Stenographisches Protokoll

96. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 11. November 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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96. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 11. November 1997

Dauer der Sitzung

Dienstag, 11. November 1997: 11.01 – 20.49 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen

Beratungsgruppe I: Oberste Organe

Beratungsgruppe II: Bundeskanzleramt mit Dienststellen; Kunst; Bundestheater

Beratungsgruppe V: Justiz

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 8

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 104

Unterbrechung der Sitzung 104

Ausschüsse

Zuweisungen 7

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Zehnter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses 7

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (841 und Zu 841 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen (910 d. B.) 8


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96. Sitzung / Seite 2

Gemeinsame Beratung über

Beratungsgruppe I : Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft, Kapitel 06: Rechnungshof 8

Beratungsgruppe II: Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen, Kapitel 13: Kunst (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 71: Bundestheater 8

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 9

Peter Schieder 14

Mag. Dr. Heide Schmidt 15

Dr. Gottfried Feurstein 20

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 23

Dr. Elisabeth Hlavac 26

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 28

Rosemarie Bauer 30

Dr. Hans Peter Haselsteiner 32

Dr. Johann Stippel 35

Mag. Doris Kammerlander 37

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 41

Mag. Helmut Kukacka 43

Mag. Johann Ewald Stadler 45

Otmar Brix 48

Maria Schaffenrath 49

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) 53

Franz Morak 53

Mag. Terezija Stoisits 55

Mag. Walter Posch 59

Franz Lafer 60

Mag. Walter Posch (tatsächliche Berichtigung) 62

Karl Donabauer 62

Klara Motter 64

Dr. Elisabeth Pittermann 65

Ing. Walter Meischberger 66

Karlheinz Kopf 68

Mag. Dr. Udo Grollitsch 70

Ridi Steibl 72

Edith Haller 73

Arnold Grabner 75

Mag. Dr. Udo Grollitsch (tatsächliche Berichtigung) 77

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 77

Dr. Gertrude Brinek 78

Dr. Michael Krüger 80

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 82

Dr. Michael Krüger (tatsächliche Berichtigung) 84

Dr. Günther Kräuter 84

Edeltraud Gatterer 85

Anna Huber 86

Dr. Harald Ofner 88

Mag. Franz Steindl 89

Inge Jäger 90

Mag. Cordula Frieser 91

Dr. Josef Cap 92

Georg Wurmitzer 94

Edith Haller 95


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96. Sitzung / Seite 3

Mag. Gisela Wurm 95

Hannelore Buder 97

Dr. Helga Konrad 98

Heidemaria Onodi 100

Dr. Johannes Jarolim 100

Volksanwalt Horst Schender 101

Annahme der Beratungsgruppe I 103

Annahme der Beratungsgruppe II 106

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Finanzierung von Frauenberatungs- und -serviceeinrichtungen – Ablehnung 40, 107

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 62, 104

Annahme der dem schriftlichen Spezialbericht 910 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus (E 90) 104

Beratungsgruppe V: Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjukturausgleich-Voranschlag) 107

Redner:

Dr. Harald Ofner 107

Dr. Willi Fuhrmann 110

Mag. Terezija Stoisits 111

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 114

Dr. Michael Krüger 116

Mag. Thomas Barmüller 117

Franz Lafer (tatsächliche Berichtigung) 121

Mag. Thomas Barmüller (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichti-
gung) 122

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 122

Dr. Ilse Mertel 124

Mag. Dr. Josef Trinkl 125

Dr. Johannes Jarolim 127

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 128

Dr. Elisabeth Hlavac 129

Dr. Günther Kräuter 130

Mag. Johann Maier 131

Mag. Gisela Wurm 132

Anna Huber 132

Annahme der Beratungsgruppe V 133

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 7

915: Frauenausbildungsverhältnisgesetz – FrAG

Anfragen der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die Effizienz von Umweltvereinbarungen (3266/J)


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96. Sitzung / Seite 4

Edith Haller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Einsparungspotential im Bundeskanzleramt (3267/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Einsparungspotential in deren Ministerium (3268/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3269/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3270/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einsparungspotential in deren Ministerium (3271/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3272/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3273/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3274/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3275/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3276/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3277/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3278/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Einsparungspotential in dessen Ministerium (3279/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Filmförderung "Abenteuer eines Traumes" (3280/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neue 500- und 1000-Schilling-Banknoten (3281/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkäufe von BUWOG-Wohnungen (3282/J)

Klara Motter und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Vertragsabschluß der Sozialversicherungsträger mit dem Geburtshaus Nußdorf (3283/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Übererfüllung des Sparpakets und Umwidmung von Planstellen an Universitäten (3284/J)


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96. Sitzung / Seite 5

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3285/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3286/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3287/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3288/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3289/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3290/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3291/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3292/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3293/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3294/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3295/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3296/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (3297/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen (3298/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Fernmeldetruppenausbildung (3299/J)


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96. Sitzung / Seite 6

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungsbewilligung für Studierende an der Webster University (3300/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Anerkennung von Studierenden an der Webster University (3301/J)

*****

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend die Beschaffung von fair gehandelten Produkten in staatlichen Einrichtungen (20/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Irmtraut Karlsson und Genossen (2876/AB zu 2900/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen (2877/AB zu 2911/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (2878/AB zu 2912/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (2879/AG zu 2913/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (2880/AB zu 2941/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Georg Oberhaidinger und Genossen (2881/AB zu 2946/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2882/AB zu 2963/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2883/AB zu 2966/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2884/AB zu 2909/J)


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96. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 11.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze einzunehmen. Auch wenn die Präsenz noch im Zunehmen begriffen ist, darf ich die 96. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären.

Die Amtlichen Protokolle der 94. Sitzung vom 6. November 1997 sowie der 95. Sitzung vom 7. November 1997 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben. Sie gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. König, Ing. Maderthaner, Murauer, Dr. Schwimmer, Dr. Haider und Mag. Haupt.

Entschuldigt für die Teilnahme an der Debatte der Beratungsgruppe I Kapitel 06: Rechnungshof ist der Herr Präsident des Rechnungshofes, der sich dienstlich im Ausland befindet, was den Fraktionen des Nationalrates vor einigen Tagen schriftlich bekanntgegeben wurde.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2876/AB bis 2884/AB.

2. Regierungsvorlage:

Frauenausbildungsverhältnisgesetz – FrAG (915 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 629/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend die Schaffung der Möglichkeit der begünstigten Selbstversicherung zur Pensionsversicherung für pflegende Angehörige,

Antrag 630/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in das Sozialversicherungssystem.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, daß der Zehnte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an die Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.


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Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (841 und Zu 841 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen (910 der Beilagen)


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96. Sitzung / Seite 9

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir gehen in die Tagesordnung ein. Gegenstand ist das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen.

Wünscht der Generalberichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zur Debatte kommen, möchte ich den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn José Maria Gil-Robles, der an dieser Sitzung von der Loge aus teilnimmt, auf das herzlichste begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Hohes Haus! Wir werden die Debatte – entsprechend unserer Gepflogenheit – so führen, daß allgemeine Fragen der Budgetpolitik im Zusammenhang mit der Beratungsgruppe II besprochen werden können.

Die vorgesehene Gliederung der Debatte und Abstimmung im Sinne des § 73 Abs. 2 der Geschäftsordnung ist dem ausgegebenen schriftlichen Arbeitsplan zu entnehmen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so genehmigt.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Beratungen wie folgt erzielt:

Demgemäß wurde eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" für die heutige Sitzung vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes oder Staatssekretärs, die 20 Minuten überschreitet, wird auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesen Vorschlägen einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so genehmigt.

Beratungsgruppe I

Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei

Kapitel 02: Bundesgesetzgebung

Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof

Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof

Kapitel 05: Volksanwaltschaft

Kapitel 06: Rechnungshof

Beratungsgruppe II

Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen

Kapitel 13: Kunst (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 71: Bundestheater

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur gemeinsamen Verhandlung über die Beratungsgruppen I und II des Bundesvoranschlags für das Jahr 1998.

Wünscht die Spezialberichterstatterin dazu das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir treten in die Diskussion ein. Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Die Redezeit beträgt 20 Minuten.

11.06

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Das Kapitel Oberste Organe gibt uns immer wieder Gelegenheit, allgemein über das Budget zu debattieren, nämlich auch über die Fragen: Was will man mit diesem Budget bezwecken? Was soll das Budget für die Menschen bringen? Sind die Sparmaßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Doppelbudget 1996/97 gesetzt wurden, einmaliger Natur? Soll es danach wieder aufwärtsgehen? Sollen die Menschen positiv gestimmt werden? Oder wird der Budgetkurs der Spar- beziehungsweise der Belastungswelle weiter fortgesetzt?

Wir alle wissen, daß das Budget das in Zahlen gegossene Regierungsprogramm der Bundesregierung ist. Nur: Diesem Budget kann man kein Regierungsprogramm entnehmen, sondern bestenfalls Absichtserklärungen; Absichtserklärungen in der Form, daß Herr Bundeskanzler Klima am 27. 1. im Rahmen seiner Regierungserklärung primär das Thema Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hier vorgestellt hat, und zwar indem er gesagt hat: Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist unzweifelhaft die zentrale Frage der Zukunft. Wir wissen, daß es dafür keine Patentrezepte gibt. Wir können trotz bester Bemühungen nicht in jedem Fall verhindern, daß ein Betrieb oder ein Arbeitsplatz verlorengeht. Was wir aber tun können, ist, mit einer Vielzahl abgestimmter Maßnahmen dazu beizutragen, daß entfallenen Arbeitsplätzen neugeschaffene gegenüberstehen und die Arbeitslosigkeit reduziert wird. – Bundeskanzler Klima im Rahmen seiner Regierungserklärung.

Mittlerweile wissen wir, mit welchen Tatsachen wir konfrontiert sind: Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, daß wir erstmals auch in den sogenannten Saisonspitzen Spitzenarbeitslosenzahlen im Bereich der Bauwirtschaft, im Bereich des Tourismus haben. Wir sind mit einer Arbeitslosenzahl in der Höhe von 219 383 für den Oktober konfrontiert. Wir sind aber auch mit der Tatsache konfrontiert, daß der Prozentsatz der Arbeitslosen, die über 50 Jahre alt sind, bereits auf 17,2 Prozent gestiegen ist, vom Oktober 1996 bis zum Oktober 1997. Und wir wissen auch ganz genau, daß die Maßnahmen des Bundeskanzlers Klima, Zehntausenden Lehrstellensuchenden einen Lehrstellenplatz zu geben, fehlgeschlagen sind. Mit dieser Tatsache sind wir konfrontiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In dieser Situation versucht man, einigermaßen zu kaschieren, und zwar in Form von Frühpensionen, wie zum Beispiel bei der OMV. Dort werden 1 000 Mitarbeiter in Frühpension geschickt, andererseits wird aber der Vorstand vergrößert, damit man dort Politsekretäre unterbringen kann. (Abg. Haigermoser: Das ist der Skandal!)

Ich erinnere an die Post, wo 8 000 Mitarbeiter karenziert werden; es handelt sich dabei um keinen natürlichen Pensionsabgang. Der jetzige Bundeskanzler und damalige Finanzminister hat in einem Fernsehinterview gesagt, daß es bei der Post allein mit dem natürlichen Abgang gehen wird – er hat das gesagt, um sich über die Wahlen zu retten, wie das auch schon sein Vorgänger Vranitzky versucht hat, indem er den sogenannten Pensionistenbrief verschickt hat. Nur: Die Tatsachen schauen ganz anders aus!

Erinnern wir uns doch daran, was Klima vor laufenden Kameras gesagt hat: Bei der Post werden in den nächsten drei Jahren 7 000 Arbeitsplätze durch den natürlichen Abgang abgebaut werden. Das geht sich selbstverständlich aus. Die Postler sind klasse Leute, brave Leute, die Postler liegen mir am Herzen, die halte ich nicht am Schmäh. – Herr Bundeskanzler! Sie haben damals diese Postler bewußt am Schmäh gehalten, denn Sie wußten damals ganz genau, daß


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im Jahre 1995 bei der Post viel weniger Mitarbeiter zwischen 55 und 60 Jahren alt waren, als Sie in der Fernsehdiskussion vorgegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Der ehemalige Staatssekretär Ditz (Abg. Haigermoser: Johannes der Täuscher!), der gemeinsam mit dem Finanzminister die hohen Gewinne aus den Telefongebühren abgezogen hat, damit Budgetlöcher gestopft werden konnten, hat eine Post mit einem Schuldenberg von 114 Milliarden Schilling geschaffen, und jetzt läßt er den Postlern einfach ausrichten: Liebe Postler, ihr müßt halt gewisse Opfer bringen; das ist halt so bei uns.

Einerseits schickt man diese Postler in Frühkarenz, andererseits wird in der Generaldirektion anders gewirtschaftet. In der Generaldirektion wurde in den letzten zehn Jahren die Zahl der Abteilungen von 21 auf 47 erhöht; auch in der letzten Woche hat man noch eine zusätzliche Abteilung geschaffen. Der Mitarbeiterstand in der Generaldirektion wurde um 50 Prozent erhöht. (Abg. Haigermoser: Das ist ja ungeheuerlich!) Was soll sich da ein Postler denken? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daran sieht man, wie "glaubwürdig" Ihre Politik ist: Die Kleinen lassen Sie hängen, aber für die Großen schaffen Sie Positionen, damit sie versorgt sind. Wo ist das Fünf-Punkte-Programm des Bundeskanzlers Klima zur Entpolitisierung? – Die fünf Punkte kann ich Ihnen nennen:

1. Punkt: Postenschacher bei der CA – Generaldirektor ein Roter, Vize ein Schwarzer.

2. Punkt: Postenschacher bei den ÖBB – Stindl: ÖVP, Hoser: SPÖ.

3. Punkt: OeNB: Tumpel-Gugerell: SPÖ, Duchatczek: ÖVP.

4. Punkt: OeKB: Rudolf Scholten, Minister: SPÖ, Attems: ÖVP.

5. Punkt: Postenschacher P.S.K.: Kothbauer, ehemaliger Vranitzky-Sekretär: SPÖ, Stoss: ÖVP.

Das ist Ihre Postenpolitik! Sie versuchen nur, Posten für Ihre Leute zu schaffen beziehungsweise sicherzustellen. Für die Kleinen haben Sie kein Ohr, Sie wollen nur schauen, daß Sie die großen Politfunktionäre unterbringen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Ganze passiert auch noch im Vorfeld anstehender Privatisierungen. Sie sagen sich: Wir müssen schauen, daß wir zuerst unsere Leute unterbringen (Abg. Dr. Fekter: Das habt ihr in Kärnten auch gemacht!), und erst dann können wir privatisieren, denn dann wird sich bei diesen Vorstandspositionen nichts mehr ändern. Wenn unsere Leute dort sitzen, kann privatisiert werden – an den Zuständen wird sich nichts ändern!

Kommen wir noch einmal auf die Ankündigung des Bundeskanzlers Vranitzky zurück, nämlich dazu, daß die Arbeitslosigkeit sein Hauptthema ist. Wenn ich die Arbeitslosigkeit wirklich bekämpfen möchte, dann muß ich zuerst die Ursachen dieser Arbeitslosigkeit hinterfragen. Eine der Ursachen ist, daß der Staat die öffentlichen Investitionen sehr stark zurückgenommen hat. (Abg. Schieder: Meinen Sie jetzt Vranitzky oder Klima? Sie haben gesagt: Vranitzky! Haben Sie wirklich ihn gemeint, oder haben Sie sich versprochen?) Klima. Herr Kollege Schieder, ich habe mich versprochen. Danke schön. (Abg. Haigermoser: Er ist auch schuld, er hat die Vorarbeit geleistet! Chaos by Vranitzky!) Er war natürlich der Vorleister, da haben Sie recht, Herr Kollege Haigermoser!

Die Regierung macht zwar jedes Jahr neue Schulden, aber der Anteil der öffentlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt ist in den letzten Jahren von 5,4 Prozent auf 3,1 Prozent zurückgegangen. Das bedeutet: In Österreich werden öffentliche Investitionen hintangestellt, was zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit führt. Das sagt auch das IHS, Herr Christian Helmenstein, nämlich: Österreich muß wieder mehr Geld für öffentliche Investitionen zur Verfügung stellen, weil die Privatwirtschaft nicht in der Lage ist, diese Dinge selbst zu organisieren beziehungsweise aufzuholen.

Denken Sie an die vielgelästerte Schweiz – weil sie nicht in der EU ist –: In der Schweiz wurden in den letzten Jahren 5,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Zukunftsinvestitionen zur Ver


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fügung gestellt. In Österreich liegen wir bei 3,1 Prozent. – Das sind die jüngsten Belastungspakete.

Die jüngsten Belastungspakete haben die Abgabenquote auf zirka 44 Prozent erhöht. Eine Abgabenquote in der Höhe von 44 Prozent liegt weit über dem europäischen Durchschnitt. Und eine Anhebung der Abgabenquote führt natürlich zu einem Sinken der Massenkaufkraft und zu einer Beschleunigung des Anstiegs der Zahl der Arbeitslosen.

Ich darf ganz kurz daran erinnern, wie sich die Abgaben vom Jahr 1995 bis zum Jahr 1998 geändert haben: Die Einkommensteuer ist von 30 Milliarden auf 41 Milliarden gestiegen, die Lohnsteuer von 150 Milliarden auf 188 Milliarden, die Umsatzsteuer von 180 Milliarden auf 223 Milliarden. Insgesamt sind die Bruttoeinnahmen von 1995 bis 1998 von 521 Milliarden auf 666 Milliarden gestiegen. Das ist immerhin eine Steigerung von 30 Prozent.

Eine weitere Ursache für die Arbeitslosigkeit in Österreich ist der Bürokratiewahnsinn. Österreichs Unternehmen sind pro Jahr mit zirka 15 000 Bewilligungsverfahren konfrontiert: Anlagenbewilligung, gewerberechtliche Bewilligungen und sonstige Bewilligungsverfahren. (Abg. Dr. Lukesch: Gewesen!) In Deutschland sind es 6 000, in Großbritannien 3 000. Meine sehr verehrten Damen und Herren der Volkspartei, der ehemaligen Wirtschaftspartei! All das ist aufwendig, teuer und frustriert die jungen Leute bei der Absicht, unternehmerisch tätig zu werden. Und das gehört hintangestellt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: Die Verfahren sind 80 Prozent weniger! Sie haben die Gewerbeordnungsnovelle verschlafen, Herr Trattner! 80 Prozent weniger!)

Bei uns dauert ein Verfahren im Schnitt 18 Monate, in Deutschland dauert es im Schnitt 7 Monate, und schon in Deutschland stöhnt man darüber. Dieser Bürokratiewahnsinn trägt auch immer mehr dazu bei, daß sich Betriebe im Ausland ansiedeln wollen und kein Interesse daran haben, in Österreich einen Betriebsstandort zu gründen. Warum geht zum Beispiel BMW mit einem Motorenwerk nach England, obwohl wir einen guten Wirtschaftsstandort in Steyr hätten? – Wegen dieser Regelungen. Warum geht die Firma Siemens mit einer neuen Generation im Bereich der Mikroelektronik nach England und bleibt nicht in Österreich, obwohl es bei uns die gleichen Förderungsangebote gibt wie in England? (Abg. Dr. Lukesch: Was macht die Bio-Chemie in Tirol?) – Weil dort einfach die Regelungsdichte geringer ist, der Bürokratiewahnsinn keine so fröhlichen Urständ feiert wie bei uns in Österreich.

Eine weitere Ursache für die Arbeitslosigkeit sind die hohen EU-Beiträge. Diesbezüglich ist einfach falsch verhandelt worden. Wir zahlen zu hohe EU-Beiträge; das hat inzwischen auch der Finanzminister bestätigt. Jeder Schilling, der nicht in Österreich investiert wird, sondern in die Bürokratie nach Brüssel geht, geht der österreichischen Wirtschaft beziehungsweise bei der Arbeitsplatzsicherung ab.

Schauen wir uns die Pro-Kopf-Zahl an, schauen wir, wieviel Österreich zahlt und wieviel andere zahlen: Wir liegen in diesem Vergleich an der dritten Stelle. Deutschland zahlt pro Kopf 2 100 S, die Holländer zahlen 1 500 S, und dann kommt bereits Österreich mit 1 500 S. Die Franzosen zahlen 339 S, die Italiener 211 S – die haben sich überhaupt einen Sonderstatus ausgehandelt –, und diese 211 S bleiben sie auch sanktionslos der EU schuldig.

Deswegen die Forderung der Freiheitlichen: Diese Beiträge sind zu reduzieren, es ist über diese Beiträge neu zu verhandeln, so wie es damals die englische Regierungschefin Margaret Thatcher gemacht hat und wie es auch die Deutschen beabsichtigen. Auch Deutschland ist nicht mehr bereit, so hohe EU-Beiträge in die Bürokratieburg nach Brüssel zu zahlen. Auch die österreichische Bundesregierung ist aufgefordert, das durchzuziehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es hat geheißen: Nach dem EU-Beitritt gibt es mehr Beschäftigung. Die Beschäftigungsbilanz seit dem EU-Beitritt ist alarmierend. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem EU-Beitritt sind in Österreich zirka 165 000 Arbeitsplätze verlorengegangen, laut Bericht in den "Salzburger Nachrichten".


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Professor Breuss hat gesagt: Pro 1 000 verlorene Arbeitsplätze können nur 100 Arbeitsplätze neu geschaffen werden, beziehungsweise sie können nur mit 100 Arbeitsplätzen kompensiert werden.

Die Politik, die Sie betreiben, indem Sie auf den Wirtschaftsstandort, auf die Arbeitsmarktlage nicht Rücksicht nehmen, hat zu folgender Situation geführt – das findet sich in einer "Kurier"-Schlagzeile von heute –: Eine Million Österreicher sind von der Armut bedroht! – 1 144 000 Österreicher, nach OECD-Definition, leben bereits unter der Armutsgrenze. Das ist das Ergebnis Ihrer Regierungspolitik, Ihrer Belastungswelle 1996/97 in einer Größenordnung von weit über 100 Milliarden aufgrund von Steuererhöhungen. Und jetzt liefern Sie für 1998 ein Paket in der Größenordnung von weit über 25 Milliarden Schilling noch einmal nach.

Sie haben damals Versprechen abgegeben. Sie haben gesagt, diese Maßnahmen, nämlich jene der Budgets 1996/97, sind Einmalmaßnahmen und werden 1998 nicht mehr notwendig sein. Jetzt werden aber die Freibetragsbescheide weiterhin sistiert. Der 5prozentige Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer muß weiterhin bezahlt werden. Es kommt zu einer 50prozentigen Gebührenerhöhung. Steuergutschriften werden als Einnahmen verbucht. Die Ausgliederung der ASFINAG bringt weitere 9 Milliarden. Und deswegen läßt sich dieses Budgetdefizit, das auf dem Papier mit 67 Milliarden Schilling angegeben ist, mit einer tatsächlichen Größenordnung von weit über 110 Milliarden Schilling beziffern. Das sind die Tatsachen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man muß hier einmal den Weg gehen – statt neue Belastungspakete auszugeben –, endlich die Steuern zu senken. Wir von den Freiheitlichen wollen den umgekehrten Weg gehen, und zwar aufgrund der Tatsache, daß seit dem EU-Beitritt 165 000 Arbeitsplätze verlorengegangen sind, daß pro 1 000 verlorengegangene Arbeitsplätze nur 100 Arbeitsplätze kompensiert werden können und daß Sie auch das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Österreich sehr in Mißkredit gebracht haben.

Ich möchte Ihnen nur zwei Beispiele nennen. Erstens: Das Vertrauen der Unternehmer in den Wirtschaftsstandort Österreich ist sehr gering, weil diese nicht abschätzen können, wann die Regierung beziehungsweise der Gesetzgeber wieder in bestehende Verträge eingreifen wird – wie zum Beispiel bei den Verlustvorträgen –, auch aufgrund der Tatsache, daß Gesetzesregelungen ohnedies vom Verfassungsgerichtshof zum Teil oder zur Gänze aufgehoben werden. Ich denke hier nur an die Mindestkörperschaftsteuer oder an die Werkvertragsregelung.

Anstatt der Bevölkerung immer wieder Belastungspakete zu präsentieren, muß endlich eine Regierungspolitik Platz greifen, die eine Steuerpolitik in den Raum stellt, die den Menschen wieder Mut machen kann. Wir denken hier in erster Linie an die Steuerfreistellung des nichtentnommenen Gewinns. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese Idee könnte die Betriebe veranlassen, das Geld, das sie verdienen, in den Betrieben zu belassen, damit Eigenkapital zu bilden und es später für Investitionen zu verwenden. Auf diese Weise können innerhalb von vier bis fünf Jahren im Bereich der kleinen und mittelständischen Wirtschaft 50 000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ich verstehe die Kollegen der Volkspartei überhaupt nicht, wenn deren Finanzreferent aus Oberösterreich dem Herrn Bundeskanzler einen Brief mit folgendem Wortlaut schreibt: Lieber Viktor! Diese Idee, die nichtentnommenen Gewinne steuerfrei zu stellen, wäre eine Bombenidee, die Tausende Arbeitsplätze schaffen würde. (Abg. Ing. Meischberger: Wer hat das geschrieben?) Das heißt: Die Österreichische Volkspartei macht Werbung für freiheitliche Ideen. Setzen Sie diese doch um! Viele sind davon überzeugt, daß diese Maßnahmen richtig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie schreiben aber nur Bekennerbriefe und sagen bei Ihren Veranstaltungen etwas anderes, was diametral Ihrem Verhalten hier im Hohen Haus gegenübersteht, wo Sie die Anträge der Freiheitlichen auf Entsteuerung des nichtentnommenen Gewinns einfach samt und sonders ablehnen.

Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Lohnsteuersenkung. Die Lohnsteuersenkung ist nicht nur deswegen eine wichtige Maßnahme, weil es seit acht Jahren keinen Ausgleich für die kalte


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Progression gegeben hat, sondern weil es in einem System einer flexibleren, einer globalisierten Wirtschaft notwendig sein wird, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten beziehungsweise des Arbeitsmarktes geht natürlich auf Kosten der Masseneinkommen. Hier muß auch der Staat seinen Beitrag leisten, um dieser Problematik entgegenzuwirken.

Ich denke nur an die letzte Metallarbeiterlohnrunde. Da ist es zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeit gekommen. Man sagte: Na gut, wir teilen die Arbeitszeit auf. Wir arbeiten länger, wir arbeiten Samstag und Sonntag, wobei es zu keinem Lohnausgleich kommt. Dadurch sind wir wettbewerbsfähiger. – Aber dann muß der Staat bereit sein, die Einkommensverluste der Masseneinkommen abzufedern, damit die Menschen trotz geringerer Einkünfte aufgrund einer Lohnsteuersenkung Geld zur Verfügung haben, um die Massenkaufkraft zu stärken, damit die wichtigste Säule der Konjunktur, nämlich die Inlandsnachfrage – und diese ist wirklich die wichtigste Säule –, gestärkt und gehalten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie nur darauf spekulieren, daß eine Säule der Konjunktur einzig und allein die Exportwirtschaft sein kann, dann, muß ich sagen, hat Sie die Wirklichkeit bereits wieder eingeholt. Vor ein paar Wochen, als der Dollarkurs gestiegen ist, hat man gejubelt und gesagt: Unser Wachstumsträger ist die Exportwirtschaft. – Nun geht der Dollar herunter. Was ist jetzt? – Jetzt ist das Ganze bereits wieder trügerisch geworden. Das heißt, man muß die Erwartungen an die Wachstumseffekte, wenn diese nur im Export liegen, nicht nur hintanhalten (Abg. Dr. Nowotny: Jetzt müssen Sie die Rürup-Broschüre ändern!) , sondern wir müssen dahin gehend arbeiten, daß die Inlandsnachfrage als wichtige Konjunktursäule der österreichischen Wirtschaft erhalten bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind auch nach wie vor davon überzeugt, daß (Abg. Dr. Nowotny: Das ist eine ganz einfache Frage!)  – Sie können sich später zu Wort melden, Kollege Nowotny – eine Steuerreform aus den Reserven der Notenbank finanziert werden kann. Ja bitte, das kann doch kein Problem sein. Der Finanzminister plant jetzt eine Sondergewinnausschüttung der Notenbank in der Größenordnung von 3,1 Milliarden Schilling ein. Da ist alles in Ordnung. Der Unterschied zur Politik der Freiheitlichen ist allerdings, daß die Freiheitlichen mit höheren Gewinnausschüttungen der Notenbank beziehungsweise Auflösung der stillen Reserven eine Steuerreform zum Wohle der österreichischen Bevölkerung durchziehen wollen und nicht zum Stopfen von Budgetlöchern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir verlangen auch, daß ein Teil der Privatisierungserlöse für die Forschung und für den Umbau unserer Berufsschulen zu modernen Fachschulen verwendet wird. Wir wollen eine Entsteuerung der Lehrlingsentschädigung von der Kommunalsteuer, und wir wollen eine Deregulierung des gesamten Bewilligungsverfahrens, das in Österreich für die Jungunternehmer so entmutigend wirkt. Es ist vor allem zu teuer und hält viele vom Selbständigwerden ab. Schauen wir uns die Vergleichszahlen an. In Österreich gibt es 240 000 Unternehmer, in der viel kleineren Schweiz 440 000. Das sind die Tatsachen.

Wir wollen auch eine Verschiebung der Einführung des Euro. Die EU selbst hat mit ihren Prinzipien beim Euro gebrochen. Die EU hat behauptet, der Euro werde erst dann kommen, wenn es den europäischen Binnenmarkt geben wird. Der europäische Binnenmarkt sollte bereits seit dem Jahre 1992 vollendet sein. Das ist bis heute nicht gelungen. Es gibt weder eine Steuerharmonisierung noch eine arbeitsrechtliche beziehungsweise sozialrechtliche Harmonisierung. Nachdem man gesehen hat, daß sich das alles nicht mehr ausgeht, hat man beschlossen, das Pferd von hinten aufzuzäumen und den Euro einfach einzuführen. Das Ganze wird schon irgendwie funktionieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (fortsetzend): Einen ersten Vorgeschmack haben wir durch die Zinsenerhöhung bekommen, die nicht inflationsbedingt ist. (Ruf bei der SPÖ: Schlußsatz!) Die Zinsenerhöhung wurde nur deswegen durchgeführt, um die Zinsen der Schwach


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währungs- und Hartwährungsländer anzugleichen und zu harmonisieren. Bei solch einer Politik können wir nicht mitgehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit beachten!

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (fortsetzend): Es ist daher wirklich traurig, daß eine Oppositionspartei eine Regierung auffordern muß (Abg. Leikam: Schlußsatz!) , verfassungsrechtliche Grundprinzipien durchzusetzen, nämlich die Bevölkerung zu fragen, ob sie mit den geänderten Rahmenbedingungen für die Einführung des Euro einverstanden ist oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Die freiwillige Redezeit wurde auf 10 Minuten gestellt. Ist das richtig? (Abg. Schieder: Ja, Herr Präsident!)  – Danke.

11.28

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Hohe Regierungsbank! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mein Vorredner hat heute zum Kapitel Oberste Organe nochmals eine Rede gehalten, wie sie eigentlich in erster Lesung üblich ist. Das ist selbstverständlich gestattet. Es liegt auch nicht an mir, ihm das zu verbieten oder zu untersagen. Es ist nur interessant, warum er das tut. Bei einem Kapitel, bei dem immer sehr viel zu den einzelnen Bereichen in der Vergangenheit eingebracht wurde, wird hier nochmals eine Rede aus der Generaldebatte gehalten. Die Begründung kann doch nur sein, daß man selbst erkannt hat, daß das, was man an Argumenten in der ersten Lesung (Abg. Böhacker: Richtig war! – Abg. Haigermoser: Die Wahrheit kann man nicht oft genug sagen!)  – also in der Generaldebatte – gebracht hat, so wenig überzeugend war, daß man die Chance zu einem zweiten Aufguß, zu einem zweiten Versuch nutzen möchte. Das ist auch beim zweiten Mal wieder nicht geglückt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege! Es stimmt aber, daß es einen Punkt gibt, für den ich mich eigentlich bedanken sollte. Ich möchte das auch tun. Sie haben so lustlos gegen den Euro gesprochen, daß das eigentlich schon eine Haltungsänderung in Ihrer Fraktion erkennen läßt; und wenn das der Fall ist, freuen wir uns alle sehr herzlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Wie würde denn die Lust ausschauen?) Beim Kapitel Oberste Organe ist es nicht angebracht, über die Lust zu sprechen. (Abg. Mag. Stadler: Demonstrieren Sie Euro-Lust!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Schieder! Bei welchem Kapitel würden Sie das ansetzen? (Allgemeine Heiterkeit.)

Abgeordneter Peter Schieder (fortsetzend) : Herr Präsident! Wenn Sie es mir gestatten, würde ich gerne unter vier Augen darauf zurückkommen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Jedenfalls wird beim Kapitel Oberste Organe heute noch über verschiedene Bereiche der Arbeit des Bundeskanzleramtes und der Volksanwaltschaft – Bereiche wie jener der Frauen et cetera – gesprochen werden. Es wird ein Entschließungsantrag eingebracht werden, der ein wichtiger Beitrag im Kampf Österreichs gegen Rassismus ist.

Ich selbst möchte mich mit unserer eigenen Arbeit im Parlament beschäftigen und möchte darauf hinweisen, daß es in dieser Debatte eigentlich angebracht wäre, darauf zu schauen, was diese Geschäftsordnung, die vor etwas mehr als einem Jahr – nämlich am 15. September vergangenen Jahres – beschlossen wurde, wirklich für unsere Arbeit gebracht hat, wie ihre Auswirkungen sind, ob die Ziele erreicht worden sind. Selbstverständlich werden Oppositions- und Regierungsparteien in solchen Fragen nie ganz einer Meinung sein; aber es ist doch interessant, zu schauen, ob die Ziele – nämlich überschaubarere Arbeit im Parlament ohne Einschränkung der Rechte der Minderheit – in diesem Jahr erreicht wurden.

Wir haben im laufenden und im vergangenen Jahr sehr viele Sitzungen abgehalten, nämlich 47 an der Zahl. Das sind – ohne daß wir ein Budget zu beschließen gehabt hätten – genauso viele


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Sitzungen wie im Jahr davor. Fünf Sitzungen wurden auf Verlangen von Minderheiten einberufen. Das ist schon ein sehr wichtiges ... (Abg. Haigermoser: Herr Kollege Schieder! Das ist ein Bericht wie bei der Feuerwehr: Wie viele Schlauchkilometer sie ausgelegt haben und wie viele Pumpenstunden es gegeben hat!) Nein, Sie hatten das Recht schon vorher! Aber es ist einzigartig in einem europäischen Parlament, daß auch eine Kleinstfraktion einmal im Jahr die Möglichkeit hat, eine Sondersitzung zu verlangen. Sowohl die Liberalen als auch die Grünen haben von diesem Recht Gebrauch gemacht.

Die Dauer der Sitzungen ist erfreulicherweise zurückgegangen. Hatten wir noch in der Sitzungsperiode 1995/96 – wie Sie sich erinnern können – die längste Sitzung, die damals 47 Stunden und 44 Minuten gedauert hat, so hat im abgelaufenen Jahr die längste Sitzung ein wenig mehr als 18 Stunden gedauert. Die Sitzungen sind also überschaubarer und kürzer geworden.

Ich habe mir die Statistik für unseren Klub angeschaut: Verglichen mit den Vorjahren konnten in diesem Parlamentsjahr dennoch mehr Abgeordnete das Wort ergreifen als im Jahr davor. Es hat sich jenes Ziel, möglichst viele Abgeordnete an der Debatte zu beteiligen, die Arbeit überschaubarer zu machen und dennoch viel zu erledigen – 152 Bundesgesetze, 33 davon einstimmig, wurden verabschiedet (Abg. Haigermoser: Jetzt geht es schon wieder los! Das ist unter Ihrer Würde! Statistisches Zentralamt!) ; auch Staatsverträge et cetera –, erfüllt.

Ich gebe Ihnen schon recht. Die Frage für die Opposition ist nicht: Was wurde statistisch gesehen an Gesetzen erledigt, oder wie viele Stunden lang wurde beraten? Ich weiß auch, daß alle Theorien über das Funktionieren des modernen Parlaments davon ausgehen, daß der springende Punkt – die zentrale parlamentarische Frage – folgender ist: Wie schauen die Chancen in der Konkurrenz zwischen Regierungsfraktion und Oppositionsfraktion aus? (Abg. Haigermoser: Wie schaut es mit der Spontaneität aus?) Wenn wir uns das anschauen, dann sehen wir, daß es bereits eine deutliche Verbesserung gegeben hat. Sowohl im Bereich der Thematisierung als auch der Präsentation hat für die beiden Hauptakteure, nämlich Abgeordnete der Regierungsfraktionen und der Oppositionsfraktionen, Chancengleichheit bestanden. Das Verhältnis war zirka 50 zu 50, obwohl der Mandatsstand etwa zwei Drittel zu einem Drittel beträgt. Es hat also in diesem Parlament mehr Chancen für die Opposition, inhaltliche Chancengleichheit und neue Chancen für die kleinen Fraktionen gegeben. Ich meine, das ist ein wesentlicher Schritt, den wir hier deutlich erwähnen sollten.

Es hat aber auch im Hohen Haus selbst Verbesserungen gegeben. Ich möchte hier das Internet erwähnen. Die EU-Vorlagen sind eingespeichert und stellen für uns alle eine wesentliche Hilfe dar. Ich möchte mich auch sehr herzlich bei der EDV-Abteilung der Parlamentsdirektion und beim Herrn Präsidenten dafür bedanken, daß für die Europaratsdelegation ein Anschluß geschaffen wurde, damit während der Sitzungen Kontakte möglich sind und man auch in das Netz einsteigen kann.

Das vergangene Jahr hat also eine bessere Arbeitsweise und mehr Rechte für die Opposition gebracht. Ich meine, das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen. Das sollte auch von seiten der Opposition anerkannt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt zu Wort. Die Redezeit beträgt 20 Minuten.

11.36

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Wir pflegen diese Budgetdebatte immer auch als Generaldebatte zu nutzen. Ich möchte jedenfalls einige grundsätzliche Bemerkungen dazu machen.

Als ich diesbezüglich Überlegungen anstellte, ist mir eine Ausgabe des "Standard" in die Hände gefallen mit einem Kommentar von Robert Menasse mit der Überschrift: Warum gilt ausgerechnet Viktor Klima als Macher? – Ich meine, daß diese Frage zu Recht gestellt wird, selbst


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wenn Robert Menasse in diesem Zusammenhang eher den angeblichen Kunstkanzler Klima meint. Ich denke durchaus, daß man diese Frage auch auf den Bundeskanzler Klima münzen kann. Daß man sich diese Frage gerade angesichts eines Budgets stellt, ist nur logisch, denn es ist eine Binsenweisheit, daß ein Budget eigentlich das in Zahlen gegossene Handlungsprogramm der Regierung sein sollte.

Aufgrund dieses kritischen Artikels von Robert Menasse hat der Herr Bundeskanzler, wie man der Zeitschrift "NEWS" entnehmen kann, im ersten Zorn die Absicht gehabt, Herrn Menasse zu schreiben und ihn darauf hinzuweisen, ob er denn eigentlich wisse, daß zum Beispiel der "Standard", in dem dieser Kommentar erschienen ist, nur deswegen existiere, weil ein gewisser Bundeskanzler Klima dafür zuständig ist, daß die Presseförderung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch immer üppig sprudelt. – Das ist eine Äußerung, die er dann aus taktischen Gründen offenbar doch nicht in schriftliche Worte gekleidet hat, aber es ist eine bezeichnende Reaktion auf Kritik. Daß es der Herr Bundeskanzler nicht geschrieben hat, ist vielleicht seiner Lernfähigkeit zuzuschreiben, der Lernfähigkeit der Sozialdemokraten.

Ich denke nur daran zurück, daß es seinerzeit in Wien noch Plakate der Wiener Sozialdemokraten gegeben hat, die aufgefordert haben, keine dummen Fragen zu stellen. Daß die Aktion mit dieser Aufforderung damals danebengegangen ist, hat vielleicht dazu geführt, daß – wie gesagt – jetzt diese Reaktion nicht unmittelbar ausgesprochen wird.

Aber unabhängig davon – man sollte nur hier wieder in Erinnerung rufen, wie solche Reaktionen ausschauen und welche Disziplinierungsinstrumente offensichtlich doch ins Auge gefaßt werden – ist die Frage, ob der Bundeskanzler ein Macher ist, damit erst recht nicht beantwortet. Denn unter "Macher" sollte man verstehen, daß jemand nicht nur weiß, was er will – das heißt, ein Konzept hat –, Ziele hat, daß er sie artikuliert, sondern daß er vor allem auch die Entscheidungen danach trifft.

Hier fällt mir wieder ein Kommentar ein. Nicht, daß ich jetzt alle Zeitungen zitieren möchte, das wäre zuviel des Guten. Ich glaube nur, daß es durchaus legitim ist, auch Zeugen aufzurufen, die nicht einer politischen Partei oder jedenfalls nicht einer Oppositionspartei angehören. Deswegen ist es zulässig, einen Artikel – und zwar nach jener sogenannten Reform, die über die Bühne gegangen ist – in Erinnerung zu rufen, nämlich den Artikel von Anton Pelinka mit der Überschrift: "Die Angst vor dem Regieren". – Ist das die Qualifikation oder die Qualität eines Machers, wenn es Menschen gibt – Politologen, aber auch andere –, die die Vorgangsweise des Bundeskanzlers als die "Angst vor dem Regieren" qualifizieren? – Ich glaube, das ist es nicht.

Im übrigen hat mich das daran erinnert, daß der seinerzeitige Bundeskanzler Vranitzky wenigstens noch, sage ich, mit dem Parlament gedroht hat, wenn nichts weitergegangen ist. Sie werden sich vielleicht erinnern: Als damals Verhandlungen mit den Sozialpartnern ins Stocken geraten waren, hat Bundeskanzler Vranitzky, dessen Parlamentsverständnis vielleicht noch vielen in Erinnerung ist, gesagt, wenn nichts weitergehe, werde er sich eben ans Parlament wenden. Es war zwar bezeichnend, daß er das als Drohung gemeint hat, aber er hat diese Variante wenigstens noch in seinem Gesichtsfeld gehabt.

Der jetzige Bundeskanzler hat nicht einmal mehr das! Er – aber nicht alleine, sondern die gesamte Regierung – meint, daß Entscheidungen außerhalb dieses Parlaments getroffen werden müßten. Dieses Haus soll nur mehr das tun, was erforderlich ist, um der Verfassung gerade noch Genüge zu tun, nämlich die formalen Mehrheiten zur Verfügung zu stellen.

Als die Verhandlungen im Zusammenhang mit der Pensionsreform schon relativ weit gediehen waren, haben wir Ihnen unsere Unterstützung angeboten, damit Sie sich, wenn Sie das Ergebnis ins Parlament schicken, nicht davor "fürchten" – unter Anführungszeichen – müssen, daß der eine oder andere Abgeordnete – Kollege Nürnberger etwa oder Kollege Verzetnitsch, aber auch einige Abgeordnete der ÖVP – den Interessenvertretungen mehr Gewicht als seinem freien Mandat und seiner Verantwortung als Volksvertreter beimißt. Sie müssen wissen, daß uns Liberalen das als Oppositionspartei nicht leichtgefallen ist.


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Damit Sie sich nicht davor fürchten müssen, mit Ihrer Vorlage vielleicht eine Niederlage zu erleiden, haben wir, obwohl wir der Meinung sind, daß diese Reform, auch beim damaligen Stand der Dinge, bei weitem nicht weit genug geht, sie aber zumindest für einen Ansatz halten, gesagt, daß wir bereit sind, Ihnen bei diesem Ansatz auf die Sprünge zu helfen beziehungsweise Ihnen den Rücken zu stärken. Wir waren bereit, diese Weichenstellung mit zu tragen, damit etwas weitergehen kann. – Das war im übrigen bei uns gar nicht so unumstritten, da manche gefragt haben, warum wir so etwas unterstützen sollen. Trotzdem haben wir uns im Sinne unseres Politikverständnisses dazu entschlossen, denn es soll etwas weitergehen.

Für Sie hat das allerdings keinen Stellenwert gehabt! Damit hat aber auch das Parlament für Sie keinen Stellenwert! Ich sage das deswegen immer wieder, weil wir genau das den Freiheitlichen zu Recht vorwerfen, daß sie deutlich machen, daß das Parlament keinen Stellenwert für sie hat. (Abg. Böhacker: Das ist ein Stehsatz der Frau Dr. Schmidt! Schwammige Argumente!) Das dürfen wir aber nur sagen, wenn wir selber dem Parlament einen Stellenwert zumessen, denn sonst ist ein solcher Vorwurf nicht ... (Abg. Böhacker: Das ist ein Stehsatz!) Das ist kein Stehsatz, sondern etwas, was man ständig in Erinnerung rufen muß. Aber die Glaubwürdigkeit eines solchen Vorwurfes hängt natürlich davon ab, wie sehr diejenigen, die diesen Vorwurf artikulieren, selbst das Parlament ernst nehmen. Sie haben es nicht ernst genommen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir haben nun eine Pensionsreform, an der ein Umstand positiv ist – und ich stehe nicht an, das zu sagen, zu unterstreichen und zu respektieren und als einen durchaus wesentlichen Schritt anzuerkennen –, nämlich daß es nun endlich auch einen Durchrechnungszeitraum für Beamtenpensionen geben wird. Das war und ist wichtig! Ich gebe es zu. Aber es ist ein bißchen zuwenig, vor allem deswegen, weil Sie eine andere Möglichkeit gehabt hätten. Ich würde ja nichts sagen, wenn trotz Ausschöpfen aller Varianten im Moment nicht mehr drinnen gewesen wäre. Wir alle könnten das bedauern und sagen: Machen wir einen nächsten Schritt!

Aber es wäre, wenn Sie das Parlament ernst genommen hätten, sehr wohl mehr drinnen gewesen. Sie hätten, zumindest was den Zeitpunkt des Inkrafttretens und damit – das sage ich zur ÖVP, die darauf immer soviel Wert legt – die Verantwortung Ihren Kindern und der Jugend gegenüber betrifft (Zwischenruf des Abg. Schieder ) , mehr erreichen können, wenn Sie sich in diesem Punkt ans Parlament gewendet und nicht nur Ihren Interessenvertretern das Sagen überlassen hätten.

Sie hätten weiters mehr erreichen können, wenn Sie etwas, was schon einmal in einem Regierungsprogramm enthalten war, nämlich die Lebenseinkommenskurve zu verändern, in Angriff genommen oder versucht hätten, endlich das Kuriosum der Biennalsprünge abzuschaffen – natürlich nur schrittweise, das gestehe ich ja zu –, zumindest einen ersten Schritt dazu zu setzen.

Bei den Politikerbezügen haben wir bereits einen wesentlichen Schritt getan, und wir Liberale haben dabei mitgetan, weil uns diese Signal- und Vorbildwirkung wichtig war. Wir haben nun für Politikerinnen und Politiker ein einheitliches Bezugsschema. Mit diesem Aufhänger auch in anderen Fragen wenigstens einen ersten Schritt zu setzen, wäre eine Chance gewesen. Sie haben sie versäumt!

Ich rede gar nicht mehr davon, daß Sie überhaupt keine Modelle für Alternativen entwickelt haben, um es den Menschen durch die Definition eines Zieles zu erleichtern, den Abschied von angenehmen und wohlvertrauten Gewohnheiten und durchaus auch Privilegien zu akzeptieren. Denn um Ihr Vorhaben zu erreichen, braucht man natürlich Akzeptanz. Diese Akzeptanz werden Sie aber nur dann bekommen, wenn Sie das alles in einen anderen Zusammenhang stellen und erstens das Ziel klar definieren sowie zweitens endlich davon wegkommen, alles immer nur unter dem Gesichtswinkel des Sparstiftes zu machen, sondern endlich auch einmal die gesellschaftspolitische Dimension, die dahinter steht, artikulieren. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)


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Sie sollten sich einmal damit auseinandersetzen, daß diese Gesellschaft nicht weiter in zwei Klassen geteilt werden kann – die einen arbeiten in einem geschützten Bereich, während sich die anderen auf dem freien Markt um Arbeitsplätze raufen müssen. Diese gesellschaftliche Dimension hätten Sie in Ihre Verhandlungen mit einbringen müssen, denn dann hätten Sie sich mit Sicherheit leichter getan, einen Schritt weiterzukommen.

Aber was haben Sie getan? – Sie haben die Pensionsreform dazu benützt, auch jene Personengruppen in eine Pflichtversicherung einzubeziehen, die das am meisten trifft, nämlich die Kulturschaffenden. Ich erwähne das auch deshalb, weil heute das Kapitel "Bundeskanzleramt" zur Debatte steht, weil es hier auch um die Interessen der Kulturschaffenden und damit – ich unterstreiche das zweimal – auch um die Interessen dieser Gesellschaft geht. Es geht nämlich nicht darum, daß man damit irgendeiner Berufsgruppe etwas Gutes tut, sondern darum, zu erkennen, welche Ausstrahlung vom kreativen Potential einer Gesellschaft, also genau dieser Berufsgruppe, ausgeht und wie wichtig es ist, Kulturschaffenden einen entsprechenden Boden zu bereiten, sie nicht nur überleben zu lassen, wie Sie es gerade noch zulassen wollen, sondern ihre Kreativität zu fördern, indem man ihnen Chancen gibt und das nicht als Interessenpolitik, sondern als die eigentliche Gesellschaftspolitik versteht, weil man erkennt, daß Kunst und Kultur ein Faktor für diese Gesellschaft sind und deshalb gefördert gehören. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Was haben Sie getan? – Sie haben die Kulturschaffenden seinerzeit im Zusammenhang mit der unsäglichen Werkvertragsregelung nicht nur in eine Ecke gedrängt, sondern damals gerade noch einen Zeitpunkt offengelassen, bis zu dem diese Versicherungspflicht wie ein Damoklesschwert auf die Kulturschaffenden herunterfallen soll. Sie haben eineinhalb Jahre dazu Zeit gehabt.

