von den Grünen! Ich würde mir wünschen, daß Sie solche Aktionen genauso verurteilen, wie Sie immer sehr empfindlich sind, wenn es gegen Ihre Freunde –Purtscheller und Konsorten wie Kufner et cetera – geht. Dort sind Sie von einer Scheinheiligkeit, die unüberbietbar ist, und dort könnte man eher überlegen, welche direkten und indirekten Zusammenhänge es mit diesen Terroristen gibt. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend möchte ich feststellen: Man sollte daraus lernen, daß es für Terrorismus und Radikalismus – auch wenn er ein politisches Mascherl hat, das man hier nicht gewichten kann – keine Rechtfertigung gibt und wir mit aller Kraft dagegen kämpfen sollten. Aber wir haben als Politiker eine Verantwortung zu tragen, nämlich die Verantwortung, daß hier Aufklärung getrieben wird, und wir haben zugleich Verantwortung dafür zu tragen, daß hier nicht Öl ins Feuer gegossen, sondern beruhigt wird und daß hier keine parteipolitisch motivierten Diskussionen entfacht werden, um damit Angst und Schrecken in der Bevölkerung hervorzurufen und die polizeilichen Erhebungen zu behindern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sollten vor allem Sie von den Sozialdemokraten aus dieser Affäre lernen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.27


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88. Sitzung / Seite 73

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter Scheibner! Es ist unbestreitbar, daß die Praxis in der Erteilung von Ordnungsrufen etwas großzügiger geworden ist. Sie haben in Ihrer Rede an zwei Abgeordnete in diesem Haus den Vorwurf der Scheinheiligkeit gerichtet, und es gab Zeiten ... (Abg. Dr. Krüger: Der Wahrheitsbeweis ist aber eindeutig angetreten worden!)

Herr Dr. Krüger! Lassen Sie mich ausreden. Es gab Zeiten, zu denen diese Ausdrucksweise in diesem Haus mit Ordnungsrufen geahndet wurde. Schließen Sie aus der Tatsache, daß ich Ihnen keinen Ordnungsruf erteile, nicht eine Ermunterung, im Gebrauch dieses Vorwurfes fortzufahren. Es wäre vielmehr gut, wenn wir dieses Wort in den Debatten nicht verwenden würden. Einverstanden, Herr Dr. Krüger? – Gut.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.28

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) 25 Briefbomben, drei Rohrbomben, vier Tote, zahlreiche Schwerverletzte, zahlreiche Leichtverletzte – das ist die unerfreuliche Bilanz und das unerfreuliche Ergebnis dieser Geschehnisse der vergangenen – fast – vier Jahre.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Glauben Sie mir, kaum jemand hat so aufgeatmet wie ich, als in den Medien bekannt wurde, daß Herr Franz F. als mutmaßlicher Täter oder Mittäter des größten Terroraktes, der größten Terrorserie der Zweiten Republik gefaßt worden ist. Wie der Herr Bundesminister uns heute berichtet hat, verdichten sich inzwischen die Beweise gegen ihn und für seine mögliche Täterschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es werden aber die Betroffenen der 25 Briefbomben und die Betroffenen der drei Rohrbombenattentate, vor allem auch ihre Angehörigen und Familienmitglieder, erst dann wirklich aufatmen, wenn schwarz auf weiß belegt wird und festgestellt werden kann, daß es sich tatsächlich – wie heute gemutmaßt worden ist – um einen Einzeltäter gehandelt hat und daß nicht doch eine Gruppe hinter diesem größten Terrorakt steht, mag sie auch noch so klein gewesen sein – was ich aber nicht unbedingt glaube.

An einem Tag wie heute, an dem der Herr Bundesminister uns Informationen über den Ermittlungsstand gegeben und in seiner Erklärung einige meiner Ansicht nach sehr beachtliche Feststellungen getroffen hat – so die Feststellung betreffend den Empfänger- und Adressatenkreis dieser Bomben, die Feststellung dazu, wer diese Menschen sind –, ist hier eindeutig der Platz, folgendes festzustellen: Diese zahlreichen Aktivistinnen und Aktivisten, die ich jetzt unter dem Begriff "Menschenrechtsbewegung" zusammenfassen möchte – das halte ich für zulässig, auch im Sinne Ihrer Charakterisierung, und dazu gehören sowohl die Angehörigen der Volksgruppen als auch Priester, Politiker und Politikerinnen, Ärzte, Flüchtlingshelfer oder Ausländerbetreuer –, haben alle in den letzten vier Jahren etwas an den Tag gelegt, was mir als Politikerin größte Hochachtung abringt.

Ich spreche dabei von dem Willen, sich nicht vom Bombenterror einschüchtern zu lassen, nicht in der Arbeit innezuhalten, nicht klein beizugeben und nicht zu sagen: Ich muß mich zurückziehen und meine Arbeit einstellen, weil die Gefahr für mich und meine Familie zu groß ist. Das ist es, was – neben der erfreulichen Mitarbeit der österreichischen Bevölkerung bei der jetzt möglichen Aufklärung – eine beachtenswerte Leistung darstellt.

Das gilt auch für die bis dahin erfolglosen Ermittler. Ich weiß aber, wieviel, wie lange und wie intensiv die Ermittler gearbeitet haben, da ich genug mit ihnen zu tun hatte. Daß sie nicht den entsprechenden Erfolg hatten, liegt nicht in der Verantwortung jedes einzelnen, sondern – wie ich sagen möchte – in der Verantwortung einzelner. Aber dieses Sich-nicht-einschüchtern-Lassen, dieses Weitermachen veranlaßt mich, einige Schlußfolgerungen zu ziehen.


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Worin besteht jetzt unsere Verantwortung als Parlamentarier und Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank? – Die Verantwortung, die heute gefragt ist, bezieht sich darauf, einer verstärkten Polarisierung, die durch diese Terrorserie erfolgt ist, entgegenzuwirken. Politik hat immer die Aufgabe, Polarisierung zu verhindern und einzuschränken, nicht jedoch das Gegenteil zu tun.

Aber was heute im Nationalrat geschehen und von der FPÖ vorgetragen worden ist, das ist genau das Gegenteil. Das verstärkt die Polarisierung, die wir in unserer Gesellschaft – durch diese Terrorserie geprägt – feststellen. (Abg. Ing. Reichhold: Wer hat polarisiert in der Vergangenheit? Sie haben polarisiert!) Die Entsolidarisierung steigt auf vielen Gebieten. (Abg. Dr. Graf: Vier Jahre lang haben Sie polarisiert! Jetzt sind Sie auf die Nase gefallen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren! Auf der anderen Seite ist es heute für die Betroffenen und für mögliche weitere Betroffene so, daß mich eines sehr erschreckt. (Abg. Haigermoser: Wie viele Wähler haben Sie in Stinatz gehabt?) Ihr Debattenbeitrag, Herr Bundesminister, in dem Sie von einer Briefbombenattrappe berichtet haben, hat mich darin bestärkt. (Abg. Haigermoser: Wie viele Wähler haben Sie dort gehabt?)

Herr Bundesminister! Nicht allein Angst vor echten Bomben und vor echter physischer Beeinträchtigung von Menschen haben wir, hatten wir und müssen wir immer noch haben, solange das nicht aufgeklärt ist. Meine Damen und Herren! Was mir Angst macht, sind die klammheimlichen Beteuerungen, die aus der Bevölkerung kommen. (Abg. Haigermoser: Sie machen uns Angst! – Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Es sind die Briefe, die meine Kolleginnen und Kollegen im Grünen Klub bekommen und die auch ich bekomme, in denen eine Diktion vorzufinden ist wie: "Na das nächste Mal wird es schon hinhauen." (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist es, wogegen wir heute arbeiten müssen. Diejenigen, die sich exponiert haben, exponiert durch ihren Einsatz für Humanität und Menschenrechte oder schlicht durch die Tatsache, daß sie einer Volksgruppe angehören oder – wie der Arzt aus Stronsdorf – naturalisierte, eingebürgerte Österreicher sind, müssen wir unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Hinsicht richte ich den Appell und die Bitte an Sie alle, die Aufgabe, welche die Politik hat, wahrzunehmen und den Gefahren entgegenzuwirken. Daß man das mit der FPÖ in dieser Republik nicht erreichen wird, hat der heutige Tag mehr als nachdrücklich unter Beweis gestellt. (Beifall bei den Grünen.)

Aber wenn man uns heute – einige Redner der ÖVP sowie der Herr Bundesminister und seine Kollegen aus der SPÖ-Fraktion haben das getan – hier glauben machen will (Abg. Dr. Graf: Ich verstehe überhaupt nicht, warum Einem noch Minister ist!), daß Rasterfahndung und Lauschangriff – repressive Instrumente, die sich gegen Bürgerrechte in diesem Lande richten – das Allheilmittel bei der Aufklärung von Terrorakten wären, dann möchte ich Sie auf etwas anderes hinweisen, Herr Bundesminister (Abg. Dr. Graf: Warum ist Caspar Einem nicht mehr Innenminister, wenn er der beste aller Zeiten war?) , dann möchte ich Ihnen die Frage stellen: Glauben Sie tatsächlich, daß es ohne diese Terrorakte möglich gewesen wäre, Lauschangriff und Rasterfahndung so durchzupeitschen, wie es in diesem Jahr geschehen ist?

Das ist es, was dieser Attentäter oder diese Attentäter über die physische Beeinträchtigung von Menschen in dieser Republik zustande gebracht haben. Das Klima hat sich verändert. Es hat sich aber nicht zum Besseren verändert. Wenn wir heute resümieren und darüber nachdenken, müssen wir uns die Frage stellen: Ist es nicht das Ziel der Attentäter, auszuloten, wie weit Fremdenfeindlichkeit und wie weit Fremdenfeinde gehen können? Wie weit können Minderheitenfeinde in ihren Ausdrucksmitteln gehen?

Wenn es von politischen Parteien in dieser Republik bewußt, aber auch unbewußt unterstützt wird, daß Fremdenfeindlichkeit, Ausländerhaß und Xenophobie salonfähig werden, dann befinden sich diejenigen, die das tun, auf dem Weg, die Demokratie in Österreich und jene Stabilität, die die Zweite Republik ausgezeichnet hat, Tag für Tag in den Grundfesten ins


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88. Sitzung / Seite 75

Wanken zu bringen – ganz bewußt und ganz absichtlich, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Abschließend möchte ich ein Wort über den Herrn Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit sagen und komme damit auch auf Kollegen Kiss zu sprechen, da er in diesem Zusammenhang von der "Unterschlagung des Täterprofils" gesprochen hat. Mit dem Wort "Unterschlagung" werden sich wohl der Herr Bundesminister und sein Vorgänger auseinandersetzen müssen. Ich bin nicht die Ex-offo-Verteidigerin von Ministern, möchte Ihnen aber noch einmal deutlich vor Augen führen, was dieser Vorwurf bedeutet.

Wenn er hier überdies den Herrn Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit zitiert hat mit den Worten – ich zitiere jetzt Kiss – "Sika: Ich habe immer vor politischen Dimensionen gewarnt", dann erlauben Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz meines Appells und meiner Bitte an die Sicherheitsbehörden – das sage ich jetzt bewußt polemisch – vor dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit zu warnen.

Wenn der Herr Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit noch immer nicht die politische Dimension dieser Verbrechen erkannt hat – was ist es denn sonst, wenn nicht ein politisches Motiv, das dahintersteckt, wenn man sich die Bekennerbriefe anschaut? Wir müssen sie jetzt nicht noch einmal zitieren; wer sich damit beschäftigt hat, kennt sie. Die Absichten und Motive waren uns immer bekannt, Ihnen, Herr Bundesminister, genauso wie uns allen. Wir wissen, welche Zwecke der Attentäter oder die Attentäter verfolgt haben. Wenn in dieser Lage der oberste Ermittler im größten Kriminalfall der Zweiten Republik vor der politischen Dimension warnt, dann stimmt etwas nicht!

Herr Bundesminister! Ich bitte Sie: Gehen Sie in sich und denken Sie darüber nach, ob die gegenwärtige Situation, in der noch so viel Unsicherheit besteht, tatsächlich eine wirklich taugliche Ausgangsposition für die restlose Aufklärung dieser Verbrechen ist! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

15.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzte Rednerin hiezu hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé gemeldet. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.41

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich bin sehr erleichtert, daß man bei der Ergreifung des Bombenattentäters offensichtlich einen Schritt weitergekommen ist. Es ist dies ein sehr großer Schritt, wenn wir auch noch nicht genau wissen, ob eine vollständige Klärung möglich ist.

Es ist aber auch notwendig, daß wir über das politische Umfeld in der Vergangenheit sprechen und auch darüber, was heute im Parlament vor sich gegangen ist.

Ich glaube, wir müssen darüber reden, wieso beispielsweise die Vorrednerin, Frau Stoisits, sagt, daß sie all das, was hier passiert, erschreckt. Ihre eigenen Diffamierungen den Freiheitlichen gegenüber erschrecken sie allerdings offenbar nicht! Sie hat auch erklärt, daß man den Boden verbessern muß, damit Gewaltbereitschaft gar nicht existieren kann. Frau Stoisits! Ich lege Ihnen nahe: Versuchen Sie, Aufklärungsarbeit in Ihrem Nahebereich zu leisten, bei den linksextremen Gruppen, zum Beispiel bei der Friedenswerkstatt Links, beim "TATblatt", beim Revolutionsbräuhof, denn von dort kommt ständige Gewaltbereitschaft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, man muß auch darüber reden, daß Herr Anschober sagt, er sei froh darüber, daß er nach Oberösterreich gehen kann, weil er mit den Haßtiraden, mit denen die Freiheitlichen alle anderen bedenken, nicht mehr leben kann. – Herr Anschober kann aber sehr gut mit den Haßtiraden seiner eigenen Partei uns gegenüber leben! Frau Lunacek sagt beispielsweise, über die Freiheitlichen gehörte eine Quarantäne verhängt. Frau Stoisits sagt, die Freiheitlichen gehörten überhaupt aus Österreich verbannt. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Wir hören eine Haßtirade nach der anderen, aber Herr Anschober muß jetzt plötzlich nach Oberösterreich, weil


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er unsere Haßtiraden nicht mehr aushält! Versuchen Sie doch endlich einmal, in Ihrem Klub und in Ihrer eigenen Partei diese Gewaltbereitschaft einzudämmen, Herr Anschober! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber auch bei anderen Parlamentariern hat offensichtlich die Frustration darüber, daß der Plan nicht aufgegangen ist, die Freiheitlichen in die Nähe der Bombenattentäter zu rücken, solche Ausmaße angenommen, daß beispielsweise Herr Leikam behauptet, wir hätten uns selbst in die Verdächtigungen hineinmanövriert, daß die rechtsextreme Szene und auch die Freiheitlichen mit dem Bombenattentäter zu tun haben. Er hat weiters gesagt, daß für Jörg Haider Gewalt zur Umsetzung seiner politischen Ziele nichts Fremdes ist. Herr Leikam! Was berechtigt Sie zu solchen schamlosen Unterstellungen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen: Dafür gebührt ein Ordnungsruf!)

Was veranlaßt Sie zu einer solchen politischen Gemeinheit, Herr Kollege Leikam? Das möchte ich wirklich gerne wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Ist Ihnen wirklich jedes Mittel recht ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete.

Meine Damen und Herren! Es spricht jetzt die vorletzte Rednerin in dieser Debatte, und wir werden diese Debatte auch ordnungsgemäß zu Ende bringen, wie es unserer Diskussionskultur entspricht. (Abg. Ing. Reichhold: Herr Präsident! Leikam hat das wirklich gesagt! Er bestätigt das!)  – Bitte, Frau Abgeordnete, setzen Sie fort!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Ist Ihnen, Herr Leikam, und den übrigen von der SPÖ und allen, die hier gesprochen haben, wirklich jedes Mittel recht, um die Freiheitlichen und ihren Bundesparteiobmann zu diffamieren, nur weil Sie nicht hinnehmen können, daß wir mit Rechtsextremismus überhaupt nichts zu tun haben? Wenn Sie unsere Empörung nicht verstehen, dann frage ich Sie: Haben Sie all das vergessen, was uns in die Schuhe geschoben worden ist? Haben Sie all das wirklich vergessen? – Meine Kollegen haben ohnehin heute schon zitiert, welche Verdächtigungen in unsere Richtung gingen.

Mir ist klar: Sie sehen, daß Sie mit Ihrer sozialistischen Politik am Ende sind, daß die Wähler keine Glaubwürdigkeit in Ihrer Politik finden, und jetzt versuchen Sie mit einer weiteren Diffamierung der Freiheitlichen noch einige Kohlen aus dem Feuer zu retten! Aber ich bin überzeugt davon, daß Sie damit kein Glück haben werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muß Ihnen auch sagen: Ich kann all Ihre salbungsvollen Reden hier im Parlament nicht mehr hören! Die Abgeordneten Kier, Leikam und so weiter gehen in einer – ich darf es nicht sagen, aber ich sage es trotzdem – heuchlerischen Art und Weise vor, wenn sie die Freiheitlichen zu Beginn ihrer Rede anschütten und diffamieren, von Haßtiraden und allem möglichen sprechen, ihre Rede dann aber immer salbungsvoll beenden. So sagte zum Beispiel Herr Leikam, daß man aus der ganzen Sache kein parteipolitisches Geplänkel machen darf, das sei kein geeignetes Mittel dazu. – Ich gebe Ihnen ja recht! Aber Sie haben während Ihrer gesamten Rede politisches Kapital aus dieser ganzen Sache geschlagen! (Abg. Koppler: Haben Sie Stadler gehört?) Und Herr Abgeordneter Kier hat gesagt – und er hat insbesondere meinen Kollegen Stadler angegriffen –, daß solche Debatten, wie sie heute geführt werden, das Fundament für weitere Attentate sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Parlament haben immer Sie Gewalt und Haßtiraden verbreitet und niemals die Freiheitlichen, das möchte ich Ihnen heute sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Kier! Herr Präsident! Ich möchte auch Sie bitten, mir zuzuhören! Herr Abgeordneter Kier hat sich sogar dazu verstiegen, zu behaupten, Kollege Graf habe das typische Täterverhalten. (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!) Herr Kollege Kier! Ich habe deine Rede hier: "Wer sich in der Selbstbetroffenheit dauernd selbst gemeint fühlt, der setzt ein typisches Täterverhalten." Und so geht das weiter!


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Herr Präsident! Sie haben zwar wegen der Verwendung des Ausdruckes "heuchlerisch" einen Ordnungsruf angedroht, aber wegen dieses Vorwurfs haben Sie Herrn Abgeordneten Kier keinen Ordnungsruf erteilt! Ich finde, das ist wirklich ein Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Kier! Ich frage Sie: Wie liberal sind Sie eigentlich? Empfinden Sie es wirklich als politisch anständig, wenn Sie Herrn Abgeordnetem Graf vorwerfen, er hätte ein typisches Täterverhalten? Wissen Sie eigentlich, was Sie ihm damit vorhalten? Jetzt ist Ihnen zum Lachen! Aber wie würden Sie reagieren, wenn wir Ihnen ein Täterverhalten vorwerfen würden, das dem eines Bombenattentäters entspricht? Würden Sie dann auch noch lachen? – Ja, Sie schauen so aus, als ob Sie dann auch noch lachen würden! Das paßt zu Ihnen! Das ist Ihr Täterverhalten! Das ist Ihr typisches Täterverhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sollten die heutige Debatte zum Anlaß nehmen, sich bei den Freiheitlichen zu entschuldigen. Sie sollten sich dafür entschuldigen, daß Sie uns jahrelang ununterbrochen in eine Ecke gedrängt haben, obwohl Sie genau gewußt haben, daß wir dort nicht hingehören. Sie haben uns in die Nähe von Attentätern gebracht, obwohl Sie gewußt haben, daß das absolut falsch ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten sich heute entschuldigen! Das wäre ein Demokratieverhalten, wie ich es mir vorstellen würde, meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber ich weiß schon, daß Sie diese Größe nicht haben, die fehlt Ihnen! Und in Ihrer großen Verzweiflung, daß Sie Ihr liebstes Spiel, nämlich die Freiheitlichen in die Nähe von Rechtsextremisten zu rücken, jetzt nicht mehr spielen können, versteigen Sie sich heute in dieser Debatte auch noch dazu, Schuldzuweisungen vorzunehmen, indem Sie behaupten, daß wir weiterhin mit Gewalt in Verbindung stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich rate Ihnen: Probieren Sie es einmal mit ehrlicher politischer Arbeit und nicht mit Diffamierungen, dann hätten Sie mehr Erfolg! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir haben jetzt noch eine Wortmeldung in dieser Debatte. Sie kommt von Herrn Abgeordneten Dr. Haider. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé! Ich habe mir eine kleine Sammlung von Formulierungen angelegt, die heute in dieser Debatte gefallen sind. Wir werden in der nächsten Präsidiale Gelegenheit haben, wieder einmal über dieses Thema zu reden. Es ist dies nicht die erste Debatte dieser Art. Ich möchte nun aber ersuchen, daß wir endlich einmal aus solchen Diskussionen Konsequenzen ziehen und uns auf allen Seiten zur Mäßigung verpflichten!

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Haider. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

15.50

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn man die heutige Debatte ein wenig verfolgt hat, dann hatte man das Gefühl, Herr Öllinger, daß Sie heute einen ziemlichen Slalom fahren mußten, um vergessen zu machen, wie Sie bei ganz anderen Anlässen sehr großzügig und auch brutal in der Zuordnung von Schuld in Richtung der Freiheitlichen verfahren sind. Wenn Frau Kollegin Stoisits hier von "politischem Kleingeld" gesprochen und Herr Anschober gesagt hat, es sei geschmacklos, was die Freiheitlichen da aufführen, dann darf ich Ihnen doch einige Ihrer Geschmacklosigkeiten in Erinnerung rufen, Frau Kollegin Stoisits, denn Sie haben anscheinend ein kurzes Gedächtnis.

Sie haben am 6. Oktober 1994 gemeint, daß alle bekanntgewordenen Textstellen im Zusammenhang mit der neuen Briefbombenwelle wortidentisch mit den Wahlkampfaussagen der FPÖ und deren Obmannes Jörg Haider seien. (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!) Das heißt, Sie haben einen ganz bewußten Kontakt hergestellt.


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Frau Kollegin Stoisits! Sie haben am 6. April 1995 in einer Debatte hier im Haus gesagt, Sie würden sich als aufrechte Demokratin wünschen, daß die Führer dieser Partei zu 20 Jahren Gefängnis in Österreich verurteilt werden. Ihre Rede, Frau Kollegin Stoisits! (Abg. Mag. Stadler: Ja, das haben Sie gesagt!) 20 Jahre wollten Sie jene einsperren lassen, die dafür sorgen, daß heute die Dinge aufgeklärt werden, damit linker Terror in Österreich nicht mehr möglich ist und hier keine einseitigen Schuldzuweisungen möglich sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20 Jahre wollen Sie uns einsperren lassen dafür, daß wir es gewagt haben, Ihnen Ihren eigenen Spiegel vorzuhalten! Das vergessen Sie nur allzu gerne! Daher sage ich Ihnen: Sie haben heute zweifelsohne keine allzu überzeugende Figur gemacht. Denn Sie ziehen sich jetzt nur mehr darauf zurück, zu sagen: Jede Aktion, die fremdenfeindlich ist, fördert ein fürchterliches Klima! – Da frage ich mich wirklich: Für wen gilt, daß er fremdenfeindlich ist?

Es gibt etwa die Aussage eines österreichischen Bundeskanzlers, der vor kurzem abgetreten ist und der, als Herr Zentralsekretär Cap noch im Amte war, gemeint hat: Wir brauchen keine polnischen und tschechischen Salamihändler auf den österreichischen Straßen. – Das ist nicht ausländerfeindlich, sondern völlig okay, wenn es von der SPÖ kommt. Würden das die Freiheitlichen sagen, wäre es jedoch katastrophal!

Kollege Cap selbst sagte, er würde sich wünschen, daß die Ausländer, die nach Österreich wollen, 24 Stunden bei laufenden Motoren an der österreichischen Grenze warten müßten, denn dann vergeht ihnen die Lust auf die Einreise nach Österreich. – Das ist überhaupt nicht ausländerfeindlich, das schafft überhaupt kein ausländerfeindliches Klima!

Oder: Herr Kollege Marizzi hat gesagt: Das Boot ist voll. – Wehe dem Freiheitlichen, der das sagt! Das wäre selbstverständlich ausländerfeindlich. Bei Ihnen ist es staatspolitische Verantwortung, überhaupt keine Frage! Sie sind die Superdemokraten, die dieses Klima nicht fördern!

Herr Busek hat zwei Tage vor einer Wahl, die er verloren hat, gemeint: Alle Illegalen gehören sofort abgeschoben. – Stellen Sie sich vor, ein Freiheitlicher würde sagen: Alle Illegalen gehören sofort abgeschoben!

Herr Häupl, der Wiener Bürgermeister, sagte, daß er eine Aktion Planquadrat gegen alle Ausländer in Österreich will, damit die Illegalen erfaßt werden. Und dann sagte sein Stadtschulratspräsident Scholz, daß er nicht in einem Land leben möchte, in dem gegen die Ausländer mit Planquadraten vorgegangen wird. Er hat allerdings nicht gewußt, daß Herr Häupl das selber im Gemeinderat gefordert hat! (Abg. Marizzi: Du bist dafür für die Beschäftigungspolitik im Dritten Reich zuständig!)  – Du warst im Boot, gar keine Frage, lieber Marizzi!

Daher sage ich: Dieses geistige Umfeld, das hier immer wieder kritisiert wird, indem man sagt: Alle Parteien sind frei von Schuld, nur einige wenige haben Schuld auf sich geladen!, das wird bei euch sehr deutlich! Wenn Wahlen heranstehen, werdet ihr immer extremer in bezug auf Ausländer, weil ihr Angst habt, ein paar Stimmen zu verlieren. Nachher seid ihr aber wieder die großen Humanisten, die die Grenzen aufmachen, und alles ist blendend. Das ist eine Doppelstrategie, die halt nicht funktioniert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieses geistige Umfeld wird durch eine falsche Politik geschaffen, die die Österreicher überfordert. Wenn Sie in Wien die Gemeindebauten für Ausländer öffnen und die Österreicher warten müssen, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn das geistige Umfeld nicht mehr stimmt! Ein dementsprechendes geistiges Umfeld wird geschaffen, wenn politische Parteien wie die Grünen ohne Konsequenzen, auch von Ihnen noch immer mit Applaus versehen, Sympathie für die Ebergassinger Terroristen haben dürfen. Dazu haben Sie alle immer applaudiert. Man hat schon ganz vergessen, daß im Zusammenhang mit Ebergassing noch Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Sie haben ganz vergessen, daß die Grünen für das mit der Ebergassinger Gruppe zusammenhängende "TATblatt" Geld und ihr Büro in Wien zur Verfügung gestellt haben.

Das heißt: Ihre Partei, meine Damen und Herren, hat ein geistiges Umfeld des Terrorismus, das Sie nicht leugnen können! Sie haben mit Gewalttätern gemeinsame Sache gemacht und tun


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heute so, als wäre all das schon längst vergessen. Aber wir werden schon dafür sorgen, daß das nicht vergessen wird! Sie sind sozusagen die geistigen Urväter dieses Terrorismus in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann sagen Sie: Herr Einem steht heute nicht mehr zur Diskussion, den muß man im Grunde genommen verteidigen. Er ist jetzt Minister eines anderen Ressorts geworden. Entschuldigen müssen sich jene, die Herrn Einem angegriffen haben. – Ich frage mich wirklich, mit welcher Begründung Sie das sagen. Ich glaube, daß sich die SPÖ eher für die Politik, die unter Einem möglich gewesen ist, bei den Österreichern entschuldigen müßte! (Abg. Mag. Stadler: Jawohl!) Denn wenn alles so paletti gewesen wäre, dann hätten sie ihn ja aus dem Innenministerium nicht abziehen müssen! Das ist doch auch ein Hinweis darauf, daß etwas nicht gestimmt hat. Sonst hätten Sie keine Regierungsumbildung vorgenommen, überhaupt keine Frage!

Ich glaube daher, daß man sich eher bei jener blinden Frau entschuldigen müßte, die Opfer Ihrer Anschuldigungspolitik geworden ist, bei der man ins Haus eingestiegen ist und die unter Druck gesetzt wurde, weil Herr Einem nach dem falschen Täterprofil Verfolgungen anstellen ließ! Oder Sie sollten sich bei einem 94jährigen Universitätsprofessor entschuldigen, der verhört wird, nur weil er "Aula" liest. Ein 94jähriger Universitätsprofessor wird verhört! (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Herr Kollege Schwemlein! Sie sollten sich vielleicht einmal entschuldigen ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie finden das wahnsinnig lustig! Es ist wahrlich wahnsinnig lustig, wenn man alte Leute tyrannisiert! Das ist wahnsinnig gut!

Sie sollten sich vielleicht auch bei Ihrem eigenen Parteifreund Dr. Zilk entschuldigen, der immer wieder gesagt hat: Solange Einem im Innenministerium sitzt, wird nicht aufgeklärt. Das hat Zilk selbst gesagt! Bei dem sollten Sie sich entschuldigen, aber nicht von uns verlangen, daß wir uns bei jenen entschuldigen, die den Terror und die Gewalt gesät haben!

Sie sollten sich eventuell auch bei Herrn Sika einmal entschuldigen, der letztlich auch unter Druck gesetzt worden ist! In welcher Gesellschaft befinden Sie sich eigentlich in dieser Bundesregierung? Das ist meine Frage an die Österreichische Volkspartei. In welcher Gesellschaft befinden Sie sich?

Sie kritisieren Herrn Einem und sagen: Er ist aber jetzt Minister eines anderen Ressorts. – Da frage ich wirklich: Er hat zwar offenbar aus Ihrer Sicht Amtsmißbrauch begangen, Herr Kollege Kiss, dennoch sagen Sie, daß er weiterhin in der Regierung bleiben darf. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin vorsichtig! Kollege Koppler! Ich finde es nicht zum Lachen, daß die Unterdrückung eines Täterprofils dazu führt, daß wir monatelang keine Aufklärungsarbeit in die richtige Richtung haben (Beifall bei den Freiheitlichen), obwohl der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit am 12. Jänner 1996 bereits gesagt hat: Wir suchen einen ausgebildeten Chemiker, der sich mit technischem Know-how bei den Briefbomben auskennt. Er hat bereits im Detail beschrieben, welches Profil gefragt sei. Aber er durfte nicht ermitteln lassen. Einem war dafür verantwortlich. Er hat diese Dinge unterdrückt.

Heute sagt Sika in einem Interview: Ich bin psychisch unter Druck gesetzt worden, damit ich ja keine Ermittlungsarbeiten in die richtige Richtung vornehme. – Das heißt, Sie haben einen Minister, der groben Amtsmißbrauch begangen hat, und diesem machen Sie die Mauer! Ich frage mich nur: Was würden Sie tun, wenn jemand Bautenminister ist und bei Korruption bei der Auftragsvergabe erwischt wird? Versetzen Sie ihn dann ins Familienministerium und sagen: Damit ist die Geschichte aplaniert? – In eine feine Gesellschaft haben Sie sich begeben! Da hätten Sie gleich bei den Scientologen bleiben können, da hätten Sie sich gar nicht in diese Gesellschaft begeben müssen, Herr Kollege Kiss! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher sage ich Ihnen: Wir Freiheitliche haben zu Recht den Bundeskanzler heute aufgefordert, Minister Einem abzuberufen. Denn wir glauben, daß das, was hier an Fakten vorliegt, erschwerend genug ist – das wurde auch von Ihnen selbst bestätigt – und daß ein solcher Mensch, der nachweisbar dieser Republik und den Menschen dieses Landes wirklichen Schaden zugefügt hat und die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung mit Füßen getreten hat, nicht in einer österreichischen Bundesregierung sein darf und sein kann! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.01


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88. Sitzung / Seite 80

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegen noch weitere Wortmeldungen vor. Herr Abgeordneter Cap ist der nächste, der sich zu Wort gemeldet hat. – Bitte.

16.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es stellt sich die Frage, ob man sich auf das Niveau begeben soll, das die Kollegen Stadler und Haider hier im Hohen Haus eingebracht haben, oder ob man das nicht soll. (Abg. Mag. Stadler: Auf diese Höhen kommst du gar nicht!) Ich denke, durch die Rede des Herrn Innenministers wurde hier etwas vorgegeben, was von hoher staatspolitischer Verantwortung getragen war, und ich glaube, daß die Ernsthaftigkeit der Ereignisse dazu anhalten sollte, daß man das akzeptiert und daß man versucht, gemeinsam einen Weg zu finden, um all das bewältigen zu können.

Aber das wollen Sie offensichtlich nicht! Sie stellen sich hierher und wollen einfach ein Opfer. Sie wollen einen Schuldigen finden, Sie wollen einen Komplizen finden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Woraus schließen Sie das?) Das betreiben Sie schon seit längerem gegenüber Minister Einem, dem Sie einmal ein Suchtgiftdelikt vorgeworfen haben. (Abg. Mag. Stadler: Wir wollen nicht Unschuldige, sondern Schuldige finden!) Er habe sich in einem Gefängnis in Zwettl befunden. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß das falsch war, daß das ein politischer Versuch war, ihn zu diskreditieren.

Warum betreiben Sie eine solche Politik? Welche Überlegung steckt dahinter? – Ich kann Ihnen das sagen: Das ist die Strategie der Zerstörung von Reputation, der Zerstörung des persönlichen Ansehens! (Abg. Ing. Reichhold: Das machen Sie!) Das ist eine Art der politischen Auseinandersetzung, die unter "geistige Wegbereitung" fällt. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber Sie wollen mehr, und das macht die Unehrlichkeit Ihrer Diskussion aus! Sie müssen wissen, daß es auch Konsequenzen betreffend das Vertrauen gegenüber den politischen Institutionen hat, wenn Sie auf Repräsentanten dieser Republik und auf Repräsentanten von anderen Parteien in dieser Form losgehen. Das habe ich vorher mit staatspolitischer Verantwortlichkeit in schwierigen Situationen, wie diese beispielsweise eine ist, gemeint. Sie stellen aber den Anspruch, in diesem Land die Führung ergreifen zu wollen. Sie stellen den Anspruch, hier einmal Regierungsgewalt ausüben zu wollen. Daher kann ich Ihnen nur sagen: Wir werden alles tun, um eine Gefährdung der Grundlagen unserer Republik und unserer Demokratie zu verhindern! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Dazu ist Ihnen jedes Mittel recht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Haider! Ich frage Sie jetzt: Erinnern Sie sich noch an Ihren Ausspruch, den Sie einmal gemacht haben? – Ich zitiere Haider: "Ich finde es beschämend, daß 180 000 Arbeitslose gemeldet sind und noch immer 140 000 Gastarbeiter im Land sind." Sie haben von "Gastarbeitern" gesprochen, nicht von illegalen Einwanderern oder kriminellen Ausländern, nein, von Gastarbeitern, die von uns historisch empfangen, ja förmlich gerufen wurden, weil sie für die Wirtschaft wichtig waren und für das Wirtschaftswachstum entscheidend waren. Die Botschaft dieses Ihres Ausspruches lautet: Verjagt sie, jagt sie hinaus aus diesem Land! Und da wollen Sie sich hier jetzt als Demokrat präsentieren? Stehen Sie zu diesem Ausspruch, den Sie getätigt haben! Das ist geistige Wegbereitung, Herr Dr. Haider! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Wenn Sie dann von politischen Gegnern kritisiert werden, dann kommt wieder die Strategie der Zerstörung der Reputation, und wenn es die Journalisten oder die Medien tun, dann wird überhaupt alles in Frage gestellt!

Erinnern Sie sich doch an den Ausspruch, den Sie im "profil" 1993 getätigt haben: Wenn wir Freiheitliche mehr zu sagen haben, dann werden wir dafür sorgen, daß nicht mehr soviel gelogen wird in den Redaktionsstuben. (Abg. Dr. Haider: So ist es!) Was hätten Sie mit einem von uns aufgeführt, wenn er das gesagt hätte? Sie rütteln auch hier an den Grundfesten des demokratischen Verständnisses! Sie haben auch hier an den Grundfesten der journalistischen Freiheit gerüttelt! Und dann stellen Sie sich hierher und verteilen Zensuren über Demokratie! Es


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ist ungeheuerlich, was Sie hier tun! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Was Sie hier betreffend Minister Einem von sich geben, ist nur die Fortsetzung dessen, was schon seit langem geschieht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie sich die Rede von Jarolim ausheben lassen?) Ich habe schon vorhin versucht, das zu bewerten: Ob es sich um die Ereignisse rund um Ebergassing handelt, ob es Zwettl betrifft oder ob es diverse andere Vorwürfe sind: Ihr Großinquisitor Stadler versucht immer wieder, seine Zerstörungsarbeit zu leisten. Es war zu erwarten, daß Sie diese Kritik nicht üben werden, aber wie anders soll man die Rede des Kollegen Stadler bewerten, in der er heute letztlich eine Komplizenschaft erzeugt hat, die weit über die bisherige Strategie der Komplizentheorie hinausgegangen ist, indem er nämlich die Eltern und das gesamte Umfeld des Franz Fuchs mit einbezog und versuchte, so eine ganze Partei zu diskreditieren, wie anders soll man das nennen als Erzeugung eines Klimas der Abscheu, des Hasses und der Ablehnung.

Das ist doch ungeheuerlich, was Sie hier getan haben. Und da fehlt mir die Bewertung. Da kann der Herr Dr. Haider noch so tun, als wäre er eine moralische Instanz. Er ist es jedoch weder in seinen Angriffen, noch wenn er sich weigert, solche Entgleisungen wie die des Kollegen Stadler heute zu kritisieren.

Somit komme ich zu einem weiteren Punkt, der in diesem Zusammenhang von ganz besonderer Bedeutung ist: Ich habe nicht erwartet, daß Sie Selbstkritik üben, aber ich habe doch erwartet, daß Sie wenigstens einmal bereit sind, Aussprüche, die Sie vielleicht vergessen machen wollen, indem Sie sich hier hin und wieder in ein demokratisches und staatspolitisches Mäntelchen hüllen, doch einmal selbstkritisch aufzuarbeiten und zu sagen: Ich hätte das besser nicht gesagt, oder Kollege Stadler hätte das besser nicht gesagt, oder Kollegin Partik-Pablé, die heute wieder an der Schraube der Polarisierung drehen und die Verleumdungs- und Diffamierungsstrategie des Kollegen Stadler fortsetzen will, hätte das besser nicht gesagt! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum sagen Sie das nicht über Ihre eigenen Presseaussendungen?)

Warum verhalten Sie sich so? Welches Konzept steht dahinter? Welche Überlegung leitet Sie? – Ich kann es Ihnen sagen: Es ist das Motto: Haltet den Dieb! Sie wollen die gesamte Institution, die Politik, die anderen Parteien nicht nur aus einem kurzfristigen Kalkül schlechtmachen, sondern Sie wollen zerstören, weil Sie auf diese Art und Weise an die Macht kommen wollen. Und dem kann man nur mit härtestem Widerstand entgegentreten! (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern Sie sich doch an das "Lichtermeer" als Demonstration derer, die damals gegen Ihr Ausländer-Volksbegehren aufgetreten sind! (Abg. Haigermoser: "Österreich zuerst"-Volksbegehren hat es geheißen!) Sie haben diese Kundgebung, als Zehntausende Demokraten vor der Hofburg dagegen aufgetreten sind, als "Lichterldemonstration" bezeichnet! Erinnern Sie sich noch an die Veranstaltungen, die Sie im Rahmen dieses Ausländer-Volksbegehrens durchgeführt haben? (Abg. Haigermoser: "Österreich zuerst" hat das geheißen!) Da war nicht von fleißigen und faulen Ausländern, von Legalen und Illegalen die Rede, sondern Sie haben versucht, die niedrigsten Instinkte nicht nur zu wecken, sondern für Ihre Politik auszunützen! Sie haben versucht, Haß und Zwietracht zu säen.

In Anbetracht dessen frage ich mich: Wie kann jemand, der damit Politik gemacht hat und letztlich auch vorhat – das kann man feststellen, wenn man sich die letzten Bierzeltreden in Oberösterreich in Erinnerung ruft – , weiterhin damit Politik zu machen, hier am Rednerpult so tun, als wäre er eine politische, moralische oder sonst irgendeine Instanz? – Er ist es nicht! Es wird Zeit, daß es in Ihrer Fraktion endlich einmal eine kritische Diskussion über Ihren Klubobmann und über seinen Bello gibt, der jetzt ein härteres Geschäft vertritt, als es der Klubobmann bis jetzt getan hat! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ein Traummännlein!)

Daher komme ich zum allerletzten Punkt: Sie haben heute die berühmte Sozialisationstheorie entwickelt und gesagt, es kann natürlich ein Nazi-Vater einen linksextremen Sohn haben und es kann natürlich ein linker Vater einen rechtsextremen Sohn haben, oder es kann alle möglichen


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88. Sitzung / Seite 82

Variationen geben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben sehr abgebaut, Herr Abgeordneter Cap!) Wir wissen natürlich, aus welchem Milieu Sie kommen, Herr Dr. Haider! Aber Ihren Ausspruch über die ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich werde ich Ihnen immer wieder vorhalten, weil er für mich kein Zufall ist! (Abg. Mag. Stadler: Das ist schon sehr abgelutscht!) Diesen Ausspruch hören Sie sehr ungern, aber er ist nicht abgelutscht! (Abg. Dr. Haider: Wie lange werden Sie damit noch hausieren gehen?) Ich finde diesen Ausspruch besonders respektlos, wenn man bedenkt, was das bedeutet hat. Zwangsarbeit war eine wichtige Einrichtung, damit der Zweite Weltkrieg überhaupt so lange dauern konnte. Betreffend die ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich stimmt also die Milieutheorie offensichtlich doch!

Es ist höchste Zeit, daß Sie sich dazu einmal eindeutig erklären, daß Sie das wirklich zum Bestandteil Ihrer Politik machen, daß Sie das auch hier erklären und daß Sie vor allem von einer Methode der Auseinandersetzung abrücken, die immer wieder diese Verdächtigungen und diese Interpretationen zuläßt, sodaß wir in unseren Reden – zu Recht, bitte – diese Kritik anzubringen haben.

Das wäre Ihre Aufgabe, das hier zu machen. Das machen Sie nicht, daher werden Sie diese Glaubwürdigkeit, die Sie gerne haben möchten, nicht erringen, daher werden Sie weiter außerhalb des demokratischen Verfassungsbogens bleiben und auch bleiben müssen, auch wenn Sie auch das ungern hören. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sind Sie auch in einem politischen Wahlkampf unterwegs?) Sie selbst haben sich ja hinausgestellt, Sie selbst haben sich ausgegrenzt. Und wenn Sie immer wehleidig und weinerlich sagen: Bitte, laßt uns doch hier endlich dabei sein!, muß man Ihnen antworten: Sie selbst haben sich ausgegrenzt. Auch Ihre heutige Vorgangsweise und die Vorgangsweise vor dem Sommer (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Ihnen sehr unangenehm!) sind der beste Beweis dafür, daß Sie sich weigern, sich in diesem demokratischen Spiel auf das kulturelle Niveau zu begeben, auf dem sich das abzuspielen hat. Sie wollen das nicht!

Und solange Sie das nicht wollen, gehören Sie dorthin, wo Sie heute sind. Daher werden Sie auch auf den härtesten Widerstand von uns stoßen – bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Widerstand wird aber immer weicher!)

16.11


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88. Sitzung / Seite 83

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

16.11

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eigentlich zu den Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei heute nur so viel sagen (Abg. Haigermoser: Ich bin nicht Ihr Kollege!), daß ihr Versuch der Ablenkung, den sie da mit den letzten Wortmeldungen gestartet haben, gründlich mißlungen ist. (Abg. Haigermoser: Ich weigere mich, von Ihnen als Kollege bezeichnet zu werden! Ich lehne das ab!)

Sie müssen sich nur eines vor Augen halten, nur das eine: Wer hat von den Abgeordneten hier eine Briefbombe erhalten? Haben Sie eine erhalten, oder haben meine Kolleginnen Petrovic und Stoisits eine Briefbombe erhalten? (Abg. Mag. Stadler: Vielleicht sind wir schon verdächtig, weil wir keine erhalten haben!) Überlegen Sie noch einmal – meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon darauf hingewiesen –, aus welcher politischen Verantwortung, aus welcher Gesinnung heraus die Bekennerschreiben formuliert waren und aus welcher ganz eindeutig zuordenbaren Gesinnung heraus diese Briefbomben geschickt wurden. (Abg. Scheibner: Also was ist jetzt? – Abg. Ing. Reichhold: Also seid doch ihr verantwortlich?) Überlegen Sie sich auch die politische Verantwortung und die Rolle der politischen Verantwortung, um die es hier geht, und dann sparen Sie sich Ihre Ablenkungsmanöver (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wovon sollen wir den ablenken wollen?), mit denen Sie in letzter Minute kläglich versuchen, in Richtung der grünen Partei zu agieren, die sich immer ganz klar von jeder Art des Terrors distanziert hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zahlreiche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat sich ein zweites Mal zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit beträgt noch 2 Minuten. – Bitte.

16.13

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Kollege Cap! Lieber Alt-68er Cap! Damit bist du nämlich Gesinnungsgenosse des Herrn Fuchs; ich weiß nicht, ob dir das schon aufgefallen ist. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Lieber Alt-68er Cap! Der gehört nicht zu uns. Ich bin kein 68er. Ich kenne da herinnen keinen 68er! Sein Schulfreund sagte, er sei ein Alt-68er. Du bist auch ein Alt-68er. Du bist ja immer stolz darauf. Ich kann mich noch erinnern, wie Kollege Cap mit einem Palästinensertuch um den Hals wahlkämpfen gegangen ist, als er noch um ein Direktmandat gekämpft hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Um den Hals hat er es nicht gehabt! Es war immer neu!) Später hat er dann ein Mascherl getragen. Aber er ist ein Alt-68er, er ist es immer geblieben, das hat er immer wieder betont.

Das hat mit uns nichts zu tun, glaub mir das! Das ist nicht unsere Gesinnung, die der Herr Fuchs hat. Das kannst du drehen und wenden, wie du willst, und da nützt auch deine Saunarede nichts, die du jetzt gehalten hast. Das war nämlich genaugenommen der zweite, und zwar der kalte Aufguß dessen, was der Herr Jarolim schon gesagt hat. Exakt die gleiche Rede! Ich habe sie mir nämlich ausgehoben, weil er sich ein paar unglaubliche Fehlleistungen erlaubt hat. Genau das gleiche. Er hat dir die Rede sogar heruntergegeben. Bitte, du solltest nicht soweit gehen, daß du dir die Reden von einem Klubkollegen, zudem noch von einem von der Hinterbank, vorreden läßt. Du warst früher nämlich schon einmal besser, lieber Josef Cap. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht nur vorschreiben, sondern auch vorreden!)

Caspar Einem hat, was seine Verhaftung im Waldviertel anlangt, ganz bewußt beim falschen Gericht – und das auch noch zu spät – geklagt. Erklärt mir das jetzt einmal, wie ernst Caspar Einem seine Verteidigung gegenüber dem Anwurf nimmt! Zu spät und beim falschen Gericht – na so ein Zufall, meine Damen und Herren. Er will überhaupt keine gerichtliche Klärung.

Es ist auch bemerkenswert, daß Kollege Cap heute gesagt hat: Wir werden verhindern, daß diese Dinge aufgeklärt werden. Das hast du gesagt! Du hast gesagt, ihr werdet verhindern, daß diese Dinge aufgeklärt werden. (Abg. Schwemlein: Blanker Unsinn! Das ist blanker Unsinn!)

Du warst es, mein Lieber, du warst es, der applaudiert hat, als die Frau Stoisits seinerzeit 20 Jahre Haft allein dafür verlangt hat, daß man überhaupt Freiheitlicher ist. Das ist eine liberale Gesinnung! Das sind die Ultrademokraten! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Demokratie!) Das ist Demokratie Marke Cap.

Mein lieber Josef, ich will dir etwas sagen: Auf den "Verfassungsbogen", den du heute beschworen hast (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen)  – ein Konstrukt des Kollegen Khol –, auf diesen "Verfassungsbogen" mit der Terroristenlinie verzichten wir gerne. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Abgeordneter Wabl zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.15

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fekter! (Abg. Dr. Fekter: Ich höre!) Ihr Zwischenruf, ich würde Sie heute nicht mehr überzeugen, wird mich besonders anspornen. – Ach, das war von der Kollegin Bauer, Entschuldigung! (Abg. Dr. Graf: Die hat die gleiche Stimme!) Ich habe nicht so genau darauf geachtet.

Meine Damen und Herren! Ich bin in diese Schule gegangen, in die auch der Herr Fuchs gegangen ist, und ich war erst 16 ... (Abg. Mag. Stadler: Bist du auch ein Alt-68er?) Ich bin kein 68er, aber ich bin in dieser Zeit politisiert worden. (Abg. Dr. Haider: Du warst aber auch einmal


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88. Sitzung / Seite 84

Sozialist wie dein Vater!) Mein Vater war sozialdemokratischer Bürgermeister. Ich habe eine klassische Biographie. In der Rasterfahndung wäre ich wahrscheinlich auch dabei. (Abg. Mag. Stadler: Du bist aber noch nicht 50!)

Herr Kollege Stadler, ich weiß schon, Sie finden das sehr lustig. Als Sie heute hier Ihre Rede eröffnet und gesagt haben, es war ein sozialdemokratischer Genosse, der die Briefbomben gebastelt hat, habe ich mir gedacht: Was treibt einen Mann, der sich Abgeordneter nennt, dazu, solche Behauptungen aufzustellen (Abg. Mag. Stadler: Es stimmt ja!), einen Mann, der außerdem noch vorgibt, er möchte für sein Parteiprogramm die christlichen Werte wieder festigen? (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Was treibt einen Mann hier heraus, der offen zugibt, er sei der scharfe Hund des Führers? (Abg. Mag. Stadler: Die Fakten treiben mich!)

Meine Damen und Herren! Ich habe oft den Eindruck, einzelnen Abgeordneten aus Ihren Reihen wird unrecht getan. Ich habe noch öfter den Eindruck, vielen Wählerinnen und Wählern, die Sie wählen – bewußt oder unbewußt oder unwissend – wird unrecht getan. (Abg. Mag. Trattner: Die sind alle deppert!) Nein, den Eindruck habe ich nicht, daß die alle deppert sind, ich habe den Eindruck, daß sie sehr oft unwissend sind. (Abg. Ing. Reichhold: Ja, ja!) Sie wissen viele Dinge, aber viele Dinge wissen sie auch nicht. (Abg. Ing. Reichhold: So wie die Grün-Wähler!) Ja, ich glaube, das kommt oft vor. Es gibt auch Leute, die wählen die Grünen und wissen gar nicht, daß diese ganz bestimmte Positionen vertreten, die sie selbst eigentlich nicht vertreten und wählen können. Das kommt auch oft vor. Die wählen dann nicht mehr grün, die wählen dann freiheitlich zum Beispiel. Das kommt vor. Es gibt Wählerinnen und Wähler, die irren sich. (Abg. Dr. Graf: Immer öfter!)

Ich habe den Eindruck – ich sage Ihnen das ganz offen –, Ihnen wird auch oft unrecht getan, aber bitte, was Sie heute hier geboten haben und auch Sie, Herr Kollege Haider, das ist einfach eine Qualität, die für mich neu ist. Die ist für mich neu! (Abg. Ing. Reichhold: Was sagst du zum Kollegen Leikam? Was ist denn das für eine Qualität? Ist das besser?)

Herr Kollege Stadler! Es ist positiv an dieser ganzen Diskussion, und ich halte es auch für positiv für die Parteienlandschaft Österreichs, daß es keine Partei gibt, die mit dem Terror liebäugelt, daß es keine Partei gibt, die den Terror gutheißt. Das ist eine positive Tatsache in unserer Republik, meine Damen und Herren, denn das war nicht immer so. (Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie das nicht schon vor zwei Jahren gesagt?) Aber die Frage ist, ob in diesem Land ein bestimmtes Klima entstanden ist, für das mehrere gesorgt haben, nicht nur freiheitliche Abgeordnete.

Herr Kollege! Wir haben in den letzten Jahren, in den letzten Jahrzehnten sehr oft kritisch darüber diskutiert, warum denn plötzlich eine bestimmte Geisteshaltung so stark werden kann. Dafür kann nicht nur die FPÖ verantwortlich sein. Aber heute, hier und jetzt gibt es meines Erachtens nur mehr eine Partei, die so prononciert genau eine bestimmte Linie verfolgt im Zusammenhang mit den Menschenrechten, im Zusammenhang mit den Ausländern, im Zusammenhang mit unserer Geschichte. Und das, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, hat nichts damit zu tun, daß Sie jetzt kriminell geworden sind, das hat nichts damit zu tun, daß Sie jetzt den Terror befürworten, aber Sie sind offensichtlich ahnungslos in einem ganz bestimmten Bereich Ihrer politischen Verantwortung. Denn was ist es, wenn ich auf der Straße freiheitlichen Wählern begegne und die zu mir sagen: Wenn der Haider am Ruder ist, dann werden Sie nicht mehr da sein! Wenn der Haider am Ruder ist, werden die alle eingesperrt!?

Jetzt mache ich Sie nicht unmittelbar dafür verantwortlich, ich sage nicht, daß Sie das verursacht haben, aber Sie haben mit Ihrer Art der Politik dieser Art des Denkens Vorschub geleistet! Und das ist das Problem! (Beifall bei den Grünen sowie bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ihre Abgeordnete sagt das da herinnen, nicht auf der Straße! Da herinnen sagt sie es!)

Meine Damen und Herren! Vor zwei Wochen erschien ein Artikel in der deutschen Wochenzeitschrift "Die Zeit" mit dem Titel "Populisten in Europa. Das neue Bildnis des Jörg Haider". (Abg. Ing. Reichhold: Die Stoisits will mich einsperren! – Abg. Dr. Partik-Pablé: 20 Jahre Haft


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für jeden Freiheitlichen! – Abg. Ing. Reichhold: 20 Jahre Haft, hat sie gesagt!) Kollege, ja, wenn sie das so gesagt hat, dann war es meines Erachtens nicht sinnig. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sagen Sie!) Ja, ich halte das für eine Aussage, die nicht besonders passend war, aber ich verstehe, daß man hier am Rednerpult durch Ihre Provokationen manchmal auch Dinge sagt, die nicht stimmen. (Abg. Ing. Reichhold: Ach, Sie verstehen! Verstehen auch noch! – Abg. Mag. Stadler: Wären zehn Jahre richtig gewesen? – Abg. Dr. Krüger: 20 Jahre sind zuviel, aber zehn Jahre, das paßt!)

Ich wollte diese merkwürdige Aussage der Frau Kollegin Partik-Pablé berichtigen, daß Frau Kollegin Stoisits behauptet hätte, die Freiheitlichen gehören verbannt aus Österreich. Ich habe mir die bösartige Bemerkung erlaubt, das würde nicht gehen. Wer würde sie nehmen? (Lebhafte Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Euch würde schon gar keiner nehmen!) Ja, ich weiß schon. Ich halte auch so Sprüche wie "Nazis raus aus Österreich!" für eine Dummheit, denn wir müssen selbst mit unseren Menschen fertig werden und die Dinge gemeinsam lösen. Das ist meine Überzeugung!

Aber jetzt zu dem Geist, den Sie verbreiten. In diesem vor zwei Wochen erschienenen Artikel steht, daß Haider sich ein neues Image verpassen möchte. Er war in Harvard und hat dort die neuesten ökonomischen Kenntnisse studiert. Da gibt es einen Jacob Heilbrunn, dem er ein Interview gegeben hat, und dieser schreibt hier: "Das Problem ist, er hat Konzentrationslager ,Straflager‘ genannt, die Waffen-SS als ,liebe Freunde‘ und ,ordentliche Leute mit gutem Charakter‘ gelobt, ,die in der Öffentlichkeit die ganze Ehre und den Respekt der Armee verdienen‘. Auch hat er Hitlers ,ordentliche Beschäftigungspolitik‘ gelobt."

Meine Damen und Herren! Diese Sätze stehen da so still in einer Zeitung, werden von manchen gelesen und von ihnen nicht ganz ernst genommen. Aber ich glaube, daß diese Geisteshaltung, auch wenn sie nicht bewußt eingesetzt wird – manche meinen ja, daß Sie das bewußt machen, Herr Kollege Haider, manche meinen, daß das nur Ihre Sozialisation ist –, dazu beiträgt, diese Stimmung zu verbreiten, und manche Menschen, die früher hinter vorgehaltener Hand in Hinterzimmern bestimmte Nazilieder gesungen haben, können das jetzt freiweg tun. So gibt es beispielsweise in meiner Gegend hochrangige Beamte, die Nazilieder anstimmen, aber ich sage Ihnen, es gibt auch couragierte Leute in den Gasthäusern, die sagen, in meinem ... (Abg. Mag. Stadler: Die Nazi gibt es nicht nur in der Steiermark! Die teilen sich diese beiden Parteien auf!) Nein, nein, nein, Sie schaffen es mittlerweile ja schon in sehr ... (Abg. Mag. Stadler: Da gibt es eine Abmachung zwischen diesen zwei Parteien!)

Es geht überhaupt nicht darum, ob das FPÖ-Mitglieder sind. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, das haben wir ausdiskutiert, daß die FPÖ, seit es freie Wahlen in der Zweiten Republik gibt, nicht die Mehrheit davon gehabt hat. Es gibt genug Nazis in den anderen Parteien, das sage ich Ihnen ganz offen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist aber nett!)

Aber, Herr Kollege Haider, daß diese Menschen jetzt ... (Abg. Ing. Reichhold: Es gibt auch Deutschnationale!) Ja, aber da wurde in einer falsch verstandenen Integrationsabsicht versucht – gerade die ÖVP in der Steiermark hat das versucht –, sich die Deutschnationalen einzuverleiben. (Abg. Ing. Reichhold: Auch die Nazis, nicht nur die Deutschnationalen!) Auch die Nazis. Ich weiß, daß da ein Unterschied ist. (Abg. Dr. Graf: Es gibt auch Deutschnationale bei den Grünen!)

Herr Abgeordneter Haider! Diese Sätze, die Sie gesagt haben, die verbreiten nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland eine ganz bestimmte Stimmung, und das ist eigentlich das größte Hindernis, Sie als politischen Partner ernst zu nehmen.

Viele Dinge, die von jedem einzelnen hier in diesem Haus gesagt werden, sind ernst zu nehmen, weil sie oft eine massive und klare Kritik an Zuständen in unserem Land vorbringen. Herr Kollege Haider, ich weiß schon, es gibt bei Ihnen nur ein Schema: die Anständigen und die Unanständigen, die Freunde und die Feinde, die Freiheitlichen und die Blattläuse, die man vertilgen muß mit Unkraut-Ex und anderem. Ich weiß schon, das ist bei Ihnen ein sehr einfaches Muster. So wie das heute auch bei dem Bild in der "Kronen Zeitung" dokumentiert worden ist:


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Man sieht bei diesem Mann praktisch schon, das muß ein Krimineller sein. – Die Polizei hätte leichtes Spiel, wenn das wirklich in den Gesichtern zu sehen wäre. (Abg. Dr. Haider: Das haben wir nicht geschrieben! Dafür sind wir nicht verantwortlich!) Ich weiß schon, daß Sie dafür nicht verantwortlich sind, aber für diese Vereinfachung im Leben sind Sie verantwortlich, Herr Kollege Haider. (Abg. Dr. Haider: Sind wir dafür verantwortlich, was die "Kronen Zeitung" schreibt? – Abg. Dr. Graf: Es gibt andere, die sagen, es ist alles so kompliziert!)

Herr Kollege Haider! Ich verstehe, daß Sie sich ein neues Bild verpassen wollen, aber ein neues Bild, das Sie dazu befähigen würde, auf dieser Bank zu sitzen, würde miteinschließen, daß Sie all diese Dinge, die ich hier vorgetragen habe und die andere Ihnen vorgehalten haben, selbstkritisch sehen. Das tun Sie nicht, und ich habe mittlerweile den Verdacht, daß Sie all das aus reinem Opportunismus einmal so und einmal so sagen.

Das ist, glaube ich, der schlimmste Vorwurf, den man Ihnen machen kann, und ich meine, dieses Land ist gut beraten, darauf zu achten, daß Menschen, die diese Art von Verständnis predigen, die diese Art von Verständnis zeigen, in keine politische Verantwortung kommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

16.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt eine neuerliche Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Haider vor. Die Restredezeit für Sie beträgt 10 Minuten. – Bitte.

16.26

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte Kollegen Wabl nur ein paar Worte mit auf den Weg geben. (Abg. Dr. Fekter  – zu Abg. Haigermoser, der eben seinen Platz wieder einnimmt –: Sie wollten schon gehen, und jetzt redet der Chef! Das ist aber blöd!)

Die offenbare Aussichtslosigkeit, mit der Sie heute diese Debatte führen, hat Sie wieder in die Situation gebracht, die Sie am besten beherrschen: am Ende die Freiheitlichen zu beschimpfen und nicht zur Kenntnis zu nehmen, daß sich die Sachlage gravierend verändert hat. (Abg. Wabl: Das sagen Sie!) Und wenn Sie versuchen, uns hier ins Gewissen zu reden – was durchaus legitim ist bei einem Kollegen, der das ernst nimmt –, dann würde ich Sie trotzdem ersuchen, einmal darüber nachzudenken, ob man nicht zuerst vor der eigenen Türe kehren und die eigenen Kollegen einmal auffordern sollte, sich anders zu verhalten.

Frau Kollegin Stoisits zum Beispiel will uns einsperren lassen, nur weil wir Freiheitliche sind! 20 Jahre will sie haben, weil wir Freiheitliche sind! Das steht im Protokoll, und dazu haben Sie alle applaudiert. Applaus der Grünen. (Abg. Dr. Graf: Und der SPÖ!) Lesen Sie das Sitzungsprotokoll vom 6. April 1995 nach! Lesen Sie es nach! Damals haben Sie alle applaudiert, und heute wollen Sie nichts davon wissen! Das zeugt genau von Ihrem kurzen Gedächtnis: Sie wollen das nicht wissen! (Abg. Wabl: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?) Sie wollen nicht wissen, daß Sie uns unter Quarantäne stellen lassen wollen, nur weil wir eine andere Gesinnung haben, die Ihnen nicht paßt! Bei uns ist es umgekehrt: Wir werden alles tun, daß Sie das sagen dürfen, obwohl es uns nicht paßt, was Sie zu sagen haben. Das ist das Entscheidende! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Was haben Sie in Graz gesagt, als linke Studenten gepfiffen haben?) Herr Kollege, ich habe nicht so viele Minuten. (Abg. Wabl: Da haben Sie gesagt, Sie werden dafür sorgen, daß sie nicht mehr pfeifen, wenn Sie an der Macht sind!) Ja, ist schon gut!

Sie haben gesagt, manche von uns wissen nichts und deshalb laufen sie eben irgendwo mit. Die Freiheitlichen sind ja alle geistig Minderbemittelte.

Wissen Sie, Herr Kollege, was ich für viel ärger halte? – Wenn man wissend Unwahrheiten sagt, wissend Unrecht setzt, wissend etwa wie Kollege Anschober, der ein Protokoll mit schwersten Belastungen in der Autobahngeschichte zur Karawanken Autobahn in Händen gehabt hat, es aber deshalb nicht publiziert und veröffentlicht hat, weil es für die Freiheitlichen zu günstig war. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) Das war es! Da war er ganz nervös, als wir das dann vor


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einigen Monaten veröffentlicht haben. Der große Aufdecker der Nation war plötzlich ganz kleinlaut, weil wir ihn ertappt haben, daß er ein seit Monaten in seinem Besitz befindliches Protokoll mit belastenden Aussagen deshalb nicht veröffentlicht hat. (Abg. Mag. Stadler: Wie der Einem!) Er ist im selben Boot wie Herr Einem. Das alles ist die gleiche Masche, mit der Politik gemacht wird!

Genauso schlimm ist es, wenn man wissend ein Terroristenblatt fördert, wenn man wissend mit Terroristen wie den Ebergassinger Tätern kooperiert. (Abg. Mag. Stadler: Das ist Faktum!) Das ist ein Faktum! Die sind mit Ihnen im Boot, die sind in Ihrem Geschäftslokal, die sind in Ihrem Parteilokal, die sind mit Ihrem Geld finanziert worden! (Abg. Mag. Stadler: Das ist der "Verfassungsbogen"!) Das ist Ihr Verfassungsbogen! Diesen Verfassungsbogen mögen Sie sich bitte behalten! Den wollen wir nicht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Das ist eine ganz ordinäre Diffamierung, sonst nichts!)

Sie, Kollege Wabl, spielen sich als Moralapostel dieses Parlaments auf und sagen: Es ist fürchterlich, die Freiheitlichen unterscheiden nur zwischen Anständigen und Unanständigen! – Das ist auch richtig! Das ist eine Philosophie bitte, die durchaus einen sehr konkreten Hintergrund hat. (Abg. Dr. Haselsteiner: Viktor Frankl!) Haben Sie vielleicht einmal die Philosophie von Viktor Frankl nachgelesen, der gesagt hat, in Wirklichkeit gebe es nur zwei Klassen, zwei Rassen, zwei Typen von Menschen: die Anständigen und die Unanständigen. – Sie sollten sich endlich bemühen, zu den Anständigen zu gehören, um nicht unanständig zu werden in der Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten sich im Sinne Frankls bemühen, zu den Anständigen zu gehören. Das ist gar keine Schande, das ist kein Exklusivrecht der Freiheitlichen, und offenbar gehören dazu Hunderttausende, die in den letzten Jahren in Wahlbewegungen zu uns gestoßen sind. Deshalb ist ja Kollege Cap so sauer: weil er mit seiner Propaganda wieder nicht wirksam geworden ist und weil die Sozialdemokratie in Oberösterreich wieder vernichtende Niederlagen erlebt hat, und zwar vernichtende Niederlagen dort, wo sie viel Macht in Händen hatte. Mehrheiten hat sie verloren, Hunderttausende Stimmen sind ihr abhanden gekommen, und jetzt will Kollege Cap uns gegenüber als Zensor Erziehungsmaßnahmen setzen.

Beginnen Sie doch selbst einmal nachzudenken, was Sie falsch gemacht haben! Wem die Wähler davonlaufen, der muß ja einmal darüber nachdenken, was er falsch gemacht hat. Zu uns kommen die Wähler, also haben wir es richtig gemacht. Das ist der Unterschied, mein Lieber! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wenn Sie schon so gegen die Politik für die Anständigen sind, Kollege Wabl, dann frage ich Sie, warum Sie ... (Abg. Wabl  – in Richtung Rednerpult eilend –: Ich bin ja auch für die Anständigen, aber so kann man die politische Situation nicht klären!) Warum sind Sie denn so aufgeregt? Warum sind Sie denn so aufgeregt?! (Abg. Wabl: Ich bin überhaupt nicht aufgeregt, ich wollte mich nur zu Wort melden!) Rennt da hin und her! (Heiterkeit.)

Wenn er also zu den Anständigen gehört, dann muß ich ihn fragen, warum er dann eine Politik des Herrn Einem so massiv verteidigt – und Einem ist ja einer der besonderen Lieblingsjünger der Grün-Alternativen –, warum er jemanden verteidigt, der in einem Interview mit dem "trend" auf die Frage des Reporters: Muß man in der Politik manchmal lügen? antwortet: Man muß im Leben überhaupt manchmal lügen. (Abg. Mag. Stadler: Das glaub’ ich!) Das ist wirklich ein feiner Minister, meine Damen und Herren, den Sie hier in Ihrem Kabinett halten wollen, der von vornherein sagt: Mit der Wahrheit nehme ich es nicht genau.

Deshalb werden Sie verstehen, warum die Anständigen bei uns landen und die Unanständigen noch nicht entschlossen sind, mit Ihnen eine Partnerschaft einzugehen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)


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88. Sitzung / Seite 88

16.3
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88. Sitzung / Seite 89

1

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

16.3


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88. Sitzung / Seite 90

1

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Frau Ministerin! Herr Minister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eher ungewöhnlich, daß ich mich zu einem solchen Thema zu Wort melde, aber ich habe über verhältnismäßig lange Strecken hinweg diese Debatte verfolgt, und ich muß einfach etwas loswerden. Es gibt natürlich Anständige und Unanständige; das ist klar. Es gibt auch Heilige und Scheinheilige, und es gibt natürlich Sachliche und Populisten. Jeder wird sich natürlich irgendwo einordnen, und das steht ihm auch zu, und daher muß ich sagen: Wenn jemand für sich in Anspruch nimmt, er sei eben nicht scheinheilig, dann mag das durchaus seinem subjektiven Empfinden entsprechen, aber deswegen ist es noch lange nicht wahr.

Und eines, Jörg, muß uns schon klar sein – und das kritisiere ich, ob das bei der ÖVP ist oder bei der SPÖ ist, bei anderen Themen, immer genau gleich –: Scheinheiligkeit ist wirklich unerträglich, und deine heute war unübertroffen. (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.) Und ich möchte auch begründen, warum das in meinen Augen so ist.

Selbstverständlich, der Herr Cap hat das seinerzeit gesagt, auch der Herr Vranitzky hat das gesagt, und ich muß sagen, es hat mich immer nicht nur erstaunt, sondern es hat mich auch bis zu einem gewissen Grad berührt, denn ich habe das immer anders eingeschätzt, was die Ausländerfrage angeht. Daß da Aussagen getätigt wurden, die wir als Liberale eigentlich nur mit Kopfschütteln kommentieren können, weil wir uns nicht mehr auskennen, weil wir hoffen, daß es nicht wahr ist oder daß Sie es nicht so meinen, ist eine Sache, daß man aber die Fehler der einen mit den eigenen aufrechnet, diese berühmte Spezialität von dir, Jörg, daß du sagst: Der hat es ja auch gesagt, daher darf es ich auch sagen, das ist ja gar nicht so schlimm!, das ist wirklich ein Ansatzpunkt, den man nicht unwidersprochen lassen kann. Es entschuldigen die Fehler anderer nicht die eigene Fehlleistung. Meine Damen und Herren, das ist doch uralt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Er hat gesagt, man soll vor der eigenen Türe kehren!)

Und es ist natürlich noch etwas, meine Damen und Herren, und dazu muß man ja wirklich kein großer Politiker sein: Es ist die konsequente Wiederholung dieser Platte, dieser ausländerfeindlichen, verächtlichmachenden, demokratiekritischen – in meinen Augen demokratiefeindlichen – Platte, auch etwas, was uns ins Parlament gewählte Mandatare unangenehm berühren muß. Das ist doch nicht etwas, worüber man so einfach hinweggehen kann. Und es ist bei Ihnen System, und es ist beim Jörg in einer besonderen Perfektion System, und das, meine Damen und Herren, hat mit Diffamierung bitte nichts zu tun. Das hat auch nicht mit den 20 Jahren zu tun, das ist schlicht und ergreifend eine Tatsache: Sie radikalisieren verbal in einem unerträglichen Ausmaß, und damit machen Sie sich schuldig für etwas, was vielleicht geschehen kann, diesmal Gott sei Dank nicht geschehen ist.

Ich bin froh, daß dieser Terrorist – erstens – gefaßt ist und – zweitens – kein Freiheitlicher ist. Ich bin froh darüber. Ich bin froh darüber, daß diese Theorie – rechtsextreme Gruppierung, Komplott et cetera – nicht zu stimmen scheint. Aber das, meine Damen und Herren, berechtigt Sie nicht dazu, die Verantwortung abzulegen und zu sagen: Wir sind exkulpiert! Sie sind in diesem Fall vielleicht exkulpiert, Sie sind aber nicht exkulpiert gegenüber dem Vorwurf, daß Sie dieses Land radikalisieren, daß Sie Ausländerfeindlichkeit schüren und daß Sie damit diese Republik insgesamt destabilisieren. Diese Saat, meine Damen und Herren, könnte tatsächlich auch einmal aufgehen, und das wäre dann eine Katastrophe.

Es wäre Ihre Pflicht,  das bei Ihren dauernden Angriffen, bei Ihren Verbal...  (Ruf bei der SPÖ: ...-attacken!) -attacken, -injurien – ich wollte nur den Ordnungsruf vermeiden; ich habe noch 50 Minuten, Herr Präsident, nicht 25 –, meine Damen und Herren von der FPÖ, auch zu bedenken. Dann können wir da heraußen diskutieren und sagen: Jawohl, auch Ihnen und Ihrer Fraktion gebührt so etwas wie Respekt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

16.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic hat sich zum zweiten Mal zu Wort gemeldet. Ihre restliche Redezeit beträgt 3 Minuten. – Bitte.

16.37

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir scheinen nicht die Gelegenheit zu haben, zu erleben, daß sich Herr Dr. Haider über längere Zeit persönlich einer Debatte stellt, aber zumindest der Herr Kollege Stadler ist hier. Es ist mir nämlich wichtig, daß Sie es hören, und ich hoffe, daß Sie nicht so laut schreien, daß Sie es nicht hören.

Ich habe es vorhin bereits erwähnt: Trennen Sie zwischen einem konkreten kriminellen Delikt, das Ihnen niemand unterstellt – niemand hier in dem Haus, wiewohl Sie das immer tun –, und der Frage der politischen Verantwortung. Sie unterstellen konkrete Beteiligung – ohne jeden Beweis, und in der Regel stellt es sich im nachhinein auch als falsch heraus, aber eben später, wenn es niemanden mehr so interessiert, wenn medial Gras darüber gewachsen ist.

Sie haben Menschen hier in diesem Haus die Beteiligung an Delikten unterstellt. Nicht in einem einzigen Fall hat sich das als wahr erwiesen, nicht in einem einzigen Fall konnten Sie Beweise erbringen, aber Ihnen unterstellt trotzdem noch immer niemand die Beteiligung an einem Delikt. Der Frage der politischen Verantwortung aber haben Sie sich zu stellen, und wenn Sie bei dieser Einteilung bleiben – in die Anständigen und die Unanständigen –, dann frage ich Sie: Hat das ein Anständiger oder ein Unanständiger gesagt? – Wörtliches Zitat: "Man hört schon in der Schule von der Türkenbelagerung im Jahr 1683. Es bedarf keines Anstoßes durch irgend jemanden, um die Analogie zur heutigen Situation zu erkennen, wo wiederum schwarzäugige Leute mit zusammengewachsenen Augenbrauen in den ehemaligen Vorstädten herumschwirren." – Anständig oder unanständig? (Abg. Dr. Graf: Unanständig!) Ja, unanständig. Das ist ein wörtliches Zitat aus einem Bekennerbrief.

Kalt über den Rücken rinnt es mir beim zweiten Zitat, das ich Ihnen vortragen möchte: "Wir haben doch nicht die Türkenkriege vor Hunderten Jahren erfolgreich geführt, um auf Umwegen hier eine Veränderung herbeizuführen." – Anständig oder unanständig, meine Damen und Herren? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Berechtigt!) Ich denke, das beurteilt sich von selbst.

Oder ein weiteres Zitat, meine Damen und Herren: "Hätten unsere Urgroßväter die Ziegelböhmen und Knödelköchinnen bereits an der Grenze niedergeschossen, bliebe den Deutsch-Österreichern das heutige Desaster erspart, sich gegen die Schlagkraft einer Herrenkaste aus Tschuschen wehren zu müssen."

Wie dieses Zitat – es ist ein unanständiges von Unanständigen – dann ankommt bei der Klientel, die auf Ihre politischen Aussagen rekurriert, das lesen Sie hier: "Endlich! Das Ausländer-Volksbegehren ist da!" – Und dann – Zitat –:

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Bitte den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): "Ist der letzte Jugo tot, gibt’s keine Nachbarn mehr in Not." – Heute die "Jugos", damals die "Ziegelböhm’". Ich frage Sie: anständig oder unanständig? (Beifall bei den Grünen.)

16.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen jetzt zum Aufruf der tatsächlichen Berichtigungen . Es sind im ganzen vier Wortmeldungen, die eine tatsächliche Berichtigung zum Gegenstand haben. Ich rufe sie in der Reihenfolge der Wortmeldung auf.

Erster ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Ich mache alle Redner auf die 2 Minuten Redezeitbeschränkung aufmerksam und ersuche jeden, mit der Behauptung zu beginnen, die er berichtigen will.

Bitte, Herr Abgeordneter Kier.

16.41

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Kollegin Partik-Pablé hat hier von diesem Pult aus gesagt, ich hätte dem Kollegen Graf das Täterverhalten eines Bombenattentäters unterstellt.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe Herrn Kollegen Graf nicht das Täterverhalten eines Bombenattentäters unterstellt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Feig ist er auch noch!) Ich habe dem Kollegen Graf das Täterverhalten für das geistige Klima unterstellt. Zu dem stehe ich. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Graf: Das stimmt ja gar nicht!)

16.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste tatsächliche Berichtigung kommt von Herrn Abgeordneten Anschober. (Abg. Dr. Graf: Herr Präsident! Eine persönliche Erwiderung!) Nein, es gibt keine mehr! (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja unglaublich! Wieso gibt es keine persönliche Erwiderung?)

Herr Abgeordneter Anschober, bitte.

16.42

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Minister! Herr Dr. Haider hat in seiner Rede wahrheitswidrig behauptet, ich hätte ein Protokoll über den Straßenbauskandal Karawanken Autobahn vorenthalten und hätte es unter anderem deshalb nicht veröffentlicht, weil dieses Protokoll für die FPÖ von Vorteil gewesen wäre.

Diese Behauptung ist wahrheitswidrig. Ich habe über die Existenz eines derartigen Protokolls aus einem Artikel der "Salzburger Nachrichten" erfahren. Und zweitens: Dieses Protokoll ist, wie ich mich nun überzeugen konnte, sehr wohl belastend für die FPÖ. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

16.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die dritte tatsächliche Berichtigung kommt von Herrn Abgeordneten Öllinger. – Bitte.

16.43

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haider hat in seiner Wortmeldung behauptet, daß die Terroristen von Ebergassing vom Geld der Grünen finanziert wurden und in einem Geschäftslokal der Grünen ein- und ausgingen. (Ruf bei den Freiheitlichen: "TATblatt!")

Diese Behauptung ist unrichtig. Weder wurden die Terroristen oder auch die "TATblatt"-Menschen vom Geld der Grünen finanziert, noch sind sie im Geschäftslokal ein- und ausgegangen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Vom Grünen Bildungswerk! Ich weise es Ihnen nach!)

16.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die letzte tatsächliche Berichtigung kommt von Frau Abgeordneter Mag. Stoisits. – Bitte.

16.44

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich berichtige die Ausführungen von Herrn Abgeordneten Stadler und Herrn Abgeordneten Haider tatsächlich, die hier behauptet haben, ich hätte in der Rede am 6. April 1995 eine Verurteilung aller FPÖ-Abgeordneten zu 20 Jahren gefordert. (Abg. Haigermoser: 25 Jahre!)

Ich berichtige tatsächlich – Zitat aus dem Stenographischen Protokoll –: "Der Strafrahmen bei der Verurteilung von Hans-Jörg Schimanek jun." – Anmerkung von mir jetzt: verurteilt wegen Wiederbetätigung; Anmerkung geschlossen – "ist lange nicht ausgeschöpft. Als aufrechte Demokratin würde ich mir wünschen, daß, wenn es um Ihre Belange, um Ihre Sympathien" – wieder Anmerkung von mir jetzt: der FPÖ bezüglich Schimanek; Anmerkung geschlossen –


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Stenographisches Protokoll
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"geht, einmal die volle Härte des Gesetzes zuschlägt, und in diesem Fall wären das zwanzig Jahre!" – Zitatende. (Abg. Mag. Stadler: Nein, das steht nicht drinnen!)

Ich wiederhole: In diesem Fall, Hans-Jörg Schimanek, wären das 20 Jahre. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Nein, steht nicht drinnen! Das ist glatt gelogen!)

16.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt hat sich noch Herr Abgeordneter Dr. Graf zu einer persönlichen Erwiderung gemeldet. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler: Das ist unanständig! Herausschwindeln! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort – und sonst niemand, bitte!

16.45

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Der Kollege Kier hat hier vom Rednerpult in seiner tatsächlichen Berichtigung nunmehr darzulegen versucht, daß er mir kein Täterverhalten zuordnet. Ich möchte hierzu persönlich erwidern und zitiere aus dem heutigen Redeprotokoll. Ich werde nichts hinzufügen, nur zitieren.

Der Herr Abgeordnete Kier führte aus: "Herr Kollege Graf! Mit aller Deutlichkeit sage ich Ihnen: Wenn Sie sich so betroffen fühlen, wenn jemand den objektiven Befund erstellt, daß der Opferkreis, daß die Zielorientierung der Bekennerschreiben, all diese Details, eindeutig politisch zuordenbar sind, wenn Sie sich da betroffen fühlen, dann ist das Ihr Problem. Darauf mache ich Sie aufmerksam!"

Und weiter: "Wer sich in der Selbstbetroffenheit dauernd selbst gemeint fühlt, der setzt ein typisches Täterverhalten."

Und schließlich meinte er: "er ist ertappt bei seinen Argumenten".

Sie haben mir Täterverhalten vorgeworfen und sind jetzt nicht einmal Manns genug, das zuzugeben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Damit sind die tatsächlichen Berichtigungen absolviert.

Wir kommen jetzt zu einer Abstimmung. Ich bitte die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber einem Mitglied der Bundesregierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt worden.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3018/J bis 3059/J.

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 17/JPR.

2. Anfragebeantwortung: 2853/AB.

Anfragebeantwortungen (Präsident des Nationalrates): 14/ABPR bis 17/ABPR.


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B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 594/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung der Resolution der Bundesarbeitskammer vom 22. September 1997 bei der Pensionsreform,

Antrag 595/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung des Weißbuches der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten vom September 1997 bei der Pensionsreform;

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 597/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union (WEU);

Bautenausschuß:

Antrag 596/A der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird;

Budgetausschuß:

Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1996 (III-92 der Beilagen);

Justizausschuß:

Antrag 601/A der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz, BGBl. 1979/140, zuletzt geändert durch BGBl. I 1997/6, geändert wird;

Landesverteidigungsausschuß:

Antrag 593/A (E) der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres in seiner milizartigen Struktur;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 592/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird,

Antrag 600/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend den sukzessiven Ersatz des Ziffernnotensystems durch pädagogisch sinnvolle Systeme der Leistungsrückmeldung;

Verfassungsausschuß:

Antrag 598/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend echte Privatisierung der Bundessportheime,

Antrag 599/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz geändert wird,

Antrag 602/A (E) der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen betreffend Bundeszuschuß zur Finanzierung des Österreich-Ringes.

*****


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Wir gehen jetzt in die Tagesordnung ein.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 bis 6 sowie 7 bis 9 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

1. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (882 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen jetzt zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir können daher sofort mit der Debatte beginnen.

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort gemeldet – mit der Bekanntgabe einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. (Abg. Haigermoser: 7!)  – Bitte.

16.48

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): 7 Minuten, ein Kompromiß, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren! Widmen wir uns wieder der Sachpolitik.

Frau Prammer! Ihre Politik ist auf dem Prüfstand. Ich darf, da das wenige Tage nach der oberösterreichischen Wahl noch aktuell ist, ein par Worte zum Wählervertrauen sagen. (Abg. Ing. Gartlehner: Das ist Sachpolitik?) Das ist Sachpolitik, denn die Bürger beurteilen die Sachpolitik, und die Bürger sprachen in Oberösterreich ein vernichtendes Urteil über die Sozialdemokratie. Meine Damen und Herren, das ist Sachpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da brauchen wir gar keine Wählerbeschimpfung. Nehmen Sie das Votum des Wählers zur Kenntnis! Er ist der Souverän, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Die haben die Frau Prammer nicht gewählt!)

Unter anderem stand in Oberösterreich auch das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz auf dem Prüfstand, Frau Prammer, in Vertretung der Frau Hostasch. Sie haben im Juni des laufenden Jahres, Frau Kollegin Vorsitzende des Sozialausschusses, parlamentarischen Mist gebaut, dem sich dann der Herr Klima in der Sommerpause gewidmet hat. Er hat versprochen, im September, Oktober diesen "Mist" zu reparieren beziehungsweise auszumisten. Er hat sein Wort verpfändet, seine Ehre verpfändet, meine Damen und Herren. Die Ehre hat er am vergangenen Sonntag verloren, und zwar nicht nur in Linz, Frau Prammer, sondern auch in Wels, wo interessanterweise Ihr Bürgermeister besser abgeschnitten hat als die Sozialdemokratische Partei. Darüber sollten Sie auch ein bißchen nachdenken, warum das so gekommen ist.

Meine Damen und Herren! Zuerst novellieren Sie das Ladenöffnungszeitengesetz – mit dem Ergebnis: längere Öffnungszeiten im Handel, Vollarbeitszeitarbeitsplätze werden vernichtet. (Abg. Mag. Stadler: Sehr bemerkenswert!) Anschließend sind Sie baß erstaunt, daß die Zahl der Lehrbetriebe des Handels allein von 1995 auf 1996 von 7 810 auf 7 497 zurückgegangen ist.

Frau Prammer! Das ist kein Zufall. Dafür ist Ihre Politik zuständig. Sie sind vergangenen Sonntag auf dem Prüfstand gewesen – und für zu leicht befunden worden, zusätzlich neben der ÖVP (Beifall bei den Freiheitlichen), die interessanterweise – da dreht sich Adam Riese im


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Grabe um! – ein Minus vor dem Ergebnis als Erfolg feiert. Solche "Erfolge" lassen wir Sie weiterhin feiern, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Abg. Mag. Stadler: Ja, genau! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herausgekommen ist bei dieser Novellierung lediglich ein Stückwerk. (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Wir Freiheitlichen stimmen dieser Novellierung aber in dritter Lesung zu, und zwar deswegen, meine Damen und Herren, weil darin Gesundheits- und Krankenpflegedienste beinhaltet sind und auch eine Verlängerung der Arbeitsstiftung für Lebensmittelarbeiter vorgesehen ist. Das wird von uns goutiert, daher unsere Zustimmung in dritter Lesung.

Nun zum Wirtschaftsbund. Herr Stummvoll – er ist wieder einmal abwesend –, der sich auch verbal über die Medien immer kraftstrotzend in Szene wirft, hat gesagt, und zwar noch vor wenigen Tagen: Rasches Handeln ist effizienter als schöne Worte, Appelle alleine sind zuwenig! – Was macht er aber? Er hat all seine Versprechungen, die er über den Sommer abgegeben hat, vergessen. Von den Genossen wird er über den Tisch gezogen, weil jetzt interessanterweise die Finanz – als Gegengeschäft – die Kammerumlage I und II bei den Steuerpflichtigen prüft, was vorher nicht der Fall war. Daher ist Stummvoll wieder eingegangen, weil es um die "Marie", ums Geld geht. Er ist wieder einmal käuflich gewesen. Wieder einmal wurde die ÖVP auf frischer Tat ertappt, wie sie vergangenen Sonntag auch vom Wähler ertappt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da kann Herr "Dr. Joe" feiern, was er will. Dieser sogenannte Sieg ist nicht einmal ein Pyrrhussieg.

Meine Damen und Herren! Weil wir Freiheitlichen fürs Handeln sind, bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Helmut Haigermoser, Mag. Herbert Haupt und Kollegen zum Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (882 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I wird nach Ziffer 3 folgende Ziffer 3a eingefügt:

"3a. § 19a wird folgender Abs. 6 angefügt:

"(6) Abweichend von § 19 kann für Jugendliche, die in Verkaufsstellen im Sinne des Öffnungszeitengesetzes am Samstag beschäftigt werden, wöchentlich eine ununterbrochene Freizeit von 43 Stunden gewährt werden, in die der Sonntag zu fallen hat, wenn an einem Tag der folgenden oder vorausgehenden Woche oder eine zusätzliche Freizeit im Ausmaß eines Halbtages (geschlossene vier Stunden am Anfang oder Ende des Arbeitstages) zwischen 8 und 18 Uhr gewährt wird. Wenn Jugendliche am Samstag nach Abs. 1 in der Zeit zwischen 13 und 17 Uhr beschäftigt werden, kann unter denselben Bedingungen die Freizeit auf 39 Stunden verkürzt werden."

2. In Artikel I Ziffer 4 wird das Wort "sowie" durch einen Beistrich ersetzt und nach der Ziffer "7" folgender Text eingefügt "sowie § 19a Abs. 6".

*****

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wenn es Ihnen ernst ist mit der Schaffung von Lehrstellen, mit dem Schlagwort "Karriere mit Lehre", dann stimmen Sie dieser Ihrer eigenen Forderung zu! Das haben Sie nämlich in Oberösterreich im Wahlkampf verkündet. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben gesagt, Sie werden das in den nächsten Parlamentstagen in Wien beschließen. – Wenn Sie das nicht tun, muß ich mir überlegen, ob ich nicht jenen recht gebe, die behaupten, Sie seien meineidig. Das müßte ich mir wirklich überlegen.


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Diese Behauptungen nehmen immer mehr zu, denn auch ein Kaun in Oberösterreich hat gesagt: Die Kinder- und Jugendschutzbeschäftigtengesetz-Novelle bedarf grundlegender Reparatur. Ich frage: Wo ist denn die Reparatur? Husch, pfusch, und von den Genossen wurden Sie über den Tisch gezogen! Eingegangen wie die berühmte "böhmische Leinwand", einen Deal mit der Kontrolle der Finanz und bei der Kammer Abkassiererei praktiziert!

Meine Damen und Herren! Sie sind einmal mehr auf frischer Tat ertappt worden. Wie gesagt: Unsere Zustimmung in dritter Lesung – aus den erklärten Gründen. Ich erwarte von Ihnen – wenn Sie das Wählervertrauen wert sind, das Sie so gefeiert haben –: Stimmen Sie dem Antrag von uns Freiheitlichen hier und heute zu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Unsere Lösung ist besser!)

16.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Den Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Haigermoser vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsmäßig überreicht worden, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

16.55

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: Ich werde nicht mehr "Annamiarl" sagen! Ich werde das nie mehr tun!) Im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Haigermoser! Der "Scherz" war nicht gut plaziert. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (fortsetzend) : Mein Gott, wir müßten die Schubladen weit unten im Keller anlegen, damit die Freiheitlichen tief genug greifen können. Damit können wir aber schön langsam leben, Herr Präsident! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz kam es durch eine Angleichung an die EU-Richtlinie – Wochenendruhe von 48 Stunden in gewissen Branchen, die sich mit frischen Lebensmitteln zu beschäftigen haben, sprich Bäcker, Fleischer, Konditoren, Molkereiarbeiter – zu Problemen. Wir senken nunmehr, abgesichert durch Kollektivvertrag, diese Wochenendruhe auf 43 Stunden ab. Die Konformität mit der EU-Richtlinie ist trotzdem gegeben, weil dort zu lesen ist, daß die beiden Tage der Wochenfreizeit nur "nach Möglichkeit" aufeinanderfolgen müssen.

Die sozialdemokratische Fraktion hat für diese Problemstellung – das ist auch leicht nachvollziehbar gewesen – immer Verständnis aufgebracht. Trotzdem gab es ganz enorme Schwierigkeiten und einen ziemlich weiten Weg, bis es zu einer Einigung gekommen ist. Mir wird das immer in Erinnerung bleiben. Aber wenn Herr Kollege Haigermoser von "parlamentarischem Mist" spricht und sich auf der anderen Seite für die Verlängerung der Aufleb-Stiftung ausspricht – was ich grundsätzlich für richtig halte –, dann muß ich ihm in Erinnerung rufen, daß es genau an diesem Punkt vor der Sommerpause gescheitert ist. Man wollte das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz novellieren und über die Aufleb-Stiftung später reden. Das haben aber wir von der sozialdemokratischen Fraktion nicht zugelassen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Wissen Sie, wer zu den 72,5 Millionen beiträgt? – Die Wirtschaft! Und die Arbeiterkammer zahlt keinen roten Heller!)

Ich sage Ihnen folgendes: Diese Verlängerung kostet die Wirtschaft nichts: weder rote noch blaue Heller oder luckerte Heller. Schauen Sie sich das doch an! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Bei den ersten Plenumstagen diesen Herbst sind wir bezüglich dieses Themas sehr eng beisammen gewesen, allerdings kam von der ÖVP ein Nein zur Absicherung über Kollektivverträge. Erst der Zeitdruck hat ein positives Ergebnis gebracht. Dadurch sind aber weitere wichtige Voraussetzungen für die Lehrlingsoffensive der Bundesregierung geschaffen worden.


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Um Ihnen gleich zuvorzukommen, damit Sie nicht wieder sagen, daß das nichts gebracht hätte, bringe ich die neuesten Daten zum Lehrstellenmarkt: Bis Ende September 1997 langten bei der Wirtschaftskammer Österreichs 44 219 Lehrverträge ein. Damit lag dieser Wert um 3 233, ein Plus von 7,9 Prozent, über dem Wert des Vorjahres. Voraussichtlich dürfte 1997 die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr erstmals seit 1978 wieder geringfügig zunehmen. Die Zahl der verfügbaren offenen Stellen lag Ende September um 15,5 Prozent über dem Vorjahreswert. Von Juli bis September 1997 wurden vom AMS 19 932 Lehrstellensuchende vermittelt. Damit lag dieser Wert um 34 Prozent über dem Vorjahreswert. – Das nur, um Ihrer Kritik zuvorzukommen; ich kenne ja diese Polemik zur Genüge. (Zwischenrufe der Abgeordneten Scheibner und Haigermoser. )

Mit Erstaunen habe ich allerdings die Äußerung des Kollegen Stummvoll – nachzulesen im "Standard" – vernommen: "Zwar ein Kompromiß, aber noch lange keine Garantie für mehr Lehrlingsbeschäftigung."