Kollege Feurstein! Sie nicken jetzt! Ich habe die Presseaussendung des Kollegen Morak – ich sehe ihn nicht – in Erinnerung, in der er die Tatsache, daß der Zeitpunkt des Inkrafttretens nun um ein Jahr verschoben wurde, als Erfolg und Triumph der ÖVP gefeiert hat. (Abg. Dr. Feurstein: Nein!) Das halte ich wirklich für eine Verhöhnung! Glauben Sie, wir wissen nicht, was sich abgespielt hat?

Glauben Sie eigentlich, daß die Kulturschaffenden selber und die Parlamentarier in diesem Hause nicht gesehen haben, daß Sie eineinhalb Jahre lang genauso geschlafen haben wie Ihr Koalitionspartner und keinen Finger gerührt haben, um einen Ersatz für die Kulturschaffenden, etwa ein eigenes Modell für die Kulturschaffenden – "Künstlerversicherung" nennen wir es nun –, zu schaffen? – Nichts haben Sie getan!

Sie haben zugeschaut, als im Sozialausschuß angekündigt wurde, daß mit 1.1.1998 auch die Kulturschaffenden, völlig unabhängig davon, ob sie schon eine eigene Versicherung haben oder nicht, ob sie daher entweder zwei Versicherungen zahlen müssen – etwas, was in diesem Einkommensbereich keiner schafft – oder aber ob sie die erste aufgeben müssen und damit alles verloren ist, was sie an Eigenverantwortung bereits geleistet haben, womit ausgerechnet Sie sie nun bestrafen, in eine Pflichtversicherung einbezogen werden.

Sie haben dabei zugeschaut. Erst der organisierte Aufschrei der Kulturschaffenden einerseits und der Oppositionsparteien, in diesem Fall der Liberalen und der Grünen, andererseits hat dazu geführt, daß die Einführung nun verschoben und eine Arbeitsgruppe eingesetzt wurde. Tun Sie doch nicht so, als wäre das Ihr Erfolg! Die Betroffenen selber haben sich, unterstützt von Teilen der Opposition, organisiert! Dadurch wurden Sie erst dazu gebracht, etwas zu tun, wodurch wir nun eine Chance am Horizont sehen. Ob wirklich etwas herauskommen wird, ist noch eine große Frage! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ist das der "Macherkanzler"? Hat der "Macherkanzler" irgendeinen Finger in Richtung Gesundheitsreform gerührt, ein Problem, das uns immer wieder, und zwar wieder nicht nur aus Gründen der Unfinanzierbarkeit, sondern auch aufgrund gesellschaftspolitischer Weichenstellungen, beschäftigt?


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Hat der Macher Klima, hat diese Bundesregierung, haben diese beiden Koalitionspartner auch nur einen Finger in Richtung Verwaltungsreform gerührt? Die ÖVP hält sich einen Verein mit Namen "Kampf der Gesetzesflut"! Dieser wird immer wieder aufgegossen, wie in einer Sauna, wo man jedesmal einen Aufguß macht und sich daran erfreut, danach ist wieder alles vorüber. (Abg. Dr. Maitz: Sehr gesund, Sauna!) Sogar im Budgetausschuß ist darüber geredet worden, daß wir der Gesetzesflut den Kampf ansagen müßten.

Kollegin Frieser! Sie waren im Budgetausschuß übrigens nicht mehr anwesend, als der altbekannte Reflex des Kollegen Wurmitzer eingesetzt hat. Anhand eines Berichtes der Volksanwaltschaft hat er festgestellt, daß es in einem bestimmten Bereich, nämlich jenem der Nachbarschaftsstreitigkeiten, wieder mehr Beschwerden gibt. Er hat wörtlich gesagt, die Volksanwälte sollten sagen, welche Regelungen sie vom Parlament erwarten, damit sich die Zahl der Beschwerden verringert. Das ist auch in Ihren Reihen der Reflex auf dieses Problem. Sie sollten erst einmal in Ihren eigenen Reihen Überzeugungsarbeit leisten, dann können Sie vielleicht in einem Verein darüber hinausgehen. Ich sage das nur, damit Sie, wenn Sie das nächste Mal mit dem Kollegen Wurmitzer ein Gespräch führen, eine andere Ausgangssituation haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Frieser und Dr. Lukesch. )

Es geht aber meiner Meinung nach nicht nur um die Zahl der Gesetze – obwohl, ich gebe Ihnen recht, das ebenfalls ein Aspekt ist –, sondern auch um ihre Qualität! Damit meine ich nicht nur Schlampigkeiten und Ungereimtheiten, sondern die Regelungsintensität der Gesetze. Dabei fällt mir folgendes auf: Der Begriff "schlanker Staat" ist zwar inzwischen seit Jahren in aller Munde – und zwar nicht nur bei der ÖVP, sondern sogar bei der SPÖ, bei den Liberalen sowieso und bei allen anderen Parteien auch, das ist überhaupt kein Alleinstellungsmerkmal mehr –, die Frage ist aber, welchen Inhalt man diesem Begriff gibt.

Es ist nun interessant, daß man bei der Forderung nach einem "schlanken Staat", wenn es um den Kostenfaktor geht, zumindest formal die meisten auf seiner Seite hat. Wenn es aber um den Begriff "schlanker Staat" im Sinne einer Bevormundung geht, dann scheiden sich die Geister. Das ist sehr interessant, denn auch das gehört zur gesellschaftspolitischen Konzeption.

Meiner Meinung nach besteht Politik nicht nur darin, danach zu trachten, daß alles bezahlt werden kann – so etwa, wie Sie Ihre Familienpolitik offensichtlich in erster Linie vom Kostenfaktor her sehen (Abg. Mag. Frieser: Das stimmt nicht!)  –, sondern es geht um Haltungen und Werte und darum – das sage ich Kollegen Khol, der das immer einmahnt –, welche inhaltliche gesellschaftspolitische Konzeption dahinter steht. Daher ist beim Thema "schlanker Staat" zu überlegen, was der Staat regeln muß , was er überhaupt regeln darf und, wenn er etwas regelt, wo der größtmögliche Freiraum für den einzelnen ist. Das sollten die Kriterien sein, die man an Gesetze anlegt! Bei den Regierungsparteien ist, wie ich merke, das Gegenteil der Fall.

Wenn es um Ihre Machtinteressen geht, dann interessiert Sie der "schlanke Staat" überhaupt nicht – Schlagwort Pflichtmitgliedschaft –, dann glauben Sie sicherheitshalber regeln zu müssen, bevor Ihnen die Felle davonschwimmen. Wenn es darum geht, daß man dem einzelnen nichts zutraut und glaubt, ihn zwangsbeglücken zu müssen, ist die SPÖ sofort zur Hand, die sagt, man müsse das regeln! Wenn ein bestimmtes gesellschaftliches Bild, nämlich ganz konkret etwa bestimmte Lebensformen oder Verhaltensweisen, entwickelt werden soll, läßt das die ÖVP nicht zu. Sie überläßt das nicht dem freien Willen des einzelnen. Nein! Sie ruft nicht nach dem "schlanken Staat", sondern nach Regeln, die genau festgelegt gehören, und sei es im Strafgesetz. Wir werden heute nachmittag beim Kapitel "Justiz" noch darauf zurückkommen – Schlagwort Sexualstrafrecht, wo es darum geht ... (Abg. Großruck: Das wollen Sie regeln! Sie wollen einen Diskurs ... ! Sie wollen die Homosexuellen-Ehe!)

Ja, genau! Ich freue mich, mit Ihnen in einen Diskurs zu treten, denn daran wird deutlich, welche Art der gesellschaftspolitischen Konzeption Sie vertreten. Ihnen geht es um Ihre Regeln der Sittlichkeit, nicht um Selbstbestimmung und schon gar nicht um sexuelle Selbstbestimmung. Wir werden bei anderen Dingen noch darauf zurückkommen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Der eigentliche Hintergrund des Begriffes "schlanker Staat" wäre aber, überall mehr Selbstbestimmung zuzulassen, nicht nur dort, wo es Ihnen paßt! Das wäre eine wesentliche Weichenstellung.

Es geht meiner Ansicht nach um drei Dinge. Erstens brauchen wir ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik, nämlich eine Deregulierung und Entbürokratisierung! Das fängt bei der Flexibilisierung an und hört bei der Privatisierung auf. Aber dazu gehört eben auch ein neues Dienst- und Pensionsrecht.

Damit sei die Brücke zum zweiten für mich wichtigen Begriff geschlagen, nämlich "neue Solidarität". Ich habe vorhin gesagt, ich halte es für unsolidarisch, dabei zuzuschauen, daß sich diese Gesellschaft in zwei Klassen teilt – jene, die kämpfen müssen, und jene, die im geschützten Bereich, wie etwa in der öffentlichen Verwaltung, unter einem Glassturz stehen. Wir brauchen die öffentliche Verwaltung. Die Frage ist nur, wie gestalten wir sie so leistungsgerecht, daß sie auch jenen gegenüber fair ist, die nicht nur leistungswillig , sondern auch leistungsfähig sind.

Im Rahmen dieser neuen Solidarität brauchen wir auch eine Generationenbilanz, aber nicht im Sinne des Ausspielens von Jung gegen Alt, sondern im Sinne der Fairneß vom einen zum anderen. Das ist einer der Gründe, warum wir das Modell der Grundsicherung entwickelt haben, von dem ich glaube, daß es diesem Begriff der neuen Solidarität gerecht wird. Vor allem aber ist es nötig – übrigens, zur neuen Solidarität gehört auch die EU-Osterweiterung, auch das möchte ich sagen –, daß nicht Egoismus, sondern Solidarität die Überschrift ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir brauchen weiters Wege in eine offene Gesellschaft. Dort muß es selbstbestimmte Menschen geben, Menschen, die in die Lage versetzt werden, sich selbst zu bestimmen. Das bedeutet eine tolerante, aber auch eine demokratischere Gesellschaft.

Zu einer demokratischen Gesellschaft gehört einerseits die Überprüfbarkeit von Entscheidungen – Schlagwort Verfassungsgerichtshof. Daher ein klares Ja zu einer abweichenden Stellungnahme, zur dissenting opinion, denn es ist ein Grundprinzip der Demokratie, daß ich etwas nachvollziehen und überprüfen kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dazu gehört aber andererseits auch, daß dieses Parlament in seinen Kontrollrechten ernst genommen wird. Daher ein klares Ja zum Minderheitsrecht, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zu verlangen, und dazu, daß die Entscheidungen wieder im Parlament getroffen werden. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

11.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Die freiwillige Redezeit ist auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

11.57

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Vorbereitung und die Diskussion über dieses Budget 1998 verliefen grundsätzlich anders als bei allen anderen Budgets, die wir in den letzten Jahren hier beschlossen haben. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß, obwohl die Opposition auch heute wieder das Budget kritisiert, die Experten durchwegs sehr positive Kommentare zu diesem Budget abgegeben haben. (Abg. Haigermoser: Nennen Sie mir Roß und Reiter! Wer zum Beispiel?)

Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen Professor Schneider, der von Frau Abgeordneter Schmidt nominiert worden ist, Universitätsprofessor Dr. Friedrich Schneider vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Linz. (Abg. Dr. Haselsteiner: Herr Feurstein! Das stimmt nicht! Sie sollten nur die Wahrheit sagen!) Hier steht: Experte des Liberalen Forums. (Abg. Dr. Haselsteiner: Nicht die Frau Schmidt hat ihn nominiert, wenn Sie mir das gestatten! Danke!) Dann haben Sie ihn nominiert. Jawohl! Danke. Herr Haselsteiner! Sie haben ihn nominiert. (Abg. Dr. Haselsteiner: Nein! Der Klub hat ihn nominiert!) Dann hat ihn der Klub des Liberalen Forums nominiert. Noch besser!


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Meine Damen und Herren! Professor Schneider hat jedenfalls festgestellt – das möchte ich Herrn Kollegen Haigermoser sagen (Abg. Haigermoser: Ich höre! Nennen Sie mir Roß und Reiter!)  –, daß die Erreichung des Maastricht-Ziels durch die österreichische Bundesregierung mit diesem Budget 1998 als großer Erfolg zu werten ist. (Beifall bei der ÖVP.) Weiters meinte er, daß der österreichische Weg grundsätzlich zu begrüßen sei. Ich könnte auch noch die Experten des grünen Klubs, des freiheitlichen Klubs und alle anderen Experten zitieren, die ähnlich positiv zum Budget 1998 Stellung genommen haben.

Weiters möchte ich feststellen, daß die Aussagen von Abgeordnetem Trattner einfach den Tatsachen widersprechen. Die Bundesregierung ist zu Beginn dieses Jahres angetreten, Arbeitsplätze zu sichern und die Arbeitsmarktsituation zu verbessern. Es ist richtig, daß immer wieder Arbeitsplätze verlorengehen. Aber von September 1996 bis September 1997 sind zusätzlich 10 500 Arbeitsplätze netto neu geschaffen worden.

10 000 Leute haben in Österreich einen zusätzlichen Arbeitsplatz bekommen, meine Damen und Herren! Nicht von ungefähr sagt der Experte der Grünen, Dr. Pichelmann: Was die österreichische Arbeitsmarktpolitik angehe, so schneidet diese im internationalen Vergleich gut ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir die Arbeitslosenquoten aus dem EU-Bereich vergleichen, so zeigt sich folgendes: Österreich hat derzeit eine bereinigte Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent, die Europäische Union im Durchschnitt von 10,6 Prozent. Uns sind 4,5 Prozent selbstverständlich zuviel. Wir sind bemüht, insbesondere für junge Menschen zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und sie ihnen anzubieten. Die Lehrlingsinitiative hatte Erfolg. Das ist unbestritten. Wir haben sehr viele Lehrlinge unterbringen können, dank der Wirtschaft und dank der Unternehmen, die für die jungen Menschen Verständnis gezeigt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Eckpunkt dieses Budgets ist zweifellos die Senkung des Budgetdefizits. 1998 beläuft sich das Defizit auf rund 67 Milliarden Schilling, hingegen waren es 1995 noch 115 Milliarden Schilling. Das ist eine gewaltige Senkung des Budgetdefizits.

Der zweite Eckpunkt ist die Entbürokratisierung und damit die Reduzierung der gesamten Bürokratie. Das wirkt sich in einem Abbau von Planstellen durch echte Einsparungen in den einzelnen Ministerien aus, meine Damen und Herren. Der Stellenplan weist im Jahr 1998 um 4 600 Dienstposten weniger aus als im Jahr 1997. Das ist ein deutlicher Abbau.

Ich habe herausgesucht, wie hoch die entsprechende Zahl im Dienstpostenplan des Bundes im Jahre 1938 war. Wissen Sie, daß sie ziemlich genau gleich groß war. 202 000 Dienstposten gab es im Jahre 1938. Heute sind es 222 000 Dienstposten – und dies trotz der Zunahme der Bevölkerung und trotz der Veränderungen in allen Bereichen, meine Damen und Herren.

Ein weiterer Eckpunkt des Budgets und unserer Budgetkonsolidierung ist: Wir wollen deutliche Einsparungen durch Strukturmaßnahmen setzen. Es gibt allerdings (Abg. Haigermoser: Ich befürchte, daß Sie das selbst glauben!)  – Sie können das nachlesen, Herr Kollege Haigermoser, es ist in den Unterlagen eindeutig nachzulesen – zwei Bereiche, von denen wir sagen, dort darf nicht gespart werden, das sind die Bereiche Sicherheit und Bildung. Für die jungen Menschen darf uns nichts zu teuer sein – wenn man das so sagen kann. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Koppler. ) Die schulische Ausbildung der jungen Menschen braucht die notwendigen finanziellen Mittel, und die Sicherheit unserer Mitmenschen bedarf einer entsprechenden Initiative. Dort sind ganz klare Akzente gesetzt worden.

Meine Damen und Herren! Ein Staat braucht – wie jedes Gemeinwesen – gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. (Abg. Scheibner: Was ist mit der Sicherheit? Da haben wir noch nichts gehört!) Was in den letzten Wochen und Monaten von verschiedener Seite – insbesondere von der freiheitlichen Seite – gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Bundesdienststellen gesagt worden ist, ist gefährlich und wird von mir grundlegend abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Koppler.  – Abg. Scheibner: Was denn?)


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Diese negative Propaganda gegen Bundesbedienstete, die immer wieder von Ihrem Parteiobmann kommt, meine Damen und Herren (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), diese negativen kritischen Anmerkungen können und dürfen wir in dieser Form nicht akzeptieren. Ich möchte hier ausdrücklich ein klares Bekenntnis zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen abgeben, die wirklich großartige Leistungen erbringen. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Dr. Krammer. ) Wir brauchen sie und müssen sie auch motivieren. Motivieren können wir sie nur dann, wenn wir ihre Leistung anerkennen. Was hingegen hier gemacht worden ist – auch von manchen Personen der Regierungsbank –, war sicherlich nicht motivationsfördernd und hat auch die Entwicklung in diesem Bereich nicht gefördert, meine Damen und Herren! (Abg. Blünegger: Das ist nichts anderes als ein Lippenbekenntnis!)

Jawohl! Darin unterscheiden wir uns, und aus diesem Grunde haben wir versucht, eine Einigung mit den Bediensteten herzustellen, und sind bei den Maßnahmen, die wir in der vergangenen Woche beschlossen haben, nicht einfach über sie hinweggefahren. (Beifall bei der ÖVP.) In diesem Punkt unterscheiden wir uns grundsätzlich. (Abg. Scheibner: Der ÖAAB sieht das anders! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wichtig erscheint mir heute auch ein klares Bekenntnis zu den obersten Organen in unserem Staate, und zwar zu unseren obersten Gerichtshöfen, Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof und Oberster Gerichtshof, und genauso zur Volksanwaltschaft und zum Rechnungshof. Einige Redner meiner Fraktion werden dazu noch deutlicher Stellung nehmen. Meiner Ansicht nach verdient das, was die obersten Organe als Mahner – mitunter mit kritischen Anmerkungen – vortragen, unsere Beachtung und sollte von uns ernstgenommen werden. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Dr. Krammer. )

Meine Damen und Herren! Insbesondere möchte ich mich kurz mit dem Spruch des Verfassungsgerichtshofes zur Familienförderung auseinandersetzen. Herr Bundeskanzler! Es ist zuwenig, wenn Sie hier im Haus erklärt haben, der Spruch des Verfassungsgerichtshofes zur Familienförderung werde von der Bundesregierung selbstverständlich respektiert. Das ist mir zuwenig, wenn Sie andererseits gegenüber Journalisten feststellen: "Ich will nicht der Versuchung erliegen, diesen Beschluß des Verfassungsgerichtshofes zu kritisieren." – Mit diesen Worten haben Sie den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes bereits kritisiert. Das ist von einem Bundeskanzler unseres Staates noch nie erfolgt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie mußten heute auch zur Kenntnis nehmen, daß Sie von den Höchstrichtern in Ihren Aussagen korrigiert worden sind, daß Ihre Aussagen richtiggestellt werden mußten. Präsident Adamovich hat einerseits zur Forderung, Minderheitsgutachten zuzulassen, negativ Stellung genommen und festgestellt, daß die Verfassungsrichter das nicht wollen. (Abg. Dr. Schmidt: So wie das Parlament keinen Untersuchungsausschuß will!) Er hat aber noch etwas gesagt: Adamovich betonte außerdem ... (Abg. Dr. Schmidt: Sind wir für die Verfassungsrichter da, oder ist es umgekehrt?) Ich sage nur: Wir sollten die Meinung der Verfassungsrichter respektieren, Frau Dr. Schmidt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Mir geht es nicht um Meinungen, sondern um die Spielregeln!)

Adamovich betonte aber außerdem, daß das Erkenntnis nicht mit sieben zu sechs Stimmen gefaßt worden ist, wie der Bundeskanzler gesagt und behauptet hat. Ich frage mich: Wie kommt der Bundeskanzler dazu, eine Behauptung in den Raum zu stellen, die falsch ist, die er nicht verifizieren konnte und die vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes kritisiert und richtiggestellt werden mußte, meine Damen und Herren? (Abg. Dr. Schmidt: Messen Sie mit einem Maßstab!) Wir sollten – ich sage das ganz bewußt noch einmal, auch wenn Sie mir jetzt dazwischenrufen, Frau Dr. Schmidt! – unsere obersten Organe, unsere Gerichtshöfe, die Volksanwaltschaft und den Rechnungshof ernster nehmen, als wir das zuweilen tun und als auch Sie, meine Damen und Herren, das jetzt in dieser konkreten Sache getan haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. )

Ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren! Der freiheitliche Experte – und nicht etwa ein Abgeordneter der ÖVP – im Budgetausschuß hat gesagt: Der Rückgang der Nettoverschul


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dung ist ein beachtlicher Stabilitätserfolg und eine hohe Leistung dieser Bundesregierung, konnte doch die Verschuldung von 5 Prozent in der Mitte der neunziger Jahre nun auf 3 Prozent zurückgedrängt werden – ein beachtlicher Kraftakt und Stabilisierungserfolg, eine anerkennenswerte Leistung. (Abg. Auer: Dem ist nichts hinzuzufügen!)

Das sagen nicht wir, das sagt kein Vertreter der ÖVP, sondern das sagt ein unabhängiger Experte, der eingeladen worden ist, unser Budget zu beurteilen, das wir jetzt zu diskutieren und am Freitag zu beschließen haben. Wenn das von allen Experten so gesagt wird, können auch wir diesem Budget unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Achs. )

12.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort. – Bitte.

12.10

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Vorweg zwei Bemerkungen zu meinem Vorredner. (Die Abgeordneten Koppler und Dr. Haselsteiner sprechen in Richtung Abg. Dr. Feurstein. – Abg. Koppler: Ich hätte so gern geklatscht bei dir!)

Zum einen hat Ihnen der grüne Budgetsprecher Van der Bellen oftmals und eindringlich gesagt, daß bei den Budgetberatungen Experten beigezogen und eingeladen waren, die Sie in völlig ungebührlicher Art und Weise parteipolitisch zuordnen und vereinnahmen, womit Sie offensichtlich anstreben, eine differenzierte Debatte auch von Oppositionsrednerinnen und -rednern, nämlich von denjenigen, die zugestehen, daß nicht alles schwarz und weiß ist, sondern daß es einige positive Aspekte, aber auch viel Kritik gibt, immer mehr unmöglich zu machen. Sie fördern damit einen Oppositionsstil, der nach dem Motto "Grobe Klötze auf grobe Keile" funktioniert. Ob Sie und dieses Haus daran ein Interesse haben können, stelle ich in aller Form in Zweifel.

Zum zweiten: das Hohelied der Verfassung. Ich werde zu Ende meiner Ausführungen noch einmal darauf zurückkommen. Jetzt möchte ich die ÖVP daran erinnern, wie man es mit Sprüchen und Judikaten des Verfassungsgerichtshofes in der Vergangenheit gehalten hat, als es etwa um den Aufschrei der Inhaber von Taxikonzessionen ging, und wie man damals mit Verfassungsänderungen umgegangen ist.

Ich denke, daß uns kein Spruch des Verfassungsgerichtshofes eine politische Debatte in diesem Haus ersparen kann. Wir haben diese Debatte zu führen, und polemische Untertöne nützen dabei überhaupt nichts. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.)

Das Budget: die in Zahlen gegossene Regierungspolitik – ein weitverbreitetes Wort. Wenn man sich das vorliegende Zahlenwerk ansieht, stehe ich nicht an zu sagen, daß darin sicherlich Elemente enthalten sind, die wir von den Grünen positiv beurteilen. Wenn im vorliegenden Zahlenwerk – aus unserer Sicht insgesamt zwar immer noch zu spärlich, aber immerhin – endlich eine gewisse Aufwertung im Schul- und Bildungsbereich anerkannt wird, dann halten wir das – bei aller Kritik im Detail – im Prinzip für richtig.

Dennoch möchte ich jetzt ein bißchen versuchen, das vorliegende Budget und die verbalen Ausführungen zu diesem Budget in einen größeren Kontext zu stellen. Das Budget sollte ja nicht Selbstzweck sein, und es sollte auch nicht ein Instrument der Befriedigung von Interessen der politischen Parteien sein, sondern im Budget sollte hervorleuchten, daß die Anliegen der Bevölkerung ernstgenommen werden.

Wenn ich von den Anliegen der Bevölkerung spreche, könnten Sie einwenden, daß auch die politischen Parteien Repräsentantinnen bestimmter Gruppen von WählerInnen sind und Interessen vertreten. Wenn wir jedoch die innenpolitische Landschaft sensibel betrachten, dann zeigt sich meiner Ansicht nach, daß vor allem Interessen, die zu kurz kommen – wenn die entsprechenden Gruppen der Bevölkerung das Gefühl haben, daß sie zu wenig gehört werden,


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oder die Parteien, die für diese Interessen stehen, mit den Anliegen im Parlament zu wenig durchdringen –, eigentlich der Gradmesser für unerfüllte Anliegen sein sollten.

Wenn man diesen Gradmesser anwendet, dann ergeben sich meiner Ansicht nach einige Anliegen, die sehr deutlich artikuliert worden sind, von denen ich mich aber frage, wo sie sich im vorliegenden Zahlenwerk wiederfinden. Ich denke insbesondere an die Volksbegehren – sehr erfolgreiche Volksbegehren! – betreffend die Rechte der Frauen, den Umweltschutz und die Gentechnik sowie den Tierschutz. Bei den unerfüllten und ungehörten BürgerInnenanliegen denke ich aber auch an die Erkenntnisse der Volksanwaltschaft, aus deren Berichten wir sehr klar ersehen können, wo es eine Häufung von Beschwerden gibt und wo offenbar im Bereich der Legistik und im Bereich der Vollziehung etwas nicht stimmt. Und letztlich denke ich dabei an die großen Proteste und Demonstrationen, die es in jüngerer Vergangenheit gab.

Wenn ich diese Bereiche – Volksbegehren, Berichte der Volksanwaltschaft und Demonstrationen – als einen Gradmesser der Unzufriedenheit und der unerfüllten Anliegen werte, dann stelle ich fest, daß diese Anliegen auch im vorliegenden Budget nicht entsprechend gewichtet sind.

Ich möchte mit den sozialen Gruppen beginnen, die das Gefühl haben, daß ihre Anliegen nicht mehr entsprechend und gebührend gewürdigt werden. Es gab große Proteste der Studierenden; trotzdem ist – auch wenn das Budget in diesem Bereich nicht sinkt – die Zahl der Studierenden absolut und relativ viel, viel stärker gestiegen als die Mittel, die den Universitäten zur Verfügung stehen.

Ich denke an die Angriffe und an die Hetze gegen Kulturschaffende, an die Preisgabe dieser Rechte und an die sogar von Regierungsmitgliedern fortgesetzte Diffamierung. Stichwort "Stickerei des Stadtwappens". Das war eine bewußte Verunglimpfung eines Kunstwerkes – denn das ist es –, statt einer kritischen Auseinandersetzung mit Staatssymbolen, die meiner Ansicht nach sehr wichtig wäre. Es findet keine Parteinahme für die Kulturschaffenden statt, sondern insgesamt in diesem Bereich immer noch weitgehend ein Abwehrkampf. Wie ist es mit Preisen und Stipendien? Wie ist es mit der sozialen Stellung der Künstler und Kulturschaffenden im Kulturstaat, in der Kulturnation Österreich?

Wie steht es aber vor allem um die besonders große Gruppe, die Mehrheitsgruppe der Bevölkerung, um die Frauen? – Mein Vorredner hat gesagt, Österreich werde gelobt im Hinblick auf die im internationalen Vergleich relativ niedrige Arbeitslosigkeit. Ich behaupte – ohne es genau quantifizieren zu können –, die Arbeitslosigkeit in Österreich weicht nicht vom internationalen Durchschnitt ab: zum einen aufgrund des unterschiedlichen, im internationalen Vergleich niedrigen realen Pensionsantrittsalters und zum zweiten aufgrund der im internationalen Vergleich – vor allem im Vergleich mit Skandinavien, aber auch mit anderen europäischen Staaten – extrem geringen Erwerbsbeteiligung der Frauen.

Dies ist nicht deshalb der Fall, weil die Frauen das nicht wollten, sondern weil sie es nicht können. Wir wissen von der Arbeitsmarktverwaltung, daß zigtausend Frauen – dokumentiert ist es für zumindest 50 000 – nicht am Erwerbsleben teilnehmen können, obwohl sie dies wollen und ein Recht darauf haben, weil die entsprechenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die entsprechenden Verkehrsverbindungen des öffentlichen Verkehrs nicht zur Verfügung stehen.

Ich frage Sie: Wo sind die Anliegen der Frauen? Wo gibt es das, was die Frauen im Volksbegehren verlangt haben: eine Koppelung der Wirtschaftsförderungen mit der Einhaltung aller Vorschriften zur Gleichberechtigung? – Nichts von alldem!

Wie ist es mit den Rechten der Frauen in der Pension? – Die durchschnittliche Frauenpension beträgt nur die Hälfte der durchschnittlichen Männerpension! Das ist ein derartiges Unrecht, und ich frage mich: Wo in diesem Zahlenwerk wird dem berechtigten Anliegen der Frauen, die mehr arbeiten müssen, die Doppel- und Dreifachbelastungen ausgesetzt sind, Rechnung getragen? Etwa mit einer längeren Durchrechnung, die sich mit Sicherheit überwiegend zu Lasten der Frauen auswirkt, insbesondere der Frauen mit Betreuungspflichten? Wo ist das in ihrem


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Zahlenwerk? – Diese Anliegen des Frauen-Volksbegehrens sind vergessen und verraten worden! (Beifall bei den Grünen.)

Oder: der große Bereich der Umweltmaßnahmen, wie er exemplarisch im Gentechnik-Volksbegehren zum Ausdruck kam. Das geht es um ganz wichtige Forderungen: kein Patent auf Leben, Technologiefolgenabschätzung. Ich frage Sie: Wo ist das alles? Wo finde ich das in den Erläuterungen zum Budget? Ist das das Ziel Ihrer Regierungspolitik, die hier in Zahlen gegossen ist? Oder geht man nicht auf der europäischen Ebene, insbesondere die europäischen Konservativen, ganz anders vor? Auch dieses Anliegen kommt in den Zahlen und in Ihren Worten nicht mehr vor. Auch hier wird von Ihnen ein Begehren der Bevölkerung, das von einer Million Menschen unterstützt wurde, einfach ignoriert.

Meine Damen und Herren! Wie schaut es mit der Berücksichtigung der Konzepte der Opposition aus? Umweltschutz ist heute viel, viel mehr als ein Unterschutzstellen der Natur in bestimmten Reservatflächen. Die Schaffung von Naturparks, von Schutzzonen, das kann und soll schon auch sein, aber ich frage Sie wirklich: Wie ist das mit der Marktwirtschaft? Wie schaut es mit einer Belohnung jener Unternehmen aus, die eigentlich das Aushängeschild Österreichs sind, nämlich der biobäuerlichen Betriebe? Sollten die nicht auch einen gebührenden Vorteil im Rahmen einer Ökosteuerreform haben, die die Arbeit entlastet? Wo ist das? Ich sehe auf der Einnahmenseite dieses Budgets keine strukturellen Aspekte. Kurz vor Wahlen sagen Sie zwar immer: Ja, das ist schon wichtig, das wollen wir!, aber dann heißt es: Leider, bei diesem Budget ist es wieder nicht gegangen.

Auch hier haben Sie die Proponentinnen und Proponenten des Umweltgedankens vor den Kopf gestoßen, und das tun Sie immer wieder, denn Ihre grünen Adern werden immer nur ganz kurz vor Wahlkämpfen sichtbar und sind ansonsten in der Arbeit dieses Hauses, vor allem in der wirtschaftspolitischen Arbeit, nicht spürbar und nicht sichtbar.

Dritter Bereich: Tierschutz. Dazu brauche ich Ihnen nach der aktuellen medialen Debatte gar nicht viel zu sagen. Da könnten und sollten Sie sparen, nämlich bei den Exportsubventionen für Lebendvieh, für Schlachtvieh. Das ist eine europäische Kulturschande. Hier wird aber nicht gespart, hier fließen die Millionen, hier ist ganz offenbar die ÖVP wieder nicht auf seiten der Bürgerinnen und Bürger, sondern auf seiten einer Industrieagrarlobby, die mit den Bäuerinnen und Bauern im Lande gar nichts zu tun hat, denn diese bäuerlichen Betriebe, die, vor allem was die kleinen Betriebe betrifft, nach wie vor in ihrer Existenz bedroht sind, bekommen von diesen Förderungen gar nichts. Hier wird ein falsches, ein wahnwitziges und auch bestialisches System mit Milliarden an Steuergeldern aufrechterhalten. Und ich frage Sie, warum Sie nicht hier mit dem Rotstift endlich ansetzen.

Die Anliegen der Bevölkerung, so wie sie in den Protesten, wie sie in den Volksbegehren zum Ausdruck gekommen sind, finden sich in dem Rechenwerk nicht. Und ich denke, auch die Volksanwältinnen und der Volksanwalt können bestätigen, daß wir eine große Häufung von Beschwerden haben, was das Fremdenrecht betrifft, was Diskriminierungen betrifft, daß wir eine große Häufung von Beschwerden im Umweltbereich haben, was die Rechte von Anrainerinnen und Anrainern betrifft, und daß wir eine große Häufung von Beschwerden im Sozialbereich haben, von Personengruppen, die nicht sozial abgesichert sind, wie etwa Betreuungspersonen, Frauen in den Haushalten, Frauen mit unterbrochenem Karriereverlauf. In diesen Bereichen haben wir wirklich große Häufungen an Beschwerdefällen, und ich frage Sie: Was ist passiert?

Wenn schon nichts im Bereich der Zahlen passiert ist, dann sorgen Sie doch wenigstens für eine Vereinheitlichung der Rechtsordnung, sorgen Sie dafür, daß die Gesetze wieder lesbar werden! Soziale Gesetze, die für die schutzbedürftige Bevölkerung nicht mehr lesbar sind, können ihren Schutzzweck nicht mehr erfüllen. Wenn das ASVG, wenn das Mietrecht, wenn alle diese Gesetze so formuliert sind, daß sogar Fachexpertinnen und -experten diese nicht mehr lesen können, dann frage ich Sie: Wen schützen diese Gesetze? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.) Offenbar nur die Anwälte, die natürlich auch ihre Interessen haben, aber die über Gebühr strapaziert werden, weil sich die sozialen Normen von den Betroffenen entfernt haben.


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Ich frage Sie aber, was statt dessen passiert ist, und das ist mir eigentlich das Wichtigste in meinen Ausführungen. Ich habe den Eindruck, daß der Zustand unserer Demokratie wirklich ernst ist, und ich will das auch dokumentieren. Statt die Anliegen derer, die nicht gehört werden, die zuwenig gehört werden, die schon aufgeschrien haben, endlich ernst zu nehmen und in das Haus hereinzuholen, zum Beispiel durch eine Aufwertung der Petitionen, zum Beispiel durch eine Beiziehung der ProponentInnen von Volksbegehren bei wichtigen Debatten, bei Pensionsdebatten – da hätten die Frauen, da hätten die Studierenden hineingehört –, wird der ohnehin bescheidene Zustand der Demokratie weiter eingeschränkt.

Das ist zum einen auf der europäischen Ebene der Fall. Wir nähern uns mit Riesenschritten nicht einer Unterstützung der Bemühungen des Europäischen Parlaments durch Österreich, sondern statt dessen einer Unterstützung der Exekutivgewalten – Schlagwort Schengen, Schlagwort Europol, Schlagwort Preisgabe von BürgerInneninteressen. Es gibt eine rapide Entwicklung in Richtung des Metternich-Staates, der Aufwertung der klassischen Staatsfunktionen, der repressiven Staatsfunktionen, anstatt daß der Kulturstaat, der Universitätsstaat und der Gleichberechtigungsstaat endlich gebührend gewichtet werden.

Das zweite ist der Bereich der Gewaltenteilung. Das jetzt oftmals angesprochene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist passiert, möchte ich fast sagen, vor dem Hintergrund einer Untätigkeit der Regierung, eines Nicht-Miteinander-Könnens der verschiedenen Ideologien der Regierungsparteien und in einem Vakuum. Ja, wir brauchen eine politische Debatte über Familien, über Kinder, über junge Leute. Darüber gibt es offenbar gewaltige ideologische Differenzen, aber wenn diese Debatte nicht geführt wird, dann wird nolens volens der Verfassungsgerichtshof – entgegen dem Prinzip der Gewaltenteilung – zum Gesetzgeber. Und das ist falsch!

Die Antwort aus der Sicht der Grünen ist eine klare: Wir wollen vor allem eine Aufwertung der Kinder, der Jugendlichen, der Bildungschancen und nicht eine Prämierung von Eltern aus dem Titel einer nebulosen Familienförderung!

Dritter Punkt: Die indirekte Demokratie ist eingeschränkt worden. Die Vorgänge rund um die Pensionsdebatte, der Ausschluß der Opposition bei der Pensionsreform, die Nichtänderung der Geschäftsordnung, was das Minderheitsrecht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen betrifft – etwas, was an sich Standard einer entwickelten Demokratie ist –, haben das klar und deutlich gezeigt. In diesem Bereich hat sich nichts getan.

Ein allerletzter Punkt – und da komme ich einmal mehr zum Bereich der Publizistikförderung, zur Meinungsvielfalt, denn da können sich die Interessen verschiedener Gruppen in der Bevölkerung artikulieren –: Ich halte es für einen Bruch der Verfassung, ich halte es für eine Ungeheuerlichkeit, wenn im Zusammenhang mit einem vergleichbar minimalen Posten des Budgets ein wirklicher Anschlag auf die Meinungsfreiheit, auch wieder ein Anschlag auf die Artikulationsrechte von Frauen vorgenommen wird. Und wenn mit Duldung der SPÖ in einem Begleitgesetz zum Budget steht, daß die Förderungswürdigkeit periodischer Druckschriften unter anderem davon abhängt, ob sie das Wehrrecht beachten, dann frage ich Sie wirklich: Wohin ist diese Republik gekommen? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Hat das Wehrrecht eine andere Stellung als andere Bundesgesetze? Wir können darüber reden, ob Medien, die die Gesetze verletzen – zum Beispiel was die Gleichstellung von Frauen, die Würde von Frauen betrifft; alle diese Gesetze –, in Hinkunft keine Förderungen mehr bekommen sollen. Aber hier ist etwas anderes passiert: Hier ist es zu einer ideologischen Aufwertung eines ganz bestimmten Teilbereiches gekommen, und ich halte das für einen Anschlag auf die Demokratie und die Verfassung in Österreich. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Die Uhr ist auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.31

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Mitglieder der Volksanwaltschaft! Sehr geehrter Herr Staats


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sekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meiner Rede auf den Arbeitsbereich der Frau Bundesministerin beziehen, und zwar speziell auf den Teil, der die Frauenfragen betrifft.

Wir werden in den nächsten Monaten im Gleichbehandlungsausschuß sehr viel Arbeit haben. Wir haben uns vorgenommen, die Anliegen des Frauen-Volksbegehrens, das hier schon angesprochen worden ist, sehr genau zu besprechen und eine ganze Reihe von brennenden Problemen zu diskutieren, die im Frauen-Volksbegehren thematisiert sind und von denen wir alle auch aus unserer täglichen Praxis wissen, daß deren Lösung von großer Wichtigkeit ist.

Die wichtigsten Probleme scheinen mir die Frauenarbeitslosigkeit, die hohen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen – die Lohnunterschiede haben sich leider wieder etwas vergrößert – und die Nichtvereinbarkeit von Beruf und Familie zu sein. Das sind Probleme, die nicht, wie manchmal behauptet wird, nur uns Frauenpolitikerinnen interessieren, sondern das sind Probleme, die wirklich die Frauen elementar in ihrem Leben betreffen und deren Lösung ein Anliegen der Frauen ist.

Ich möchte das mit einer Umfrage unter jungen Frauen bis 30 belegen. 95 Prozent der befragten Frauen meinen unter anderem, daß Kind und Beruf vereinbar sein müssen. Nur 5 Prozent sind nicht dieser Auffassung. Als besonders schwerwiegend empfinden sie die Doppelbelastung bei Berufstätigkeit durch den Haushalt und daß sie zuwenig Zeit für ihre Kinder und für sich selbst haben. Als ebenso schwerwiegend bezeichnen sie die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen und auch die Benachteiligung bei der Arbeitsplatzsuche, wenn sie gefragt werden, ob sie schwanger sind beziehungsweise schwanger werden könnten. Rund 70 Prozent der Frauen sehen das als ganz entscheidendes Problem auf dem Arbeitsmarkt.

Auf die Frage "Würden Sie Ihren Beruf aufgeben, wenn der Mann mehr verdienen würde?" sagen nur 7 Prozent der Akademikerinnen und Maturantinnen, 9 Prozent der Frauen mit einer anderen Berufsausbildung und 18 Prozent der Frauen ohne Berufsausbildung ja, die anderen, also die ganz, ganz große Mehrheit, möchten auch dann arbeiten gehen, wenn der Mann mehr verdient. Also es ist nicht so, daß es von den Löhnen der Männer abhängt, ob Frauen berufstätig sein wollen oder nicht, sondern sie wollen berufstätig sein, sie sehen das als Erfüllung ihres Lebens an, Kinder zu haben, Familie zu haben und auch im Beruf ihre Frau zu stellen.

Ich denke, daß das ein sehr interessantes Ergebnis ist, das uns zeigt, daß die Frauen immer selbstbewußter und immer selbständiger werden. Diese Umfragen zeigen aber auch, daß es sehr große Probleme bei der Umsetzung in die Wirklichkeit gibt. Es gibt keinen Mann, der sagt, ich kann diesen Job nicht annehmen, diese Karriere nicht anstreben, weil ich Kinder habe. Aber bei Frauen ist das nach wie vor ein Problem, daß sie glauben, das nicht vereinbaren zu können, und daß ihnen auch tatsächlich Prügel vor die Füße geworfen werden.

Frauen empfinden sehr stark die Ungerechtigkeit bei den Löhnen. Das ist etwas, was man immer hört, in jeder Diskussion, Frauen fühlen sich von den Arbeitgebern ungerecht behandelt.

Ein weiteres Problem ist die Doppelbelastung durch den Haushalt und daß sich Frauen diesbezüglich von den Männern im Stich gelassen fühlen.

Die Frauen erwarten sich zu Recht von der Politik, daß wir Rahmenbedingungen schaffen, die ihnen ihre Situation erleichtern und ihnen helfen, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es sich vorstellen. Es gibt vielerlei wichtige Bereiche, in denen wir tätig werden müssen. Einer dieser Bereiche ist sicher die Schaffung weiterer Kinderbetreuungseinrichtungen, die auch den veränderten Arbeitszeiten der Frauen entsprechen, denn es ist wichtig, daß sie wissen, daß ihre Kinder gut betreut sind, während sie arbeiten.

Wir müssen uns intensiv mit der ungleichen Bezahlung befassen, und das gemeinsam mit den Gewerkschaften, denn das ist etwas, was wir nur gemeinsam aufgreifen können. Und es ist auch wichtig, das Gleichbehandlungsgesetz zu durchforsten.


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In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, daß ich es sehr positiv finde, daß in diesem Budget endlich die Mittel für die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorhanden sind. Es wird eine Anwältin in Tirol geben. Ich begrüße das sehr, und ich hoffe, daß auch noch eine weitere Ausweitung in der Zukunft möglich sein wird.

Wir müssen uns aber auch bewußt sein, daß die Wirtschaftspolitik und die Wirtschaft selbst niemals geschlechtsneutral sind. Die Sparmaßnahmen des Staates im Sozialbereich gehen tendenziell zu Lasten der Frauen. Wir müssen sehr darauf achten, daß nicht versucht wird, Betreuungsarbeit und Pflegearbeit zu privatisieren. Das ist eine Tendenz, die es gibt, die ich aber für sehr gefährlich halte, denn es ist gerade in diesen Bereichen wichtig, daß dort qualifizierte und gut ausgebildete Menschen tätig sind und daß diese auch sozialversichert sind. Insofern meine ich auch, daß die Reformen im Rahmen der ASVG-Novelle in den Bereichen Pflegeversicherung und geringfügige Beschäftigung sehr wichtig und ein Schritt in die richtige Richtung sind.

Abschließend möchte ich auch noch ein Wort zur Familienrechtsreform sagen. Ganz wichtig ist die Partnerschaft in der Familie. Wenn die Frauen allein die Last der Familienarbeit tragen müssen, dann haben sie große Probleme, sich auch tatsächlich im Beruf verwirklichen zu können, und sehr oft bleibt dann die Berufstätigkeit der Frauen auf der Strecke. Daher ist es sehr zu begrüßen, daß das Justizministerium eine Novelle zur Familienrechtsreform ausgearbeitet hat, in welcher das, was wir eigentlich immer schon wollten, klargestellt ist, nämlich daß die Hausarbeit nicht nur Sache der Frauen ist. Ich denke, daß es möglich sein muß, diese Novelle in absehbarer Zeit auch zu beschließen.

Meine Damen und Herren! Es wartet viel Arbeit im Bereich der Frauenangelegenheiten, im Bereich der Interessenvertretung der Frauen auf uns, und ich hoffe, daß es uns in den nächsten Monaten gelingen wird, gemeinsam etwas für die Frauen in Österreich zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.38

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zum Kapitel Oberste Organe gehört das Parlament, und zum Parlament gehört der Haushalt. Stellen wir uns einmal die Frage, ob unser Haushaltsrecht wirklich den modernen Ansprüchen eines Budgets entspricht, das Haushaltsrecht, das das letzte Mal 1986, also vor über zehn Jahren, novelliert worden ist. Wir Freiheitlichen glauben, nein, es entspricht nicht mehr modernen Ansprüchen, es entspricht nicht mehr den Ansprüchen des Handlings von 750 Milliarden Schilling, es ist antiquiert.

Lassen Sie mich ein paar Reformüberlegungen aus freiheitlicher Sicht darlegen, weil es wichtig wäre, so glaube ich, daß sie in die Diskussion über ein neues Haushaltsrecht Eingang finden.

Wir haben beim Haushalt zunächst die Situation, die man mit "Novemberfieber" umschreiben kann. Das Novemberfieber ist nicht jenes Fieber, das man hat, wenn man eine erhöhte Körpertemperatur von 38, 39 Grad hat, lieber Harald Ofner, wenn das Grippevirus uns umgibt, es ist ein Novemberfieber, das der Sparsamkeit diametral entgegensteht: Im November trachten alle Organe der Verwaltung, alle Beamten, weil der Finanzminister es nicht zuläßt, größere Budgetposten in ein anderes Kalenderjahr zu übertragen, ihren Haushalt so in Ordnung zu bringen, daß sie ausgeben, ohne es tatsächlich ausgeben zu müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das, meine Damen und Herren, widerspricht diametral einer sparsamen Verwaltung.

Ein zweiter Punkt dieser Reformüberlegung wäre, mehr Verantwortung bei den einzelnen Budgetpositionen zuzulassen. Ich habe mir da eine Möglichkeit überlegt, wie man Beamte dazu animieren kann, Einsparungen vorzunehmen. Was wäre, wenn ein Beamter entdeckt, daß er 500 000 S einsparen kann? Tut er das oder tut er das nicht? Welche Anreize kann ich ihm


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geben? Ich stelle eine Möglichkeit zur Diskussion: 500 000 S Einsparungspotential; 250 000 S führt er wieder dem Finanzminister zurück, das benötigt er nicht – also 50 Prozent –, 40 Prozent kann er in ein neues Wirtschaftsjahr vortragen, und 10 Prozent bekommt dieser Beamte mit seiner Abteilung an Prämie ausgeschüttet dafür, daß er sparsam wirtschaftet.

In der Praxis ist das etwa mit einer modern geführten Aktiengesellschaft vergleichbar. Auch die hat einen Grundbezug für ihr Vorstandsmitglied und Prämien, wenn sich diese Aktiengesellschaft gewinnmäßig positiv entwickelt. Auch da gibt es ein Anreizsystem. Das gleiche könnte man bei einem Beamten machen. – Zweiter Vorschlag.

Dritter Vorschlag: Wir glauben, daß wir dazu übergehen müssen, eine Schuldendeckelung einzuführen – nicht mit absoluten Zahlen, sondern eine Schuldendeckelung nach deutschem Vorbild, wobei die Neuverschuldung nicht höher sein darf als die Investitionen, die in diesem Jahr ausgegeben werden. Das hat Sinn, denn neue Investitionen schaffen ganz einfach Vermögenswerte, für die kann man Schulden aufnehmen. Das ist auch in einem privaten Haushalt so, und das ist auch in einem Betrieb so. Das kann auch beim Staat so sein. Wenn aber die Schulden weit über die Investitionen hinaus steigen, dann ist das Fahrlässigkeit. Das ist langfristig gesehen ökonomisch fahrlässig. Das müßte in einem modernen Haushaltsrecht verboten sein, es müßte schlicht und einfach unmöglich gemacht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vierter Bereich: Wir haben derzeit das Instrument Budgetausschuß. Der Budgetausschuß hat in diesen Wochen sehr viel Arbeit, aber von Jänner bis Oktober führt er ein eher kümmerliches Dasein. Da gibt es ab und zu Berichte des Finanzministers darüber, was er gemacht hat. Wir können es aber nicht mehr beeinflussen, denn die Exekutive hat das Geld schon ausgegeben. Wir haben nichts mehr zu bestimmen. Der Finanzminister berichtet. Wir können ihn schelten. Wir können sagen, das hätte er tun können, das hätte er unterlassen sollen.

Ich glaube, in einem modernen Haushalt müßte ein Budgetausschuß, wie wir ihn jetzt haben, in einen Haushaltsausschuß umgewandelt werden, der eine permanente Überprüfung der Ausgabenpositionen von weit über 750 Milliarden Schilling vornimmt. Da wäre Sparsamkeit angesagt, und da hätte der Abgeordnete wirklich die Möglichkeit, dem Finanzminister auf die Finger zu schauen. Das wäre modernes Haushaltsmanagement! Das fordern wir als vierten Punkt ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der fünfte Punkt wäre eine exaktere Abschätzung der Kosten für neue gesetzliche Vorhaben. Da wird der Opposition die Rute ins Fenster gestellt: Wenn ihr mit neuen Initiativen kommt, folgt das Begutachtungsverfahren des Finanzministers, und dieser Antrag kann erst dann eingebracht werden, wenn der Finanzminister aus budgetären Gründen sein Okay gibt. Ich halte das für eine bodenlose Schweinerei, für eine Frechheit, wenn der Finanzminister ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Abgeordneter, um eine andere Terminologie. So geht es nicht!

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (fortsetzend): Ja, Herr Präsident.

Ich halte das für eine Unverfrorenheit von seiten des Finanzministers, Herr Präsident, wenn er der Opposition, die über keinen Stab an Legisten verfügt, die kein Finanzministerium hat, sagt, die Opposition müßte das exaktest berechnen. Schauen wir uns einmal an, ob er Finanzminister dazu selbst in der Lage ist! Wie viele Gesetze beschließen wir hier, und nach drei oder vier Jahren sagen wir: Ja, wir haben das beschlossen, aber leider – liebe Regierungsparteien, Hand aufs Herz! – konnten wir die Kosten nicht abschätzen. Derselbe Finanzminister also, der die Opposition in der Weise knebeln will, daß sie ihre Anträge gar nicht erst einbringt, weil er ganz einfach den Sanktus dazu nicht gibt, macht budgetär die gleichen Fehler. So kann man sicher moderne Haushaltspolitik in diesem Haus nicht umsetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt. Mir ist beim Besuch von Grenzlandbezirken in Niederösterreich aufgefallen, daß die dortige Bevölkerung eines will: Sie will eine faire Chance für das Leben in diesen Grenzbereichen haben, und zu einer fairen Chance in einer benachteiligten Region gehört auch eine faire Steuerpolitik. Das würde ein Umdenken in der Richtung


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bedeuten, daß wir diese Grenzregionen mit Subventionen zu stärken versuchen – also der umgekehrte Weg –, daß wir Entlastungen bei direkten Steuern vornehmen. Ich mache Ihnen daher den Vorschlag, eine Föderalisierung des österreichischen Steuersystems wie etwa in der Schweiz vorzunehmen, wo man in Basel 44 Prozent Einkommensteuer bezahlt und in Appenzell-Innerrhoden nur 22 Prozent. Das wäre eine Möglichkeit, das wäre eine Chance, benachteiligte Gebiete bei den direkten Steuern zu entlasten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unser freiheitlicher Vorschlag lautet zum Beispiel bei einem Grenzsteuersatz von 50 Prozent, daß der Bund auf 30 Prozent heruntergeht, den Ländern Aufgaben überträgt – Finanzierung der Landeslehrer, Wohnbauförderung –, den Ländern 20 Prozent Steuerfindung als Zuschlagsbesteuerung und gleichzeitig die Möglichkeit gibt, daß auch Gemeinden variieren können. Das wäre ein moderner, ein in der Zeit der EDV, der Computer möglicher und auch durchsetzbarer Ansatz einer modernen Budget- und Steuerpolitik. Das wäre ein Weg, um auch die Länder in die Pflicht zu nehmen bei einem Gesamtbudget von 750 Milliarden Schilling für Ausgaben.

Meine Damen und Herren! Das wären ein paar Vorschläge zur Finanz-, Budget- und Steuerpolitik, die neben rigorosen Sparmaßnahmen, neben Belastungspaketen die Möglichkeit bieten würden, Budget- und Steuerpolitik so zu gestalten, daß die Menschen es auch akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält nun Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. – Bitte.

12.48

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte mich dem Kapitel Frauen widmen, das im Bereich der Obersten Organe sicherlich nicht den größten Budgetanteil umfaßt. Frau Kollegin Hlavac hat schon darauf hingewiesen – und das ist zugleich auch die Antwort auf die Frage von Frau Petrovic, was mit dem Frauen-Volksbegehren geschieht –, daß wir in den nächsten Wochen und Monaten eine Reihe von Terminen haben, bei denen wir uns dieser Thematik widmen werden.

Frauenpolitik ist eine Querschnittmaterie. Sie findet natürlich in den verschiedensten Bereichen statt, und die Ansprüche der Frauen sind natürlich auch in den verschiedensten Bereichen zu finden. Sicherlich ist ein Hauptschwerpunkt der Frauenpolitik im Bereich der Sozialpolitik anzutreffen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß wir vorige Woche hier in diesem Hause zwei Regelungen getroffen haben – tatsächlich waren es mehrere, aber darunter waren zwei besondere; ich korrigiere mich: es sind drei –, die ich besonders herausstreichen möchte: Das erste ist eine verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten. Frau Bundesministerin, ich stehe nicht an zu sagen – ich habe dazu ja auch eine Aussendung gemacht –, daß ich sehr erstaunt war, daß Sie sich offensichtlich bezüglich der Möglichkeit, daß die bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten tatsächlich mit 1. Jänner 2000 kommen soll, quergelegt haben und dieses Problem zur Chefsache gemacht wurde.

Ich habe mich erkundigt, denn ich dachte, ich habe das nicht richtig verstanden. Ich will mich nur insoweit damit auseinandersetzen, als Sie, sofern ich richtig informiert wurde, eine generelle selbständige Absicherung der Frauen dieser Regelung vorgezogen hätten, damit alle Frauen möglichst selbst sozialversichert sind. Das sind zwei verschiedene Positionen. Sicherlich kann man in beiden Richtungen Überlegungen anstellen, aber ich glaube dennoch, daß die Entscheidung besser war, die Kindererziehungszeiten besser zu dotieren. Das wäre meines Erachtens ein wesentlicher Schritt.

Es sind weitere gesetzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel die Einbeziehung geringfügiger Beschäftigungen in die Sozialversicherung, auch wesentliche Schritte, Schritte, die in die Richtung gehen, die Sie wollen. Auch die Möglichkeit, Sozialversicherungszeiten für die Pflege kranker Angehöriger angerechnet zu bekommen, ist ein weitreichender und wesentlicher Schritt. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir haben aber auch einige Möglichkeiten der Selbstversicherung beschlossen, die Frauen an sich sehr entgegenkommen. Dabei geht es vorwiegend um die Absicherung im Alter. Da scheint mir etwas sehr wichtig zu sein, das ich nur punktuell anschneiden möchte. Wir müssen immer wieder feststellen – weil immer von Armen gesprochen wird, von Altersarmut –, daß oft gerade Frauen aus Ehen in guten finanziellen Verhältnissen im Alter viel zu wenig und viel zu gering abgesichert werden, weil Sachleistungen viel zu hoch bewertet werden, die sie nicht aufzehren können. Daher werden wir auch für den Fall der Scheidung ein Versorgungsmodell finden müssen, damit Frauen nach der Scheidung nicht einfach zu Sozialfällen verkommen. Das haben sie nicht verdient. Die Verantwortung der Männer ist hier ohnedies einzuklagen. Wenn wir als Gesetzgeber aber nichts tun, dann wird dieses Problem noch viel, viel länger bestehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die ungleichen Löhne bereiten uns schon seit Jahren, ja Jahrzehnten wirklich große Probleme. Wir haben hier als ÖVP-Fraktion, und da vor allem die Frauen, einen Antrag eingebracht, der auch noch zu verhandeln ist. Ich habe mich gefreut, als ich gelesen habe, daß auch Frau Präsidentin Schmidleithner in dieser Richtung nachdenkt beziehungsweise sich unseren Vorschlägen anschließt, wie man Arbeit überhaupt bewerten kann und daß man endlich einmal dazu kommen müßte, auch in den Kollektivverträgen die Arbeitsleistung nach weiblichen Kriterien zu bewerten, weil Frauen hier vieles einbringen können, was gerade für moderne Arbeitsplätze wichtig ist. Dadurch wird die Schere doch wieder etwas mehr geschlossen.

Nichtsdestotrotz bedarf es, was die ungleiche Bezahlung auch aufgrund unterschiedlicher Lebensverläufe angeht, einer Vielfalt von Problemlösungen. Wenn wir noch vor Weihnachten, wie ich gehört habe, im Verfassungsausschuß ein Modell beraten werden, das jenen Betrieben einen Anreiz bieten soll, die Jugendliche aufnehmen, dann, meine sehr geehrten Damen in diesem Haus, muß ich sagen, ist das ein Schritt, und das gleiche muß natürlich dann auch für die Frauen kommen. Ich bin nicht für eine Umsetzung in der Form, wie sich das Frauen-Volksbegehren interpretieren läßt, sondern ich glaube, daß wir – und es gibt inzwischen viele Modelle auch im Ausland – in diese Richtung unbedingt etwas für die Frauen, aber auch für ältere Arbeitnehmer tun müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Bildung und Ausbildung sind Schlüsselworte. Sie sind ein wesentlicher Faktor dafür, daß Frauen zu mehr Einkommensgerechtigkeit kommen und natürlich auch zu besser bezahlten Jobs. Dennoch müssen wir feststellen – und das sagen alle, die sich mit dieser Problematik beschäftigen –, daß das Angebot für gutausgebildete Frauen oft nicht unbedingt in ihrem Lebensumfeld zu finden ist. Gerade Frauen im ländlichen Raum müssen, wenn sie gut ausgebildet sind, oft entweder auspendeln, was mit Mobilitätsproblemen verbunden ist, wenn die Verkehrsinfrastruktur nicht entsprechend ausgebaut ist, häufig müssen sie aber auch ihren angestammten Lebensplatz, ihren Wohnsitz verändern, weil es die entsprechenden Angebote eben nur in den Ballungszentren gibt.

Daher müssen wir dafür sorgen – das Gros der Arbeitsplätze ist natürlich in den Klein- und Mittelbetrieben –, daß das Angebot gerade in Grenzbereichen verbessert wird, indem sich dort auch Betriebe ansiedeln, die besser bezahlte Arbeitsplätze anbieten.

Nicht vergessen darf man – und darüber reden wir sehr wenig –, daß ein Drittel der Unternehmen von Frauen geführt werden. Es ist uns ein besonderes Anliegen, daß es den Frauen ermöglicht wird, sich selbständig zu machen. Wir sagen den Frauen aber immer wieder, daß sie sich nicht selbständig machen sollen in Bereichen, die nur sehr kurzlebig sind, Bachblüten-Beratung etwa. Tatsächlich bedarf es hier wahrscheinlich des entsprechenden Know-hows. Frauen sind ganz gut aufgehoben in den Bereichen, die dafür im Rahmen der Wirtschaft angeboten werden, nämlich nicht geschlechtsspezifisch, sondern Bereiche, in die sie die Erfahrungen der anderen mitnehmen können. Ich weiß nicht, ob in diesen speziellen Ausbildungsbereichen – das hat mir anfangs sehr gut gefallen, nur habe ich es mir jetzt etwas näher angesehen; also Frauen-Business-Centers et cetera – der Erfolg genauso groß ist wie das, was da an Geld investiert wird.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frauenanliegen gehen nicht nur Frauen an. Hier ist das gesamte familiäre Umfeld betroffen, daher ist auch das Interesse der gesamten Familie sehr groß. Ich glaube, daß wir in diesem Bereich noch sehr viel tun müssen. Es gibt da natürlich sehr viele Ansätze. Die großen Würfe gelingen uns selbstverständlich im Bereich des Sozialen und in einigen anderen Bereichen, aber Frauenpolitik ist umfassend. Wir müssen daher auch in den Bereichen, die nicht besonders frauenspezifisch ausgerichtet sind, umso mehr tun. Und da brauchen wir dringend die oft strapazierte sogenannte Partnerschaft der Männer, um gemeinsam in dieser Richtung weiterzukommen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort.

12.57

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Generaldebatte ist ja in mehreren Runden vorher das meiste über die eigentliche Budgetpolitik schon gesagt worden. Dementsprechend ist ja auch das Interesse etwas gedämpft, möchte ich sagen. Herr Kollege Feurstein hat mich aber doch veranlaßt, noch einmal auf einige grundsätzliche Dinge zum Budget einzugehen.

Wir alle können durchaus feststellen – und das mit einer gewissen Befriedigung, unabhängig davon, ob wir Opposition oder Regierungspartei sind –, daß uns sozusagen ein Klassenziel gelungen ist, und das sind die Maastricht-Kriterien. Das ist in Ordnung, das wird anerkannt, das wurde auch nie bestritten. Es wurden auch die Fortschritte in der Budgeterstellung nicht bestritten. Wenn Sie mir oft vorhalten und aus alten Reden von mir zitieren, daß ich gesagt hätte, 1996 würde das Budget nicht halten, es hätte aber gehalten, muß ich sagen, Herr Feurstein: Das ist schon richtig, aber bedenken Sie bitte, daß Sie ja erstmals 1996 das Budget in dem vorgelegten Defizitmaß eingehalten haben. Alle Jahre vorher haben Sie dieses Ziel deutlich verfehlt, und zwar so deutlich, daß man mit Recht sagen kann, das war ja nicht einmal mehr seriöse Budgetpolitik. Und das, Herr Kollege Feurstein und meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wissen Sie auch ganz genau. Also tun Sie nicht so, als wäre das anders gewesen!

Den Expertenaussagen schließe ich mich an. Das ist ein Erfolg. Aber, Herr Feurstein, die Experten haben noch etwas dazugesagt: Sie haben gesagt, diese Republik hat ein strukturelles Defizit – und die Antworten darauf werden nicht gegeben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Feurstein und meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Über eines müssen wir uns im klaren sein: Die Budgetpolitik erfüllt sozusagen die Form, aber die Regierungsarbeit ist inhaltsleer. Das ist unser Problem!

Herr Kollege Josef Lackner, der jetzt leider nicht mehr dem Nationalrat angehört, hat als Vorsitzender des Budgetausschusses immer gesagt: Sie wissen, das ist die in Zahlen gegossene Regierungserklärung. (Abg. Dr. Feurstein: Das hat auch Kollegin Petrovic heute gesagt!) Diese Aussage war natürlich ein verhängnisvoller Fehler, denn es war wirklich leicht nachzuweisen, Herr Kollege Feuerstein  – und das ist Ihnen auch an diesem Budget ganz leicht nachzuweisen –, daß Sie eben keine vernünftige Regierungsarbeit leisten. Das wissen Sie, und das ist ja auch die Klage. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich gebe ja zu, meine Damen und Herren von der ÖVP, daß Sie bescheiden geworden sind, und daher sind Ihre Erwartungshaltungen nicht so groß. Ich bin da noch unbescheiden und sage: Ich würde es für dieses Land und diese Republik gerne sehen, daß wir tatsächlich Reformen zusammenbringen – und nicht Reförmchen, die so verwässert sind, daß man sie nicht einmal mehr als solche titulieren kann. (Beifall beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte aber auf noch etwas eingehen, meine Damen und Herren, denn das Kapitel, über das wir beraten, heißt ja Oberste Organe, und ich glaube, es ist geradezu bezeichnend, welches


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Demokratie- und Parlamentsverständnis bei verschiedenen verantwortlichen Funktionären dieser Republik herrscht, wenn wir bei den Beratungen über die Kapitel Oberste Organen und Bundeskanzleramt den Bundeskanzler vermissen müssen. Ich weiß nicht, Herr Präsident Fischer, wie es Ihnen geht, ob Sie darüber erfreut sind, denn der Bundeskanzler gehört ja Ihrer Fraktion an. Ich weiß nicht, ob Sie ihm einen Brief schreiben und Ihrer Enttäuschung Ausdruck geben. – Ich jedenfalls kann mich nicht daran erinnern, daß jemals ein Bundeskanzler bei diesem Kapitel und bei der Generaldebatte demonstrativ ferngeblieben ist, obwohl er, wie wir wissen, zu einer Ministerratssitzung hier im Hause weilte.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Empfinden Sie das als die Demonstration eines vernünftigen – oder sagen wir –, eines ermutigenden, eines gefestigten Demokratieverständnisses, als eine Anerkennung des Parlaments? Mir geht es jedes Mal, wenn ich hier stehe, so, daß ich eigentlich sage: Ja bitte, ist es das wirklich? Ist das Parlamentarismus? Diese leeren Bänke, diese gelangweilten Abgeordneten? (Abg. Böhacker: Das liegt vielleicht an Ihrer Rede! – Abg. Mag. Steindl: Sie müssen in Ihre eigenen Reihen schauen!) Herr Steindl, ist es das? Fragen Sie sich das nie? (Abg. Mag. Steindl: Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen!) Ja, ja! Das ist ja kein Vorwurf, Herr Steindl, das ist doch kein Vorwurf gegen Sie oder gegen eine bestimmte Fraktion, sondern eine Frage. Es ist eine Frage an Sie: Wie empfinden Sie das, wenn Sie hier stehen und die Bänke der Liberalen leer sind? (Abg. Mag. Steindl: Sie müssen bei sich selbst anfangen!) Das ist ja kein Vorwurf. Sie sind immer so angerührt, Sie haben so einen Beißreflex.

Fragen Sie sich nicht hin und wieder, ob wir 183 Abgeordnete etwas dagegen tun könnten, und was es sein könnte, diesen Zustand zu verbessern? Oder finden Sie, daß dieser Zustand ein solcher ist, wie wir ihn uns ohnehin wünschen und vorstellen? Dann sagen wir das auch. – Meine Vorstellung von Parlamentarismus ist das jedenfalls nicht. Meiner Vorstellung entspricht es nicht, eine Generaldebatte zum Budgetkapitel Oberste Organe und Bundeskanzleramt einschließlich Frauen ohne Bundeskanzler abzuhalten. Und das heißt nicht, daß ich die Frau Ministerin geringschätze. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das, meine Damen und Herren, sind Empfindlichkeiten. Da setzen die einzelnen verantwortlichen Personen ein Zeichen, aber sie setzen es in der falschen Richtung und im falschen Gewicht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch einmal zurück zu den Ausführungen des Abgeordneten Feuerstein – es tut mir sehr leid, jetzt ist er wieder nicht da –, aber trotzdem, meine Damen und Herren von der ÖVP (Abg. Steibl: Wenn es etwas Schönes ist, sage ich es ihm gerne weiter!)  – ja, sagen Sie es ihm weiter, es ist wirklich schön –: Was heißt das: Wir sollen Respekt vor unseren Verfassungsrichtern haben!? Ich meine, daß wir das Erkenntnis von Verfassungsrichtern zu respektieren haben. Aber es ist natürlich eigenartig, wenn ausgerechnet ein Mitglied jener Fraktion mir, uns, den Liberalen sozusagen Respekt vor den Verfassungsgerichten, vor den Höchstgerichten aufträgt, diesen einmahnt, die mit ihrem kongenialen Partner, der SPÖ, immer dann in eine verfassungsgesetzliche Regelung – unter Mißachtung der Verfassung meiner Interpretation nach – flüchtet, wenn sie sich sonst nicht mehr zurechtfindet. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das müssen Sie sich einmal fragen! Was ist denn Mißachtung von Verfassungsgerichten, Herr Feuerstein, wenn Sie ganz banale Materien in den Verfassungsrang heben, damit Sie vom Verfassungsgericht nicht mehr kritisiert werden können? Was heißt es, Herr Feuerstein, wenn der Verfassungsrichter sagt: Wir sind dagegen, wir sind mehrheitlich gegen eine solche Regelung!? Ja was heißt denn das für uns als Parlamentarier? – Heißt das, daß wir sagen müssen: Aha, der Verfassungsgerichtshof ist mehrheitlich gegen eine Regelung! Alles steht still!

Was ist, wenn der Verfassungsgerichtshof irgendwann einmal sagt: Wir sind mehrheitlich gegen eine Änderung der Verfassung oder gegen irgendein Verfassungsgesetz!? Was tun Sie denn dann, Herr Feuerstein? (Abg. Dr. Feurstein: Ich hoffe, er muß das nie sagen!) Dann sind Sie nicht mehr regierungsfähig, und zwar schlagartig! Das muß ich Ihnen schon sagen.


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Und das, Herr Feuerstein, ist der große Unterschied in der Auffassung: Die Erkenntnisse der Höchstgerichte sind zu respektieren. Die Erkenntnisse der Höchstgerichte haben hier in diesem Haus eine Debatte auszulösen – oder auch nicht; das wird auf den Einzelfall ankommen.

Dieses Erkenntnis in bezug auf die Familien wird eine Debatte auslösen, ja hat schon eine Debatte ausgelöst, und zwar in zweierlei Hinsicht: einmal vom Inhalt her, vom Thema her, weil Handlungsbedarf besteht und kein Konsens – das ist eine Seite –, und zum zweiten deshalb, weil man mit Recht feststellen muß – das sagen ja nicht nur die liberalen Abgeordneten aus Oppositionskeiferei, sondern das sagen ja auch andere, anerkannte Verfassungsexperten –, daß der Verfassungsgerichtshof in dieser Frage, unterstützt durch die Untätigkeit der Regierungskoalition, eindeutig seine Kompetenz überschritten hat. Darüber wird man wohl noch diskutieren dürfen, ohne bezichtigt zu werden, seine höchsten Organe geringzuschätzen oder zu mißachten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Eine Dissenting opinion ist so eine Selbstverständlichkeit in jedem ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) Daß Sie sie nicht wollen, das verstehe ich, und daß Sie sie mit gutem Grund nicht wollen, verstehe ich auch, daß sie aber ein demokratiepolitisches, ein klassisches Recht ist, das in jenes Gebilde gehört, in dem Sie nicht zu Hause sind, nämlich Minderheitenschutz oder Anhörung eines Schwachen, steht auch fest, denn das, meine Damen und Herren, ist ja das Wesen der Dissenting opinion: eine Chance für den Unterlegenen, sozusagen auch seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen. Das muß für Demokraten, für Menschen, die auf Ausgleich aus sind, Herr Feuerstein, die auf Ausgleich so viel Wert legen wie Sie, ein großes Anliegen sein. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Feurstein: Das ist ja ein Richterspruch!)

Es ist nämlich bei jeder Diskussion für den Unterlegenen wertvoll, zu wissen, warum er unterlegen ist. Und es ist für jeden, der gewinnt, wertvoll, zu wissen, mit welcher Stärke, mit welcher Überzeugung er gewonnen hat. (Abg. Dr. Fekter: Ein Urteil ist ja nicht abhängig von der Stärke!) Aber schauen Sie, Frau Fekter, das hat ja jetzt nichts damit zu tun, sondern es ist, wenn Personen miteinander umgehen, einfach wichtig, eine Dissenting opinion auch zu vernehmen, denn sonst werden Sie "blind" werden, meine Damen und Herren, werden Sie glauben, Sie haben 100 Prozent hinter sich, in Wirklichkeit aber nur mehr eine Minderheit. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wurmitzer: Auch die Liberalen haben nur eine Minderheit hinter sich!)

Ach, Wurm ...itzer! (Heiterkeit. – Abg. Wurmitzer: Das ist aber primitiv!) Schauen S’, Herr Wurmitzer, Ihre Antwort muß lauten: Arroganz! (Abg. Wurmitzer: Primitiv!) Das ist neu, aber bitte.

Lassen Sie mich noch zum letzten Punkt kommen, Herr Wurmitzer und meine Damen und Herren von der ÖVP, auch von der SPÖ! Es gibt da die berühmte "Lex Khol". (Abg. Dr. Fekter: Die Freiheitlichen berühren Sie nicht?) Die Freiheitlichen? – Es ist heute ein Glück, denn es gibt keinen Zeitdruck. Kennen Sie das? In der Debatte ist kein Zeitdruck, Sie dürfen ruhig mitdiskutieren. Ich bin gerne dazu bereit, aber ich habe den Vorteil der Mikrophone. Das ist Ihr Pech. (Abg. Schwarzenberger: Sie haben den Vorteil einer größeren Anzahl!) Vielleicht habe ich auch noch andere Vorteile, meine Herren, aber ich will sie jetzt einmal nicht behaupten. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Frau Fekter, im Vergleich zu Ihnen habe ich natürlich nur Nachteile. Das ist ja klar, das ist keine Frage. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Schwarzenberger: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung!) Ach, Herr Präsident, wie nett.

Lassen Sie mich aber ausführen, warum Herr Khol nach meinem Dafürhalten – und richten Sie ihm das aus – bei der Frage der Förderung von Druckschriften so irrt und nach meinem Dafürhalten auch so unredlich argumentiert. Im Absatz 2 werden Tatbestände angeführt, die zum Versagen einer öffentlichen Förderung führen. Die sind eine Selbstverständlichkeit, da sie, würden sie als Tatbestände gesetzt, gesetzlichen Vorschriften, geltendem Gesetz widersprächen. Es ist in dieser Republik verboten, nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten, und zwar nicht nur in Druckschriften, sondern selbstverständlich auch in Worten, wie Sie wissen. Wenn daher Herr Khol darauf Bezug nimmt, daß nach Vorstellung der Liberalen alles erlaubt sein soll, unter anderem nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten, muß ich ihm zwei Dinge sagen: Lieber Andreas, erstens wird dir das niemand glauben, denn die Liberalen in das nationalsoziali


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stische Eck stellen zu wollen, wird nicht einmal dir gelingen. Und zweitens ist es unredlich, weil es ohnehin ein Gesetz gibt. Aber es gibt diese Regelung des Abs. 2 Artikel 3 noch nicht, in dem sozusagen der Spielraum geschaffen wird. Frau Petrovic hat daher ganz richtig gesagt: Das ist ein drohendes Disziplinierungsinstrument!

Was heißt denn das? – Das Wehrgesetz ist ja ein interessantes Beispiel hiefür. Wenn jemand sich öffentlich gegen die Wehrpflicht oder gegen andere Dinge äußert – ist das dann Aufruf zum Gesetzesbruch? Und was ist, wenn ich – im Widerspruch zu meinem Freund und Kollegen Moser – sage oder drucken lasse: Schaffen wir das Bundesheer ab!? Ist das dann ein Verstoß in diesem Sinne? – Es ist das, meine Damen und Herren, der Versuch, und zwar ein ganz erster, die Meinungsvielfalt tendenziell einzustellen.

Da wir aber wissen, daß wir in diesem Punkt mehr als aufpassen müssen – der nächste Schritt ist gleich gesetzt, wenn es um mißliebige Meinungen in den Augen einer Mehrheit geht –, müssen wir uns als Opposition auch von Anfang an darauf "einschießen", müssen wir den Finger drauflegen und dürfen nicht aufhören, zu sagen: Das ist nicht richtig; hier droht Gefahr! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß Sie das, meine Damen und Herren, auch noch in einem Budgetgesetz verstecken, obwohl die Auswirkungen nicht einmal meßbar sind, finde ich besonders schäbig. Das hat mit dem Budget gar nichts zu tun, denn der Fall ist ja noch gar nicht eingetreten. Mit anderen Worten: Eine materiell-finanzielle Auswirkung für diesen Passus gibt es nicht. Ich glaube jedoch, Sie haben es mit Absicht getan, und zwar in der Hoffnung, daß ohnehin keiner drüberstolpern wird – was in Anbetracht des Stoßes nicht verwunderlich wäre.

Meine Damen und Herren! Last but not least ein Wort zur Volksanwaltschaft. Ich glaube, bei der Volksanwaltschaft dürfen und können wir Fragen der Effizienz, Fragen der Kosten durchaus debattieren, ohne sie grundsätzlich in Frage stellen zu wollen. Ich glaube, sie ist aufgerufen, von ihrer Seite her jene Maßnahmen zu setzen, die geeignet sind, nicht nur das Vertrauen in diese Institution zu stärken, sondern auch zu demonstrieren, daß sie bereit und in der Lage ist, vernünftige Organisationsformen und andere Regeln zu beachten.

Aber ein Grundsatz, meine Damen und Herren, wäre zu ändern, und der betrifft uns alle: Wie kommen die Damen und Herren von der Volksanwaltschaft ins Amt? – Wie wir wissen, auf Vorschlag der drei stärksten Parlamentsfraktionen. Der Sinn der Volksanwaltschaft – wie der Sinn anderer Kontrollinstanzen; und das wird wohl auch für die Volksanwaltschaft gelten, daß sie im Sinne eine Kontrollinstanz wirkt – läge eigentlich darin, diese Rechte den Minderheiten zuzugestehen. So wie es ein Minderheitsrecht sein sollte, parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach bestimmten Regeln einzusetzen, sollte auch die Bestellung von Volksanwälten ein Minderheitsrecht sein – zumindest aber ein Recht, von dem die Minderheiten nicht ausgeschlossen sind.

Wenn Sie das beibehalten wollen – und das wollen Sie offensichtlich, sonst hätten Sie unseren einschlägigen Antrag nicht niedergestimmt –, dann, meine Damen und Herren, werden Sie sich dem Vorwurf aussetzen müssen – diesmal auch mit der FPÖ –, daß Sie unter sich bleiben wollen, daß Sie die Macht nur zizerlweise teilen wollen, so wie Sie vom Wähler dazu gezwungen werden. Uns muß das eben entsprechend anfeuern oder stärken, zu sagen: Das wollen wir ändern! Und das werden wir auch tun. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stippel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.15

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Auch ich möchte mich, so wie mein Vorredner am Ende seiner Ausführungen, mit Problemen, mit Sorgen, mit Wünschen der Volksanwaltschaft befassen. Die Volksanwaltschaft ist eine Institution, die es nunmehr weit über 20 Jahre in diesem Lande gibt,


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die in ihrer bisherigen Tätigkeit jenen Bürgerinnen und Bürgern helfen sollte – und sehr, sehr oft auch geholfen hat –, die auf dem ordentlichen Rechtswege nicht mehr weitergekommen sind.

Für diese Ihre Tätigkeit, meine sehr geschätzten Damen und Herr Volksanwalt, darf ich Ihnen nicht nur im Ausschuß, sondern auch hier in aller Öffentlichkeit im Plenum herzlichst Dankeschön sagen (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP) und Sie auch ersuchen, in Hinkunft gemeinsam mit uns – darauf werde ich noch zu sprechen kommen – diesem Ziele der Hilfe für Bürgerinnen und Bürger näherzukommen und ihnen diese Hilfe auch weiterhin angedeihen zu lassen.

Die österreichische Volksanwaltschaft stellt international ein Vorbild dar. Sie hat vor allem beim Aufbau von Volksanwaltschaften in den ehemaligen Reformstaaten Hilfeleistungen gestellt. Also die österreichische Volksanwaltschaft gilt auch im Ausland etwas.

Probleme gibt es überall, Probleme hat die Volksanwaltschaft an uns, an den Gesetzgeber immer wieder herangetragen, und ich bin auch irgendwie ein direkt Betroffener, weil ich in den Kontakten zur Bevölkerung immer wieder mit einem Bereich besonders konfrontiert werde, nämlich mit dem Bereich Soziales.

Ich hatte persönlich erst vor wenigen Tagen mit einem ganz ähnlich gelagerten Fall zu tun, wie ihn die Volksanwaltschaft in ihrem 20. Bericht – dort betrifft es einen Fall aus Oberösterreich – schildert. Ich möchte darauf kurz zu sprechen kommen, weil ich glaube, daß der Gesetzgeber diesbezüglich in den nächsten Monaten schon gefordert ist. Es geht nämlich um das Antragsprinzip. Das heißt, wenn nicht rechtzeitig beantragt wird, dann kann es auch zu keiner Zuerkennung von berechtigten Leistungen im Sozialbereich kommen. Nun wissen wir aber alle, daß die Rechtskenntnis von verschiedenen Dingen abhängig ist, vor allem vom sozialen Status, also von der Schichtzugehörigkeit, von der Schuldbildung und auch von der regionalen Herkunft, daß also häufig diejenigen, die der Hilfe bedürften, gar nicht wissen, welche Rechte hinter ihnen stehen und welche Rechte sie daher ausschöpfen könnten.

Ich nehme Bezug auf einen Fall, den Sie auf Seite 32 in Ihrem Bericht geschildert haben, wonach jemand, der aufgrund des Impfschadengesetzes seit 29 Jahren eine soziale Leistung hätte empfangen können, diese nicht bekommen hat. Und genau von so einem ähnlichen Fall habe ich vor wenigen Tagen gehört, und ich weiß noch nicht, wieweit wir in diesem konkreten Fall Hilfestellung bieten können.

Ich meine also, daß der Gesetzgeber gefordert wäre, bei diesem Antragsprinzip auch eine rückwirkende Zuerkennung von Leistungen, und zwar zumindest bis zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruches, höchstens jedoch – natürlich muß man das einschränken – für die Dauer von fünf Jahren ab dem Tag der Antragstellung, zu beschließen. – Das ist das eine Problem.

Das zweite Problem, das sich im Sozialbereich immer wieder stellt, ist das Problem des sozialversicherungsrechtlichen Herstellungsversuches, das heißt, die Verpflichtung der Sozialversicherungsträger zu Auskunft und Beratung gesetzlich zu verankern. Denn wenn beispielsweise jemand, der einen Antrag auf Pension gestellt hat, abgewiesen, auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet wird, in der Zwischenzeit aber ein höchstgerichtliches Urteil bescheinigt, daß er recht gehabt hätte, er aber keine Auskunft bekommen hat, daher den Antrag auch nicht stellen konnte, dann fällt er durch das soziale Netz.

Auch wenn es organisatorisch seitens der Sozialversicherungsträger Probleme geben mag, geht es um die rückwirkende Herstellung eines gesetzlichen Zustandes. Daher, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Ringen wir uns durch zur gesetzlichen Schaffung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches!

In der Hoffnung auf eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Volksanwaltschaft und Hohem Hause möchte ich diese meine kurzen Ausführungen beenden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.20


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Stenographisches Protokoll
96. Sitzung / Seite 37

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

13.20

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Volksanwältinnen und Herr Volksanwalt! Kollegen und Kolleginnen! Die Budgetdebatten sind immer die schwierigsten Debatten, weil sie eine Woche lang dauern und schon am ersten Tag angesichts dessen, was uns an Diskussionen und Zuhörleistung noch bevorsteht, viele offensichtlich ermüdet sind. – Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist, daß diese Debatten für viele – vor allem von Ihnen, meine Damen und Herren von den großen Fraktionen – die einzige Möglichkeit und Gelegenheit sind, zu allen Themen Stellung zu nehmen und über alle Themen zu diskutieren. Ich sehe das auch durchaus positiv.

Ich bin es daher gewöhnt, vor halbleeren Bänken zu sprechen (Bundesministerin Mag. Prammer hat für wenige Minuten den Saal verlassen ) – auch ohne Frauenministerin. Das macht nichts. Das Thema ist trotzdem sehr wichtig, man kann es nicht oft genug anschneiden. (Abg. Dr. Nowotny: Gerade war sie noch da! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Grabner, auf die leeren Bankreihen der Grünen weisend: Die Grünen sind nicht da!)

Auch das spielt keine Rolle, denn meine Kolleginnen und Kollegen wissen längst, was ich zu diesem Thema sagen werde, teilen meine Meinung und unterstützen mich politisch – egal, ob sie da sind oder nicht –, im Gegensatz zu Ihnen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Aber Sie helfen mir eigentlich mit Ihren Zwischenrufen. Danke! Dadurch wird es hier wenigstens lebhafter, alle wachen auf oder kommen wieder herein, weil es so laut ist. Das ist wunderbar.

Aber nun zum Thema, zum Frauen-Volksbegehren und zur Umsetzung des Frauen-Volksbegehrens. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir wissen schon, was Sie dazu sagen!) Das müßten Sie eigentlich auch wissen. Das war nicht schwer zu erraten, Frau Kollegin Partik-Pablé. Wenn ich bei diesem Themenkomplex zum Rednerpult gehe, kann es wohl nur um Frauenpolitik gehen. (Abg. Öllinger: So ist es! Das sollten Sie sich merken, Frau Partik-Pablé!) Aber jetzt wissen Sie es halt, selbst wenn Sie es vorher noch nicht gewußt haben.

Ich muß Ihnen sagen, ich schätze die Optionen und die Aussicht auf eine erfolgreiche Durchsetzung des Frauen-Volksbegehrens – oder auch nur einiger Punkte des Frauen-Volksbegehrens – als ausgesprochen schlecht ein. Warum? – Genau wegen des Themas, über das wir heute diskutieren, nämlich über das Budget, über die Finanzierbarkeit oder die Finanzierungsmöglichkeiten der verschiedenen Maßnahmen.

Das ist das eigentliche Problem des Frauen-Volksbegehrens. Es reicht nämlich nicht aus, daß Sie alle – oder fast alle – in den Debatten zu dieser Thematik das eine oder andere unterstützen, zu dem einen oder anderen sagen: Das kann ich mir vorstellen!, oder: Das ist ja selbstverständlich, das wollten wir ja auch schon immer!, während dann, wenn es um die konkrete Umsetzung, sprich, um die Finanzierung geht, kein Geld dafür da ist. Eines der vielzitierten Beispiele dafür sind die Kinderbetreuungseinrichtungen.

Noch einmal zur Erinnerung: Die "Kindergartenmilliarde" – ein altes Wahlversprechen der Sozialdemokratischen Partei, eine "Kindergartenmilliarde" im Budget einzurichten; ursprünglich war sogar von jährlich einer Milliarde die Rede – ist auf einen Betrag von 600 Millionen Schilling geschmolzen, der nun nach Absicht der Regierung sogar nur ein einziges Mal ausgeschüttet werden soll.

Wir wissen, daß laut Statistischem Zentralamt zirka 140 000 bedarfsgerechte Kinderbetreuungsplätze notwendig wären, um dem Bedarf wirklich flächendeckend entsprechen zu können. 10 000 Plätze sind nun geschaffen worden. Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein!


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96. Sitzung / Seite 38

In Vieraugen-Gesprächen, in Beratungsgesprächen mit den Vertreterinnen des Frauen-Volksbegehrens gibt der eine oder andere Vertreter der Regierungsparteien durchaus zu, daß das natürlich zuwenig ist. So zum Beispiel auch Familienminister Bartenstein, der in einem Gespräch mit den Vertreterinnen des Frauen-Volksbegehrens sogar gesagt hat, er könne sich vorstellen, eine Verwendungszusage für weitere Geldmittel zu machen. Auch er sei für einen bedarfsgerechten und flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Da geht er sogar weiter als die Frauenministerin, die im Budgetausschuß sinngemäß gemeint hat: Das war eine Initialzündung des Bundes, und jetzt sind die Länder dran. – So leicht, so einfach machen Sie es sich, wenn es um die konkrete Umsetzung von bestimmten Maßnahmen geht! Sie putzen sich einfach ab. Sie sagen entweder: Es ist kein Geld da, es tut uns leid!, oder: Das war halt eine Initialzündung, aber jetzt sollen die Länder weitermachen!

Bei einem Auseinanderklaffen der Zahl von – noch einmal – rund 140 000 Plätzen, die gebraucht würden, und der Zahl von 10 000 Plätzen, die jetzt geschaffen worden sind, frage ich mich, wie Sie das Problem lösen wollen, selbst wenn Sie den Ball den Ländern zuschieben.

Ich bringe anschließend einen Entschließungsantrag betreffend die gemeinsame Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen durch Bund und Länder ein. Das ist übrigens auch eine Forderung von Herrn Familienminister Bartenstein: Bund und Länder sollen die Kinderbetreuung gemeinsam finanzieren. Wir greifen diesen Ball auf.

Unser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Kindergartenmilliarde

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Bund und Länder verpflichten sich zur gemeinsamen Finanzierung qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungsplätze, wobei der Bundesbeitrag jedenfalls 1 Milliarde Schilling jährlich bis einschließlich des Jahres 2000 betragen soll."

*****

Noch einmal: Wenn Sie Ihre Versprechen, die Sie zu Wahlzeiten gerne und locker abgeben, auch nur halbwegs ernst nehmen, dann kann es wohl kein Problem für Sie sein, hier einmal einen Schritt in diese Richtung zu tun.

Das ist ja keine von allen anderen Problemen losgelöste Frage. Wir haben in den vergangenen Wochen wiederholt hier darüber diskutiert, daß Sie auf der einen Seite mit den Sparpaketen der beiden letzten Budgets den Familien und vor allem den alleinerziehenden Frauen so ziemlich alles heruntergeräumt haben, was man nur herunterräumen kann, etwa die Sicherung von zwei Jahren Karenz, die vor allem für alleinerziehende Frauen von Bedeutung ist, und vor allem auch die Sicherheit für Frauen, daß ihre Betreuungspflichten im Vordergrund stehen, wenn es um die Vermittlung von Arbeit durch die Arbeitsämter geht.

In der Realität sieht das alles anders aus: Auf der einen Seite schränken Sie diesen Bereich durch das Sparpaket ein, auf der anderen Seite bauen Sie die Kinderbetreuungseinrichtungen nicht weiter aus, obwohl Sie es versprochen haben. Ihre diesbezüglichen Versprechen und die Realität klaffen weit auseinander.

Die Sozialministerin hat in einem Gespräch mit den Vertreterinnen des Frauen-Volksbegehrens von so etwas wie "Kulanzlösungen" gesprochen und davon, daß man das "halt so unter der Hand" regeln werde. Sie meinte, was die Vermittlung von Frauen mit Betreuungspflichten betrifft, sinngemäß in etwa: Naja, so zirka drei Monate lang könne man schon ein Auge zudrücken,


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und in den folgenden drei Monaten solle dann das Arbeitsmarktservice schauen, wo vielleicht eine passende Kinderbetreuungseinrichtung zu finden ist. Und danach sollten die Frauen schon zur Arbeit bereit sein, aber, na ja, andererseits gibt es natürlich auch Betreuungspflichten. – Man merkt schon: Das ist nicht wirklich greifbar. Da will man einen Spagat machen, der überhaupt nicht zu schaffen ist.

Eigentlich sind all Ihre Aktionen, die Sie in diesem Bereich setzen, in Wirklichkeit Bestrafungsaktionen, aber nicht nur für alleinerziehende Frauen, wie es die ÖVP gerne macht, sondern Bestrafungsaktionen für Frauen insgesamt und auch für die Familien. Wir wissen, daß die Frauen immer mehr zum Familieneinkommen beitragen müssen, aber sie sind gehandicapt und behindert, wenn es keine entsprechenden Kinderbetreuungseinrichtungen gibt.

Eine meiner Vorrednerinnen, Frau Kollegin Bauer, hat hier gesagt: Frauenpolitik ist vor allem Sozialpolitik, sie fällt vor allem in den sozialpolitischen Bereich. – Ich möchte dem widersprechen, indem ich sage: Frauenpolitik ist vor allem eine Frage von Gleichberechtigung! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schaffenrath. )

Schauen Sie sich all Ihre Maßnahmen an, die Sie im Bereich der Gleichberechtigung setzen, da wieder die Einsparungen. Wir haben im Frühjahr eine Anfragenserie über die Einsparungen im öffentlichen Dienst gemacht. Über 9 000 Planstellen wollten Sie einsparen; knapp die Hälfte davon wurde bei der Anfrage im Frühjahr als eingespart angegeben. Und alle Zahlen, soweit überhaupt vorhanden, deuten darauf hin, daß die Einsparungen "natürlich" wieder zu Lasten der Frauen gehen. Selbst in Ihren Antworten, Frau Ministerin, bekommen wir sehr gewundene Sätze zu hören, die darauf schließen lassen, daß, wenn es um Budgeteinsparungen und Gleichbehandlung und um die Gleichbehandlung im öffentlichen Dienst geht, auch die Maßnahmen im öffentlichen Dienst zu Lasten der Frauen gehen.

Schauen wir uns diese Gleichbehandlung, diese Gleichberechtigung einmal in anderen Bereichen an. Sie haben es nun nach drei Jahren endlich geschafft, eine Regionalstelle für Gleichbehandlungsfragen in Tirol einzurichten – das heißt, wenn es überhaupt so weit kommt, denn ich glaube es erst, wenn sie eröffnet wird. Aber Sie können heute – trotz eines Antrages, trotz jährlicher Urgenzen, trotz aller Bemühungen, die immer wieder beteuert wurden – keinen Plan vorweisen, wie der weitere Ausbau der Position der Gleichbehandlungsanwältin aussehen wird, wie die weitere Regionalisierung dieser Einrichtung erfolgen soll.

Wenn ich noch weitergehe und alle Einrichtungen, alle Stellen, die mit dem Bereich Gleichberechtigung zu tun haben, aufzähle und dazusage, wie diese im Budget behandelt und dotiert werden, dann zeigt sich, daß erstens Frauenpolitik Gleichberechtigung und Gleichberechtigungspolitik ist, und zweitens, daß wieder in genau diesen Bereichen gespart wird. Wichtige Einrichtungen im Bereich der Gleichberechtigung sind nicht nur die Gleichbehandlungsanwältin oder die Regionalisierung dieser Einrichtung, nicht nur die Frauenbeauftragten im öffentlichen Dienst, die übrigens auch ein Lied davon singen könnten, wie sehr sie unter der völlig unzureichenden Ausstattung ihres Amtes zu leiden haben, sondern es sind vor allem die Frauenberatungsstellen in den Ländern, die wesentliche Aufgaben erfüllen.

Frau Ministerin! Sie sagen, Sie sehen Ihre Aufgabe darin, auch hier nur eine Initialzündung zu geben. Sie betonen, daß Sie den Dauerbestand nicht sichern können, obwohl Sie andererseits sagen, daß das Bestehende nicht gefährdet werden soll. – Das ist der gleiche Spagat wie vorhin, der gleiche Spagat, den die Sozialministerin zu machen versucht, aber auch Sie werden ihn nicht schaffen. Er wird nur dorthin führen, wohin er nämlich schon geführt hat: zu einer sinnlosen Weiterverweisung der Frauenberatungseinrichtungen von einer Stelle zur anderen, ohne Ergebnis.

Wir haben uns die Mühe gemacht, das "Netzwerk der österreichischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen" darüber zu befragen, woher sie eigentlich ihre Mittel bekommen. Wissen Sie, daß es zehn verschiedene Stellen sind, von denen diese Stellen ihre Mittel bekommen? Wissen Sie, daß die Mitarbeiter dieser Beratungsstellen einen großen Teil ihrer Arbeitszeit damit zubringen müssen, Ansuchen an zehn verschiedene Stellen zu schreiben, bei diesen Stellen dann


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nachzuhaken, zu urgieren, neue Projekte einzureichen und so weiter? – Das ist kostbare Arbeitszeit, die in diesen Frauenberatungsstellen zu Lasten wichtiger anderer Agenden verlorengeht?

Wissen Sie, daß diese Frauen- und Mädchenberatungsstellen eine Reihe von Aufgaben erfüllen, die zwar nach außen hin unter dem Begriff "Gleichberechtigung" erfaßt sind, die aber vor allem auch der Berufsorientierung und der Erweiterung des Berufswahlspektrums dienen, und zwar bis hin zur Rechtsberatung, bis hin zur Gesundheitsberatung, bis hin zu Bildungsveranstaltungen, bis hin zu Freizeitangeboten für Mädchen, was zum Beispiel auch eine sehr wesentliche Aktivität darstellt. Sie erfüllen also eine Reihe von sehr wichtigen Aufgaben. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist das Angebot von Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Wenn wir es mit der Gleichberechtigung der Frauen ernst nehmen, dann sind diese Einrichtungen im Budget mindestens genauso abzusichern wie die Familienberatungsstellen.

Frau Ministerin! Es ist nicht einzusehen, daß für die 310 Familienberatungsstellen im Budgetvoranschlag 1998 etwa 110 Millionen Schilling veranschlagt sind, während für die Frauenberatungsstellen im selben Budgetvoranschlag nur 27 Millionen Schilling unter dem Titel "Sondermaßnahmen" vorgesehen sind.

Es ist aber absolut inakzeptabel, daß, wie Sie uns im Ausschuß erklärt haben, eigentlich nur 55 Prozent dieser 27 Millionen Schilling tatsächlich den Frauen- und Mädchenberatungsstellen zugute kommen. Wie wollen Sie das erklären? Wie wollen Sie als Frauenministerin in der Öffentlichkeit noch einmal behaupten, daß Sie die Maßnahmen des Frauen-Volksbegehrens unterstützen, wenn Sie sich nicht einmal diese eine kleine Maßnahme der Finanzierung der Frauenberatungsstellen, der budgetären Verankerung der Gleichstellung mit Familienberatungsstellen, auf Ihre Fahnen geheftet haben?! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schaffenrath. )

Frau Ministerin! Sie sind unglaubwürdig in Ihrer Politik! Sie sind unglaubwürdig, wenn Sie sich nur dann hier herausstellen, wenn es opportun ist, wenn es ein Volksbegehren zu unterschreiben gibt, wenn Sie zwar einerseits sagen: Ich unterstütze dieses Volksbegehren!, aber andererseits in diesem Ihrem ureigensten Bereich, im Bereich der Gleichberechtigung, der Gleichbehandlung – einer der wenigen Bereiche, die Sie als Frauenministerin haben –, keine konsequenten Maßnahmen ergreifen, wenn Sie in diesem Bereich keine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit machen, wenn Sie in diesem Bereich nicht aufzeigen, daß diese Einrichtungen der Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwältinnen, aber auch der Frauenbeauftragten im öffentlichen Dienst eine gesicherte existentielle Absicherung benötigen.