Wir werden heute noch einen Abänderungsantrag einbringen; darauf werde ich später zurückkommen. Aber wenn man jetzt schon "vorbaut", wie Herr Kollege Stummvoll: kein Mehr an Lehrlingsbeschäftigung durch diese Regelung – doch genau deshalb wurde diese Regelung gemacht; das wurde auch bis zum Abschluß seitens des Kollegen Stummvoll nicht geleugnet –, dann stellt sich für mich die Frage: Wann kommt und wie lautet die nächste Forderung, wenn angeblich Lehrlingsbeschäftigung behindert wird? (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Arbeitsplätze und vor allem Jugendbeschäftigung sind uns ein sehr wichtiges Anliegen, doch müssen wir immer daran denken und uns fragen, ob uns all diese Veränderungen recht wären, wenn Jugendliche, die sich in unserem familiären Umfeld befinden, davon betroffen wären. – Das sage ich Ihnen nur einmal zum Nachdenken und erinnere an das Thema Ladenschlußzeit und Arbeitszeitflexibilisierung. Von 8 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen war die Rede – Vollzeitarbeitsplätze wohlgemerkt! –, doch gab es ein Minus von 1 598 an Vollzeitarbeitsplätzen im Einzelhandel von August 1996 bis August 1997, dafür aber ein Ansteigen der Zahl der Arbeitsplätze mit geringfügig Beschäftigten.

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß einer der nächsten Beschlüsse lauten wird, etwas in Richtung soziale Absicherung für geringfügig Beschäftigte zu machen; aber darauf kann ich heute aus Zeitgründen nicht näher eingehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Wieder abkassieren!)

Heute gibt es jedenfalls einen tragfähigen Kompromiß: Es wird den Forderungen der Wirtschaft entsprochen; man entspricht der EU-Richtlinie, ohne den Jugendschutz zu unterminieren. Das, meine Damen und Herren, ist für uns besonders wichtig.

Die Aufleb-Verlängerung wurde von mir schon angesprochen. Es handelt sich – für alle leicht nachvollziehbar – um die Arbeitsstiftung für ehemalige Arbeitnehmer in der Lebensmittelwirtschaft. 3 000 Betroffene wurden schon anderweitig untergebracht. Die Verlängerung um ein Jahr ist enorm wichtig, und ich bin froh darüber, daß Herr Kollege Haigermoser auch ja dazu sagt.

Folgendes möchte ich hier noch zur Sprache bringen: Es geht um die Beschäftigung von Lehrlingen am 8. Dezember. An dieser Stelle möchte ich folgenden Antrag einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (882 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:


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1. Nach Artikel I Z 1 wird folgende Z 1a eingefügt:

"1a. Nach § 18 wird folgender § 18a samt Überschrift eingefügt:

,Sonderregelung für den 8. Dezember

§ 18a. Die Beschäftigung von Jugendlichen am 8. Dezember in Verkaufsstellen gemäß § 1 Abs. 1 und 3 des Öffnungszeitengesetzes, BGBl. Nr. 50/1992, kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden, wenn der 8. Dezember auf einen Werktag fällt. Der Jugendliche hat das Recht, die Beschäftigung an 8. Dezember auch ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Kein Jugendlicher darf wegen der Weigerung, am 8. Dezember der Beschäftigung nachzugehen, benachteiligt werden.‘"

2. Artikel I Z 4 lautet:

"4. Die §§ 17 Abs. 6, 18a sowie 19 Abs. 1, 1a, 2 und 5 bis 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1997 treten am 1. Oktober 1997 in Kraft."

*****

Meine Damen und Herren! Bedingt durch Absicherung durch Kollektivverträge kann man dieser Lösung im Interesse der Jugendbeschäftigung zustimmen.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, daß wir demnächst einen Antrag hier im Hause – hoffentlich gemeinsam – zur Änderung des Bundesvergabegesetzes einbringen werden, der zum Inhalt hat, Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, bei der Vergabe zu bevorzugen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

17.04

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Das ist eine wohl nicht enden wollende Debatte mit erfreulichen Lichtblicken, erfreulichen Lichtblicken, was den Antrag der Frau Kollegin Reitsamer betrifft. Damit hat man einen nächsten Schritt gemacht, um letztlich alte, überholte Dinge zu reparieren.

Ich möchte einige wenige Zitate aus der "Zeit" anführen, die auch wortwörtlich nach Österreich passen: "Die neue Freiheit der Lehre": In diesem Artikel heißt es: "Zigtausende Jugendliche finden keinen Einstieg ins Berufsleben, weil nur ein Drittel der Unternehmen Lehrstellen anbietet. Die Stifte gelten als zu teuer, die Berufsschule lehrt Stoff von gestern, die Ausbildungsbürokratie hinkt hoffnungslos hinter dem Wandel der Arbeitswelt her. Industriebetriebe und Dienstleister bekommen nur qualifizierten Nachwuchs, wenn sie den Rahmen der Vorschriften sprengen." – Zitatende.

Das ist wirklich ein ganz faszinierender Glaube an die Reglementierbarkeit, und wenn man dann vor lauter Reglementierung nicht zum Ziel kommt, sagt man: Schau, schau, schau, die "bösen" Unternehmer beschäftigen jetzt keine Lehrlinge mehr. 

Gleichzeitig startet man aber eine Jungunternehmeroffensive. Wenn Sie aber immer davon ausgehen, daß die Unternehmer prinzipiell Ausbeuter sind, daß sie – übertrieben gesprochen – sozusagen Bestien sind, die man zähmen muß, frage ich Sie: Warum wollen Sie dann eine Jungunternehmeroffensive? Wollen Sie noch mehr Bestien in dieser Gesellschaft?

Es ist doch wirklich unglaublich, in der Diskussion immer wieder feststellen zu müssen, daß man als Normadressat der Gesetze, die der Nationalrat beschließt, wenn man sich als Unternehmer hier zu Wort meldet, geradezu als Störenfried gilt. Man stört die "heilige Halle" der Reglementierung. Auf einmal kommt jemand von draußen und sagt: Freunde, habt ihr euch überlegt, was


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ihr da gemacht habt? Habt ihr euch wirklich überlegt, welche Bestimmungen ihr erfunden habt? Die sind so nicht umsetzbar! – Dann kommt der Herr Öllinger und sagt: Das stimmt gar nicht! – Er weiß es, gehört er doch zur hehren Gruppe der Reglementierer. Er weiß, was edel und gut ist, hat aber keine Ahnung, und zwar überhaupt keine Ahnung, wie die betriebliche Umsetzung dann de facto ausschaut.

Sie schaut so aus, daß ganz einfach weniger Lehrlinge eingestellt werden, daß man das Kostenargument ... (Abg. Öllinger: Das stimmt nicht!) Der Herr Öllinger sagt natürlich: "Das stimmt nicht!" Er sieht die Realität, daß es weniger Lehrstellen gibt, er sieht die Realität, daß es weniger Lehrlinge gibt, aber den Vorwurf, daß er mit seiner Reglementierung das verursacht haben könnte, weist er weit von sich, denn er ist hehr und edel und hat es schließlich gut gemeint, nur: Von der Sache versteht er ganz einfach nichts, weil er sich nie in die betriebliche Realität begeben und sich dort in die tägliche positive, negative, spannungsgeladene, freundschaftliche Auseinandersetzung zwischen Menschen eingelassen hat, wie das in einem Betrieb normalerweise der Fall ist.

Wir leben in einem Verdrängungswettbewerb, und der heißt Kostenmanagement. 50 Prozent der selbständig Gewerbetreibenden zahlen eine Sozialversicherung auf Basis der Mindestbemessungsgrundlage von 12 900 S im Monat. 50 Prozent von ihnen verdienen also weniger als 150 000 S im Jahr. 50 Prozent der Betriebe – das ist der Medianwert – haben eine Umsatzrentabilität von plus/minus null Prozent.

Und Sie erfinden Belastungen und wundern sich dann, wenn die Betriebe sagen: Nein, unter diesen Voraussetzungen nicht mehr! – Das ist wirklich erstaunlich. Man kommt sich als sehr sozial engagierter Unternehmer hier wirklich manchmal vor wie in einem Skurrilitätenkabinett: Es darf alles nicht sein, denn Sie wissen ja, wie es wirklich ist; Sie müssen die Mitarbeiter vor der "Bestie Unternehmer" schützen. – Sie sollten ein Jungunternehmer-Verhinderungsgesetz beschließen, damit es nicht noch mehr "Bestien" in diesem Land gibt. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Die Vorschläge, die Sie gemacht haben, halten wir, soweit sie den ÖVP-Antrag betreffen, für gescheit. Der Kompromiß, der dabei herausgekommen ist, ist meiner Ansicht nach jedoch ungenügend. Wir werden in diesem punktuellen Ansatz in dieser Form nicht zustimmen, obwohl ich betonen möchte, daß es da und dort ein paar Verbesserungsvorschläge gibt.

Ich darf noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Helmut Peter, Maria Schaffenrath, Dr. Volker Kier und PartnerInnen zum Tagesordnungspunkt 1

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag des Sozialausschusses gemäß § 27 Geschäftsordnungsgesetz der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Feurstein und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes (882 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

In Artikel I erhalten die bisherigen Ziffern 1 bis 3 die Bezeichnung 2 bis 4, und es wird eine neue Ziffer 1 eingefügt:

1. § 17 Abs. 2 lautet:

"(2) Im Gastgewerbe dürfen Jugendliche über 16 Jahre ausschließlich während der Sommerzeit bis 23 Uhr beschäftigt werden."

*****


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Jetzt werden wieder einige kommen und viele Scheinbehauptungen vorschieben, weil das doch alles nicht sein könne. Meine Damen und Herren! Warum machen Sie dann bei der vorliegenden Beilage eine Ausnahme in den Bereichen Be- und Verarbeitung frischer Lebensmittel? Diese Ausnahme begründen Sie folgendermaßen: Diese Ausnahme ermöglicht auch eine umfassende Ausbildung der Lehrlinge. – Warum gilt das nicht für die Lehrlinge in der Gastronomie und nur in der Sommerzeit bis 23 Uhr?

Sie schreiben im Artikel 1 zur Frage Jugendliche, die im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege tätig sind, daß diese sogar – horribile dictu! – in der Nacht arbeiten dürfen. Anscheinend braucht man das dort für die Ausbildung, aber daß jemand in der Sommerzeit bis 23 Uhr seinen Dienst versieht – selbstverständlich in dieser Zeit auch produktiv ist und dem Betrieb etwas bringt, denn würde er dem Betrieb nichts bringen, könnte er keine Lehrlingsentschädigung und keine entsprechenden Leistungen von diesem Betrieb empfangen –, das geht nicht. Das verhindern Sie, und dann wundern Sie sich, wenn es weniger Beschäftigte und weniger Lehrlinge in diesem Bereich gibt.

Das, was die Bundesregierung jetzt gemacht hat, ist keine strukturelle Reform. Es wurde mit viel Aufwand, den ich immer als kurzfristigen Erfolg bezeichnet habe, versucht, neue Lehrstellen zu schaffen. Frau Reitsamer hat ja die Zahlen genannt. Das große bittere Wehe aber wird nächstes Jahr kommen, wenn die Zugänge zu den Lehrstellen von jenen Lehrlingen, die heuer zusätzlich aufgenommen worden sind, sozusagen verstopft sein werden. Dann wird es wieder genauso viele junge Leute geben, die eine Lehrstelle wollen. Sie haben ja die Rahmenbedingungen für die Lehre insgesamt nicht wirklich verändert. (Abg. Dr. Trinkl: Das wollen wir ja!)

Ich schließe mit einem Zitat aus der "Zeit": "Alle reden von der Dienstleistungsgesellschaft, aber der Durchbruch ist noch nicht gelungen. Die Sozialpartner hängen an ihren Berufstraditionen, an der Kultur von Facharbeitern in der Produktion, und dort wird wohl der Fehler liegen." – Danke schön. (Beifall der Abg. Schaffenrath. )

17.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben doch verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, wurde entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Trinkl vor. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.11

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn in Österreich die Jugendarbeitslosigkeit eine wesentlich geringere Rolle als in den anderen EU-Ländern spielt, so hat die duale Ausbildung zweifelsohne einen wesentlichen Anteil daran. Es finden immerhin 40 Prozent aller jugendlichen Schulabgänger einen Lehrplatz und machen eine Ausbildung im Rahmen der dualen Lehre.

Die Ausbildungsleistungen in den Betrieben sind großartig. Unsere Lehrlinge sind Weltspitze, und wir werden auf der ganzen Welt um dieses System beneidet. Die duale Ausbildung stellt international zweifelsohne den Wettbewerbsvorteil der österreichischen Wirtschaft dar. Aber trotzdem haben wir festgestellt, daß der Anteil zurückgeht. Im Jahre 1990 waren immerhin noch 50 Prozent aller Jugendlichen im Rahmen einer dualen Ausbildung beschäftigt. Wir von der Österreichischen Volkspartei haben schon sehr früh auf diese Entwicklung hingewiesen und auch immer die Gründe für diese Entwicklung genannt.

Man muß – darin gebe ich dem Kollegen Peter wirklich recht –, wenn man ernstlich zusätzliche Lehrplätze schaffen will, auf die Argumente der Betriebe eingehen und sich damit auseinandersetzen, da – und auch darin gebe ich ihm recht – nur florierende Betriebe in der Lage und willens sind, Lehr- und Ausbildungsplätze anzubieten.


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Ich möchte auch nicht verhehlen, daß Maßnahmen des zweiten und dritten Arbeitsmarktes nur als Begleitmaßnahmen gelten und nur geringe Abhilfe schaffen können, aber nicht auf Dauer helfen. Deshalb haben wir vor dem Sommer ein umfassendes Lehrlingspaket geschnürt. Wir haben das Berufsausbildungsgesetz entbürokratisiert und die Arbeitszeitbestimmungen flexibler gestaltet, und wir haben letztendlich auch versucht, den Ausbildungsbetrieben finanziell unter die Arme zu greifen. Damit haben wir den Betrieben signalisiert: Wir sind an eurer Mitarbeit interessiert, wir anerkennen eure Bemühungen und schaffen jene Rahmenbedingungen, durch die auch in der heutigen Zeit Ausbildung weiterhin ermöglicht wird.

Die Betriebe haben, so meine ich, diese Botschaft tatsächlich verstanden. Frau Kollegin Reitsamer hat mit Recht auf Zuwächse bei den Lehrstellen im ersten Lehrjahr hingewiesen; wir alle können uns darüber freuen. Ich teile die Skepsis nicht, daß damit die Ausbildungsplätze der nächsten Jahre "verstopft" sind.

Wir haben jenen Effekt, den wir wollten, auch erzielt. Vor allem kleine und mittlere Betriebe widmen sich wieder vermehrt dieser Aufgabe. Ich halte es deshalb für angebracht, diesen Betrieben für ihre Leistungen im Bereich der Jugendarbeit, der Beschäftigung von Jugendlichen ausdrücklich und herzlich zu danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe am 19. September von dieser Stelle aus gefordert: Lassen wir die Jugend arbeiten, und werfen wir nicht unnötig Prügel auf jene, die wir als Partner, als Ausbildungsbetriebe brauchen! – Wenn wir heute einige Bestimmungen des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes novellieren, so räumen wir tatsächlich "Prügel" weg, die für viele Ausbildungsbetriebe zum Ärgernis geworden sind.

Ich gebe zu, daß der vorliegende Antrag ein Kompromiß ist, dem zähe und langwierige Verhandlungen vorausgegangen sind. Im Vorfeld war zu hören, daß es in Mode gekommen sei, auf Schutzbestimmungen für Jugendliche herumzutrampeln, daher sei hier mit aller Deutlichkeit gesagt: Wir von der ÖVP bekennen uns zu einem umfassenden Schutz der Jugend! Wir haben uns in diesem Haus durch unser Abstimmungsverhalten immer wieder zum Schutz der Jugendlichen bekannt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wurde auch die Frage gestellt, in wessen Interesse dieser Kompromiß liege. Auch darauf eine ganz klare Antwort: im Interesse jener jungen Leute, die durch zusätzliche Lehrplätze nun eine neue Chance bekommen, die erstmalig in die Lage versetzt werden, ihr Leben mit Arbeit zu beginnen, und sich nicht nach einer Schulausbildung ohne Beschäftigung wiederfinden.

Die vorliegende Regelung ist in der Form, wie wir sie heute, so hoffe ich, beschließen werden, EU-konform. Sie bietet auch die Möglichkeit, auf unterschiedliche Situationen in verschiedenen Branchen einzugehen. Ich bin froh darüber, daß es gelungen ist, durch die Formulierung des § 19 Abs. 1a im Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz eine Lösung zu finden, die es allen Branchen in der Wirtschaft erlaubt, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren.

Ich bedauere, daß Kollege Haigermoser weggegangen ist. (Abg. Haigermoser: Nein, nein!) Entschuldige, daß ich über dich hinweggesehen habe. (Abg. Haigermoser: Ich hänge an deinen Lippen!) Gut, jetzt kannst du etwas lernen. (Abg. Haigermoser: Ich beobachte deine Umfaller!) Wenn du vom Umfallen redest, dann hör mir bitte zu! (Abg. Dr. Haider: Ich bin extra sitzen geblieben, damit ich mir seinen Antrag anhören kann!)

Es gibt mit dem Handel eine Vereinbarung auf Kollektivvertragspartnerebene, die über deinen Antrag hinausgeht. Ich betone daher, daß ich deiner schlechteren Lösung nicht zustimmen kann, sondern daß wir heute eine Lösung präsentieren, die wesentlich besser und flexibler ist. (Abg. Haigermoser zeigt einen Zeitungsartikel vor.) Du bist, wie so oft, der Entwicklung hinterher. (Abg. Haigermoser: Das ist deine Kammerzeitschrift!) Wie so oft bist du hinter den Entwicklungen zurückgeblieben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Es tut mir leid, daß ich dich da verbessern muß. (Abg. Dr. Haider: Habt ihr schon wieder ein sozialistisches Kompromißgesetz gemacht?) Nein, kein Kompromiß! In diesem Fall haben wir uns sogar durchgesetzt. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: "Sogar durchgesetzt"!) Wir sind sehr stolz darauf. Wir wollen unseren Betrieben signalisieren, daß sie bei uns in guten


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Händen sind. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Zuhören und dann urteilen!

Zweites Beispiel: Der Apothekerverband hat einen Kollektivvertrag, demzufolge die Wochenendfreizeit für jugendliche Lehrlinge 48 Stunden beträgt. Sie muß den Sonntag umfassen und spätestens am Samstag um 13 Uhr beginnen. Die Wochenendfreizeit darf um höchstens fünf Stunden verkürzt werden, wenn diese Zeit innerhalb von vier Wochen in halben oder ganzen Arbeitstagen ausgeglichen wird.

Auch dieser Kollektivvertrag ist durch die neue Bestimmung des § 19 Abs. 7 gedeckt. Ich freue mich, daß das heute im Rahmen einer Vorsprache im Sozialministerium ausdrücklich abgeklärt werden konnte, weil damit die Ausbildung in einem sehr attraktiven Lehrberuf auch in Zukunft gesichert sein wird. Andere reden von neuen Arbeitsplätzen, wir handeln, wir schaffen Voraussetzungen für mehr Beschäftigung! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch nicht verhehlen, daß vielen von uns die Formulierung des alten § 19 Abs. 1 des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes lieber gewesen wäre und viele von uns dieser einfachen, kurzen, in einem Absatz abgefaßten Formulierung auch ein wenig nachtrauern. Wir haben es immerhin geschafft, die Formulierung auf die Länge einer ganzen Seite zu strecken.

Trotzdem: Ich bekenne mich genauso wie Frau Kollegin Reitsamer zu diesem Kompromiß, und wir tragen ihn vollinhaltlich mit, da wir der Meinung sind, daß wir damit einen Fortschritt bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die duale Ausbildung erzielt haben.

Mit dem heutigen Tag sind wir einem modernen, flexiblen Ausbildungsrecht wieder einen Schritt näher gekommen. Manche unserer Forderungen sind nach wie vor offen. Da wir heute bereits gefragt wurden, wann die nächsten Forderungen kommen: Sie kommen, wenn Sie so möchten, jetzt! Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur die Schaffung einer Teillehre. Ich bitte Sie, darüber vorurteilsfrei zu diskutieren, denn damit können für junge Leute, für die es heute noch keine Aussichten gibt, Möglichkeiten geschaffen werden.

Der Jugend eine Chance geben!, so heißt es im Regierungsprogramm! Ich bin überzeugt davon, daß wir, wenn wir der dualen Ausbildung jene Bedeutung beimessen, die ihr wirklich zukommt, auch weiterhin auf dem Gebiet der Jugendbeschäftigung erfolgreich sein können. (Beifall bei der ÖVP.)

17.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Öllinger vor. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin! Es ist schwierig, in dieser Debatte noch einige Sachen auf den Punkt zu bringen. Ich versuche es kurz, meine Redezeit ist begrenzt. Wir werden der Verlängerung der Aufleb-Stiftung zustimmen. (Abg. Dr. Ofner: Na sehr gut!)

Nun komme ich zum eigentlichen und wichtigen Punkt, nämlich zu den Änderungen betreffend das Kinder- und Jugendlichenschutzgesetz. Es gab im Ausschuß eine, wie ich glaube, in manchen Punkten und in manchen Momenten durchaus nachdenklich machende Debatte darüber, wie weit die Schutzbestimmungen für Lehrlinge noch abgebaut werden müssen, damit die Unternehmerseite endlich sagt, es sei nun genug und reiche ihr.

Wie weit – das bleibt nicht nur auf den Jugendschutz beschränkt; das waren durchaus nicht nur meine Debattenbeiträge, Herr Kollege Trinkl – müssen die Begünstigungen für die Unternehmer, die es in diesem Jahr – darauf hat Kollege Peter schon verwiesen – durch die Mittel des AMS und der Länder gibt (Abg. Dr. Trinkl: Mit Geld können Sie keinen Arbeitsplatz schaffen, Kollege Öllinger!), sowie die Subventionierung der Lehrlingsbeschäftigung noch gehen (weiterer Zwi


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schenruf des Abg. Dr. Trinkl ), damit die Unternehmerseite sagen kann: Ja, das ist genau das, von dem wir der Meinung sind, das ist betrieblich noch zu rechtfertigen!?

Kollege Trinkl! Ich weise Sie auf einen für den Autor meiner Meinung nach bezeichnenden Kommentar des Herrn Jens Tschebull im "WirtschaftsBlatt" hin, in dem er schreibt, daß erst dann Schluß sei, wenn das Lehrgeld für die Lehrlinge wieder eingeführt worden sei. – Und das ist die richtige Antwort auf das, was derzeit diskutiert wird.

Nun weiß ich, Herr Kollege Trinkl, daß Sie nicht Herr Tschebull sind und weder dieser Meinung sind noch so etwas anstreben. Ich nehme an, daß sich niemand in der ÖVP, niemand in der FPÖ, niemand in diesem Haus dorthin versteigen wird. Trotzdem sei die Frage gestattet: Wie weit sollen der Abbau von Schutzbestimmungen (Abg. Tichy-Schreder: Geld ist keine Schutzbestimmung!) und der Abbau des Entgelts für Lehrlinge gehen – angesichts dessen, daß Sie heute von diesem Rednerpult aus verkünden, daß das, was Sie nun in bezug auf die Flexibilisierung des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes erreicht haben, nur ein Zwischenschritt sei? Es ist nun eine etwas größere Flexibilität erreicht worden, aber Sie würden weitermachen.

Wenn ich mir – und da verstehe ich sogar den Kollegen Peter, auch wenn ich sonst nicht einer Meinung mit ihm bin – die Bestimmungen dieses Gesetzes anschaue, nämlich daß es gesonderte Schutzbestimmungen für die Nachtarbeit in der Gesundheits- und Krankenpflege, wo man überhaupt die Nacht durcharbeiten kann, ohne den Jugendlichenschutz zu verletzen, gibt, dann muß ich feststellen, daß wir in bezug auf die Kinder- und Jugendbeschäftigung schon in jenem Stadium sind, wo wir bei der Frauennachtarbeit waren beziehungsweise sind.

Es ist für niemanden mehr einsichtig, wozu diese Schutzbestimmungen gültig sind, weil sie in bestimmten Bereichen für alle eigentlich nur noch Benachteiligungen oder Verzerrungen bieten. Das ist der Punkt. Wenn wir schon eine Debatte über Kinder- und Jugendbeschäftigung sowie Schutzbestimmungen führen – ich bin dafür, sie zu führen –, dann für alle gemeinsam. Es kann nicht sein, daß in einer Branche, die sich besser durchsetzen kann – weil sie, etwa was zum Beispiel die Gesundheits- und Krankenpflege betrifft, eher staatlich organisiert ist, würde ich einmal vermuten –, rundherum die Freiheit herrscht, jugendliche Lehrlinge auch in der Nacht beschäftigen zu können. (Abg. Dr. Trinkl: Sie können nicht alle Branchen über einen Kamm scheren!)

In Branchen, denen es schlecht geht, findet man immer noch eine Möglichkeit für eine Ausnahmebestimmung. Weil sie aber der eine bekommt, will sie auch der andere. Dieser erhält sie dann eben nicht bis 23 Uhr, sondern nur bis 21 Uhr. Und so wird – wie in einem Basar – um Ausnahmebestimmungen gefeilscht! Das kann doch nicht Sinn und Perspektive des Jugendschutzes sein! (Abg. Tichy-Schreder: Über das regen sich die Unternehmer ja auf! – Abg. Dr. Trinkl: Wir wären ja gerne weitergegangen! – Abg. Gaugg: Warum haben Sie es nicht gemacht? – Abg. Dr. Trinkl: Das war nicht durchzusetzen!) Ich sage Ihnen: Das ist falsch, in diese Richtung gehen wir nicht mit!

Damit bin ich bei den Aussagen des Kollegen Peter. Er hat mir vorgeworfen – er ist im Moment nicht im Saal ... (Abg. Dr. Trinkl: Ich gebe es durchaus zu: Wir hätten gerne eine allgemeine Lösung gehabt, die allen dient!) Ja, aber wir treffen uns wahrscheinlich nicht an jenem Punkt, an dem sozusagen der Limes überschritten ist! Das ist es, und darüber müßten wir offen und ehrlich diskutieren, wenn das Wort "Jugendschutz" in diesem Zusammenhang noch eine Berechtigung haben soll, sonst können wir ja gleich sagen: Jugendliche sind ab 14 Jahren ohnehin Erwachsene, und es gelten für sie natürlich auch alle Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes. – Das kann es wohl nicht sein!

Kollege Peter, nun zu deinem Vorwurf, daß ich über Sachen rede, von denen ich nichts verstehe. Mit einem solchen Vorwurf sollte man etwas vorsichtiger umgehen, und zwar deswegen, weil ich durchaus zugebe, daß mir bestimmte Erfahrungen, was die Unternehmersicht dieser Dinge betrifft, fehlen. Etwas Gegenteiliges habe ich nie behauptet, sondern immer gesagt, daß das, was ich hier für die Kinder oder Jugendlichen im konkreten Fall einfordere,


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nicht den Interessen der Unternehmer in jedem Punkt und nach jedem Beistrich entsprechen muß und daß es förderlich wäre, wenn sie Kinder- und Jugendlichenschutz betrieben. (Abg. Tichy-Schreder: Das muß nicht unterschiedlich sein! – Abg. Mag. Peter: Das ist ein Unsinn! – Abg. Tichy-Schreder: Das versteht er nicht!)

Ich war lange genug in der Betreuung von Jugendlichen und Lehrlingen tätig, um Ihre Probleme genau zu kennen und zu wissen, wo ihre Probleme liegen – ein Teil der Probleme, um ehrlich zu sein.

Ich glaube, wir alle machen einen Fehler – das betrifft vor allem die Unternehmerseite und diesen Entwurf –, wenn wir glauben, aus der Sicht einer Seite sagen zu können, das trifft oder betrifft oder spricht für das Ganze. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist nicht von einer Seite!)

Ich habe mich schon im Ausschuß furchtbar darüber aufgeregt, daß in diesem Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz Bestimmungen enthalten sind, mit denen man versucht, den Eindruck zu erwecken, die Einschränkung der Sonntags- und Wochenendruhe für die Jugendlichen entspreche auch deren Interessen. No na net! Das kann doch nicht sein! (Abg. Mag. Peter: Ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie hinaus in die Realität!) Ich denke, man kann nicht so weit gehen und sagen, daß ... (Abg. Murauer: Die wollen arbeiten und nicht verhindert werden! Das ist die Wahrheit!)

Die Jugendlichen wollen auch ihre Freizeit haben! Es ist ihr legitimes Recht, diese Freizeit genießen zu können, genauso wie alle anderen diese Freizeit genießen wollen. (Abg. Murauer: Die wollen arbeiten!) Wenn sie sie aus betriebliche Gründen nicht genießen können, dann muß etwas dafür gegeben werden. (Abg. Murauer: Stehen Sie doch mit beiden Füßen am Boden! – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)  – Danke. – Aber daß ausgerechnet die "christliche" ÖVP sagt, die Sonntagsruhe sei ihr in bezug auf die Jugendbeschäftigung völlig egal, da diese arbeiten wollen (Abg. Murauer: Das hat ja mit christlich nichts zu tun!)  – das haben Sie doch gerade gesagt –, auch am Sonntag arbeiten wollen, halte ich für ein starkes Stück. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz. – Zwischenrufe der Abgeordneten Murauer und Haigermoser. )

Man sollte die Dinge klar auf den Tisch legen, und das heißt, es handelt sich hier um die Interessen der Wirtschaft! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Man sollte darüber reden, ob es nur so und nicht anders geht. Aber automatisch zu sagen – so wie es teilweise auch in diesem Gesetz gemacht wird –, die Interessen der Wirtschaft seien auch die Interessen der Jugendlichen, halte ich für vermessen. (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

Ich bringe Ihnen deshalb nun einen Antrag zur Kenntnis, den wir im Rahmen dieser Debatte einbringen; er bezieht sich auf die Kontrolle der Berufsausbildung. Ich halte es für falsch, den Status quo fortzuschreiben, wonach die Unternehmer-Interessenvertretung die Unternehmen in bezug auf die Kontrolle der Berufsausbildung kontrolliert. Dafür müssen Sie erst einmal ein gutes Argument liefern, Herr Kollege Peter, denn es ist nicht so, daß Sie sagen können: Wir Unternehmer wissen am besten, wie die Kontrolle der Berufsausbildung stattzufinden hat, daß sie durch die Unternehmerseite stattzufinden hat. Es wird nicht einfach sein, das zu erklären, denn das ist ein ständisches Relikt, ein ständisches Denken, in dem der Unternehmer sozusagen den Patron gespielt hat und noch immer spielt. (Abg. Tichy-Schreder: Nein, wirklich nicht!) Selbstverständlich ist das so, Frau Kollegin Tichy-Schreder! (Abg. Tichy-Schreder: Ich lade Sie ein, schauen Sie sich die Realität an! Und ich würde darum bitten, daß auch der Gewerkschaftsbund Lehrlinge ausbildet! Dann würde er einiges verstehen!)

Ich glaube daher, Sie sollten gerade angesichts der gegenwärtigen Situation eines Abbaus von Schutzbestimmungen in dieser Hinsicht einen Schritt entgegenkommen und der langjährigen Forderung nach paritätischer Kontrolle der Berufsausbildung Rechnung tragen. Es wären auch andere Möglichkeiten, etwa die Kontrolle durch die Arbeitsinspektion, gangbar, aber die Arbeitsinspektion ist, wie Sie wissen, überlastet. Ich halte also den Vorschlag, eine von Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer paritätisch gebildete Stelle einzurichten, die die Kontrolle der Berufsausbildung vornimmt, geradezu für ein Gebot der Zeit.


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Ich bringe Ihnen daher folgenden Antrag zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Kontrolle der Berufsausbildung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, durch gesetzliche Maßnahmen sicherzustellen, daß die Kontrolle der Berufsausbildung (§ 19 des Berufsausbildungsgesetzes) in Zukunft durch eine von den Sozialpartnern paritätisch beschickte Kontrollbehörde (Lehrlingsstelle) ausgeübt wird."

*****

Meine Damen und Herren! Wir können über vieles reden, wir können über unterschiedliche Interessen reden, aber eines sollten wir nicht tun: ein Interesse – das ist in diesem Fall das Interesse der Unternehmen nach möglichst wenig Reglementierung – zum alleinig Bestimmenden und alleinig Seligmachenden zu erklären. Denn eines sei Ihnen schon gesagt: Dieses Gesetz heißt eigentlich Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz oder Gesetz zum Schutz der Kinder. Wenn dieser Terminus noch eine Berechtigung haben soll, dann müssen Sie sich erklären, dann müssen Sie deutlich sagen, daß es denkbar ist, daß die Kinder und Jugendlichen, wenn sie in der Gesundheits- und Krankenpflege beschäftigt werden, auch die Nacht über arbeiten können. In diesem Bereich macht Ihnen das überhaupt kein Problem, aber in anderen Branchen schon.

Meine Damen und Herren! Sie gehen den falschen Weg. Sie sollten auf diesem Weg, den Sie offensichtlich bereit sind zu gehen, zumindest einen Moment lang innehalten und sich überlegen, ob all das, was Sie hier machen, gut und richtig ist. (Beifall bei den Grünen.)

17.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, der mir vorliegt, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

17.31

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meinen ersten Satz möchte ich Kollegen Peter widmen. Die vorliegende Novelle zu diesem Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz gibt nun auch jenen Betrieben die Möglichkeit, Lehrlinge einzustellen und auszubilden, die bisher immer der Ansicht waren, dies aufgrund ausbildungshemmender Bestimmungen nicht machen zu können. Tatsache ist, daß wir bereits mit der Novelle zum Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz, die schon mit 1. Juli dieses Jahres in Kraft getreten ist, vielen Wünschen der Wirtschaft nachgekommen sind. Die gewichtigste Maßnahme dabei war die Senkung des Schutzalters vom 19. auf das 18. Lebensjahr. Nun können die Betriebe die Lehrlinge ab dem 18. Lebensjahr wie ihre erwachsenen Arbeitskollegen zur Arbeitsleistung einsetzen.

Ich bringe Ihnen dazu ein Beispiel aus Oberösterreich. Anläßlich einer Überprüfung von Lehrverträgen in Oberösterreich im Gastgewerbe wurde festgestellt, daß die heuer neueingestellten Lehrlinge im Durchschnitt fast 16 Jahre alt waren. Konkret bedeutet das, daß diese Lehrlinge ungefähr nur noch zwei Jahre unter die Bestimmungen des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes fallen und anschließend vom Lehrberechtigten so wie die anderen erwachsenen Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung herangezogen werden können. Also: Von ausbildungshemmenden Bestimmungen kann hier wirklich nicht die Rede sein. Hier wird sehr viel überzogen!

Vielmehr entnehme ich manchen Äußerungen in den Medien das erschreckende Informationsdefizit über die von uns schon beschlossenen Maßnahmen und über die Notwendigkeit des


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Jugendschutzes. Ich möchte daher von hier aus allen Kritikern, welche sich in nächster Zeit zu Schutzbestimmungen jugendlicher Arbeitnehmer äußern wollen, ans Herz legen, sich vorher noch einmal im Detail mit den hier im Parlament schon beschlossenen Änderungen samt deren Auswirkungen zu beschäftigen. Vielleicht erkennen dann doch einige, daß vieles verändert wurde, daß schon viel geschehen ist.

Ziel dieses Maßnahmenpakets der Bundesregierung war es, für das heurige Jahr eine ausreichende Anzahl von Lehrplätzen zur Verfügung zu stellen. Da die Unternehmer immer wieder signalisiert haben, daß die strengen Bestimmungen schuld an der Lehrstellensituation wären, wurde im Frühjahr dieses Jahres in vielen Verhandlungen versucht, Veränderungen zu erreichen, ohne aber den notwendigen Schutz der berufstätigen Jugend über Bord zu werfen. Schließlich möchte niemand eine Zunahme der Arbeitsunfälle oder schädigende Einflüsse auf die Gesundheit. Ich glaube, dem stimmen Sie alle zu.

Kurz vor dem Sommer wurde eine Einigung zwischen den Sozialpartnern erzielt. Die Arbeitnehmerinteressenvertretungen erwarten sich nun, daß die Wirtschaft für das heurige Jahr eine ausreichende Zahl von zusätzlichen Lehrplätzen zur Verfügung stellt. Bedauerlicherweise wissen wir alle, daß das noch nicht in ausreichendem Maße geschehen ist und noch sehr viele Jugendliche ohne Lehrstelle dastehen. Diesen Jugendlichen ist nicht damit geholfen, daß manche mit immer neuen Forderungen versuchen, sich ihrer zumindest moralischen Verpflichtung, unserer Jugend Lehrstellen zur Verfügung zu stellen, zu entziehen. Vielleicht überschätze ich in diesem Punkt die Möglichkeiten der Wirtschaft, vielleicht hat sie bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft und kann gar keine zusätzlichen Lehrstellen mehr anbieten. Aber dann frage ich schon, meine Damen und Herren, mit welcher Seriosität Forderungen und geänderte Rahmenbedingungen wie auch heute hier wieder verlangt werden. Wir müßten uns dann vielmehr über zusätzliche Ausbildungssysteme unterhalten und darüber nachdenken, denn eines ist sicher – das wurde schon erwähnt –: Auch im nächsten Jahr haben wir wieder geburtenstarke Jahrgänge unterzubringen, und wir sind willens, unserer Jugend eine ausreichende Anzahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung zu stellen.

Ich darf noch einmal die wesentlichen Änderungen, welche wir zugunsten einer Sicherung der Jugendbeschäftigung durchgeführt haben, zusammenfassen.

Erstens: Es hat im Bereich des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes bedeutende Veränderungen gegeben, welche in weiten Bereichen die Beschäftigung von Jugendlichen vereinfachen, etwa die Senkung des Schutzalters.

Zweitens: Auch bei den Beschäftigungsverboten und Beschränkungen ist es sowohl von der Systematik der neuen Verordnung her als auch inhaltlich zu bedeutenden Vereinfachungen gekommen. Gerade in diesem Bereich war es am schwierigsten, die technischen Veränderungen mit dem Jugendschutz in Einklang zu halten. 1996 passierten in der Altersgruppe der 15- bis 19jährigen immerhin rund 15 000 Arbeitsunfälle, sechs davon waren tödlich.

Drittens: Auch im Bereich des Berufsausbildungsgesetzes ist es zu Veränderungen gekommen, bei denen die Wünsche der Wirtschaft entsprechend berücksichtigt wurden. Diesbezüglich ist allerdings festzuhalten, daß es hier Forderungen der Unternehmer je nach dem gibt, ob man gerade eine Fachkraft oder einen Lehrling haben möchte. Hier ist ein Widerspruch. Benötigt ein Unternehmer einen Facharbeiter, soll dieser über eine möglichst breite Qualifikation verfügen, damit er ihn möglichst breitflächig einsetzen kann. Benötigt er einen Lehrling, möchte er aber keinesfalls durch das jeweilige Berufsbild verpflichtet werden, umfassende und moderne Qualifikationen zu vermitteln. In diesem Bereich ist eine grundlegende Reform noch ausständig.

Für den Bereich der Förderungen liegen mir noch keine endgültigen Beträge vor, aber es ist davon auszugehen, daß für alle Maßnahmen, die vom Bund, von den Ländern, auch von vielen Gemeinden und vom Arbeitsmarktservice zugunsten zusätzlicher Lehrstellen erbracht wurden, heuer ungefähr 2 Milliarden Schilling aufgewendet werden.


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Vergessen wir schließlich auch nicht, daß die Lehrberechtigten nunmehr für die ersten drei Lehrjahre keine Krankenversicherungsbeiträge mehr leisten müssen. Diese Entlastung bringt der Wirtschaft ungefähr 100 Millionen Schilling.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß noch einige Worte zu unserer Jugend und zum Jugendschutz allgemein. Jugendschutzgesetze für arbeitende junge Menschen zu schaffen und zu erhalten, bedeutet auch Verantwortung zu übernehmen; Verantwortung für den physischen und psychischen Bereich, für die physische und psychische Entwicklung der jungen Menschen. Dieser junge Mensch ist selbstverständlich noch nicht in der Lage, bereits in den ersten Berufsjahren alle Gefahren, die sich im Berufsleben ergeben, zu erkennen; seien es gefährliche Strahlen, Giftstoffe oder gefährliche Maschinen. Er kann noch nicht deren Gefahren richtig einschätzen und die richtigen Maßnahmen treffen.

Fast 15 000 Arbeitsunfälle der 15- bis 19jährigen im Vorjahr müssen uns, glaube ich, Warnung genug sein. Sie zeigen, daß man Jugendschutz selten ernst genug nimmt. Überdies ist der junge Mensch auch nicht so belastbar wie Erwachsene, schließlich dauert ja das Wachstum bis zum 19. Lebensjahr. Jugendschutz ist also auch heute noch notwendig.

Ich erwarte, daß in einer Zeit, in der fast alles nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet zu werden scheint, an diesen Tatsachen nicht vorbeigegangen wird und Jugendschutzbestimmungen nicht als lästige, überholte Bestimmungen aus der Vergangenheit dargestellt werden. Dessen ungeachtet sind wir selbstverständlich bereit, überall dort, wo sich Möglichkeiten für Vereinfachungen ergeben, ohne die Gefährdung zu erhöhen, zum Beispiel durch Einsatz moderner Sicherheitsmaßnahmen, einen Beitrag zur Veränderung zu leisten.

Unser Ziel ist es, meine Damen und Herren, eine ausreichende Zahl von zusätzlichen Lehrplätzen zu schaffen. Ich bitte alle um ihre Mithilfe, darum, einen Beitrag dazu zu leisten, und danke allen, die diesen Beitrag bereits geleistet haben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Elfriede Madl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.40

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Öllinger hat in seiner Rede polarisiert. Er hat gesagt, mit dieser Novelle des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes werde nur den Annahmen und Forderungen der Wirtschaft nachgekommen. Ich glaube, wir sind in diesem Hohen Haus einer Meinung, daß Arbeitsplätze nur dann geschaffen, behalten und gesichert werden können, wenn das Bewußtsein da ist und wenn sowohl Arbeitgeber – also die Wirtschaft – als auch Arbeitnehmer die Notwendigkeit sehen, aufeinander zuzugehen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Arbeitsplätze und Lehrstellen dann gesichert werden, wenn nur eine Gruppe und eine Interessenvertretung ihre Forderungen stellt und die andere Interessenvertretung ständig nachgibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben in diesem Fall heute eine Polarisierung vorgenommen, die wir in diesem Haus schon seit fünf Jahren, glaube ich, nicht mehr verbreiten. (Abg. Öllinger: Das ist wohl nur ein Scherz!) – Das ist kein Scherz, das ist meine tiefste Überzeugung. Lesen Sie im Protokoll nach, was Sie gesagt haben.

Ich finde, daß sich die Salamitaktik, mit der die Bundesregierung und auch dieses Hohe Haus Probleme lösen möchten – sei es bei der Pensionsreform oder mit dem Jugendlichenbeschäftigungsgesetz oder dabei, die Jugendarbeitslosigkeit wirksam ändern zu wollen –, wie ein roter Faden durchzieht. Es ist deshalb eine Salamitaktik, weil mit diesem Antrag und mit dieser Änderung, die hier vorliegen, keine 100 Lehrstellen geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Sie alle wissen sehr genau, daß trotz Bemühen der Bundesregierung die großen Ankündigungen in den Medien, daß bis Ende September oder bis zum Herbst sämtliche Jugendliche eine Lehrstelle oder einen Ausbildungsplatz finden, absolut nicht stimmen. Es stehen noch immer Tausende Jugendliche auf der Straße und wissen nicht, wo sie ausgebildet werden können. Selbstverständlich hat man versucht, Hunderte, Tausende Jugendliche noch


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schnell ein Jahr in allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen unterzubringen, aber, meine Damen und Herren, was ist nach diesem einen Jahr? – Warum entschließt man sich hier in diesem Hohen Haus nicht zu wirklichen Reformen? (Abg. Murauer: Welche?) Warum macht man immer nur eine sogenannte Salamitaktik? Was hat heute Herr Abgeordneter Trinkl gesagt? – Es ist ein kleiner Schritt zum Erfolg. (Abg. Murauer: Welche schlagen Sie vor?)

Herr Kollege Murauer! Es ist nur ein kleiner Schritt, aber inzwischen stehen Jahr für Jahr die jugendlichen Arbeitslosen auf der Straße. (Abg. Murauer: Was schlagen Sie vor?) Ich würde gerne wissen, mit welchen Jugendlichen und Lehrlingen Kollege Öllinger gesprochen hat, die gesagt haben, sie wollen sich über ihre Freizeit unterhalten. (Abg. Murauer: Jeder Beitrag ist fruchtbar, wenn er sinnvoll ist! Aber ich höre nichts!) Herr Kollege! Die Jugendlichen möchten heute zuerst einmal einen Arbeitsplatz haben und dann über ihre Freiheit reden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist das Problem! Da sind Sie völlig falsch gepolt. Ich würde gerne wissen, mit welchen Jugendlichen Sie gesprochen haben. Es würde mich wirklich interessieren, in welchen Kreisen Sie sich bewegen. Ich bewege mich in solchen Kreisen von Jugendlichen, die darauf warten, daß sie einen Arbeitsplatz bekommen und erst dann über die Freizeit sprechen.

Warum geht man nicht Reformen an? Warum erneuert man nicht endlich die Arbeitsschutzgesetze, indem man sie entrümpelt, damit sie wieder zeitgemäß sind und auch den Jugendlichen entgegenkommen? Warum findet keine Entsteuerung der Lehrlingsentschädigungen statt? Warum wird zum Beispiel die Probezeit nicht verlängert? – Das war auch ein Anliegen von Ihnen. Warum haben Sie das jetzt zurückgezogen? Warum ist das noch immer nicht im Ausschuß? Warum ist das nicht heute hier auf dem Tisch? (Abg. Murauer: Der Weg ist sehr erfolgreich, den wir beschritten haben!)