Wenn Sie das alles nicht tun, laufen Sie Gefahr, Frauenministerin zu sein, ohne noch irgendetwas dazu sagen zu können, weil man Ihnen alles unter den Fingern weggespart hat, bevor Sie sich auch nur einmal haben umdrehen können.

Wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Finanzierung von Frauenberatungs- und -serviceeinrichtungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten möge

in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen die Zahl, Tätigkeit und die Finanzierung sämtlicher Frauenberatungs- und -serviceeinrichtungen in Österreich erheben und einen Bericht darüber vorlegen;


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eine Reform der Finanzierung der Frauenberatungsstellen in die Wege leiten und dazu insbesondere den vom Netzwerk verfaßten Entwurf eines Frauenberatungs-Finanzierungsgesetzes berücksichtigen."

*****

Zum Abschluß dieses Kapitels möchte ich noch ein anderes aktuelles Thema aufgreifen. Frau Ministerin! Sie haben sich bei Ihrem Amtsantritt und zu Beginn Ihrer Ministertätigkeit immer heftig dagegen gewehrt, daß Frauen zum Bundesheer gehen sollen, daß diese Option eröffnet werden soll. – Sie haben nun nachgegeben, Sie haben zugestimmt, und es wird bald soweit sein: Im April werden die ersten Frauen zum Bundesheer kommen.

Frau Minister! Sie haben es aber verabsäumt, der Propaganda der ÖVP, wonach in diesem Bereich Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, entgegenzutreten. Angeblich wird es für Tausende Frauen Arbeitsplätze geben. – Davon kann überhaupt keine Rede sein! Kein einziger Arbeitsplatz wird zusätzlich geschaffen! Planstellen werden eingespart, und zwar auch im Landesverteidigungsministerium. Nochmals: Es wird kein einziger Arbeitsplatz in diesem Bereich geschaffen!

Wer immer hier heraußen steht und glaubt, daß das eine Maßnahme der Gleichbehandlung oder der Gleichberechtigung sei, lügt sich in den eigenen Sack! (Beifall bei den Grünen.) Das ist Schönfärberei, die Sie von der ÖVP hier betreiben, indem Sie sagen, Sie öffnen diesen Bereich für die Frauen. Es geht doch lediglich um den Präsenzdienst. Da geht es doch in keiner Weise um die Schaffung von Arbeitsplätzen! Gleichzeitig erfolgen doch Einsparungen im Landesverteidigungsministerium, wo die weiblichen Bediensteten aufgrund dieses Gesetzes nun berechtigterweise darauf warten, denselben Berufsweg wie die Männer einschlagen zu können! Das ist der einzige Aspekt, der interessant gewesen wäre. Es erfolgt jedoch eine Reduzierung der Zahl der Planstellen; das sei hier noch einmal ausdrücklich gesagt.

Aber Sie stehen nicht an, einfach dazu zu schweigen. Sie sagen nichts dazu. Sie sagen nicht, daß das keine Maßnahme der Gleichbehandlung ist, daß das nichts anderes ist als ein Akt der Schönfärberei, eine offensichtliche Good-will-Aktion, ein "Zuckerl" für die ÖVP. Frau Minister! Was gibt sie Ihnen denn dafür? Hat Ihnen die ÖVP irgend etwas dafür gegeben? Hat sie Ihnen dafür irgendwann einmal etwas im Bereich der Frauenpolitik genehmigt? – Meines Wissens nicht. Ich weiß zumindest nichts davon.

Frau Minister! Sie geben nach, die Sozialdemokratie gibt nach! Sie hat ja in den letzten Monaten das Niederknien und Nachgeben schon geübt. Sie geben nach – und bekommen überhaupt nichts dafür!

"Frauen zum Heer" ist keine Maßnahme, die den Frauen auch nur einen einzigen Arbeitsplatz bringt, keine Maßnahme der Gleichbehandlung und der Gleichberechtigung. Und es ist das im übrigen eine höchst untaugliche Maßnahme zur Reduzierung des Bundesheeres und zum Abbau aller militärischen Einrichtungen. (Beifall bei den Grünen.)

13.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Kammerlander soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und ist Gegenstand der Verhandlungen.

Es hat sich jetzt Frau Bundesministerin Mag. Prammer zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.38

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, Frau Abgeordnete Kammerlander, daß Sie eigentlich sehr wenig mit- und nachvollziehen, was eine Frauenministerin oder gerade die Frauenministerin in Österreich tut? Wissen Sie, daß ich sehr viel davon in Publikationen, Veröffentlichungen und in den Medien immer wieder dargestellt habe? Wissen Sie, daß


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ich erst vorige Woche mit den Frauenreferentinnen, den beamteten wie denen der Landesregierungen, in sehr intensiven Gesprächen einen Tag lang zusammengesessen bin, um zu überlegen, wie es mit Frauenprojekten weitergehen soll?

Wissen Sie, daß ich eine Tournee durch Österreich mache, um genau jenen Weg der Frauenprojekte, den Sie zitiert haben, abzukürzen und auf eine entsprechende Finanzierungsbasis zu stellen? (Abg. Öllinger: Das wissen wir nicht! Woher sollen wir es wissen?!) Und wissen Sie auch, daß es eine österreichische Bundesverfassung gibt, die eindeutig die Kinderbetreuungseinrichtungen in die Kompetenz der Länder legt? – Ich muß Ihnen sagen: Ich bin überhaupt nicht bereit, die Länder aus dieser Kompetenz, aus dieser Zuständigkeit zu entlassen. Schließlich und endlich gibt es einen Finanzausgleich, der genau das mit berücksichtigt, daß nämlich die Länder diese Aufgabe die Kinderbetreuungseinrichtungen betreffend wahrzunehmen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Steibl. )

Ich bin gerne bereit – und ich würde mir wünschen, im Rahmen der Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich viel Unterstützung hier im Hohen Haus zu erhalten –, da Kompetenzen zu verschieben und auch entsprechende Dotierungen auf Bundesebene in Aussicht zu nehmen. Das mag sehr viel Sinn haben, und es gab in der Vergangenheit auch Frauenministerinnen, die das immer wieder versucht haben, aber die Unterstützung hat zumeist gefehlt.

Ich möchte noch etwas zu Ihrem Appell bezüglich Frauenberatungsstellen sagen: Die Frauenberatungsstellen liegen mir am Herzen. Ich lade alle – gerade Sie als weibliche Abgeordnete dieses Hohen Hauses – ein, mitzudiskutieren, welche Aufgaben Frauenberatungsstellen haben. Es ist nicht nur das Schlagwort, das in den Mittelpunkt gestellt werden kann, und damit haben wir das Problem gelöst, sondern das ist viel diffiziler. Ich bin gerade dabei, das gemeinsam mit jenen, die vor Ort in den Regionen arbeiten, zu definieren. In Vorarlberg ist es anders als in Wien. In Vorarlberg sehen die Strukturen anders aus als in Wien. All das muß mit berücksichtigt werden. Ich habe auch den Vertreterinnen der Länder versprochen, einen sehr starken regionalen Ausgleich zustande zu bringen.

Es kann nicht immer nur Zufall sein, wo die Projekte entstehen. Denn es gibt Bedürfnisse der Frauen, die sich aus dem Frausein ableiten – und nicht daraus, daß sich vielleicht motivierte Frauen zusammentun und ein Projekt entstehen lassen. Es muß diesbezüglich viel klarer und viel strukturierter in Zukunft gearbeitet werden. All das ist sehr intensiv vorzubereiten, die Diskussionen, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. – Viel ist darüber gesprochen worden, wie sich Budgets entwickeln und wie sich das Budget 1998 entwickeln wird. Ich habe das auch im Budgetausschuß gesagt: Das Frauenbudget wird nicht nur nicht gekürzt, sondern es wird im Gegensatz zu anderen Budgets erhöht. Also auch das möchte ich hier nicht so im Raum stehenlassen, sondern in das richtige Licht rücken.

Zur Gleichbehandlungsanwaltschaft und zur Regionalisierung ist zu sagen: Schauen wir uns einmal an, wie es funktioniert, wenn wir in Tirol eine Regionalstelle haben. Sammeln wir doch zunächst einmal Erfahrungen mit dieser regionalen Gleichbehandlungsanwaltschaft, bevor wir den nächsten Schritt setzen! – Wie wird diese Stelle in Anspruch genommen? Was leitet sich daraus ab? – Und dann sollte man meines Erachtens den nächsten Schritt setzen; also einen nach dem anderen und nicht zwei zugleich.

Sie haben auch das Thema "Frauen im Bundesheer" angeschnitten. Auch da kann ich Ihnen nur raten: Lesen Sie das gesamte Konvolut, dann werden Sie sehen, daß keine einzige Frau in ein Ausbildungsverhältnis wird eintreten können, wenn Sie nicht gleichzeitig im Anschluß an das Ausbildungsverhältnis einen Arbeitsplatz in Aussicht hat. Sie kann auch den Rechtsweg beschreiten und verschiedene Instanzen anrufen, sollte ihr das vorenthalten werden. Das heißt natürlich, daß nur eine kleine Zahl von Frauen ins Bundesheer eintreten kann. Wir beziehungsweise ich habe zumindest immer gesagt – das Ergebnis zeigt es ganz deutlich –: Mit diesem Entwurf dieses Gesetzes wird nicht der Ersatz des Präsenzdienstes angestrebt, sondern der Weg in das Berufssoldatinnentum. Wir wissen – Sie haben es selbst auch einer heutigen Zeitung gegenüber wiedergegeben –, daß es viele Frauen auf Zivildienstposten gibt, die eigentlich


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keine Zivildienstposten sind. Aus diesem Grunde sollten sie auch die Chance haben, die militärische Laufbahn zu machen.

Eines war mir ganz wesentlich, und ich glaube, das ist mir auch gelungen: Keiner Frau soll etwas vorgemacht, etwas lukriert oder schmackhaft gemacht werden, das nachher nicht eingehalten werden kann. Das war mir das Wesentliche und das Wichtige: Frauen sind kein Ersatz für fehlende Präsenzdiener, sondern Frauen sollen da unter Umständen eine berufliche Möglichkeit haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Daß das nicht unbedingt das Wichtigste im Sinne der Tätigkeit einer Frauenministerin ist, habe ich auch immer betont. Aber da ich guten Gewissens gesehen habe, daß mit diesem Entwurf tatsächlich den Bedürfnissen der Frauen Rechnung getragen wird, bin ich zur Ansicht gelangt, daß es doch jene, die das unbedingt wollen, auch tun können sollen. Ich bin überzeugt davon, es werden ohnedies nicht sehr viele sein, die diesen Weg einschlagen werden.

Noch etwas, was mir als Frauenministerin sehr wichtig ist: Ich höre immer wieder von den vielen Zielen, die formuliert werden, gerade auch im Rahmen des Frauen-Volksbegehrens. Ein Ziel ist klar: Es geht um die gleichen Chancen, es geht um die Gleichberechtigung. – Machen wir es!, sagen dann immer alle. Aber das Machen bedarf auch des Wegbeschreitens, und die Wege dorthin werden sehr unterschiedlich definiert. Würde es so leicht sein, die Wege klar und deutlich über alle ideologischen Grenzen hinweg auf einen Punkt zu bringen, dann wären wir schon um einiges weiter. Aus diesem Grunde muß man auch so manche Maßnahme immer wieder daraufhin überprüfen, ob das, was gesagt wird, nicht nur gutgemeint, sondern auch gut getan ist, denn beides liegt manchmal sehr weit auseinander.

Ich sage eines ganz offen: Das, was für mich als Frauenministerin das Wichtigste ist, ist das Unter-einen-Hut-Bringen von Beruf und Familie. Das ist es in Wirklichkeit! Und wer will, daß ungleiche Löhne der Vergangenheit angehören, wer will, daß ungleiche Pensionen der Vergangenheit angehören und vieles andere mehr, der muß sich auch um die gerechte Aufteilung der Versorgungsarbeit kümmern. Das ist nicht privat, das ist öffentlich, und genau auf dieses Thema läßt sich die Ungleichbehandlung immer wieder zurückführen. Solange dieses Thema nicht der Vergangenheit angehört, solange dieses Thema immer wieder sogar aus der Vergangenheit geholt wird, so lange werden wir in bezug auf die Frauen keine Fortschritt machen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.46

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich heute ein bißchen mit der Medienpolitik beschäftigen – diese ressortiert ja zum Herrn Bundeskanzler – und gleich einleitend festhalten, der wichtigste medienpolitische Grundsatz der Österreichischen Volkspartei ist die Erhaltung und Erweiterung der Medien- und Meinungsvielfalt in Österreich! (Beifall bei der ÖVP.)

Für die ÖVP ist es jedenfalls ordnungspolitisch wünschenswert, daß durch mehr Vielfalt und durch mehr Wettbewerb, die noch in diesem Jahr durch die Vergabe privater Radiolizenzen entstehen werden, publizistische Macht weiter verteilt, die Gefahr der Monopolisierung und die der medialen Bevormundung begrenzt werden, indem jetzt der Medienkonsument die Möglichkeit haben wird, auf mehr Anbieter zurückgreifen zu können, und sich diese Anbieter im Wettbewerb dem Konsumenten stellen müssen. (Abg. Öllinger: Unglaublich!) Das ist eine richtige Entwicklung! (Abg. Ing. Meischberger: 160 Millionen für das "Neue Volksblatt"!) Zu dieser Entwicklung haben wir einiges beigetragen, und wir begrüßen auch diesen Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Für uns sind Medien und auch ihre Inhalte nicht irgendwelche Waren, wie etwa Waschmittel, sondern sensible Produkte, auf die wir großes Augenmerk legen müssen. (Abg. Mag. Stadler: Stimmt es, daß Sie Geschäftsführer vom "Neuen Volksblatt" sind?)

Darauf werde ich auch noch zu sprechen kommen. Herr Meischberger hat seine Inkompetenz in der Medienpolitik jahrelang bewiesen. Er möge also zuerst bei sich beginnen! (Beifall bei der ÖVP.) Herr Kollege! Von Ihnen – das ist sicher – können wir weder in der Medienpolitik noch in der Geschäftspolitik irgend etwas lernen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Sie brauchen 160 Millionen wegen Meischberger!)

Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns seit jeher zu einem dualen Rundfunksystem, das heißt, zu einem Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem Rundfunk, wie der ORF einer ist, und von privaten Radio- und Fernsehanstalten. Für uns ist es dabei wichtig, daß es zu einer Vermehrung von Arbeitsplätzen in der Medienbranche kommt. Die Entwicklung in Österreich war ja so, daß wir in den letzten Jahren Medienarbeitsplätze ins Ausland exportiert haben, so zum Beispiel in die Bundesrepublik Deutschland. (Abg. Ing. Meischberger: Herr Kollege! Sie können schon aufhören!) Diese Entwicklung auch in Österreich einzuleiten, ist für uns eine wichtige Aufgabe. (Abg. Ing. Meischberger: Herr Kollege! Sie können schon aufhören, der Bundeskanzler hat bereits überwiesen!)

Meine Damen und Herren! Deshalb begrüßen wir diese medienpolitische Entwicklung hin zu mehr privaten elektronischen Medien und damit auch zu mehr Vielfalt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es muß auch eine Reihe von Maßnahmen gesetzt werden: Zum einen brauchen wir eine Reform des ORF-Gesetzes. Wir brauchen aber auch die Ermöglichung von österreichweitem privatem terrestrischem Fernsehen, und wir brauchen schließlich auch die Schaffung einer unabhängigen Medien- und Telekommunikationsbehörde. Auch das ist ein Anliegen, das wir im nächsten Jahr konsequent verfolgen werden. (Abg. Ing. Langthaler: Sie haben etwas davon!)

Wir von der Österreichischen Volkspartei sind jedenfalls der Meinung, daß der ORF auch in Zukunft seinen Schwerpunkt und sein Selbstverständnis auf seine Aufgabe als öffentlich-rechtliche Anstalt legen muß. Er soll das vor allem bleiben, das kann er. Denn, meine Damen und Herren, alles andere können Private zumindest genausogut, das aber gebührenfrei. – Das werden wir aber auch in den nächsten Jahren sehen.

Ob die angepeilte Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft dabei eine gute Idee ist, wage ich zu bezweifeln (Abg. Ing. Meischberger: Ihr Molterer wollte das!) , weil ich der Vereinbarkeit von öffentlich-rechtlichem Auftrag und Aktiengesellschaft mißtraue. Der ORF soll und muß auch in Zukunft öffentliche Interessen wahrnehmen, so zum Beispiel den Bildungsauftrag, den Kulturauftrag und den Informationsauftrag. (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. ) Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist aber verpflichtet, die Gewinne des Unternehmens zu steigern. Und somit kann man einer ORF AG nur bedingt öffentlich-rechtliche Auflagen machen. Als Aktiengesellschaft wäre der ORF auch gezwungen, weniger ertragreiche Programmbereiche an den Rand zu schieben, etwa das Kultur- und Bildungsprogramm oder die Beachtung regionaler Interessen. Und ebenso wäre die bisher praktizierte Einschränkung bei den Werbezeiten in Frage gestellt.

All das, meine Damen und Herren, sind gewichtige Gründe, die in diesem Falle gegen eine Aktiengesellschaft sprechen, Dinge, die wir auch in der Diskussion berücksichtigt haben wollen.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich auch die unqualifizierte Kritik im Rahmen des 2. Budgetbegleitgesetzes an der Novellierung des Publizistikförderungsgesetzes entschieden zurückweisen, die insbesondere von den Grünen und auch heute von Frau Klubobfrau Petrovic geübt wurde. (Abg. Öllinger: Die Förderung der Meinungsvielfalt!)

Meine Damen und Herren! Wir haben mit dieser Novellierung klar festgelegt, wann und unter welchen Voraussetzungen Medien zu fördern beziehungsweise nicht zu fördern sind. Nicht zu fördern sind jene, die zum gewaltsamen Kampf gegen die Demokratie oder den Rechtsstaat


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aufrufen, die Gewalt gegen Menschen als Mittel der Politik befürworten und die wiederholt zur allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet auffordern.

Unsere verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit erlaubt es, daß sowohl rechts- als auch linksextreme Meinungen publiziert werden können, und dabei bleibt es, und dabei soll und muß es auch bleiben, aber: Es verlangt auch die Verfassungstreue zu unserer Republik, daß ihre Feinde nicht mit Steuerschillingen gefördert werden. Das ist jedenfalls unsere Position! (Beifall bei der ÖVP.)

Für uns ist deshalb klar: Wir werden uns auch weiterhin mit Entschiedenheit gegen Angriffe auf die Fundamente unserer Gesellschaft wehren. Weder links- noch rechtsextreme Zeitschriften sollen mit Steuermitteln gefördert werden. Und als Parlamentarier halte ich es für selbstverständlich, darauf zu achten, daß öffentliches Geld, daß Steuermittel, daß Gelder der Ministerien nur an jene Organisationen und Vereine gehen, die rechtstreu und verfassungskonform sind und auf dem Boden unserer Gesetze und unserer Verfassung stehen. Das muß für Zeitschriften genauso gelten wie für Organisationen und Vereine. (Beifall bei der ÖVP.)

13.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

13.54

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Nach dem Geschäftsführer des "Neuen Volksblattes" ... (Abg. Dr. Fekter: Herausgeber!) – Herausgeber ist er auch noch! (Abg. Mag. Kukacka: Nur Geschäftsführer!) Nur Geschäftsführer!

Frau Wirtschaftsfachfrau für Schottertechnik! Sie sollten wissen, was Ihr Parteikollege vertritt: Er hat heute seine eigenen Interessen vertreten.

Aber ich darf gleich einen anderen prominenten ÖVPler zitieren und begrüße es, Herr Präsident Neisser, daß gerade Sie jetzt den Vorsitz führen. Sie wissen, daß ich Sie gerne zitiere. Sie sprachen also:

"Wir beantragen Untersuchungsausschüsse – der Zug der Mehrheit fährt drüber. Wir bringen schriftliche Anfragen ein, wo sich Abgeordnete erkühnen, zu fragen, was Ministersekretäre bezahlt bekommen. In einer rechtlich fragwürdigen Begründung wird ihnen die Antwort verweigert, weil angeblich das Ganze unter Datenschutz fällt." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das sprach Heinrich Neisser am 10. Juni 1986. – Und es hat sich nichts geändert seit der Rede von Heinrich Neisser im Juni 1986! Die Opposition bringt Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ein, mit dem Ergebnis – ich zitiere Herrn Präsidenten Dr. Neisser –, daß die Mehrheit drüberfährt. Die Opposition stellt Anfragen, die Antworten werden immer schnodderiger, sie werden immer durchsichtiger, man bezieht sich immer mehr auf den "Paravent" des Datenschutzes und glaubt, damit das Parlament hinters Licht führen zu können.

Deswegen, Herr Präsident Neisser, deswegen, Hohes Haus, hat sich die Opposition im Mai dieses Jahres veranlaßt gesehen, die Ausschüsse kurzfristig für einige Wochen zu boykottieren. – Geändert, meine Damen und Herren, hat sich aber überhaupt nichts!

Geändert hat sich nur, daß die parlamentarischen Mehrheitsfraktionen ein Verfahrensrecht für die Untersuchungsausschüsse beschlossen und gleichzeitig dazugesagt haben, es werde totes Recht bleiben. Man hat jetzt zwar nicht mehr die Ausrede, es gebe kein Verfahrensrecht, die gesetzgebende Körperschaft kann theoretisch kontrollieren – das konnte sie aber vorher auch schon –, nur das Feigenblatt, das ein Verfahrensrecht fehle, ist weggefallen.

Geändert hat sich an der Kontrollfeindlichkeit der Mehrheit dieses Hauses nicht nur nichts seit der Beschlußfassung dieser neuen Geschäftsordnung, sondern es hat sich auch seit der


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epochalen Rede des nunmehrigen Präsidenten Heinrich Neisser aus dem Jahre 1986 nichts verändert. Man kann nur immer wieder Heinrich Neisser recht geben und sagen: Die Mehrheit fährt drüber!

Herr Präsident! Es ist bedauerlich, daß Sie heute zu dieser Mehrheit gehören und leider auch immer wieder beim "Drüberfahren" dabei sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Aber eines muß ich gleich zur Ehrenrettung des Herrn Präsidenten Neisser dazusagen: Er war es jedenfalls, der vor wenigen Tagen einbekannt hat, daß das, was die Regierung bei der Beschlußfassung der Pensionsreform dem Parlament zugemutet hat, eine einzige Zumutung war. Er hat wörtlich gesagt: Wir sind an die Grenze dessen angelangt, was man der Opposition zumuten kann, vor allem was die rechtzeitige Information betrifft. – Und Herr Präsident Neisser hat dann eindrücklich davor gewarnt und gesagt, daß man so mit der Demokratie nicht weiterverfahren könne.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bedauere, daß jetzt Herr Präsident Dr. Fischer nicht im Plenarsaal anwesend ist, denn ich hätte mir von ihm heute im Rahmen dieser Debatte eine Klarstellung darüber gewünscht, wieso er zuschaut, wenn über einen Konsultationsmechanismus die Rechte dieses Parlamentes untergraben werden, wieso er zuschaut, wenn – nach den Worten des Zweiten Präsidenten Neisser – der Opposition dieses Hauses, also der kontrollierenden Gewalt, solch eine Vorgangsweise von seiten der Regierung, wie das in den vergangenen Wochen der Fall war, zugemutet wird.

Ich möchte von Herrn Präsidenten Fischer wissen, was er davon hält, daß die gesamte Budgethoheit in Zukunft exekutivlastig werden soll, daß die gesamte Budgethoheit in Zukunft überhaupt auf die Landeshauptleutekonferenz und auf ein sogenanntes Konsultationsgremium ausgelagert werden soll.

Ich möchte von Herrn Präsidenten Fischer wissen, was er als erster Präsident dieses Hauses dazu zu sagen hat, daß die Mehrheit dieses Hauses bis heute jede parlamentarische Kontrolle verweigert. – Kein Wort ist dazu von ihm zu hören! Wir hören lediglich den einen oder anderen vorsichtigen Kommentar vom Zweiten Präsidenten Dr. Neisser, während sich der erste Präsident in der Rolle des Anstandswauwaus, des Arbiter elegantiarum, des Ordnungsruferteilers bei der einen oder anderen Verbalinjurie gefällt. – Als ob das das Hauptproblem dieses Parlamentes wäre!

Präsident Dr. Fischer verkennt und übersieht völlig, daß dieses Haus in seinen Grundrechten bedroht ist, daß dieses Haus in Zukunft nicht einmal mehr die Budgethoheit haben wird!

Meine Damen und Herren, insbesondere jene von der Österreichischen Volkspartei! Sie wollen beschließen – ich habe gehört, die Regierung ist willens, das durchzupeitschen –, daß man zunächst einmal den Städtebund und den Gemeindebund, somit Vereinen von der Rechtsqualität eines Bienenzuchts- und Imkervereines, in Zukunft die Staatsvertragsfähigkeit gibt, damit sie in Zukunft gemeinsam mit dem Bundeskanzler, der Bundesregierung und den Landeshauptleuten die Budgethoheit an sich ziehen können. Das heißt, jeder Antrag, den wir im Parlament einbringen, der eine finanzielle Konsequenz für eine Gemeinde oder ein Bundesland hätte, kann in Zukunft von dem betreffenden Bundesland oder vom Gemeindebund oder vom Städtebund zu Fall gebracht werden.

Verfassungsbeschwerde: Über diese Kompetenz sollten Sie, meine Damen und Herren, einmal nachdenken! – Herr Puttinger! Sie haben einen substantiellen Beitrag? – Nein, Sie haben keinen. Sie winken ab. Dann bitte ich Sie auch, das Silentium zu wahren, lieber Herr Puttinger! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie keinen Beitrag einzubringen haben, dann wahren Sie Silentium und harren der Dinge, die schriftlich niedergelegt sind!

Hier ist festgelegt, daß das Konsultationsgremium in Zukunft die Finanzausgleichsgesetzgebung übernimmt. Frau Obfrau des Justizausschusses! Was sagen Sie als Parlamentarierin dazu? – Nicht mehr dieses Parlament hat in Zukunft die Finanzausgleichsgesetzgebung inne, als ureigenste Kompetenz des Parlaments, nein, in Zukunft ist die Finanzausgleichsgesetzgebung bei


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einem nebulosen Konsultationsgremium zu finden – wenn all das Gesetz werden soll, und Sie wollen ja ein Verfassungsgesetz daraus machen.

Sie wollen dem Parlament das Recht, auch in Zukunft den Finanzausgleich eigenständig und ausschließlich zu regeln, nehmen. Können Sie das irgend jemandem in diesem Hause noch erklären, hintreten und sagen: Wir schützen die Rechte des Parlaments!? – Präsident Fischer verschweigt sich, wenn ein Recht der gesetzgebenden Körperschaft nach dem anderen beschnitten wird. Ich kann das nicht mehr und würde mir wünschen, daß Präsident Fischer auch dazu endlich einmal klare Worte finden würde, bevor er sich wieder zum großen Ordnungsruferteiler in Sachen Verbalinjurien aufschwingt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Sind Sie für Vorarlberg?)  – Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das sind die entscheidenden Dinge!

Frau Fekter! Erklären Sie mir einmal, welche Rolle der Bundesrat in Zukunft noch haben soll, diese 66 Politikerbezüge-Bezieher, wenn sie in Zukunft von den Landeshauptleuten ersetzt werden? – Die Landeshauptleutekonferenz soll in Zukunft die Aufgabe der Wahrung der Rechte der Länder übernehmen, nicht mehr der Bundesrat. Wozu brauchen wir ihn dann noch? – Schicken wir seine Mitglieder doch heim, lösen wir ihn auf! (Abg. Dr. Fekter: Sie sind also gegen eine Bundesstaatsreform, gegen Vorarlberg? Sie wollen alles in Wien konzipiert haben!)

Ich bin nicht nur nicht gegen eine Bundesstaatsreform, sondern ich hätte mir gewünscht, daß die Österreichische Volkspartei vor dem EU-Beitritt den Mund nicht so voll genommen, sondern den Mut gehabt hätte, sie zu beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie hat damals im Bundesrat der Mut verlassen, dieses Begleitgesetz zu Fall zu bringen, als Sie die letzte Möglichkeit für eine Reform des Bundesstaates gehabt hätten.

Verehrte Frau Kollegin Fekter! Gehen Sie in Ihren eigenen Reihen kontrollieren und sehen Sie, wie mutlos Ihre eigenen Leute sind, wenn es um die Verteidigung der Rechte der Länder geht! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Sie sind nur dann dabei, wenn es darum geht, Kammerinteressen zu wahren und die Rechte des Parlaments zu beschneiden. Dann sind Sie dabei. (Abg. Dr. Fekter: Das ist unschlüssig! Das ist durcheinander, was Sie da referieren!)

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß noch ein Beispiel dafür, wie die Rechte des Parlaments und seiner nachgeordneten Organe beschnitten werden: bis heute kein Wort aus der Präsidialkanzlei, was die Aufwertung der Volksanwaltschaft anlangt.

Die Volksanwaltschaft schreibt seit Jahren Anliegen in ihre Berichte, schreibt, wie ihre Aufgabe besser erfüllt werden könnte – kein Wort davon, auch von Ihnen nicht. Er spricht nur in eigener Sache für seine Presseförderung. Die Volksanwaltschaft interessiert ihn nicht. Das Anliegen der Bürger, eine funktionierende Volksanwaltschaft zu haben, die auch tatsächlich eine Normenbeschwerde etwa beim Verfassungsgerichtshof einbringen kann, interessiert ihn nicht.

Meine Damen und Herren! Auch kein Wort des Präsidenten Fischer davon – ganz im Gegenteil, er hat das Ganze noch genehmigt –, daß in diesem Hause Veranstaltungen stattfinden, bei denen ganz offenkundig Gesetze mißachtet werden, etwa wenn die Mitarbeiter des Hauses für die Ausstattung und die Organisation eines Round-table-Gesprächs zum Thema "Prostitution als Erwerbsarbeit?" herangezogen werden, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Fekter: Das war eine Klubveranstaltung! Das war doch eine Klubveranstaltung!) Nein, das war keine Klubveranstaltung! Diese Veranstaltung hat im Lokal IV stattgefunden, erreichbar über das Eingangstor 4, das ist das Eingangstor der Sozialisten, veranstaltet vom Liberalen Forum, von den Grünen und von den Sozialisten! Am Podium saß Herr Kollege Jarolim von den Sozialisten. (Abg. Mag. Kammerlander: Was ist Ihr Problem dabei? Was ist Ihr Problem?)

Ich möchte nur daran erinnern, welches Theater derselbe Präsident gemacht hat, als unser Klubobmann ein von ihm selbst verfaßtes Buch präsentieren wollte. Dafür wollte er das Parlament nicht hergeben, aber für Veranstaltungen, die etwas betreffen, mit dem offensichtlich gegen Gesetze verstoßen wird – Sie sind doch hoffentlich einer Meinung mit mir, daß Prostitution nach wie vor gesetzwidrig ist –, steht das Parlament und müssen die Beamten dieses Hauses jederzeit zur Verfügung stehen. (Abg. Öllinger: Wir sind nicht in Vorarlberg, Herr Kollege


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Stadler! Wir sind nicht in Vorarlberg!) Nein, aber falls es Ihnen nicht aufgefallen ist: Es ist in ganz Österreich nicht zulässig, der Prostitution nachzugehen. Oder wollen Sie das ändern? (Abg. Öllinger: Ja! Ja!) Sie wollen es ändern, das kann ich mir vorstellen, aber wir wollen es nicht ändern. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Prostitution in Gesamtösterreich eine verbotene Erwerbstätigkeit ist, genannt "gewerbliche Unzucht", Herr Öllinger! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.  – Abg. Ing. Langthaler: Seien Sie nicht so bigott! Mein Gott, sind Sie bigott!) Ich setze Ihnen dann gerne auseinander, was im Detail unter "gewerblicher Unzucht" zu verstehen ist. Sie machen Veranstaltungen darüber, wie man daraus eine legale Tätigkeit macht.

Machen Sie so viele Veranstaltungen, wie Sie wollen, nur: Ich rege mich darüber auf, daß sich dieser Präsident zum Anstandswauwau dieses Hauses macht und auf der anderen Seite gesetzwidrige Veranstaltungen zuläßt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Sexualstrafrechtsdebatte eröffnen!) Man untergräbt so systematisch die ureigensten Aufgaben und das Ansehen des Parlaments, und zwar jene, die permanent vorgeben, dieses Ansehen schützen zu wollen.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich jedenfalls, jetzt einmal monopolhaft bei Ihnen, Herr Präsident Neisser, daß Sie hin und wieder ein Quentchen Mut finden, auch für die Rechte dieses Hauses einzutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Otmar Brix. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.05

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! In den Sitzungen des Rechnungshofausschusses im vergangenen Jahr haben wir uns mit einer großen Zahl von in guter Qualität ausgearbeiteten Berichten auseinandergesetzt. Es gab natürlich sehr viele positive, aber auch negative Berichte. Ich erinnere nur daran, daß zum Beispiel der Bericht über die ÖIAG, aber auch jener über den ORF positiv waren. Ein negativer Bericht mit sehr vielen Mängeln war jener über die Altlastensanierung.

Im Gegensatz zu den wieder in sehr derben Worten vom Herrn Abgeordneten Stadler vorgetragenen Mahnungen an die Republik möchte ich sagen, daß gerade im Bericht des Rechnungshofes ein Spiegelbild dieser Republik gezeigt wurde, nämlich daß es um das Haus Österreich im großen und ganzen sehr gut bestellt ist.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Natürlich haben wir auch von unserer Seite aus einige Anmerkungen zu machen. Es ist schade, daß der Präsident des Rechnungshofes heute nicht anwesend sein kann und entschuldigt ist, da er auf einer sehr wichtigen Tagung weilt, denn ich hätte ihm sehr gerne gesagt, daß es für uns nach wie vor ein sehr großes Problem gibt, was das Veröffentlichen von Rohberichten anlangt. Ich denke da nur an die meiner Ansicht nach sehr gezielte Hinaustragung eines Rohberichtes vor den Landtagswahlen in Oberösterreich, als auf einmal konzediert wurde, wie wichtig Lambach sei, daran, wie schnell ein noch nicht fertiger Bericht hinausging. Wir, die Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hauses, hatten keine Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen.

Ein Vorschlag seitens meiner Fraktion wäre daher, daß, wenn schon Rohberichte hinausgehen, aus welchen Gründen auch immer, alle Fraktionen dieses Hauses mit diesen Rohberichten konfrontiert werden, daß sie für uns alle zur Einsichtnahme aufliegen.

Wir haben im vergangenen Jahr zum erstenmal auch den Ständigen Unterausschuß ins Leben gerufen und dabei ein sehr wichtiges Thema, nämlich das Beschaffungswesen des österreichischen Bundesheeres, diskutiert. Wenn Herr Abgeordneter Stadler das kritisiert, so möchte ich ihn darum bitten, daß er mithilft, daß die Kollegin, die den Vorsitz im Ständigen Unterausschuß führt, mehr mit der Geschäftsordnung vertraut gemacht wird, damit eine effizientere Arbeit geleistet werden kann, damit nicht immer vorher über die Geschäftsordnung diskutiert werden muß. (Abg. Scheibner: Das stimmt nicht! Das ist unfair!)


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Eines muß man auch dazu sagen: Der Unterausschuß des Rechnungshofausschusses befaßt sich mit dem Bericht des Rechnungshofes und ist kein – wie immer auch von der Opposition gewollter – Untersuchungsausschuß. Wir haben dort das Papier, das vom Rechnungshof vorgelegt wird, zu diskutieren. Das ist das Thema der Diskussion und nicht eine hineingetragene Untersuchung – noch dazu, wenn es überhaupt, wie es beim Thema Beschaffungswesen der Fall war, keinen politischen Skandal gibt. Es geht doch nicht, daß man einfach versucht, einen Skandal hineinzubringen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte, da ich eingangs bereits gesagt habe, daß immer ein sehr qualitätsvoller Bericht des Rechnungshofes vorlag, den Dank meiner Fraktion an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rechnungshof aussprechen, die dazu beigetragen haben, daß es gute und ordnungsgemäße Berichte gab. Gestatten Sie mir noch, ein Zweites dazuzusagen. Die sozialdemokratische Fraktion tritt auch dafür ein, daß jene Beamte, die im Rechnungshof tätig sind, auch weiterhin im Schema der Pragmatisierung bleiben sollen, daß es zum Schutz der Beamten dort zu einer Pragmatisierung kommt. Aber die sozialdemokratische Fraktion fordert in diesem Zusammenhang nicht nur die Pragmatisierung und damit die Unter-Schutz-Stellung der Beamten dort, sondern auch eine Objektivierung der Postenvergabe. Ich glaube, man muß auch bei der Besetzung im Rechnungshof mehr Objektivität herrschen lassen, als sie bereits gegeben ist.

Abschließend kann man nur feststellen, daß das Thema Rechnungshofbericht oft sehr stark emotionalisiert wird. Wir sollten uns darüber nicht zu stark emotionalisieren, sondern wir sollten auf Basis jenes Berichtes, der vorgelegt wird, diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

14.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.11

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Es ist mir wichtig, bevor ich auf die Ausführungen der Frauenministerin eingehe und insgesamt zur Frauenproblematik Stellung nehme, ganz kurz die Ausführungen der Kollegin Bauer von der ÖVP näher zu beleuchten.

Sie hat zwar dankenswerterweise anerkannt, daß Frauenpolitik eine Querschnittsmaterie sei, aber auch gesagt, daß quasi naturgemäß der größere Teil der Frauenpolitik in den Bereich der Sozialpolitik fallen müsse. Das ist eine Bestätigung des Standes der Gleichbehandlung der Frau in der gesellschaftlichen Realität, nämlich daß sie nach wie vor einer besonderen sozialen Fürsorge bedarf, der besonderen Absicherung, weil aufgrund fehlender Rahmenbedingungen eine echte Gleichstellung in der gesellschaftlichen Realität bisher leider verwehrt geblieben ist.

Noch etwas war sprachlich interessant: daß selbst Frauen aus "gut dotierten Ehen" auch noch in die Gefahr der Altersarmut kommen könnten. Das ist für uns ein ganz deutliches Zeichen dafür, daß all jene Frauen, die der Familienpolitik der ÖVP ihr ganzes Ohr leihen, die darauf vertrauen, über eine Ehe sozial abgesichert zu sein, fast zwangsläufig in die Armutsfalle tappen müssen.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben anläßlich Ihrer Antrittskonferenz sehr viele Initiativen angekündigt. Ich habe hier Ihre OTS-Meldung vom 12. Februar, damals sprachen Sie noch davon, daß bei jeder Arbeitsmarktoffensive auch an das Problem "Frauen" gedacht werden müßte, daß es Frauen auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer hätten und Sie sich daher in alle Arbeitsmarktoffensiven der Regierung einbringen möchten.

Das Gleichbehandlungspaket wollten Sie evaluieren, um sozusagen die nächsten Etappenziele formulieren zu können. Sie beklagen die Arbeitslosenzahlen, die bei den Frauen überproportional stark steigen. Sie orten Handlungsbedarf im Bereich der Aus- und Weiterbildung und wollen geplante Projekte, wie etwa EU-geförderte, beschleunigt umsetzen. Sie wollten die Kampagne ihrer Vorgängerin "Töchter können mehr!" überarbeiten, das Informationsmaterial neu auflegen und um neue Bereiche erweitern. Sie haben auch das Problem der relativ wenigen


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Berufsfelder für Frauen erkannt. Sie wollten sich Gedanken über das Nachtarbeitsverbot für Frauen und vieles mehr machen.

Sie haben heute Kollegin Kammerlander eine Zusammenfassung Ihrer bisherigen Aktivitäten gegeben. Ich halte diese für eine Frauenministerin, die ihr politisches Gewicht für Frauen in die Waagschale werfen sollte, für beschämend. Sie sagt, Sie hätten Informationsmaterial verteilt, Sie hätten frauenpolitische Belange in den Medien dargestellt, Sie hätten sogar letzte Woche einen ganzen Tag mit Frauenreferentinnen zusammengesessen und würden auch noch eine Reise durch Österreich planen. Das ist meiner Meinung nach eine sehr bedauerliche Zusammenfassung. Ich muß Ihnen leider sagen, daß ich echte Aktivitäten, einen echten Einsatz für Frauen, ein tatsächliches Umsetzen, ein Angehen von Problemen in den meisten Bereichen vermisse.

Sie sagten auch noch, Sie möchten in Zukunft klarer und strukturierter vorgehen, man möge doch abwarten, wie sich die Gleichbehandlungsanwaltschaft, von der wir hoffen, daß sie 1998 kommt, bewährt. Bitte, lesen Sie den Bericht der Gleichbehandlungsanwältin! Sie bekommen ausreichend Informationen über das Ost-West-Gefälle im Bereich der Beratungen, Sie bekommen ausreichend Informationen darüber, warum eine Regionalisierung in möglichst allen Bundesländern umgehend zu erfolgen hat, gerade in Zeiten, in denen sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Frauen verschärft, in denen Frauen gezielt an den Herd zurückgeschickt werden, in denen gerade eine Gleichbehandlungsanwaltschaft die einzige Möglichkeit ist, für Frauen einen halbwegs fairen Zugang zum Erwerbsleben und eine halbwegs faire Chance auf höherqualifizierte Beschäftigung sicherzustellen. Da brauchen Sie nicht mehr abzuwarten, dazu sollten Sie ein Konzept vorlegen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie sind in Ihrer Wortmeldung nicht auf die Forderungen des Frauen-Volksbegehrens eingegangen. Die Initiatorinnen des Frauen-Volksbegehrens schätzen Ihre Haltung auch ganz richtig ein, sie sagen: "Von schönen Worten werden Frauen nicht satt." Jedenfalls haben Sie in diesen Bereichen die Erwartungen von 640 000 Frauen nicht erfüllt. Ich vermisse in den meisten Bereichen Ihre politischen Schwerpunktsetzungen.

Ich frage Sie hier noch einmal: Wo haben Sie sich bei diesem Budget konkret für Frauen eingebracht? Wo haben Sie bei diesem Budget Ihr politisches Gewicht als Frauenministerin in Querschnittsmaterien in die Waagschale geworfen? Wo haben Sie bisher konkret eine Ihrer Ankündigungen – über das Prospekte-Verteilen hinaus – auch umgesetzt? – Ich kann keine tatsächlichen Ansätze zur Verbesserung der Frauensituation erkennen. Es gibt nichts, was die ohnehin so schwierige Situation der Frauen, verschärft durch die Sparpakete I und II, zumindest gemildert hat.

Es gibt vielleicht einen positiven Punkt: Die Eröffnung des Frauen-Business-Centers halte ich für einen wichtigen Schritt, da es dabei darum geht, den Frauen den Einstieg in die Selbständigkeit zu erleichtern, aber das ist nicht Ihr "Kind". Die Vorarbeit dafür hat Ihre Vorgängerin, Frau Konrad, geleistet, und in diesem Fall steht ihr – ich möchte fast sagen das Ergebnis – der Erfolg dieser Arbeit zu. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ihre Handschrift für Frauen haben Sie jedenfalls im Zusammenhang mit der Pensionsreform nicht hinterlassen. Wenn in etwa der einzige Ansatz ist, daß die Anrechnung der Beträge für Kinderbetreuungszeiten jetzt bei 7 880 S liegt – Sie hatten einen Monat vorher noch 8 100 S in die Diskussion eingebracht –, dann muß ich sagen: Das ist wenig! Das wird jedenfalls die Frauen nicht aus dem Bereich der Ausgleichszulagenbezieherinnen herausbringen. Sie sind mit einem Anteil von 72 Prozent der weitaus größere Teil.

Sie haben es wirklich verabsäumt, in diesem Rahmen für eine Versicherungspflicht für alle Frauen, für eine eigenständige sozialrechtliche Absicherung für alle Frauen initiativ zu werden. Sie hätten zumindest ein echtes Diskussionsmodell vorlegen können. Es gab bereits sehr konkrete Vorarbeiten von Ihrer Vorgängerin im Bereich Pensionssplitting – ich weiß, das war nicht Ihr Modell –, im Bereich Versorgungsausgleich. Da sind Sie heute – das muß ich Ihnen sagen – noch nicht so weit, wie Ihre Vorgängerin vor etwa neun Monaten bereits gewesen ist.


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Sehr geehrte Frau Ministerin! Am Prinzip der Mitversicherung weiter festzuhalten – Ihre Ministerkollegin Hostasch hat gesagt, das wäre ein wesentliches Kriterium der Familienpolitik –, wird sich immer wieder als Bumerang für die Frauen erweisen. Solang Frauen in ihrer sozialrechtlichen Absicherung vom Ehemann oder ausschließlich von der Erwerbstätigkeit abhängig sind, können Sie im Rahmen dieser sogenannten Pensionsreform für Frauen keine Lösung finden. Da brauchen Sie neue Ansätze, ein ganz anderes Denken.

Ich möchte Sie gerne einladen, sich auch in diesem Zusammenhang einmal mit unserer Grundsicherung im Detail auseinanderzusetzen. Das ist ein Meilenstein in der Frauenpolitik. Damit wird eine soziale Absicherung, die existentielle Grundsicherung eben, auch von Frauen unabhängig von Erwerbstätigkeit oder Ehe sichergestellt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir haben nach wie vor die Situation, daß etwa 430 000 Frauen überhaupt keinen eigenen Pensionsanspruch haben. Wir haben die Situation, daß 350 000 Frauen zwar einen eigenen Pensionsanspruch haben, dieser aber nur durchschnittlich 7 200 S beträgt. Und selbst wenn Frauen einen eigenständigen Anspruch haben und Witwenpension beziehen, kommen sie erst auf die durchschnittliche Pensionshöhe von Männern.

Es zeigt sich ganz deutlich: Die Frauenproblematik ist im Rahmen dieses Pensionssystems nicht zu regeln. Dieses Pensionssystem mit den insgesamt durchgeführten Reparaturen wird aber auch die Pension für alle anderen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Zukunft nicht sicherstellen können.

Sie haben die geringfügig Beschäftigten jetzt in die Sozialversicherungspflicht mit einbezogen. Auch das ist für diese Frauen keine Lösung. Jene Frauen, die in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, sind in finanziell sehr, sehr schwierigen Situationen. Die Freiwilligkeit der Versicherung stellt sich für diese Frauen nicht. Sie können es sich schlicht und einfach nicht leisten, diesen freiwilligen Versicherungsbeitrag zu bezahlen. Daher reduziert sich die sozialrechtliche Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten eigentlich, möchte ich fast sagen, ziemlich provokant etwas hintergründig auf eine einnahmenseitige Sanierung in diesem Bereich. Sie wird den Frauen nicht zugute kommen. Es wird damit eine arbeitskostenerhöhende Maßnahme gesetzt, aber die Absicherung der Frauen können Sie dadurch nicht erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insbesondere durch die neuen Zahlen im Zusammenhang mit Armut hier in Österreich ist ja wieder deutlich geworden, daß gerade Alleinerzieherinnen davon überproportional betroffen sind, genauso wie Frauen in ländlichen Regionen, in denen insbesondere ein großer Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen besteht.

Frau Ministerin! Wenn Sie heute hier sagen, da müsse man einfach die Länder in die Pflicht nehmen, man habe doch mit 600 Millionen Schilling viel getan, möchte ich Sie alle daran erinnern: Diese 600 Millionen Schilling des Bundes für die Kinderbetreuung waren ein Trostpflaster nach den wirklich erschreckenden Ergebnissen der Sparpakete I und II für die Frauen. Es hätte 1 Milliarde sein sollen. Mit diesen 600 Millionen Schilling finanziert der Bund ja nicht ausschließlich die Einrichtung von Kinderbetreuungsstellen. Die Länder haben ohnehin ihren Beitrag zu leisten. Ich fordere Sie hier wirklich auf, sich zumindest für die noch offenstehenden 400 Millionen Schilling stark zu machen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Kollegin Kammerlander hat ja schon gesagt: 140 000 Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen und 10 000 konnten jetzt neu geschaffen werden. Ich möchte gar nicht darauf eingehen, daß wir nach wie vor eine drastische Unterversorgung bei den unter 2- bis 3jährigen Kindern haben, was natürlich die Alleinerzieherinnen in besonderem Maße trifft, da die Karenzzeit für diese Frauen ja de facto auf eineinhalb Jahre verkürzt wurde. Ich vermisse auch Maßnahmen von Ihrer Seite, um im Bereich der Kinderbetreuung Privatinitiativen zu fördern, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die selbstorganisierten Kindergruppen gleiche Chancen geben. Das geht bis zur Möglichkeit der steuerlichen Absetzung von Kosten für die Kinderbetreuung.

Was den Betriebskindergarten im Bundeskanzleramt betrifft: Die Kinder dort haben wirklich mein größtes Wohlwollen. Ich gönne ihnen eine optimale Betreuung. Aber wenn ich mir vorstelle, welches Privileg für 20 bis 30 Kinder geschaffen wird und um welchen Preis, dann frage


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ich Sie schon, warum Sie dann, wenn es zum Beispiel um die Gründung von Betriebskindergärten in anderen Bereichen geht, jegliche Initiative vermissen lassen. Dieser Betriebskindergarten bekommt leider – gut für die Kinder, aber "leider" für die Situation der Frauen in Österreich – deutlich mehr Geld als alle Frauenprojekte Österreichs insgesamt. So steht es jedenfalls in Ihrem Budget!