Sie haben damals in Oberösterreich versprochen, Sie werden in der ersten Oktoberwoche, wenn wieder Plenarsitzungen sind – oder Mitte Oktober, wenn die nächsten Plenarsitzungen sind –, dafür sorgen, daß es Erleichterungen für die Betriebe gibt, die es den Betrieben wieder schmackhaft machen, Jugendliche einzustellen und auszubilden, Sie werden Gesetzesanträge einbringen. Meine liebe ÖVP! Lieber Herr Abgeordneter Murauer aus meinem Wahlkreis! Sie haben heute hier nichts auf dem Tisch liegen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Sowieso. Sie sind aus dem Wahlkreis Traunviertel, genauso wie ich, oder nicht? (Abg. Murauer: Ich weiß nicht, wohin Sie gezogen sind!) Selbstverständlich bin ich aus dem Wahlkreis Traunviertel, denn bekanntlich gehören Steyr-Land, Gmunden und Kirchdorf zu einem Wahlkreis. Nicht einmal das wissen Sie! (Abg. Murauer: Ich weiß nicht, wohin Sie gezogen sind! Das haben Sie mir nicht gesagt!) Sie wissen nicht, wie man Jugendliche zu beschäftigen hat, und Sie wissen nicht einmal, in welchem Wahlkreis Sie zu Hause sind. Das ist aber ein Armutszeugnis für die ÖVP!

Man sollte sich endlich an einen Tisch setzen und Reformen beschließen, die es erstens den Lehrlingen wieder schmackhaft machen, eine Lehre anzunehmen, und zweitens den Betrieben wieder ermöglichen, Lehrlinge auszubilden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ridi Steibl. – Bitte.

17.45

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon hochinteressant, daß es bei der Diskussion zum Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz wieder so eine Polemisierung wie beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt gibt. Sie kommt gerade von der FPÖ, die sich jetzt als Arbeitnehmerpartei präsentieren will. Da Kollegin Madl zur ÖVP hingewandt sagte: Sie haben noch keinen einzigen Jugendarbeitsplatz geschaffen!, möchte ich sie fragen, wie viele sie geschaffen hat und wie viele die FPÖ? – Wir haben in der letzten Zeit an die 4 000 neue Jugendarbeitsplätze geschaffen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Die Unternehmen haben sie geschaffen, nicht Sie!)

Vieles ist zu diesem Tagesordnungspunkt schon gesagt worden. (Abg. Böhacker: Die Unternehmen haben sie geschaffen, nicht Sie!) – Herr Kollege! Es sitzt dort oben eine ganz große Schulklasse. Das ist unsere Zukunft! Die Jugend ist unsere Zukunft. Was werden sich


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diese Kinder über diese Diskussion hier im Hohen Haus denken? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Die Unternehmen haben Arbeitsplätze geschaffen!)

Ich glaube – die ÖVP ist da auf dem besten Weg –, die Jugendbeschäftigung ist das wichtigste Anliegen überhaupt, denn wenn die jungen Menschen keine Arbeit finden, sind oft menschliche Tragödien und Systemfrust die Folge. Gerade diese Novellierung, bei der man nach einer gewissen Erfahrung aus der Praxis jetzt doch einen Konsens gefunden hat, ist sehr wichtig, und ich möchte mich voll und ganz den Ausführungen unseres Erstredners, Kollegen Trinkl, anschließen.

Ich möchte nur noch dazusagen, daß wir weiter daran arbeiten müssen und auch über weitere Schritte nachdenken müssen. Ein weiterer Schritt sind neue Lehrberufe. Und da ist es sehr wichtig, auch für Mädchen und junge Frauen etwas zu tun, weil sie mehr denn je herkömmliche Berufe ergreifen, ergreifen müssen, aber auch ergreifen wollen, weil sie manchmal keine Wahl haben und auch keine entsprechende Berufsberatung.

Es ist auch wichtig, daß man sagt, daß Lehre sehr wohl auch die Basis einer Karriere sein kann und ist. – Das war jetzt eine kurze Zusammenfassung zu dieser einen österreichischen Thematik.

Wenn wir über Kinder- und Jugendbeschäftigung und -arbeit sprechen, dann, glaube ich, ist es auch legitim, über eine andere Form, die es in der gesamten Welt, also auch in Europa gibt, zu sprechen: über das negative Ausmaß der Kinderarbeit. Diesbezüglich gibt es Horrorzahlen. Wir von der ÖVP haben uns diesen Bereich auch zur Verantwortung gemacht.

Das internationale Arbeitsamt schätzte 1996 – mittels einer verbesserten Methode –, daß es unter den 5- bis 14jährigen auf der ganzen Welt 250 Millionen beschäftigte Kinder gibt – Kinder zwischen 5 und 14 Jahren! Davon arbeiten 120 Millionen in Vollzeit und 130 Millionen in Teilzeit. (Abg. Gaugg: Das wollt ihr aber nicht einführen, oder? Will die ÖVP das jetzt einführen?)  – Hören Sie ein bißchen zu! Sie als Bürgermeister oder Vizebürgermeister oder was Sie waren – ich glaube, Sie sind dann nach Wien geschickt worden – hätten das verändern können. (Abg. Gaugg: Mit viel Erfolg!)

In Österreich finden sich keine Anzeichen für Kinderarbeit, und das ist auch gut so. Aufgrund strenger Kontrollen seitens des Arbeitsinspektorates im Jahr 1996 gab es lediglich – Gott sei Dank, muß man sagen – neun Beanstandungen wegen dieser Art von Arbeit. Ich glaube, daß wir, wenn wir über Kinder- und Jugendarbeit reden, eine globale Diskussion brauchen. Es müssen Maßnahmen gegen diese Art von Arbeit auch außerhalb von Österreich gesetzt werden, um diese Situation zu verbessern.

Die ÖVP hat diesbezüglich ein Programm erarbeitet und das Thema Kinderarbeit zum Schutze unserer jungen Menschen aufgegriffen. Wir von der ÖVP stehen für einen umfassenden Schutz der Jugend in Österreich, aber auch für einen umfassenden Schutz der Kinder und Jugendlichen auf der ganzen Welt. (Beifall bei der ÖVP.)

17.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Schaffenrath vor. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte.

17.51

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Ridi Steibl! Ich finde diese Aufregung, die Sie der FPÖ entgegenbringen, wirklich nicht angebracht, nämlich wenn Sie sagen, was die ÖVP alles für die Arbeitsplatzsituation, insbesondere bei Jugendlichen, getan hat und was die FPÖ alles verhindert hat. Die ÖVP war schon wesentlich am sogenannten Lehrlingsreformpaket beteiligt, das meiner Meinung nach – ich habe das von dieser Stelle aus schon öfter gesagt – den Namen "Reform" wirklich nicht verdient. (Zwischenruf der Abg. Steibl. )


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Herr Kollege Trinkl! Wenn Sie einen halbherzigen Kompromiß zur Lehrlingsausbildung noch als guten zu verkaufen versuchen und wenn Sie hier von einem großen Schritt sprechen, dann muß ich Ihnen schon sagen, ich kann maximal von einem kleinen Schrittchen sprechen, weil Tausende junge Menschen nach wie vor keinen Arbeitsplatz haben, weil die Unterrichtsministerin dem Budget etwas zuschießen mußte, um wenigstens ein paar von diesen im berufsbildenden Schulsystem unterbringen zu können; eine Zuwendung in Höhe von etwa 2,5 Milliarden Schilling. (Abg. Murauer: Nicht ein paar! 5 600!) 5 600 und 2,5 Milliarden Schilling. Damit wissen wir aber, daß dieses Problem nächstes Jahr noch lange nicht vom Tisch ist.

Herr Kollege Trinkl! Sie sagen, Sie wollen Signale an die Wirtschaft senden, daß sie bei Ihnen in guten Händen ist. Ich frage mich wirklich, ob Sie den Kontakt zur Basis der Wirtschaft in Wirklichkeit nicht schon verloren haben. Da habe ich wirklich ernsthafte Bedenken. (Abg. Dr. Trinkl: Nein, habe ich nicht! Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!) Dann frage ich mich – ich spreche auch mit vielen Unternehmern und Unternehmerinnen –, warum Sie nicht hören, welche Rahmenbedingungen von der Wirtschaft im Bereich des dualen Ausbildungssystems tatsächlich eingefordert werden. Sie kennen sie ja auch, denn einzelne dieser Forderungen waren ja in Ihrem Antrag, der dann zurückgezogen wurde, vorhanden. (Abg. Murauer: Er wurde vertagt!) Dann wurde er eben vertagt, aber dieses Vertagungsprinzip geht auch zu Lasten der vielen tausend arbeitslosen jungen Menschen hier in Österreich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Dietachmayr! Sie empfinden es als großen Schritt, daß man im Rahmen des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes die Grenze für Lehrlinge auf 18 Jahre gesetzt hat – das ist eine Grenze, die für alle anderen jugendlichen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit Ausnahme der Lehrlinge schon vorher eine gültige Grenze war –, ich jedoch kann das nicht als großen Schritt und als wesentliche Veränderung erkennen. Denn wenn es uns mit dem Jugendschutz ernst ist, dann muß Jugendschutz für alle gelten: für Lehrlinge genauso wie für andere jugendliche Arbeitnehmer.

Da schließe ich jetzt bei Kollegen Öllinger an, der meint, wir müßten mit diesen Schutzbestimmungen sorgfältig umgehen. Dieser Meinung bin auch ich, aber ich frage mich: Was ist das für eine Schutzbestimmung in diesem neuen gemeinsamen Antrag, was bringt diese Bestimmung, wenn es um die Erholungsmöglichkeiten dieser jungen Menschen geht? – Es wird zum Beispiel verlangt, daß, wenn ein Jugendlicher an einem Samstag arbeitet und dann eine lehrgangsmäßige Berufsschule besucht, nämlich 8 bis 10 Wochen in der Berufsschule ist, in der üblicherweise Samstag und Sonntag frei sind und der letzte Schultag am Ende dieses Lehrganges üblicherweise ein Freitag ist, der Lehrling am Ende dieses Lehrganges in der darauffolgenden Woche einen weiteren freien Tag zu bekommen hat. Darüber hinaus ist über die Durchrechnungszeit ohnehin schon geregelt, daß während der Schulzeit zuviel geleistete Stunden vom Unternehmer freizugeben sind. Was ist das für eine Schutzbestimmung? Was hat das mit Freizeit, mit Erholungsmöglichkeiten für junge Menschen zu tun? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich kann deine Aussage auch nicht unterstützen, wenn du fragst: Sollen dann in letzter Konsequenz die Betriebe für die Ausbildung wieder bezahlt werden? – Die Betriebe haben um diese massive AMS-Förderung nicht gebeten. Kollegin Reitsamer hat voller Stolz berichtet, wie viele Lehrstellen dadurch geschaffen wurden, ich muß dazu festhalten: Sie wurden durch die AMS-Förderung geschaffen und nicht deshalb, weil dieses Lehrlingspaket gegriffen hat. Ich finde diesen Zuwachs an Mitteln in der Höhe von 34 Prozent nicht erfreulich, sondern bedenklich, weil das bedeutet, daß die Mittel in der Zukunft eingeschränkt werden, weil das auch bedeutet, daß die Mittel für andere notwendige Aufgabengebiete des AMS eingeschränkt werden; ich denke an Höherqualifizierungen, an die WiedereinsteigerInnen-Problematik, wofür ganz wichtige Mittel fehlen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Reitsamer fragt, wann die nächste Forderung kommt. Ich kann ihr sagen – das wird sie vermutlich nicht freuen –, unsere Forderungen liegen in einer Vielzahl in Form von Anträgen bereits im Parlament. Wir verlangen das, was Vertreter der ÖVP in den Medien immer wieder verlangen, wir bringen das ein. Uns geht es um eine


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Reform des Berufsausbildungsgesetzes. Wir haben die Verlängerung der Probezeit, Überlegungen zur Behaltefrist, die Auflösungsmöglichkeit des Lehrverhältnisses in begründeten Fällen in Worte gefaßt. Wir haben auch die lohn- und sozialrechtliche Entkoppelung von Lehrzeit, also von betrieblicher Ausbildungszeit, und schulischer Ausbildung wieder eingebracht. Wir wollen eine innere Neustrukturierung der Berufsschule, um flexiblere Ausbildungsmodelle überhaupt zu ermöglichen. Diesbezüglich können wir auch über die Teillehre reden, wenn die Durchlässigkeit in letzter Konsequenz sichergestellt ist.

Das duale Ausbildungssystem ist ein sehr gutes System, aber wir müssen es durch mittel- und langfristige Konzepte wieder zu einem erfolgreichen System machen. Wenn heute junge Menschen und österreichische Lehrlinge bei Berufsolympiaden erfolgreich sind, dann freue ich mich darüber, das läßt aber nicht auf eine generell hohe Qualität in unserem Ausbildungsbereich schließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, daß sich die ÖVP mit ihren Vorstellungen einmal mehr nicht durchsetzen konnte. Herr Kollege Peter hat bereits einen Antrag von uns, wonach Lehrlinge im Gastgewerbe zumindest während der Sommerzeit bis 23 Uhr arbeiten dürfen, eingebracht. Das ist ein solcher Kompromißvorschlag, daß ihm sogar die Kollegen und Kolleginnen der SPÖ zustimmen könnten (Zwischenruf des Abg. Meisinger ), denn mit dem Umstellen der Uhr stellen wir noch nicht unsere biologische Uhr um. Wenn es auch Ihnen mit der Ausbildung ernst ist, dann stimmen Sie doch bitte zu. Lehrlinge im Gastgewerbe können nur dann ausgebildet werden, wenn Gäste da sind, denn nur dann können sie dort arbeiten, nur dann entsteht überhaupt die Situation zur Ausbildung.

Freizeit und Ruhezeit, Kollege Öllinger, ist trotzdem gesichert, weil die Nachtruhe davon nicht beeinträchtigt ist.

Ich glaube, das wäre ein Vorschlag, dem auch Sie zustimmen könnten, und damit könnten Sie Ihr Entgegenkommen beweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluß. Ich denke, von einer Reform für Lehrlinge kann man dann nicht sprechen, wenn Lehrstellen – ich sage es jetzt übertrieben – an Unternehmer mit Hilfe von finanziellen Zuwendungen "verbettelt" werden. Unternehmer und Unternehmerinnen wollen Rahmenbedingungen, die ihnen die Ausbildung von jungen Menschen wieder ermöglichen. Diese Rahmenbedingungen sollten wir den österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmern geben, nicht nur, um ihre wirtschaftlichen Interessen erfüllen zu können – diese sind sicher gegeben, weil der gut qualifizierte Facharbeiter ein wesentliches Kriterium für Österreich als Wirtschaftsstandort ist –, sondern eben auch, um all den Tausenden jungen Menschen, die einen Arbeitsplatz und einen Ausbildungsplatz brauchen, die Chancen nicht zu verbauen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß in diesem Haus noch kein Gesetz beschlossen worden ist, das letztendlich zur 100prozentigen Zufriedenheit aller beschlossen werden konnte. Ich glaube, daß dieses Gesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen ein Schritt ist, um den Bedürfnissen der Jugend, aber auch den Bedürfnissen der Wirtschaft näherzukommen und einen Kompromiß zu schließen, von dem man auch sagen kann, daß er vertretbar ist.

Ich weiß, daß noch viele Wünsche offen sind. Da meine Vorrednerin eine Reihe von diesbezüglichen Dingen aufgezählt hat, drängt sich bei mir die Frage auf: Ist das alles zum Schutz der Lehrlinge – oder ist es zum Schutz der Unternehmer, die Lehrlinge beschäftigen? (Abg. Schaffenrath: Es ist zur Verbesserung des Ausbildungssystems!) – Ich habe mir diese Frage gestellt, ich kann sie in diesem Sinn nicht so beantworten.


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Ich möchte, sehr geehrte Damen und Herren, nicht all das wiederholen, was bereits gesagt wurde. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie müssen erst einmal Lehrlinge ausbilden!) – Ah, Ihre Aufregung freut mich, denn es scheint, daß ich irgendwo etwas getroffen habe, wo Sie empfindlich sind. – Aber lassen Sie mich hier vom Rednerpult aus doch noch einige Sätze sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Vergleichen wir einmal unsere Zahlen mit jenen anderer Länder, vergleichen wir unsere Arbeitslosenzahlen mit jenen anderer Länder, vergleichen wir die Zahlen der Jugendbeschäftigung oder Nichtbeschäftigung mit denen in anderen Ländern. Angesichts dessen sind wir, so glaube ich, in Österreich sicher nicht schlecht beraten.

Unter anderem ist in diesem Gesetzentwurf, in der Vorlage, die zur Diskussion steht, auch eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 enthalten, wonach die Eintrittsmöglichkeit in Maßnahmen der Arbeitsstiftung der Lebensmittelbranche bis Ende 1998 verlängert werden soll.

Ich muß aber auch dazusagen – wenn wir ein Gesetz schaffen, das praktisch zusätzliche Lehrstellen bringen soll –, daß tatsächlich relevante Zahlen dazu erst Mitte Oktober aussagekräftig sein werden, da viele Jugendliche Anmeldungen an höheren Schulen tätigen und außerdem selbst versuchen, eine Lehrstelle zu finden.

Aber eines steht fest: Die Jugendarbeitslosigkeit ist um 2,7 Prozent bei ohnedies niedrigen Zahlen bei den 15- bis 25jährigen und um 4,2 Prozent bei den 25- bis 29jährigen gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Auf dem Lehrstellenmarkt wurden im September 7 536 Suchende vermittelt. Das sind mehr als im Vorjahr; damals waren es 5 582. 9 032 Lehrstellensuchenden – 3 740 Burschen, 5 292 Mädchen – stehen nur 3 791 offene Lehrstellen gegenüber. Im Vergleich zum Vorjahr stieg diese Zahl um 1 108 oder 14 Prozent, die Zahl der offenen Lehrstellen aber um 509 oder um 15,5 Prozent.

Es ist auch festzuhalten, daß dem AMS 1,4 Milliarden Schilling für Jugendbeschäftigung zur Verfügung stehen. Es geht um Ausbildungsprogramme im Bereich der öffentlichen Hand, um die Finanzierung von Beraterteams, zur Akquisition von Lehrstellen und dergleichen. Die oft in Frage gestellte Zahl von 7,5 Milliarden Schilling, die für aktive Arbeitsmarktpolitik im Bundesbudget zur Verfügung steht, ist Tatsache.

Wir bemerken auch einen allgemeinen Trend, nämlich daß die Zahl der Lehrlinge in allen Branchen stark zurückgegangen ist. Lassen Sie mich die Zahlen von 1985 mit jenen aus 1996 vergleichen. In Gewerbe und Handwerk gab es einen Rückgang von 85 500 auf 68 900, in der Industrie von 24 900 auf 13 800, im Handel von 34 000 auf 19 000, im Geld-, Kredit- und Versicherungswesen gab es eine Steigerung von 454 auf 699 – in diesem einen Sektor sind die Zahlen gestiegen –, und im Sektor Verkehr gab es einen Rückgang von 2 811 auf 1 770. In der Tourismus- und Freizeitwirtschaft hat die damalige Zahl 17 600 betragen; sie liegt jetzt etwas über 11 000.

Im "Standard" vom 17. September 1997 heißt es: "Nur schlecht ausgelastete Firmen jammern über zu hohe Kosten der Lehrlingsausbildung. Florierende Unternehmen sind dagegen durchaus imstande, aus der Lehrlingsausbildung Nutzen zu ziehen." – Es geht in diesem Zusammenhang um eine Übermittlung des Institutes für Höhere Studien von Herrn Lassnig, und diese Studie des IHS besagt auch, daß 40 Prozent der Betriebe keine Kosten aus der Lehrausbildung erwachsen, das heißt, 60 Prozent haben solche. In dieser Studie wird auch festgestellt, daß 60 Prozent der Betriebe überhaupt ohne eigene Ausbildungsinfrastruktur auskommen.

Ich glaube, das steht im Widerspruch zu dem, was immer wieder gefordert wird, denn gefordert wird eine höhere Ausbildung, gefordert werden immer mehr Facharbeiter, und dabei werden immer wieder die Kosten ins Treffen geführt, die aber seit dem Jahre 1991 merklich zurückgegangen sind. Es ist zu sagen, daß 35 bis 40 Prozent der Lehrlinge den Betrieben, in denen sie arbeiten, auch Gewinne erwirtschaften.

Es gibt eine massive Förderung der Betriebe. Heute ist schon festgestellt worden, daß man mit Geld nicht Lehrlinge und Lehrstellen kaufen kann. Nein, aber man kann die Rahmenbedin


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gungen dafür schaffen, daß die Wirtschaft animiert wird, doch mehr jungen Menschen Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, damit in diesen Ausbildungsplätzen auch jene Fachkraft heranwachsen kann, die später in diesen Betrieben notwendig ist.

Ich möchte gar nicht mehr darauf zu sprechen kommen, daß es in den ersten drei Lehrjahren keine Sozialversicherungsbeiträge gibt, daß für besondere Fälle 4 000 S im Monat zur Verfügung gestellt werden und anderes mehr; das sind Tatsachen.

Aber etwas macht mich schon stutzig, nämlich wenn die Forderung erhoben wird – der Sektionsobmann der Industrie machte das –, daß die Zeit, in der die Lehrlinge in den Berufsschulen sitzen, aus den Lehrlingsentschädigungen herauszurechnen wäre. Er erhebt sogar die Forderung, die Lehrlingsentschädigung zu senken. Das würde für viele Lehrlinge massive Einkommenseinbußen bedeuten, die so wohl nicht gemeint sein können, und so geht das auch nicht.

Meine Bitte an Sie ist nur, das, was jetzt an Initiative durch den Bundeskanzler und durch die Bundesregierung immer wieder vorgetragen wurde, nämlich für Lehrlinge so einzutreten, daß am Ende des Jahres keiner ohne schulische oder lehrlingsmäßige Ausbildung dasteht, zu unterstützen. (Abg. Gaugg: Herbst!)

Herr Kollege Gaugg! Ich habe zufällig ein Blatt von Ihnen in der Hand, ich habe mir gedacht, ich nehme es wieder mit, aber ich nehme es doch nicht wieder mit, denn Sie wenden sich an die Unternehmerinnen und Unternehmer, und es heißt dort: Sehr geehrte Unternehmerin! Sehr geehrter Unternehmer! Heute möchte ich Ihnen, die Sie als Wirtschaftstreibende sehr große Verantwortung tragen, und und und ... – Soviel Propaganda mache ich nicht für Sie, daß ich das Ganze verlese!

Nur unten steht dann: Ganz besonders dankbar wäre ich auch im Namen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – Sie wenden sich an die Unternehmer –, wenn Sie uns mittels beiliegendem Erlagschein eine finanzielle Unterstützung zukommen lassen könnten. Wir wollen nicht nur politisch, sondern auch finanziell unabhängig bleiben, heißt es da. – Ich frage mich: Von wem? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Vom ÖGB!)

18.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Werden Sie reden oder nur buchstabieren?)

18.09

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Vorredner: Wir wollen unabhängig sein von einem ÖGB, der nicht mehr in der Lage ist, die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer zu vertreten. (Abg. Seidinger: Das behaupten Sie!)

Seien Sie von den beiden Regierungsparteien einmal ehrlich: Wo greifen denn Ihre Initiativen, wo greifen sie denn? – Ich habe schön langsam den Eindruck, daß Sie Ihren gemeinsamen Bundeskanzler Klima im Regen stehen lassen, was seine Lehrlingsinitiativen anlangt. Denn Tatsache ist – das wurde gerade verlesen –, daß 9 032 Jugendliche derzeit eine Lehrstelle suchen. Das ist ein Faktum! Es hat geheißen, im Herbst werden alle Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen, auch eine solche erhalten. (Ruf bei der SPÖ: Es ist nachzulesen, wo das greift!) Es ist für diese Regierung nicht nur Herbst, sondern tiefste Finsternis, denn in Wirklichkeit bringen Sie überhaupt nichts mehr weiter! Null! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben im Juni mit dem Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz Pfusch betrieben; jetzt setzen Sie diesen Pfusch fort. Wenn ich es in die Formel-1-Sprache übertrage, dann kann ich sagen: Sie sind mit Ihren Gesetzen nicht einmal aus der Boxenstraße herausgekommen, hat es schon den ersten Crash gegeben.

Wissen Sie, was die angeblich von Ihnen zu Vertretenden draußen von all dem halten? – Die Innungsmeisterin aus Salzburg, die der ÖVP-Fraktion angehört, ist an die Öffentlichkeit gegangen und hat folgendes gesagt: Das ist eine Vorgangsweise, die nicht gerade für die


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Problemlösungskapazität der Koalitionspartner spricht. – Das ist ohnehin noch höflich ausgedrückt. Ich muß Ihnen sagen: Jede Pfuscherpartie würde sich genieren, würde sie so ein Arbeitsergebnis wie Sie zustandebringen, was die Jugendbeschäftigung anlangt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind die wirklichen Zahlen: Tatsache ist, daß sich die Zahl der Lehrstellensuchenden gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent erhöht hat. Jetzt frage ich Sie noch einmal: Wo greift denn Ihre Initiative? Da gibt es ein Papier vom Juni 1997, einen umfassenden Maßnahmenkatalog, in dem steht, mit welchen Maßnahmen die Lösungen im einzelnen herbeigeführt werden sollen. – Nicht eine einzige wurde umgesetzt, wirklich keine einzige!

Mir gefällt es immer, wenn Herr Abgeordneter Trinkl, der in einem Pseudobetrieb mit einem parteipolitischen Schutzzaun, nämlich der Wirtschaftskammer, arbeitet, über die Wirtschaft redet. Gehen Sie einmal in einen echten Betrieb, und erkundigen Sie sich dort, wo die tatsächlichen Probleme liegen! Sie wissen ja gar nicht, was da wirklich los ist. Sie stehen in einem pragmatisierten Arbeitsverhältnis. Sie haben ja keine Ahnung, was sich draußen in den Klein- und Mittelbetrieben tut. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )  – Ja, natürlich, selbstverständlich, Sie sind ja herzlich eingeladen, auch einen Beitrag zu leisten zu mehr Demokratie in dieser Republik.

Ich sage Ihnen das ganz bewußt, weil Sie hier und heute wieder eine Novelle beschließen, die überhaupt nichts anderes beinhaltet als diese Reduzierung um fünf Stunden. Das ist im wesentlichen einmal der Punkt, um den es geht. Sie sind nicht in der Lage, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dazu führen, daß den Jugendlichen Arbeitsplätze angeboten werden und den Unternehmern ein Anreiz zur Lehrlingsausbildung gegeben wird.

Herr ÖGB-Präsident Verzetnitsch ist überhaupt der Beste, ja er ist überhaupt der Größte, denn in zwei Tagen feiert er sein zehnjähriges Jubiläum als ÖGB-Präsident in diesem Land. In einer heutigen Presseaussendung sagte er allen Ernstes: Mein Ziel ist es, daß jeder, der arbeitslos wird, entweder sofort vermittelt wird oder eine entsprechende Schulung erhält. – Ich kann nur sagen: Dazu hat Herr Präsident Verzetnitsch exakt 200 000 Mal und sofort die Möglichkeit – und daran werden wir ihn messen, denn er ist ja schon zehn Jahre lang ÖGB-Präsident, und er hat diese Arbeitslosigkeit in Österreich mitverschuldet.

Sie von der Koalitionsregierung, die Sie sich nur mehr gegenseitig mit Vorwürfen überhäufen, sind eine matte Partie. In Wirklichkeit sind Sie mit Ihrem Latein am Ende, und daher ist es hoch an der Zeit, daß es einmal eine Ablöse gibt in diesem Saale, auch eine geistige Ablöse. Denn Ihre Ausschußvorsitzende geht da heraus und lobt die Arbeitsmarktstatistik noch. – Liebe, gnädige Frau! Da gibt es nichts mehr zu beschönigen. Das ist traurige Realität!

Ich fordere Sie auf, die Gesetze in Hinkunft so zu gestalten, daß sie zumindest zwei, drei Jahre lang halten. Das wäre dieser Koalitionsregierung wirklich zu empfehlen, die ja angeblich eine so hohe Lösungskompetenz hat. – Aber jeden Tag beweist sie, daß das nicht der Fall ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Abg. Meisinger: Er muß zugeben, daß er gescheitert ist!)

18.13

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige grundsätzliche Bemerkungen.

Erste Bemerkung: Ich gebe gerne zu: Das, was wir hier heute beschließen, ist eine Reparaturnovelle, gar keine Frage. Es ist eine Reparaturnovelle, weil wir bei der EU-Anpassung dieser Bestimmungen das getan haben, was die Österreicher sehr oft als Eigenheit haben, nämlich den Musterschüler zu spielen und zu glauben, das besonders großzügig anwenden zu müssen. Das sei zugegeben. Als Generalsekretär der Wirtschaftskammer muß ich aber dazusagen: Wenn die betroffenen Betriebe im Zuge der Begutachtung so aufgeheult hätten wie nach der


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Beschlußfassung, wäre das nie beschlossen worden. Das muß man auch einmal sehr deutlich sagen. Ich habe das den betroffenen Branchen auch gesagt. (Abg. Haigermoser  – einige Blätter Papier hochhaltend –: Deine Aussendungen! Ein ganzes Bündel!)

Das zweite, Herr Kollege Haigermoser: Ich stehe dazu, auch wenn die Frau Reitsamer es, wie ich höre – ich war da gerade nicht herinnen – kritisiert hat: Diese Novelle, die eine Reparaturnovelle ist, ist keine Garantie dafür, daß sich jetzt die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe rasant verändern wird. Es gibt hier noch eine Reihe von Rahmenbedingungen, die wir noch ändern müssen. Ich habe auch in der Debatte vor dem Sommer hier gesagt, diese Novelle ist ein erster, wichtiger Schritt, aber es ist nur ein erster Schritt. Wir müssen noch weitere Rahmenbedingungen verbessern. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) – Herr Kollege! Weil Politik das Bohren harter Bretter ist und auf Knopfdruck nichts geht! In jeder westlichen Demokratie ist das so. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie kommen hier heraus und tun so, als gäbe es hier einen Knopf, auf den man drückt – und alle stimmen so oder so ab. Wir leben in einer Demokratie. (Abg. Haigermoser: Du kannst das Brett nicht ohne Bohrer durchbohren! Du hast dir den Bohrer aus der Hand nehmen lassen!) Wir müssen uns demokratische Mehrheiten suchen, lieber Freund, auch wenn ihr nach dem Führer-Prinzip natürlich das eher nicht so haben wollt. Das weiß ich schon. Wir brauchen hier Mehrheiten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Mach bitte die unterste Schublade zu!)

Dritte Feststellung, meine Damen und Herren: Unser System der dualen Ausbildung – das muß man auch einmal positiv sehen, gerade weil von eurer Fraktion immer alles nur negativ gesehen wird –, das darauf beruht, daß sich die Betriebe ihrer Verantwortung für die Ausbildung der Jugend in sehr hohem Maße bewußt sind, hat dazu geführt, daß wir heute mit 4,5 Prozent die geringste Jugendarbeitslosigkeit von allen EU-Staaten haben; der EU-Durchschnitt liegt bei 10,6 Prozent. Manche EU-Staaten haben 20 und 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. (Abg. Haigermoser: In Sardinien sind es 38 Prozent!) Das ist ein Verdienst unserer Betriebe und ihrer hohen Verantwortlichkeit für die Ausbildung unserer Jugend, weil wir wissen, daß die beste Zukunftsinvestition die Investition in die Bildung unserer Jugend ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Vierter Punkt: Ich anerkenne voll – das möchte ich ausdrücklich sagen – das Engagement des Herrn Bundeskanzlers in diesem Bereich, auch was seinen Vier-Phasen-Plan betrifft: erste Phase: Appell an die Betriebe, zweite Phase: auch die öffentlichen Einrichtungen sollen Lehrlinge einstellen, dritte Phase: Lehrlingsstiftung, vierte Phase: Ausbildungsplatz an Schulen. Nur, eines möchte ich auch sehr deutlich sagen – ich habe das unlängst auch im Sozialministerium gesagt –: Wir müssen wahnsinnig achtgeben, daß wir hier nicht ordnungspolitisch in die falsche Richtung gehen, denn es gibt hier bereits Modelle, die mit der dualen Ausbildung eigentlich nicht mehr viel zu tun haben. Ich habe mir selbst einen Fall im Sozialministerium genau angeschaut – ich nenne durchaus auch den Namen –, den Fall OMV-Gänserndorf. Da geht es darum, daß 25 Lehrstellen geschaffen werden sollen, und zwar mit einem Ausbildungsaufwand der öffentlichen Hand, also von AMS, Land und Gemeinde, und zwar pro Lehrling und Monat von rund 30 000 S.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für unverantwortlich, zu erwarten, daß Zehntausende kleine Unternehmer ... (Abg. Haigermoser: Wer macht das?) Das haben wir verhindert, Herr Kollege Haigermoser! Wir können mitgestalten. Das ist der Unterschied zu euch: Ihr könnt nur Forderungen aufstellen, wir können mitgestalten. Wir haben dieses konkrete Modell verhindert. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Blünegger: Das sind Ihre Mißstände!)

Meine Damen und Herren! Wir müssen da wirklich achtgeben. Wir können nicht erwarten, daß Zehntausende kleine Unternehmer auf ihre Kosten die Ausbildung durchführen und wir es zulassen, daß einige wenige mit unglaublich hoher öffentlicher Förderung agieren.

Ein Letztes, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich glaube, ich habe es einmal hier schon gesagt, und ich sage es noch einmal –: Wir müssen uns bildungspolitisch wirklich überlegen, ob wir den richtigen Weg gehen, wenn wir dem Steuerzahler zumuten, daß unsere Hochschulen jedes Jahr Tausende Soziologen, Politologen, Psychologen ausbilden, die, wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig sind, sofort umgeschult werden. Aber in jenen Bereichen, in denen wir


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dringend notwendige Fachkräfte brauchen, gilt: Das ist Sache der Betriebe, das sollen die Betriebe allein machen! – Ich meine, wir brauchen ein Gesamtumdenken in der Bildungspolitik. Wir müssen die Berufsausbildung auch für die Betriebe wieder attraktiv machen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

18.19

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der nun zur Beschlußfassung vorliegende Antrag ermöglicht es jetzt vor allem den lebensmittelerzeugenden Betrieben, die Wochenendfreizeit bei Lehrlingen etwas zu verkürzen. Dieser Kompromiß ist ein Teilerfolg – das gebe ich zu – für die Lehrlinge, ein Teilerfolg für die Wirtschaft, die immer wieder beklagt, Lehrlinge kämen zu teuer und könnten nicht effizient genug eingesetzt werden.

Die Grundüberlegung dieses Antrages ist richtig. Herr Kollege Stummvoll hat es vor mir schon erwähnt, daß es sich bei dieser Novelle um eine Reparatur handelt. Ich bin froh darüber, daß Sie diese Einsicht haben, denn Einsicht ist der beste Weg zur Besserung. Ich bin auch Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, die Bereitschaft der Betriebe, Lehrlinge vermehrt einzustellen, wird sich auch in Zukunft in Grenzen halten. Ich sehe das einfach so, weil die Betriebe in Wirklichkeit gar keine Lehrlinge brauchen.

Zunehmende Arbeitslosigkeit, zunehmende und unnötige Schutzvorschriften verschärfen diese Situation natürlich. Lehrplätze kann nur die Wirtschaft schaffen, und zwar die Wirtschaft im privaten als auch im öffentlichen Bereich. Die Rahmenbedingungen muß jedoch die Politik schaffen.

Die Bundesregierung hat bisher außer Ankündigungen und Alibiaktionen nichts getan. Diese sollten nur einer Imageaufbesserung des Bundeskanzlers dienen – ob das jedoch eine Imageaufbesserung war, darüber läßt sich natürlich streiten –, wie beispielsweise die Lehrlingshotline, die ein einziger Flop war. (Widerspruch bei der SPÖ.) Das war ein einziger Flop! Von 108 Jugendlichen, die sich gemeldet haben, waren 81 ohnehin beim AMS gemeldet; da bleiben 27 übrig. Also wenn das kein Flop war, bitte, was ist dann ein Flop? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, er wolle mit Schwerpunktprogrammen auf Regierungsebene der Jugendarbeitslosigkeit entgegentreten. Wir haben zwar in Österreich im Vergleich zur EU eine relativ geringe Jugendarbeitslosenrate, haben aber derzeit die höchste Jugendarbeitslosigkeit, die es je in Österreich gegeben hat. Das muß man natürlich auch dazusagen. Es werden hier Maßnahmen vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Im öffentlichen Dienst wurden Lehrplätze eliminiert, und für die Privatwirtschaft gibt es Rahmenbedingungen, die das Interesse, Lehrlinge auszubilden, extrem einschränken.

Das AMS ist aufgefordert worden, jedem Lehrstellensuchenden im Herbst einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Das Arbeitsmarktservice hat dazu gesagt, das sei nicht realisierbar. Der Meinung bin ich auch. Außerdem soll in den nächsten sechs Monaten jedem Jugendlichen, der sich beim Arbeitsmarktservice meldet, irgendeine Beschäftigung angeboten werden; das muß nicht unbedingt ein Lehrplatz sein. Das ist natürlich eine Möglichkeit, aber wenn jemand eine Lehre anstrebt, so ist das für denjenigen nicht das Gelbe vom Ei, und das Ausbildungsniveau sinkt dann selbstverständlich auch.

Wenn man die Jugendlichen für einen Beruf ausbildet, in dem sie nachher keine Anstellung finden, dann muß ich sagen: Man schiebt das Problem nur vor sich her, und man hat dann eine Menge Ausgebildete, die keine Arbeit finden. Und dann gibt es dort dasselbe Problem, wie das jetzt bei den Junglehrern der Fall ist.

5 600 Schulplätze für nicht unterzubringende Lehrlinge werden Sie in Österreich auch nicht finden; die sind ganz einfach nicht vorhanden. In Wirklichkeit haben wir zuwenig Ausbildungsplätze, zuwenig Betriebe, die bereit sind, Lehrlinge auszubilden, und das Arbeitsmarktservice hat


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ein ungenügendes Budget – das soll schon auf das Budget 1998 vorgreifen. Förderungen an die Betriebe können erst im nächsten Jahr gezahlt werden, und es gibt auch keine Einigung darüber, ob Lehrlinge im Gastgewerbe am Abend eine Stunde länger arbeiten dürfen, wenn sie in der Früh eine Stunde früher anfangen. Wir Freiheitlichen haben einen diesbezüglichen Antrag schon im Jahre 1991 eingebracht. Er wurde schon dreimal eingebracht, aber immer wieder abgelehnt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordnete Murauer. Er hat das Wort.

18.23

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Haigermoser hat sich in seinen Ausführungen darüber gewundert, warum die Freiheitliche Partei in Oberösterreich nicht 28, wie ursprünglich angekündigt, auch nicht 25 oder 23 Prozent erreicht hat, sondern nur 20 Prozent und die Österreichische Volkspartei mit 42 Prozent gut abschneiden konnte. (Abg. Dr. Ofner: Wieviel hat die ÖVP vorher gehabt?)

Herr Kollege Haigermoser! Das Rezept ist relativ einfach: an der Spitze eine erfolgreiche Person mit einem entsprechenden Programm, auch einem Jugendbeschäftigungsprogramm. Das sichert den Erfolg! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: "Siegen" Sie weiter so! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Kollegen von der Freiheitlichen Partei! Wenn Sie einmal die Hälfte unseres Ergebnisses erreicht haben, dann können wir weiterreden, aber reden Sie nicht immer von Ihren großartigen Erfolgen!

Es ist uns in Oberösterreich gelungen – und das möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen –, ein Lehrlingsprogramm, ein Jugendbeschäftigungsprogramm vorzulegen, und wir haben erreicht, daß sich die Wirtschaft, die Gewerbetreibenden bereit erklärt haben, dies auch anzunehmen und entsprechend mehr Lehrlinge einzustellen, und daß auch die Jugendlichen, die angesprochen waren, etwas mehr Flexibilität an den Tag gelegt und gesagt haben: Wir orientieren uns nicht nur an einigen bestimmten Ausbildungsplätzen, sondern wir nehmen auch andere gerne an. – So war und ist der erfolgreiche Weg in Oberösterreich beschritten worden. Wir werden diesen Weg auch weitergehen, Herr Kollege Haigermoser.

Meine Damen und Herren! Zum Jugend- und Kinderschutz. Die Österreichische Volkspartei hat bewiesen, daß sie immer für den Kinderschutz eingetreten ist, daß sie immer für den Jugendschutz eingetreten ist. Wenn Kollege Öllinger meint, daß es christlicher sei, die Jugend zu schützen, so stimmt das. Es ist aber auch christlich, der Jugend Arbeit zu geben. Es ist auch christlich, der Jugend Beschäftigung zu geben. Und diese Politik verfolgt die Österreichische Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir können uns alle, so glaube ich, bei einigen Zielsetzungen finden: Die Jugend braucht Arbeitsplätze und Ausbildung, und wir in diesem Haus müssen das Facharbeiterpotential von morgen und den Wirtschaftsstandort absichern. Gerade ich als Abgeordneter aus Steyr möchte darauf hinweisen, daß es durchaus viele Industriebetriebe gibt, die das Facharbeiterpotential annehmen und sich deswegen in Österreich ansiedeln, weil entsprechende Qualität von Arbeitern und Arbeiterinnen geboten wird.

Das duale Ausbildungssystem hat sich national bewährt, und diese Ausbildungsmöglichkeit findet internationale Beachtung. Wir wollen keinesfalls von diesem Ausbildungssystem abrücken. Die Lehre ist im allgemeinen zu attraktivieren. Die Lehrausbildung darf wirklich keine Sackgasse sein. Ich denke, da können wir uns alle finden. Wenn bestimmte Parteien das alles immer wieder miesmachen und sagen, was nicht noch alles geschehen könnte, was alles noch nicht erledigt ist, so schafft das keine Arbeitsplätze. Wir müssen den Jugendlichen Zukunft und Hoffnung geben und gemeinsam den Weg der Beschäftigung für unsere Jugendlichen gehen, und das tun wir von der Österreichischen Volkspartei.


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Da Herr Kollege Gaugg meinte, es sei überhaupt nichts geschehen, darf ich ihn daran erinnern, daß es eine lange Liste von Punkten gibt, die bereits erledigt sind. Das geht von der Entlastung bei der Krankenversicherung über die Absenkung des Schutzalters bis zur Möglichkeit der Einarbeitung von "Fenstertagen". Es wurden neue Lehrberufe geschaffen, Lehrausbildungsbetriebe werden bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen mehr berücksichtigt – und ähnliches mehr. Ich könnte Ihnen hier eine lange Liste aufzählen, und wir müssen auch der Wirtschaft mitteilen, daß wir all diese Punkte schon erledigt haben, daß es in unserem Land attraktiver geworden ist, Lehrlinge auszubilden. Wir haben eine Reihe von Hürden aus dem Weg geräumt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich hoffe, geschätzte Damen und Herren, daß wir auch unseren Koalitionspartner und die anderen Parteien von jenen Programmpunkten, die noch nicht erledigt sind, überzeugen können. Wir brauchen eine Teillehre für Leistungsschwächere; die haben wir, und die sollen auch einen Beruf erlernen können. Wir brauchen Startjobs, wie wir das in Oberösterreich vorbildlich verwirklicht haben (Abg. Madl: Handeln!), Startjobs für jene, Frau Kollegin Madl, die keine Praxis haben ... (Abg. Madl: Handeln!) Wir haben gehandelt, und die Jugend hat das bei der Wahl goutiert – auch wenn Sie das nicht wahrhaben möchten! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Das Gastgewerbe braucht längere Arbeitszeiten, auch was die Lehrlinge ab 16 Jahren betrifft. Deswegen werden wir in absehbarer Zeit auch die Möglichkeit schaffen, daß der Lehrling bis 23 Uhr arbeiten und auch seine Ausbildung genießen darf. Wir brauchen bessere Berufsinformationen bereits ab der vierten Schulstufe, und wir wollen auch die Probezeit etwas verlängern.

Meine Damen und Herren! Wir sind auf dem besten Weg. Gehen wir diesen Weg gemeinsam – im Sinne unserer Jugendlichen! Jugendbeschäftigungsprogramm und Lehrlingsausbildung, das ist keine Angelegenheit eines Momentes, sondern wir müssen uns immer wieder an den neuen Gegebenheiten orientieren und Anpassungen vornehmen. Ich wiederhole das Ziel unserer Gesinnungsgemeinschaft, der Volkspartei: für möglichst alle Jugendlichen in diesem Land Arbeit und Ausbildung sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort.

18.30

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsparteien folgen bei dieser Novelle einer nach meinem Dafürhalten nicht sehr empfehlenswerten Übung und schwindeln sozusagen, nicht schwindeln, sondern bringen eine zweite Materie mit zur Abstimmung, und das ist eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, die in einem ganz anderen Zusammenhang steht und mit der Jugendförderung nichts zu tun hat. Es geht dabei um die Lebensmittelstiftung, um eine Stiftung, die vor zwei Jahren im Zuge einer EU-Anpassung für arbeitslose Lebensmittelangestellte und -arbeiter geschaffen wurde.

Nunmehr soll mit der Begründung, daß der Prozeß im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes noch nicht abgeschlossen sei, der Zeitrahmen des Eintrittes, der damals sinnvollerweise bis zum 31. Dezember 1997 befristet war, um ein weiteres Jahr verlängert werden. Ich möchte nun erläutern, warum wir diesem Antrag nicht zustimmen werden.

Meine Damen und Herren! Wenn wir beginnen, Strukturprozesse in der Wirtschaft sozusagen dauerhaft mit solchen Stiftungskonstruktionen zu begleiten, dann werden wir für jede Branche und für alle Dinge eine solche Stiftung brauchen. Wenn wir dieses Stiftungsinstrument nicht inflationieren, wenn wir nicht zweierlei Kategorien von Arbeitslosen schaffen wollen – solche, die privilegiert sind, weil sie sich innerhalb einer Stiftung befinden, und solche, die durch den Rost fallen und "arme Hunde" sind –, dann dürfen wir dieser Differenzierung nicht das Wort reden. Es tut mir leid, daß es so etwas gibt.


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Ich glaube zwar, daß es solche Anpassungsprozesse geben wird, aber diese gibt es nicht nur in der Lebensmittelindustrie, sondern auch in der Bauindustrie, auch im Fremdenverkehr sowie in vielen anderen Branchen.

Wir haben ohnehin ein grundlegendes Problem in dieser Republik, und das ist die unterschiedliche Behandlung der gleichen Tatbestände, und zwar insbesondere im Sozialbereich. Ich rede jetzt gar nicht vom Harmonisierungsbedarf in der Pensionsfrage, denn das liegt noch eine Kategorie darüber. In vielen anderen Bereichen ist das der Fall, und das ist dem sozialen Frieden, der sozialen Ausgewogenheit nicht dienlich. Daher werden wir – und nur aus diesem Grund – diesen Vorschlag ablehnen.

Ich wollte mich zur Lehrlingsfrage eigentlich gar nicht äußern, aber es wurde so viel Positives dazu gesagt, zum Beispiel von meinem Vorredner, dem Herrn Abgeordneten Murauer, daß ich es als wichtig erachte, auch etwas dazu zu sagen. Da ich einige Dutzend Lehrlinge – ich weiß nicht und konnte es in der kurzen Zeit auch nicht eruieren, wie viele Dutzend es sind, ich nehme an, es sind zirka 150 – ausbilde, kann ich Ihnen sagen: Meine Damen und Herren, Sie sitzen einer Illusion auf! Das, was Sie hier sagen, können Sie doch nicht glauben! Sie haben heuer das Lehrlingsproblem bestenfalls vertagt. Der Herr Bundeskanzler, alle Regierungsmitglieder – und ich weiß nicht, wer noch aller –, wurden mobilisiert, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Sie haben ein bißchen etwas erreicht – das gebe ich zu –, aber den Preis dafür werden Sie nächstes Jahr zu bezahlen haben. Sie vergessen, daß ein Lehrverhältnis im Schnitt drei Jahre dauert, und Sie haben heute mit Gewalt alles hineingepfropft und werden im nächsten Jahr die Zeche dafür bezahlen müssen.

Meine Damen und Herren! Damit haben Sie das Problem nur für ein Jahr gelöst, was auch ein Verdienst ist, muß ich sagen, aber Sie sollten es zugeben und sich dessen bewußt sein, daß Sie nächstes Jahr dasselbe Problem, dann aber potenziert, haben. Meine Befürchtung ist, daß Sie selbst glauben, daß Sie etwas Positives, strukturell in die richtige Richtung Weisendes erreicht haben. Doch das ist, fürchte ich – und wir sind nicht im Widerspruch –, nicht der Fall: Sie haben die Lehrlingsausbildung für die Unternehmer nicht attraktiver gemacht, Sie haben die Rahmenbedingungen nicht in die richtige Richtung verändert, und daher werden Sie mit diesem Gesetz beziehungsweise mit dieser Novelle nichts erreichen.

Herr Stummvoll! – Jetzt ist er leider nicht mehr da. (Abg. Dr. Stummvoll: Ich passe auf!) Herr Stummvoll, es freut mich, daß Sie mir zuhören. – Die Zeit, Herr Stummvoll, wo man etwas gekauft, Betriebe angesiedelt, Arbeitsplätze und Lehrlingsplätze massiv gefördert hat, ist doch vorbei. Diese Lektion haben wir doch schon gelernt. Spätestens seit Semperit sollten wir wissen, daß sich diese Dinge nicht mehr machen lassen, daher fordern wir einen massiven Einsatz. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Auch wenn Sie in einem ganz bestimmten Fall das Schlimmste verhindert haben, müßten Sie doch wissen, daß die Mittel, die vom AMS massiv eingesetzt werden, bestenfalls Medikament sind, aber keine Heilungstherapie bedeuten. Damit werden diese Dinge einfach scheitern müssen.

Ich bin nicht der Meinung wie ein Kollege von mir, der gesagt hat: AMS – eine matte Sache!, dieser Meinung bin ich nicht, sondern ich meine, daß das AMS grundsätzlich akzeptabel ist, aber das Einsetzen des AMS in dieser Frage wird die Sache nicht wesentlich verbessern. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Ein Schlußwort seitens der Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Wir gelangen damit zu den Abstimmungen, und zwar über den Gesetzentwurf, Abänderungsanträge und Entschließungsantrag. – Ich darf herzlich bitten, die Plätze einzunehmen.

Zum Gesetzentwurf haben die Abgeordneten Mag. Peter und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.


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Weiters haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Die Abgeordneten Haigermoser und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht.

Ferner haben der Abgeordnete Haigermoser sowie der Abgeordnete Öllinger je ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt, dem ich Rechnung tragen werde.

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen sowie die von den Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Peter und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 1 in Artikel I und die damit verbundene Änderung der Ziffernbezeichnung bezieht.

Ich darf ersuchen, daß jene Damen und Herren, die dafür eintreten, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Artikel I Ziffer 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Ziffer 1a in Artikel I zum Inhalt hat.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem Antrag Reitsamer, Feurstein zustimmen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen als nächstes zur Abstimmung über Artikel I Ziffern 2 und 3 in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich darf bitten, im Falle der Zustimmung ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Ich stelle fest: Beschlußfassung mit Mehrheit.

Die Abgeordneten Haigermoser und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 3a in Artikel I samt Änderung der Vollzugsklausel zum Inhalt hat.

Im Falle der Zustimmung darf ich um ein diesbezügliches Zeichen ersuchen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen haben weiters einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Ziffer 4 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung darf ich um ein diesbezügliches Zeichen ersuchen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Als nächstes lasse ich über Artikel II in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte um ein Zeichen der Zustimmung, falls diese erteilt wird. – Ich stelle fest: Beschlußfassung mit Mehrheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, daß die restlichen Teile des Gesetzentwurfes mit Mehrheit angenommen wurden.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Zur Abstimmung steht nunmehr der Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger betreffend Kontrolle der Berufsausbildung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem Antrag Öllinger zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit haben wir den ersten Punkt der heutigen Tagesordnung erledigt.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 264/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (877 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 306/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (878 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 377/A der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (879 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 388/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes (880 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 392/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Konzept für den Abbau von Überstunden (881 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 2 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Verlangen auf mündliche Berichterstattung liegt mir zu keinem der Anträge vor.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Mag. Haupt das Wort. Die Uhr ist über eigenes Verlangen auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.40

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die folgenden zur Diskussion stehenden fünf Anträge der Oppositionsparteien haben – wie immer – ein Schicksal: Die meisten wurden zwar in ihren Grundzügen diskutiert, schlußendlich aber von den beiden Regierungsparteien, soweit es sich um Anträge der Freiheitlichen handelte, abgelehnt, oder, soweit es sich


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um Anträge der anderen Oppositionsparteien handelte, durch entsprechende Abänderungsanträge in Resolutionen umgewandelt.

Es ist hier einmal grundsätzlich zu sagen, daß es gerade im Sozialbereich sinnvoll wäre, das, was hier verbal über die Lippen kommt, nämlich alle einzuladen, die schwierigen Probleme zu lösen – egal, ob es jetzt die schwierigen Probleme der Finanzierung in den Krankenanstalten oder die schwierigen Probleme im Bereich der Sozialversicherung, der Pensionsversicherung und der Arbeitsplatzschaffung sind –, auch einzuhalten und doch vielleicht einmal gemeinsam darüber zu diskutieren und nicht das Ritual der Vergangenheit auch in der Zukunft als Perpetuum mobile in Gang zu setzen, nämlich daß alles, was die Opposition bringt, prima vista auf die lange Bank zu schieben ist und dann vielleicht über die Hintertüre, wie zum Beispiel der Tagesordnungspunkt 1, in immer wiederkehrenden Reparationsschritten umgesetzt werden muß.

Ich möchte mich wegen der kurzen Redezeit in meinen Ausführungen ausschließlich auf die Gleichstellung der nichtöffentlichen und öffentlichen Krankenanstalten in der Sozialversicherung konzentrieren.

Unser Antrag stammt aus dem Jahre 1996 und ist aus der damaligen Sicht auch heute noch gültig. Es ist zwar richtig, daß es, so wie die beiden Regierungsparteien gesagt haben, heute einen dreijährig befristeten Vertrag mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger gibt, aber es ist nicht richtig, daß bei den nichtöffentlichen Krankenanstalten und den öffentlichen Krankenanstalten nun das gleiche System angewendet wird, denn: Bei den öffentlichen Krankenanstalten werden die Leistungen immer noch nicht zur Gänze leistungsorientiert finanziert, sondern im Gegenteil: Je nach Bundesland unterschiedlich haben sich Sockel- oder Gesamtbudgets entwickelt, die außerhalb der Leistungsorientierung liegen. Im Bundesland Kärnten, dem extremsten Fall, betrifft das 60 Prozent des gesamten Volumens, in anderen Bundesländern sind das zwischen 20 und 30 Prozent der Budgets, der Rest kommt aus den Sozialversicherungen.

Man darf aber bei dieser Diskussion auch nicht vergessen, daß 56 Prozent der Leistungen, die in die Krankenanstalten fließen, heute nicht mehr aus Beitragszahlungen, sondern von der öffentlichen Hand – aus Steuerleistungen der Länder, der Gemeinden und des Bundes – kommen. Ich halte es daher nur für gerechtfertigt, daß man, wenn die öffentlichen und die nichtöffentlichen Krankenanstalten einen Anteil an der öffentlichen Basisversorgung in Österreich haben – die nichtöffentlichen mit 12 Prozent, die öffentlichen mit dem Rest –, dazu übergeht, die nichtöffentlichen Krankenanstalten für ihren Anteil der Basisversorgung nicht als ewige Bittsteller mit Verträgen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger abzuspeisen, sondern auch den dort beschäftigten 3 500 Mitarbeitern die gleiche soziale Sicherheit wie jenen in den öffentlichen Krankenanstalten zu geben.

Weiters soll man angesichts des Umstandes, daß die Leistungen in den nichtöffentlichen Krankenanstalten im Vergleich zu jenen der öffentlichen Krankenanstalten bei gleichen Leistungen und gleichen Dienstleistungen billiger angeboten werden können und somit die kostengünstigere Variante darstellen, und angesichts der Ressourcenknappheit der öffentlichen Mittel diesen Bereich einer neuen Betrachtung zuführen.

Wir Freiheitlichen haben daher gemeint, daß es unbeschadet der jetzigen Situation des dreijährig befristeten Vertrages des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger mit den nichtöffentlichen Krankenanstalten pro futuro vernünftig wäre, in diesem Bereich und dort, wo gleiche Leistungen geboten werden, auch eine gleiche Refundierung durchzuführen.

Die Bundesregierung hat Überlegungen angestellt, daß in jenen, die nichtöffentliche Krankenanstalten mit Genehmigung ihrer Krankenversicherung aufsuchen, 80 Prozent zu refundieren sind und 20 Prozent Selbstbehalt zu leisten sind. Das hat dazu geführt, daß jene, die Zusatzkrankenversicherungen haben, dieses Angebot annehmen und schneller in die Betreuung kommen können, während jene, die keine Zusatzversicherung haben, dieses Angebot nicht


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annehmen, auf der Warteliste stehen und daher später in den Genuß von aufschiebbaren Heilbehandlungen kommen können.

Ich glaube nicht, daß es im Interesse irgendeiner Fraktion in diesem Parlament ist, eine Zweiklassenmedizin eo ipso einzuführen. Ich hoffe daher, daß die Ablehnung, die im Sozialausschuß erfolgt ist, noch nicht das letzte Wort ist.

Wir Freiheitlichen hoffen, daß in diesem Bereich die längst notwendige Gleichstellung erfolgt, und ich bin mir dessen sicher, daß dies nicht zum Nachteil der Kostenwahrheit und der Betreuungssicherheit in diesem Staate gehen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

18.45

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auf die beiden Anträge, die die Novellierung des ASVG betreffen, gehe ich aus zeitlichen Gründen nicht ein. Unsere Kollegin Dr. Pittermann wird das ausführlich in ihrem Debattenbeitrag machen.

Zum Antrag der Freiheitlichen betreffend Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes möchte ich nur kurz unsere Haltung darstellen: Eine Verlängerung der Anfechtungsfrist bei Kündigung wird auch von uns angestrebt, und aus Gesprächen mit dem Sozialministerium weiß ich, daß auch dort sehr problembewußt daran gearbeitet wird. Ich hoffe, daß wir bei der nächsten Novelle des Arbeitsverfassungsgesetzes eine diesbezügliche Regelung finden können. Das setzt allerdings auch politische Mehrheiten zu dieser Gesetzesmaterie voraus.

Der Antrag enthält aber auch den Wegfall des Sperrechts des Betriebsrates (Abg. Blünegger: Gott sei Dank!) , und man sollte davon ausgehen, daß die Antragsteller die Rechtslage kennen; ich werde sie aber trotzdem noch einmal aufzeigen.

Meine Damen und Herren! Das Individualrecht ist dadurch gewährleistet, daß bei Motivkündigungen das Anfechtungsrecht des einzelnen ohnedies gegeben ist und bei unsachlicher Zustimmung bei Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen auf die Nichtigkeit nach dem ABGB geklagt werden kann.

Was Sie mit diesem Antrag wollen, ist nicht die Stärkung des Individualrechtes, sondern die Zerstörung der Wahrnehmung kollektiver Interessen. (Zwischenruf des Abg. Blünegger.  – Beifall bei der SPÖ.) Sie wissen nämlich ganz genau, daß es den einzelnen Arbeitnehmern so gut wie unmöglich ist, einen Sozialausgleich selbst herbeizuführen oder gar einen Sozialplan zu verhandeln.

In Ihrem zwanghaften Bemühen, erfolgreiche Einrichtungen zu zerstören, geht es Ihnen nicht um die Wahrnehmung von ArbeitnehmerInneninteressen (Abg. Blünegger: Das ist eine Unterstellung!) , sondern um die Bekämpfung demokratischer Organisationen wie Betriebsratskörperschaften, und zwar deshalb, weil Sie dort offensichtlich nicht erfolgreich sind. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Offensichtlich haben Sie wirklich keine Ahnung, wie es in Betrieben zugeht. Was das in der betrieblichen Praxis bedeutet, wird die Kollegin Bauer schildern, denn sie arbeitet in einem Betrieb und weiß, was das in der Praxis bedeutet – im Gegensatz zu Ihnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Wo sind denn Sie beschäftigt? In einem freien Betrieb?)

Herr Kollege! Hören Sie dann den Ausführungen der Kollegin Bauer zu! Vielleicht sind auch Sie lernfähig. Ich hoffe es für Ihre Fraktion!

Der Antrag des Liberalen Forums betreffend Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes enthält zweifelsohne interessante Ansatzpunkte, aber wie uns allen bekannt ist, ist die derzeitige Kompetenzregelung so, daß sie diesem Antrag entgegensteht.


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Aus diesem Grund haben wir im Ausschuß einen Abänderungsantrag in dem Sinne eingebracht, daß die Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Gespräche mit den Ländern darüber zu führen hat, wie die Weiterentwicklung der Sozialhilfe stattfinden kann. In dieser abgeänderten Form haben wir diesem Antrag unsere Zustimmung gegeben, weil wir glauben, daß dieses Thema wirklich sehr wichtig ist und auch mit den Ländern entsprechend weiterverhandelt werden sollte.

Gestatten Sie mir auch einige Bemerkungen zum Antrag der Grünen betreffend Konzept zum Abbau von Überstunden. 37,4 Prozent der Männer und 25,5 Prozent der Frauen haben im Jahre 1995 regelmäßig Überstunden geleistet. Nicht zuletzt haben wir in diesem Hohen Haus eine Arbeitszeitgesetzgebung beschlossen, die es gestattet, flexible Arbeitszeitgestaltung über Kollektivverträge zu regeln, nämlich solche flexiblen Arbeitszeitgestaltungen, die nicht nur für den Arbeitgeber, sondern auch für den Arbeitnehmer von Vorteil sein sollten.

Arbeitszeitverkürzung ist aber nach wie vor ein Thema, auch wenn es von der Wirtschaft nicht gerne gehört wird, und der Abbau von regelmäßigen Überstunden gehört zweifelsohne auch dazu. Wir wollen nicht Jobwunder wie in Amerika oder wie in den Niederlanden, wo Arbeitszeitverkürzung so erfolgt, daß die Leute auf Teilzeit gesetzt werden – mit Lohneinbußen, die das Lohnniveau in diesen Ländern drastisch sinken ließen.

Wir glauben auch, daß neue Regelungen und neue Arbeitszeitmodelle wichtig sind. Auch aus diesem Grund haben wir einen Abänderungsantrag eingebracht, nämlich dahin gehend, daß im Rahmen des Sozialberichtes 1997 ein Kapitel über die Auswirkungen der Flexibilisierung der Arbeitszeit auf die Überstundenleistung von Arbeitnehmern aufzunehmen ist.

Auch diesem Antrag haben wir in Form dieser Abänderung unsere Zustimmung gegeben, weil wir davon überzeugt sind, daß Arbeitszeitgestaltung, Arbeitszeitformen und das Ausmaß von Überstunden eine wichtige Frage der Aufteilung und Verteilung von Arbeit ist. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

18.50

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! In gebotener Kürze – und da ja diese Materie im Sozialausschuß teilweise schon sehr ausführlich besprochen wurde – möchte ich mich auf zwei Teilaspekte konzentrieren und einen nur ganz kurz streifen, und zwar Bezug nehmend auf die Ausführungen meiner unmittelbaren Vorrednerin, Frau Kollegin Silhavy.

Ich meine, in der Frage der Anfechtungsmöglichkeiten bei der Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen werden wir uns so rasch nicht finden. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß dieser Antrag die richtige Intention hat und es wirklich schade ist, daß es nicht möglich war, das auszudiskutieren.

Der Verweis auf das ABGB wäre mir ja rechtstheoretisch noch irgendwie sympathisch, weil ich das ABGB – bei all seinen Altersschwächen, die es auch hat – nach wie vor für ein Jahrtausendgesetz halte. Aber daß das gerade in dieser Dimension als Argument kommt, sollte Sie selbst einmal nachdenklich machen. Das ABGB lieben Sie sonst nämlich nicht so sehr. Ich erinnere Sie etwa an die seinerzeitige Diskussion über die Frage, ob man den Konsumentenschutz in das ABGB einbetten oder ein eigenes Gesetz machen soll. Das ist schon etwas länger her. Ich will Ihnen damit nur vor Augen führen, daß Sie normalerweise einen Bogen um das ABGB machen und ihm dabei teilweise Unrecht tun.

Wenn Sie jetzt die Paragraphen in der Gegend des § 870 anziehen, dann ist das nicht der Rechtsbereich, den ich gerne vor den Arbeitsgerichten hätte. – Sie verstehen, was ich damit meine. Darüber müssen wir noch länger reden.


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Aber damit mein Beitrag hier nicht zu lang wird, komme ich zum eigentlichen Punkt, mit dem ich mich beschäftigen wollte, nämlich zum Antrag 388/A (E), der durch den Abänderungsantrag dann auch im Ausschuß eine Mehrheit gefunden hat. Kollegin Silhavy hat schon darauf Bezug genommen. Es geht um die Frage der Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes. Ich habe die Diskussion im Ausschuß verstanden und erkannt, daß die Anliegenstellung breit mehrheitsfähig ist. Dadurch mündet das in diese dann auch im Ausschuß mit Mehrheit beschlossene Entschließung. Ich erkläre gerne, daß wir hier und heute im Plenum diesem Ausschußbericht auch unsere Zustimmung geben werden. Ich habe im Ausschuß zwar ein anderes Abstimmungsverhalten gezeigt, weil ich verständlicherweise meinen eigenen Antrag verteidigt habe, aber über letzteren konnte ich dann durch die Mechanik im Abänderungsantrag nicht mehr abstimmen.

Es ist zwar nicht der Erfolg, den wir erhofft haben, aber es ist doch ein ganz wesentlicher Erfolg, weil die große Mehrheit des Ausschusses – und, wie ich hoffe, auch dieses Hauses – Gespräche in einer ganz bestimmten Richtung als notwendig erkannt hat. Es geht wirklich tatsächlich darum, daß wir uns überlegen müssen, ob das Gebiet der Republik Österreich wirklich so groß ist, daß es nicht möglich ist, bestimmte Dinge – selbstverständlich mit regionaler Ausdifferenzierung, was die Lebenshaltungskosten und so weiter anlangt – nach einheitlichen Mechaniken aufzubauen.

Es gibt zwischen den Bundesländern wirklich dramatische und merkwürdige Unterschiede, wie zum Beispiel den Ersatz der vollen Wohnkosten in einem Bundesland und der angemessenen Wohnkosten in einem anderen, und lauter solche Dinge. Es wäre daher wünschenswert, daß die Richtsatzvorschreibungen nach klaren und einheitlichen Regelungen erfolgen. Es geht um die Schaffung eines gleichmäßigen Zugangs zum Recht, zum Beispiel auch in der Frage der Antragsbindung oder der Amtswegigkeit. Das alles ließe sich doch harmonisieren. Auch die Definition des regulären monatlichen Bezugszeitraumes wäre etwas, was standardisierbar wäre.

Wenn ich etwa an die Dinge denke, die sich zuletzt in einzelnen Bundesländern abgespielt haben, dann muß ich sagen, daß zum Beispiel die Frage der Beschränkbarkeit der Verwertung von Vermögen, also die Frage des Schonvermögens, etwas ist, was dringend nach einer Harmonisierung ruft, ebenso die Frage der Beschränkung des Regresses bei laufendem Bezug in der offenen Sozialhilfe.

Jetzt mache ich die Schlaufe zum ABGB. Plötzlich wird im ABGB totes Recht entdeckt. Mit anderen Worten: Anscheinend ist aufgrund der Finanzierungsnöte im Bereich der Sozialhilfe ein Notventil entdeckt worden, und man hat erkannt, daß es da doch dieses alte, archaische Recht gibt, wonach Kinder ihren Eltern in der Not Unterhalt schuldig sind.

Das ist ein altes Recht, und es stammt aus einer Zeit, in der tatsächlich die Kinder die einzige soziale Sicherung der Menschen waren, aus der Zeit der großen Familien. Wenn man das in dieser Form individualisiert, dann wählt man im Bereich der sozialen Ansprüche alter Menschen einen Privatisierungszugang wie im frühen 19. Jahrhundert, das heißt: Plötzlich lassen wir die allgemeine Solidarität fallen wie einen heißen Erdäpfel.

Jetzt steht das noch im Gesetz, und es gibt die Möglichkeit, es anzuwenden. Aber ich meine, es wäre sinnvoll – und deswegen ist diese Entschließung ja entstanden –, wenn die Frau Bundesministerin im Zusammenwirken mit den Bundesländern überlegen würde, wo man eine vernünftige, der Wirklichkeit des Lebens besser entsprechende Grenze ziehen könnte, denn es gibt ganz unterschiedliche Umstände, unter denen man als Kind in diese Unterhaltspflicht geraten kann. Das kann zum Beispiel eine Notlage sein, die tatsächlich auch mit dem Kindschafts/ Elternschaftsverhältnis im Zusammenhang steht. Es kann aber auch der Vater oder die Mutter plötzlich im zweiten, dritten oder vierten "Frühling" sein oder ihr gesamtes Alterssicherungssystem verjuxt haben und dann sagen: Ich bin in Not.

Verstehen Sie, was ich meine? – Das sind archaische Formen, und wenn wir dafür eine andere Lösung finden könnten, dann wäre das besser. Wir widersprechen uns in dieser Frage nicht wirklich. Frau Kollegin Silhavy! Sie sind vielleicht deswegen nicht ganz glücklich über diese Debatte, weil das in einzelnen Bundesländern gelegentlich den einen oder anderen Landesrat


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oder eine Landesrätin von Ihnen betrifft. Aber wenn ich mir zum Beispiel anschaue, was derzeit auf Regreßebene – hinsichtlich der Beschränkung des laufenden Regresses – in der Steiermark läuft, dann finde ich das nicht wirklich witzig. (Abg. Silhavy: Bei Sozialhilfebeziehern, das war mein Argument!)

Selbstverständlich! Lesen Sie einmal nach, was der zuständige Landesrat in Salzburg gefordert hat: Solange ihm jemand, der Sozialhilfe beantragt, nicht nachweist, daß er seine Kinder bereits auf Unterhalt geklagt hat, braucht er gar nicht mehr zu kommen. Ich meine, das sind archaische Rechtsformen, die wir überwinden sollten.

Ich bin sehr positiv davon berührt, daß wir gemeinsam und mit großer Mehrheit erkannt haben, daß das ein Thema ist, das man in ruhigen, sachlichen Gesprächen in Angriff nehmen muß. Es steht uns wahrscheinlich ein langer Weg bevor, weil die Bundesländer vielleicht plötzlich entdecken werden, daß das im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich vielleicht ein Tauschgeschäft werden kann und daß die Quasi-Bundesstaatsreform plötzlich eine zusätzliche Facette bekommt. Ich will das jetzt aber nicht weiter ausführen.

Das kann also ein dorniger Weg werden. Aber wenn wir diesen Weg nicht beschreiten, dann machen wir, wie ich meine, einen Fehler, weil es notwendig wäre, auf der höchsten Ebene – und das ist in unserem Fall die Republik – jene Vorgehensweisen zu vereinbaren, die dann selbstverständlich auch lokal abgebildet werden. Je näher man etwas wie die Sozialhilfe vor Ort darstellt, desto näher ist man am Problem. Aber je klarer die Rahmenbedingungen sind, desto besser verhütet man gelegentlich vielleicht – vorsichtig ausgedrückt; Sie wissen, was ich meine – ungeschickte Willkür, eine gewisse Unbeholfenheit vor Ort, die aber zu Lasten der Ärmsten geht.

In diesem Sinne werden wir dieser Entschließung, so wie die Mehrheit sie befunden hat, zustimmen. Wir sind der Meinung, es ist immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nicht das, was wir uns gewünscht haben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Er hat das Wort.

18.59

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu diesen fünf Anträgen einige wenige Bemerkungen machen, und zwar zu jedem Antrag jeweils eine oder zwei.

Zunächst einmal meine ich, daß jeder dieser von verschiedenen Oppositionsparteien eingebrachten Anträge evaluiert und diskutiert worden ist. Dort, wo die Möglichkeit bestanden hat, eine Weiterentwicklung vorzusehen, ist diese ergriffen worden.

Zum Antrag der Freiheitlichen in bezug auf Gleichstellung der öffentlichen und nichtöffentlichen Krankenanstalten. Ich glaube, Kollege Haupt, man muß inhaltlich meritorisch hinzufügen, daß diese Forderung großteils durch die Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenverrechnung statt des KRAZAF erfüllt und überholt worden ist. Wir müssen uns auch vor Augen führen, daß eine gänzlich freie Krankenhauswahl ohne jegliche Vertragsbeziehung wirklich schwer denkbar und realisierbar ist.

Der zweite Antrag wurde auch seitens der Freiheitlichen eingebracht und betrifft das Arbeitsverfassungsgesetz beziehungsweise speziell das von Frau Kollegin Silhavy angesprochene Sperrecht des Betriebsrates. Worum geht es dabei? – Ich muß sagen, ich habe eine sehr starke Sympathie dafür, dieses Sperrecht aufzuheben. Ich sage das sehr offen, weil ich immer der Auffassung war – und der ÖAAB hat diese Auffassung seit Jahren vertreten –, daß, wo immer eine Stärkung der individuellen Rechte des Arbeitnehmers möglich ist, wir sie auch durchführen sollten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Was mich daran hindert, zuzustimmen, ist, daß wir auch den Wert sozialpartnerschaftlicher Einigungen sehr, sehr hoch einschätzen. Gerade das Arbeitsverfassungsgesetz war immer eine Materie, bei der wir gesagt haben: Darüber sollen die Sozialpartner diskutieren, sie sollen versuchen, gemeinsame Lösungen zu finden. Dieser Bereich ist wirklich das Eingeweide, da haben die Sozialpartner immer versucht, gemeinsame Lösungen zu finden. Das heißt: Inhaltlich hege ich zwar Sympathie für diesen Antrag, möchte aber, daß die Sozialpartner diesbezüglich entsprechende Einigungen finden. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Der dritte Antrag fordert die Abschaffung der Krankenscheingebühr. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Erstens: Das rückwirkend zu beschließen, würde wirklich chaotische Zustände bewirken, und Chaos ist das Letzte, was wir mit einer gesetzlichen Bestimmung erreichen wollen! Das muß hier schon gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens muß man dazu sagen, daß die finanzielle Überlegung schon einiges gebracht hat. 500 Millionen Schilling sind insgesamt in einem Jahr dadurch hereingekommen. Das ist keine Bagatelle! Sie müssen ja auch bedenken, daß die Anzahl der Krankenscheine, die tatsächlich angefordert worden sind, dadurch beträchtlich reduziert worden ist.

Dort, wo wir Möglichkeiten der Reduktion und der sinnvollen Einsparung erkennen können, sollten wir sie auch wahrnehmen. Daher haben wir uns auch dazu bekannt. Im übrigen zählen seither die Krankenkassen – das müssen wir positiv anmerken – durchaus wieder zu denjenigen, die auch schwarze Zahlen schreiben, und das ist etwas, worüber wir uns ökonomisch gesehen zweifellos freuen dürfen.

Zum Antrag des Liberalen Forums betreffend ein Bundessozialhilfegesetz. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, daß Kollege Kier hier erwähnt hat, daß im Ausschuß eine ausführliche meritorische Diskussion zu diesem Thema stattgefunden hat und die Sozialministerin mittels eines entsprechenden Antrages ersucht worden ist, mit den Ländern Gespräche über die Weiterentwicklung der Sozialhilfe zu führen. Als überzeugter Föderalist möchte ich aber sagen: Wir halten die Kompetenzen der einzelnen Länder jeweils sehr hoch. Dieser Bereich liegt in der Kompetenz der Länder. Ich meine, wenn hier inhaltlich da oder dort einiges verbessert werden kann, dann ist das zu begrüßen, keinesfalls sollte aber diese Länderkompetenz wieder auf die Bundesebene übertragen werden.

Letzter Punkt: Abbau der Überstunden. Damit befaßt sich der Antrag der Grünen. Ich meine, das ist ein Antrag, der auf Überlegungen beruht, wie der kleine Maxi sich das vorstellt: So und so viele Überstunden sind vorhanden, die Summe dividieren wir durch die Anzahl von so und so vielen Personen, und schon haben wir neue Arbeitsplätze. – Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen! Erstens: Eine derartige Milchmädchenrechnung kann nicht aufgehen! Zweitens: Es ist ganz einfach so, daß für die jeweiligen Arbeitsplätze und die im Einzelfall im Betrieb anfallenden Überstunden die unterschiedlichsten Qualifikationen erforderlich sind. Das ist auch regional völlig differenziert zu betrachten. Dort, wo es möglich war, haben wir immer versucht, die Arbeit auf mehrere Personen aufzuteilen. Aber so einfach geht es halt nicht, daß man nur die Summe der Überstunden hernimmt, durch die Zahl 40 dividiert und sagt: Aha, jetzt haben wir neue Arbeitsplätze! – Das ist zu billig. So geht es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir von den Regierungsparteien vertreten die Auffassung: Wenn von den Oppositionsparteien sinnvolle Beiträge geliefert werden, dann muß man darüber meritorisch diskutieren und die Probleme einer Lösung zuführen. Aber wenn etwas Sinnloses beantragt wird, dann muß man auch mit einem klaren Nein antworten! (Beifall bei der ÖVP.)

19.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.05

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Abgeordneter Höchtl! Es hat niemand angenommen, daß Sie etwas billig ma


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chen! (Abg. Dr. Höchtl: Aber verständlich!) Aber so einfach, wie Sie das darstellen, ist es auch nicht.

Es geht um den Abbau von Überstunden, und es ist heute im Rahmen anderer Debatten schon einiges dazu gesagt worden. Ich beschränke daher meine Anmerkungen nur mehr darauf, daß ich mit dem, was in der Entschließung, die ja auch von uns mitgetragen wird, festgehalten ist – daß es nämlich im Sozialbericht einen Bericht zu den Überstunden geben soll –, durchaus einverstanden bin – als Anfang.

Herr Abgeordneter Höchtl! Die Problematik, daß in den letzten Monaten gerade im Handel zahlreiche Vollzeitarbeitsplätze in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt wurden, während die Leute in diesen geringfügigen Arbeitsverhältnissen oder auch in den Teilzeitplätzen aber teilweise Überstunden leisten, die weit über die Normalarbeitszeit hinausgehen, werden Sie nicht wegdiskutieren können! Das ist ein Problem, eines der vielen Probleme, das in diesem Zusammenhang ebenfalls zu betrachten wäre.

Ich will aber auch einige Anmerkungen zu den Ausführungen von Kollegin Silhavy machen, die mich doch etwas verblüfft haben, auch wenn sie an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei gerichtet waren. Das Individualrecht so niederzumachen, das war mir zu billig! Das ist wirklich zu billig. Selbstverständlich will niemand – ich weiß allerdings nicht, ob die Freiheitlichen das wollen – damit sozusagen die Betriebsratskörperschaft eliminieren.

Man könnte noch darüber diskutieren, was die Freiheitlichen vorhaben (Abg. Meisinger: Keine Unterstellungen!), aber da es unter den Freiheitlichen auch einige Betriebsräte gibt, nehme ich einmal an, daß sie auch ihre Erfahrungen haben. Ich muß sagen, meine Erfahrungen mit dem Verhalten von Betriebsräten sind nicht nur positive. Sie gehen schon auch in die Richtung, daß Betriebsräte in manchen Fällen – nicht in sehr vielen Fällen, ich wiederhole: in manchen Fällen – einer Kündigung zustimmen, weil sie eine politisch oder sonstwie mißliebige Person betrifft. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Das gibt es.

Es gibt auch noch den anderen Fall – leider ist die Frauenministerin gerade nicht da –, und auch das gibt es in der Praxis, daß zum Beispiel ein männlicher Betriebsrat der Kündigung einer Frau zustimmt, weil er die Ansicht vertritt: Sie kann daheim bleiben, der Mann hingegen nicht. – Frau Kollegin Silhavy! Was machen wir denn dann? Was tun wir in einem solchen Fall? – Ich kann nur sagen: Dann haben wir leider Pech gehabt! Dann habe ich kein Recht, dann kann ich nur das ABGB beanspruchen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Ja, ich weiß, aber das ist mir zu billig.

Was ich will – und so habe ich den Antrag der Freiheitlichen auch verstanden; so könnte man ihn, wenn man wollte, auch präzisieren –, ist nur, daß diese Möglichkeit besteht. Selbstverständlich soll der Betriebsrat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht diese Möglichkeit nutzen, um seine Argumente geltend zu machen. Wenn der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht aber nichts anderes zu melden hat, als zu sagen: Ich habe der Kündigung dieser Frau deswegen zugestimmt, weil es für sie leichter ist, zu Hause zu bleiben!, dann hoffe ich doch, daß der Richter in diesem Fall gescheiter ist als der Betriebsrat, der diese Argumentation verwendet hat. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist ein Problem, das wir nicht wegdiskutieren können. Kollegin Silhavy! Du schüttelst den Kopf, aber ich könnte dir einige Fälle aus dem Bereich der Post und der Bahn nennen, wo von Personalvertretern so etwas gemacht wurde. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Kollege Edler! Da brauchen wir nicht viel darüber zu debattieren. Ich schränke es vielleicht auf den Bereich der Post ein, weil mir konkrete Fälle aus diesem Bereich vorliegen. Es sind dies Fälle, in denen Personen gekündigt wurden, die damals, als es in der Arbeiterkammer noch keinen Rechtsschutz gegeben hat, zunächst zur Gewerkschaft gegangen sind. Da aber der Personalvertreter, der der Kündigung zugestimmt hat, mit der Gewerkschaftsvertretung identisch war, hat er als Gewerkschaftsvertreter gesagt: keine Vertretung durch die Gewerkschaft. Dies, obwohl der Betroffene Gewerkschaftsmitglied war!


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Daraufhin ist dieses Gewerkschaftsmitglied dann auch zur Arbeiterkammer gegangen – in Oberösterreich war das; ganz konkrete Fälle – und hat gesagt: Ich will von euch vertreten werden. Darauf hat die Arbeiterkammer Oberösterreich – das war vor der Arbeiterkammerreform – gesagt: Von uns bitte nicht! (Abg. Meisinger: Da geht es um politisch Mißliebige!)

Diese Fälle gibt es, und da geht es eindeutig um politisch mißliebige Personen, die auf diese Art und Weise hinausgedrängt wurden. (Beifall des Abg. Meisinger. ) Ich sage nicht, daß das in vielen Fällen so ist, aber in diesen Fällen soll der einzelne auch das Recht haben, einer Kündigung, die scheinbar aus wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde, zu widersprechen – genauso, wie wenn es sich "nur" – unter Anführungszeichen – um eine Frau handelt. Er soll seine Rechte vor dem Arbeitsgericht vertreten können. Dort soll der Betriebsrat oder die Körperschaft erst einmal erklären, daß dieses Verhalten eines einzelnen zum Beispiel einem beabsichtigten Sozialplan widerspricht.

Es ist ja denkbar, daß es einen gut ausgehandelten Sozialplan gibt, der durch das Verhalten eines einzelnen unterlaufen wird. Dann hat man die Möglichkeit, vor Gericht diese Argumentation auszupacken. Davor braucht sich kein Betriebsrat, der einen guten Sozialplan ausverhandelt hat, zu fürchten. Da brauchen sich nur jene Betriebsräte zu fürchten, die sich auch sonst zu fürchten hätten. Ich glaube, daß wir im Jahr 1997 nicht so weit gehen können, dieses Individualrecht, die Kündigung zu beeinspruchen, mit solch nebbichen Argumenten einfach abzuschasseln und zu sagen, das sei eine billige Propaganda, die da gegen den Betriebsrat betrieben werde. – Nur soviel sei dazu angemerkt.

Zum Antrag bezüglich Sozialhilfe möchte ich nur sagen: Da wir im Ausschuß eine durchaus produktive Diskussion gehabt haben, die allerdings zu dem Ergebnis geführt hat, daß die Mehrheit der Meinung ist, wir brauchen da keine Änderung, und da auch wir von den Grünen einen Antrag zu diesem Gesetz eingebracht haben, werden wir ohnehin über die Sozialhilfereform noch weiter diskutieren. Ich hoffe, daß auch die Regierungsparteien ihre Meinung diesbezüglich ändern werden. (Beifall bei den Grünen.)

19.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Bauer vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Rufe bei den Freiheitlichen: Eine Grundsatzrede! Bitte die geschriebene Rede verteilen!)

19.12

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Freiheitlichen einen Antrag zum Arbeitsverfassungsgesetz eingebracht haben, in dem sie die Forderung nach völliger Aufhebung des Sperrechtes des Betriebsrates aufstellen (Abg. Meisinger: Ist auch berechtigt!), so ist das für mich ein Beweis dafür, daß sich die Freiheitlichen noch nie mit der Problematik in der Arbeitnehmerschaft befaßt haben. (Abg. Meisinger: Sie brauchen nur zu lesen! – Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Sie reden von den Arbeitnehmern, aber Sie wissen wirklich nicht, was sich in der Arbeitnehmerschaft abspielt (Beifall bei der SPÖ), sonst wären Sie von der Freiheitlichen Partei über Ihren Antrag selbst betroffen und würden erschrecken. (Abg. Mag. Stadler: Darum wählen uns immer mehr Arbeitnehmer!) Diese völlige Aufhebung des Sperrechtes des Betriebsrates wäre nämlich keine Besserstellung für den Arbeitnehmer, sondern nur eine für den Arbeitgeber.

Jetzt ist Abgeordneter Höchtl zwar nicht da, aber mich würde schon interessieren, ob er mit dem ÖAAB-Betriebsrat darüber auch so gesprochen hat.

Ich möchte meinen Standpunkt begründen. Aus meiner täglichen Praxis heraus kann ich nämlich sagen, daß der einzelne Arbeitnehmer nicht mit dem Gericht in Berührung kommen will. Aber, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, wie soll die Umsetzung bei einer Kündigung von 50 oder 100 ... (Abg. Blünegger: Nach dem Parteibuch geht es wahrscheinlich bei euch! Dafür verteidigt ihr es so!)  – Nein, das ist eure Aussage. (Abg. Gaugg: Genügend Beweise!) Aber Sie können mir nicht sagen, wie diese Arbeitnehmer ihr Recht einfordern sollen.


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(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy – in Richtung Freiheitliche –: Lautstärke allein ist kein Argument!)

Meine Damen und Herren! Ich zeige jetzt einmal für die Steiermark auf, was nur durch den Betriebsrat – sprich Gewerkschaft und Arbeiterkammer – für die Betroffenen im Bereich der Gewerkschaft Textil, Bekleidung, Leder erstritten wurde. In den Jahren von 1988 bis 1996 war es ein Betrag von insgesamt 37 676 744 S. Dieses Geld wäre ohne Gewerkschaft und Arbeiterkammer für die Betroffenen verloren gewesen.

Wenn die Freiheitlichen meinen, die Arbeitnehmer würden entmündigt, so kann ich nur wiederholen, daß sie keine Ahnung von der Praxis haben, da durch die Mitsprache des Betriebsrates große Schäden, ob in menschlicher Hinsicht oder finanzieller Natur, verhindert werden können.

Meine Damen und Herren! Wir werden im Ausland um unser System beneidet. (Abg. Mag. Stadler: Wo denn? Wer beneidet uns?) Deshalb werden wir Sozialdemokraten weiter dafür kämpfen, daß nicht durch die Unwissenheit der Antragsteller von der FPÖ die Rechte der Arbeitnehmer aufs Spiel gesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Marizzi: Da sagt Herr Stadler nichts!)

Zur Überstundenproblematik möchte ich aus der Sicht meiner Betriebsratstätigkeit folgendes sagen: Überstunden sind dort nicht vermeidbar, wo man ein Produkt herstellt, welches mit langen Anlernzeiten verbunden ist. In der heutigen Zeit ist es eben so: Der Auftrag kommt herein, und die Ware soll schon ausgeliefert werden. Eine Überstundenerhebung kam aber zu dem Ergebnis, daß die höchsten Anteile an Überstunden, nämlich über 60 Prozent, von Direktoren, Geschäftsleuten, Juristen und Wirtschaftsberatern geleistet werden. Für diese Personen, deren Einkommen ohnehin kein niedriges ist, werden Überstunden auch nicht als überlebensnotwendig anzusehen sein. Frau Abgeordnete Steibl ist zwar jetzt nicht hier, aber ich erinnere daran, daß sie im Ausschuß gesagt hat, daß Überstunden für den einzelnen überlebensnotwendig sind. Ich hoffe nicht, daß sie damit diese Gruppe gemeint hat, denn für mich stellt sich die Frage: Was machen jene Arbeitnehmer, die überhaupt keine Chance auf Arbeit haben?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meiner Ansicht nach wäre es notwendig, die Überstunden vor allem in jenen Bereichen zu reduzieren, in denen sie nachweislich regelmäßig gemacht werden (Ruf bei den Freiheitlichen: Warum macht der Arbeitnehmer Überstunden? – Weil er etwas verdienen will!) und wo man zu keiner Neuaufnahme bereit ist, um sich dadurch vielleicht Risikokosten zu ersparen, wie etwa im Krankheitsfalle oder auch beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld. (Abg. Gaugg: Wenn die ÖGB-Funktionäre aufs Überstundenpauschale verzichten würden, hätten wir schon eine Menge Arbeitsplätze!)  – Etwas anderes fällt Ihnen dazu nicht ein.

Da der Mensch ein Recht auf Arbeit hat, muß es für uns alle und im besonderen für Sie eine Verpflichtung sein, die vorhandene Arbeit auf jene aufzuteilen, die Arbeit brauchen und suchen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.18

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident Höchtl! Ich glaube, du hast nicht aufgepaßt, denn Kollege Haupt hat sehr genau erklärt, warum es nach wie vor einer Gleichstellung von öffentlichen und privaten Krankenhäusern bedarf. Oder du hast es nicht verstanden – das ist die einzige andere Möglichkeit.

Aber nun zur Krankenscheingebühr. Das Gesetz betreffend die Einführung einer Krankenscheingebühr ist neben der Werkvertragsregelung das unsinnigste Gesetz, das diese Hohe Haus beschlossen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Es ist deshalb unsinnig, weil die Kosten der Berechnung, Einhebung, Verwaltung und Kontrolle dieser Krankenscheingebühr wesentlich mehr ausmachen als die Einnahmen aus dieser Krankenscheingebühr. Die Industriellenvereinigung hat errechnet: Das Handling kostet 73 S pro Krankenschein – Einnahme 50 S. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder sagt: mehr Kosten für die Verwaltung als die 50 S Einnahmen. Volkswirtschaftlich gesehen ist diese Krankenscheingebühr, Herr Rodel-Präsident Höchtl, im besten Fall ein Nullsummenspiel, ja sie ist sogar eher eine Vernichtung von Volksvermögen zu Lasten der Arbeitnehmer und zu Lasten der Unternehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Ich behaupte, daß das nicht stimmt!)

Es sollte daher im Interesse von uns allen sein, diese Krankenscheingebühr unverzüglich zu Grabe zu tragen. Signale in die Richtung, diese Krankenscheingebühr wieder abzuschaffen, gibt es von allen Seiten, auch von der ÖVP, auch von der SPÖ, von der Gewerkschaft, von der Arbeiterkammer und so weiter. Aber es ist halt symptomatisch für diese rot-schwarze Koalition, daß Sie Ihren Worten keine Taten folgen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um dir, lieber Kollege Höchtl, ein bißchen auf die Sprünge zu helfen, denn dein Gedächtnis scheint nicht mehr ganz so gut zu sein, bringe ich ein paar Zitate: Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter: "Die Krankenscheingebühr wurde von der Gewerkschaft schon immer abgelehnt." "Wiener Zeitung" vom 16. Jänner 1997: "Die Krankenscheingebühr von 50 S ist schon wieder in Diskussion geraten. Sozialminister Hums und Wirtschaftskammer-Generalsekretär Günter Stummvoll erklären sich zur Abschaffung bereit." – Das war bereits im Jänner 1997!

Ich zitiere weiters: "Tiroler Tageszeitung" vom 16. Jänner 1997: "Grüne und Liberale fordern die sofortige Streichung der Krankenscheingebühr." (Abg. Dr. Höchtl: Lieber Freund! Du wolltest es ja rückwirkend!)  – Zuhören! Ich komme schon noch darauf zu sprechen.

Und jetzt wird es interessant: Befragt wurde der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Günter Stummvoll, warum er als Arbeitgebervertreter dieser Krankenscheingebühr überhaupt zugestimmt habe. Er sagte darauf laut "WirtschaftsBlatt" vom 3. Jänner 1997: "Wenn auch nicht mit Freude, so habe man sich letztlich mit der auf ein Jahr beschränkten Krankenscheingebühr abgefunden." (Ironische Rufe des Erstaunens bei den Freiheitlichen.) – Er spricht von der auf ein Jahr beschränkten Krankenscheingebühr! Wo ist der Antrag dieser Koalition auf Abschaffung der Krankenscheingebühr? (Abg. Haigermoser: Umgefallen!) Wo ist dieser Antrag? – Da weiß wieder einmal der "ÖAAB-Höchtl" nicht, was der "Wirtschaftsbund-Stummvoll" alles verspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist Politik by Chaos, lieber Kollege Höchtl, Politik by Chaos in der ÖVP!