Sehr geehrte Frau Ministerin! Da Sie die Bildungs- und Qualifizierungsoffensive, die für Frauen so dringend notwendig ist, angesprochen haben, muß ich feststellen: Wir haben in Österreich nach wie vor eine beschämende Diskriminierung im Bildungsbereich von Frauen im Vergleich zu Männern. Wir haben, wie Sie ja richtig gesagt haben, eine verengte Berufswahl bei Mädchen, die dazu führt, daß sich Frauen insbesondere in weniger chancenreichen und schlechter bezahlten Berufsfeldern wiederfinden. Aber das Austeilen von Informationsmaterial wie etwa "Töchter können mehr!" oder das Ankündigen einer Mädchenklasse in der HTL in der Spengergasse reichen eben nicht aus. Sie müssen wirklich Initiativen setzen. Es gibt genügend engagierte Frauen, die in Schulen beschäftigt sind und die durch Eigeninitiative all die Ergebnisse schon vorbereitet haben, bei denen Sie nur noch ansetzen müßten.

Ich würde mir wirklich wünschen, daß Sie hier mit der Unterrichtsministerin endlich Aktivitäten setzen. Es fehlen Initiativen in der LehrerInnenausbildung. Es gibt von Ihrer Seite her keine klare Forderung nach Mädchen- und Bubenbeauftragten an den Schulen. Es wäre sicher lohnend, gemeinsam mit der Unterrichtsministerin Gleichbehandlungsfragen, eine Gleichbehandlung der Geschlechter in die Bildungs- und Lehraufgaben der einzelnen Unterrichtsgegenstände in allen Schulen und in allen Schulstufen einzuarbeiten, denn ein Unterrichtsprinzip "Gleichstellung der Geschlechter" bleibt an Schulen der Beliebigkeit und dem Engagement der einzelnen Lehrer und Lehrerinnen überlassen und wird die Situation nicht wesentlich verbessern.

Wir haben in Österreich – zu diesem Thema kann ich meine Ausführungen kurz halten, weil Kollegin Kammerlander ja bereits darauf hingewiesen hat – höchst erfolgreiche Frauenprojekte und Frauenberatungsstellen in weiten Bereichen. Die Frauenprojekte, insbesondere jene im Bereich der Qualifizierung, werden wirklich systematisch ausgehungert und klammheimlich, möchte ich fast sagen, vom Arbeitsmarktservice übernommen. Eine längerfristige Finanzierung ist für sie nicht sichergestellt. Ich zweifle hier an dieser Stelle die Qualität des Arbeitsmarktservice an, wenn es um eine echte Beratung von Frauen und wenn es um eine Höherqualifizierung von Frauen geht.

Ich sage: Das Arbeitsmarktservice wird seinem gesetzlichen Auftrag, der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, nicht gerecht. Das wundert mich auch gar nicht. Die Bildungseinrichtungen, mit denen das AMS fast ausschließlich zusammenarbeitet und mit denen gemeinsam EU-Projekte durchgeführt werden, sind sozialpartnerschaftlich dominiert, und daß leider auch in der Sozialpartnerschaft in allen Bereichen und auf allen Ebenen so gut wie nur Männer das Sagen haben, ist allgemein bekannt.

Ich denke, Frau Ministerin, Sie sollten Ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen, Sie sollten sich sozusagen nicht damit begnügen, Gegebenes einfach weiterhin zu akzeptieren. Warum fordern Sie nicht mehr Kompetenzen? Warum fordern Sie nicht die Kompetenz zum Beispiel hinsichtlich der Kofinanzierung von Frauenprojekten, damit Sie da eine Gestaltungsmöglichkeit haben, damit Sie dafür sorgen können, daß auch andere Frauenprojekte Chancen haben, daß andere Frauenprojekte nicht in einem bürokratischen Förderdschungel ersticken, daß deren Probleme im Bereich der Vorfinanzierung, der Finanzierung, der zeitlichen Befristung ausgeräumt werden? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Zeit wird immer kürzer. – Ich frage Sie, Frau Ministerin: Was wurde denn aus Ihrer Forderung nach einer halben Technologiemilliarde für Frauen? Ich frage Sie: Was wurde bisher im Zusammenhang mit der geplanten Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz geleistet, damit die Gleichbehandlungskommission nicht nur quasiberatende und -empfehlende Funktion hat, sondern endlich auch Konsequenzen gezogen werden können?


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Ich bitte Sie, Ihre Nachdenkphase im Zusammenhang mit der Nachtarbeit endlich abzuschließen. Hängen Sie sich bitte nicht, fast möchte ich sagen, an den Schürzenzipfel der Gewerkschaft! Schaffen Sie dieses für Frauen kontraproduktive Schutzgesetz ab! Dadurch hat man schon viele Arbeitsplätze verloren.

Frau Kollegin Hlavac! Ich gebe Ihnen recht: Es gibt im Bereich der Frauen viel zu tun. Es hätte schon lange sehr viel zu tun gegeben. Die letzte Lassnig-Studie macht ja wieder deutlich, daß es noch 100 Jahre dauern wird, bis Frauen gleichgestellt sind, wenn wir weiter in dieser Geschwindigkeit vorgehen.

Frau Ministerin! Von Ihnen erwarte ich mir einfach mehr als das Aussenden von Postkarten, um die Befindlichkeit der Frauen zu erheben. Bedienen Sie sich bitte der noch von der ehemaligen Frau Ministerin Dohnal in Auftrag gegebenen Studien! Diese haben viel Geld gekostet. Sie geben Ihnen klar und deutlich Auskunft darüber, wo Handlungsbedarf besteht. Ich ersuche Sie wirklich, als Frauenministerin hier endlich tätig zu werden. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

14.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Fekter hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Bitte, Sie haben dazu das Wort. Beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

14.31

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Ich bringe eine tatsächliche Berichtigung bezüglich der geltenden Rechtslage zur Prostitution. Kollege Stadler hat hier mehrmals insistiert, daß Prostitution strafbar wäre und in Österreich die gewerbliche Unzucht verboten sei. Das ist falsch.

Richtig ist vielmehr: Verboten ist die Zuhälterei. Nach dem Strafgesetzbuch strafbar ist auch die Zuführung einer Frauenperson zur gewerblichen Unzucht. Die gewerbliche Unzucht an sich ist kein strafrechtlicher Tatbestand, auch die Werbung dafür nicht. Unbeschadet davon gibt es aber landesrechtliche Vorschriften, die die Prostitution regeln. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Mag. Stoisits.  – Abg. Dr. Khol: Nicht einmal bei der Prostitution kennt er sich aus!)

14.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Morak. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

14.32

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Betreffend beide Budgetkapitel ist vorweg festzuhalten, daß die Ansätze durchgängig auf dem Stand des Jahres 1997 eingefroren worden sind. So begrüßenswert es ist, daß es im Bereich der Kunst und Kultur keine Änderung gegeben hat, überrascht es doch, daß budgetär keinerlei Schwerpunktsetzungen vorgenommen worden sind. Es entsteht dadurch der Eindruck einer kunstpolitischen Stagnation. (Abg. Dr. Haselsteiner: Doch nicht der Eindruck!) Jeder formuliert das anders, ich sehr vornehm. (Beifall bei der ÖVP.)

Besonders fällt dies im Bereich des Filmwesens auf und steht damit im krassen Widerspruch zu den von Bundeskanzler Mag. Klima öffentlich getätigten Ankündigungen, parallel zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes eine wirksame Mittelerhöhung für den Film durchsetzen zu wollen. Die zweite Schwerpunktsetzung des Herrn Bundeskanzlers war hinsichtlich der Architektur. Gestatten Sie, daß ich auf diese Punkte kurz eingehe.

Grundsätzlich sind beide Forderungen richtig. Ich komme zuerst auf den Film zu sprechen.

Der Film ist mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Verwertung ein ideales Medium des Imagetransfers und des Identitätstransfers, resultierend aus dem nahezu unendlichen Programmbedarf diversester Veranstalter. Aus der speziellen historischen österreichischen Situation – ich erwähne hier den ORF und das Monopol des ORF – gibt es hier nur die Spezies des Auftrags


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produzenten; das sind Produzenten, die ihr Geld damit verdienen, daß sie, und zwar lange Jahre hindurch, vom ORF Geld bekommen, um eine Produktion abzuwickeln, diese nicht dann mit Gewinn zu verkaufen, internationale Verbindungen im Filmgeschäft zu erhalten und aufzubauen, mit Verleihern Verträge abzuschließen und so weiter.

Zweitens: Die Filmförderung war immer das Stiefkind im Kunstbudget. Einerseits gibt man dem Film nicht die steuerlichen Möglichkeiten durch Abschreibmodelle, sondern regelt das über Transfermodelle. Wenn wir einen Vergleich heranziehen: Die Bundestheater nehmen 2,4 Milliarden Schilling netto, das ÖFI, also das Filmförderungsinstitut, 105 Millionen Schilling. – Das zur Disparität und zur Wertigkeit, die wir dem Film zuordnen.

Daß sich diesbezüglich trotz der Schwerpunkte, die der Herr Bundeskanzler verkündet hat, im Budgetansatz nichts geändert hat, daß hier mittelfristig an keine Maßnahmen gedacht ist, ist bedauerlich. Der Herr Bundeskanzler hat im Ausschuß gemeint, es seien 200 Millionen Schilling Rücklagen gebildet worden. Ich bin dem nachgegangen, und man hat mir gesagt, das wäre im Bereich der Mythen und Sagen.

Trotzdem: Es gibt auch eine positive Nachricht dazu. Es ist heute das Filmförderungsgesetz durch den Ministerrat gegangen. Ich glaube, das ist ein guter, neuer Zugang zu diesem Thema. Es ist ein erster Schritt. Die Verhandlungen sind, glaube ich, sehr konstruktiv und sehr positiv abgelaufen. Wir haben uns sehr bemüht, unsere Vorstellungen diesbezüglich einzubringen.

Der zweite Punkt ist die Architektur. Ich glaube, wir hatten auch eine Enquete hier im Parlament über Architektur. Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, das wäre ein Schwerpunktthema. Ich glaube, es ist zuwenig, wenn man das nur sagt, man sollte dem auch Taten folgen lassen. Ich könnte mir vorstellen, daß es ein Zentrum oder eine Clearingstelle für Architektur gibt – ähnlich dem, was es in Wien mit dem Architekturzentrum gibt, Hilfe vor Ort quasi. Man sollte, wie Architekten meinen, nicht immer nur auf die Bürgermeister einprügeln, weil sie erste Bauinstanz sind, sondern man muß ihnen in dieser schwierigen Zeit, in der die Menschen immer schwerer Zugang zur Architektur finden, auch eine Möglichkeit der Beratung und der Hilfestellung zukommen lassen. Das könnte durchaus eine Initiative des Bundes sein.

Zweitens: eine Maßnahme zur verstärkten Wahrnehmung der Bauherrenschaft. Das wurde des öfteren bei dieser Enquete moniert. Das bedeutet, daß sich die Architekten im Wirrwarr, im Dschungel der verschiedensten Kompetenzen der Projektmanager, der Facility-Manager und der Bauabwickler zurechtfinden müssen. Alle zusammen lösen die Verantwortung und die Verantwortlichkeiten auf. Es gibt keinen Bauherrn mehr. Mit dem Bauherrn – so meinen die Architekten – könnte auch der Architekt verschwinden und mit dem Architekt die Architektur.

Drittens: Wir haben in unserem Land große Defizite im Bereich der Copyrights. Auch Architektur hat etwas mit Copyright zu tun. Das hängt damit zusammen, daß unsere Wertschätzung für originäre intellektuelle und kreative Leistungen nicht sehr ausgeprägt zu sein scheint. Wir bewerten das Makeln mit Häusern höher als die Planung von Häusern. Wir bewerten Bauaufsicht höher als das Erfinden des Baus. Ablesbar ist das, wenn man sich durch die Landschaft bewegt und kritisch das verbaute Gelände anschaut. Sie werden selbst wissen, was ich damit meine. Daß wir damit in Europa nicht allein sind, ist auch klar. Ungefähr 5 Prozent der umbauten Umwelt wird durch Architekten gestaltet. Ich glaube, hier ist eine Initiative wirklich notwendig und es bedarf mehr als nur einer Ankündigung.

Herr Bundeskanzler! Sie schulden, wenn für Sie die Architektur wirklich ein Schwerpunktthema ist, diesem Land einen essentiellen und existentiellen Diskurs über die Architektur: Was ist für Sie Architektur? Wie schaffen wir in der Bevölkerung ein Bewußtsein für Architektur? – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der ÖVP.)


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14.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.38

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen Volksanwältinnen! – Der Herr Volksanwalt ist jetzt wahrscheinlich essen. Die Frau Bundesministerin wird auch wieder kommen. Der einzige, der wirklich fehlt, ist der Herr Bundeskanzler, was ich außerordentlich bedauere, zumal die Beratungen im Budgetausschuß immer sehr kurz sind und Fragen deshalb sehr gebündelt stattzufinden haben. Wir sind über eine Frage an ihn und seine entsprechende Antwort darauf nie hinausgekommen. Ich glaube dann immer, daß im Plenum noch Zeit sein wird, sich mit ihm intensiv auseinanderzusetzen, aber dem ist nicht so.

Ich widme mich in meinen Ausführungen zuerst einer Initiative, die nichts mit dem Herrn Bundeskanzler direkt zu tun hat, indirekt jedoch sehr viel. Diese Initiative verdanken wir engagierten Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. Auch ich selbst habe mich schon vor einiger Zeit dafür eingesetzt, in Österreich einen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Initiative ist jetzt vom Präsidenten des Nationalrates Dr. Fischer aufgenommen worden. Er hat im Zuge der Vorberatungen zum Budgetkapitel Oberste Organe mit allen fünf Fraktionen Kontakt aufgenommen und Einvernehmen darüber erzielt, daß bei dem jetzt zur Diskussion stehenden Budgetkapitel eine Entschließung, die die Einführung eines Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus in Österreich vorsieht, eingebracht wird.

Ich möchte ihm aufrichtig für diese Initiative danken, ich möchte ihm dafür danken, daß er das ernst genommen hat, was Bürger und Bürgerinnen dieses Landes wünschen, die auch Anregungen an den Nationalrat herantragen. Ich möchte ihm nicht zuletzt auch deshalb danken, weil er damit etwas nachvollzieht, wofür es schon ausländische Beispiele gibt. In der Bundesrepublik Deutschland ist auf Initiative des Bundespräsidenten Roman Herzog auch ein jährlicher Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus – dort wird er "Auschwitz-Gedenktag" genannt – eingeführt, der heuer bereits zum zweiten Mal begangen wurde. In Österreich wird am 5. Mai 1998 dieser Gedenktag erstmals zum Tragen kommen.

Ich möchte die betreffende Entschließung jetzt nicht vorlesen, da Sie sie ja in den Beilagen zu den jetzigen Beratungen finden können. Diese Entschließung hat meiner Überzeugung nach weit mehr Bedeutung, als die kurzen, knappen Sätze in diesem Antrag überhaupt zum Ausdruck bringen. Denn diese Entschließung und den daraus resultierenden Gedenktag sehe ich als sehr große Chance für die Republik Österreich, unser eigenes Bewußtsein und das unserer Nachkommen den unfaßbaren Verbrechen gegenüber, die während der NS-Zeit geschehen sind, in unserem Gedenken an die Opfer festzuschreiben.

In Verbindung mit einem jährlich wiederkehrenden Gedenktag scheint mir dies besonders gut und effizient machbar zu sein. Ein Tag wider das Vergessen! Meine Damen und Herren! Das ist wichtig in einer Zeit, in der die Generationen, die persönliche Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus gemacht haben, allmählich aussterben – ich meine, daß wir uns heute in erster Linie mit der zweiten, dritten und nachfolgenden Generation auseinandersetzen müssen, sollten und auch werden –, in der immer weniger Zeitzeugen das Erlittene und das Grauen, das ihnen widerfahren ist, persönlich wiedergeben und damit auch weitertragen können. Genau das ist der Grund dafür, daß dieser Gedenktag so wichtig ist.

Viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich nach dem Krieg diesem Gedenken in einer Weise gestellt, daß sie sich entweder berechtigt oder unberechtigt als Opfer zu sehen oder zu fühlen geglaubt haben und sich nicht mit der Mitverantwortung Österreichs an den Greueln des Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben.

Meine Damen und Herren! Sie alle wissen ganz genau, daß erst in jüngster Zeit in Österreich das Bewußtsein darüber breiter geworden ist, daß gerade der Anteil der österreichischen Täter am NS-Massenmord überdurchschnittlich hoch war, daß Österreicher nicht aus der zweiten Reihe agiert haben, sondern vielfach die absolut wichtigsten Treiber und Betreiber von maschinellem Massenmord gewesen sind; Österreicher  – nicht irgend jemand weit weg, sondern


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Menschen aus unserer Umgebung. Dieses Bewußtsein ist es auch, das dieser NS-Opfer-Gedenktag weiter unterstreichen und weiter schaffen soll.

Ein zweiter Aspekt an diesem Gedenktag ist mir besonders wichtig: Menschenverachtende Ideologie, die dermaßen in politisches Handeln eingebettet ist, entwickelt sich nicht von einem Tag auf den anderen. Sie entwickelt sich schrittweise; am Anfang kaum beachtet, weil für manche auch von den Auswirkungen her noch nicht abschätzbar. Das sind in erster Linie die Erfahrungen, die die Österreicher, die wir mit der NS-Zeit gemacht haben, und das ist es auch, was wir künftigen Generationen weiterzugeben haben, nämlich die hohe Wachsamkeit und Einsicht in die grundsätzliche Verführbarkeit eines jeden Menschen.

Wir dürfen nicht den Standpunkt vertreten, daß wir erst dann Widerstand zu leisten haben, wenn wir persönlich von Menschenrechtsverletzungen oder solchen Vorgängen betroffen sind, sondern wir müssen – dafür sind wir als Abgeordnete des Nationalrates verantwortlich – die Entwicklung undemokratischer, rassistischer, nationalistischer und menschenverachtender Einstellungen bereits in den Anfängen er kennen, sie bekämpfen und abwehren. (Beifall bei den Grünen.)

Ich hoffe, daß dieser Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus gegen Gewalt und Rassismus eine formale Voraussetzung für diese Aktivitäten schaffen kann, daß eben gemeinsames Erinnern – man kann es nicht oft genug sagen – an millionenfachen Mord an Juden, Roma und Sinti, an Widerstandskämpfern und auch an anderen vom Nationalsozialismus verfolgten Bevölkerungsgruppen wichtiger denn je zuvor ist; vor allem, weil die Geschehnisse schon so lange zurückliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein Faktum, daß wir in einem Land leben, das zwei Vergangenheiten zu bewältigen hat – so sehr ich das bedauere –, nämlich die Vergangenheit des Nationalsozialismus auf der einen Seite und die Vergangenheit der fortgesetzten Demütigung der Opfer in der Zweiten Republik auf der anderen Seite. Davor sollten wir die Augen nicht verschließen! Wenn dieser Gedenktag ein ganz kleiner Beitrag dazu sein kann, daß jährlich an diese beiden Verantwortungen – auf der einen Seite an die Mitverantwortung und auf der anderen Seite an die Verantwortung für das Verdrängen und Vergessen der Opfer – erinnert wird, daß das auch ein Ende hat – ich sehe diesen Gedenktag als einen ganz wesentlichen aktiven Schritt der Republik dazu –, dann soll diese andere Haltung gegenüber den Opfern – um die geht es in erster Linie –, die wir unseren Kindern und nachfolgenden Generationen weitergeben wollen, ein Schritt sein, um uns von dieser Hypothek der Mitverantwortung zu befreien. Dazu stehe ich.

Ich möchte jetzt all jenen danken, die bei der Einführung dieses Gedenktages initiativ gewesen sind, und hoffe sehr auf eine tatsächlich würdige Form der Gestaltung dieses ersten Gedenktages im nächsten Jahr.

Damit komme ich zum zweiten Punkt meiner jetzigen Ausführungen. Das ist der Punkt, der wirklich mit dem Budget zu tun hat – nicht mit der Frau Bundesministerin Prammer, aber ich muß jetzt sie anschauen, weil sonst niemand auf der Regierungsbank sitzt –: die Volksgruppenförderung. Wir haben schon letzte Woche beim 2. Budgetbegleitgesetz darüber gesprochen, was das für die Volksgruppenförderung in Österreich bedeutet. Somit wiederhole ich dies heute nur noch sehr kursorisch, weil ich dazu noch zwei Abänderungsanträge einbringen möchte.

Der erste Abänderungsantrag steht im Zusammenhang mit der Publizistikförderung. Das Gesetz dazu ist letzte Woche geändert worden. Nachdem das Gesetz mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit, von Koalitionspolitikern beschlossen wurde, ist – und da in erster Linie von Herrn Dr. Khol – öffentlich, aber auch in Briefen an Organisationen immer wieder beteuert worden, dieses Gesetz habe überhaupt keine Auswirkungen auf die Volksgruppenförderung. Sinngemäß – wörtlich kann ich es nicht wiedergeben – ist immer wieder gesagt worden, es sei das keine Einschränkung der Volksgruppenförderung, weil ja nur von einem Topf auf einen anderen verwiesen werde.


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Darum, Herr Dr. Khol, bringe ich sozusagen im konsequenten Weiterdenken Ihrer Logik – für diese Logik bin ich ja sehr – einen Abänderungsantrag ein, der dies auch budgetär, zahlenmäßig und von den finanziellen Auswirkungen her für die Volksgruppen logisch zu Ende bringt. Die Logik kann doch nur folgende sein: Wenn die Möglichkeit, aus diesem Budgettopf – nämlich aus der Publizistikförderung – Subventionen und Unterstützungen zu lukrieren, nicht mehr gegeben ist, muß dieses Geld an anderer Stelle – und das wurde sogar in einer Ausschußfeststellung betont – zu holen sein; und an anderer Stelle muß dafür auch finanzielle Vorsorge getroffen werden. Es bedarf dieses Beschlusses, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe vor allem auf Ihre Zustimmung; und da ist es gottlob der Klubobmann einer ganzen Fraktion. Insofern ist es einfach, weil sein Wort in der Fraktion ja beispielgebend für alle wirken sollte.

Die Sozialdemokraten werden sich folgendem Abänderungsantrag sicher nicht verschließen – so schätze ich Sie nicht ein –, und darum bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde zur Regierungsvorlage: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 in 841 der Beilagen betreffend die Erweiterung der Volksgruppenförderung (Gruppe 1 Innenverwaltung, Kapitel 10, Bundeskanzleramt mit Dienststellen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. In der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage ist nachfolgender Voranschlagsansatz wie folgt zu ändern:

Beim VA-Ansatz 1/10506, AB 43 wird die Volksgruppenförderung von 52,720 Millionen auf – neu –

um 500 000 S erhöht und ändert sich auf 53,220 Millionen Schilling.

2. Die durch die Änderung bedingten Betragsänderungen sind auch in den jeweiligen Summenbeträgen entsprechend zu berücksichtigen.

*****

Das ist die konsequente Festschreibung der Logik von nicht minderheitenfeindlichem Handeln in der Politik, denn minderheitenfeindliches Handeln wäre es, Volksgruppenpublikationen von der Publizistikförderung auszuschließen. Bei dieser Änderung besteht die Möglichkeit, daß sich Volksgruppenorganisationen und Vereine, die zweisprachig oder auch einsprachig in Volksgruppensprachen publizieren wollen, dieses Geld im Rahmen dieses Sondertopfes aus der Volksgruppenförderung holen. – Das ist der erste Abänderungsantrag.

Meine Damen und Herren! Der zweite Abänderungsantrag ist ein für die österreichischen Volksgruppen und für die medienpolitische Darstellung der österreichischen Volksgruppen besonders wesentlicher. Sie wissen, daß dieser Tage die Entscheidungen der Regionalradiobehörde betreffend Frequenzzuteilungen erfolgen werden, basierend auf dem Regionalradiogesetz. Wir wissen jetzt schon, daß aufgrund der abgeschlossenen Verhandlungen unter den verschiedenen Radiowerbern sichergestellt ist, daß ab dem Jahre 1998 sowohl im Burgenland als auch in Kärnten jeweils ein Privatradio den Sendebetrieb aufnehmen wird, welches einen ganz beträchtlichen Anteil seines Programms in einer Minderheitensprache anbieten wird. In Kärnten erfolgt dies in slowenischer Sprache, im Burgenland in kroatischer und ungarischer Sprache und auch in Romani, der Sprache der burgenländischen Roma.

Aufgrund der besonderen Situation der Minderheiten in Österreich, insbesondere der peripheren räumlichen Verteilungen, aber auch aufgrund der wirtschaftlichen und strukturellen Schwäche vor allem in den Siedlungsgebieten, in denen Volksgruppen leben, wo diese Radioprogramme betrieben werden, werden diese Anbietergemeinschaften für minderheitensprach


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liche Programme nicht in der Lage sein, kostendeckend zu arbeiten. Um aber der gesetzlichen Verpflichtung, die es aus dem Staatsvertrag, aber auch aus dem Volksgruppengesetz gibt, nachzukommen – der Bund ist ja aufgerufen, das zu tun –, sind entsprechende Mittel im Rahmen der Volksgruppenförderung dafür vorzusehen.

Davon ist aber im Budget 1998 nicht die Rede. Ich frage mich: Wie will man internationale Abkommen, die in Österreich Gesetzesrang haben – sie sind schon längst unterzeichnet –, einhalten? In diesen hat man sich ausdrücklich zu etwas verpflichtet, und zwar in der Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Dort steht im § 11, daß man sich zur Einrichtung mindestens eines Rundfunksenders in den Regional- beziehungsweise Minderheitensprachen zur Förderung der Sprachen und der Volksgruppen verpflichtet.

Die Förderung, wenn es um das Geld geht – sozusagen im Geist –, wenn es nichts kostet, ist billig. Wenn es aber darum geht, diesem auch Geist einzuhauchen, Geist in Form von finanzieller Unterstützung für Betreiber von Privat- oder Lokalradios, gibt es keine Initiative. Deshalb auch mein Abänderungsantrag betreffend zusätzlichen Finanzierungsbedarf, der für die kontinuierliche mediale Versorgung notwendig sein wird, der sich aber vor allem auch auf die hohen Investitionskosten bezieht, die zu Beginn anstehen. Ich meine, daß dieser Bedarf nur durch die Aufstockung der Volksgruppenförderung gedeckt werden kann, denn sonst hieße es ja, daß bei der bisherigen Volksgruppenförderung, die ohnehin nicht erhöht wird, obwohl die Lohnkosten steigen, alles teurer wird, alles beim alten bleibt. Es ist erstmals so, daß diese eingefrorenen Förderungen unangetastet zu bleiben haben und ein eigener Posten für die mediale Versorgung zu schaffen ist. Das ist der Inhalt meines zweiten Abänderungsantrages:

Der Voranschlagsansatz 10506 Volksgruppenförderung wird ergänzt um ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Nach der Geschäftsordnung müssen Sie Abänderungsanträge verlesen. Das heißt, Sie müssen den Wortlaut, so wie Sie ihn hier überreicht haben, vortragen; ein freier Vortrag ist leider nicht vorgesehen. (Abg. Mag. Stadler: Was heißt "leider"?)

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Dann lese ich ihn auch so vor.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde zur Regierungsvorlage: Bundesfinanzierungsgesetz für das Jahr 1998 in 841 der Beilagen betreffend die Erweiterung der Volksgruppenförderung (Gruppe 1 Innenverwaltung, Kapitel 10, Bundeskanzleramt mit Dienststellen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. In der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage ist nachfolgender Voranschlagsansatz wie folgt zu erweitern.

VA-Ansatz 1/10506 AB 43 Volksgruppenförderung ist – neu –

1/10507 AB 43, mediale Versorgung in Volksgruppensprachen, 10 Millionen Schilling.

2. Die durch die Änderung bedingten Betragsänderungen sind auch in den jeweiligen Summenbeträgen entsprechend zu berücksichtigen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Volksgruppen- und Minderheitenförderung nicht leere Worte sein sollen, wenn vor allem die mediale Versorgung – das ist ein Teil österreichischer Medienpolitik – nicht nur ein leeres, ein unhörbares Wort, wenn es um das Radio geht, sein soll, dann brauchen Radiobetreiber dieses Geld. Sie brauchen Ihre Unterstützung, indem


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ein entsprechender Betrag vorgesehen wird. Um diese Unterstützung bitte ich Sie. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden Abänderungsanträge, die Frau Abgeordnete Mag. Stoisits verlesen hat, sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlungen mit einbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.57

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ich möchte mich ganz kurz zum Entschließungsantrag aller fünf Parlamentsparteien betreffend die Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, zu dem NS-Opfer-Gedenktag, zu dem meine Vorrednerin, Kollegin Stoisits, bereits gesprochen hat, äußern und gleichzeitig auch meinen Dank dafür anschließen, daß es zu dieser gemeinsamen Entschließung gekommen ist.

Das Jahr 1997 ist das europäische Jahr gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Österreich setzt damit auch ein Zeichen. Ich meine, daß das wichtig ist, weil die Zeitzeugen immer weniger werden. Der 5. Mai, der Gedenktag anläßlich der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, das im Jahre 1938 errichtet wurde, wo Gefangene aus zahlreichen europäischen Ländern aus rassistischen und politischen Gründen und religiös Verfolgte inhaftiert wurden, ein Lager mit insgesamt 100 000 Ermordeten, ist, meine ich, das richtige Mahnmal, um einen solchen Gedenktag zu feiern.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch betonen, daß es erfreulich ist, daß der Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus insgesamt bereits rund 17 000 Auszahlungen getätigt hat und daß er im Jahre 1999 mit seiner Arbeit fertig sein wird.

Dieser Gedenktag wird Gelegenheit geben, an Schulen und Universitäten, beim Bundesheer, beim Zivildienst, in Ländern, Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Ich meine, daß das eine wichtige Initiative ist.

Ich möchte auch anerkennen, daß die FPÖ diesem Antrag beigetreten ist; auch zur Klärung ihrer eigenen Positionen.

Freilich ist es mit Moralisieren und Gedenken allein nicht getan, dann hätte ein solcher Tag keinen Sinn gehabt, weil Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und nationalistische Gewalt eben nicht mit Hitler geendet haben. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Antisemitismus ist keine spezifische, isolierte Erscheinung! Das Monströse ist, daß diese Untaten von durchschnittlichen Menschen und als Teil eines ideologischen Systems begangen wurden. Das stimmt angesichts der Geschehnisse auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien nachdenklich!

Entscheidend ist, was die Menschen wirklich denken und sagen! Dieses Sagen und Denken hängt weitgehend vom geistigen Klima ab, in dem die Menschen leben. Ändert sich dieses Klima, ändert sich der eine schneller, der andere paßt sich langsam an, ein dritter wiederum ist resistent gegen derartige Verführungen.

Wenn antidemokratische Propaganda merklich zunimmt und sich der kollektive Zeitgeist ändert, dann heißt es, wachsam zu sein! Das halte ich für wichtig. Jegliche Form von Faschismus muß, wenn er als politische Bewegung erfolgreich sein will, eine Basis bei den Massen haben. Es braucht einerseits ein Klima der Angst und andererseits ein Klima der Subordination! Deshalb muß er in erster Linie an emotionale Bedürfnisse und an die primitivsten und irrationalsten Sehnsüchte und Ängste appellieren.


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Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus schließt daher die kritische Analyse der gegenwärtigen Situation mit ein. Das Ausländer-Volksbegehren, Fremdenhaß und Fremdenfeindlichkeit, die Position gegenüber Minderheiten sind deutliche Indikatoren einer geänderten Befindlichkeit.

Der in diesem Saal sitzende Abgeordnete Gaugg, der seine Bekanntheit vor allem dadurch erlangt hat, daß er "Nazi" (Abg. Gaugg: Ämterkumulierer! Oberkassierer!) mit "neu, attraktiv, zielstrebig und ideenreich" buchstabiert hat (Abg. Gaugg: Deine einzige Leistung ist das Abkassieren! – Abg. Koppler: Das ist nicht so arg wie das!) , ist ein deutlicher Indikator für die geänderte Befindlichkeit in diesem Land! Dieser unsägliche Herr Gaugg ist auch ein deutlicher Indikator für die Wachsamkeit, die dieses Land nötig hat, sowie ein Grund dafür, daß es gut ist, daß es diesen Gedenktag gibt, denn man kann sich immer daran erinnern. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Jung. )

Da die mächtigen ökonomischen Interessengemeinschaften mit derlei antidemokratischer Propaganda und derartigen Menschen ohnedies nichts zu tun haben wollen, bin ich einigermaßen zuversichtlich und optimistisch, was die nähere Zukunft anlangt. (Abg. Jung: Seien Sie weiter ein Optimist!) Trotzdem ist stete Wachsamkeit gegenüber dem Wort, gegenüber dem unsagbaren und unsäglichen Herrn Gaugg und seinen Ideologie- und Gesinnungsgenossen angebracht. (Abg. Gaugg: Abkassierer! Deine Zeit ist abgelaufen! – Abg. Jung: 41 Prozent!)

Dieser Holocaust-Gedenktag kann dazu einen kleinen Beitrag leisten, denn es geht eben nicht nur um Mauthausen und um jene Verbrechen, die vergangen sind und unsere Generation nicht betreffen, sondern auch um das Ausländer-Volksbegehren und um solch unsagbare Menschen wie Herrn Gaugg, den Nazi-Buchstabierer. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Eure Zeit ist abgelaufen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

15.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lafer. (Abg. Jung: Die Kärntner SPÖ-Umfragewerte sagen alles! – Abg. Koppler: Lassen Sie sich überraschen! – Abg. Jung: Der "Gutmensch" Posch kassiert!) 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.03

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Kollege Posch, wenn Sie behaupten, daß unser Kollege Gaugg nur so zu Berühmtheit gelangt sei, so ist das Ihr Problem! Wir wissen aber auch, wie Sie zu Berühmtheit gelangt sind: Sie hatten die Titelseite der "Kronen Zeitung" fürs Abkassieren, und zwar für das Abkassieren in Jobs, bei denen sich die Frage stellt, ob Sie jemals soviel arbeiten konnten, wie Sie kassiert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nun zurück zur eigentlichen Debatte. Die Obersten Organe wurden in der heutigen Debatte noch relativ wenig angesprochen. Es geht hiebei vorwiegend um den Verwaltungsgerichtshof, den Verfassungsgerichtshof, die Volksanwaltschaft sowie den Rechnungshof. Die Tätigkeiten dieser obersten Institutionen unserer Republik sind besonders hervorzuheben, da sie auch jenen Bürgern, die in Österreich wohnen und leben, zu ihren Rechten verhelfen und daher unbedingt erforderlich sind.

Man muß dabei aber auch einige Kritikpunkte erwähnen, etwa im Bereich des Verfassungsgerichtshofes. Aus einer Studie geht hervor, daß der offene Rückstand im bezug auf die zu erledigenden Akten im Jahre 1996 auf 13 182 angewachsen ist! Auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Herr Professor Adamovich, konstatiert eine "Lahmlegung" des Gerichtshofes! Das gibt sehr zu denken, da dieser Umstand auf eine Flut an Beschwerden zurückzuführen ist, die mit den vorhandenen Ressourcen natürlich nicht bewältigt werden können.

Das gleiche trifft auf den Verwaltungsgerichtshof zu, und zwar insofern, als auch dort im Jahre 1996 ein Rückstand von 13 638 offenen Akten festzustellen war. Der Verwaltungsgerichtshof fordert zu seiner Entlastung die Einrichtung von Landes-Verwaltungsgerichtshöfen.


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Meine Damen und Herren! Man muß sich nun die Frage nach dem Grund dieser Beschwerdenflut stellen? Ist der Österreicher beschwerde- oder klagsfreudiger geworden? – Nein, mit Sicherheit nicht! Diese Regierung hat jedoch Gesetze geschaffen, die die Österreicher dazu zwingen, sich an diese Institutionen zu wenden, wenn sie jemals zu ihrem Recht kommen wollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie sollten sich das in Zukunft überlegen, wenn Sie Gesetze beschließen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch ein Wort zur Volksanwaltschaft. Die Volksanwaltschaft wurde vor genau 20 Jahren nach einer sehr langen Erprobungs- und Vorbereitungszeit gegründet. Diese Kontrolleinrichtung förderte die dynamische Weiterentwicklung des demokratischen und rechtsstaatlichen Systems in unserem Lande. Die Einrichtung der Volksanwaltschaft wurde von der Bevölkerung angenommen und hat sich in den letzten Jahren ihres Bestandes nicht nur das Vertrauen der Beschwerdeführer gesichert.

Es gibt aber aus der Prüftätigkeit der Volksanwälte heraus – Sie haben den Bericht der Volksanwaltschaft gelesen – auch Problembereiche und Kontrolldefizite, zu deren Behebung eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften und Rahmenbedingungen erforderlich wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Solche Maßnahmen sind auch im Bericht der Volksanwaltschaft im Jahre 1996 enthalten. Neben Forderungen wie Erweiterung der Kontrollzuständigkeit der ausgegliederten Rechtsträger – ähnlich wie das beim Rechnungshof stattfindet – oder Aufnahme einer Frist von vier Wochen für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte werden unter anderem auch folgende Änderungen für unbedingt erforderlich erachtet, damit die Tätigkeit der Volksanwaltschaft nicht gemindert wird: Vorlage der Tätigkeitsberichte an den Nationalrat und an den Bundesrat – unbedingt wichtig! – sowie die Teilnahme der Volksanwaltschaft an Verhandlungen der Ausschüsse bei ihn betreffenden Vorlagen. Wieso sollte die Volksanwaltschaft nicht daran teilnehmen können? Das würde dazu beitragen, daß die ohnehin bereits hochqualitiative Arbeit dem Parlament noch besser fundamentiert zur Verfügung gestellt werden könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Rahmen dieser Debatte einen


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler, Lafer und Kollegen im Zusammenhang mit der "Harmonisierung" der Pensionssysteme einbringen. Vom Nationalrat wurde vorige Woche in den Begleitgesetzen eine, wie Sie es bezeichnen, "Harmonisierung" der Pensionssysteme beschlossen, die vorwiegend die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und die ASVG-Bediensteten betroffen hat.

Welche Bereiche wurden aus dieser Regelung, durch die Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, vorwiegend Exekutivbeamte und ASVG-Beschäftigte mit empfindlichen Einbußen in der Pension rechnen müssen, ausgenommen? – Ausgenommen wurden die Politiker, deren Privilegien nicht abgeschafft wurden, aber auch andere geschützte Bereiche, wie etwa die Österreichischen Bundesbahnen, die Oesterreichische Nationalbank, die Sozialversicherungsträger und die Kammern. Sie haben ihre Pensionsprivilegien bisher erfolgreich verteidigt. Man konnte nun in den letzten Tagen in den Medien lesen, daß es bei den ÖBB zu Kontroversen kommen könnte, wenn diese Bestimmung wirklich von der ÖVP im Bundesrat boykottiert wird – angeblich wird sie das tun, sofern keine Einigung bei den ÖBB erzielt wird. (Abg. Brix: Gehen Sie doch einmal hinaus zu den Eisenbahnern!)

Diese besonders geschützten Privilegienparadiese finden sich auch im Bereich der Kammern und der Sozialversicherungen, deren Funktionäre jeweils die Vorteile aus dem Dienstrecht der Privatwirtschaft und aus jenem eines Beamtenverhältnisses genießen. So sind etwa Abfertigungsansprüche, die oftmals über die Regelungen des Angestelltengesetzes hinausgehen, üblich, während sich die Pensionsregelungen am öffentlichen Dienst orientieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben das auch bereits im Rahmen eines Dringlichen Antrages am Freitag diskutiert. Deshalb stelle ich nun den Entschließungsantrag mit folgendem Inhalt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis Ende Dezember 1997 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine vollständige Beseitigung der gegenwärtigen ungerechtfertigten Pensionsprivilegien der Politiker sowie eine Harmonisierung der Pensionssysteme für Bedienstete der ÖBB, der Oesterreichischen Nationalbank, der Sozialversicherungsträger und der gesetzlichen Interessenvertretungen mit den Regelungen des ASVG vorsieht."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Stimmen Sie auch einmal einem Antrag der Freiheitlichen zu! Dann wären Sie auf dem Wege der Besserung – sonst nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Posch gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Gaugg: Der Oberkassierer!)

15.11

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Was die diffamierenden Äußerungen meines Vorredners und die Zurufe des "Nazi"-Buchstabierers Gaugg betrifft, teile ich mit, daß diese Vorwürfe Teil einer Medienkampagne der "Kronen Zeitung" waren. Die "Kronen Zeitung" wurde dafür rechtskräftig verurteilt (Abg. Gaugg: In Kärnten seid ihr von der SPÖ unter Artenschutz genommen!) und mußte inzwischen sämtliche Vorwürfe widerrufen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wabl.  – Abg. Gaugg: Vom Aussterben bedroht! – Abg. Koppler: Ist ja nicht wahr! – Rufe bei den Freiheitlichen: Das war keine tatsächliche Berichtigung!)

15.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

15.11

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Bezug nehmend auf die freundliche Einladung von Herrn Kollegen Lafer muß ich sagen, daß wir diesem Antrag gerne zustimmen würden, wenn er Inhalt und Sinn hätte! Bloß Neidkomplexe zu erzeugen, macht keinen Sinn, und deshalb stimmen wir dem nicht zu. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Budgetdebatte – egal, wo sie stattfindet: ob in Gemeinden, Ländern oder im Bund – bietet immer die Möglichkeit zu kritischen Betrachtungen, stellt aber auch einen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition dar. Es geht darum, eine Interessensabwägung zu machen – und das ist dann möglich, wenn es klare Ziele und Zielvorgaben gibt. Ich meine, daß diese Bundesregierung eine klare Zielvorgabe machte, nämlich, den Abgang zu verringern – dem haben wir voll entsprochen – und beschäftigungspolitische Impulse zu setzen. Wenn wir das nicht tun, haben wir keine Beschäftigung, keine Arbeitsplätze, und dann können wir auch die Budgetziele unter keinen Umständen erfüllen. Da wir das nicht wollen, werden wir in dieser Richtung weiterzuarbeiten haben.

Wir haben uns gerade deshalb darum bemüht, weil wir glauben, daß Sparmaßnahmen heute notwendig sind, um der Jugend auch in Zukunft entsprechende Möglichkeiten bieten zu können. Es macht keinen Sinn, heute alles aufzubrauchen, morgen aber dann sozusagen in der Ecke zu


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stehen. Maßnahmen sind vertretbar, sind wichtig und richtig, und sie sind vor allem zeitgerecht zu setzen.

Budgetabgänge sind Phänomene unserer Zeit. Sie sind in allen Staaten erkennbar, und man merkt auch, daß man sich überall bemüht, Korrekturen zu machen. Diese Bundesregierung hat an den Budgetzielen 1996 und 1997 klar festgehalten. Wir haben diese Ziele erreicht, und wir werden auch 1998 und 1999 zielorientiert weiterarbeiten.

Wir haben vorige Woche die Begleitgesetze beschlossen: das Strukturanpassungsgesetz und die Sozialrechts-Änderungsgesetze. Auch da haben wir ebenfalls klar gesagt, wohin es gehen soll, wo Veränderungen angestrebt werden. Neben diesen genannten weiteren Maßnahmen ist sicherlich die Zahl der Dienstposten ein wesentliches Thema, wo eine wichtige Maßnahme zu setzen wäre. Gerade diesbezüglich gibt es eine ungemein große Aufwandspost. Ich kann verstehen, daß es da Kritik gibt. Interessant war, heute früh von Herrn Mag. Trattner zu hören: Na ja, bei der Personalpolitik ist es so: Da gibt es einen von der SPÖ und einen von der ÖVP. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Mag. Trattner hat nur nicht bedacht, daß überall dort, wo die "F" in der Regierung ist, diese Sache sozusagen um das Element "F" bereichert wird. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wo denn bitte?) Und er hat weiters nicht bedacht, daß er vielleicht deshalb so genau Bescheid wußte, weil unerlaubt ein Datenzugriff in Salzburg gemacht wurde, wo Sie von der "F" das Datenschutzrecht mißbraucht haben. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, das ist es, was Sie vielleicht ärgert, wovon Sie sich heute reinzuwaschen versuchen! Das wird Ihnen aber nicht gelingen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Schlußendlich: Wenn dies die besondere "Qualität" Ihrer Regierungsarbeit ist, dann kann ich nur sagen: Danke, mager – nein: makaber! Merken Sie sich das! (Abg. Gaugg: Sie sind makaber! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Jetzt möchte ich mich dem Kapitel Oberste Organe, Bundeskanzleramt und den nachgelagerten Dienststellen zuwenden. Dank an alle Parlamentsmitarbeiter für die ausgezeichnete Betreuung das ganze Jahr über: vom Stenographischen Dienst begonnen bis hin zur Feuerwache. Wir werden gut betreut, und das soll hier auch einmal gesagt werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte mich nun der Aufgabe des Rechnungshofes zuwenden und feststellen, daß auch da gute Arbeit gemacht wird, beste Leistungen erbracht werden. Ich halte es für notwendig, gerade im Rechnungshof die Pragmatisierung als schützendes Element für die Mitarbeiter zu erhalten. Nur dadurch kann der Rechnungshof seiner großen Aufgabe, seinem Auftrag, Kontrolleinrichtung des Parlaments zu sein, optimal entsprechen.

Die Volksanwaltschaft arbeitet zur großen Zufriedenheit der Bürger, stellt ihre Arbeit in einem jährlichen Bericht dem Parlament vor und dem Bürger zur Verfügung. Ich würde es für wichtig halten – diese Bitte geht an das Präsidium des Nationalrates –, diese Berichte kurz nach deren Vorlage zu diskutieren, damit wir dann auch Bezug nehmen können auf aktuelle Wahrnehmungen.

Die Überlastung des Verwaltungs- beziehungsweise des Verfassungsgerichtshofes ist nach wie vor dramatisch. Beim Verwaltungsgerichtshof gibt es zwar einen rückläufigen Beschwerdeeinlauf, etwa 9 Prozent, aber die Zahl der unerledigten Beschwerdefälle ist im Vergleichsjahr um 26 Prozent gestiegen.

Die Unabhängigen Verwaltungssenate brachten hiezu bis dato keine wesentlichen Veränderungen; es gibt Kritik vor allem im Raum Wien. Ich hoffe jedenfalls, daß wir diese Dinge ordentlich werden regeln können. Im Rahmen der Diskussion über die Bundesstaatsreform sind diesbezüglich Lösungen zu finden. Das kann entweder geschehen durch die Errichtung von Landes-Verwaltungsgerichtshöfen mit entsprechender Kompetenz oder durch die Einrichtung eines


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Bundesverwaltungsgerichtes erster Instanz. Eine ausschließliche Problemlösung durch Personalaufstockung wird auch vom Präsidium als nicht zielführend erachtet.

Was den Verfassungsgerichtshof anlangt, hoffen wir, daß er nachhaltig von Masseverfahren entlastet wird. Wir haben ja im Vorjahr eine Novelle zum Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofgesetz beschlossen, wonach bei Eingaben eine Pauschalgebühr zu entrichten ist. Bis heute ist jedoch dort noch keine echte Entlastung feststellbar.

Ich möchte diesen Debattenbeitrag auch in die Richtung verstanden wissen, uns selbst dahin gehend zu ermahnen, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes ernst zu nehmen, und zwar auch dann, wenn sie vielleicht nicht ganz in unsere eigenen politischen Vorstellungen passen. Wir sollten vielmehr an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, und zwar auch in bezug auf die Familienbesteuerung, denn ich meine, daß das für uns alle eine ganz wichtige Sache ist.

Wir werden nicht nur den heute zur Beratung stehenden Kapiteln unsere Zustimmung geben, sondern dem gesamten Budgetentwurf, weil wir überzeugt davon sind, daß damit eine positive Auswirkung für unser Land und seine Bürger gegeben ist. Dazu sehen wir uns verpflichtet, und deshalb gehen wir diesen Weg. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.19

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte diese Gelegenheit dazu nutzen – leider sehe ich Frau Ministerin Prammer jetzt nicht auf der Regierungsbank, aber meine Worte richten sich trotzdem speziell an Sie –, mich mit dem Thema Gentechnik auseinanderzusetzen, und zwar im besonderen mit genmanipulierten Nahrungsmitteln. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich hoffe, Frau Ministerin Prammer kommt wieder, denn das ist ein Thema, das trotz verschiedener gutgemeinter Broschüren und Aufklärungskampagnen der Bundesregierung durch immer neue Horrormeldungen in den Medien die Konsumentinnen und Konsumenten sehr stark verunsichert.

In diesem Zusammenhang darf ich auf einen "profil"-Artikel von vorletzter Woche hinweisen, in dem zu lesen stand, daß die Regierung und insbesondere die hiefür zuständige Ministerin offensichtlich heillos überfordert sind. Frau Bundesministerin Prammer gibt, was die Kennzeichnung von gentechnikfreien Lebensmitteln betrifft, Versprechungen und Garantien ab, aber diese lösen sich dann in Luft auf. – Nachzulesen im "profil".

In diesem Zusammenhang ist es meiner Meinung nach angebracht, über die aufwendigen Prüfungen, die die Frau Ministerin erneut versprochen hat und die beträchtliche Mittel verschlingen, zu diskutieren. Ist es sinnvoll, die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung damit zu betrauen, obwohl bekannt ist, daß weder genügend noch entsprechend fachlich qualifiziertes, ausgebildetes Personal vorhanden ist? – Sinnvoller wäre es meines Erachtens, die Prüfungen und Kontrollen von bereits bekannten fachkundigen Experten, wie sie zum Beispiel in Freiburg vorhanden sind, durchführen zu lassen.