Aber nicht nur Abgeordnete, auch Vertreter der Bundesregierung (Abg. Marizzi: Wieso schreist du so?)  – damit du es auch hörst – haben sich diesbezüglich festgelegt. Ich zitiere aus den "Salzburger Nachrichten" vom 15. Feber 1997: "Kanzler Viktor Klima und Vizekanzler Wolfgang Schüssel" – aufgepaßt: Rot und Schwarz! (Abg. Haigermoser: Feurstein soll auch aufpassen, er ist nämlich einer der Drahtzieher!)  –, "beide haben am Dienstag verfügt" – aufgepaßt! –: "Ende 1997 muß Schluß sein mit der Krankenscheingebühr."

Klima und Schüssel, Kanzler und Vizekanzler haben das gesagt. Herr Feurstein! Wo ist Ihr Antrag auf Abschaffung der Krankenscheingebühr mit 31. Dezember 1997? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Fallen Sie Ihrem Kanzler und Vizekanzler selbst in den Rücken? (Abg. Haigermoser: Freilich!) Lassen Sie Ihren Kanzler und Vizekanzler im Regen stehen? (Abg. Haigermoser: Freilich! Jeden Tag!) Oder sind Sie wortbrüchig, meine Damen und Herren? (Abg. Haigermoser: Auch das!) Sind Sie wortbrüchig, oder lassen Sie den Kanzler und Vizekanzler im Regen stehen?

Und nun zur rückwirkenden Aufhebung der Krankenscheingebühr. Herr Kollege Höchtl! Bitte aufpassen! Dieser freiheitliche Antrag stammt vom 14. Jänner 1997. Wäre die Koalitionsregierung in dessen Behandlung nicht säumig gewesen, dann hätte man noch im Jänner die Aufhebung dieser Krankenscheingebühr beschließen können. – Das zum ersten.


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Und zum zweiten: Im Antragstext gibt es keine zeitliche Befristung. Eine rückwirkende Aufhebung dieser Krankenscheingebühr wird nur in der Begründung vorgeschlagen. (Abg. Dr. Höchtl: Das genügt ja!) Und zu deiner Beruhigung, lieber Kollege Höchtl: Wir werden sicherlich wieder einen Antrag auf Abschaffung der Krankenscheingebühr einbringen – im Sinne der Äußerungen von Klima, Schüssel, Stummvoll, Gewerkschaft und Arbeiterkammer. Und dann werden wir Sie zum Offenbarungseid zwingen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wieder ein Wortbrüchiger! – Abg. Donabauer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Herr Doktor, nur Ruhe bewahren!)

19.24

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Der Leidensdruck der Kollegen Mag. Haupt und Böhacker ist natürlich gegeben. Ich verstehe Sie, meine Herren! Sie haben Anträge eingebracht, die keine Zustimmung finden können, weil sie einfach in der Begründung danebenliegen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)  – Hören Sie zu! Ich komme gleich darauf zu sprechen.

Herr Kollege Böhacker! Sie haben hier gesagt, die Krankenscheingebühr sei eine Fehlkonstruktion (Abg. Haigermoser: Richtig!), und Sie haben hier gesagt, daß es symptomatisch für die SPÖ und die ÖVP sei, daß sie zu keinen Korrekturen bereit sind. Ich darf Ihnen aber entgegnen, Herr Kollege, daß es symptomatisch für Sie und Ihre Partei ist, daß Sie dauernd nörgeln und jammern, aber bis heute keine brauchbaren Vorschläge eingebracht haben.

Herr Kollege Böhacker! Hören Sie einmal zu: Wenn Sie hier von Kosten reden und eine rückwirkende Aufhebung verlangen, dann denken Sie doch einmal darüber nach, welche Kosten das verursachen würde! Noch dazu muß ich Ihnen sagen, daß dies gar nicht durchführbar wäre.

Zum zweiten: Sie und die Damen und Herren Ihrer Partei sind es, die immer von mehr Eigenverantwortung sprechen, die auch immer von mehr Mitbeteiligung sprechen. Mit dieser Krankenscheingebühr, die sicherlich in ihrer Gestaltung noch ausbaufähig und veränderungsfähig ist, haben wir aber eines erreicht (Abg. Haigermoser: Halleluja!)  – Sie verstehen ja nichts davon, Herr Kollege –: Wir haben damit erreicht, daß sich der Umfang der Abrechnungen der ärztlichen Leistungen wesentlich eingegrenzt hat. Wie Sie außerdem wissen, sind die Pensionisten und auch die Angehörigen, die Kinder, von dieser Krankenscheingebühr befreit. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Deshalb sage ich Ihnen, daß wir nicht auf Ihren Befehl hin die Krankenscheingebühr aufheben oder aussetzen werden (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult aus!), sondern wir werden sehr genau darauf achten, daß unser Krankenversicherungssystem auch in Zukunft korrekt finanziert werden kann. Wir werden auch sehr genau darauf achten, daß die Eigenverantwortung auch in Zukunft erhalten bleibt. Sie wissen außerdem, daß wir auf dem Weg zur Chipkarte sind (Zwischenruf des Abg. Haigermoser )  – Herr Kollege, ist schon recht! –, und diesbezüglich werden wir Ihnen sowieso bald neue Vorschläge unterbreiten. Ich bin neugierig, was Sie dann dazu sagen werden.

Herr Mag. Haupt! Ihr Vorschlag hat eine richtige Begründung, nämlich die, daß die Privatspitäler sicherlich kostengünstiger arbeiten. Das ist keine Frage. Aber ich glaube, wir dürfen auch sagen, daß durch die Einführung des LKF-Systems auch die öffentlichen Spitäler eine ganz großartige Kostenentwicklung aufzuweisen haben. Ich kann Ihnen öffentliche Spitäler in Niederösterreich nennen, die heuer bereits positiv bilanzieren! Ich meine, daß wir das auch einmal hervorheben sollten.

Des weiteren darf ich Ihnen sagen, daß wir bei der Einführung des LKF-Systems drei Töpfe installiert haben. Sie haben es ausgeführt: Der eine Topf mit den 37 Millionen ist der sogenannte Ländertopf, in dem die ehemaligen KRAZAF-Spitäler drinnen sind. Im zweiten Topf ist die Allgemeine Unfallversicherung mit den Unfallkrankenhäusern drinnen. Dieser Betrag ist noch


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nicht ganz ausverhandelt. Das ist auch klar. Und der dritte Topf – jetzt kommt es! – ist mit einem Betrag von 900 Millionen festgesetzt. Das wurde mit den Interessenvertretern der Privatspitäler ausverhandelt. Sie haben auch zugestimmt. Und in drei Jahren werden wir sicherlich aus der bis dahin gewonnenen Erfahrung wissen, wie die nächsten Verhandlungen zu führen sein werden.

Darf ich Ihnen noch etwas sagen: Ich glaube, daß die öffentlichen Spitäler auch dahin gehend zu sehen sind, daß sie eine umfassende Grundversorgung garantieren, und zwar zu allen Tages- und Nachtzeiten, auch an Wochenenden und an Sonn- und Feiertagen, was wir von den Privatspitälern nicht in diesem Umfang erwarten und auch nicht verlangen können.

In weiterer Folge darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, daß es bei den Privatspitälern hauptsächlich um eine sehr ausgewählte Klientel geht und daß sich dort auch eine Risikoauslese abspielt. Sie müssen ja nicht alle Anmeldungen nehmen, während die öffentlichen Spitäler jede Patientin und jeden Patienten nehmen müssen. Das soll man hier korrekterweise auch anmerken. (Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. )

Außerdem dürfen Sie auch nicht vergessen, daß erhebliche Mittel aus der Privatversicherung in die privaten Krankenanstalten einfließen. Infolgedessen besteht vorerst dort überhaupt kein Finanzierungsbedarf aus öffentlichen Mitteln.

Ich kann mir aber vorstellen, daß Sie einen gewissen Leidensdruck haben, weil Sie halt auch irgend etwas sagen müssen. Das war aber nicht sehr ruhmreich. Wir werden also Ihren Anträgen – weder dem einen noch dem anderen – nicht zustimmen. Sie sind es einfach nicht wert, da sie unaktuell sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blünegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.29

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das, was Kollege Donabauer jetzt gesagt hat, war sicherlich nicht sehr ruhmreich. (Zwischenruf des Abg. Donabauer. ) Ich habe nichts Gutes in seiner Rede gesehen, sondern er hat nur eine Position verteidigt. Das Verteidigen der Position steht Ihnen momentan noch zu, aber Erfolg werden Sie damit keinen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Von den fünf Berichten des Ausschusses für Arbeit und Soziales, die heute zur Debatte stehen, sind selbstverständlich unsere drei Anträge, die wir dort eingebracht haben, abgelehnt worden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. ) Ich will damit nur sagen, daß die begründeten Anträge der Freiheitlichen immer noch abgelehnt werden, obwohl sie berechtigt sind. Während der Diskussion dieses Tagesordnungspunktes ist heute deutlich zum Ausdruck gekommen, Kollege Feurstein, daß Sie weiterhin die Position der öffentlichen Krankenanstalten unterstützen werden und die der privaten einfach links liegen lassen wollen. Das haben wir heute gehört. Herr Kollege Haupt hat das richtig erklärt.

Kollege Höchtl hat zwar gesagt, es würde ihm ganz gut gefallen, wenn der Betriebsrat nicht unmittelbar ein Einspruchsrecht bei einer Kündigung hätte. Das hat er heute gesagt, aber Sie wollen dieses Recht weiterhin behaupten. (Abg. Dr. Feurstein: Das habe ich auch gesagt!)

Die Sozialdemokraten haben unter anderem auch erläutert, daß sie natürlich dort ihre Positionen absichern wollen, damit ihre Wählerklientel, die sie dort vertreten, weiterhin gesichert bleibt. Warum wollen wir Freiheitlichen, daß die Kündigungseinspruchsrechte des Betriebsrates keine dominierende Rolle spielen? – Wir wollen auch den einzelnen schützen. Es gibt genug Beispiele dafür, daß der einzelne nur deswegen nicht geschützt ist, weil der Betriebsrat Einspruch erhoben hat. Und das wollen wir ändern. Damit wollen wir die Freiheit des einzelnen am Arbeitsplatz stärken. Und das ist sicher auch ein lohnendes Ziel und keine Verschlechterung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Denn was wird denn jetzt passieren? Was ist bis jetzt passiert? – Das Betriebsratskollegium hat entschieden, daß es bei einer Kündigung Einspruch erhebt. (Abg. Fuchs: Das ist ja unwahrscheinlich! Der widerspricht sich ja ständig!)  – Ich widerspreche mir nicht. Ich bin selbst Betriebsrat, ich weiß, wovon ich rede. Ich bin nämlich an der Basis, wovon Sie sich schon längst entfernt haben, weil Sie nicht mehr an der Basis arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Aha!)

Es ist genau so, wie ich jetzt sage: Die Freiheit des einzelnen Arbeitnehmers darf nicht von einem Kollegialorgan Betriebsrat abhängig sein, der darüber bestimmt, ob jemand im Betrieb bleiben darf oder nicht. Wir Freiheitliche wollen, daß der Arbeitnehmer selbst mitentscheiden kann, ob er zum Arbeitsgericht geht und die Kündigung anficht oder nicht. Das sind unsere Vorstellungen.

Natürlich bietet eine Redezeit von drei Minuten nicht viele Möglichkeiten, das eine oder andere hier noch auszubauen, aber folgendes ist klar: Bei dem Antrag der Grünen, Überstunden in Arbeitsplätze umzuwandeln, der heute auch zur Debatte steht, handelt es sich um einen alten Hut. Wir wissen, daß es bei der Flexibilisierung schon andere Vorstellungen und Möglichkeiten gibt.

Leider ist meine Redezeit vorbei. Ich möchte meinen Kollegen nicht die Redezeit wegnehmen, aber wir stellen uns betreffend Flexibilisierung und Überstunden andere Möglichkeiten vor. Wir werden auch dementsprechende Anträge einbringen. In diesem Sinne werden wir weiter vorgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.33

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte mich in erster Linie auf die Oppositionsanträge bezüglich Änderungen im ASVG beschränken. Alle, die im Gesundheitswesen tätig sind, wissen, daß unterschiedliche Leistungen von den gemeinnützigen Krankenanstalten und den nichtöffentlichen erbracht werden. Es würde zu einer weiteren Kostensteigerung der gemeinnützigen Krankenanstalten führen, könnte sich jeder, wie im Antrag 264/A gewünscht, nach Belieben überall aufnehmen lassen.

Eine stärkere Selektion der Risken, das heißt, die teuren Patienten würden der öffentlichen Hand bleiben, wäre die Folge mit Kostenexplosion im stationären Bereich der öffentlichen Spitäler. Kollege Haupt! Gerade, weil wir eine Zweiklassenmedizin ablehnen, müssen wir auch Ihren Antrag ablehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders im Raum Wien, wo es in unmittelbarer Umgebung des AKH viele private Krankenanstalten gibt, leben diese von der Infrastruktur der gemeinnützigen. PatientInnen mit sogenannten billigen Erkrankungen liegen privat. Nimmt die Krankheit jedoch einen kostspieligen oder gefährlichen Verlauf, dann sind die PatientInnen äußerst schnell im AKH. Gemeinnützige Spitäler arbeiten selbstverständlich mit Verlusten, da man im Sozial- und Gesundheitswesen nur dann ohne Verluste, eventuell sogar mit Gewinnen arbeitet, wenn man einerseits hohe Preise von den Kunden verlangt, andererseits geringe Leistungen anbietet und bei der Anzahl und beim Lohnniveau der Beschäftigten spart. Nur: Dann handelt es sich nicht mehr um Sozialleistungen.

Es gäbe genügend Arbeitsbereite in Medizin und Pflege, dennoch finden viele keine Beschäftigung. Und Ihnen allen, denen bei der Akademikerarbeitslosigkeit fast immer nur die Lehrer und Juristen einfallen, möchte ich sagen, daß es mehr als tausend eigenberechtigte Ärzte gibt, ohne Chance auf Arbeit, und Tausende noch vor dem Turnus, ebenfalls ohne Chance auf Ausbildung. Die Patienten klagen, daß die Zuwendung geringer wird, Sie jedoch wollen die Gewinne Privater auf Kosten der Allgemeinheit maximieren.

So unfroh ich über die Krankenscheingebühr war – mir wäre eine minimale Beitragsgebühr für alle Beteiligten lieber –, ist es polemisch, zu behaupten, daß sie den extramuralen Bereich


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belastet. Überweisungen gelten für die Spitalsambulanzen ebenso wie für niedergelassene Fachärzte. Es liegt an den praktischen Ärzten, wohin sie ihre Patienten überweisen.

Der Verwaltungsaufwand für Dienstgeber wird nur dann höher, wenn – wie dies früher geschah – am Ersten jedes Quartals an alle Beschäftigten und deren Angehörige Krankenscheine ausgegeben werden, was unzulässig ist. Über die behobenen Krankenscheine – es darf nur ein Facharzt- und ein Praktischer-Arzt-Schein pro Quartal ausgegeben werden – muß ohnehin Buch geführt werden, daher ist die Verrechnung von 50 S kein Mehraufwand.

Einige praktische Ärzte klagen über eine Verminderung der Zahl der abgegebenen Krankenscheine. Ist das aber nicht vielleicht eher dadurch bedingt, daß früher manchmal Krankenkassenschecks ohne Gegenleistung abgegeben und abgerechnet wurden? Praktische Ärzte, die das nie gemacht haben, sagten mir, sie hätten keine Einbußen erlitten.

In die Chipkarte setze ich nicht die Erwartungen, die viele ihr entgegenbringen. Für die Ärzte ist sie mit massiven Kosten ohne entsprechenden Nutzen verbunden.

Noch kurz zu zwei weiteren Oppositionsanträgen: Für uns Sozialdemokraten zählt zu den wichtigsten Grundrechten, daß Menschen – von Schicksalsschlägen getroffen – ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ohne auf Almosen angewiesen zu sein. Für diese Sicherung der Grundbedürfnisse ist ein Sozialstaat zuständig. Unsere Frau Bundesministerin wird Gespräche mit den Ländern über die Weiterentwicklung der Sozialhilfe aufnehmen, denn es darf in Österreich nicht vom Wohnort abhängig sein, ob man sein Leben menschenwürdig fristen kann. Wir haben alles daranzusetzen, daß gerade jene, die das Schicksal hart getroffen hat, nicht gedemütigt und von Leistungen ausgeschlossen werden.

Zuletzt zum Überstundenabbau: Wie im Abänderungsantrag gefordert, muß man prüfen, wie sich die Flexibilisierung der Arbeitszeit auf die Überstundenleistungen auswirkt, und dies im Sozialbericht 1997 festhalten. Persönlich interessiert mich, ob das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, so, wie erhofft, eine Dienstpostenvermehrung induzierte, oder ob man durch verstärkte Belastung der zum Dienst Eingeteilten und durch Bereitschaftszeiten die Auswirkungen des Arbeitszeitgesetzes für die Spitalserhalter abfedern konnte.

Ich bin dafür, die Arbeit auf möglichst viele Menschen zu verteilen (Beifall bei der SPÖ), lehne es aber ab, wenn durch Entfall von Überstunden keine Arbeitsplätze gewonnen, sondern die Arbeitnehmer ohne Überstundenentgelte gleich stark oder stärker belastet werden.

Wir alle – Regierung wie Opposition – sind gefordert, alles daranzusetzen, um unser vorbildliches Sozialsystem weiter zu erhalten und auszubauen. Politisches Kleingeld und Polemik muß man unbedingt vermeiden. Sie schaden den Menschen in unserem Land.

Wir Sozialdemokraten stehen für Arbeitnehmerschutz und ein umfassendes Sozialsystem. Einen Abbau der Sozialstandards, eine Demontage unseres Sozialversicherungssystems werden wir sicher niemals zulassen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.39

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rede der Frau Abgeordneten Bauer war an Abenteuerlichkeit nicht zu überbieten. Ihr Patentrezept lautet nämlich: Die FPÖ-Abgeordneten haben keine Ahnung, während die SPÖ die Weisheit mit dem großen Löffel gefressen hat. – Das ist der erste Punkt. (Abg. Koppler: Das stimmt! Die FPÖ hat wirklich keine Ahnung!)

Deshalb treten wahrscheinlich 50 000 Menschen pro Jahr aus dem Österreichischen Gewerkschaftsbund aus (Beifall bei den Freiheitlichen), deshalb verliert diese SPÖ jede Wahlauseinandersetzung (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), deshalb haben wir in dieser Republik


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200 000 Arbeitsuchende, deshalb haben wir 9 000 Lehrstellensuchende, und aufgrund dieser Ihrer versagenden Sozialpolitik haben wir 1 Million Menschen in dieser Republik, die an der Armutsgrenze leben. Das ist die Realität, das ist das Ergebnis Ihrer sozialistischen Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Wo gibt es eine bessere? Wo gibt es eine Nullohnrunde?)

Frau Abgeordnete Pittermann meinte in ihren Ausführungen: Wir werden einen Abbau der Sozialleistungen nicht zulassen. – Ja, was tun Sie denn während der letzten zwei, drei Jahre? Außer Abbau von Sozialleistungen, Nicht-Lohnerhöhungen, Nullohnrunden und ähnlichem fällt Ihnen überhaupt nichts mehr ein. Das ist Ihr Verständnis von Sozialpolitik! Daß heute 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung an der Armutsgrenze leben, ist das Ergebnis Ihrer Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn in Anträgen der Oppositionsparteien die Stärkung von Individualrechten, die Stärkung des Individuums vorgesehen ist, dann tut Ihnen das natürlich weh, das ist klar! Das tut Ihnen deshalb weh, weil Sie Angst vor Machtverlust haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Wo gibt es eine Nullohnrunde?)

Gerade Kollege Koppler ist ein Beispiel dafür: ein richtiges Monument der Vergangenheit. Da hat es ein verstaatlichtes Unternehmen mit 70 000 Mitarbeitern gegeben, da war er der Betriebsratskaiser. – Heute ist vom Kaiser nicht viel übriggeblieben, aber er sitzt noch immer mit Dienstauto und Chauffeur im Parlament. (Rufe bei der SPÖ: Wieviel haben Sie schon erreicht für Arbeitnehmer, Herr Kollege Gaugg?) Und das ist eure Politik! Ich würde gerade Ihnen, liebe gnädige Frau, anraten ... (Anhaltende Rufe bei der SPÖ: Wieviel haben Sie schon für die Arbeitnehmer erreicht, Herr Kollege Gaugg?)  – Ich habe eine so kurze Redezeit, unterbrecht mich nicht immer! Was hätten Sie denn gerne gewußt? (Abg. Koppler: Gaugg, wo gibt es eine Nullohnrunde? Wo?!)  – Bei den Beamten und überall sonst auch! Ihr nehmt nur mehr den Leuten das Geld weg, das ist eine Tatsache.

Tatsache ist auch, daß alles, was mit Individualrechten zusammenhängt, den Widerspruch der SPÖ hervorruft; das muß anscheinend so sein. Aber ich würde Ihnen dringend empfehlen: Geben Sie Ihrem Herzen einmal einen Stoß und stimmen Sie einmal den vernünftigen Anträgen der Oppositionsparteien in diesem Haus zu! Damit würden Sie nämlich einmal sozialpolitische Größe beweisen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Gaugg, wo gibt es eine Nullohnrunde?)

19.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Zweite Wortmeldung, Herr Abgeordneter. (Abg. Koppler: Gaugg, das war ein Blödsinn!)

19.42

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Da die Frau Ministerin jetzt da ist, ist es mir eine besondere Freude, den Entschließungsantrag im Zusammenhang mit der Pensionsreform einzubringen. Dieser lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Berücksichtigung des Weißbuches der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten vom September 1997 bei der Pensionsreform

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Inhalt des Weißbuches der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten "Eigenständige Alterssicherung für Frauen" vom September 1997 auch als Grundlage für die sogenannte große Pensionsreform heranzuziehen. Die Pensionsreform darf erst dann umgesetzt werden, wenn sie eine positive Lösung für jene Frauen beinhaltet, die derzeit im Alter nicht abgesichert sind.

*****


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Ich spare mir aufgrund der Redezeit jeden Kommentar dazu. Ich glaube, daß es ein sinnvolles und wichtiges Thema ist, und deshalb wollen wir, daß, bevor über eine Pensionsreform entschieden wird, auch diese Grundlagen einbezogen werden.

Das gilt auch für den zweiten Antrag, in dem wir fordern:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Berücksichtigung der Resolution der Bundesarbeitskammer vom 22. September 1997 bei der Pensionsreform

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Pensionsreform nur unter Berücksichtigung der beiliegenden Resolution der Bundesarbeitskammer vom 22. September 1997 durchzuführen, respektive diese Resolution als Diskussionsgrundlage heranzuziehen.

*****

Auch für diese Resolution beziehungsweise Entschließung gilt das gleiche wie vorhin: Wir glauben, daß eine Pensionsreform in diesem Land nur dann sinnvoll ist, wenn man sich die Zeit dafür nimmt, sie zu diskutieren, und nicht unter budgetären Aspekten versucht, hier irgendwo anzuziehen, sondern eine grundlegende Reform unter Einbeziehung aller wichtigen Themen in Angriff nimmt.

19.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden eben verlesenen Entschließungsanträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sind entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die Rednerliste ist allerdings erschöpft. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, da ein Schlußwort der Berichterstatterinnen nicht stattfindet.

Ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 877 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses Zeichen erfolgt durch die Mehrheit. Der Antrag ist daher angenommen.

Wir gelangen im Zusammenhang damit nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung der Resolution der Bundesarbeitskammer vom 22. September 1997 bei der Pensionsreform.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über einen weiteren Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung des Weißbuches des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten vom September 1997 bei der Pensionsreform.


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Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt nur durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 878 der Beilagen zur Kenntnis nehmen zu wollen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 879 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt gleichfalls durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 880 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (E 88.)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 881 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen. (E 89.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (650 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit (874 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (768 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit (875 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (843 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit (876 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erstredner gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident. Die 5 Minuten werde ich nicht brauchen, weil es im wesentlichen nur darum geht, angesichts dieser Abkommen noch einmal klarzustellen, daß wir dem Abkommen mit der Republik Kroatien aus einem ganz bestimmten Grund die Zustimmung verweigern: Es geht nämlich darum, daß in dem Abkommen mit der


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Republik Kroatien jene Teile herausverhandelt wurden, die die Familienbeihilfen betreffen, und das auf Druck der Republik Österreich geschehen ist. Die Republik Österreich ist in dieser Frage nach wie vor säumig. Es geht nämlich nicht an – das haben wir an einer anderen Stelle schon diskutiert, und zwar mit dem Finanzminister –, daß jenen Personen, die hier in diesem Land arbeiten und eigentlich gleiche Rechte wie alle genießen sollten – zumindest steuerrechtlich –, nicht nur die Familienbeihilfe gestrichen, sondern auch der Unterhaltsabsetzbetrag für ihre Kinder, die im Ausland leben, aberkannt beziehungsweise nicht zuerkannt wird.

Wir halten die Republik Österreich im Fall dieses Abkommens nicht nur aus ihrer Verpflichtung gegenüber den internationalen Verträgen für säumig und eigentlich rechtsbrecherisch, sondern vor allem in bezug auf diese steuerrechtliche Verweigerung des Unterhaltsabsetzbetrages, von dem selbst der Herr Finanzminister in der Debatte damals gemeint hat, es sei ein Problem, daß auf der einen Seite den Personen die Familienbeihilfe aberkannt wird, weil sich ihre Kinder ständig im Ausland aufhalten, während ihnen auf der anderen Seite der Unterhaltsabsetzbetrag nicht zuerkannt wird, weil sich ihre Kinder nicht ständig im Ausland aufhalten.

Da muß sich die Republik Österreich zu einer klareren Haltung als bisher entschließen, und deshalb werden wir diesem Abkommen mit der Republik Kroatien die Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Grünen.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fuchs. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

19.51

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! 1973 mußten im Zuge der Machtübernahme in Chile durch die Militärs und des Beginns der Pinochet-Diktatur viele Chilenen ihre Heimat als politisch Verfolgte verlassen. Viele fanden ihren Weg nach Österreich und wurden hier herzlich und gerne aufgenommen, weil das damalige politische Klima dies ermöglicht hat. Das waren noch gute alte Zeiten, wenn ich das so sagen darf; heute wäre das sicher anders, möchte ich im Lichte der heute geführten Diskussion sagen.

Damals haben sehr viele Österreicherinnen und Österreicher den Kampf um die Wiedererlangung der Demokratie in Chile unterstützt. Viele freundschaftliche Beziehungen und Bindungen sind damals zwischen dem österreichischen und dem chilenischen Volk entstanden. Auch ich habe sehr viele Freundinnen und Freunde, die chilenischer Herkunft sind, die damals aus Chile flüchten mußten. In dieser Situation wurde auch die österreichisch-chilenische Freundschaftsgesellschaft gegründet, deren Präsidentin ich bin, daher gibt es zahlreiche Kontakte, und daher ist mir speziell dieses Abkommen auch so wichtig.

Werte Damen und Herren! Es freut mich wirklich sehr, daß dieses Abkommen zustande gekommen ist, weil damit die soziale Sicherheit von Menschen, die in Österreich und in Chile Versicherungszeiten erworben haben, gewährleistet werden kann. Diese Menschen sind, wie gesagt, politisch verfolgte, heute in Österreich voll integriert lebende Chilenen, die die fürchterlichen Umstände, die zu ihrer Emigration geführt haben, ohnehin nie vergessen werden können. Wir helfen ihnen mit diesem Abkommen, wir helfen aber auch allen Österreichern, die in Chile leben, und das sind immerhin mehr als 1 000 Menschen.

Das Ziel dieses Abkommens, durch die Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten für den Erwerb von Pensionsansprüchen im Rahmen eines umfassenden Schutzes im Bereich der Pensionsversicherung zu ermöglichen, kann nur unterstrichen werden. Etwa gleichlautende Abkommen gibt es ja auch mit anderen Ländern, zum Beispiel mit Kanada und den USA. Weil die soziale Absicherung von Menschen für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein eminent wichtiges Anliegen ist, sollen auch die Schritte, die zu diesem Ziel führen, gewürdigt werden. Dieses Abkommen ist ein solcher Schritt, und zwar ein sehr großer Schritt.


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Ich möchte ganz deutlich feststellen, daß Österreich durch seine Exilchilenen viele neue kulturelle Impulse und die Gewißheit erhielt, daß die internationale Solidarität zur Stärkung und Entwicklung der Demokratie in der Welt auch zu seiner eigenen sozialen Sicherheit beitragen konnte. Abkommen wie die heute zu beschließenden zeigen diese Solidarität und diese gegenseitige Unterstützung deutlich und sind daher absolut zu befürworten.

Hohes Haus! Ich sehe das Abkommen zwischen den Republiken Chile und Österreich als einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung, gegen zunehmende Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz, und daher wird sich meine Fraktion diesem Abkommen anschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

19.54

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die uns vorliegenden Abkommen in 768, 843 und 650 der Beilagen über soziale Sicherheit haben gesetzesändernden und gesetzesergänzenden Charakter. Sie enthalten keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Bei diesen Abkommen handelt es sich um internationales Sozialrecht, womit die soziale Sicherheit, also die Krankenversicherung, die Pensionsversicherung und die Arbeitslosenversicherung von Personen und ihren Familienangehörigen, die ihr Erwerbsleben in Österreich und einem anderen Land verbracht haben, geregelt sind.

Das Abkommen Österreich – Kroatien ist in der Tat nicht ganz unproblematisch. Eine Neuerlassung dieses Abkommens wurde notwendig, da im Zuge der Konsolidierungsmaßnahmen für den Staatshaushalt im Jahre 1995 zuerst erwogen wurde, die Familienbeihilfe für die im Ausland lebenden Kinder an die Kaufkraft des Schillings im jeweiligen Land anzupassen. Solange sich die österreichische Regierung noch nicht zu Sparmaßnahmen bekannt hatte, bekamen diese Kinder also reichlich. Dann allerdings fielen diese Geldflüsse den notwendigen Sparmaßnahmen zum Opfer.

Anmerken möchte ich, daß es für österreichische Kinder, die im Ausland leben, niemals die Möglichkeit gab, Familienbeihilfe zu lukrieren. Zu guter Letzt wurde die Anweisung der Familienbeihilfe daher nicht der Kaufkraft angepaßt, sondern es wurde, wie bei den österreichischen Kindern, keine Familienbeihilfe mehr für in Kroatien lebende Kinder gezahlt, woraus sich für den österreichischen Staat eine Einsparung von 44 Millionen Schilling ergab.

In den Bereichen Krankenversicherung, Unfallversicherung, Pensionsversicherung und Arbeitslosenversicherung werden die bisherigen Bestimmungen jedoch unverändert übernommen. Insgesamt wird sich aus der Durchführung des neuen Abkommens daher gegenüber der Rechtslage vor der Kündigung des bisherigen Abkommens weder eine Vermehrung des Personalaufwandes noch ein finanzieller Mehraufwand ergeben. Bei der Abstimmung im Sozialausschuß wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus zu empfehlen, den Abschluß des gegenständlichen Übereinkommens zu genehmigen.

Zum Abkommen Österreich – Chile darf ich mich den Äußerungen der Frau Abgeordneten Fuchs vollkommen anschließen.

Zum Abkommen Österreich – Norwegen wäre noch zu vermerken, daß das vorliegende Abkommen eine Rechtsvereinheitlichung im Verhältnis zu Norwegen zum Ziel hat. Es dehnt darüber hinaus aber auch die bilateralen Beziehungen im erforderlichen Ausmaß auf die Staatsangehörigen von Drittstaaten aus und enthält in den Teilbereichen, hinsichtlich derer das EG-Recht einen Gestaltungsspielraum zuläßt, die erforderlichen Regelungen. Seit dem 1. Jänner 1994 werden die Beziehungen zwischen Österreich und Norwegen im Bereich der sozialen Sicherheit durch die diesbezüglichen EWG-Verordnungen geregelt. Wanderarbeitnehmerverordnungen sind dies, und das vorliegende Sozialabkommen mit Norwegen wurde in Ergänzung zu der EWG-Verordnung weiterentwickelt, insbesondere in bezug auf nicht erfaßte Personengruppen,


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wie zum Beispiel die Personengruppe der Nichterwerbstätigen, da diese von der Wanderarbeitnehmerverordnung nicht erfaßt sind. Die Wanderarbeitnehmerverordnung ist aber auch weiterhin anwendbar. Ist das Abkommen in seinem Inhalt günstiger als die Verordnung, tritt es statt der Verordnung in Kraft.

Bei der Abstimmung im Ausschuß wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus zu empfehlen, den Abschluß des gegenständlichen Übereinkommens zu genehmigen. Unsere Partei wird diesen Vorlagen zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

19.58

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Die freiheitlichen Abgeordneten werden den vorliegenden Anträgen die Zustimmung erteilen. Wir möchten aber zur Regierungsvorlage betreffend das Abkommen mit der Republik Kroatien anmerken, daß ein allfälliger Mißbrauch hintangehalten werden sollte. Das sage ich deshalb, weil vor kurzer Zeit in Kärnten Fälle bekannt wurden, in denen vom Arbeitsmarktservice zwar Arbeitslosengeld kassiert wurde, der Betroffene aber in Slowenien oder Kroatien einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist. Daher würden wir es begrüßen, wenn in Hinkunft bei Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld aus österreichischen Steuergeldern eine entsprechende Bestätigung der örtlichen ausländischen Gemeinde beigebracht werden müßte, worin bestätigt wird, daß dieser Betroffene keiner Beschäftigung nachgeht.

Der zweite Hinweis betrifft allfällige Krankenstände und Unfälle, die während eines Urlaubsaufenthaltes in diesen Ländern passieren. In diesem Zusammenhang hat es bedauerlicherweise auch schon Mißstände gegeben. Wir schlagen eine schärfere Kontrolle und Nachfassung durch heimische Ärzte vor, so wie es auch bei unseren Arbeitnehmern, die in Krankenstand gehen, durchaus üblich ist. Vielleicht ist die Bereitschaft eines Arztes zu einer Gefälligkeit, wenn es den Staat nichts kostet, doch etwas größer. Unsere Bitte ist es daher, bei diesen beiden Dingen – Mißbrauch des Arbeitslosengeldes und Mißbrauch von Krankenstandseinrichtungen – eine verschärfte Kontrolle einzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatterinnen wird nicht gewünscht.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich möchte Sie bitten, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 650 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht mit Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 768 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 843 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht stimmeneinhellig. Angenommen.

 

10. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (840 der Beilagen): Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 – GenRevRÄG 1997 (872 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Wünschen Sie eine freiwillige Redezeitbeschränkung? – 5 Minuten. Bitte.

20.02

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Justiz! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute eine Regierungsvorlage, die die Oppositionsparteien schon seit 1990 mittels Entschließungsantrag reif für das Plenum machen wollen, nämlich die Gesamtreform des Genossenschaftswesens und damit auch der Genossenschaftsrevision.

Meine Damen und Herren! Die heutige Regierungsvorlage kodifiziert lediglich die Genossenschaftsrevision neu, ordnet sie neu, führt neue Bestimmungen ein. Wenn man sich jedoch das gesamte Genossenschaftswesen ansieht und sich vor Augen führt, daß die Genossenschaftsrevision auf einem Bundesgesetz aus dem Jahr 1903 fußt und das Genossenschaftsgesetz auf einem aus dem Jahr 1873, dann erkennt man, daß diese beiden Materien weit überfällig sind. Ich meine aber, wenn wir nun das Genossenschaftsrevisionsgesetz als erstes behandeln und nicht die Grundmaterie, dann zäumen wir das Pferd von hinten auf. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Barmüller: Das ist der nächste Tagesordnungspunkt!)

Das ist wirtschaftspolitisch, glaube ich, nicht gut für dieses Land, denn wir benötigen ein funktionierendes Genossenschaftswesen, und wir benötigen – das hat die "Konsum"-Pleite gezeigt – auch eine gut funktionierende Revision.

Herr Bundesminister! Wir haben im Ausschuß sehr lange und sehr breit über diese Materie diskutiert. Mir kommt vor, daß Sie bei dieser Regierungsvorlage vor der sogenannten Raiffeisen-Lobby in die Knie gegangen sind. Zum Beispiel war im Justizausschuß der Verhandlungsführer der ÖVP-Fraktion nicht jemand, der in der Justizmaterie beheimatet ist oder den man sehr oft im Justizausschuß sieht: Herr Kollege Schwarzenberger war derjenige, der im Justizausschuß federführend die Diskussion mitbestimmt hat (Abg. Wurmitzer: Der kennt sich aus! Guter Mann!) mit einem Redebeitrag, der eine reine Verteidigung der Position war, daß die Genossenschaftsrevision so konstruiert und so gestaltet werden soll, daß dieser Raiffeisen-Lobby nur ja nichts passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Graf: Justizsprecher Schwarzenberger!)

Herr Bundesminister! Es ist zum Beispiel bemerkenswert, daß es bei Ihren ersten Entwürfen ohne weiteres möglich war, daß der gemischte Verband gestrichen wird. Der gemischte Verband – um das zu erklären – ist ein Verband, der Revision, Warenbereich und Bankenbereich umfaßt, und es kann vorkommen, daß jemand als Eigentümer der Revision seinen Konkurrenten kontrolliert und ihm vorschreibt, was er zu tun hat. Das ist an sich unmöglich. In einer normalen Aktiengesellschaft werden unabhängige Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer damit beauftragt, eine Aktiengesellschaft, eine GmbH zu prüfen. Sie sind völlig unabhängig, sie haben mit dem operativen Geschäft gar nichts zu tun. Sie haben auch kein Interesse daran, da hineinzuregieren.


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Es ist das Beispiel im Ausschuß genannt worden, daß ein Revisor in Kärnten eine Genossenschaft so geprüft hat, daß mehr oder weniger der ganze Vorstand kopfscheu geworden ist und einige Monate danach ebendieser Revisor Geschäftsführer wurde.

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich ein Hohn, wenn man da von einer Genossenschaftsrevision spricht. Wir glauben, daß eine Genossenschaftsrevision im Dienste der Primärgenossenschaften handeln soll, im Dienste der Eigentümer. Diese Eigentümerrechte müssen gestärkt werden – im Dienste der Kunden, im Dienste der Lieferanten, im Dienste einer Gläubigersicherheit. Aber die Genossenschaftsrevision darf kein Instrument sein, um die Interessen der gesamten Raiffeisenorganisation so zu kanalisieren, daß sie diesen angepaßt ist. Das kann nicht sein bei einer vernünftigen Revision. Leider wird mit dieser Regierungsvorlage ein Kniefall vor der Raiffeisenorganisation gemacht. Mir fehlt einiges an Zeit, um Ihnen das näher auszuführen.

Insgesamt ist aber diese Regierungsvorlage alleine schon deswegen abzulehnen, weil wir zuerst das Genossenschaftsgesetz insgesamt reformieren müßten, bevor wir eine Genossenschaftsrevision reformieren. Deshalb werden wir Freiheitliche diese Regierungsvorlage ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.08

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Schreiner, versuchen Sie, diese Regierungsvorlage differenzierter zu sehen. Sie haben richtig gesagt, daß es seit sechs Jahren Bemühungen gibt, das Genossenschaftsrecht zu überarbeiten, und seit sechs Jahren leider Gottes keinen entsprechenden Erfolg. Ich halte es daher für legitim, daß man sich zumindest das Revisionsrecht herausgenommen hat und versucht, hier eine Lösung zu finden. Und ich denke, diese Lösung ist grundsätzlich eine gute Lösung.

Vorweg, was die Frage der gemischten Verbände anlangt: Es ist in der Tat so, daß das Gesetz an sich den gemischten Verband nicht mehr ermöglicht, allerdings wird durch die Schluß- und Übergangsbestimmungen insbesondere des § 2 Art. 5 die Möglichkeit geschaffen, weiterhin gemischte Verbände zu fahren, und zwar – ich zitiere –, sofern dadurch nicht Wahrnehmung oder Aufgaben der Revision beeinträchtigt werden.

Ich persönlich denke, es wäre sicher konsequenter gewesen, diese Übergangsregelung nicht zu schaffen. Auf der anderen Seite muß ich sagen: Wenn man es entsprechend berücksichtigt und genau darauf aufpaßt, wie sich die Revisionsverbände verhalten, dann ist ein gewisses Korrelativ geschaffen dafür, daß Mißbräuche, von denen Kollege Schreiner gesprochen hat und die möglich sind, das ist natürlich überhaupt nicht abzustreiten, hintangehalten werden.

Grundsätzlich ist zu sagen: Ziel war eine Harmonisierung mit dem Gesellschaftsrecht, Ziel war eine Verstärkung der Revision. Dies wurde im grundsätzlichen dadurch erreicht, daß es nunmehr dem Revisor durch ein verstärktes Instrumentarium selbst möglich ist, dafür Sorge zu tragen, daß die Mängel, die er im Revisionsbericht feststellt, tatsächlich abgestellt werden. Wenn sie nicht abgestellt werden, dann kann sogar über das Gericht – das Gericht ist im Außerstreitverfahren einzuschalten – eine außerordentliche Generalversammlung einberufen werden, um über die Mängel zu berichten und sie zu beseitigen, wobei das Gericht sowohl die Tagesordnung festzulegen als auch den Vorsitzenden zu bestellen hat, der diese Generalversammlung abhält.

Ich denke mir, daß es dadurch, wenn man die Kernmaterie selbst betrachtet, im großen und ganzen sehr wohl geglückt ist, die Revision – das war das erklärte Ziel – zu stärken, und es ist sicherlich auch im Bereich des Genossenschaftsrechtes eine gewisse Anpassung an das Gesellschaftsrecht erfolgt, sodaß nun vermehrtes Augenmerk auf die ordnungsgemäße Geschäftsführung gelegt werden kann.


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Ich glaube daher, daß die Zustimmung zu diesem Gesetz eine gute Maßnahme darstellt und eine entsprechende Weiterentwicklung des Genossenschaftsrechts mit sich bringen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Barmüller vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.11

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz – die Länge dieses Titels ist, glaube ich, indirekt proportional zum Inhalt oder zu den Änderungen, die bei dieser Materie Platz greifen werden. Es ist in der Diskussion im Ausschuß auch eines ganz klar geworden: Es ist ein Gesetz der politischen Machbarkeit, denn – Abgeordneter Schreiner hat das bereits angesprochen – eigentlich war geplant, auch von seiten des Justizministeriums geplant, diesen Bereich umfassender neu zu regeln und neu zu kodifizieren, aber unter dem politischen Druck war es einfach nicht möglich, dieses Gesamtvorhaben durchzubringen.

Der Herr Bundesminister für Justiz hat sich daher darauf zurückgezogen, wenigstens den Bereich der Revision neu zu regeln, aber auch den nur, soweit es geht. Wenn Sie nämlich den ersten Entwurf, der diskutiert und zur Begutachtung versendet worden ist, ansehen, dann werden Sie darin finden, daß in Zukunft keine gemischten Verbände mehr möglich sein sollten, weil man offenbar aus sachlichen Erwägungen gemeint hat: Dort, wo Revision und auch unmittelbar aktive Tätigkeit unter einem Dach stattfinden, gibt es Beeinträchtigungen der Objektivität der Kontrolle, treten Schwierigkeiten auf. Daher wollte man von vornherein die Existenz jeglicher gemischter Verbände nicht mehr zulassen. Das ist geändert worden. Zukünftig wird nur noch die Neugründung solcher gemischten Verbände nicht möglich sein.

Das hat einen besonderen Hintergrund, der sich auch in der Diskussion gezeigt hat, denn wahr ist, daß Abgeordneter Schwarzenberger zwar die Diskussion für seine Fraktion geführt hat, aber nicht in der ersten Runde. Als es darum ging, eine erste Beurteilung durchzuführen, hat er sich der Stimme enthalten, weil ganz offensichtlich war, daß da der Einfluß des Raiffeisenbereiches sehr groß war. Es ist der Raiffeisenbereich auch der einzige Bereich, der noch gemischte Verbände hat, und leider, meine Damen und Herren, war in der Diskussion im Justizausschuß nicht sachlich zu erfahren, warum man jetzt diesen Weg gegangen ist, warum man eine Neugründung von gemischten Verbänden nicht zuläßt unter dem Aspekt, daß es Beeinträchtigungen der Kontrolle geben könnte, aber die alten bestehen läßt, warum also Raiffeisen dieses Privileg eingeräumt wird, weiterhin gemischte Verbände, selbst wenn dies zu Lasten der Kontrolle geht, betreiben zu können.

Das ist etwas, was von seiten der Liberalen nicht akzeptiert wird. Wir meinen, wenn es sachliche Gründe gibt, gegen gemischte Verbände zu sein, dann müssen diese auch jene Verbände betreffen, die heute bereits existieren, insbesondere deshalb, weil innerhalb dieser Verbände der aktive Bereich und der Revisionsbereich ohnehin schon in eigene Abteilungen getrennt sind. Das heißt, es wäre kein unzumutbarer Mehraufwand gewesen, das wirklich auseinanderzudividieren. Das ist aber nicht geschehen. Insofern ist es ein sehr österreichisches Gesetz: nicht konsequent, sondern bestimmt von den tatsächlichen politischen Machbarkeiten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber über diese Materie hinaus auch die Situation im Justizausschuß dahin gehend beschreiben, daß Frau Abgeordnete Fekter mit ihrer Vorsitzführung in zunehmendem Maße eine tatsächliche Belastung der Beratungen im Justizausschuß darstellt, weil die formale Abwicklung, etwa wenn es um Sitzungsunterbrechungen, wenn es um Worterteilungen, wenn es um Führung der Rednerliste geht, von Frau Abgeordneter Fekter – ich kann das so sagen, weil Sie hier sind, Frau Abgeordnete – in einer Art gehandhabt wird, wie sie in anderen Ausschüssen absolut unüblich ist und jedenfalls auch im Justizausschuß unüblich sein sollte.

Es geht nicht an, daß sich eine Vorsitzführende, unabhängig davon, ob sie in die Rednerliste eingetragen ist oder nicht, inhaltlich zu Wort meldet, dann auf Abgeordnete repliziert, wenn sie


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das für gegeben hält, und sich schlicht und einfach nicht an den formalen Ablauf hält. Der Justizausschuß war immer ein Ausschuß, in dem eine sehr sachliche Beratung möglich war, und das ist, seit Frau Abgeordnete Fekter den Vorsitz führt, nicht mehr der Fall. Man denkt an die Zeiten von Graff zurück und wünscht sich ihn wieder in diese Position. (Beifall eines Abgeordneten bei der SPÖ.) – Ja, da freut man sich.

Wenn man daran zurückdenkt, stellt man fest, daß diese Art der Vorsitzführung etwas ist, was dem Justizausschuß und dem Beratungsklima dort sehr, sehr abträglich ist. Ich sage das deshalb, meine Damen und Herren, weil es in Zukunft nicht mehr so sein wird, daß der Justizausschuß ein Bereich der sachlichen Beratung sein kann, wenn Frau Abgeordnete Fekter in ihrer Vorsitzführung sich nicht darauf besinnt, daß sie so quasi auch eine etwas überparteiliche Stellung in diesem Zusammenhang einnehmen soll.

Insgesamt noch einmal: Wir werden diese Materie als zu wenig weitgehend ablehnen. Wir lehnen sie deshalb ab, weil man mit den gemischten Verbänden nicht sachlich umgeht, sondern dem Raiffeisenbereich ein Privileg zugestanden wird, das man anderen nicht zugesteht. Das werden wir von liberaler Seite nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.16

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe den Unmut des Kollegen Barmüller. Es war nämlich so, daß die Sitzung schon unterbrochen war, als er sich noch zu Wort gemeldet hatte, und ich die Sitzung nicht wiedereröffnet habe, um ihm sein Wort zu erlauben, sondern seine Wortmeldung erst nach der Unterbrechung und Wiedereröffnung zugelassen haben. Das hat ihn verärgert. Es tut mir leid. Ich werde in Hinkunft darauf achten.

Daß ich mich in die Rednerliste eingetragen habe, Herr Kollege Barmüller, ist richtig. Ich hatte allerdings eine sehr lange Rednerliste und war selbst erst im zweiten Drittel der Redner als Debattenrednerin am Wort. Ich glaube, das steht auch einer Ausschußvorsitzenden zu.

Nun sachlich zu der Novelle, die wir heute beschließen werden. Dazu muß man vorweg wissen, daß Genossenschaften ein ganz klares Grundsatzgebilde haben und einen bestimmten Zweck verfolgen. Die Grundsätze der Selbstbestimmung, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung und den Zweck der Genossenschaften, nämlich die Förderung der Mitglieder, muß man vorweg im Auge haben, wenn man über die Revision spricht.

Die Revision ist die Säule, die diese Grundsätze zu beachten hat und den Zweck, nämlich die Förderung der Mitglieder, sicherstellen muß. Die Revision ist als auf Dauer angelegte Betreuungsprüfung durch den jeweiligen Revisionsverband zu sehen, und die Revision, Herr Kollege Barmüller, gewährleistet auch die Verfolgung des Zweckes im Hinblick auf die Kontrolle durch einen unabhängigen Revisor; unabhängig deshalb, weil er weisungsfrei und kündigungsgeschützt ist.

Man muß die historischen Wurzeln kennen. Die Revision war dem Wesen nach immer – und ist es heute noch – ein Selbstschutzkonzept für die Interessen der Mitglieder. Die bisherige gesetzliche Lage die Revision betreffend war verstreut auf viele Gesetze, daher ist eine einheitliche Regelung natürlich wünschenswert. Nicht der Mangel an gesetzlichen Bestimmungen aber war das Problem bei der Revision, sondern das Problem bestand darin, daß man die aufgezeigten Mängel nicht konsequent umsetzen hat können. Beispielsweise war die drohende Pleite des "Konsum" aus den Revisionsberichten der Vorjahre sehr wohl erkennbar. Leider wurde nicht entsprechend darauf reagiert. (Abg. Auer: Zehn Jahre vorher schon!)

Ziel dieser Novelle ist es daher, Maßnahmen und Instrumente per Gesetz zu schaffen, damit derart aufgezeigte Mängel auch beseitigt werden. Zu diesen Maßnahmen zählen: bessere


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Durchsetzbarkeit der Revision von aufgezeigten Mängeln durch Publizität im Firmenbuch, Anzeigen bei Gericht, Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung durch den Revisor über das Gericht oder auch die Geltung des Unternehmensreorganisationsgesetzes.

Es ist weiters in diese Novelle – und das scheint mir sehr wesentlich zu sein – für die Genossenschaften das Handelsgesetzbuch mit den dazugehörigen Rechnungslegungsvorschriften, die für Kapitalgesellschaften gelten, einbezogen, und es ist auch EU-konform das Qualifikationsniveau der Revisoren normiert. Es sind der Prüfungsumfang und die Verantwortlichkeit des Revisors und des Revisionsverbandes sowie die Offenlegungspflichten festgelegt worden, und natürlich wurden auch die Bestimmungen hinsichtlich Veröffentlichungen und Mitgliederinformationen verbessert. Damit die Mängel in Hinkunft rechtzeitig abgestellt werden, sind Zwangsstrafen vorgesehen. Neu kommt auch das Konzernrechnungslegungsgesetz hier mit hinein.

Die Tatsache, daß im Gesetz die Verbandspflicht normiert worden ist, hat zu Kritik und Debatten geführt. Viele haben sich freie Wirtschaftsprüfer gewünscht und keine Genossenschaftsrevisionsverbände mehr, dann hätte sich aber das Gebilde der Genossenschaften von den übrigen Kapitalgesellschaften nicht mehr unterschieden und wäre im Hinblick auf ihren historischen Zweck entfremdet worden. Das heißt, nicht nur der Raiffeisensektor, Herr Kollege Barmüller, sondern der gesamte genossenschaftliche Wohnungsbereich hat sich sehr früh eindeutig für die Verbandsprüfung ausgesprochen. Daher ist die Verbandspflicht weiter normiert worden.

Bewährte Revisionseinrichtungen wurden nicht zerschlagen. Das, Herr Kollege Barmüller, ist die Antwort auf Ihre Frage, warum man gemischte Verbände, die bereits existieren, beibehalten hat. Man soll Dinge, die sich gut bewährt haben, mit denen alle Mitglieder zufrieden sind, nicht per Gesetz zerschlagen. (Abg. Mag. Barmüller: Im ersten Entwurf war das aber vorgesehen!)

Im Entwurf haben sich Theoretiker mit dieser Sache auseinandersetzt, in der Begutachtung haben Praktiker dann ihre Meinung dazugegeben, und gerade, was die gemischten Verbände betrifft, sind von den kleineren Bundesländern, von den kleineren Genossenschaften die Wünsche in Richtung Synergieeffekte gekommen. Da gemischte Verbände in der Praxis Einsparungen dadurch bringen, daß eine gemeinsame Nutzung verschiedener organisatorischer und administrativer Einrichtungen erfolgen kann, ist gewünscht worden, die gemischten Verbände beizubehalten. Ansonsten wäre die Revision für kleinere Genossenschaften – insbesondere zum Beispiel für Senngenossenschaften in Vorarlberg – viel zu teuer gekommen. Und ich spreche mich dafür aus, daß man bewährte Einrichtungen nicht per Gesetz mutwillig zerschlagen soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Wichtig für die Unabhängigkeit der Kontrolle ist, daß der Träger der Revision, der Hauptverantwortliche und der Agierende der Revisor ist und nicht der Verband. Es ist die Qualifikation EU-konform mit Hochschulreife ausgestaltet worden, und vor allem haben wir für die Durchsetzung der aufgezeigten Mängel nun bessere Regelungen.

Natürlich hat es im Vorfeld eine Vielzahl von Wünschen bezüglich dieser Revisionsnovelle gegeben, die zum Teil diametral auseinander gingen. Auch aus dem Raiffeisenverband selbst haben natürlich der Bankensektor, der Warensektor, die Primärbanken gegenüber den Landesbanken oder Zentralbanken vorerst unterschiedliche Wünsche an diese Novelle angemeldet. Es konnte aber – und da haben Sie recht – im Hinblick auf das Machbare eine einheitliche Regelung vorgesehen werden. Diese einheitliche Regelung hat in den kritischen Punkten eben die Verbandsrevision, die gemischten Verbände oder auch die Revision durch die Landwirtschaftskammer in Niederösterreich, wo die Revision delegiert wird, gebracht und gesetzlich festgeschrieben.

Die Wissenschaft – das gebe ich zu – war in manchen Punkten anderer Ansicht als die Praktiker. Der Gesetzgeber soll aber erfolgreich tätige Wirtschaftsunternehmen nicht durch Regeln zerschlagen oder behindern. Wir haben uns deshalb bei der Novelle den Argumenten der Praktiker angeschlossen, die Theoretiker konnten sich nicht überall durchsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.25


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Barmüller gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Bestimmungen sind Ihnen bekannt. 2 Minuten Redezeit.

20.25

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Frau Abgeordnete Fekter! Sie haben gesagt, ich hätte mich inhaltlich zu Wort gemeldet und wäre deshalb so quasi nicht bereit gewesen, zur Kenntnis zu nehmen, daß Sie die Sitzung unterbrochen hatten.

Wahr ist vielmehr, daß Sie angekündigt haben, die Sitzung zu unterbrechen, und zwar wegen eines Wechsels vom Budgetsaal in den Nebenraum, den wir durchführen mußten, weil wir den Saal nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung hatten, daß aber die inhaltliche Diskussion noch überhaupt nicht beendet war. Sie haben mich zur Geschäftsordnung nicht mehr zu Wort gelangen lassen, was zur Folge gehabt hat, daß Sie, obwohl wir nur von einem Saal in den anderen wechseln mußten, die Beratungen des Ausschusses dann auf eine halbe Stunde unterbrochen haben, weil die Koalition in dieser Zeit Abänderungsanträge verhandelt und formuliert hat. Hierbei war zumindest den Liberalen die Möglichkeit genommen, sich vorher noch in die Diskussion einzubringen, weil Sie dann diese Anträge einfach zur Abstimmung gebracht haben.

Und das war das eigentliche Problem dahinter! Dieser Wechsel vom Budgetsaal in den Nebensaal, für den Sie die Sitzung eine halbe Stunde unterbrochen haben und vorher Wortmeldungen zur Geschäftsordnung nicht mehr zugelassen haben, ist nämlich in Wahrheit dazu genutzt worden, noch inhaltliche Veränderungen an der Novelle vozunehmen, ohne daß sich die Opposition oder zumindest die Liberalen zu Wort hätten melden können. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Graf: Das ist es! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Dr. Fekter. )

20.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Bundesminister Dr. Michalek vor. – Bitte.

20.26

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der vorliegenden Regierungsvorlage zur Neuordnung der Genossenschaftsrevision geht es um eine umfassende Modernisierung eines wichtigen Teilbereiches des österreichischen Genossenschaftsrechtes.

Gerade im Revisionsrecht ist die im geltenden Genossenschaftsrecht zu bedauernde Rechtszersplitterung augenfällig. Durch Rechtsüberleitungen entstandene Unstimmigkeiten sowie komplizierte und unübersichtliche Zuständigkeitsregeln erschweren den Zugang zur Rechtsform Genossenschaft.

Darüber hinaus bleibt das Genossenschaftsrecht in mehrfacher Hinsicht hinter den Standards der Handelsgesetzbuch-Abschlußprüfung zurück und bietet auch keine ausreichenden Möglichkeiten der Prüfungsverfolgung, also der Möglichkeiten, auf die Abstellung von bei der Revision festgestellten Mängeln zu drängen. Auch wurde beanstandet, daß die für Kapitalgesellschaften geltenden erweiterten Rechnungslegungsvorschriften des Handelsgesetzbuches für Genossenschaften nicht gelten.

Aufgrund dieser Erwägungen, aber durchaus auch im Zusammenhang mit der heute schon erwähnten Großinsolvenz der letzten Jahre haben wir die legistischen Arbeiten zur genossenschaftlichen Rechnungslegung und Revision im Rahmen des von uns verfolgten Konzeptes einer Gesamtreform des Genossenschaftsrechtes vorgezogen.

Wie bei jeder umfassenden materiellen Rechtsbereinigung mußte das Bundesministerium für Justiz auch hier zwischen den auch aus den Stellungnahmen des Begutachtungsverfahrens ersichtlichen gegenläufigen Interessen – hier jener, die an dem ihrer Meinung nach bewährten


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Alten festhalten wollen, dort derer, denen die Modernisierung zuwenig weit geht – einen sachgerechten Ausgleich finden.

Die Regierungsvorlage hat sich daher nicht zur Aufgabe gemacht – und wollte dies auch gar nicht –, die Strukturen des geltenden Revisionsrechts quasi in einem revolutionären Akt zu beseitigen, wohl aber wollten wir das Genossenschaftsrevisionsrecht durchgreifend verbessern, wobei wir vor niemandem in die Knie gegangen sind. Im Gegenteil! In durchaus wichtigen Fragen haben wir den Wünschen der Revisionsverbände nicht entsprochen.

So wurde etwa die relative Verbandspflicht als wesentliches Element des geltenden Revisionssystems vorgefunden und grundsätzlich in die Neuregelung übernommen. Durch die ausdrückliche Einräumung eines Rechtsanspruches, unter bestimmten Voraussetzungen in einen Revisionsverband aufgenommen zu werden und dort zu verbleiben, durch klare Kriterien und ein einfaches Verfahren für die Befreiung von der Verbandspflicht sowie durch eine Konzentration der Zuständigkeiten für diese Verfahren werden jedoch die Gründung der Genossenschaft wesentlich erleichtert und gelegentlich festgestellte Nachteile des geltenden Systems für die Zukunft vermieden.

Was die gemischten Revisionsverbände anlangt, so sind diese im künftigen Dauerrecht nicht mehr vorgesehen, sodaß sich neue gemischte Verbände nicht mehr bilden können. Es ist aber richtig, daß wir die im Begutachtungsentwurf nach einer mehrjährigen Übergangszeit vorgesehene Entflechtung bestehender gemischter Verbände, soweit dadurch nicht die Wahrnehmung der Aufgaben der Revisoren beeinträchtigt wird, im Hinblick auf das Ergebnis des Begutachtungsverfahrens und aus politisch-pragmatischen Überlegungen bis zur Regelung der Gesamtreform des Genossenschaftsrechtes zurückgestellt haben.

Zu dem verschiedentlich laut gewordenen Vorwurf, die Regierungsvorlage würde den sogenannten Verbundspitzen bei der Prüfungsverfolgung größere Machtfülle einräumen, möchte ich doch darauf verweisen, daß die Sanktionen, die dieser Gesetzesvorschlag für Fehler der geprüften Genossenschaft vorsieht, alle nur darauf abzielen, den von solchen Fehlern betroffenen Gesellschaftern oder Gläubigern die Mittel an die Hand zu geben, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Hingegen sieht der Entwurf nicht vor, daß Verbundspitzen Sanktionen verhängen oder initiieren können, etwa auf ihren Antrag vom Gericht Ordnungsstrafen oder sonstige Maßnahmen gegen eine in ihrer Geschäftsführung unter Anführungszeichen "unbotmäßige" Primärgenossenschaft ausgesprochen werden können.

Entgegen geäußerter Kritik sehe ich in der Vorlage also keineswegs die behaupteten Verschlechterungen. Im Gegenteil. Sie bringt wesentliche Fortschritte und eine Verbesserung der geltenden Rechtslage.

Mit der Einbeziehung der Genossenschaften in die erweiterten Rechnungslegungsbestimmungen des Handelsgesetzbuches für Kapitalgesellschaften, mit der klaren und verständlichen Regelung der Verbandspflicht, den neuen Qualifkationsanforderungen an die Revisoren, der Festlegung gesetzlicher Qualifikations-, Befangenheits- und Auswahlkriterien für Revisoren mit der Stärkung der Unabhängigkeit der Revisoren, mit der Steigerung der Effizienz der Revision, insbesondere bei der Prüfungsverfolgung, mit der Klärung der Zuständigkeiten im genossenschaftlichen Revisionswesen und schließlich auch mit der Unterstellung der Revisionsverbände unter die Aufsicht des Bundesministeriums für Justiz, sodaß dieses durchaus auch allfällige Mängel bei der Eignungsprüfung der Revisoren oder bei der Wahrnehmung der Prüfungsaufgaben durch die Revisionsverbände beziehungsweise die von ihnen bestellten Revisoren abstellen kann, stellen wir den Genossenschaften ein modernes, wirklich herzeigbares Instrument für ihre Kontrolle zur Verfügung.

Mit dem Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz wird ein erster, meines Erachtens aber sehr wesentlicher Schritt für die Gesamtreform des Genossenschaftsrechts gesetzt. Die früher überwiegend starre Abwehrfront gegen Veränderungen der derzeitigen Rechtslage ist aufgebrochen. Es gibt eine ernsthafte Diskussion zu allen relevanten Fragen. Vieles ist dabei


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schon in Bewegung geraten. Es ist also eine grundsätzliche Bereitschaft der betroffenen Kreise zu einer Gesamtreform feststellbar.

Nicht nur für mich steht der Bedarf nach der Genossenschaft als einer eigenständigen Gesellschaftsform außer Zweifel. Gerade in einem weltwirtschaftlichen Umfeld, das von einer zunehmenden Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen, der Internationalisierung der Märkte und überhaupt von einem generell schärfer werdenden Wettbewerb und Rationalisierungsdruck gekennzeichnet ist, könnte, quasi gegensteuernd, die Ursprungsidee gemeinschaftlicher Selbsthilfe von Wirtschaftsbetrieben gegenüber übermächtiger Konkurrenz und Machtungleichgewichten erst recht Bedeutung gewinnen.

Auch die bestehenden Grundsätze des Genossenschaftswesen – das Prinzip des freien Zutritts, die demokratische Stimmrechtsverteilung, die begrenzte Verzinsung der Einlage, die Orientierung an den Aktivitäten der jeweiligen Mitglieder, die Verwendung des Überschusses zur Entwicklung der Genossenschaft und für gemeinsame Dienste, die Grundsätze der Selbsthilfe, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung und der Grundsatz des Vorrangs der Person gegenüber dem Kapital – haben nach wie vor Bedeutung für die durch Klein- und Mittelbetriebe geprägte Wirtschaftsstruktur Österreichs.

Die Reform des österreichischen Genossenschaftsrechts wird sich aber auch der Aufgabe stellen müssen, genossenschaftlichen Großstrukturen, die vielleicht nicht mehr als idealtypische Genossenschaften angesehen werden können, aber doch Realität sind, die erforderlichen Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wirtschaften in einem verschärften wirtschaftlichen Klima zu erhalten und zu verbessern.

Ziel der Genossenschaftsreform ist es also, diese Gesellschaftsform an die aktuellen Erfordernisse anzupassen und für die Zukunft noch attraktiver zu machen. Dazu könnte eine Abstimmung des Genossenschaftsrechts mit dem sonstigen Gesellschaftsrecht, allerdings unter Herausarbeitung und Berücksichtigung der die Genossenschaft von anderen Unternehmensformen unterscheidenden und ihnen gegenüber auszeichnenden Besonderheiten, die legistische Erfassung privatautonom entstandener Gebilde, wie des in der Praxis so bedeutsamen Genossenschaftsverbundes, sowie die inhaltliche und sprachliche Modernisierung des Genossenschaftsrechts einen wesentlichen Beitrag leisten.

Als ausgezeichnete Grundlage für die Gesamtreform des Genossenschaftsgesetzes steht uns ein über meine Initiative im Rahmen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen erarbeiteter Entwurf eines Genossenschaftsgesetzes zur Verfügung, der auch Gegenstand einer vom Bundesministerium für Justiz veranstalteten Enquete am 31. Jänner dieses Jahres in Salzburg war, wo diesem Entwurf allgemein ein hoher Standard zugebilligt wurde.

Wenn auch einem derart bedeutenden und umfassenden Reformvorhaben, wie es das einer Genossenschaftsreform ist, ein gewisser Zeitrahmen für die fachliche Diskussion und für die politische Meinungsbildung zugebilligt werden muß, meine ich aufgrund der bisherigen Erfahrungen und Diskussionen doch, daß die Arbeiten auf Basis einer konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten zügig fortschreiten und noch in dieser Legislaturperiode beendet werden können. – Danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Mag. Stoisits vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. 8 Minuten stehen Ihrem Klub noch zur Verfügung.

20.38

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Grundsätzlich begrüßen wir Grüne die Reform des Genossenschaftsrevisionsrechts, weil dadurch eine Bereinigung und Modernisierung, eine Zusammenfassung von Rechtsquellen erfolgt.


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Ich verhehle aber nicht, Herr Bundesminister, daß es in einigen Punkten – und das wurde ja schon kritisiert – Lösungen gibt, die mir nicht gefallen, mit denen ich unzufrieden bin. Ich sage es nur in Stichworten, damit die 2 Minuten Redezeit reichen: keine sofortige Auflösung der gemischten Verbände, unzureichender Datenschutz, auch unzureichende Kriterien bei der Qualifikation von Revisoren; das könnte zu Problemen führen. Das sind unsere Kritikpunkte.

Was das Klima, die Vorgangsweise und die Arbeit im Justizausschuß anbelangt, bräuchte ich jetzt 15 Minuten, um den Damen und Herren zu schildern, wie groß das Unbehagen über die Vorgangsweise war, darüber, wie dieses Gesetz in den Ausschuß gekommen ist und jetzt hier im Plenum behandelt wird. Da kann ich der Frau Vorsitzenden Dr. Fekter Kritik nicht ersparen. Ich bin sehr erstaunt und überrascht über den Wandel des Klimas und der Vorgangsweise; ich war jahrelang anderes gewöhnt. Das ist jetzt wirklich sehr vornehm und sehr nobel und sehr zurückhaltend formuliert.

Wie gering der Wille der beiden Koalitionsparteien, sich umfassend mit dem Genossenschaftsgesetz zu befassen, ist, zeigt die Tatsache, daß ein vernünftiger Antrag der Freiheitlichen Partei – so etwas gibt es ja auch in dieser Sache – nicht die Zustimmung gefunden hat, was ich sehr bedauere. Wir werden deshalb den Ausschußbericht ablehnen, dem Gesetz allerdings in dritter Lesung, wenn auch mit Vorbehalten, zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

20.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiter Herr Abgeordneter Schwarzenberger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Nach den Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes müssen alle Genossenschaften grundsätzlich dem sachlich und örtlich zuständigen Revisionsverband als Mitglied angehören. Die Revision enthebt die Verwaltungsorgane der Genossenschaft nicht der gesetzmäßigen und der satzungsmäßigen Verantwortung und greift auch nicht in die Selbstverwaltung der Genossenschaft ein, sondern hat vielmehr eine beratende Funktion, eine rechtssichernde Funktion. Die Revision kann nur Mängel aufzeigen. Abstellen muß diese Mängel der Vorstand beziehungsweise der Aufsichtsrat der Genossenschaft selbst.

Die Revision einer Genossenschaft unterscheidet sich insofern vom Wirtschaftstreuhänder der Kapitalgesellschaften, als hier nicht allein die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit mit geprüft werden. (Abg. Mag. Schreiner: Das stimmt nicht!) Es ist ein Unterschied: Eine Kapitalgesellschaft hat Gewinnmaximierung zum Ziel. Eine Genossenschaft hat sozusagen die Förderung des Mitglieds beziehungsweise seines Betriebes zum Ziel. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das stimmt nicht, Herr Schwarzenberger!)

Und wenn, vor allem im Ausschuß, die gemischten Verbände derart kritisiert wurden, möchte ich schon feststellen – das Beispiel brachte im Ausschuß der Abgeordnete Reichhold, vorhin aber auch der Abgeordnete Schreiner –, daß es an und für sich nicht möglich ist, daß der Revisor sozusagen einen Geschäftsführer von seinem Amt enthebt und die Revision sozusagen selbst einen Geschäftsführer einsetzt.

Wir haben uns erkundigt: Es hat in Kärnten einen Fall gegeben, wo die Revision festgestellt hat, daß die Genossenschaft ein Sanierungsfall ist, wobei die kreditgebenden Banken verlangt haben, um die Kredite weiter zu gewähren, daß ein Sanierungsgeschäftsführer eingesetzt wird. Man muß allerdings dazusagen, daß von den verantwortlichen Organen dieser Genossenschaft von fünf drei deklarierte FPÖ-Funktionäre sind (Abg. Dr. Khol: Jetzt kommt’s!) und der neue Geschäftsführer dann bei nur einer Gegenstimme eingesetzt wird. Der alte Geschäftsführer, der diesen Sanierungsfall verursacht hat, hatte einen "Bomben"-Geschäftsführervertrag, mit einer Nettomonatsentschädigung, von der Nationalratsabgeordnete nur träumen können. (Abg. Dr. Khol: Wieviel?) Aus diesem Grunde konnte diese Genossenschaft in dieser Form nicht mehr funktionieren. (Abg. Dr. Khol: Wieviel kriegt er?) Ich werde dir das unter vier Augen sagen, wieviel dieser Geschäftsführer netto erhalten hat. Er bekam dann auch noch eine hohe Abfertigung, als das Dienstverhältnis gelöst werden mußte. (Abg. Dr. Graf: 78 000 S!)


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Es gibt derzeit in Kärnten noch zwei gemischte Verbände, und zwar einen vom Raiffeisenverband Kärnten, und die slowenischen Genossenschaften haben ebenfalls einen eigenen Revisionsverband. Man muß dazusagen, daß es den Genossenschaften freisteht, einen eigenen Genossenschaftsverband, einen Revisionsverband zu gründen, wenn sie mit dem Landesrevisionsverband nicht einverstanden sind. Warum das nicht geschehen ist, kann ich mir nur so erklären, daß die Primärgenossenschaften in Kärnten wahrscheinlich keinen Bedarf in diesem Bereich haben.

Es gibt dann weiters noch in Vorarlberg, in Salzburg und im Burgenland solche gemischte Verbände. In den größeren Bundesländern sind eigene Revisionsverbände vorhanden.

Die grundsätzlichen Ziele der Reform des Genossenschaftsgesetzes hat Frau Abgeordnete Fekter ja schon teilweise aufgezählt: die Stärkung der Unabhängigkeit der Revision, die Neuregelung der Prüfungsverfolgung, die Klarstellung der Kosten der Revision, die Qualifikation und Zulassung als Revisor und die Anerkennung als Revisionsverband.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ein Vorstand einer Genossenschaft hat die Möglichkeit, wenn er mit dem vom Revisor gelieferten Ergebnis nicht einverstanden ist, zu Gericht zu gehen, und dann entscheidet der Richter über den zuständigen Revisor in diesem Bereich. Es ist also nicht möglich, daß vom Revisionsverband Druck auf die Genossenschaft ausgeübt werden kann, wenn dort die Geschäfte ordnungsgemäß geführt werden. Der Revisor hat aber einzuschreiten, wenn Gefahr droht in der Weise, daß die Mitglieder der Genossenschaften zu Schaden kommen könnten. Daß in Österreich in den letzten 50 Jahren zumindest keine Mitglieder der Raiffeisengenossenschaften zu Schaden kamen, ist eben einer guten Revision zu verdanken, und die wollen wir sicherlich nicht zerschlagen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.46

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Beispiel, das Herr Abgeordneter Schwarzenberger hier gebracht hat, ist für mich ein schöner Einstieg in meine Rede, weil es mir wieder einmal zeigt: Wenn man sich von Salzburg aus erkundigt, wie es in Kärnten zugeht, kann nichts Gescheites herauskommen, Herr Abgeordneter Schwarzenberger! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Im Vorstand sind nämlich nicht fünf, sondern zwölf Personen, und wenn Sie sagen, es sind drei davon Freiheitliche, so heißt das, daß immer noch neun ÖVPler über diese Regelung abgestimmt haben. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Zum zweiten er hat schamhaft verschwiegen, wer die kreditgebende Bank ist. Die kreditgebende Bank war die Raiffeisen-Landesbank in Kärnten, die wiederum den Revisionsverband kontrolliert. Und genau dieser Revisionsverband hat bei dieser Genossenschaft eine ganz strenge, beinharte Revision durchgeführt, mit einem einzigen Ziel: einen unliebsamen Geschäftsführer abzusetzen, weil er eine aggressive, für die Bauern günstige Marktpolitik betrieben hat. Das war’s! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Und die 100 Millionen Schulden verschweigen Sie!) Diese Genossenschaft ist durch die BSE-Krise vorübergehend in Schwierigkeiten geraten und ist heute wieder und war vorher im Kerngeschäft immer gesund.

Deshalb, Herr Kollege Schwarzenberger: Erkundigen Sie sich nicht beim Kollegen Wurmitzer, der hat meistens nicht die entsprechenden Informationen. Wenn Sie etwas wissen wollen, dann kommen Sie entweder gleich zu mir oder überlassen Sie das einem Kärntner Abgeordneten. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: 100 Millionen Schulden!)

Aber jetzt ein paar Kritikpunkte zum Genossenschafts ... (Abg. Dr. Haider: ... die Slowenische Bank 180 Millionen!) Ja, das ist die Raiffeisen-Landesbank, ein besonderes Problem, das wir heute lieber nicht diskutieren wollen.


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Der Ausgangspunkt dieser Reform ist ja die "Konsum"-Pleite des Jahres 1995. Und da hat unter anderem auch der Herr Minister angekündigt, es wird das Genossenschaftsgesetz geändert werden. Es wurden Arbeitskreise einberufen, es kreißten die Berge, Studien wurden gemacht – und heraus kam eine Maus in Form des Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetzes. Dieses kleine Gesetz, das hier beschlossen wurde, hat von der Tendenz her ein unleugbares Ziel, nämlich die Zentralisierung des gesamten Raiffeisensektors.

Das Beispiel, das ich eben erwähnte, das kritisieren wir ja: daß mit dem Instrument der Revision unliebsame, am Markt als Konkurrenten auftretende Mitgliedsgenossenschaften an die Kandare genommen werden, um so eine Monopolsituation entstehen zu lassen. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Reichhold! Pleite ist der "Konsum" gegangen, nicht die Raiffeisen!)

Unser zweiter Kritikpunkt ist, daß die Genossenschaften den Revisionverbänden ausgeliefert sind, weil sie ohne Zustimmung der Revisionsverbände nicht austreten können und nicht so wie Kapital- oder Aktiengesellschaften die Möglichkeit haben, selbständige Wirtschaftstreuhänder für die Revision des Unternehmens heranzuziehen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß die Rechte der Verbände so vergrößert werden, daß die Ansprüche der Genossenschaften, im Verband aufgenommen und behalten zu werden, demgegenüber deutlich unterentwickelt sind.

Auch die Folgen des Ausschlusses aus dem Revisionsverfahren sind nicht geregelt. Die finanzielle Abfindung der Mitglieder des Revisionsverbandes, die natürlich dort auch investiert haben, ist nicht geregelt. Das heißt, Herr Kollege Schwarzenberger, wenn Sie die Güte haben, mir zuzuhören: Allein die Drohung einer unliebsamen Mitgliedsgenossenschaft gegenüber, aus dem Verband ausgeschlossen zu werden, genügt schon, um sie in die Knie zu zwingen, weil man weiß, daß man die finanziellen Aufwendungen, die Investitionen in den Revisionsverband nie zurückbekommen wird.

Oder, ein weiterer Punkt: die umfangreichen Befugnisse des Revisors selbst, der wieder sehr eng an den Revisionsverband gebunden ist. Eine Statutenänderung, eine Änderung des Genossenschaftsvertrages kann nur mit Zustimmung des Revisors erfolgen.

Oder: eine Erweiterung des Geschäftsbereiches. Oder: Mängel können in das Firmenbuch eingetragen, können veröffentlicht werden. Das läßt sich keine Kapitalgesellschaft gefallen!

Eine außerordentliche Vollversammlung kann einberufen werden, um dadurch das Image einer nicht genehmen Mitgliedsgenossenschaft in der Öffentlichkeit ramponieren zu können. (Abg. Dr. Fekter: Sind Sie interessiert am Schutz der Mitglieder?) Letztlich wird die Eignungsprüfung der Revisoren – entgegen den EU-Richtlinien – den Verbänden übertragen. Das ist unserer Meinung nach eine nicht zulässige Wettbewerbsverzerrung, weil Sie dadurch im Genossenschaftssektor ein Monopol schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können schreien, soviel Sie wollen: Damit findet eine echte Zentralisierung statt! (Abg. Dr. Höchtl: Schreit eh keiner! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Damit werden neue Abhängigkeiten und Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Aktiengesellschaften geschaffen. (Abg. Dr. Khol: Er hat keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das kann nur einem nützen, nämlich demjenigen, der in Presseaussendungen und Vorträgen die Konsolidierung und Zentralisierung des gesamten Raiffeisensektors fordert: dem Generalanwalt Konrad. Er macht ja kein Hehl daraus, daß er eine Raiffeisen-AG schaffen will, um dem roten Bankgebilde CA/Bank Austria eine schwarze Raiffeisen-AG gegenüberstellen zu können.

Ob Sie das gerne hören oder nicht: Das ist eine Tatsache, und alle Indizien weisen darauf hin, daß Schüssel und Stummvoll von Konrad und Schwarzböck hintergangen wurden und der CA-Deal hinter ihrem Rücken stattfand. Das wissen Sie ganz genau, Herr Stummvoll!

Herr Bundesminister Michalek! Sie haben selbst im Ausschuß angedeutet, daß Sie mit einigen Punkten dieses Genossenschaftsgesetzes nicht einverstanden sind beziehungsweise damit keine Freude haben, insbesondere damit, daß die gemischten Verbände nicht entflochten


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werden müssen und jene Situation ausgeräumt ist, daß ein Konkurrent den Mitgliedsgenossenschaften in die Firmenbücher schauen kann. Herr Bundesminister! Ich verstehe nicht, warum Sie nicht stärkere politische Gestaltungskraft entwickeln. Sie sind ja kein Notar, der sich zurücklehnen kann, sondern Sie sitzen auf der Regierungsbank. Ich hätte mir erwartet, daß in dem Entwurf – wenn Sie mit der Sachlage nicht einverstanden sind – Ihre Handschrift stärker zur Geltung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte aufgrund der von uns angeführten Kritikpunkte einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen. Dieser Abänderungsantrag sieht zwingend die Entflechtung der gemischten Verbände und vor allem die Befreiung von der Verbandspflicht vor, damit Wettbewerbsgleichheit zu den Kapitalgesellschaften geschaffen wird.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schreiner, Ing. Reichhold, Dr. Ofner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Revision von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie über Änderungen des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, des Firmenbuchgesetzes und des Gerichtsgebührengesetzes (Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 – GenRevRÄG 1997) (840 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (872 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I wird in § 26 Abs. 1 das Wort "und" am Ende der Z 1 durch das Wort "oder" ersetzt.

2. In Artikel V entfällt § 2 Abs. 2.

*****

Damit glauben wir Freiheitliche, Wettbewerbsgleichheit zu schaffen, die autonome Struktur der Primärgenossenschaften in Österreich unangetastet aufrechtzuerhalten sowie Willkür und Mißbrauch einen Riegel vorzuschieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Auer vor. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Kiss: Mister 84 Prozent!)

20.53

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Der Debattenbeitrag von Kollegen Reichhold zwingt mich geradezu, einige Sätze zum Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz sowie allgemein etwas zur Genossenschaft zu sagen.

Herr Kollege Reichhold! Vielleicht ist jedes Gesetz durchaus änderungsbedürftig, aber den "Konsum" als Anlaßfall herzunehmen, ist absolut nicht notwendig. (Abg. Ing. Reichhold: Das steht in den Erläuterungen! – Weitere Zwischenrufe.) Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Situation, die zum "Konsum"-Debakel führte, war seit zehn Jahren bekannt. Das sagte damals der Vorsitzende Hobl in der Sendung "Zur Sache". Es ist Aufgabe der dazu berufenen Organe, zu handeln, und es geht nicht darum, durch Gesetze die Dinge vorzubereiten. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das steht in den Erläuterungen! – Weitere Zwischenrufe.)


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88. Sitzung / Seite 153

Herr Kollege Reichhold! Zum zweiten: Wenn ein Geschäftsführer einer Genossenschaft so hervorragend arbeitet wie derjenige, den Sie in besagter Genossenschaft meinten, dann wird niemand – weder der Vorstand noch sonst jemand – an seinen Fähigkeiten zweifeln und eine Änderung herbeiführen, außer er führt die Genossenschaft wirtschaftlich in den Abgrund. (Abg. Ing. Reichhold: Außer Sie kriegen ihn nicht! Außer Sie kriegen eine politische Revision!)

Herr Kollege Reichhold! Zum dritten: Niemand kann einer Genossenschaft vorschreiben, wo sie die Kredite oder die Finanzierung hernimmt. Niemand kann den Genossenschaften das vorschreiben. (Abg. Dr. Haider: Was ist mit dem Parteifreund?)

Herr Kollege Reichhold! Zum vierten meinten Sie, eine Genossenschaft könne nur vom zuständigen Revisionsverband geprüft werden. Ich berichtige auch das: Die oberösterreichische Raiffeisen-Landesbank wird von der KPMG geprüft, weil sie ein internationales Testat braucht. Nehmen Sie daher zur Kenntnis, daß auch dies möglich ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Die KPMG hat beim "Konsum" auch "gut" gearbeitet! – Abg. Dr. Khol: Der Reichhold weiß ja nicht, worum es geht! Der Reichhold ist ein begabter Amateur, aber nicht mehr! – Weitere Zwischenrufe.)

20.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 872 der Beilagen. Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht. Ich werde daher zunächst über die von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 26 Abs. 1 und Artikel V § 2 Abs. 2 bezieht.

Jene Damen und Herren, die diesem Antrag beitreten möchten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Das ist somit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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88. Sitzung / Seite 154

11. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 418/A (E) der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend Neukodifikation des gesamten Genossenschaftsrechtes (873 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist zuerst Herr Abgeordneter Ing. Mag. Schreiner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.58

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Während der Debatte über das Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz sind einige der Überlegungen, die dem Entschließungsantrag zugrunde liegen, bereits ausgeführt worden.

Herr Kollege Auer! Ich möchte Sie wegen der von Ihnen geäußerten Ansicht, der Anlaß der Gesetzesänderung wäre nicht der Skandal der Pleite des "Konsum" gewesen, darauf hinweisen, daß in den erläuternden Bemerkungen auf Seite 15 geschrieben steht: Eine bekannte Großinsolvenz Anfang des Jahres 1995 hat verursacht, daß wir heute das Genossenschaftsrevisionsgesetz ändern. – Bitte, Sie müssen es auch lesen, wenn Sie etwas beschließen, Herr Kollege Auer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister für Justiz! Ich habe Ihrem Debattenbeitrag genau zugehört, in dem Sie nicht nur das Genossenschaftsrevisionsgesetz erläutert, sondern auch einen Ausblick auf Ihre Vorhaben gegeben haben. Herr Bundesminister! Ich stimme über weite Passagen mit Ihnen überein, daß wir bei einer Neukodifizierung vieles brauchen.

Wir brauchen eine Verbesserung der unterentwickelten Stellung des Eigentümers. Wir brauchen deutliche Beschränkungen bei Haftungen, weil nicht einzusehen ist, daß der Eigentümer mit bis zu maximal dem Doppelten seiner Einlage über diese hinaus haftet, ohne daß er das überhaupt weiß.

Es mangelt an der Publizität, und es mangelt an einem klaren Auftrag im jetzigen Genossenschaftsgesetz, das aus dem vorigen Jahrhundert stammt und einen Mittelweg geht: einerseits zum Beispiel den Landwirt zu fördern, andererseits aber betriebswirtschaftliche Aufgaben wahrzunehmen. Dabei muß ein klarer, transparenter Weg eingeschlagen werden.

Herr Bundesminister! Ich frage mich immer wieder, worauf Sie eigentlich warten. Im Jahr 1990, nach dem Milchwirtschafts-Untersuchungsausschuß, versprach die Bundesregierung hoch und heilig, diese Sache anzugehen. Mittlerweile sind sieben Jahre ins Land gezogen. Ich glaube, daß man speziell Wirtschaftsgesetze nicht auf die lange Bank schieben kann, denn im Zuge der Globalisierung der Weltwirtschaft warten sie alle nicht auf uns, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nachdem die Regierung es im Jahr 1991 in ihr Regierungsprogramm hineingeschrieben hat, nachdem sie es in den Jahren 1994 und 1995 neuerlich hineingeschrieben hat, wäre es hoch an der Zeit, daß dieser Entschließungsantrag endlich im Parlament beschlossen wird und daß Sie, Herr Bundesminister, für eine Neukodifikation des Genossenschaftswesens endlich die Schleusen öffnen, und zwar auch dahin gehend, daß Sie wirklich dahinterstehen, daß das Genossenschaftswesen einer Neukodifizierung unterzogen wird.

Meine Damen und Herren! Es geht mir auch darum, daß wir in dieser eher schwierigen Materie für die Betroffenen nicht sehr viel unternehmen. Das jetzige Genossenschaftswesen wird nämlich von der Praxis nicht mehr angenommen. Herr Bundesminister! Ich habe im Firmenbuch Krems nachgesehen. Wissen Sie, wann dort die letzte Primärgenossenschaft eingetragen wurde? Es war im Jahr 1973, also vor rund 25 Jahren, und es betraf eine Waldgenossenschaft im Bezirk Gföhl. Das war die letzte Eintragung. Das heißt, wir haben bei Neugründungen mehr und mehr totes Recht. Daher ist eine Neukodifizierung notwendig.


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88. Sitzung / Seite 155

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Kurzbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.02

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir behandeln jetzt den Antrag der Freiheitlichen bezüglich der Neukodifikation des Genossenschaftsrechtes, also einer Gesamtänderung des Genossenschaftsrechtes. Die Österreichische Volkspartei wird diesen Antrag selbstverständlich ablehnen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie wird ihn zum einen deswegen ablehnen, weil man ein gut funktionierendes System nicht zu ändern braucht. Es besteht daher derzeit kein Handlungsbedarf. (Abg. Dr. Graf: Da ist der Minister aber anderer Meinung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Zum zweiten hat der Bundesminister für Justiz bereits darauf hingewiesen, daß eine Arbeitsgruppe eingesetzt und eine Enquete in Salzburg durchgeführt wurde (Abg. Haigermoser: Sensation!) sowie auf der Grundlage dieser Arbeitsgruppe eine Modifikation des Gesetzes vorbereitet wird. Herr Bundesminister! Ich richte an Sie die Bitte, daß bei dieser Neumodifikation Funktionsfähigkeit und Flexibilität dieses Gesetzes erhalten bleiben und die Förderung der Mitglieder im Vordergrund steht. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade diese Vorzüge finden sich in dem Genossenschaftsgesetz, welches zugegebenermaßen im Jahre 1873 erlassen sowie 1934, 1936 und 1974 novelliert wurde, und das gilt sicherlich auch für ein paar begleitende Gesetze, wie zum Beispiel das Revisionsgesetz aus dem Jahre 1903 oder die Genossenschaftskonkursverordnung aus dem Jahr 1982. Es ist insgesamt ein flexibles Gesetz.

Herr Abgeordneter Schreiner! Wenn Sie in dem Entschließungsantrag darauf hinweisen, daß im Bankbereich mangelnde Praktikabilität bei Exportgeschäften besteht oder die Abwicklung des Wertpapierhandels mangelhaft geregelt ist, dann kann man diesen Vorwurf nicht einfach so stehenlassen. Das Genossenschaftsgesetz regelt im wesentlichen die Grundzüge, so wie das Haus ein Dach hat, aber im Innenverhältnis erfolgt die Regelung durch die Satzung. Die Satzung wird durch das oberste Organ der Genossenschaft, die Generalversammlung, beschlossen, und die Satzung regelt auch die Befugnisse der Organe: des Vorstandes, des Aufsichtsrates und der Generalversammlung. In der Praxis hat es – das weiß ich, weil ich im genossenschaftlichen Bereich einige Jahre in einer Bank tätig war – gerade in den Bereichen Wertpapierhandel oder Exportgeschäfte keine Probleme gegeben. Der Raiffeisengeldsektor zum Beispiel ist so aufgebaut, daß Sie vor Ort auf der Primärebene alle Geschäfte durchführen können. Selbstverständlich werden diese Geschäfte aufgrund des dreistufigen Aufbaues seitens der Landesbank weitergeleitet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Reichhold! Ich habe fast den Eindruck, daß Sie so heftig gegen unser heutiges Genossenschaftssystem auftreten, weil Sie oder Ihre Fraktion, die Freiheitlichen, anscheinend zuwenig Einfluß darauf haben. (Abg. Haigermoser: Da ist das Parteibuch ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend den vielen Funktionären und Mitarbeitern der Revision sehr herzlich danken. Aufgrund ihrer Tätigkeit im partnerschaftlichen Verbund sind unsere Genossenschaften ein wichtiger Partner in unserer Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

21.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu diesem Punkt ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wird nicht gewünscht.


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88. Sitzung / Seite 156

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte daher, den jeweiligen Platz einnehmen zu wollen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 873 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

12. Punkt

Erste Lesung des Antrages 478/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert werden

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. Ihrem Klub stehen 6 Minuten Redezeit zur Verfügung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.08

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Das ist relativ kurz. Weil ich wenig Zeit zur Verfügung habe, über die Anträge zu sprechen, beschränke ich mich in meinem Beitrag auf einen der mir wichtigsten Anträge, möchte damit aber keine Hierarchie in die Anträge bringen. Dieser Antrag betrifft die Betreuungspflichten von Arbeitslosen, vor allem von Frauen mit Betreuungspflichten.

Dabei geht es im wesentlichen darum, daß wir die schlimmen Maßnahmen, die durch die Sparpakete, aber auch schon vorher durch die Urteile des Verwaltungsgerichtshofes gesetzt wurden beziehungsweise im Gesetz selbst angelegt sind, repariert wissen wollen. Wir wissen, daß es dazu einen Entwurf eines Durchführungserlasses der Sozialministerin gibt; zumindest ist einer angekündigt worden. Aber dieser Durchführungserlaß hat noch nicht das Tageslicht erblickt, und er kann es meiner Ansicht nach auch nicht erblicken, weil er contra legem wäre.

Das Gesetz muß unserer Ansicht nach repariert werden, weil es sehr klare Vorgaben macht und tatsächlich nur gegen die Frauen agiert. Deshalb ersuche ich Sie, diese zwei Bestimmungen, für die wir Änderungen vorschlagen – dem § 9 den Abs. 3a und dem § 10 den Abs. 1a hinzuzufügen –, in den weiteren Beratungen zu bedenken, weil die öffentliche Debatte in den letzten Monaten gezeigt hat, daß in diesem Fall wirklich etwas auf Kosten der Frauen exekutiert wird, wobei das AMS der Meinung ist, es gehöre nicht zu seinem Auftrag, Sozial- oder Frauenpolitik zu machen, daß es aber nur die Frauen dafür bestraft, daß sie den gesetzlichen Auftrag ernst nehmen, nämlich ihre Betreuungspflichten gegenüber den Kindern wahrzunehmen. Es darf nicht so sein, daß Frauen tatsächlich dafür bestraft werden.

Es nützt uns nichts – ich wiederhole: es nützt uns meiner Ansicht nach nichts –, wenn sich das Sozialministerium oder die Sozialministerin erbötig macht und mit einem Durchführungserlaß versucht, das Gesetz zu reparieren, wenn es bereits entsprechende Verwaltungsgerichtshof-Urteile gibt beziehungsweise der § 9 Abs. 3 klar sagt, daß diese Frauen oder diese Personen davon eigentlich auszunehmen sind, weil es dabei um die Betreuung außerhalb des Wohnortes geht, die im § 9 Abs. 3 geregelt ist.