Eine Frage, die ich gerne an die Frau Ministerin persönlich gestellt hätte: Was unternimmt sie nach den Anschuldigungen im "profil" hinsichtlich dieser Thematik? Es gibt dazu ja bereits eine Anfrage der Sozialdemokraten hier im Haus, und auch ich bin gespannt auf die Anfragebeantwortung der Frau Ministerin zu diesem Thema.

Der eigentliche Skandal aber ist die offensichtliche Geheimhaltung der wissenschaftlichen Tests, mit denen belegt wurde, daß in angeblich vollbiologischem Sojagranulat aus "kontolliertem österreichischen Anbau" gentechnisch verändertes Erbgut gefunden worden ist. Ich ersuche die Frau Ministerin, nicht weiter zu zaudern, und ich möchte sie fragen, warum sie nicht endlich offensiv wird. Wie erklärt sie unseren Biobauern, daß sie keine Etikettenschwindler sind? (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Die Frau Ministerin begnügt sich mit Versprechungen, obwohl sie weiß, daß sie haltlos sind. Sie müßte wissen, daß bei einer vorherigen gründlichen Prüfung der Sachlage auch klar zutage treten würde, wie die Lebensmittel beschaffen sind. Ich kann der Frau Ministerin heute den Vorwurf nicht ersparen, daß sie Beweise hintangehalten hat, um den schlechten Eindruck zu verbergen. Oder hat vielleicht die Bundesregierung angesichts des Gentechnik-Volksbegehrens mit über einer Million Unterschriften Angst vor der Wahrheit?

Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Der Konsument hat ein Recht auf Wahrheit, und er verträgt die Wahrheit auch. Sie ist ihm zumutbar. Ich gebe zu, daß dieses Thema sehr komplex ist und uns alle vor eine schwierige Aufgabe stellt. Weil die Gentechnologie besonders im Nahrungsmittelbereich nicht problemlos ist, da es keine einfache Formel gibt, dürfen wir uns nicht wie bisher mit Hochglanzbroschüren zufriedengeben, die alles ins schöne Licht zu rücken versuchen. Unsere Nahrungsmittelherstellung ist in sich verschlungen, und es läßt sich oft nicht mehr nachvollziehen, woher die Bestandteile ursprünglich herkommen beziehungsweise auch, wer sie hergestellt hat. Das wissen wir, und es darf daher nicht sein, daß den Konsumentinnen und Konsumenten vorgegaukelt wird, daß wir in einem gentechnikfreien Land leben.

Abschließend: Wir Liberale fordern eine möglichst lückenlose Kennzeichnung von Produkten, und wir möchten es dem Käufer überlassen, was er kaufen will oder nicht. Wir erachten es als Illusion, zu meinen, wir könnten die Gentechnik aus Österreich fernhalten – das wollen wir auch gar nicht –, und die jüngsten Vorfälle bestätigen uns dies auch, aber die Konsumenten haben ein Recht auf möglichst umfassende Information und die freie Entscheidung, welche Produkte – ob gentechnikfrei oder genmanipuliert – sie konsumieren wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß im Zuge der Behandlung des Gentechnik-Volksbegehrens hier im Parlament endlich klare Auflagen und Kennzeichnungen geschaffen werden. Vor allem aber hoffe ich, daß sich die Informationspolitik der Bundesregierung in dieser Frage in Richtung mehr Verantwortungsbewußtsein verändert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

15.24

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herr VolksanwältInnen! "Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich", schrieb ein Amsterdamer Rabbiner, Lehrer von Baruch Spinoza, im 16. Jahrhundert über die den Juden widerfahrenen Greuel bei der Vertreibung durch die Inquisition. "Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich", erkannte Theodor Adorno in seinen Reflexionen über Auschwitz – soweit aus Menasses berührender Rede anläßlich der Frankfurter Buchmesse 1995.

Dieser Satz hat nichts an Gültigkeit verloren. Wer hätte geahnt, daß im aufgeklärten 20. Jahrhundert zivilisierte, kultivierte Völker den bestorganisierten Genozid der Geschichte vollziehen werden, mit vielen Mittätern, Mitwissern und Wegsehenden?

Wenn viele meinen, solche Greuel für die Zukunft ausschließen zu können, und dafür plädieren, endlich einen Schlußstrich zu ziehen, so muß ich sagen: Das ist nur jenen möglich, die weder selbst noch deren Familien verfolgt wurden. Für die Überlebenden ist die Shoa Bestandteil ihres Lebens, ihrer Zukunftsängste. Nicht Mittäter, Mitläufer und Wegschauer leiden an Schuldgefühlen, sondern die Opfer – schuldig, überlebt zu haben, statt wie Millionen grausamst ermordet worden zu sein.

Meine Damen und Herren! War nach 1945 Antisemitismus offiziell verpönt, so ist er seit 1986 salonfähig. Persönliche Verunglimpfungen, Antisemitismus und Xenophobie werden in der Politik bedenkenlos eingesetzt.

"Politische Gegner sind rote und schwarze Filzläuse, die mit Blausäure bekämpft werden sollten", "ein prominenter Jude hat in Jörgl seiner Pfeife Platz", "die Angehörigen der Waffen-SS sind anständige Menschen mit Charakter, die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen". Man leugnet generell jedes Verbrechen der Wehrmacht. Ein oberösterreichischer


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Landeshauptmann spricht von Menschen, "denen man ihre Abstammung ansieht" (Abg. Großruck: Na, na! Ratzenböck in Richtung Antisemitismus zu bringen, das ist stark!) , ein Vizebürgermeister von "Glaubensgenossen, die vor 2000 Jahren in einem Schauprozeß Jesus Christus zum Tode verurteilen ließen". Vor 1986 war man diskreter: ein Wahlplakat: "Dr. Josef Klaus – ein echter Österreicher", implizierend: kein Jude wie Kreisky. Oder man verbreitete, antisemitische Ressentiments nutzend, der politische Gegner sei jüdischer Abstammung, wie man es bei meinem Vater tat.

Meine Damen und Herren! Vorgestern war der 59. Jahrestag der Reichskristallnacht. Wir sind es den Opfern schuldig, nach mehr als einem halben Jahrhundert Trauerarbeit zu leisten. Wir müssen Bewußtsein und Wachsamkeit für menschenverachtendes, demokratiefeindliches Verhalten schärfen, und daher begrüße ich die Einführung des Gedenktages, der symbolträchtig am 5. Mai sein soll, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, einem Lager, in dem rassisch, politisch, religiös Verfolgte sowie andere Diskriminierte entwürdigt, gequält und getötet wurden.

Neben Österreichern wie Eichmann, Kaltenbrunner, Globocnik, Murer und anderen grausamen Verbrechern stand das andere Österreich: jene Heldinnen und Helden, auf die wir mit Recht stolz sein können, die sich, Freiheit und Leben riskierend, dem Terror widersetzten, um lebensrettend anderen zu helfen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Brinek. )

Hohes Haus! Nach Jahrzehnten des Schweigens war es befreiend, als Bundeskanzler Dr. Vranitzky als erster österreichischer Regierungschef auf die Täterrolle Österreichs einging und sich bei den Opfern entschuldigte. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.) Damit hat er viel für unser Geschichtsbewußtsein und Ansehen in der Welt geleistet. Er führte Österreich aus der Isolation, in die es sich durch eine antisemitisch geführte Wahlauseinandersetzung, die Erinnerungen an die Shoa sowie Existenzängste wach werden ließ, begeben hatte. Dafür schulden wir Dr. Vranitzky großen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich halte Dr. Waldheim nicht für einen Kriegsverbrecher, nur für einen Durchtaucher, Wegschauer und Verdränger. Seine Weigerung, in der Gedenkstätte Yad Vashem den Kopf zu bedecken, war provokant verletzend und wie viele seiner Aussprüche antisemitisch zu verstehen.

Antisemitismus kennt einen euphemistischen Namen: Antizionismus. Mir mißfällt Netanyahus Politik. Doch bei vielen antizionistischen Äußerungen frage ich mich: Wie verhielten sich diese Antizionisten und ihre Familien während der Shoa?

An diesem Platz hier wird häufig betont, daß man ein Christ, daher anständig sei, wohl implizierend, Nichtkatholiken, Nichtchristen seien minderwertig.

Hohes Haus! Politiker haben eine hohe Verantwortung. Verunglimpfungen, Herabwürdigungen und Diskriminierungen sind der Grundstein solcher Katastrophen. Den anderen zu verstehen und zu lieben, ist nicht jedermann möglich, wohl aber, ihn zu tolerieren und zu achten. Wir sind es den Opfern schuldig, mit diesem Gedenktag zu Besinnung und Toleranz aufzurufen, damit sich nicht Santayanas Ausspruch bewahrheitet, daß diejenigen, die sich der Vergangenheit nicht erinnern, dazu verdammt sind, sie zu wiederholen, und wieder einer sagen muß: Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

15.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Meischberger. Freiwillige Beschränkung der Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

15.32

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Budgetdebatte, vor allem das Kapitel Bundeskanzleramt, bietet eine der wenigen Gelegenheiten im Jahr, über Medienpolitik insgesamt beziehungsweise zumindest konzentriert auch die Presseförderung zu diskutieren.


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Kollege Kukacka, der hier sitzt, hat ja vorhin schon seinen Beitrag dazu geleistet – wie immer mit sehr minderen Mitteln. Aber heute war es ganz unzureichend, Herr Kollege Kukacka. Aufgefallen ist jedem, der Ihre Worte hier gehört und Ihren Debattenbeitrag verfolgt hat, daß Sie kein einziges, aber wirklich kein einziges kritisches Wort über die Presseförderung und dieses System verloren haben, obwohl Sie bisher der einzige Redner Ihrer Fraktion waren, der hier auf die Presseförderung eingegangen ist.

Es ist schon zu hinterfragen, warum ein derart überkommenes, in Europa einzigartiges System, das derart wettbewerbsverzerrend ist, von einer Wirtschaftspartei wie der Volkspartei hier nicht kritisiert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man sich nun die Frage stellt und wissen will, warum Kollege Kukacka hier kein einziges kritisches Wort über die Presseförderung gefunden hat, dann braucht man sich nur die Förderungsliste jener Zeitungen, die durch die Presseförderung fürstlich bedacht wurden, näher anzuschauen.

Da gibt es das "Neue Volksblatt" aus Oberösterreich (Abg. Großruck: Sehr gute Zeitung! Ausgezeichnete Zeitung!), das seit 1990 sage und schreibe 160 Millionen Schilling an Förderung aus Steuergeldern durch die Presseförderung bezogen hat. Es gab allein in den letzten beiden Jahren 40 Millionen Schilling, wenn man die Mittel aus Bund und Land zusammenrechnet, an Presseförderung für das "Neue Volksblatt", das praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit erscheint. Es ist ein Bestandteil der österreichischen Medienlandschaft, der absolut verzichtbar ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn man sich dann anschaut, wer Geschäftsführer ist, wer verantwortlich ist für diese Zeitung, und wenn man sich anschaut, wer verantwortlich ist dafür, daß auf dem Interventionsweg in nur wenigen Jahren 160 Steuermillionen in diese Zeitung hineingeflossen sind, dann stoßt man auf den Namen Kukacka. (Rufe bei der ÖVP.) Wenn es wahr ist, daß Kukacka ein fürstliches Gehalt – man spricht von sechsstelligen Beträgen – als Geschäftsführer dieser Zeitung bekommt, dann ist er für mich nichts anderes als die hier sprechende "fleischgewordene Subvention". (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist wirklich der einzige Grund, warum man hier kein einziges kritisches Wort gegenüber der Presseförderung aus den Reihen der ÖVP-Fraktion hört.

Damit ist für mich Kollege Kukacka auch die personifizierte Aufforderung dafür, diese Presseförderung endlich abzuschaffen! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt aber in der Medienpolitik noch ganz andere Stückeln. Ein Beispiel ist Bundeskanzler Klima, der, seit er angetreten ist, nur Ansagen, Versprechungen, Vorankündigungen macht und immer wieder Dinge von sich gibt, die letztlich nicht einmal vom Ansatz her eingehalten werden. Seinen Ruf als "Ankündigungskanzler" hat er vor allem aus dem Bereich Medien verdient. Man denke nur an die lächerliche, inzwischen zurückgezogene Debatte über die ORF-Reform: Bis heute keine Änderung in der Frage des ORF-Monopols, vollmundige Ankündigungen in einem Interview im "TV-Media" darüber, daß es heuer im Herbst – und ich glaube, jetzt ist der Herbst da – zu einer Gesetzgebung in bezug auf terrestrisches Privatfernsehen kommen wird. – Nicht einmal ein Denkansatz, geschweige denn ein Lösungsansatz ist in diesen Fragen da! Und viele Dinge mehr wären in diesem Zusammenhang zu erwähnen.

Ganz entscheidend ist auch die Debatte über die Werbesteuern. Österreich ist nach wie vor eine medienpolitische Insel in der Frage Werbesteuern, die die österreichische werbetreibende Wirtschaft stark benachteiligt gegenüber jedem ausländischen Werbetreibenden. All diese Dinge werden keiner Lösung zugeführt. Da gibt es nur Lippenbekenntnisse, und zwar deshalb, weil die Presseförderung unter anderem auch nicht geändert werden darf. Sie darf nicht geändert werden, weil es sich um reine Machterhaltungspolitik handelt. Diese Presseförderung ist nichts anderes als ein Medienfernsteuerungsinstrument des Bundeskanzleramtes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Medienfernsteuerungsinstrument, meine sehr geehrten Damen und Herren, funktioniert normalerweise vollautomatisch. Und wenn einmal aufgrund der Besetzung der Redaktions


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stuben der geförderten Zeitungen – von Presseförderung gefördert, die der Bundeskanzler eigenhändig vergibt – etwas "passiert", nämlich eine laute Kritik gegenüber dem Bundeskanzler, wie das Herr Menasse im Gastkommentar im "Standard" gemacht hat, dann wird es eng. Dann sieht man, was die Presseförderung wirklich ist: Via "NEWS" – das ist ja auch sehr bemerkenswert! – wird der österreichischen Öffentlichkeit bekanntgegeben, ob denn der Herr Menasse und der "Standard", der den Beitrag von Menasse abdruckte, nicht wüßten, daß die 28 Millionen Schilling an Förderung, die der "Standard" zum Überleben braucht, aus den Händen des Bundeskanzlers via Presseförderung kommen. – Das war ein Ausrutscher, der unsere Vorhalte, die wir immer gemacht haben, bewiesen hat: Die Presseförderung ist nichts anderes als ein Machterhaltungsinstrument der übelsten Sorte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gebe noch viele derartige Beispiele. Mir läuft die Zeit davon. Ich möchte nur noch sagen: Wenn "NEWS" derartige Meldungen verbreitet und darstellt, daß die Presseförderung weggehört, scheinheilig verkündet, daß diese Art der Förderung, die allgemeine und die besondere Presseförderung, eigentlich ein ungerechtes System ist, und wenn man es näher betrachtet, worauf die Finanzierung von "NEWS" beruht, dann darf man das auch nicht zurückhalten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, sie beruht nämlich auf der ganz besonderen Presseförderung für ganz, ganz besondere Freunde der Ministerien. Diese Schriftstücke hier (der Redner zeigt ein Bündel von Kopien) sind nichts anderes als 20 Seiten Werbung der verschiedenen Ministerien in der Zeitschrift "NEWS". Das Ganze hat gemäß den "NEWS"-Anzeigenpreisen einen Gesamtwert von zirka 4 Millionen Schilling. Und das ist nicht etwa die Jahresinseratsanzahl der Ministerien, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern das ist aus zufällig ausgewählten drei Ausgaben der Zeitschrift "NEWS", die 52mal im Jahr erscheint.

Das ist dann die ganz besondere Presseförderung, die Scheinheiligkeit schlechthin. Und wenn man sich ansieht, wer da drinnen aufscheint, über Caspar Einem, der ja von "NEWS" ganz besonders gehätschelt wird, bis hin zu Molterer, kann man feststellen, daß alle Ministerien vertreten sind. Das ist aber nur der Bereich der Ministerien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Es ist allerhöchste Zeit, von derartigen anachronistischen Systemen abzuweichen und etwas zu finden, das auch die neuen Medien und die Möglichkeit der Medienvielfalt wirklich unterstützt. Dahin gehend wurde von uns bereits im Ausschuß ein Antrag eingebracht. Wir rechnen aus den zuvor genannten Gründen zwar nicht damit – auch bei Ihnen nicht, Herr Kukacka! –, daß Sie einen solchen Antrag unterstützen, aber wir werden es weiterhin versuchen. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Vielleicht gelingt es uns doch noch, ein bißchen Bewegung in die festgefahrene österreichische Medienpolitik zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Kopf vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.41

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Meischberger, es ist einigermaßen verwunderlich, von dir solche Kritik an der Presseförderung zu hören. Ich denke, es sollte auch deiner Fraktion klar sein, wofür Presseförderung zunächst einmal gedacht ist: etwas sicherzustellen, das ein gänzlich freier Markt nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien in verschiedenen Teilbereichen nicht zu schaffen in der Lage ist, nämlich Medienvielfalt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Aumayr und Dr. Krüger. )

Eine Zeitung wie das "Neue Volksblatt" hat aus gutem Grunde bereits Presseförderung bekommen, damit diese Pressevielfalt auch in Oberösterreich sichergestellt werden kann, bevor ein Helmut Kukacka dort Verlagsleiter – und nicht Geschäftsführer – geworden ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Aber ich glaube vielmehr, daß dich wahrscheinlich gestört hat, daß dieses Medium – wie übrigens auch viele andere seriöse Medien – über dich persönlich berichtete und deinen Fall, mit dem du – wenn auch sehr unrühmlich – in Österreich so bekannt und berühmt geworden bist


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(Abg. Auer: Negativ!) , nach außen transportiert hat. Wir werden uns jedoch bitte nicht von dir sagen lassen, welches Medium in Österreich – wie du es genannt hast; ich zitiere dich – "verzichtbar" ist und welches nicht. Das werdet Gott sei Dank nicht du und deine Fraktion in Österreich bestimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Meischberger: Aber ihr auch nicht! – Abg. Dr. Khol: 3 Millionen bar aufs Handl!)

Wir stellen durch Schaffung von Rahmenbedingungen, zu denen auch Förderungen gehören, eben diese Vielfalt in der medialen Berichterstattung sicher, lieber Kollege! – Nun aber zu meinem eigentlichen Thema. (Rufe und Gegenrufe zwischen der Abg. Aumayr und Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beklagen in unserem Land immer wieder gesellschaftliche Fehlentwicklungen, Individualisierung, Mißbrauchsversuchungen oder auch – in einem anderen Bereich – die schwer finanzierbare Reparaturmedizin. Es gibt zweifellos Instrumente in unserem Land, mit denen wir soziale Integration fördern können, Gesundheitsvorsorge mit hohem Wirkungsgrad betreiben können, nationale und regionale Identifikation fördern und verstärken können oder sinnvolle Entwicklungen verschiedener wichtiger Wirtschaftszweige fördern können.

Einen wesentlichen Bereich stellt in dieser Hinsicht der Sport dar, und zwar in seiner gesamten Breite: vom Breitensport über den Leistungsport bis hin zum Familiensport, dem Seniorensport, dem Behindertensport und so weiter. Die Förderung des Sports ist unserer Ansicht nach ein gesundheits-, gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument, das wir von der Politik ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Nein, Herr Kollege, das gibt es bei uns nicht! (Beifall bei der ÖVP.) Aber das wissen Sie ohnedies. (Abg. Dr. Haselsteiner: Ja, ich kenne ein paar schwarze Vereine!) Es kann wohl nicht so sein, daß jemand, weil er eine Gesinnung hat, nicht auch als Ehrenamtlicher für diese Gesellschaft etwas tun dürfte. So kann es doch wohl nicht sein, Herr Kollege Haselsteiner!

Damit bin ich schon bei einem sehr wichtigen Punkt des Sports – aber nicht nur des Sports –, nämlich beim Vereinswesen. Sehr viele ehrenamtliche Funktionäre leisten für unsere Gesellschaft Arbeit, die gesellschafts- und gesundheitspolitisch von eminenter Bedeutung ist. Ich möchte mich von dieser Stelle aus einmal bei diesen vielen Ehrenamtlichen recht herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Dr. Leiner. )

Da ich nun bei den Ehrenamtlichen bin, möchte ich an dieser Stelle eines ganz klar aussprechen, auch wenn es nicht allein, aber in sehr hohem Maße eben auch für den Sport gilt: Herr Innenminister – auch wenn Sie nicht hier sind –, lassen Sie bitte die Finger von den Vereinen mit Ihren Entwürfen für ein Vereinsgesetz, das die Ehrenamtlichkeit und die vielen Funktionäre in den Vereinen, die so wichtig für unseren Staat sind, nichts als belasten würde, bürokratisch und auch mit anderen Maßnahmen. Lassen Sie uns bitte damit in Ruhe! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kräuter: Es gibt keinen Entwurf! Du weißt das!) Von uns werden Sie die Zustimmung dazu ohnedies nicht bekommen können. (Abg. Dr. Kräuter: Es gibt eh keinen Entwurf, Kollege Kopf! – Abg. Dr. Höchtl: Freilich gibt es einen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt im Sportbereich – insbesondere was die Verbände und Vereine anlangt – eine wesentliche Förderungsschiene: die sogenannte besondere Sportförderung in einer Größenordnung von 400 Millionen Schilling. Das ist bescheiden genug, wenn wir uns die Bedeutung dieses Sektors für unsere Gesellschaft vor Augen führen. (Abg. Mag. Schweitzer: Vergleich mit der Presseförderung!) Wir müssen akzeptieren, daß die Förderungsansätze in praktisch allen Bereichen derzeit aus budgetären Gründen – und zum Teil auch aus grundsätzlichen Überlegungen – nicht der früher in manchen Bereichen üblichen automatischen Valorisierung unterworfen werden. Ich nehme das als im Sport Tätiger zwar nicht gerne zur Kenntnis, kann es aber akzeptieren, weil wir inzwischen für die besondere Sportförderung gemeinsam eine Lösung gefunden haben.

Herr Staatssekretär! Daß wir diese Lösung gemeinsam gefunden haben, möchte ich besonders hervorheben. Sie spart im Sinne aller das aus, was wir vermeiden wollten, und kann auf der


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anderen Seite eine Finanzierung sicherstellen, mit der dieser Bereich in den nächsten zwei Jahren wird leben können. Ich bin sehr froh darüber, daß es uns gemeinsam mit unseren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion – mit Ihnen, liebe Kollegen Grabner und Löschnak, und mit Ihnen, Herr Staatssekretär! – gelungen ist, diese Lösung zu finden. Wir müssen sie zwar noch finalisieren, aber sie ist auf gutem Wege, und ich bedanke mich dafür recht herzlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch kurz auf den Bereich der allgemeinen Sportförderung zu sprechen kommen. Es gibt diese zweite Förderschiene in der Größenordnung von etwa 200 Millionen Schilling. Ich wiederhole mich zwar damit, möchte aber neuerlich auf meine Forderung hinweisen, daß wir künftig mehr Transparenz in diesen Bereich bringen müssen und dafür Förderrichtlinien brauchen.

Meiner Ansicht nach sollten wir uns Gedanken über eine Vergabekommission machen, welche die Projekte, die auf diese Weise gefördert werden, in ihrer ganzen Vielfalt und Breite einer Evaluierung unterzieht. Sie sollte auch die Sinnhaftigkeit der Förderung einer Überprüfung unterziehen und darauf achten, daß in den kritischen, neuralgischen Bereichen des Sports etwas geschieht: bei den Trainern, für die wir zuwenig Geld zur Verfügung haben, um qualifizierte und professionelle Betreuungsstrukturen sicherstellen zu können, oder etwa in der Frauenförderung, für die wir zwar seit Jahren Geld budgetieren, wo wir aber nicht imstande sind, die sicherlich notwendigen und wichtigen Projekte zu definieren, um den Frauen im Sport besonders helfen zu können.

Wir sollten uns auch Gedanken darüber machen, wie wir den – nachdem wir ihn letzte Woche beschlossen haben – jetzt zu schaffenden Vorsorgefonds in Höhe von 100 Millionen Schilling beziehungsweise einen Teil dieses Geldes dafür verwenden können, den Sport als Prophylaxe im Sinne der Gesundheitsvorsorge einzusetzen.

Das wären die wesentlichen Herausforderungen für die nächsten Monate und das kommende Jahr. Ich kann Ihnen von meiner Fraktion anbieten, daß wir mit Ihnen gemeinsam sehr konstruktiv an diesen Projekten arbeiten wollen. Aber es sind einige Dinge offen, und diese müssen erledigt werden. Ich nenne noch einmal: Trainerförderung, Frauenförderung und generell der Sport als Gesundheitsvorsorge. Dafür braucht es die Umsetzung konkreter Projekte.

Unsere Unterstützung dazu haben Sie, wenn wir den Sport und dessen Förderung als das verstehen, was er von der Politik her gesehen sein sollte: Wir können ihn als gesundheits-, gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument im Sinne unserer Gesellschaft einsetzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.50

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Verehrter Herr Bundeskanzler in absentia! Herr Sportminister, besser gesagt: Herr Gala-Sportminister oder Sportgala-Minister! Wo immer Sie derzeit sein mögen – Ihre Anwesenheit bei sportlichen Angelegenheiten beschränkt sich auf das Sich-an-geeigneter-Stelle-Präsentieren, jedoch nicht an jener Stelle, an der Sportpolitik betrieben wird. Wir haben Sie nie im Sportausschuß gesehen, und wir sehen Sie auch nicht heute anläßlich einer Debatte, welche die Möglichkeit bietet, über Sport zu reden.

Sie haben den Sport zur "Chefsache" gemacht, und wir warten auf die Auswirkungen. Die scheinbare Aufwertung der "wichtigsten Nebensache der Welt" läßt auf sich warten. Herr Staatssekretär! Sie werden vermutlich auf der Habenseite erwähnen, daß die Spitzensportförderung ausgeweitet wurde und die Aufnahme von Sportlerinnen beim Bundesheer gelungen ist. Vielleicht werden Sie auch die Qualifikation von Österreichs Fußball-Nationalmannschaft für die WM in Frankreich für sich reklamieren. Aber damit hat es sich bereits. Andere Auswirkungen sind – jedenfalls aus meiner Perspektive – nicht sichtbar und auch am Budget nicht ablesbar.


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Herr Staatssekretär! Schon bisher – das wird sich künftig noch erhöhen – sind ungefähr 99 Prozent der gesamten Sportförderungsmittel an 1 Prozent der Sportler ausgeschüttet worden. Das vorliegende Budget verstärkt diese Situation. Sie haben es nicht geschafft, die von Vranitzky versprochene Valorisierungsbegrenzung aufzuheben. Sie haben von unserer Seite bereits über die Interventionen Bescheid bekommen, die selbst in Ihre Partei hineinreichen, bis hin zu Frau Prokop, die hilfesuchend an uns geschrieben hat.

Der gesamte österreichische Vereinssport ist bitter enttäuscht. Ich kann nicht verstehen, daß die Valorisierung in diesem Bereich nicht durchgegangen ist und daß es Ihnen diese – relativ zur österreichischen Volksgesundheit – Kleinigkeit tatsächlich wert war, unter den Vereinen solche Unsicherheit zu verbreiten (Abg. Kopf: Er ist ein Opportunist!)  – auch wenn Herr Kopf hier erklärt hat, daß es geschafft wurde und ein Ausgleich entstanden ist, dessen Ergebnis uns bisher allerdings verschwiegen wurde und das auch nicht absehbar ist. (Abg. Kopf: Der findet sich im Budget noch nicht!) Ich nehme an, Sie spielen darauf an, daß die Bundessporteinrichtungen "privatisiert" – unter Anführungszeichen – werden sollen und die geheimnisvollen Erlöse daraus in Richtung Sportförderung und Vereine wandern sollen. (Abg. Kopf: Nein, nein!)

Auch wenn Sie das nicht meinen, bleibe ich bei diesem Thema. Es ist ein Vorschlag für eine Betriebsgesellschaft der Bundessporteinrichtungen ergangen. Man will diese seit vier Jahren angekündigte und immer wieder aufgeschobene Gesellschaft nunmehr einführen und hat dafür einen Vorschlag ins Haus gebracht. Ich darf Ihnen sagen, was die österreichische Wirtschaftskammer von diesem Vorschlag hält. Die Kritik richtet sich in erster Linie gegen die gewählte Konstruktion, die als "überregulierte und hybride Verschachtelung öffentlich-rechtlicher und handelsrechtlicher Elemente" gesehen wird. Da die Gefahr einer Überteuerung und halbherzigen "Scheinprivatisierung zur Budgetkosmetik" geortet wird, werden weitere Überlegungen in Richtung alternative Modelle vorgeschlagen. – Das sagt nicht ein ätzender freiheitlicher Sportpolitiker, sondern die Wirtschaftskammer.

Aber Sie stecken nun in einem Schlamassel, und es wird – um den Berufssportbereich anzusprechen – am Fall Goldberger in allernächster Zeit transparent werden, welche Doppelzüngigkeit und welche Ignoranz in Richtung Berufssport existiert. Ich habe kürzlich den Herrn Bundeskanzler gefragt, wie es um Österreichs Berufssport stünde, und zwar im Zusammenhang damit, daß die EU verboten hat, Berufssportvereine mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Daß das täglich passiert, ist die eine Sache, aber etwas anderes ist die Ausrede des Herrn Bundeskanzlers, nämlich die lapidare Antwort: In Österreich gibt es keinen Berufssport.

Daß man ihn nur nicht registriert hat, das wird jetzt am Fall Goldberger in allernächster Zeit klarwerden. Es ist allerdings bisher schon an der Flucht von Skisportlern und anderen österreichischen Sportlern bis hinüber zu den Antillen transparent geworden. Das läßt Inkonsequenz in viele Richtungen erkennen, ein Vermanschen und Vermischen des Berufssportbereiches mit dem Amateursportbereich sowie ein Verwechseln von Breitensport und Gesundheitssport mit dem Amateursport, der höher hinaus will, als er kann.

Hier ist ein Vorschlag für eine deutliche Trennung: Überlassen Sie den Berufssport seinen selbstregulierenden Mechanismen und fördern Sie den Amateursport durch Zurverfügungstellung geeigneter Sporteinrichtungen! Wir warten auf den Sportstättenplan, nachdem der alte 1996 ausgelaufen ist und dessen Erneuerung und Erweiterung großspurig angekündigt wurden. Er fehlt nach wie vor. Lassen Sie vor allem – darum ersuche ich Sie speziell in diesem Rahmen, Herr Staatssekretär – bitte die Parteipolitik aus dem Förderungswesen heraußen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wie kann es in der Tat geschehen, daß Vorfeldorganisationen von Parteien – konkret etwa der ASKÖ – in die Lage versetzt werden, öffentliche Mittel freihändig zu vergeben? Warum darf das weiterhin in der Form vor sich gehen, wie es jahrzehntelang geschehen ist? – Wir haben das bereits im Ausschuß kritisiert und jetzt auch einen entsprechenden Antrag eingebracht.


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Das hat nichts damit zu tun, daß es uns ein Anliegen wäre, Dachverbände zu zerlegen. Dachverbände haben im Breitensportbereich durchaus anerkennenswerte und billige Arbeit geleistet. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Was hat die freiwillige Arbeit im Vereinswesen damit zu tun, daß man mit ein paar Funktionären tief in die Tasche greifen darf: daß man die Subventionsansuchen auf dem einen Schreibtisch verfaßt und dann ins andere Amt hinübergeht, um sie dort zu bestätigen – und schließlich noch die dritte Funktion, nämlich die Kontrolle der Förderungsmittelvergabe, übernimmt? – Das muß ein Ende haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte mit einer versöhnlichen Anmerkung enden. Auf unser intensives Verlangen – auf Verlangen der Freiheitlichen und mit Unterstützung des sozialistischen Sportsprechers, der zwar kein Mountainbiker ist (der Redner spricht Mountainbiker wie "montenbicker" aus – Heiterkeit bei den Freiheitlichen) , aber sein Sportherz am rechten Fleck hat – ist es gelungen, einen Sportausschuß einzurichten. Möge dieser Sportausschuß bald – noch zum Sportbericht 1996 – seine Beratungen aufnehmen! Vielleicht gelingt es uns auch, den Herrn Sportgala-Minister oder Gala-Sportminister dort einmal zu treffen. Es würde uns freuen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.58

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! In dieser Debatte über Oberste Organe möchte ich auf die Arbeit der Frau Bundesministerin eingehen beziehungsweise mich auf ihren Bereich beziehen.

Zuerst zu den Förderungen für Frauen- und Mädchenberatungsstellen: Ich glaube, daß die 26 Frauen- und Mädchenberatungsstellen in Österreich hervorragende Arbeit leisten und daher unterstützt werden müssen. Das heißt, wir müssen in Zukunft wirklich darangehen, ihren Bestand mit einer finanziellen Grundabsicherung zu gewährleisten. Ich stimme mit Kollegin Kammerlander nicht überein, wenn sie hier sehr negativ darüber berichtet und behauptet hat, daß die Frau Bundesministerin beziehungsweise das Frauenministerium in dieser Richtung nichts unternehme.

Meiner Ansicht nach müssen wir überlegen, ob es ausreicht, daß 50 Prozent der Fördermittel aus dem schmalen Budget für diese Serviceleistung zur Verfügung gestellt werden. Frau Bundesministerin! Wir müssen überlegen, ob wir diese Servicestellen in Zukunft nicht nur jeweils für ein Jahr absichern, sondern sie längerfristig finanzieren. Es ist auch zu überlegen ... (Bundesministerin Mag. Prammer spricht mit einer Mitarbeiterin. – Abg. Dr. Pumberger: Sie hört nicht zu! Es hört niemand zu!)

Das ist leider das Problem bei Frauendiskussionen. Diese sind nämlich auch ein Teil der Gesellschaft, und es wäre wirklich wünschenswert, wenn mir hier ein Ohr geliehen würde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grabner: Das werden wir aber Ihren Kollegen dann auch sagen, wenn sie da stehen!) Nur keine Aufregung! Ich habe noch mehrere schwarze Pillen in meiner Schublade, nicht nur für Herrn Haselsteiner, sondern auch für Sie, Herr Kollege! (Abg. Grabner: Da werden wir keine Angst haben! – Weitere Zwischenrufe.) Ich weiß nicht, warum die Aufregung jetzt so groß ist. Ich habe nur gebeten, die Frau Ministerin möge bitte zuhören.

Ich habe nämlich einen konstruktiven Vorschlag vorzubringen. Dieser besagt, daß ich eine längerfristige Absicherung von Frauenserviceeinrichtungen beziehungsweise Mädchenberatungsstellen unterstütze. Ich glaube aber, daß wir in Zukunft überlegen müssen, ob wir neue, zusätzliche Einrichtungen schaffen, die nicht mehr allein mit dieser Materie etwas zu tun haben und nicht unbedingt in das Frauenministerium gehören. Ich meine damit, wir sollten die bestehenden und teilweise noch in den Regionen einzurichtenden Frauenservicestellen beziehungsweise Mädchenberatungsstellen nicht so gestalten, wie Kollegin Kammerlander gemeint hat: daß sie auch für Kultur, für Sport und vieles mehr zuständig sind. Das kann sehr wohl aus anderen Fördertöpfen bewerkstelligt werden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meiner Ansicht nach müssen wir überdies mehr denn je die Frauenhäuser unterstützen, weil sie – neben den Sozialhilfeverbänden – über diese Finanzierung immens gute Arbeit leisten.

Da ich jetzt beim Förderungsbereich bin, möchte ich ein Beispiel dafür bringen, was ich mit gezielter Förderung meine.

Es ist insbesondere im EU-Bereich sehr wichtig, daß Informationen weiterlaufen, aber man muß dabei meiner Ansicht nach auch selektieren. Es ist ein wenig verwunderlich, wenn die Frauenservicestellen, wie wir wissen, zuwenig Geld bekommen und zugleich zum Beispiel mit dem Verein Business-Frauen-Center in Wien und in Graz – in Graz arbeiten überdies ÖSB, eine meiner Ansicht nach nicht unbekannte Organisation, weiters das Arbeitsmarktservice und die Wirtschaftskammer jeweils mit einer eigenen Abteilung sowie "nowa"-Frauenprojekte, und sie alle arbeiten exzellent – zusätzlich eine Beratungsstelle eingerichtet wird, von der kolportiert wird, daß ein ansehnlicher Betrag in diese Richtung fließt und außerdem für zwei Jahre eine Absicherung mit Werkverträgen erfolgt.

Für einen weiteren Punkt, der mir unverständlich ist, bitte ich um Ihre Unterstützung, Frau Ministerin! Es gibt keine Ländervertreterin für die EU-Angelegenheiten der Frauen und für die Chancengleichheit, und in einem Schreiben aus dem Bundeskanzleramt vom 27. Jänner 1997 – vielleicht wissen Sie nichts davon – heißt es, es sei nicht notwendig, eine Ländervertreterin zu entsenden; es würde genügen, wenn eine Vertreterin aus dem Sozialministerium und dem Frauenministerium in Brüssel unsere Anliegen vertritt.

Sie waren selbst bei der Frauenreferentinnenkonferenz. Meine Mitarbeiterin hat mir berichtet, daß es ein Protokoll der Frauenreferentinnen gibt – ich habe es hier –, in dem aufgelistet ist, wie lange der Weg schon ist, um zu erreichen, daß wir eine Ländervertreterin bekommen. Wir benötigen diese dringend, um zu Informationen – auch aus den zwei genannten Ministerien – zu kommen.

Gerade in Zeiten wie diesen und zumal man weiß, daß voriges Jahr 15 NOW-Projekte eingereicht wurden, die reine Frauenprojekte sind, und in der letzten Runde an die 20 gekommen sind, bitte ich Sie, Ihr Gewicht und Ihre Macht einzusetzen, daß die Länder durch eine Ländervertreterin eingebunden werden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.03

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatsanwalt! (Heiterkeit.) Pardon! Herr Staatssekretär! Für einen Staatsanwalt hat er wirklich nicht die Eigenschaften, wie ich sie mir für einen Staatsanwalt vorstelle. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir debattieren hier in bunter Reihenfolge unter dem Titel "Oberste Organe", insgesamt neun Budgetkapitel. Ich bedauere es sehr, daß man nicht zumindest versucht hat, die einzelnen Budgetkapitel gemeinsam zu diskutieren, um eine echte Auseinandersetzung und ein bißchen mehr Konfrontation zwischen den Abgeordneten und Sprechern der Regierungsparteien sowie jenen der Opposition zu ermöglichen. So geht es ein bißchen quer durch den Gemüsegarten.

Ich beschäftige mich mit dem Budget der Frauenministerin – sie hört mir nicht zu, aber vielleicht wird sie das noch tun. Wir Freiheitliche haben dazu schon im Budgetausschuß diverse Fragen gestellt. Das erste war der Bereich Förderungen, der – wie aus dem Budget hervorgeht – insgesamt um 6 Millionen Schilling erhöht wurde. Die Frau Bundesministerin hat bereits voll Stolz darauf hingewiesen. Sie setzt laut ihrer schriftlichen Anfragebeantwortung ihre Schwerpunkte in den Ausbau der Frauenservicestellen und in Projekte gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Ich persönlich und auch wir Freiheitliche finden das insgesamt in Ordnung.


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Ein bißchen komplizierter wird es beim zweiten Fragenbereich, und zwar bei den Personalausgaben. Die Personalausgaben, die insgesamt für das Kapitel "Oberste Organe" unter 1/10000 budgetiert sind, erfahren laut Voranschlag von 1996 ausgehend bis zum Jahr 1998 eine Steigerung von 22 Prozent.

Es ist mir klar, daß das jetzt nicht mit dem Budget oder mit dem Arbeitsbereich der Frauenministerin zusammenhängt. Es sind Kompetenzen verlagert worden, und der Großteil dieser Steigerungen wird dadurch begründet sein. Aber aus unserer Anfragestellung geht auch hervor, daß für den Bereich Frauenangelegenheiten insgesamt 31,5 Mitarbeiterinnen tätig sind. In Ihrem persönlichen Büro, Frau Bundesministerin, arbeiten 16 Mitarbeiterinnen. Ich halte das für eine gewaltige Anzahl von Beamten, Beamtinnen und Vertragsbediensteten, die sich damit beschäftigen. Wenn man dann Ihre Antwort auf die Kritik der Abgeordneten Kammerlander gehört hat, die sich beklagt hat über Ihre klägliche Haltung in bezug auf das Frauen-Volksbegehren, und Sie sich damit entschuldigt haben, daß Sie diverse Forschungsprojekte und Arbeitskreise in Gang gesetzt hätten, dann muß ich sagen: Für 31,5 Mitarbeiter ist das Ergebnis der Arbeit des Frauenministeriums als wirklich kläglich anzusehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Wenn ich in der Beantwortung des freiheitlichen Fragenspiegels weitergehe, dann kann ich aber mit Genugtuung auch sagen, daß Sie immerhin Geld zur Verfügung gestellt haben für ein EU-Projekt, das das Berufsbild und die Ausbildung von Tagesmüttern unterstützt. Wie Sie alle wissen, ist das eine langjährige Forderung der Freiheitlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich empfinde wirkliche Genugtuung darüber, daß man nun endlich auch von seiten Ihres Ministeriums bereit ist, diesen Überlegungen zumindest gedanklich näherzutreten.

Weniger einverstanden sind wir Freiheitliche damit, daß Sie 414 000 S dafür ausgeben, eine Broschüre in Auftrag zu geben, die laut Ihren Auskünften Anleitungen zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch beinhaltet. Ich glaube, daß diese Aufwendung ... (Abg. Mag. Schweitzer: Was ist denn das?) Das weißt du genau, Karl Schweitzer, was das ist. Man hört es ja immer wieder. Aber es wäre entbehrlich gewesen.

Insgesamt gesehen, enthält Ihr Budget keine gewaltigen Ausgaben und fällt mit den Sachkosten kaum ins Gewicht.

Immer wieder hat man auch versucht, die Installierung dieses Frauenministeriums als Signalwirkung hinzustellen. Aber auch diese Signalwirkung wird immer fraglicher, Frau Bundesministerin. Erinnern wir uns: Es gab einmal – unter Ihrer Vorgängerin Dohnal – einen Megatrend in Sachen Frauenpolitik. Man hat sich einen großen Durchbruch für Frauen versprochen, und es ist den Frauen auch versprochen worden, daß man in bezug auf Fraueneinkommen oder Frauenpensionen tätig werden wird. Heute aber ist völlig klar, daß das derzeit nicht der Fall ist und daß sich die Tätigkeiten – auch Ihrer Vorgängerinnen – in Grapschaffären und Halbe-halbe-Aktionen erschöpft haben. Wirtschaftliche Verbesserungen gibt es de facto so gut wie keine. Sie selber gestehen ein und immer mehr Stimmen werden laut, daß es für Frauen eine sogenannte gläserne Decke gibt und daß seit dem Frauen-Volksbegehren das Klima für die Frauen eher rauher geworden ist, was sicher mit der wirtschaftlichen Situation insgesamt zu tun hat. Wenn ich bedenke, daß Ihre so vielgepriesenen Quotenregelungen zwar mehr Frauen in politische Gremien gebracht haben, diese aber letztlich insgesamt genausowenig erfolgreich waren wie unter Ihren Vorgängerinnen, dann muß ich mich schon fragen: Kann man Frauenpolitik wirklich ohne Männer machen? – Die Antwort ist: Nein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Wir Freiheitliche haben immer den Standpunkt vertreten, daß Frauenpolitik von gesellschaftlichem Interesse sein muß. In diesem Punkt bin ich einer Meinung mit meiner Vorrednerin, Frau Steibl: Wir brauchen die Männer dazu! Radikalfeminismus ist in diesem Bereich einfach nicht mehr angesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Ministerin! Wenn ich mich daran zurückerinnere, wie sich Männer Ihrer Partei weiblichen Abgeordneten Ihrer Partei gegenüber heuer im Sommer hier in diesem Haus verhalten haben,


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wenn ich daran denke, daß weibliche Abgeordnete zur Stimmabgabe genötigt wurden und keine Hilfestellung von Ihrer Seite gekommen ist, dann muß ich sagen: Sie hätten in Ihrer eigenen Partei noch genügend zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt relativ geringfügige Probleme, die Sie schon lange hätten lösen können, deren Lösung schon mehrmals versprochen wurde. Ich spreche jetzt von den Frauen mit Betreuungspflichten, und ich sage das heute zum soundsovielten Mal hier: Frauen mit Betreuungspflichten haben immer noch, unabhängig von der Anzahl der zu betreuenden Kinder, ganztägig und uneingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Auf diesem Gebiet wurde nichts verbessert, obwohl Ihre Vorgängerin Konrad das angekündigt hat und obwohl es jetzt eine weibliche Frauenministerin und eine weibliche Sozialministerin gibt; diese können aber anscheinend auch nicht zu einer Absprache finden.

Es hat bereits in der "ZiB 2" einmal eine diesbezügliche Ankündigung gegeben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Frau Kollegin Mertel! Sie können dann hier am Rednerpult Ihre Position erklären! (Abg. Dr. Mertel: Ich kann auch von hier aus reden!) Es wurde jedenfalls eine Lösung via Fernsehen angekündigt, de facto wurde jedoch nichts unternommen. Deshalb stellt sich für uns Freiheitliche nicht zum ersten Mal wirklich die Frage nach der Daseinsberechtigung Ihres Ministeriums. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schwarzenberger und Dr. Mertel. ) Man kann jemanden nicht nur an seinen Worten messen. Wortgewaltig ist die Frauenministerin, das gestehe ich ihr zu, aber ich erwarte endlich einmal Taten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

16.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Grabner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.13

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zunächst einmal nur zwei Sätze, denn in 5 Minuten kann man nicht viel sagen.

Zum Vereinsgesetz: Es gibt keinen Gesetzentwurf, und wir werden gemeinsam darum kämpfen, daß die gemeinnützigen kleinen Vereine nicht benachteiligt werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum zweiten: Ich bin sofort dafür, eine Vergabekommission für besondere Sportförderungsmittel einzurichten, aber das muß dann natürlich für alle Ministerien gelten und nicht nur für den Sport. Gehen wir gemeinsam, dann können wir sicherlich eine entsprechende Lösung finden!

Meine Damen und Herren! 2,5 Millionen Menschen in Österreich betreiben regelmäßig und weitere 4 Millionen gelegentlich Sport. Es gibt 18 000 behördlich gemeldete Sportvereine mit 250 000 Funktionären, die beinahe 100 Sportarten anbieten. Die daraus für die Wirtschaft erwachsende Wertschöpfung beträgt nach vorsichtigen Schätzungen pro Jahr rund 100 Milliarden Schilling.

Für einige Sektoren der Wirtschaft ist der Sport geradezu als Motor anzusehen, etwa für Erzeuger von Sportausrüstung und Freizeitkleidung, für den Tourismus, aber auch für die Medien, für Transportunternehmen, für Dienstleistungsbetriebe, für die Werbung und für den Export, wobei auch die daraus erwachsende große Bedeutung für die Arbeitsplatzsituation nicht vergessen werden darf.

Meine Damen und Herren! Ich kann die Aussage von Herrn Dr. Grollitsch nicht nachvollziehen: Sport ist nicht mehr die wichtigste Nebensache der Welt, Sport hat einen großen Stellenwert in unserer Gesellschaft! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das Haus Sport ist in Österreich mit Löschnak, Wallner, Jungwirth, Mauhart, Gruber, Ludwig, Holdaus, Neuper (Abg. Leikam: Und Grabner!) und vielen anderen sehr, sehr gut besetzt. Von freiheitlicher Seite wird über die 250 000 Funktionäre, die den Sport betreuen und sich dafür engagieren, gelacht. – Ich glaube, das ist nicht sehr positiv für den Sport und für Ihre Partei!


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Bundessportförderungsmittel – wir haben es schon gehört – werden für den Sport eine bessere Lösung sein als die Valorisierung. Daher richte ich ein Dankeschön an alle, die mitgewirkt haben, an die zwei Regierungsparteien, unseren Staatssekretär und auch unseren Präsidenten der BSO Löschnak! Herzlichsten Dank! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sehr wichtig für ein kleines Land wie Österreich ist es auch, Großveranstaltungen durchzuführen. In den Jahren 1998 und 1999 werden wieder viele Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, Weltcupturniere in Österreich durchgeführt werden. Auch wenn wir die zwei Großveranstaltungen, nämlich die Fußballeuropameisterschaft und die Olympischen Spiele 2006 – die Auswahl des Kandidaten hiefür findet schon am 2. Dezember statt –, bekommen, wird das eine wichtige Angelegenheit für die betreffenden Städte beziehungsweise für Österreich sein.

Viele Budgetmittel werden für Sportstätten zur Verfügung gestellt, so zum Beispiel die letzte Rate in der Höhe von 20,5 Millionen Schilling für das Stadion Graz, die ersten 20 Millionen für die Renovierung in Innsbruck und den Neubau des Fußballstadions. Für die Weltmeisterschaft 1999 in der Ramsau wurden 3 Millionen Schilling und für die Weltmeisterschaft in St. Anton im Jahre 2001 bereits 10 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt. Auch das Projekt Nachwuchsförderung – bereits für die Olympischen Sommerspiele 2004 – wird wiederum mit 8 Millionen Schilling dotiert.

Meine Damen und Herren! Auch die Entwicklung im IMSB mit Holdaus an der Spitze ist für den österreichischen Sport von großer Wichtigkeit.