Das zweite hängt nicht unmittelbar mit den Sparpaketen zusammen, betrifft aber eines der großen Probleme, die im Zusammenhang mit der Karenz aufgetreten sind. Nach derzeitiger Rechtslage ruht das Karenzgeld bei einem über zwei Monate dauernden Auslandsaufenthalt. Es ist aber nicht einzusehen, daß eine Person, die Anspruch auf Karenzgeld erworben hat, ihre neun, zwölf oder 18 Monate – je nachdem, wie lange die Karenz beansprucht wird – nicht auch im Ausland beansprucht. Warum nicht, wenn die Betreuungspflichten wahrgenommen werden?! Ich gehe davon aus, daß sich sehr leicht feststellen läßt, ob die Person, die Karenzgeld bezieht, mit dem Kind ins Ausland geht und dort die Karenz beanspruchen will oder ob sie das Kind sozusagen zu Hause "abstellt" und sich allein ins Ausland absetzt.


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Es ist unsinnig, diese Bestimmung aufrechtzuerhalten. Meiner Ansicht nach geht es dabei um reine Schikane oder um den Versuch, ein Element von Kontrolle beizubehalten, das in diesem Fall durch nichts gerechtfertigt ist. Es mag auch sein, daß sich das niemand überlegt hat, auch das kann sein, Herr Kollege Hums, und vielleicht war es bisher kein Problem. Aber ich glaube, es ist im Zuge neuer Lebensentwürfe, die zu machen die Leute sich die Freiheit nehmen, durchaus akzeptabel, diese Lebensentwürfe so zu gestalten, daß es möglich ist, die Karenz auch im Ausland zu beanspruchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.12

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Anträge 478, 502 und 504 der Grünen beschäftigen sich mit der Situation alleinstehender Elternteile beziehungsweise mit einem eigenständigen Karenzanspruch für Väter.

Einerseits wird dabei ein Weg gesucht, alleinstehenden Müttern, die den Namen des Kindesvaters nicht angeben wollen – dafür gibt es immer wieder verständliche Gründe –, die Möglichkeit zu geben, bei Rückzahlungsverpflichtung den Karenzgeldzuschuß zu beanspruchen. Andererseits wird die Zielsetzung verfolgt, für alleinstehende Elternteile Karenzgeld bis zum zweiten Lebensjahr – beziehungsweise bei Teilzeitbeschäftigung bis zum vierten Lebensjahr – zu erreichen.

Die Intention dieser zwei Anträge, nämlich alleinstehenden Elternteilen konzentriert die gleichen Möglichkeiten zu bieten, die zwei Elternteile haben, wenn sie für ein Kind sorgen, können wir SozialdemokratInnen in den grundsätzlichen Anliegen der AntragstellerInnen teilen. Dennoch müssen wir in diesen Punkten auch Vor- und Nachteile ausdiskutieren, insbesondere die Problematik des verstärkten Verdrängens aus dem Arbeitsmarkt, die wir auch in anderen Bereichen immer wieder feststellen müssen, aber auch die Frage der Kontrolle. Denn einen Zustand, wie er in früheren Zeiten beim erhöhten Karenzgeld bestand, wollen wir mit Sicherheit nicht erreichen. Ich darf daran erinnern, daß gewisse Gruppen immer wieder sozusagen Mißbrauchsausschluß forderten, und die Versuche, Mißbrauch zu verhindern, reichten bis hin zur sogenannten Zahnbürstenkontrolle. Ich denke, das können nicht unsere Intentionen sein.

Ich will mich hier nicht persönlich verschweigen. Selbstverständlich geht es dabei auch um die Frage einer offenen, toleranten Einstellung zu Lebensformen in unserer Gesellschaft. Ich befürchte angesichts der ersten Sitzung des Unterausschusses des Gleichbehandlungsausschusses zur Behandlung des Frauen-Volksbegehrens und der dort erfolgten Diskussion, daß wir für diese Anliegen derzeit keine entsprechenden Mehrheiten in diesem Haus finden. Ich hoffe aber, daß die Ausschußberatungen vielleicht doch so verlaufen, daß auch Mehrheitsfindungen möglich sind.

Zum Antrag 500 möchte ich heute nur eines anmerken: Herr Kollege Öllinger, die Problematik liegt darin, daß Karenzgeld noch immer als Ersatz für Entgelt gesehen wird. Daher können wir diese Problematik nicht unabhängig und nicht ganz losgelöst vom Arbeitslosengeldbezug sehen. Meiner Ansicht nach werden wir deshalb in den Ausschußsitzungen ausführlicher darüber debattieren müssen.

Zum Antrag 501 erinnere ich nicht nur an die Zusage der Sozialministerin, einen entsprechenden Durchführungserlaß herauszugeben, sondern ich verweise auch darauf, daß derzeit im Rahmen des AMS entsprechende Diskussionen erfolgen. Ich nehme an, daß das auch Ihnen bekannt ist, Herr Kollege Öllinger, weil Sie ja auch sonst Bescheid wissen über die Diskussionen, die in diesen Bereich laufen.

Wir alle wissen, daß die Berücksichtigung von Kinderbetreuungseinrichtungen – von Öffnungszeiten und von Rahmenbedingungen – eine wesentliche Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit ist. Meiner Ansicht nach muß insbesondere dieser Punkt auch im Zusammenhang mit der Behandlung des Frauen-Volksbegehrens vertieft behandelt werden,


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damit wir Verbesserungen erzielen können. Ich denke, es kann nicht nur bei dem Vorschlag bleiben, dessen Einlösung Sie mit Ihrem Antrag fordern. Wir dürfen nach wie vor nicht davon abgehen, daß wir Kinderbetreuungseinrichtungen fordern, die qualitativ hochwertig sowie den Erfordernissen der Kinder und der Eltern entsprechend ausgerichtet und angepaßt sind.

Ich möchte, weil zu dieser vorgeschrittenen Zeit die Aufmerksamkeit schon etwas nachgelassen hat und wir alle diese Anträge im Ausschuß genauer und ausführlicher debattieren werden, auf die einzelnen Anträge nicht näher eingehen. Ich hoffe aber, daß es nach ausführlicher Diskussion in den Ausschüssen möglich sein wird, Mehrheiten zu finden, die eine Weiterentwicklung frauenspezifisch relevanter Maßnahmen in diesem Haus ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Feurstein vor. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.16

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits gesagt worden, daß die grundsätzlichen Anliegen in diesen Anträgen zweifellos richtig gesehen werden. Ich denke insbesondere an den Antrag, der vorsieht, daß eine alleinstehende Mutter, wenn sie den Vater nicht nennen will, unter der Bedingung auch ein erhöhtes Karenzgeld bekommen kann, daß sie sich schriftlich bereit erklärt, dieses erhöhte Karenzgeld wieder zurückzuzahlen.

Dennoch möchte ich sagen, daß manche Anträge sehr problematisch sind. Das sollte man gleich heute feststellen. Ich sehe ein großes Problem, wenn Sie verlangen, daß das Karenzgeld in bestimmten Fällen auf volle zwei Jahre verlängert werden soll. Die Mütter haben für zwei Jahre Kündigungsschutz, und das soll bestehen bleiben. Aber aufgrund der gesamten Situation möchte ich feststellen, daß eine Verlängerung des Karenzgeldes auf zwei Jahre derzeit nicht möglich ist. Man sollte hier auch nicht falsche Hoffnungen erwecken.

Genauso problematisch sehe ich Ihren Antrag ... (Abg. Öllinger: Teilzeitkarenz ...!) Teilzeitkarenz gibt es, das wissen Sie. Es besteht für eine Alleinstehende sogar die Möglichkeit, bis zu drei Jahre Teilzeitkarenz zu bekommen. Das ist ein sehr langer Zeitraum, und in diesem Zeitraum besteht selbstverständlich auch die Möglichkeit, den Dienstposten wieder zu bekommen.

Problematisch ist aber auch Ihr Antrag, in dem Sie verlangen, daß man über zwei Monate hinaus Karenzgeld ins Ausland bezahlen sollte. Meine Damen und Herren! Sie wissen genau, daß das Karenzgeld im wesentlichen vom Arbeitslosengeld abgeleitet ist, denn den Anspruch erwirbt man über die Bezahlung von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen. Da sehe ich das Problem, daß man diese Möglichkeit der Kontrolle vollkommen außer acht läßt. Ein wesentlicher Grund dafür besteht darin, daß die Möglichkeit gegeben ist, festzustellen, inwieweit für die Betreuung des Kindes überhaupt gesorgt ist.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einen Punkt vorbringen, der in die Zukunft gerichtet ist. Wir von der ÖVP sind schon längst bereit, die grundsätzliche Frage jener Mütter, die in Karenz sind, zu klären, nämlich daß sie eine vorübergehende Beschäftigung während der Karenz aufnehmen können, beispielsweise gewisse Tätigkeiten in dem Betrieb verrichten, in dem sie beschäftigt waren, eine kurzfristige Urlaubsvertretung übernehmen oder Aushilfsarbeiten machen, damit für sie der Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtert wird.

All diese Maßnahmen, die dazu beitragen, den Wiedereinstieg der Frauen ins Berufsleben zu fördern, vertreten wir ganz nachdrücklich, und ich hoffe, daß wir bald eine entsprechende Lösung finden werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte jedenfalls ausdrücklich betonen, daß meine Fraktion dazu bereit ist, dieses Problem zu klären und auch einer Lösung zuzuführen. Ich glaube, daß wir die Fragen im Ausschuß grundsätzlich behandeln müssen, und ich habe bereits angedeutet, daß unsere Auffassung in dem einen Punkt sehr weitgehend mit einem konkreten Antrag übereinstimmt, nämlich mit


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jenem Antrag, der die Rückzahlungsverpflichtung bei erhöhtem Karenzgeld vorsieht. Ich bin überzeugt davon, daß wir gemeinsam mit der Frau Sozialministerin diesbezüglich eine Lösung finden werden. – Insoweit meine kurze Stellungnahme zu diesen Anträgen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Herr Abgeordneter, Ihnen steht 1 Minute Redezeit zur Verfügung.

21.21

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Man kann bei seiner Auffassung betreffend den Sozialstaat und das Wort "sozial", wie die Anträge der Grünen zeigen, auch übertreiben.

Kollege Öllinger! Hinter Ihrem Antrag auf Gewährung eines Karenzgeldes auch bei einem zwei- bis dreimonatigen Auslandsaufenthalt verbirgt sich nur ein übertriebenes Engagement der Grünen für die Ausländer! (Abg. Öllinger: Das schlägt dem Faß den Boden aus! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Denn ginge es nach Ihnen, könnten die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich gekommenen Gattinnen der Gastarbeiter beliebig oft in ihre Exheimat fahren und dort das Karenzgeld beziehen, das eigentlich im Inland zusteht. Ihrem Antrag werde ich sicherlich nicht zustimmen, denn wir Freiheitlichen betrachten das als übertrieben.

Überzogen ist auch Ihr Antrag, wonach Alleinstehende, die den Kindesvater nicht nennen können oder wollen – wobei sicherlich das Wollen im Vordergrund steht –, einen Anspruch auf Karenzgeldzuschuß erhalten sollen. Ich frage mich: Wer zahlt das zurück, wenn die Kindesmutter es nicht tut?

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, den Schlußsatz bitte! 1 Minute ist leider sehr kurz.

Abgeordneter Anton Blünegger (fortsetzend): Ich bringe den Schlußsatz. – Sie werden sagen: Die Kindesmutter verpflichtet sich ohnehin. Das ist jedoch eine grünäugige Sichtweise! (Abg. Öllinger: Blauäugig!) Es gäbe dafür noch das eine oder andere Beispiel, denn die Haftungsfrage ist sicherlich nicht geklärt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Frau Abgeordnete, Ihrem Klub steht eine Restredezeit von 2 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

21.22

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Wortmeldung auf drei Anträge beziehen und ganz kurz darauf eingehen.

Im großen und ganzen geht es dabei, wie bei all unseren Anträgen, um eine Korrektur der Sparpakete, vor allem des letzten Sparpaketes. Konkret geht es um die Frage des Elternkarenzurlaubes in dem Fall, daß der Vater das Karenzgeld in Anspruch nehmen will, weil sich die Mutter in Ausbildung befindet oder arbeitslos ist. Es ist nicht einzusehen, daß in einer solchen Situation der Vater das Karenzurlaubsgeld nicht in Anspruch nehmen kann! Das gründet auf dem sehr patriarchalischen Modell, wonach primär natürlich die Frauen die Kinder versorgen, und es wird dabei keine Rücksicht darauf genommen, daß sich eine Frau zu diesem Zeitpunkt unter Umständen gerade in Ausbildung befinden kann. Die Frau erfährt so eine doppelte Diskriminierung: Sie muß die Ausbildung unterbrechen, damit das Kind betreut wird, weil der Vater das nicht tun kann, und erhält keine Bezahlung. Eine entsprechende Regelung, mit der auf Frauen in einer solchen Situation Rücksicht genommen wird, erachten wir als ein ganz dringendes Anliegen.


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Die beiden anderen Anträge befassen sich, wie schon meine Vorredner betont haben, mit der Gleichstellung von Alleinerziehenden gegenüber verheirateten oder in Lebensgemeinschaft befindlichen Paaren. Das betrifft einerseits die Dauer der Karenzzeit, nämlich die zwei Jahre beziehungsweise vier Jahre bei Teilzeitbeschäftigung, denn es ist nicht einzusehen, daß es zu einer Benachteiligung einer alleinstehenden Person gegenüber Paaren kommt, andererseits geht es um die Frage des Bezuges des Karenzgeldes für den Fall, daß die Frau den Namen des Vaters nicht bekanntgeben will und sich zur Selbstrückzahlung verpflichtet. Das ist ohnehin nur eine kleine Korrektur. Man sollte es der Frau freistellen, den Namen des Vaters – aus welchen Gründen auch immer – zu nennen oder nicht.

Schlußsatz: Alles in allem meinen wir, daß die vorliegenden Anträge Mindestkorrekturmaßnahmen enthalten, um die ärgsten Ungerechtigkeiten zu beseitigen. (Beifall bei den Grünen.)

21.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Den Antrag 478/A weise ich dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

13. Punkt

Erste Lesung des Antrages 500/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert werden

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Ich weise daher den Antrag 500/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

14. Punkt

Erste Lesung des Antrages 501/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz – AIVG geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Auch hiezu liegen keine Wortmeldungen vor.

Ich weise daher den Antrag 501/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

15. Punkt

Erste Lesung des Antrages 502/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elternkarenzurlaubsgesetz (EKUG) geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auch hiezu liegen keine Wortmeldungen vor.

Ich weise daher den Antrag 502/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.


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16. Punkt

Erste Lesung des Antrages 504/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz (KUZuG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert werden

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auch hiezu gibt es keine Wortmeldungen.

Ich weise daher den Antrag 504/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR.

Da dieser Antrag inzwischen an alle Abgeordneten des Hauses verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur näheren Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit des Bundesministers Dr. Caspar Einem im Zusammenhang mit der politischen Instrumentalisierung des Bombenterrors

"Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

,Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung und politischen Instrumentalisierung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und den Innenminister selbst

wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ : 5 ÖVP : 4 FPÖ : 1 Grüne : 1 Liberale besteht.‘

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 2 iVm 57a und b GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen in die Debatte ein.

Gemäß § 57a der Geschäftsordnung erhält das Wort zunächst Herr Abgeordneter Mag. Stadler als Antragsteller. Ihm steht eine Redezeit von 10 Minuten zu. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.27

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe bereits heute vormittag angekündigt, daß es diesen Antrag geben wird, und ich rufe noch einmal in Erinnerung, wie sich die Dinge im Innenministerium zugespitzt haben, die zu den Pannen bei den Ermittlungen betreffend den Bombenterror geführt haben.

Zunächst einmal war es für Innenminister Einem äußerst peinlich, als im April und Mai 1995 bekannt wurde, daß er selbst einen der Attentäter des fehlgeschlagenen Bombenanschlags in


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Ebergassing gekannt hat. Obwohl er das vorher noch in Abrede gestellt hatte, stellte sich dann heraus: Er hat ihn nicht nur gekannt, sondern ihm auch noch ordentlich Geld gespendet, damit die Attentäter Prozesse gegen Dr. Haider finanzieren oder sich Druckmaschinen für ihr Revolverblatt, das sogenannte "TATblatt", anschaffen können.

Dann verschwindet plötzlich der Mittäter Bassam Al-Taher, und später stellt sich heraus – und das gibt der Innenminister sogar zu! –, daß dieser Bassam Al-Taher deswegen verschwinden konnte, weil eine Indiskretion aus dem Innenministerium es ermöglicht hat, daß er gewarnt wurde, und zwar aus der Szene.

Dann passiert dem Innenminister die erste wirklich große politische Panne: Er versucht, in der Szene über Herrn Purtscheller einen Herzeigetäter zu organisieren. Purtscheller und Szeneanwalt Dr. Prader sollen einen Herzeigetäter organisieren, damit er vor der Öffentlichkeit als erfolgreicher Minister dastehen kann, und um die österreichische Öffentlichkeit davon abzulenken, daß er für die gesamte Terroristenszene Sympathien hegte und diese Terroristenszene auch noch mit seinen eigenen Spenden unterstützte. (Zwischenruf des Abg. Schieder. ) Das ist richtig! Das ist alles evident und nachvollziehbar!

Es gibt auch eine Strafanzeige des Herrn Oberschlick, den man mittlerweile beim ORF untergebracht hat, nachdem sein "FORUM" eingestellt wurde. Herr Oberschlick hat sogar eine Strafanzeige gegen Bundesminister Einem eingebracht, weil er dagegen ankämpfen wollte, daß Herr Einem versucht, sich einen Täter zu organisieren, den man dann nach einigen Monaten wieder laufenläßt, nur damit er das Establishment aus politischen Schwierigkeiten heraushält.

Meine Damen und Herren! Problematisch war es aber dann, daß die Herren Kufner, Purtscheller und Neugebauer durch ganz gezielte Fehlinformationen als Nachrichtenschwindler und Falschinformanten – V-Leute des Innenministeriums; das ist evident, Herr Kollege Leikam, Sie können nachfragen, das werden Ihnen die Polizisten hinter vorgehaltener Hand sogar bestätigen! – dieses Ministerium auf Trab halten konnten. (Abg. Leikam: Bestätigungen hinter vorgehaltener Hand sind aber nicht besonders mutig!) In diesem Ministerium geht es auch nicht besonders mutig zu! Kennen Sie Ihr Ministerium nicht? Da traut einer dem anderen nicht mehr über den Weg. So schaut es in diesem Ministerium aus! Ihre eigenen Genossen kommen sich bei uns ausweinen! Glauben Sie mir: Ihre eigenen Genossen weinen sich bei uns Freiheitlichen aus, weil sie kein Vertrauen mehr zu ihrer Partei haben, weil sie wissen, welche Repressionen in dieser Partei herrschen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es herrschen dort Repressionen, die dazu führen, daß sich ein Generaldirektor für öffentliche Sicherheit in aller Öffentlichkeit darüber beklagt, daß er unter psychischen Druck gesetzt wurde. Jetzt haben Sie es hoffentlich mittlerweile im "NEWS" nachgelesen: Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, ein Parteigenosse von Ihnen, ein hochanständiger Mann, ein Beamter, wie man sich in Österreich viele wünschen könnte, behauptet nichts Geringeres, als daß er unter psychischem Druck gehalten wurde, meine Damen und Herren! (Abg. Dietachmayr: Es ist gefährlich, wenn man von Ihnen gelobt wird!) Sie brauchen sich nicht zu fürchten! Sie bekommen von mir kein Lob. Sie haben noch nicht einen einzigen qualifizierten Zwischenruf gemacht! (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Herr Generaldirektor Sika ist ein honorabler Mann, er ist ein Ehrenmann, ein Beamter besten österreichischen Zuschnitts, und er hat es nicht verdient, daß er in aller Öffentlichkeit darüber Klage führen muß, daß ihn ein Minister, der politisch etwas ganz anderes wollte als aufklären, unter psychischen Druck gesetzt hat, meine Damen und Herren! Ich halte das für einen unglaublichen Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die gezielt fehlgeleiteten Informationen und fehlgeleiteten Ermittlungen haben unschuldige Menschen, Behinderte und Greise zum Gegenstand von Kriminalisierung gemacht, für die sich heute, Herr Kollege Leikam, weder Sie noch Herr Kollege Jarolim noch Kollege Cap auch nur mit einer Silbe entschuldigt haben! Sie sollten sich einmal entschuldigen! (Abg. Scheibner: Entschuldigen Sie sich bei der Bevölkerung!) Entschuldigen Sie sich nicht bei uns, sondern bei jenen Menschen, die man aufgrund dieser Nachrichtenschwindelei und aufgrund gezielter Des


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information zum Gegenstand von Kriminalisierung gemacht hat! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Sie als Kärntner sollten das wissen: Bei einer Familie ist man über den Balkon eingestiegen, im Sturmangriff, mit EBT-Methoden. Als man versuchte, besonders mutig zu sein, traf man dort auf eine blinde Frau im Rollstuhl. Entschuldigt haben Sie sich aber nicht! Bis heute ist keine offizielle Entschuldigung bei diesen Eheleuten eingegangen! Der Ehegatte, sogar ein Träger von Auszeichnungen der Republik, hat gesagt, daß er mit dieser Republik abgeschlossen hat. Mit Menschen, die ihn so behandeln, die heute, nachdem man den Täter kennt, nicht einmal die Größe aufbringen, sich bei ihm zu entschuldigen, will er nichts mehr zu tun haben. Mit diesem Staat sei er fertig. – Wenn also heute schon so viel von Anstand und von Entschuldigung die Rede gewesen ist, wäre es wirklich geboten, sich bei diesen Menschen zu entschuldigen, die mutwillig zum Gegenstand der Kriminalisierung gemacht wurden!

Ich will Ihnen zeigen, mit welchem Fetzen Papier man in Österreich ins Kriminal kommen kann. Dieser Fetzen Papier, diese zwei Stückerl Papier, meine Damen und Herren, sind das nicht gekennzeichnete Elaborat des Herrn Neugebauer vom sogenannten "Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes", einer kommunistisch gegründeten Organisation, mit welcher man insgesamt 110 Ermittlungen gegen 110 unbescholtene, zum Teil hochangesehene Menschen in diesem Land durchgeführt hat, meine Damen und Herren! Herr Neugebauer hat Helfershelfer im Ministerium gehabt, er bekam einen Ermittlungsauftrag des Bundesministeriums für Inneres, Gruppe II c. Das DÖW ist ein Privatverein, es lebt von Steuergeldern und davon, unbescholtene Bürger zu vernadern, nur damit man das dann politisch instrumentalisieren kann!

Aber Sie brauchen nicht zu glauben, daß all das ohne politisches Wissen läuft. Die politisch Verantwortlichen sitzen hier! Dieses DÖW bekommt seine Gelder aus Mitteln des Bundes und der Stadt Wien, all das wird über eine Stiftung abgewickelt, meine Damen und Herren! Es ist dies ein ganz übles Vernaderungsinstitut, dessen übelstes Machwerk – so hat ein deutsches Gericht judiziert – das sogenannte "Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus" ist ... (Abg. Dr. Nowotny: Das tut euch weh!) Nein, das tut uns nicht weh, Herr Kollege Nowotny! Sie hätten gerne, daß es uns weh tut! Dieses Buch ist aber ein dermaßen primitives Vernaderungswerk, daß es uns niemals weh tun kann, glauben Sie mir das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Buch ist ein dermaßen simples und übles Machwerk des DÖW, daß selbst ein deutsches Gericht sich zu sagen getraut, daß es ein übles Machwerk der Vernaderung ist! Das tut uns nicht weh, meine Damen und Herren!

Sie haben es versucht und sind dabei gescheitert. Und dann geht es weiter: Da gibt der Minister selber zu, daß er Kenntnis davon hat, daß bestimmte vertrauliche Papiere des Innenministeriums in der Szene gelandet sind. (Abg. Schieder: Ihnen wäre es wahrscheinlich lieber, im "Pfaffenspiegel" genannt zu werden!) Herr Kollege Schieder! Sie wollen auch noch einen Beitrag anbringen? (Abg. Schieder: Ihnen wäre es wahrscheinlich lieber, wenn Sie im "Pfaffenspiegel" vorkommen!) Ich habe nichts dagegen, in möglichst vielen Publikationen vorzukommen! Damit habe ich überhaupt kein Problem! Wenn Sie einen "Pfaffenspiegel" herausgeben wollen, nur zu! (Abg. Schieder: Der wird schon herausgegeben!) Wenn Sie allerdings mit einem "Pfaffenspiegel" das gleiche bezwecken, nämlich die Leute in Österreich zu vernadern, Herr Kollege Schieder, dann werden Sie nicht mehr die Hochachtung genießen und die Stellung in meiner Werteskala einnehmen, auf welcher Sie derzeit rangieren! Aber ich schlage Ihnen etwas vor: Bevor Sie sich an den "Pfaffenspiegel" machen, geben Sie doch einen "Einemspiegel" heraus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Autor in spe Schieder! Der "Einemspiegel" müßte beinhalten, daß sich der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit in Österreich beklagt, daß ein Minister mit Strafanzeige versuchen will, ihn daran zu hindern, daß er in der österreichischen Öffentlichkeit für eine Versachlichung der Briefbombenermittlungen sorgt. – Ich beziehe mich jetzt nicht auf irgendeinen alten Zeitungsbericht, sondern Sie können das in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "NEWS" nachlesen. Ich hoffe, Sie haben die heutige Ausgabe mittlerweile bekommen. Darin ist zu lesen, daß Herr


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Generaldirektor Sika sagt, daß öffentlich Druck auf ihn ausgeübt wurde, daß man den Fahndungserfolg nur bei politisch extremen Gruppen sucht, in erster Linie bei Rechten, dann aber auch bei Linken. – Wörtlich: Ich habe immer gesagt, man werde Überraschungen erleben. Hätte ich das lauter gesagt, wäre ein Schrei der Empörung ausgestoßen worden. Das Buch hat mitgeholfen, die Ermittlungen zu versachlichen. Es enthält nur Fakten ohne politische Bewertungen. – Ende des Zitats. Was aber in diesem Ministerium gewünscht war, waren nicht Fakten, sondern politische Bewertungen gegen die Freiheitlichen, und zwar flott! Das war gewünscht! Nehmen Sie das in Ihren "Pfaffenspiegel" auf!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Daher gibt es eine erdrückende Faktenlage – die auch Kollege Kiss in einem Anflug von Mut, der ihn in der Zwischenzeit allerdings schon wieder verlassen hat, aufgelistet hat –, die für einen Untersuchungsausschuß spricht. Ich ersuche Sie daher um Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leikam. Ab jetzt beträgt die Redezeit pro Redner 5 Minuten. (Abg. Haigermoser: Schon wieder Leikam! Du bist heute schon einmal abgesoffen! Jetzt willst du es wieder versuchen?)

21.37

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Ich heiße nicht Haigermoser, kann also nicht abgesoffen sein! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Um es nicht besonders spannend zu machen, möchte ich gleich am Beginn den Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion klar zum Ausdruck bringen: Wir werden natürlich dem Begehren der Freiheitlichen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Zustimmung nicht erteilen! Nicht nur die jetzige Argumentation, sondern auch diejenige, welche im Laufe der vormittäglichen Diskussion von Abgeordnetem Stadler in Richtung Bundesminister Einem vorgetragen wurde, war sehr dünn. Es ist eine äußerst dünne Argumentation mit Vorwürfen, die in keiner Weise der Realität entsprechen.

Ich möchte, weil es die Kürze der Redezeit nicht anders gestattet, nur auf vier Punkte aus dem schriftlichen Antrag eingehen, den die Freiheitliche Partei hier eingereicht hat.

Schon der erste Satz stimmt nicht. Da heißt es: "Seit den ersten Briefbombenattentaten aus 1993 wurde in der Öffentlichkeit ein Klima erzeugt, das es den Behörden unmöglich machte, gezielt in alle Richtungen zu ermitteln." Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Das stimmt ganz einfach nicht! Sowohl Minister Löschnak als auch Minister Einem haben immer wieder betont, daß in allen Richtungen zu ermitteln ist. (Abg.


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Mag. Stadler: Sika sagt etwas anderes!) Ich komme noch dazu!

Sie selbst, Herr Abgeordneter Stadler, sagen dann auf der dritten Seite in der Begründung, daß ab 1996 in allen Richtungen ermittelt worden ist. Das heißt: Ihre Einleitung wird auf der dritten Seite von Ihnen selbst widerlegt! (Abg. Mag. Stadler: Wann war das erste Briefbombenattentat, Herr Kollege Leikam?) 1993! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Herr Abgeordneter Stadler! Ich habe leider nur 5 Minuten Zeit! Aber das mag eine Strategie von Ihnen sein. Wenn es Ihnen unangenehm wird, schlagen Sie mit Zwischenrufen die Zeit tot! Da spiele ich aber nicht mit, Herr Abgeordneter Stadler! (Abg. Haigermoser: Die Suppe ist zu dünn!)

Sie haben ein Interview im heute erschienenen "NEWS" erwähnt, in welchem der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit sehr ausführlich zu dieser Angelegenheit Stellung nimmt. – Zeigen Sie mir jetzt eine Zeile in diesem langen Interview, in der Generaldirektor Sika Innenminister Einem beschuldigt, daß er Ermittlungen unterbunden hätte! Wörtlich ist in diesem Interview zu lesen – und ich habe auch die Presseaussendung vor mir! –, daß er in keiner Weise von Minister Einem bei der Ermittlung zur Bombenserie unterdrückt worden ist. (Abg. Mag. Stadler: Ich zeige es Ihnen! Da steht es! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zur Überschrift stellt Generaldirektor Sika dar, daß er nie gesagt hat, daß er psychisch unter Druck gesetzt worden ist! Im ganzen Interview finden Sie nirgends den Satz, daß eine Unterdrückung durch den Minister stattgefunden hat. (Abg. Mag. Stadler: Herr Leikam! Da steht es ja!) Lesen Sie das vor! Ich sage Ihnen: Es steht nirgends! (Abg. Mag. Stadler: Hier heißt es: "Ich wurde unter psychischen Druck gesetzt"!)

Zweiter Punkt: Täterprofil. (Abg. Mag. Stadler: Setzen Sie Ihre Brille auf und lesen Sie!) Sie können nicht zuhören! (Abg. Mag. Stadler: Ich kann aber lesen!) Sie können nicht zuhören, das ist Ihr Problem! (Abg. Mag. Stadler: Lesen! Lesen! Brille aufsetzen und lesen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie haben sich selbst einmal als den "Bello" bezeichnet. Für die Bellos gibt es eigene Räumlichkeiten, die wären für Sie das geeignete! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum Täterprofil. Das Täterprofil ist seit der ersten Minute, als es vorgelegen ist, den ermittelnden Beamten zur Verfügung gestanden. Es kann daher keine Rede davon sein, daß eineinhalb Jahre etwas verschwiegen oder verheimlicht worden ist. Von der ersten Minute an haben die Ermittler dieses Täterprofil in der Hand gehabt, und sie haben nach diesem Täterprofil ihre Arbeit aufgenommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es wurde in der ermittelnden Gruppe auch darüber diskutiert, dieses zu veröffentlichen. (Abg. Ing. Reichhold: Leikam! Gib deinen Namen doch nicht für so etwas her!) Man war dort mehrheitlich der Meinung, daß man es nicht veröffentlichen solle, weil man damals nicht davon ausgehen konnte, so wie man übrigens auch heute noch nicht weiß, ob es sich um einen Einzeltäter oder um eine Gruppe von Tätern handelt. Auch dieser Vorwurf geht also ins Leere, denn er entspricht nicht den Tatsachen! (Abg. Ing. Reichhold: Leikam! Du bist doch ein gestandenes Mannsbild! Laß das bleiben!)

Meine Damen und Herren! Ein dritter Punkt. Ich habe vormittag ein Schreiben von Dr. Franz Vranitzky vorgelesen, daß es diese geheime Aussprache in seiner Villa nie gegeben hat. Sie haben jedoch die Frechheit und Unverschämtheit und schreiben in Ihrem Antrag wider besseres Wissen, daß es diese Aussprache gegeben hat. (Abg. Dietachmayr: Ungeheuerlich!) Das entspricht nicht den Tatsachen, das ist unwahr! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Vierter Punkt: 200 Millionen Schilling Kosten für irregeleitete Fahndungen. Meine Damen und Herren! Wenn ein so schwieriger, umfangreicher Kriminalfall zur Behandlung ansteht, dann kann man die Fahndungen nicht auf wenige Personen konzentrieren, und da kann es natürlich vorkommen, daß Einvernahmen stattfinden müssen, bei denen sich dann herausstellt, daß die in Verdacht Stehenden mit der Sache nichts zu tun haben.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Anton Leikam (fortsetzend): Das war auch bei diesen Ermittlungen der Fall. Meine Damen und Herren! Ihre Anfrage ist ein Flop, es handelt sich um politische Vernaderung, wie wir sie von Ihnen gewohnt sind. Wir werden diesem Antrag natürlich nicht unsere Zustimmung erteilen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Schieder: Jetzt kommt wieder ein "Höhepunkt"!)

21.44

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Kollege Leikam! Du zeichnest dich heute schon zum dritten Mal durch absolute Niveaulosigkeit aus. Man sollte daher nicht allzuviel darauf eingehen!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bemerkenswert, daß die Österreichische Volkspartei die Diskussion zur Frage des Untersuchungsausschusses verweigert hat (Abg. Dr. Khol: Warten Sie ab!) beziehungsweise zumindest bis jetzt verweigert hat. Dies ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil es doch heute nach dem Bericht des Bundesministers Schlögl eine bemerkenswerte Rede des ÖVP-Sicherheitssprechers Kiss gegeben hat. Diese Rede hatte unter anderem zum Inhalt, daß er der Ansicht ist, daß die Frage der Veröffentlichung des Täterprofils eine sehr bedeutende sei; und es sei – Originalzitat Kiss – "die Unterschlagung dieses Täterprofils entgegen den Intentionen des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit eine Frage, die hier in diesem Hause zu diskutieren ist".

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Kiss spricht von einer Unterschlagung des Täterprofils entgegen den Intentionen des Generaldirektors und sagt, daß man dem nachgehen muß. Da frage ich Sie: Wo kann man dem Ganzen besser nachgehen als in einem Untersuchungsausschuß? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kiss weiter wörtlich: "Wenn der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit vor politischen Kategorisierungen warnt, vor dem politischen Denken, und empfiehlt, bei diesem wirklich größten Kriminalrätsel Österreichs in der Zweiten Republik eine Aufklärung in eine andere Richtung hin zu betreiben, dann muß ich sagen: Da ging der verantwortliche Innenminister sicher nicht den richtigen Weg! Und der hat damals Caspar Einem geheißen."

Herr Klubobmann Khol! Ihr Sicherheitssprecher Paul Kiss sagt, daß das nicht der richtige Weg war. Das heißt: Wenn er nicht den richtigen Weg gegangen ist, dann ist er den falschen Weg gegangen. Aber warum ist er den falschen Weg gegangen, Herr Klubobmann Khol? Wo kann man diese Frage besser beantworten lassen als durch Erhebungen in einem Untersuchungsausschuß?

Kollege Kiss sagte heute knapp nach der Rede des Bundesministers für Inneres Schlögl weiters: "Ich sage, und ich stehe dazu: Aus dieser politischen Verantwortung entläßt Caspar Einem niemand!" (Abg. Mag. Stadler: Er steht eben nicht dazu!) Da hat Ihr Sicherheitssprecher Pauli Kiss, der jetzt in einer Debatte, die eigentlich er führen sollte, durch Abwesenheit glänzt, der offensichtlich Plenarsaalverbot bekommen hat, noch gesagt, daß er dazu steht. Das sagte Ihr Sicherheitssprecher Kiss, Herr Kollege Khol! Er will Einem nicht aus dieser politischen Verantwortung entlassen. (Abg. Mag. Stadler: Sprach’s und fiel um!) Daraus ziehe ich den Schluß, daß er noch einmal nachschauen will, wie es sich tatsächlich mit dieser politischen Verantwortung des damaligen Innenministers Einem verhält.

Ferner sagte Kiss: "Ich behaupte dies hier und jetzt, und ich führe auch den Beweis in den folgenden Ausführungen ... " – Ihr Kollege führt den Beweis, daß hier politische Verantwortung nicht wahrgenommen wurde. (Abg. Dr. Stummvoll: Das habe ich heute schon einmal gehört!) Ich bringen Ihnen das noch einmal zu Gehör, damit man sieht, wie Sie wieder umfallen, wie Sie Ihr Image als Umfallerpartei wieder einmal eindrucksvoll pflegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn es ist ja Ihr Problem, daß Sie immer wieder liegen, ob in Fragen, die Sie betreffen, oder in dieser Sicherheitsfrage, die Kollege Kiss heute vorgetragen hat: Sie vertreten Ihre Meinung draußen ganz anders, als Sie es hier durch Ihr Abstimmungsverhalten zeigen! Alle verhalten sich gleich: Stummvoll, Kiss, Khol – umgefallen und liegengeblieben. Das ist die ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Jetzt ist Kiss da!)

In einer ganzen Reihe von persönlichen Gesprächen, die er mit den Beamten des Innenministeriums geführt, hat Kollege Kiss, der jetzt da oben herumschleicht, weil er nicht zu dem stehen will, was er heute gesagt hat, entsprechende Informationen erhalten. Meine Damen und Herren von der ÖVP! In Hintergrundgesprächen hat der Kiss Pauli Informationen erhalten, die ihn bestätigt haben.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, den Schlußsatz bitte! (Abg. Auer: Gott sei Dank!)


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Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer
(fortsetzend): Ich bringe den Schlußsatz: Kiss hat Informationen erhalten, die ihn in der Auffassung bestätigt haben, daß Einem gegen den Apparat gearbeitet hat. Und wenn das nicht zu untersuchen ist, was ist dann zu untersuchen, meine Damen und Herren? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.50

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann zwar Herrn Abgeordneten Kiss leider nicht mehr sehen, aber er wäre gut beraten, wieder hier im Plenum aufzutauchen und bei der Abstimmung anwesend zu sein. (Der Redner erblickt Abg. Kiss im hinteren Bereich des Saales.)

Herr Abgeordneter Kiss! Jetzt erst habe ich Sie gesehen; Sie sind dort hinten so unscheinbar. In Ihrer Presseaussendung waren Sie wortgewaltiger. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Sie sind nämlich derjenige, der gemeint hat, daß der mutmaßliche Briefbombenattentäter nicht schon früher gefaßt werden konnte, sei einzig und allein die Schuld von Einem.

Ich habe Ihnen von diesem Pult aus heute schon gesagt, daß Sie, wenn Sie dieser Ansicht sind, sicherlich dem vorliegenden Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen werden. Denn wenn es die alleinige Schuld eines Bundesministers ist, daß ein mutmaßlicher Täter nicht früher gefaßt werden konnte, dann wird das ja wohl auch von Ihnen aus, als einem Sicherheitssprecher mit dianetischer Logik, Konsequenzen haben müssen.

Meine Damen und Herren! Was den Antrag selbst angeht und die Behauptung, daß die Veröffentlichung oder die Nichtveröffentlichung des Täterprofils ... (Abg. Haigermoser hält seine Hände vor die Stirn, wobei Daumen und Zeigefinger, sich an den Fingerspitzen berührend, jeweils wie ein runder Rahmen an die Augen gehalten werden.) Herr Abgeordneter Haigermoser beliebt heute zu scherzen und sitzt hier in etwas vorpubertärer Art.

Aber wie auch immer, Herr Abgeordneter Haigermoser (Abg. Haigermoser: Das hast du mich gelehrt!), wenn Sie behaupten, daß die Nichtveröffentlichung des Täterprofils wesentlich für den Erfolg gewesen wäre, sage ich Ihnen, daß das überhaupt nichts damit zu tun hatte, daß dieser mutmaßliche Täter jetzt der Polizei in die Hände geraten ist. Ganz im Gegenteil, das war ohne jegliche Auswirkung. (Abg. Dr. Graf: Die Rasterfahndung war es!)

Die jetzt von den Freiheitlichen behaupteten Anschuldigungen durch den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Sika, lesen sich in einem Interview allerdings ganz anders. Dort steht nämlich zu lesen: "NEWS: Zum Abschluß einige politische Fragen. Stimmt es, daß Sie unter der Ära von Innenminister Caspar Einem unter Druck gesetzt wurden? – Sika: Ich bedauere, daß darüber jetzt diskutiert wird. Minister Einem hatte den Wunsch, daß die Bombenserie aufgeklärt wird. Er hat niemals Weisungen gegeben, in bestimmte Richtungen zu ermitteln. Das sage ich mit absoluter Gewißheit. Es steht aber fest, daß es zwischen uns Meinungsverschiedenheiten gegeben hat. Wir haben die Sache von verschiedenen Gesichtspunkten aus gesehen – aber das hat die Ermittlungen nicht behindert." Das sagt Sika. (Abg. Leikam: Also bitte! Das ist das, was ich gesagt habe!)

Eine weitere Frage lautet: "NEWS: Sie standen unter doppeltem Druck: die Medien auf der einen, die mangelnde Ministerunterstützung auf der anderen Seite! ... – Sika: In gewisser Weise war das so. Allerdings kann ich einen Chef nicht zwingen, mich oder meine Funktion zu mögen." "NEWS" fragt ihn weiter: "... Sie haben also hinter dem Rücken des Ministers dieses Buch veröffentlichen lassen. War das okay? – Sika: Ich muß zugeben – es war wahrscheinlich ein Fehler." (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Scheibner und Leikam. )

Ich sage das deshalb hier fürs Protokoll, weil aus diesem Interview eindeutig hervorgeht, daß das, was in der Begründung dieses Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


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behauptet wird, vollinhaltlich falsch ist. Daher noch einmal: Sika sagt, "ich muß zugeben – es war wahrscheinlich ein Fehler, es ihm nicht gesagt zu haben. Der Vorwurf, den er gegen mich erhoben hat, war nicht ungerechtfertigt."

"NEWS" fragt weiter: "Wie äußerte sich der Druck auf Sie? – Sika: Öffentlich, daß man den Fahndungserfolg nur bei politisch extremen Gruppierungen gesucht hat. In erster Linie bei rechten, dann bei linken." Damit sagt er offensichtlich, daß in beide Richtungen ermittelt worden ist.

"NEWS" sagt: "Jetzt wird daraus ein politischer Hickhack! – Sika: Einer, den wir derzeit sicher nicht brauchen. Ich will diese Diskussion nicht." (Ruf bei den Freiheitlichen: Aufhören!)

Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, der offensichtlich auch daran interessiert ist, diese Sache aufzuklären, meint, daß dieses Hickhack, das von den Freiheitlichen im Rahmen dieses Antrages hier veranstaltet wird, nicht zweckdienlich ist, dann, glaube ich, sollte man diesem Ausschuß auch nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Khol. – Bitte, Herr Klubobmann. (Abg. Dr. Krüger: Jetzt gibt es eine "Wende"!)

21.53

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freiheitlichen haben einen Antrag gestellt, die rechtliche und politische Verantwortlichkeit des früheren Innenministers Einem zu untersuchen. Ich verlese aus der Mitschrift eines "Mittagsjournals" vom 7. Oktober, worin Herr Einem sagt – ich zitiere –: "Was die Frage des Täterprofils betrifft, ist es so, daß der Kriminalpsychologe Dr. Müller sehr intensiv in die Ermittlungen einbezogen war und auch seine spezifische Fähigkeit in der Erstellung von Täterprofilen dort eingebracht hat. Es war allerdings dann im Kreise der Ermittler durchaus eine geteilte Auffassung darüber, ob man mit Hilfe des Täterprofils in die Öffentlichkeit gehen soll und suchen, oder nicht; und die Mehrheit der Ermittler war der Auffassung, daß man das nicht tun sollte, und zwar im wesentlichen deshalb, weil ein Täterprofil dieser Art dazu verführt, zu glauben, es wäre ein Einzeltäter. In den Ermittlerkreisen hat es durchaus beide Hypothesen gegeben, nämlich sowohl die Gruppenhypothese als auch die Einzeltäterhypothese; und wie Sie wissen, ist auch jetzt noch nicht gewiß, woran man ist." (Abg. Leikam: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Was sollen wir noch untersuchen? – Herr Minister Einem hat klar gesagt, daß er aus politischen Gründen entschieden hat, er will nicht in die Richtung Einzeltäter ermitteln. Er wollte in die Richtung Gruppentäter gehen, und daher trägt er die rechtliche und politische Verantwortung für dieses Verhalten. (Abg. Haigermoser: Das hat sich der Kiss auch nicht verdient!) Der Antrag geht im weiteren darauf hin: politische Instrumentalisierung des Bombenterrors. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.  – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Ich habe heute die Debatte sehr, sehr aufmerksam verfolgt, vom ersten Redner bis zum letzten. Ich habe leider am Ende dieses Tages den Eindruck, daß nicht alle sich darüber freuen, daß nicht unser politisches System in diesem Fall auf der Anklagebank stehen muß, weil irgendeine politische Gruppe sich der Bombe bedient hätte.

Denn ich muß als Patriot in diesem Land sagen, ich würde mich darüber freuen – wenn ich mich überhaupt in diesem Zusammenhang über irgend etwas freuen kann, außer darüber, daß man den Täter gefaßt hat –, wenn eben nicht eine politische Gruppe dahinter stünde. Dabei gebe ich Kollegin Petrovic darin recht, daß dieses wahrscheinlich kranke Hirn natürlich aus krauser politischer Motivation heraus gehandelt hat, aus krauser, verabscheuungswürdiger Motivation. Aber ich habe manchmal den Eindruck, daß manche sich hier kränken, daß nicht die "bösen Rechtsfaschisten" dahinterstecken, und daß wieder andere sich kränken, daß nicht die "bösen Linksfaschisten" dahinterstecken.


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88. Sitzung / Seite 169

Meine Damen und Herren! Lassen wir die Kirche im Dorf, lassen wir die Sicherheitsexekutive untersuchen und ermitteln. (Abg. Mag. Stadler: Was ist ein Linksfaschist? Ich kenne mich nicht aus!) Ich glaube, daß sich dieser Antrag – politische Instrumentalisierung des Bombenterrors – in einer Freudschen Weise sehr klar gegen die richtet, die ihn gestellt haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.)

21.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einnehmen zu wollen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Mag. Stadler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Kollege Kiss!)  – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt. (Abg. Mag. Schweitzer: Pauli!)

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 603/A (E) eingebracht wurde.

Ferner sind die Anfragen 3060/J bis 3080/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 9. Oktober 1997, um 9 Uhr ein. Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21.58 Uhr