Ich könnte noch sehr viel über die Leistungszentren und ähnliches sagen. Die Zeit ist jedoch schon vorgeschritten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Der Schulsport fällt nicht in die Kompetenz des Bundeskanzleramtes, aber Staatssekretär Dr. Wittmann hat bereits eine Initiative gesetzt: "Sporthits for Kids" ist ein großartiger Erfolg. Ich hoffe, Herr Staatssekretär, daß diese Veranstaltung in Zukunft in ganz Österreich durchgeführt werden wird!

Herr Kollege Dr. Grollitsch! Sie sagen immer, daß die Dachverbände, die die Organisation des Breitensports durchführen, politisch besetzt sind. – Bei meiner letzten Rede zum Sportbericht habe ich hier mitgeteilt, daß es gar nicht so politisch sein kann: Denn Ihr Bundesparteiobmann war bei einem Union-Verein. Sie haben eine Berichtigung gemacht und gesagt, daß ich die Unwahrheit gesagt habe. Ich habe hier jedoch ein Schreiben von der Union, in dem bestätigt wird, daß Herr Dr. Haider von 1986 bis 1990 im Klub Althofen Obmann der Österreichischen Turn- und Sportunion war. – Ich habe also die Wahrheit gesagt, auch Ihr Obmann war Präsident der Union! (Abg. Dr. Stippel: Da schau her!) Ich denke, das sollte man sagen. Denn wenn man hier steht und etwas sagt und einem dann unterstellt wird, daß man die Unwahrheit gesagt hat, dann können wir, wie ich meine, wieder eine Berichtigung verlangen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Meisinger. )

Herr Kollege! Für Sie wäre es besser gewesen, Sie hätten den Mund gehalten, denn von Sport haben Sie keine Ahnung! In dieser Angelegenheit kann ich Ihnen nur die gelbe Karte geben! (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Warum nicht die rote?)

Sehr wichtig für den Sport in Österreich ist die Lotto-Toto-Gesellschaft. Ich darf mitteilen, daß die Gesellschaft von 1986 bis 1996 3,9 Milliarden Schilling für den Sport zur Verfügung gestellt hat, aber auch 149 Millionen Schilling für die Kinderhilfe, 154 Millionen Schilling für die Sporthilfe, 141 Millionen Schilling für die Seniorenhilfe und 41 Millionen Schilling für das Österreichische Olympische Comité. – Ein Dankeschön dem Vorstand der Lotto-Toto-Gesellschaft!

Abschließend möchte ich noch einiges zur Sporthilfe sagen. Wenn Ihr Herr Dr. Grollitsch gemeint hat, der Herr Bundeskanzler war natürlich bei der "Nacht des Sports" anwesend, dann kann ich berichten, daß auch Herr Dr. Haider und Konsorten anwesend waren, und sie haben genauso in die Fernsehkamera hineingeschaut wie der Bundeskanzler. Ich glaube, das muß jedem Staatsbürger möglich sein, und natürlich auch dem zuständigen Minister! (Abg. Mag. Schweitzer: Warum hast du uns nicht eingeladen, Noldi?)


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Von dieser Stelle aus möchte ich dem neuen Geschäftsführer der Sporthilfe, Hubert Neuper, herzlichst danken. Bei dieser Veranstaltung am vorigen Samstag konnten wir wirklich auf den Sport stolz sein! Ich möchte von dieser Stelle aus auch dem Vorgänger, unserem Freund Andy Schwab, ein herzliches Dankeschön sagen, denn ihm haben wir das zu verdanken!

Meine Damen und Herren! Die Spitzensportler sind die besten Botschafter Österreichs in der Welt. Ich hoffe, daß unsere Spitzensportler bei den Olympischen Spielen in Japan wieder viele Erfolge für Österreich hereinbringen werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Geschäftsordnung ist bekannt: 2 Minuten Redezeitbeschränkung.

16.21

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollege Grabner hat soeben behauptet, daß die Freiheitlichen über die 250 000 ehrenamtlichen Sportfunktionäre Österreichs lachen.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe in meiner Wortmeldung vorher den freiwilligen Funktionären Anerkennung gezollt. Ein Gutteil dieser Funktionäre gehört im übrigen auch unserer politischen Richtung an. Diesen Personen ist nichts vorzuwerfen (Abg. Grabner: Dann sollen sie sich anders benehmen!) , und es ist unrichtig, wenn man uns unterstellt, daß wir über diesen Personenkreis lachen.

Zweitens stehe ich aber nicht an, richtigzustellen, daß meine seinerzeitige Behauptung, daß Dr. Haider nicht bei einem Union-Verein als Funktionär tätig war, der Überprüfung nicht standgehalten hat. Er war in der Tat im Jahr 1986 als Funktionär bei diesem Verein tätig, hat mir aber glaubhaft versichert, daß dieser Verein erst nachträglich von der Union "okkupiert" – unter Anführungszeichen – wurde. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Das war ein bißchen an oder über der Grenze einer tatsächlichen Berichtigung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Schöggl. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.22

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Die heutige Debatte ist wirklich in ihrer Kombination sehr vielfältig und interessant. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Feiheitlichen.)

Ich möchte vom Sport wieder zurück zu den Frauen kommen, denn im Sinne dessen, was meine Kollegin Haller gesagt hat, versuchen wir von den Freiheitlichen tatsächlich, frauenpolitische Themen gemeinsam zu beleuchten, weil ich glaube, daß das auch die Männer weitgehend etwas angeht. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Eder. )

Frau Minister! Im Rahmen der Debatte wurden bereits alle möglichen Förderungen, Programme und Projekte vorgestellt, die Sie mit Ihrem Budget zu bewältigen vorhaben, und ich möchte jetzt die Gewichtung dieses Budgets ein bißchen ins richtige Lot rücken. Sie verfügen über insgesamt 65 Millionen Schilling, das sind 0,87 Promille des Gesamtbudgets. So geben wir zum Beispiel für den Wettersatelliten wesentlich mehr aus, als das Frauenministerium Budgetmittel zur Verfügung hat! So gesehen wird mit dem Frauenministerium tatsächlich – wie meine Kollegin Haller schon gesagt hat – ein entsprechendes Signal gesetzt. Denn mit diesen Mitteln kann zur Verbesserung der Stellung der Frau in der Gesellschaft nicht sehr viel beigetragen werden. So gesehen ist dieses Signal aber wiederum ein relativ teures Signal, vor allem


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deswegen, weil Sie immerhin 25 Prozent der Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel faktisch im eigenen Bereich verbrauchen und diese somit den Frauen nicht mehr so unmittelbar, wie Sie das geplant haben, zugute kommen.

Frau Minister! Trotzdem könnten Sie in bescheidenem Maße zumindest ansatzweise versuchen, unverschuldet in Not geratene Frauen zu unterstützen. Ich nehme an, daß Sie das auch tun. Mit den Mitteln, die Sie für die ausgesprochen unnötige Studie mit dem Titel "Kreatives Formulieren – Anleitungen zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch" aufgewendet haben, die immerhin sage und schreibe 415 000 S gekostet hat, hätten Sie bei richtigem Einsatz allerdings zum Beispiel 1 000 alleinstehenden Witwen eine Heizkostenunterstützung für den Winter geben können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben in der Ausschußsitzung erklärt, daß die Frauen jetzt endlich über eine eigene Sektion im Bundeskanzleramt verfügen werden. – Ich glaube, genau das ist es, was sich die Frauen in ihrem Kampf immer gewünscht haben: Endlich ihre eigene Sektion im Bundeskanzleramt! Damit geht es jetzt wirklich so richtig los! Ich glaube, daß es den Frauen egal sein wird, wie sie in der Verwaltung verankert sind (Beifall bei den Freiheitlichen), die Hauptsache ist, daß sie effizient vertreten werden. Aber davon kann wirklich keine Rede sein!

Sie haben es auch schwer, ein politisches Thema wirklich zu besetzen, weil es ja kaum ein typisches Frauenthema gibt. Denn Gesundheitspolitik, Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Justizpolitik, Sicherheitspolitik betreffen beide Geschlechter in gleichem Maße, und wir Frauen (allgemeine Heiterkeit), pardon!, wir Freiheitlichen sind es, die versuchen, auch die männlichen Aspekte in diese Thematik einzubringen. Das war eine Freudscher Versprecher! Das wird zulässig sein! (Abg. Dr. Mertel: Das war ein schönes Kompliment!) Eben! Danke schön!

Zum Schluß möchte ich noch auf das Thema der Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaften zu sprechen kommen. Frau Minister! Wenn es Ihnen und auch den Damen von der ÖVP wirklich wichtig ist, ein lückenloses dezentrales Netz zur Betreuung von Frauen zu schaffen, dann setzen Sie sich ernsthaft mit unserem Antrag auseinander, der darauf abzielt, niedergelassene Anwälte – und es gibt auch ausgezeichnete weibliche Anwälte – mit diesen Aufgaben zu betrauen! Dann würden Sie keine zusätzlichen Institutionen und keine zusätzlichen Büros schaffen müssen! Aber Sie könnten natürlich auch keine politischen Posten besetzen. Und ich glaube, daß es Ihnen in letzter Konsequenz nur darum geht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Minister! Wenn ich daran denke, wie lange es dauert und wir darauf warten müssen, bis diese Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Sie ja schon vor langer Zeit angekündigt haben, im Osten Österreichs eingerichtet werden wird, dann befürchte ich, daß die Frauen, wenn Sie weiter diesen Weg gehen, noch lange auf ihre flächendeckende Vertretung werden warten müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.28

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Eine kleine Anmerkung zu meinem Vorredner zum Stichwort männliche Logik: Wenn es schon für Frauenpolitik wenig Geld gibt, dann soll nicht auch noch Sozialpolitik damit gemacht werden, sondern die Sozialpolitik soll auch die Frauenanliegen mit betreuen. – Das würde unter dem Aspekt "männliche Logik" abgehakt werden müssen!

Ich möchte versuchen, eine kurze Bilanz zu ziehen. Schließlich tun das auch Zeitungen und Wochenmagazine aus offenbar gegebenem Anlaß. Ich möchte fünf Punkte anführen und darauf fünf Antworten geben.

Erstens: Es sieht so aus, daß Denk- und Handlungsbarrieren, die noch vor einer Generation bestanden haben, als überwunden gelten können. Frauen haben Vorstandsebenen erreicht,


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haben die Sektionsebenen erreicht, die Leiter der Beamtenkarriere erklommen. – Aber! Nur 3,7 Prozent der Vorstände, 7 Prozent der Aufsichtsräte und nicht einmal 5 Prozent der Sektionschefs sind weiblich.

Zweiter Punkt: Frauen verbinden Familie und Beruf meist so erfolgreich – Gott sei Dank! – , daß Kinder weder an Hunger und Durst leiden, daß sie durchaus erfolgreiche, glückliche Kinder sind, und Frauen reüssieren dabei auch noch im Beruf. Ihre Arbeit ist mindestens so gut wie die der Männer. – Aber! Männer beteiligen sich nur zu 10 Prozent an der zusätzlich zur Berufstätigkeit notwendigen Erziehungsarbeit, 90 Prozent davon bleibt den Frauen. Bei Paul Zulehner heißt es, daß nur 6 Prozent der Männer das Attribut erfüllen, "neue" partnerschaftliche Männer zu sein.

Dritter Punkt: Frauen nehmen Ausbildung ernst, sie bringen die besseren Zeugnisse nach Hause. – Aber! Aus Rücksicht auf Kinder stecken sie in ihren Ansprüchen zurück, verzichten etwa auf ein Drittel des Einkommens, damit ihnen Energie für Putzen, Kochen, Pflegen bleibt. Sie verzichten damit auf Einkommensteile und auf Alterssicherung. (Abg. Dr. Graf: Was tun Sie dagegen?) Hören Sie bitte zu!

Vierter Punkt: Frauen bemerken, daß beruflicher Erfolg mit Lebensfreundschaft, mit Lebensnetzwerken, Seilschaften, verbunden ist. – Aber! Männer nehmen sich Ausschließungs- und Definitionsrechte heraus und nehmen damit den Frauen Zeit zur Pflege dieser Seilschaften weg. Sie tun alles, daß Frauen sich nicht machtvoll organisieren können, um selbst definieren zu können, wie sie es wollen.

Fünfter Punkt – natürlich ließen sich auch noch viele andere anführen – : Frauen erfreuen sich im Grunde an ganzheitlichen, ausbalancierten Persönlichkeiten und haben Freude an einer entsprechenden Zusammenarbeit mit solchen Persönlichkeiten – Teamarbeit könnte das Schlagwort sein – als einem guten Verhältnis von rationaler Begründung und emotioneller Empfindung. – Aber, das sei eingestanden: Selbstgestellte Fallen und die Tücke mancher Männer lassen sie Berufe und Tätigkeiten ergreifen, die man schlechthin unter dem Helfersyndrom abhaken kann, das heißt Tätigkeiten, die mit niedriger sozialer Akzeptanz verbunden sind, bei denen die Bezahlung niedrig angesetzt ist, Tätigkeiten, die – wie es heißt – ohnedies die "natürliche" Aufgabe der Frau sind. – Soweit einige Ausschnitte aus meinem Befund.

Was haben wir zu tun? – Die Volkspartei hat immer gesagt: Die freie Wahl der Lebensmodelle ist oberstes Prinzip; unserer Vorstellung entspricht das Prinzip Partnerschaft. In fünf Punkten will ich nun sagen, was zu tun ist:

Wir haben die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß sich Frauen noch besser ausbilden, und zwar nicht bloß formal, sondern so, daß sie in bezug auf ihre Berufs- und Studienwahl nicht in die genannte Falle tappen. Frau Ministerin! Ich bitte Sie, im Zusammenhang mit der Initiative Berufsorientierung von Frau Ministerin Gehrer aktiv zu werden, um auf diesem Gebiet möglichst konsequent für Frauen Verbesserungen zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frauen müssen des weiteren noch viel stärker werden, wenn es darum geht, Ehe, Familie, Partnerschaft als herausforderndes, rational zu planendes Unternehmen zu definieren. Was müssen Sie tun? – Liebe, Eros und Leidenschaft dürfen nicht zerredet und zerquatscht werden, aber es muß unseren Mädchen und Frauen sehr wohl gesagt werden, daß die Umsetzung des Alltags, das heißt dessen, wer was einkauft und wer Geld in die Haushaltsbüchse gibt, ein anstrengendes und herausforderndes Unterfangen ist. Und wer sagt, daß darüber nicht geredet werden darf, der führt Mädchen und Frauen in die Irre! (Abg. Mag. Schweitzer: Was sagen die ÖVP-Männer?) Es gibt dazu wiederholte Aussagen. Ich sage Ihnen all das nur, damit Sie nicht in die Verlegenheit kommen, nicht zu wissen, welche Haltung die Volkspartei vertritt. (Abg. Dr. Graf: Nur weil Sie das sagen, heißt das noch nicht, daß das der Standpunkt der ÖVP ist!) Das habe ich nicht für mich in Anspruch genommen, aber ich bin eine Vertreterin der Volkspartei, daher können Sie davon ausgehen, daß das auch eine ÖVP-Position ist! (Abg. Mag. Schweitzer: Eine Minderheitsvertretung!) So wie Sie, Herr Schweitzer!

Drittens: Wissen ist Macht. Siehe oben, Punkt eins.


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Vierter Punkt: Nicht nur Wissen ist Macht, sondern auch Geld ist Macht. Ich denke, daß Frauen die Scheu davor ablegen sollten, für ihre Arbeit Geld in Anspruch zu nehmen. Noch immer ist man mit Geld und mit mehr Geld mächtiger als mit weniger Geld. Das heißt: Berufstätigkeit für beide Partner sichert soliden Wohlstand, sowohl im aktiven Leben als auch in der Pension. Und ein Zurückstellen der Berufstätigkeit zugunsten von selbstgestellten Familienaufgaben ist auch dann eine Freude und eine selbst gewählte Aufgabe, wenn es partnerschaftlich vorgenommen wird. Berufstätigkeit von Frauen soll also der Wohlstands- und Alterssicherung dienen.

Fünftens: Konzentration der Kräfte etwa im Sinne des von Kollegin Steibl schon Gesagten: Das wenige Geld konzentriert einsetzen, um nicht einem Backlash zu erliegen, der allemal vor der Tür steht. – Danke, Frau Ministerin, Hohes Haus. (Beifall bei der ÖVP.)

16.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.35

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Herr Staatssekretär! Ich möchte vom sicherlich sehr wichtigen Frauen- und Familienkapitel zur Kunst überleiten und mich zunächst einmal direkt an den Herrn Staatssekretär wenden.

Herr Staatssekretär! Sie sind jetzt rund ein dreiviertel Jahr im Amt und über das glatte Wiener Parkett mehr gerutscht als geschritten. Es darf uns aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht wundern, daß diese Befindlichkeit in Ihrer Person eingetreten ist, denn die alten Seilschaften der Kulturpolitik, insbesondere die Achse Scholten – Pasterk, und auch bestimmte Kulturjournalisten haben es Ihnen sicherlich nicht leichtgemacht. Sie haben kaum eine Möglichkeit ausgelassen, die Böden der Kunst- und Kulturpolitik für Sie reichlich mit Seife zu versehen und zu polieren, um Ihnen das Leben schwerzumachen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß allerdings auch zu Ihren Gunsten konstatieren, daß Sie eine gewisse Standfestigkeit bewiesen haben, und das wird von seiten der Opposition, zumindest von seiten der FPÖ, auch anerkannt. Es besteht allerdings die große Gefahr, daß Sie auf halbem Weg stehenbleiben. Es gibt nämlich eine Vielzahl von Aussagen, Herr Staatssekretär, die von Ihnen stammen, die aber diametral entgegengesetzt zu jenen Aussagen sind, die der angebliche Chef der Kulturpolitik, nämlich der Herr Bundeskanzler, getroffen hat.

Erlauben Sie mir, Ihnen das anhand von zwei Beispielen nachzuweisen. Zunächst verweise ich auf die Stelle in der Regierungserklärung, wo sich der Bundeskanzler dazu bekennt, daß Kunst zweckfrei stattfinden können muß.

Andererseits gibt es eine Aussage von Ihnen, Herr Staatssekretär, nachzulesen in der Ausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 14. Feber 1997, die das genaue Gegenteil von dem besagt, was der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung vorgetragen hat. Überschrift zum Interview des Staatssekretärs Wittmann mit den "Oberösterreichischen Nachrichten": "Kunst darf nicht Selbstzweck sein". – Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es wäre endlich einmal an der Zeit, eine klare Standortbestimmung abzugeben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist aber nicht die einzige Diskrepanz, die wir bei Ihren Aussagen im Verhältnis zu den Aussagen des Bundeskanzlers feststellen müssen. Ich erinnere etwa auch an eine Fragestunde des österreichischen Nationalrates: Damals sagte der Herr Bundeskanzler auf die Frage, ob er sich Möglichkeiten des Kultursponsorings in Form der Anerkennung steuerlicher Ausgaben für zeitgenössische Kunst vorstellen könnte, ganz klar, daß er sich das nicht vorstellen könne, denn wenn man auf der einen Seite Ausnahmen beseitigt, kann man nicht auf der anderen Seite derartige Ausnahmen wieder einführen.

Dazu gibt es allerdings eine völlig konträre Aussage von Ihnen, die in unserem Sinn ist – das möchte ich hier nicht verheimlichen – , wenn Sie sagen: Kunstsponsoring kann ein wichtiges


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Mittel der Kunstförderung sein und auch im Wege der Steuerpolitik, im Wege der Anerkennung von Sonderausgaben zweckmäßig sein. Sie haben im damaligen Unterausschuß des Kulturausschusses aus eigener Veranlassung auch sehr konkret Stellung bezogen und gesagt, daß Sie sich vorstellen könnten, daß ein Betrag bis zu 20 000 S als Sonderausgabenbetrag für Ausgaben für zeitgenössische Kunst eingeführt würde.

Diese Aussage ist an sich wirklich bemerkenswert, weil sie genau auf der Linie der freiheitlichen Kulturpolitik liegt, mit welcher angestrebt wird, daß man endlich vom staatlichen Kunst- und Subventionsmonopol zumindest teilweise wegkommt – gänzlich kann man nicht wegkommen, das ist mir schon klar – und in Richtung eines privaten Sponsorings geht.

Denn es sollte uns allen klar sein – und wer das verneint, dem fehlt es an einer richtigen Einschätzung der Dinge – : daß es ein wirklich ganz großes Potential an Reformen bei der Kulturförderung gibt. Dazu gibt es zwei Aussagen, die nicht von der Opposition stammen, sondern von – unter Anführungszeichen – "unverdächtigen Zeugen", die das eindrucksvoll belegen. Ich verweise in diesem Zusammenhang zunächst auf das Protokoll des Kunstförderungsbeirates. Darin wird der frühere Beiratsvorsitzende wiedergegeben, der sagt – ich zitiere – : "Der Kunstförderungsbeirat ist für Vorschläge eigentlich gar nicht notwendig, da durch persönliche Interventionen" – man höre und staune! – "der betroffenen Förderungswerber bei Politikern und Abteilungsleitern mehr erreicht wird."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aussage legt doch Zeugnis davon ab, wieviel in der Förderungspolitik im argen liegt, denn sie belegt doch ganz eindeutig, daß massivste Interventionen bei Politikern und viele Interventionen bei Abteilungsleitern offensichtlich von Erfolgen gekrönt sind – trotz der Einführung von Kunstbeiräten und Kunstkuratoren.

Ein weiteres Zitat darf ich Ihnen von der Autorin Marlene Streeruwitz vorlesen, die sagt: "Dieses Stipendien- und Subventions-Wien mit seinen Ministercliquen hat eine Stehbeiselinzucht hervorgebracht, von der ich nicht das Gefühl hatte, daß eine ehrenwerte Auseinandersetzung mit Geistigem möglich war."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese zwei Aussagen, die meines Erachtens den derzeitigen Stand der Förderungspolitik in der Kunst richtig wiedergeben, sollten doch Anlaß dafür sein, über neue, ergänzende Förderungsmodelle zu diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Kurz zur Bundestheaterreform: Wir haben bereits vor einem Jahr eine komplette Reform der Bundestheater aufgezeigt, und ich gestehe ein, daß sich einiges davon im derzeitigen Modell, das ein Beratungsunternehmen für Sie vorbereitet hat, wiederfindet. Ich will nicht sagen, es ist abgeschrieben, aber zumindest sind einige Dinge deckungsgleich. Allerdings, Herr Staatssekretär, wenn wir so weit kommen, wie es heute im "Kurier" nachzulesen war, daß eine Holding dazu dienen soll, Herrn Dr. Springer, der jetzt in verantwortungsvoller Position im Sekretariat tätig ist, den Titel und die Funktion eines Kultur-Generaldirektors zu verschaffen, dann kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Da spielen wir sicher nicht mit, dafür sind wir sicherlich nicht zu haben!

Ich habe nichts gegen die Holding-Funktion, eine Holding kann sehr vernünftige, koordinierende Aufgaben übernehmen, aber ich habe etwas dagegen, daß man heute eine Reform unter dem Motto, mehr Autonomie vom Sekretariat in die einzelnen Häuser zu verlagern, startet und dann diesen Weg gleich wieder zunichte macht, auf dem Absatz kehrtmacht und wiederum einen großen Wasserkopf über diese operativen Gesellschaften stülpt.

Zum Abschluß noch – die Zeit ist knapp bemessen – zum Film. Auch hier teile ich die Kritik, die Kollege Morak vorgetragen hat. Wenn man, sehr geehrter Herr Staatssekretär, immer davon spricht – und es wurde ja bereits gesagt –, daß das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist, dann muß man sagen, daß das, übertragen auf die Kapitel der Kunst, eigentlich die Versteinerung der Politik zur Folge hat, denn Sie wissen, daß alle Ansätze 1 : 1 nachgebetet und fortgeschrieben werden. Es wird an Ihnen liegen, die Kunst- und Kulturpolitik von dieser dekre


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tierten Versteinerung zu befreien und eine echte Reform einzuleiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte, Herr Staatssekretär.

16.44

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zu den nunmehr hier gemachten Vorwürfen beziehungsweise Ausführungen kurz Stellung nehmen.

Die behauptete Diskrepanz zwischen der Aussage des Bundeskanzlers und meiner gibt es nicht. Die Aussage des Bundeskanzlers, daß Kunst zweckfrei sein muß, und meine Aussage, daß Kunst nicht Selbstzweck sein kann, sind kein Gegensatz, vielmehr handelt es sich um eine ergänzende Bemerkung, die in keiner Weise in einem Gegensatz zu jener des Herrn Bundeskanzlers steht, vor allem vor dem Hintergrund der immer zur Sprache kommenden Kulturpolitik.

Wegzukommen vom Kunstsponsoring des Staates ist nicht meine Absicht, auch wenn Sie hier angeführt haben, daß das meine Absicht sei. – Das ist es nicht! Der Staat kann sich aus der Verpflichtung des Sponsorings der Kunst nicht zurückziehen. Insbesondere kann er sich deswegen nicht zurückziehen, weil sich die Marktfähigkeit mancher Kunstgattungen nicht schon zum Zeitpunkt ihres Entstehens herausstellt, sondern erst später oder vielleicht auch gar nicht. Man kann nicht von vornherein Kunstgattungen sozusagen dadurch zensurieren, daß man ihnen nicht die Möglichkeit gibt, sich zu entfalten.

Ich bin aber durchaus der Überzeugung, daß wir zusätzlich zum staatlichen Sponsoring – und nicht anstatt eines Teiles oder anstatt des gesamten staatlichen Sponsorings – einen Anreiz bieten können. Darüber kann man zumindest diskutieren. Aber nicht – so, wie Sie das vorgeschlagen haben – als Teilersatz des staatlichen Sponsorings, sondern ausschließlich zusätzlich.

Ich möchte zur Bundestheaterreform noch etwas sagen. Die Bundestheaterreform soll einer effizienteren Entscheidung der Häuser dienen. Das heißt, daß die Häuser selbständiger werden, die Entscheidungen der dort anwesenden Direktoren direkter, schneller, effizienter und ohne größeren Verwaltungsaufwand getroffen werden sollen. Die in unserem Modell vorgesehene Holding-Funktion sieht eine äußerst schlanke Holding mit wenigen personellen Besetzungen vor, die ausschließlich koordinierende Aufgaben zu erfüllen hat und einerseits das Bindeglied zum Eigentümer Staat und andererseits das koordinierende Glied zu den Einzel-GesmbHs darstellen soll, denn es bedarf bei den Ausgliederungen beziehungsweise Umstrukturierungen in dieser Größenordnung durchaus einer koordinierenden Zwischenstelle. Und es ist auch bei Großkonzernen nicht anders, als daß man eine Holding drübersetzt, um Einzelfirmen letztendlich besser verwalten, effizienter führen zu können und eine ausgleichende Funktion zu erfüllen. – Das zu Ihren Ausführungen.

Es ist auch nicht gedacht, einen "Kultur-Generaldirektor" zu schaffen, sondern es wird lediglich einen Geschäftsführer der Holding-GesmbH geben, und dieser Geschäftsführer wird einer jener Geschäftsführer sein, die in diesen GesmbHs vorgesehen sind.

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Grollitsch betreffend den Sport möchte ich folgendes festhalten: Es ist hier in der Tat in den letzten sechs Monaten einiges geschehen. Wir haben die Spitzensportförderung auf völlig neue Beine gestellt. Wir versuchen, sie durch wissenschaftliche Begleitevaluierungen zielgerichtet auf Großveranstaltungen auszurichten. Das heißt, daß wir im Vorfeld von Großveranstaltungen auch den Leistungsquotienten des einzelnen Leistungssportlers überprüfen, daß wir schauen, ob dieser tatsächlich im Plansoll für die Teilnahme an einer derartigen Großveranstaltung liegt und berechtigt ist, daran teilzunehmen.

Wir verhandeln derzeit über einen Valorisierungsersatz für die besonderen Sportförderungsmittel. Wir sind hier sehr weit vorangeschritten, und ich bin überzeugt davon, daß dem Sport kein Geld abhanden kommt. (Beifall bei der SPÖ.)


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Darüber hinaus haben wir hinsichtlich der Bundessportheim-Ausgliederung bereits ein großes Stück des Weges zurückgelegt. Wir werden keine Privatisierung vornehmen. Daher ist die Kritik, daß wir hier eine Pseudoprivatisierung vornehmen, ungerechtfertigt, weil wir gar nicht vorhaben, eine Privatisierung zu machen, sondern eine Ausgliederung. Das heißt, daß wir für die Bundessportheime eine privatrechtliche Organisationsform wählen werden, wahrscheinlich die der GesmbH, und einige dieser Bundessportheime der Verwaltung der zuständigen Fachverbände übertragen werden. Damit ist gewährleistet, daß der Betrieb dieser Sportheime dem Sport erhalten bleibt und in den Fachverbänden verankert wird, die die besten Möglichkeiten für den Betrieb und die Auslastung dieser Sportvereine in Zukunft haben werden.

Den verbleibenden Rest – das heißt bis auf Spitzerberg, Kitzsteinhorn und St. Christoph – werden wir in eine GesmbH zusammenfassen. Das Ganze soll nicht dem Verkauf oder einer Privatisierung dienen, sondern im Eigentum des Bundes bleiben, aber es sollen damit die Möglichkeiten einer straffen Organisationsform innerhalb einer GesmbH mit Bilanzierung, Kostenbewußtsein und all den Vorteilen, die man aus diesen privaten Organisationsformen ziehen kann, lukriert werden.

Was die Dachverbände betrifft, möchte ich schon eines zu bedenken geben: Wir haben dort eine Organisationsstruktur für 250 000 freiwillige Mitarbeiter. Diese zu zerschlagen würde bedeuten, daß man auf einen Teil dieser freiwilligen Mitarbeiter verzichtet, und weiters würde das bedeuten, daß die Sportangebote, die es derzeit in Österreich gibt, wahrscheinlich nicht mehr in dieser Qualität und diesem Umfang aufrechtzuerhalten wären, wie es derzeit der Fall ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind darüber hinaus mit der Bewerbung für weitere Großveranstaltungen beziehungsweise mit der Vorbereitung darauf beschäftigt. Wir haben die Weltmeisterschaft im Nordischen Schilauf für 1999 in der Ramsau gesichert und finanziert; die Umbauarbeiten dafür sind bereits abgeschlossen. Wir haben mit den Vorbereitungsmaßnahmen für die WM 2001 in St. Anton begonnen. Und wir wollen uns für die Europameisterschaft 2004 im Fußball bewerben. Auch hier sind die Vorbereitungsgespräche sehr weit gediehen, und wie Sie wissen, haben wir hier einen sehr übermächtigen Konkurrenten, nämlich Spanien, daher müssen wir uns besonders gut vorbereiten.

Wir werden uns auch hinsichtlich der Olympischen Spiele 2006 bewerben, und ich kann Ihnen versichern, daß viele Länder froh wären, wenn sie einen Bewerber hätten in der Qualität, von der wir drei haben, aus denen wir dann einen Bewerber auswählen können, der sich dann international bewähren wird.

Ich glaube, hier passiert einiges. Ich möchte auch noch darauf hinweisen, daß wir versuchen, den Schulsport mit dem Leistungs- beziehungsweise Breitensport zusammenzuführen. Hier haben wir verschiedene Ansätze, etwa "Hits for Kids". Wir haben zum Beispiel in Wiener Neustadt eine flächendeckende Untersuchung von einem Jahrgang an Schülern im Zuge dieser Veranstaltung durchgeführt. Wir haben motorische Leistungstests gemacht. Es gab ein riesiges Echo. Man hat mehr als 2 600 Jugendliche an diesen beiden Tagen untersucht, und die Ergebnisse können wir Sportvereinen, den Eltern beziehungsweise den Schulen zur Verfügung stellen, um eine qualifizierte Ausbildung beziehungsweise Förderung der Jugendlichen zu gewährleisten.

Wir versuchen auch, jene Trainer, die von uns gefördert werden, dazu zu verpflichten, daß sie hochqualifizierte Trainerstunden in den Schulen geben, um auch hier eine Wechselwirkung zwischen Schul- und Breitensport herbeizuführen.

Es ist also nicht so, daß wir hier keine Akzente setzen würden, dagegen möchte ich mich entschieden verwahren. Im Gegenteil, wir sind schon sehr weit in unserer Vorbereitung, aber auch schon in der Umsetzung.

Ein ganz großer Schwerpunkt ist bis jetzt überhaupt unter den Tisch gefallen, nämlich der Behindertensport, für den wir ganz besondere Akzente setzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Wir haben für den Behindertensport heuer die entsprechenden Mittel zur


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Verfügung gestellt und werden diese auch für das nächste Jahr im Budget zur Verfügung stellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Krüger gemeldet. Bitte zuerst die Feststellung des zu berichtigenden Tatbestandes und darauf eine kurze Entgegnung. 2 Minuten Redezeitbeschränkung.

16.53

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Hohes Haus! Der Herr Staatssekretär hat mich falsch zitiert, als er mir unterstellte, gesagt zu haben, ich hätte verlangt, daß sich der Staat aus dem staatlichen Kunstsponsoring zurückziehen solle.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe gesagt, daß das private Kunstsponsoring lediglich eine Ergänzung zur staatlichen Kunstförderung sein kann, weil mir sehr wohl bewußt ist – genauso, wie Sie gesagt haben –, daß über die Marktfähigkeit der Kunst nicht schon jetzt abschließend entschieden werden kann, wie etwa Arnold Schönberg schon vor vielen Jahren meinte: Der große Künstler wird zu Lebzeiten dafür bestraft, daß er dann später generationenlang und jahrhundertelang Verehrung genießt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Arnold Schönberg, glaube ich, war nicht zu berichtigen, aber es war interessant, das zu hören.

Als nächster ist Herr Abgeordneter Kräuter zu Wort gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.54

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen Volksanwältinnen und mein Herr Volksanwalt! Ich möchte einige Anmerkungen zur Volksanwaltschaft machen. Ich glaube, daß sie heute in der Debatte etwas zu kurz kommt. Die Damen und der Herr harren schon Stunden hier tapfer aus. Und diese Anmerkungen geben sicher die Chance, in die Debatte einzusteigen, aber sie sind auch mit der Gefahr der Kritik verbunden, weil ich mich manchmal auch kritisch mit der Volksanwaltschaft auseinandersetze.

Generell, so denke ich, sollte man die Diskussion um Rechte und Möglichkeiten der Volksanwaltschaft möglichst permanent führen, denn das ist eine Voraussetzung für eine gute Entwicklung.

Kurz zur Opposition. Es gibt den Antrag des Liberalen Forums, der Frau Dr. Schmidt, in dem eine Erweiterung der Prüfungskompetenz in Richtung ausgegliederter Unternehmungen, aber auch Fonds, Stiftungen und Anstalten gefordert wird. Ich halte das für äußerst problematisch. Es gibt schließlich auch Kapazitätsgrenzen, meine Damen und Herren. Man bedenke etwa, daß das Budget der Volksanwaltschaft im nächsten Jahr um 13 oder 14 Prozent höher sein wird, um rund 8 Millionen Schilling.

Einen weiteren Ansatz, daß die Volksanwaltschaft als Organ des Parlaments die gleichen Rechte wie der Rechnungshof haben solle, halte ich für völlig falsch und auch völlig systemwidrig. Das sollte man neu durchdenken und gegebenenfalls auch abändern.

Ich habe auch wenig Zugang zu einem Antrag der Kollegen Stoisits von den Grünen, wiewohl ich sonst oft ihrer Meinung bin, wonach die Volksanwaltschaft hier im Parlament Gesetzesanträge stellen können soll. Nach meinem Verfassungsverständnis, meine Damen und Herren, soll das das Volk können, die Abgeordneten, die Bundesregierung und der Bundesrat – und sonst niemand!


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Man hat überhaupt öfter den Eindruck, daß die Volksanwaltschaft als Oppositionsinstrument gesehen wird, speziell von den Grünen, und ich halte das für völlig falsch. Damit tut man auch der Volksanwaltschaft nichts Gutes. Frau Kollegin Petrovic hat heute auch in ihrer Gesamtabrechnung die Volksanwaltschaft gewissermaßen auf ihre Seite gestellt.

Gut gemeint ist nicht immer gut. Man sollte die Volksanwaltschaft nicht mit Aufgaben überfrachten, die nicht ins System passen und die von der Kapazität her nicht zu erfüllen sind.

Der FPÖ – das ist immer leicht auszumachen – ist jede Stärkung recht, von wem und was auch immer, wenn sie auf der anderen Seite den Nationalrat schwächt. Das ist zwar paradox, aber ein bekanntes Muster, daß den FPÖ-Abgeordneten alles recht ist, was die Rechte der Abgeordneten schmälert. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Der Gipfel war ja, als Herr Dr. Haider in der vergangenen Woche gemeint hat, politische Arbeit sei keine Arbeit. – Also tiefer geht es wirklich nicht. Stärkt das die Abgeordneten, stärkt das das Parlament, stärkt das den Nationalrat, wenn Herr Dr. Haider sagt, politische Arbeit sei keine Arbeit? Also die Erkenntnis von voriger Woche kann nur sein, daß die FPÖ vor nichts zurückschreckt, vor nichts und niemandem und auch nicht einmal vor sich selber, meine Damen und Herren! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Jung. )

SPÖ und ÖVP wie alle anderen Fraktionen, die konstruktiv gestalten wollen, sind aufgerufen, sorgsam mit den Anregungen der Volksanwaltschaft umzugehen und sie zu beachten. Allerdings muß man manchmal schon schmunzeln, wenn von der Volksanwaltschaft Klage geführt wird gegen zuviel Bürokratie, gegen zu viele Gesetze, gegen bürgerfeindliche Normen, gegen die Gesetzesflut und wir auf der anderen Seite lange Listen von Gesetzesanregungen von ihr empfangen.

Noch einmal: Grundsätzlich sind die Anregungen ernst zu nehmen, aber beispielsweise die Anregung, die Bewilligungspflicht für Anlagen zur Kunstschneeerzeugung in Gesetzesform zu gießen, halte ich nicht für sinnvoll. Oder: Die gesetzliche Regelung des Musiktherapeutenberufes kann auch nicht auf der Prioritätenliste des Hauses ganz oben stehen.

Wenn es – und ich komme schon zum Schluß – Ambitionen hinsichtlich zusätzlicher Betätigungsfelder der Volksanwaltschaft gibt, möchte ich etwas aufgreifen, was Frau Volksanwältin Korosec zu Reformplänen in einem Interview im Dezember des Vorjahres gemeint hat. Sie hat gesagt – ich zitiere aus dem "Standard" –: "Seit Jahren wird von einer Neukodifikation des ASVG gesprochen, aber es passiert nichts. Das führt dazu, daß sich die Bürger immer weniger auskennen."

Ich mache noch einmal den Vorschlag: Machen Sie den Versuch eines Entwurfs eines bürgerfreundlichen ASVG! Übersetzen Sie die Materie in eine bürgerfreundliche Sprache, und präsentieren Sie uns das Ergebnis! Wir alle wären Ihnen sehr dankbar. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.00

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Volksanwälte! Ich möchte noch einmal zum Frauenthema zurückkommen. Ich glaube, wir Frauen spüren allgemein, daß uns seit einiger Zeit wieder ein kälterer und schärferer Wind ins Gesicht bläst. Der Grund dafür ist meiner Meinung nach, daß sich die Arbeitswelt nicht nur in Österreich, sondern weltweit ändert. Wir müssen neue Lösungen finden, neue Antworten sind gefragt. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Wir brauchen eine Neubewertung der Arbeit. Wenn wir von Frauenarbeit sprechen, dann ist das längst nicht nur die bezahlte Erwerbsarbeit. Frauenarbeit heißt Familienarbeit, heißt Betreuungsarbeit, heißt Beziehungsarbeit und umfaßt natürlich auch die ehrenamtliche Arbeit. Bezahlte und unbezahlte Arbeit machen heute den Wohlstand Österreichs aus und begründen unsere Lebensqualität.


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Ich möchte doch noch einmal darauf hinweisen, wie hoch die unbezahlte Arbeit bewertet werden muß. Laut einer Statistik aus dem Jahre 1995 beträgt die Anzahl der bezahlten Arbeitsstunden in Österreich 8 Milliarden, jene der unbezahlten 11 Milliarden. Umgerechnet beträgt der Wert der bezahlten Arbeitsstunden 1 374 Milliarden Schilling und der Wert der unbezahlten Arbeitsstunden 1 875 Milliarden Schilling. Man sieht, Wohlstand und Lebensqualität in Österreich sind ohne die unbezahlte Arbeit nicht möglich.

Es ist aber nach wie vor eine Tatsache – und einige meiner Vorrednerinnen haben darauf hingewiesen –, daß unbezahlte Arbeit meist von Frauen verrichtet wird. In der Familie ist 90 Prozent der unbezahlten Arbeit noch immer weiblich. Wenn man Vereine mit einbezieht, leisten die Frauen 66 Prozent der unbezahlten Arbeit, sie haben aber nur 34 Prozent Anteil am Arbeitseinkommen. Bei den Männern ist es umgekehrt: Sie verrichten nur 34 Prozent der unbezahlten Arbeit, verfügen aber über 66 Prozent des Erwerbseinkommens.

Höchste Zeit also, Arbeit neu zu definieren. Die Neubewertung der Arbeit heißt für die ÖVP in der Familie Partnerschaft, aber die Neubewertung muß auch die direkte und indirekte Lohndiskriminierung von Frauen beseitigen. Es ist nach wie vor eine Tatsache, daß Frauen um 27 Prozent weniger verdienen.

Die ÖVP hat einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem die Sozialministerin aufgefordert wird, gemeinsam mit den Sozialpartnern geschlechtsneutrale und unabhängige Kriterien zu erarbeiten, um eben die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zu beseitigen und zu mehr Gerechtigkeit zu kommen.

Viele Kollegen haben in der vergangenen Woche immer wieder von Umverteilung gesprochen, von einer Umverteilung von Reich zu Arm. Ich wünschte, es würden auch bezüglich dieses Punktes einige Kollegen von Umverteilung sprechen. Ich wünschte, daß sich Kollegen – wie der Kollege Schöggl aus der freiheitlichen Fraktion – hier nicht nur zu Wort melden würden, sondern daß sie das Frauenthema auch ernst nehmen würden! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und dem Liberalen Forum.) Mir kam nämlich vor, daß es bei ihm eher so war: Schaut, ich bin so mutig, ich helfe zu den Frauen, aber in Wirklichkeit nehme ich das Thema nicht ernst. – Ich glaube, dann ist es besser, es reden von Ihrer Fraktion nur die Frauen, die das Thema auch ernst nehmen. (Abg. Dr. Fekter: Er ist eh nicht mehr da, der Schöggl! – Abg. Dr. Graf: Das ist äußerst unfair! Das ist weibliches Macho-Gehabe! – Abg. Dr. Fekter: Na, na, Herr Dr. Graf! Wie eine Mimose reden Sie jetzt!)

Ich glaube, daß es nach wie vor so ist, daß beim Thema Frauen und Arbeitsplätze immer wieder ins Treffen geführt wird, Frauen seien schlechter ausgebildet und hätten deshalb weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ich möchte doch darauf hinweisen, daß immerhin 45 Prozent der Akademiker Frauen sind. Auch die Ausrede, Frauen bekommen Kinder, kann längst nicht mehr gelten. Die österreichischen Frauen wünschen sich im Durchschnitt zwei Kinder. Die Realität schaut so aus – so wird das berechnet –, daß die Frauen heute 1,49 Kinder haben, die meisten Familien, die meisten Frauen haben nur mehr ein Kind.

Das heißt, wir haben immer noch großen Handlungsbedarf im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir leben nach wie vor in einer Zweidrittelgesellschaft: Zwei Drittel der Sozialhilfeempfänger sind Frauen, zwei Drittel der Ausgleichszulagenempfänger, zwei Drittel der Bezieher der Notstandshilfe unter 5 000 S sind Frauen. Frauen erreichen zwei Drittel der Einkommen und zwei Drittel der Pensionshöhe der Männer. Ich glaube, wir sollten gemeinsam Anstrengungen unternehmen, um zu erreichen, daß wenigstens die Hälfte der Zukunft weiblich ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anna Huber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.06

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Gute und frische und vor allem unverfälschte


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Lebensmittel haben für uns Österreicher einen sehr, sehr hohen Stellenwert. Gentechnisch veränderte Lebensmittel werden von den meisten Konsumenten abgelehnt. Immerhin haben das 1,2 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher sehr eindrucksvoll im Rahmen des Gentechnik-Volksbegehrens dokumentiert.

Wir haben daher in sehr konsequenter Weiterverfolgung des Prinzips, daß jeder Konsument über den Inhalt eines Lebensmittels Bescheid wissen muß, eine lückenlose Kennzeichnung von Genlebensmitteln verlangt, und zwar eine eindeutige, eine klare und eine unverkennbare Kennzeichnung.

Gerade die Diskussion um das Biogensoja hat aber auch die Notwendigkeit einer unabhängigen und vor allem effizienten Kontrollinstanz gezeigt. (Zwischenruf der Abg. Motter. ) Frau Kollegin Motter! Wir haben in Österreich diese effiziente Kontrollinstanz mit der Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Bundes; sie ist heuer mittlerweile 100 Jahre alt geworden. Wir haben dort die Fachleute, die im konventionellen Lebensmittelbereich bahnbrechende Arbeit im Analysebereich geleistet haben. Die Expertisen der Wiener Anstalt genießen europaweiten Ruf (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Motter ), auch und insbesondere – Frau Kollegin Motter, ich konnte mich persönlich davon überzeugen – im Nachweis von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

Ich finde es eigentlich sehr, sehr eigenartig, daß der Aufdecker an den Pranger kommt, daß seine Qualifikation angezweifelt wird, statt den Produzenten anzuprangern, der sich verkaufsfördernder Pickerln bedient und damit etwas vortäuscht, von dem er entweder ganz genau weiß, daß es nicht stimmt, oder von dem er zumindest weiß, daß er nichts garantieren kann.

Ich darf Ihnen einen Brief der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung an ein Nachrichtenmagazin verlesen, einen Leserbrief, der allerdings leider nicht erschienen ist: Die erhobenen Vorwürfe, daß die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung seit April das Ergebnis einer Untersuchung geheimhalte, ist unrichtig. Am 8. April wurde der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung eine Probe vom Wiener Marktamt übergeben. Da in dem offensichtlich dem Nachrichtenmagazin vorliegenden Untersuchungszeugnis als Untersuchungsbeginn der 9. April aufscheint, ist der Irrtum entstanden, daß somit auch an diesem oder in den folgenden Tagen ein Ergebnis vorgelegen sein muß. Dies war nicht der Fall und wurde auch Ihnen gegenüber leider vergeblich erklärt.

Zu diesem Zeitpunkt gab es in der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung noch kein Nachweisverfahren, das bis zur forensischen Sicherheit reichte. Die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung nahm deshalb an einem internationalen Ringversuch teil, der Mitte September abgeschlossen wurde. Der tatsächliche Untersuchungsbeginn war der 9. September. Am 16. September lag erstmals das positive Ergebnis vor. Zur Absicherung des Ergebnisses – es war schließlich die erste positive Probe – wurde die Probe an das Staatliche Lebensmitteluntersuchungsamt Braunschweig geschickt. Die Bestätigung des Ergebnisses erhielten wir am 24. Oktober. Das Verbraucherschutzministerium erhielt unseren Bericht in der Folge.

Das heißt, es kommt da auch sehr eindeutig heraus, daß eine effiziente Kontrolle natürlich über die entsprechenden Ressourcen verfügen muß, nämlich über finanzielle, über räumliche und auch über personelle. Und ich glaube – und da sind wir wahrscheinlich auch einer Meinung –, die Steigerung der Mittel im kommenden Budgetjahr von 35 auf 36 Millionen wird möglicherweise künftig nicht ausreichen, wenn wir eine wirklich effiziente Kontrolle haben wollen.

Vor einer Diskussion über eine Ausgliederung und Privatisierung dieser Lebensmitteluntersuchungsanstalt, wie sie schon mehrfach in den Raum gestellt wurde, kann ich nur warnen, denn eine privatisierte Kontrolle hat meiner Meinung nach ein sehr massives Unabhängigkeitsproblem. (Beifall bei der SPÖ.) Wir wollen, daß sich die Österreicherinnen und Österreicher auf die Kennzeichnung, auf Pickerln, auf Garantien verlassen können, und wir brauchen daher eine effiziente und auch unabhängige Kontrolle. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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17.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.11

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aus dem Bereich des Bundeskanzleramtes mit dem Sektor Volksgruppenpolitik und Volksgruppentätigkeit befassen.

Wir erleben die Volksgruppenbeiräte in ihrer Tätigkeit. Es sind sechs an der Zahl, das wissen wir alle. Sie erfüllen ihre Arbeit so, wie es nach dem Gesetz möglich und vorgesehen ist – mehr nicht. Es wäre auch sehr schwierig, mehr zu tun, denn die Volksgruppenbeiräte, für jede der sechs autochthonen Volksgruppen in Österreich eine, sind tatsächlich nur bedingt als Repräsentanten der jeweiligen Volksgruppe und ihrer Angehörigen zu betrachten.

Sie setzen sich im wesentlichen aus den Vertretern von Vereinen und Vereinigungen zusammen, die in dem einen Bundesland deutlich und in dem anderen weniger deutlich parteipolitisch ausgerichtet sind. Das heißt, rot orientierte und schwarz orientierte Volksgruppenvertreter sitzen nahezu ausschließlich, manchmal garniert auch noch mit Repräsentanten der Kirche, in den Volksgruppenbeiräten, und wir Freiheitlichen glauben, daß das so nicht gut ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man sich darüber den Kopf zerbrechen müßte, die Volksgruppenbeiräte insoweit umzugestalten, daß sie tatsächlich von jedem einzelnen Angehörigen der betreffenden Volksgruppe als repräsentativ betrachtet werden. Das kann nur auf die Weise erreicht werden, daß die Volksgruppenbeiräte von den Vertretern der Volksgruppen gewählt werden, daß also die Volksgruppenbeiräte wirklich die Repräsentanten der Volksgruppenangehörigen sind und nicht von Vereinen, die zumindest zum Teil aus Volksgruppenangehörigen gebildet sind.

Wir alle miteinander sind aufgerufen, uns auf diesem Sektor etwas einfallen zu lassen. Ein solcher Vertretungskörper, der frei gewählt wird, wäre auch dazu legitimiert, sich in das politische Geschehen deutlicher einzumischen, sich deutlicher bemerkbar zu machen, als dies derzeit den Volksgruppenbeiräten zusteht. Er könnte etwa ein Vorschlagsrecht, ein Anhörungsrecht, auch ein Vetorecht, zumindest ein aufschiebendes Vetorecht in landesgesetzlichen, aber auch in bundesgesetzlichen Belangen haben, wenn es um besondere Interessen der Volksgruppen geht.

Wir Freiheitlichen könnten uns auch vorstellen, daß in den jeweiligen Landtagen ein Virilmandat für einen Volksgruppenangehörigen zur Verfügung steht, ein Virilmandat, das von einem Volksgruppenangehörigen auch dann besetzt wird, wenn die Stimmen der Wähler aus der jeweiligen Volksgruppe an und für sich nicht ausreichen würden, ein Mandat zu erobern. Die näheren Modalitäten könnte man sich leicht einfallen lassen. Ich weiß, daß die Widerstände bei den Regierungsparteien in diesem Zusammenhang beträchtlich sind, aber wenn man Fortschritte auf dem Sektor der Repräsentanz der Volksgruppen erzielen möchte, dann wird das einer der Wege sein, zu solchen Fortschritten zu kommen.

Ich darf einmal mehr die Gelegenheit benützen, darauf hinzuweisen, daß sich die Position der Volksgruppen in Österreich sehr unterschiedlich darstellt. Wir erleben Volksgruppen, die erfreulicherweise gefestigt dastehen, die ihre Position ausbauen können, die auch der Zahl ihrer Angehörigen nach blühen und in gewissem Sinne wachsen. Das Schlußlicht bilden noch immer, und es wird wohl auf lange Zeit so sein, die Roma und Sinti. Da müssen wir bedauerlicherweise eine Entwicklung beobachten, die wir uns so deutlich gar nicht vorstellen haben können.

Nach dem grauenhaften Mordanschlag von Oberwart haben sich Politiker unterschiedlicher Parteien überschlagen in Sonntagsreden, in denen sie Versprechungen gegenüber den Angehörigen der Volksgruppe am laufenden Band produziert haben. Schon damals war zu erkennen, daß es über die Reden nicht weit hinausgegangen ist. Zu ihrer Erfüllung hat viel gefehlt. Mittlerweile steht fest, daß der Anschlag, wie andere auch, nicht von einer geheimnisvollen, mächtigen, aus dem Untergrund operierenden rechtsradikalen Organisation getätigt worden ist, sondern von einem Einzeltäter aus einer südsteirischen Gemeinde, der nicht alle Tassen im Schrank gehabt hat. Und schon läßt das Interesse deutlich nach. Niemand kümmert sich mehr auch nur verbal um die Roma und Sinti und um ihre Anliegen. (Abg. Dr. Pittermann: Das ist doch überhaupt nicht wahr!)


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Ich richte den dringenden Appell an Sie, sich auch jetzt, wo feststeht, daß die Roma und Sinti, die ermordet wurden, nicht das Opfer von politischen Attentätern, sondern eines einzelnen Verrückten geworden sind, um diese ärmste der armen Volksgruppen und ihre Angehörigen, und zwar deutlicher als vorher, deutlicher als bisher, anzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf noch einmal wiederholen, daß es bei den Roma im Unterschied zu den anderen Volksgruppen darum geht, daß sie nicht nur politisch entsprechend gefestigt dastehen und in ihrer politischen Position eine entsprechende Unterstützung finden, sondern daß sie wahrscheinlich als einzige der Volksgruppen mit ihren Angehörigen auch dringend eine soziale Absicherung brauchen. Es gilt auf diesem Sektor Jahrzehnte bis Jahrhunderte nachzuholen, und es steht uns nicht gut an, jetzt, wo man das traurige Geschehen von Oberwart nicht mehr zu tagespolitischem Kleingeld mißbrauchen kann, die Roma und die Sinti wieder völlig zu vergessen. Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, dafür zu sorgen, daß das nicht geschehen kann! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen, mein Herr von der Volksanwaltschaft! Herr Präsident! Eigentlich ist der heutige Tag ein ganz wichtiger Tag, Frau Volksanwältin. Wir haben nämlich heute unseren Landesfeiertag, der dem Heiligen Martin geweiht ist, und wir Burgenländer würden uns jetzt – der Paul Kiss wird mir recht geben – wahrscheinlich schon auf das Martini-Gansl vorbereiten. Stimmt das, Paul?

Aber es ist auch deswegen ein wichtiger Tag, weil wir auf Bundesebene innerhalb von 18 Monaten jetzt das dritte und in Bälde das vierte Budget verabschieden werden, vier Konsolidierungsbudgets also, und auf diese harte Arbeit dürfen wir auch einmal verweisen und stolz sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Politik greift. Die Botschaft lautet: Mit Österreichs Wirtschaft geht es aufwärts. Beweis Nummer eins: Wir haben als erstes Land in Europa die Budgetschwierigkeiten in den Griff bekommen. Der Schüssel-Kurs greift. Das Budgetdefizit wäre 8 Prozent gewesen, heute sind es 2,8 Prozent. (Abg. Dr. Ofner: Wo hast du den Ditz verloren?)

Zweiter Beweis, Herr Dr. Ofner: Österreich hat eine sensationell niedrige Inflationsrate mit knapp über 1 Prozent. Das heißt, die Geldwertstabilität war in den letzten 50 Jahren nie konstanter oder größer als jetzt.

Dritter Beweis: Wir liegen in der Arbeitslosenquotenberechnung hinter Luxemburg. Wir haben also einen Standard von 5,8 Prozent, während der EU-Durchschnitt 10,9 Prozent beträgt.

Das sind Fakten, und da könnte man noch weitere aufzeigen. (Abg. Dr. Graf: Bei dieser allgemeinen Rede wäre es besser gewesen, du wärst zum Martini-Gansl-Essen gegangen!)

Selbst Experten geben uns recht und pflichten diesem Konsolidierungskurs bei. Zwei seien nur genannt. Der eine Experte ist Dr. Genser, der meint, daß der Rückgang der Nettoverschuldung ein beachtlicher Kraftakt, ein Stabilisierungserfolg, eine anerkennenswerte Leistung sei. Der zweite Experte ist Dr. Schneider, und dieser meint, daß in Richtung Maastricht-Kriterien einiges geglückt sei.

Es gibt also die richtigen Schritte. Dazu gehört auch die Verabschiedung des Paketes in der vorigen Woche im ASVG-Bereich, bei den Bauern, den Gewerbetreibenden und bei den Beamten.

Beim Stichwort "Beamte" möchte ich verharren, denn da wird sehr gerne das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und es erfolgt eine richtige Hatz gegen eine Berufsgruppe. (Abg. Dr. Graf: Aber


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nur im Burgenland!) Wenn ich mir nur die Meldungen des Jörg Haider anschaue, zum Beispiel in "täglich Alles": "Wir haben einen Zustand, daß ein Drittel der Beamten gar nichts arbeitet, ein Drittel schiebt Dienst nach Vorschrift, und ein Drittel macht die Arbeit für die anderen." – Das sind Aussagen von Oppositionspolitikern, und man muß in diesem Hause richtigstellen, daß diese Aussagen schlichtweg falsch sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Erst habt ihr die Beamten verraten, und jetzt sind sie verbal wieder gut!)

Ich gehe einen Schritt weiter: Wir bekennen uns zum Beamtentum, wir bekennen uns auch zur Pragmatisierung und werden diese dort, wo es wesentlich ist, auch erhalten. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, daß wir in Bereichen wie Rechnungshof, Volksanwaltschaft und so weiter die Pragmatisierung abschaffen. Gerade der Rechnungshof ist eine Institution, von der man erwartet, daß sie kompetent, sachlich und kritisch verschiedene öffentliche Bereiche durchleuchtet. (Abg. Dr. Graf: Das kann man ohne Pragmatisierung auch!) Ich kann als Mitglied des Rechnungshofausschusses diesen Beamten nur das beste Zeugnis ausstellen. (Abg. Dr. Graf: Das ist alles ein Widerspruch!)

Wenn ich von Weiterentwicklung spreche, dann meine ich, daß wir uns Gedanken machen müssen in Richtung eines neuen Besoldungssystems – derzeit werden diese Beamten nach der allgemeinen Verwaltung bezahlt –, wir müssen uns Gedanken machen in Richtung Anreize-Schaffen. Hier können wir noch sehr viel verwirklichen.

Ich glaube, es ist an der Zeit, diese Leistungen in diesem Hause auch entsprechend aufzuzeigen. Wenn ich nur die Bezügepyramide hernehme, so waren hiefür insgesamt 100 Personentage nötig, für den Mehraufwand bei Kammerprüfungen waren 1997 allein 1 600 Personentage erforderlich und und und. Das heißt, die Schuld liegt auch bei uns, beim Gesetzgeber, weil wir unseren Beamten durch immer mehr und mehr Gesetze sehr viel an Bürokratie aufbürden. Also wir sollten einmal die Schuld auch bei uns selbst suchen.

Daher glaube ich, daß diese Beamten es sich verdient haben, daß wir sie heute würdigen und ihnen für die geleistete Arbeit auch ein Dankeschön aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste ist Frau Abgeordnete Inge Jäger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.24

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Ich spreche zum Frauenthema und möchte einmal grundsätzlich sagen, daß ich sehr froh bin, daß wir das Frauenministerium haben. Natürlich ist es finanziell viel zu gering ausgestattet, aber dennoch freue ich mich darüber, daß wir jetzt – das sei zum Herrn Kollegen Schöggl gesagt – eine neue Sektionsleiterin haben. (Beifall bei der SPÖ.) Frau Dr. Hoffmann ist die vierte Frau neben 81 männlichen Kollegen, und das allein zeigt, wie nötig wir es haben, in der Frauenfrage weiterzukommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun gebe ich allen meinen Vorrednern und -rednerinnen recht, daß man der Ungleichbehandlung von Frauen in dieser Gesellschaft nur dann wirkungsvoll begegnen kann, wenn man dieses Thema als Querschnittmaterie sieht, wenn alle gesellschaftlichen Realitäten, somit jedes Gesetz und alle politischen Maßnahmen danach beurteilt werden, ob sie den Frauen nützen oder ob sie den Frauen schaden, das heißt, wenn wir die Gender-Perspektive tatsächlich bei allen Gesetzen anwenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Derzeit ist die größte Herausforderung – und viele Punkte des Frauen-Volksbegehrens behandeln das – die eigenständige finanzielle Absicherung von Frauen. Das geht eben bis zur Pension. Wir haben heute in Österreich 180 000 Frauen ohne eigene Pension, und von jenen Frauen, die eine Pension haben, sind zwei Drittel Ausgleichszulagenbezieherinnen.

Die Frauenministerin hat bei der Budgeterstellung genau diese Frauen im Blickfeld gehabt, und es gibt einige Budgetbegleitgesetze, die in die richtige Richtung gehen. Dazu gehört die Einbe


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ziehung aller Beschäftigungen und vor allem die Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Sozial- und in die Pensionsversicherung.

Daß das notwendig war, das zeigen alle Zahlen ganz eindeutig. Wir verzeichnen ein deutliches Ansteigen der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. So stieg die Zahl der geringfügig Beschäftigten vom März 1996 bis zum März 1997, also innerhalb eines einzigen Jahres, um 10 Prozent. Im Einzelhandel gab es nach Änderung der Ladenöffnungszeiten vom Dezember 1996 bis März 1997 ein Plus von 11,6 Prozent bei den geringfügig beschäftigten Frauen, während gleichzeitig die Zahl der arbeitslosen Frauen im Handel im Steigen begriffen ist, nämlich um plus 4,2 Prozent.

Es steht fest, daß die Frauenbeschäftigung eben wirklich die einzige finanzielle Absicherung auch im Alter ist, und sie ist vor allem deshalb so wichtig, weil wir in Zeiten eines gesellschaftlichen Wandels leben. Es ist heute nicht mehr so, daß die Ehe eine Versorgungseinrichtung ist. Das heißt, wenn jede dritte Ehe geschieden wird – in den Städten zum Teil schon jede zweite Ehe –, dann müssen wir dieser Realität Rechnung tragen, und wir müssen die Frauen darin unterstützen, daß sie, genauso wie die Männer, auch einer bezahlten Arbeit nachgehen können. Es ist ja nicht so – das hat meine Kollegin schon angesprochen –, daß die Frauen nichts arbeiten würden, sondern es geht darum, die bezahlte Arbeit, aber auch die unbezahlte Betreuungsarbeit aufzuteilen, nämlich gerecht aufzuteilen zwischen Männern und Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun kann man unterschiedlicher Meinung sein und auch unterschiedliche Wertvorstellungen haben, aber wenn unser Herr Familienminister Bartenstein – ich kann erst heute darauf antworten – bei der Familiendebatte hergeht und uns Sozialdemokraten vorwirft, wir zwingen die Frauen in die Fabriken, dann muß ich schon fragen: In welcher Realität lebt der Herr Familienminister? Gleichzeitig lese ich am Montag im "profil", daß seine eigene Gattin Managerin eines großen Betriebes ist (Abg. Dr. Mertel: Gar Managerin!) , sich überlastet fühlt, aber ihre Arbeit machen kann, weil sie mit Haushälterin, mit Babysitterin und so weiter eben die nötige Absicherung hat. (Abg. Dr. Stippel: Das paßt nicht zusammen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meiner Überzeugung nach ist es daher ganz wichtig, daß wir jene Frauen, die nicht dieses Einkommen haben, jene, die auf öffentliche Kinderbetreuung angewiesen sind, unterstützen und daß wir uns wirklich dafür einsetzen, daß für diese Frauen in Zukunft etwas gemacht wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Cordula Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.30

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Budgetkapitel "Oberste Organe" gibt Gelegenheit, über unendlich viele Themen diskutieren zu können, es gibt aber auch Gelegenheit, dieses "Hohe" Haus – wie es genannt wird – und die Abgeordneten selbstkritisch zu betrachten.

Herr Kollege Wabl hat anläßlich des Dringlichen Antrages am vergangenen Freitag festgestellt, daß der Bezug für Abgeordnete, wie hoch auch immer er sein mag – ob 100 000 S, 50 000 S oder 20 000 S –, der Höhe nach vom Bürger nicht akzeptiert wird. Er hat auch festgestellt, daß wir diesbezüglich Gravierendes versäumt und übersehen haben.

Nun sind wir alle der Meinung, daß wir unendlich viel arbeiten, daß wir bereits am Dienstag unsere 35-Stunden-Woche erfüllt haben und daß wir locker von Dienstag bis Dienstag drei 35-Stunden-Wochen unterbrächten. Wir hetzen von Parteiveranstaltungen zu Bürgerinitiativen, von Protestaktionen zu Feuerwehrfesten, und wir hetzen ins Parlament, wo wir Gesetz um Gesetz produzieren. Ich werde Sie aber jetzt nicht wiederum mit der Gesetzesflut langweilen, denn ich bin inzwischen ganz großer Hoffnung, daß wir diesem Phänomen nunmehr effizient begegnen


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werden können, nachdem auch das Liberale Forum und die grüne Fraktion dieses Phänomen erkannt und geortet haben.

Ich möchte aber der Ordnung halber anmerken, daß diese beiden Fraktionen seit ihrem Bestehen nie effektiv zur Bewältigung dieses Problems beigetragen haben, ganz im Gegenteil (Abg. Hans Helmut Moser: Warum nicht?) – Herr Kollege Moser, Sie brauchen sich nicht zu entrüsten –: Sie haben jeden Gesetzesantrag, jede Vorlage noch mit Abänderungsanträgen oder Zusatzanträgen bereichert. (Abg. Hans Helmut Moser: Damit es besser wird, das Gesetz!) Nein! Im Unterschied zu Herrn Präsidenten Fischer, der wenigstens einmal versucht hat, ein wichtiges Gesetz verständlich zu textieren, kann ich das leider Gottes von Ihnen nicht behaupten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hans Helmut Moser: Das müssen wir noch im Detail besprechen!)

Der zweite Grund der niedrigen Akzeptanz der Abgeordneten bei den Bürgern liegt meiner Ansicht in dem Bild begründet, das wir hier im Haus via Bildschirm beziehungsweise den Besuchern auf der Galerie vermitteln. Ein sehr bedenkliches Bild! Denken Sie daran, wie die meisten Debatten wahrlich in Schlammschlachten ausarten, wobei die Menschenwürde oft kein Kriterium mehr zu sein scheint. (Abg. Dr. Mertel: Sagen Sie das jetzt für das Fernsehen?) Nein, das sage ich jetzt für die Kollegen.  (Abg. Dr. Krüger: Die nächste Rede bitte wieder mit Konzept!) – Nicht zu vergessen ist der Aktionismus mit dem Stinkefinger, und ich könnte noch viele, viele andere Fehlverhalten hier im Hause aufzählen. (Abg. Dr. Krüger: Ihr Verhalten ist sicher ein Fehlverhalten!)

Ich bin daher der Meinung, daß der Ordnungsruf als einzige disziplinäre Maßnahme in diesem Haus nicht ausreichend ist. (Abg. Dr. Cap: Auspeitschen! – Abg. Dr. Mertel: Intelligenzquotient!) Nein, Herr Kollege Cap, was Sie leider nicht wissen, ist, daß in vielen westlichen Demokratien – und Sie werden Deutschland oder die Vereinigten Staaten sicher als Demokratien akzeptieren – das Redeverbot, ja sogar der Entzug des Mandats als disziplinäre Maßnahmen für ein Fehlverhalten vorgesehen sind. (Abg. Haigermoser: Wie wäre es, wenn Sie einmal das Rauchverbot einhalten würden? Warum belästigen Sie uns immer als Kettenraucherin? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich kann daher Ihrer Meinung, daß dies eine Beeinträchtigung des freien Mandates darstellt, keineswegs zustimmen. (Abg. Haigermoser: 11. 11.: Fasching!)

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne glaube ich, daß wir diese Punkte, sprich unsere Arbeit hier im Parlament und unser Benehmen hier im Parlament, neu überdenken sollten. (Beifall bei der ÖVP.)

17.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.35

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich bin mir nicht sicher, ob auch die eigene ÖVP-Fraktion diesen Grüßen aus der politischen Folterkammer etwas abgewinnen kann. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gredler. ) Ich würde meinen, das sollten Sie einmal fraktionsintern ausdiskutieren. Ich will mich da gar nicht allzu sehr einbringen. Mir ist es in diesem Zusammenhang wichtiger, daß ich die 5 Minuten hier nutze. (Abg. Dr. Khol: Kollege Cap, du hast keine emotionale Intelligenz!)

Wir haben all das ja schon im Ausschuß diskutiert (Abg. Dr. Khol: Mehr Emotionalität!), was die Verständlichkeit der Gesetze und das Zuviel an Gesetzen betrifft, und ich habe der Kollegin immer gesagt, sie soll sich doch bitte zu Wort melden, wann immer sie der Meinung ist, daß wir ein unnützes Gesetz beschließen. (Abg. Dr. Khol: Das tut sie ja, Herr Kollege Cap!) Sie soll herauskommen und sagen: Das ist heute wieder etwas Unnützes! (Abg. Dr. Khol: Sie ist so erfolgreich, daß viele Gesetze gar nicht beschlossen werden! Die bemerkt man nur nicht!) Also ich bin da sehr skeptisch bezüglich dieser Kampagne, die Sie da führen. Aber diskutieren wir das doch einmal in Ruhe aus; ich will meine 5 Minuten jetzt nicht Ihrer Gesetzesargumentation widmen.


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Vielmehr ist es mir ein Bedürfnis, die kurze Zeit zu nutzen, um ein wenig über das Rollenverständnis in bezug auf Künstler und Intellektuelle eine Diskussion zu führen – vielleicht paßt das dann ja wieder in dieses Thema. (Abg. Dr. Khol: Emotionale Intelligenz! Emotionale!) – Nun ja, der IQ-Test läßt ja vermuten, sie will mehr Intellektuelle im Parlament haben. (Abg. Dr. Khol: Er hat nicht viel!)

Wiewohl wir mit der Einführung eines Beiratsystems versucht haben, eine Abkoppelung von den Politikerwünschen zu erreichen, wiewohl wir über neue Instrumentarien der Kunstförderung diskutieren, keine Einsparungen im Kunstbudget vermelden können, wiewohl jetzt ein Filmförderungsgesetz eingebracht wird, die Bundestheaterreform debattiert und zu finalisieren versucht wird und es über Kunstvermittlung eine Debatte gibt – das heißt, es geschieht ja etwas in Österreich im Kunst- und Kulturbereich –, werden wir regelmäßig mit ideologisch motivierten Attacken konfrontiert, die mit den fürchterlichsten Formulierungen geführt werden.

Wenn ich etwa die Seite 80 des Haider-Buches – Sie werden mir gestatten, daß ich auch dazu immer wieder kurze Beiträge in die Diskussion einbringe – aufschlage, dann sehe ich unter dem Titel "Streicht die Knete" folgenden Satz: "Der Staat schafft sich also durch die gezielte Subventionierung nicht nur ein politisches Instrument, sondern auch ein Kulturmonopol, das in der freien Konkurrenz keine Chancen hätte. Zu seinen Füßen liegen die dankbaren Staatskünstler und lecken seine Schuhe."

Was das in dem Diskurs über Intellektuelle und Künstler für einen Platz hat, ist mir schleierhaft, wenn nicht hinter der Agitation gegenüber der sogenannten Kunstbürokratie, dem Kunstapparat und den engagierten Künstlern möglicherweise ein anderer Gedanke steht. Denn ich glaube, auf Seite 79 läßt er dann – wie man auf gut Wienerisch sagt – die Sau raus. Da steht es dann wirklich ganz genau: "Es wird jedoch dann zum peinlichen Laienspiel, wenn er" – nämlich der kritische Künstler – "im Auftrag der Staatsmacht direkt oder indirekt den politischen Gegner in der Demokratie bekämpft."

Das ist hart an der Grenze der Zensur – oder noch besser –, das ist eigentlich die Anmaßung, daß nur der ein Künstler ist, der sich nicht aus kritischer Perspektive – beispielsweise gegenüber Jörg Haider oder gegenüber den Freiheitlichen – politisch engagiert. Das sollte man aber in dieser Kunstdebatte einmal klar ausdiskutieren! Abgeordneter Krüger sitzt da, hat sich dazu aber noch nie geäußert. Ich würde gerne einmal Ihre Meinung dazu hören und erfahren, was Sie dazu sagen, daß Kunst so definiert wird. Ich denke, wir könnten darüber eine sehr breite Debatte führen, und dies nicht nur auf jener Ebene, auf der Menasse dies im "profil" getan hat, indem er sich sprachlich ein wenig ausgelassen und mit dem Satz "Mit dem Tod von Sartre ist der letzte europäische Intellektuelle gestorben" kritisch auseinandergesetzt hat. Wichtiger ist es, die Frage zu stellen: Was ist überhaupt ein Intellektueller?

Zu diesem Thema ist der Artikel von Michael Ignatieff im "Spiegel" natürlich sehr interessant. Nur, er definiert das ganz anders. Er sagt ja auch nicht, der letzte Intellektuelle ist mit Sartre gestorben, sondern er sagt, der klassische Intellektuelle im Sinne Voltaires, wie es 1733 formuliert wurde, ist in der heutigen Zeit Mangelware und sollte zum Beispiel auch in bezug auf Wissenschaftskritik, in bezug auf Politikkritik auftreten. Und da definiert er: "... doch erst Voltaire" – ich zitiere –"erfand den öffentlichen Intellektuellen: die Geißel der Kirche, den Stachel im Fleisch der Fürsten, den ironischen, spitzen Habitué in den Salons schöner Frauen."

Das ist in etwa die Definition, wie wir sie im 18. Jahrhundert gehabt haben. Ich muß nun die Frage stellen: Was sollte der kritische Intellektuelle heute leisten? – Darüber zu diskutieren, wäre, wie ich meine, einmal eine Debatte, die mit Sicherheit von größtem Interesse wäre im Sinne der Definition, daß die Intellektuellen die Erfinder und Hüter der großen Erzählungen über unser Woher und Wohin sind, die Interpreten, die, die den großen Diskurs führen, aber nicht, wie es hier richtig steht – ich kann das ja nur als Selbstkritik empfinden; ich zitiere –: Kleinkrämer, Provinzialisten, angerührt, eitel, keine Kritik aushaltend, die jedem Künstler, der sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt, absprechen, daß er ein Künstler ist. Das ist kein Diskurs, das ist einfach erbärmlich! (Beifall bei der SPÖ.)

17.41


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. Gleiche Redezeit. – Bitte.

17.41

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Volksanwaltschaft! Verehrte Damen und Herren auf der Ministerbank! Hohes Haus! Es ist mir aufgefallen, daß sich heute keine der drei Oppositionsparteien in ihren Debattenbeiträgen direkt mit dem österreichischen Rechnungshof beschäftigt hat. Ich schließe daraus, daß diese Einrichtung des Nationalrates auch in Zukunft bei allen Parteien dieses Hauses eine hohe Akzeptanz genießen wird. Der Standard der Kontrolleinrichtungen und auch der Einrichtungen der Bürgerbeteiligung, wie die Volksanwaltschaft eine ist, ist ein Maßstab für die demokratische Entwicklung, für den Reifestand einer Demokratie. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich kann sich sowohl mit der Volksanwaltschaft als auch mit dem Rechnungshof national und international absolut sehen lassen. Daher möchte ich den Bediensteten, die dort tätig sind, und den Verantwortlichen, die dort Spitzenfunktionen ausüben, herzlichen Dank sagen. Ich bin davon überzeugt, daß wir diese Einrichtungen nicht abschaffen werden, denn solange es Menschen gibt, wird es auch Unzulänglichkeiten geben, aber es geht darum, die Fehler und Unzulänglichkeiten zu minimieren.

Als Mitglied des Rechnungshofausschusses überzeugt mich immer die hohe Sachkenntnis, die große Objektivität und das Verantwortungsbewußtsein der dort Tätigen. Ich kann auch aus meiner Erfahrung mitteilen, daß es kaum einmal wesentliche Korrekturen an Aussagen und Berichten des Rechnungshofes gegeben hat. Ich bewundere auch die, ich möchte fast sagen, unendliche Geduld der Bediensteten des Rechnungshofes, wenn sich unsere Fraktionen geschäftsordnungsmäßige Scharmützel liefern. Daher geht es uns darum, anläßlich der Debatte über die Lage und Stellung der Beamten künftig auch den Status der Bediensteten des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft zu diskutieren.

Wenn man davon ausgeht, daß die höchsten Organe der Republik, der Länder und der Gemeinden zu prüfen sind, daß die Träger der Hoheitsrechte unseres Staates, die staatlichen Sicherheitsorgane und auch das österreichische Bundesheer zu prüfen sind, dann muß man auch die Voraussetzungen dafür schaffen, daß eine effiziente Kontrolle möglich ist. Das heißt: Wenn man Organe zu prüfen hat, die den Schutz des Staates genießen, die den Staat repräsentieren, dann brauchen auch die prüfenden Organe den gleichen Schutz des Staates. Kündbare Prüfer ohne Rechtsschutz von seiten der Republik sind in ihrem Aktionsradius begrenzt.

Ich bringe ein einfaches Beispiel: Es ist einem Zivilisten nur schwer möglich, einen Gendarmen zu verhaften; umgekehrt ist das aber sehr wohl möglich.

Die Mindestanforderung, die zu stellen ist, ist, daß es einen Gleichstand in der dienstrechtlichen Stellung zwischen den zu Prüfenden und den Prüfern gibt. Die logische Konsequenz daraus ist, daß die Pragmatisierung für Prüfer des Rechnungshofes, aber auch für Mitarbeiter der Volksanwaltschaft auch in Zukunft beibehalten werden soll. Es ist ein legitimes Staatsinteresse, daß Waffengleichheit zwischen den beiden Partnern besteht.

Der zweite Grund, warum ich mich für diese Pragmatisierung ausspreche, besteht darin, daß der Rechnungshof und auch die Volksanwaltschaft hochqualifiziertes Personal brauchen. Wenn es keinen Anreiz für bestens ausgebildete Prüfer und Mitarbeiter gibt, dann wird sehr bald die berufliche Motivation abhanden kommen. Ohne entsprechenden Rechtsschutz – ich darf es relativ deftig formulieren – wird die Prüfungstätigkeit zur Farce. Daher spricht sich die Volkspartei für die Beibehaltung der Pragmatisierung der Rechnungshofbediensteten aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch zwei Bemerkungen zum Schluß. Erstens: Es gibt für mich nach meiner Erfahrung keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Objektivierung bei der Postenvergabe im Rechnungshof anzuzweifeln ist. Zweitens: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß Rohberichte des Rechnungshofes von Mitarbeitern desselben weitergegeben werden. Vielmehr ist es so, daß diese Rohberichte


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immer dann das Licht der Öffentlichkeit erblicken, sobald sie den zu prüfenden Stellen übergeben werden. Das möchte ich hier feststellen, weil es so ist.

Daher zum Schluß: Der Rechnungshof und die Volksanwaltschaft haben auch weiterhin das Vertrauen der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.)

17.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edith Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.46

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Frau Ministerin! Hohes Haus! Da dies heute bereits meine zweite Wortmeldung ist, werde ich mich sehr kurz fassen, obwohl man zu diesem Thema – ich spreche zur Arbeit der Volksanwaltschaft; auch das ist ja in diesem Rahmen gestattet – sehr viel mehr sagen könnte.

Es geht mir darum, daß legistische Anregungen der Volksanwaltschaft leider immer wieder nicht beachtet und ad acta gelegt werden. Ein Beispiel dafür sind Entschädigungsverfahren nach dem Verteilungsgesetz der DDR. Bereits seit dem Jahr 1994 häufen sich kritische Fälle, in denen bereits bescheidmäßig zuerkannte Entschädigungen nach diesem Verteilungsgesetz der DDR nicht vollständig ausbezahlt worden sind, nämlich nur zu 70 Prozent. 30 Prozent sind nach wie vor offen. Das betrifft 19 Fälle mit einem Betrag von insgesamt 40,92 Millionen Schilling.

Seit Jahren warten Betroffene also auf die Auszahlung dieser Beträge, die ihnen bescheidmäßig ja bereits zuerkannt worden sind. Die Volksanwaltschaft hat bereits in ihrem Achtzehnten Bericht darauf hingewiesen, daß diesbezüglich eine Gesetzesänderung notwendig wäre, um Vorschußzahlungen leisten zu können, damit die betroffenen Personen schneller in den Genuß dieser ihnen zustehenden Zahlungen kommen. Es liegt nun bereits der Zwanzigste Bericht vor.

Ich bin aufgrund eines Anlaßfalles, in welchem der Betroffene sich an mich gewandt hat, heuer im Frühjahr beim Finanzminister vorstellig geworden, und der Herr Finanzminister hat eine Erledigung dieser Materie bis zum Herbst zugesagt. Der Herbst ist zwar noch nicht ganz vorüber, aber bisher ist für uns keine neue Regelung dieses Gesetzes in Aussicht.

Ich möchte nun von dieser Stelle aus, von diesem Rednerpult aus hier im Plenum den Herrn Finanzminister auffordern, sein Versprechen einzuhalten, und ich möchte insgesamt die Legislative unserer Regierung auffordern, den Vorschlägen der Volksanwaltschaft, die ja alle ihre Berechtigung haben, in Zukunft etwas schneller nachzukommen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol.  – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist Tiroler Solidarität! – Abg. Dr. Khol: "Bischt a Tiroler, bischt a Mensch!")

17.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gisela Wurm. Sie hat das Wort.

17.49

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Zurück zu den Frauen. Gerade vorgestern hat der Politologe Professor Emmerich Tálos bei einer Fachtagung der österreichischen Bischofskonferenz neue Untersuchungsergebnisse vorgestellt, die davon ausgehen, daß zirka eine Million Österreicher und Österreicherinnen zumindest zeitweise unter dem Existenzminimum leben müssen. Viele der Armutsgefährdeten leben im ländlichen Raume.

Tálos nennt das Fehlen von Kinderbetreuungseinrichtungen als einen der Hauptgründe für die Armutsgefährdung auf dem Lande. Bekanntlich konnten im letzten Doppelbudget die SPÖ-Frauen trotz Sparpakets die sogenannte Kindergartenmilliarde durchsetzen. Die bereitgestellten Mittel in Höhe von 600 Millionen Schilling bewirkten neben einem nicht zu unterschätzenden Impuls für die Bauwirtschaft vor allem, daß viele neue Kindergartenplätze geschaffen werden


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konnten. Allein in Tirol entstanden bis jetzt 796 neue Kindergartenplätze, und bis zum Ende der Aktion im nächsten Jahr werden es voraussichtlich 1 250 Plätze sein. (Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Dr. Gredler und Mag. Peter.  – Beifall bei der SPÖ.)

Österreichweit werden nicht nur, wie hier behauptet wurde, 10 000 Kindergartenplätze eingerichtet, sondern es werden mehr als 15 000 solcher Plätze geschaffen. Das hilft zumindest punktuell, Armut zu lindern.

Wenn man den dramatischen Umbruch für die Frauen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt betrachtet, dann sieht man, daß diese Kindergartenmilliarde dringendst notwendig war. Die Zahl der teilzeit- und vor allem die Zahl der geringfügig beschäftigten Frauen ist stark steigend. Kollegin Jäger ist ja schon darauf eingegangen, daß sich innerhalb der letzten drei Jahre die Zahl der geringfügig beschäftigten Frauen um 60 Prozent, nämlich auf über 100 000, genauer gesagt, 118 000 Frauen, erhöht hat.

Im Einzelhandel, wo die Geschäftszeiten für die Kunden, nicht aber für die Verkäuferinnen "liberalisiert" wurden, stieg die Zahl der geringfügig beschäftigten Frauen in einem Jahr, vom März 1996 bis zum März 1997, sogar um 26 Prozent.

Diese Frauen, die oft mehreren solchen Beschäftigungsverhältnissen nachgehen müssen, meist mit einem niedrigen Familieneinkommen auskommen müssen und oft Alleinerzieherinnen sind, brauchen dringend Betreuungsplätze für ihre Kinder, damit sie mit ihren Mehrfachbelastungen überhaupt irgendwie zurechtkommen können. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Gredler.  – Beifall bei der SPÖ.)

Für diese Frauen ist es ein großer Segen, jetzt auch bei geringfügiger Beschäftigung sozialversichert zu sein. Das hilft den Benachteiligten unserer Gesellschaft wirklich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

Hohes Haus! Auf zwei Maßnahmen – eine Verordnung und ein Gesetz –, die sich auf das Budget 1998 zwar erhöhend auswirken, aber sehr wichtig und zukunftsweisend sind, möchte ich noch näher eingehen.

Als Tirolerin freue ich mich natürlich ganz besonders darüber, daß 1998 nun auch in Innsbruck eine Gleichbehandlungsanwältin ihre Arbeit aufnehmen wird. Neben Wien gibt es diese Einrichtung nun auch in Innsbruck. Das ist deshalb so wichtig, weil sich gezeigt hat, daß bei den Anliegen und Beschwerden ein starkes Ost-West-Gefälle vorhanden ist. Dieses Gefälle ist eindeutig darauf zurückzuführen, daß für die Frauen in Westösterreich der Weg nach Wien beschwerlich, kostspielig und auch unzumutbar lang ist. Diese Situation wird nun durch die neue Gleichbehandlungsanwältin, die im Westen Österreichs ihren Amtssitz hat, entschärft.

Zum Gesetz "Schutz vor Gewalt in der Familie", das vor zirka einem Jahr hier im Hohen Haus beschlossen wurde. Um dieses Gesetz zu verwirklichen, werden Interventionsstellen beigestellt. Fünf solcher Interventionsstellen sollen im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Daß die Finanzierung gesichert ist, freut mich ganz besonders. Dem Einsatz der Ministerin Prammer, der vorhergehenden Ministerin Konrad und des gesamten Frauenministeriums ist es zu verdanken, daß die Interventionsstellen nun arbeiten können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Steibl. )

Neben dem Frauenministerium haben auch das Justiz- und das Familienministerium ihren Beitrag geleistet. Ganz besonders ist aber auch Innenminister Schlögl und sein Ministerium zu erwähnen, weil dieses Ministerium die Hauptlast der Finanzierung trägt. Meine Hoffnung und Überzeugung – und, wie ich meine, die Hoffnung aller Frauen – ist, daß die Arbeit der Interventionsstellen dazu führen wird, daß durch Prävention und das frühzeitige Zusammenspiel der verschiedenen Behörden der Gewalt in der Familie, die ja bereits erschreckende Ausmaße angenommen hat, merklich Einhalt geboten werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn dadurch in Österreich viele Frauen und Kinder wieder angstfreier leben können, dann muß dies dem Staat etwas wert sein. (Beifall bei der SPÖ.) Es


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freut mich daher, daß diese Interventionsstellen nach vielen Jahren des Kampfes nun Wirklichkeit geworden sind und daß sie auch finanziell abgesichert wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hannelore Buder. Gleiche Redezeit. (Abg. Wabl: Ennstrasse?! – Abg. Buder: Diesmal nicht! – Abg. Wabl: Wann wird sie denn endlich ...?)

17.55

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! In Österreich heißt es seit 1920, als der Gleichbehandlungsgrundsatz vom Gesetzgeber festgehalten wurde, daß alle Bundesbürger gleich sind.

1979 wurde dann das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Festsetzung des Entgeltes beschlossen, 1985 wurde das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsleben geschaffen, 1990 wurde das Gleichbehandlungsgesetz novelliert, und die letzte Änderung gab es dann 1993.

Die berufliche Benachteiligung von Frauen ist verboten, steht seit 1990 im Gesetz. Aber wie sieht es tatsächlich aus? Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus? Welche sozialpolitischen Maßnahmen wurden gesetzt, die die Benachteiligung von Frauen, den Umstand, daß sie Mütter sind oder werden können, berücksichtigen? Gibt es eine aktive Frauenförderung? Wie sieht es mit der Existenzsicherung für Frauen im Alter, bei Invalidität, bei Arbeitslosigkeit aus, und wie weit sind wir bei der Durchsetzung der Gleichbehandlung tatsächlich?

Um Beruf und Familie zu vereinbaren – das wurde heute schon vielfach gesagt –, müssen Frauen tatsächlich Meister im Zeitmanagement sein. Und selbst dann ist es oft noch so, daß die Planung nur dann funktioniert, wenn die Familie gut durchorganisiert ist und jeder versucht, seinen Beitrag zu leisten. Wie sieht es aber aus, wenn ein Kind krank wird, denn in den wenigsten Fällen ist der Mann bereit, den auch ihm zustehenden Pflegeurlaub in Anspruch zu nehmen, oder was machen Alleinerzieherinnen ohne Oma oder eine andere Person, die sich ihrer Kinder annimmt?

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist doch nach wie vor so, daß von den Arbeitgebern Frauen, solange sie Kinder bekommen können oder haben, weniger geschätzt werden als ihre männlichen Kollegen, obwohl die Unternehmer andererseits auch immer wieder darauf hinweisen, daß Frauen verläßliche Arbeitskräfte sind. In diesem Punkt ist ein Umdenken der Gesellschaft dringend erforderlich.

Von den Männern erwartet man doch, daß sie dann, wenn eine Frau berufstätig ist – und das sind in Österreich immerhin 1,6 Millionen Frauen! –, auch einen Beitrag zur Hausarbeit und Kinderbetreuung leisten.

Es ist nach wie vor eine Tatsache, daß die Frauen auch dann, wenn ihr Bildungsniveau hoch ist, trotzdem weniger Karrierechancen haben. Dabei ist es so, daß die Frauen auf den ersten Blick aufgrund ihrer Ausbildung sogar gute Voraussetzungen für eine entsprechende Karriere mitbringen. 28 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen haben einen Abschluß mit Matura, ein Drittel davon sind sogar Absolventinnen einer Hochschule.

Die männlichen unselbständigen Beschäftigten bringen es in Österreich dagegen nur auf 20 Prozent Maturanten und davon sind knapp weniger als ein Drittel Akademiker. Trotzdem sind die heimischen Spitzenpositionen fest in männlicher Hand. 12 Prozent der männlichen Arbeitnehmer haben in der österreichischen Privatwirtschaft oder im öffentlichen Sektor leitende Stellungen erlangt. Dagegen sind nur 3 Prozent der weiblichen Berufstätigen in Führungspositionen aufgerückt. Es ist unbedingt notwendig, daß in diesem Punkt endlich eine Trendwende herbeigeführt wird. Denn während 7 Prozent der berufstätigen Männer unter 40 Jahren bereits in


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leitenden Positionen arbeiten, sind es bei den weiblichen Beschäftigten in dieser Altersgruppe gerade nur 2 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Daher ist es wichtig, daß das Frauenministerium im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Denn die Frauenministerin muß natürlich in Zukunft verstärkt ihr Augenmerk darauf richten, daß die Gesetze, die für die Gleichbehandlung erlassen werden und wurden, auch tatsächlich umgesetzt werden. Auch wir würden uns wünschen, daß sie dafür mehr Mittel zur Verfügung hätte.

Es ist auch kein Wunder, daß Frauen später in der Pension finanzielle Nachteile haben oder auch bei Arbeitslosigkeit, wenn man weiß, daß 90 Prozent der Teilzeitarbeit von Frauen ausgeübt wird. Ich weiß, daß Teilzeitarbeitsplätze von vielen Frauen gewünscht werden, nur treten die Nachteile erst später auf, genauso wie bei den geringfügig Beschäftigten, die zum Teil dann sagen: Ich habe ein ganzes Leben lang gearbeitet. – Daher bin ich sehr froh, daß mit der in der letzten Woche beschlossenen Arbeitsrechtsänderung eine soziale Absicherung für die geringfügig Beschäftigten gegeben ist. Ich bin auch froh darüber, daß Frauen, die Angehörige ab der Pflegestufe 5 zu betreuen haben und daher den Beruf aufgeben mußten, begünstigt in die Pensionsversicherung einzahlen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie sieht es mit der aktiven Frauenförderung aus? – Öffentliche Auftragsvergabe als Instrument zur Frauenförderung löst die heftigsten Widerstände aus. In Österreich gibt es derzeit nur drei Privatbetriebe, die Frauenförderpläne im Rahmen von Betriebsvereinbarungen beschlossen haben. Die meisten Firmen wehren sich dagegen – mit dem Argument, daß Frauenförderung die Wirtschaft belastet.

Die Gleichbehandlungsgesetze sind sicher wesentliche Marksteine, um Frauen das Berufsleben zu erleichtern und neue Möglichkeiten zu eröffnen, denn es soll nicht so sein, daß aus leistungsmotivierten Mädchen und jungen Frauen mit berechtigt hohem Selbstwertgefühl später Frauen mit mangelndem Selbstbewußtsein werden, weil sie erleben müssen, daß nicht eine tatsächlich erbrachte Leistung zählt, sondern nur deren Bewertung durch die Gesellschaft. Und das ist nach wie vor eine Bewertung durch die Männerwelt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Darum meine ich, wir sollten in Zukunft mehr Frauen in traditionellen Männerberufen haben, mehr Frauen in gehobenen Positionen und Chefetagen und natürlich auch mehr Frauen im Parlament haben, denn von den vielen anderen Aufgaben und Arbeiten geben wir gerne einen Teil an die Männer ab. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Konrad zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. (Abg. Haigermoser: Seit wann gibt es für geringfügige Beschäftigung 56 000 S?)

18.03

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Auch ich möchte einen kurzen Blick auf die Frauenpolitik werfen und einige Anmerkungen zur Frauenpolitik als notwendiger Bestandteil der Regierungspolitik machen. Wie notwendig Frauenpolitik ist, hat erst kürzlich eine Veranstaltung hier im Hohen Haus, im Parlament, gezeigt unter dem Titel " Frauengezeiten Peking Far Away?", die als Follow-up-Konferenz der Vierten Weltfrauenkonferenz stattgefunden und deutlich gemacht hat, daß Frauen, die Frauenpolitik Motor und Antrieb für viele Veränderungen sind, auch wenn dann schließlich oft andere Ressorts die sogenannten Lorbeeren einheimsen.

Wichtige Fortschritte in der österreichischen Politik wären ohne das Frauenressort in der Regierung einfach nicht gemacht worden; das kann man so sagen. Ich nenne nur einige Beispiele: Österreich ist vorbildhaft im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Das Gesetz gegen Gewalt in der Familie ist erarbeitet und umgesetzt worden, und es ist sicher nicht vermessen, zu sagen, daß wir noch nicht so weit wären, wenn sich Frauen nicht massiv dafür engagiert hätten und wenn sich die Frauenministerinnen nicht dafür engagiert hätten.


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Justiz und Polizei werden laufend geschult. Das ist heute eine Selbstverständlichkeit, aber die Initialzündung dazu ist ebenfalls von der Frauenpolitik, vom Frauenressort, von der Frauenministerin zu einem Zeitpunkt gekommen, zu dem man sich noch gar nicht vorstellen konnte, wie wichtig das ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Interventionsstellen wurden heute schon mehrfach erwähnt, und es gäbe sie nicht, wenn nicht das Engagement der Frauenministerin, des Frauenressorts dafür vorhanden gewesen wäre und auch entsprechende finanzielle Mittel vorerst einmal zur Verfügung gestellt worden wären.

Bei der Frage Frauenhandel etwa war auch das Frauenressort dasjenige Ressort, das die Initialzündung gegeben hat. In Österreich gibt es bereits die erste Opferschutzeinrichtung für Frauen, für Opfer des Frauenhandels.

Auch bei der Frage der Novellierung des Ehe- und Familienrechts in Richtung bessere Verteilung von Pflichten und Verantwortung in einer Beziehung, in einer Ehe, also die partnerschaftliche Verteilung der Versorgungsarbeiten, ist die Initialzündung vom Frauenressort ausgegangen.

Darüber hinaus wird es eine Reihe von Verbesserungen für Frauen geben, sowohl während der Ehe als auch nach einer Scheidung, etwa verbesserte Unterhaltsregelungen oder die Stärkung der Position der Frauen bei der Vermögensaufteilung und vieles andere mehr.

Oft erwähnt wurde heute schon, daß man bei der Endlosgeschichte der Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwältin endlich einen Schritt weitergegangen ist, und zwar mit einer ganz konkreten, regionalisierten Stelle im nächsten Jahr. (Abg. Haigermoser: Das wäre auch ein Job für Sie!) Erwähnt wurde auch der Ausbau qualifizierter Kinderbetreuungseinrichtungen. Dieser geht voran. Ich möchte aber noch folgendes sagen – Frau Abgeordnete Schaffenrath ist hier –: Es kann nicht so sein, daß die Frauenministerin jetzt dafür schuldig gemacht wird. Meine Vorgängerin hat das überhaupt erst zum Thema gemacht und die Wichtigkeit erkannt. Ich habe als Frauenministerin wenigstens diese 600 Millionen Schilling vom Bund zusätzlich erhalten. Aber die Kinderbetreuung ist nach wie vor Aufgabe der Länder, die Länder bekommen das Geld im Rahmen des Finanzausgleichs, und es ist eben auch Aufgabe der Länder, hier Prioritäten zu setzen. Und ich meine, daß wir dort Druck machen müssen und nicht allein bei der Frauenministerin. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Business-Frauencenter wurde als eine Maßnahme im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit von Frauen eingerichtet und etabliert sich bereits als ein wichtiges Instrumentarium für Unternehmensgründungen. Nicht alles, was wir Frauen fordern, was wir einbringen, was wir durchsetzen wollen, kostet Geld, aber einiges schon, und das muß sich dann eben in Budgetposten niederschlagen und soll dort verankert sein. Diese Vorhaben und Aktivitäten sind demokratiepolitisch wichtig und für die soziale Sicherheit der Mehrheit unserer Bevölkerung unerläßlich.

Diese Einrichtungen, die ich erwähnt habe, angefangen bei den Interventionsstellen über die Anti-Gewaltprogramme, über die Opferschutzeinrichtungen bis hin zu den Kinderbetreuungseinrichtungen, sind notwendige und unverzichtbare Elemente der sozialen Sicherheit, auf die die Frauen in unserem Land ein Recht haben. Sie sind kein Luxus, sondern im wahrsten Sinne des Wortes "Lebensmittel".

Daß Frauenpolitik in der Regierung kein Zubrot ist, sondern notwendiger Bestandteil der Regierungspolitik, das wird sich einmal mehr zeigen, wenn Österreich im Zuge der EU-Präsidentschaft im nächsten Jahr erstmals zu einem Gleichstellungsministerinnenrat einladen wird. Bis jetzt wurden nämlich frauenpolitische Anliegen und Angelegenheiten in anderen Ministerräten mit behandelt. Zum ersten Mal soll das im kommenden Jahr anders sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich begrüße diese Maßnahme als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Einerseits müssen Frauenperspektiven weiterhin in allen Bereichen eine Rolle spielen, und andererseits braucht es einen möglichst einflußreichen Ort, an dem ein gezielter frauenpolitischer Diskurs stattfinden kann. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heidemaria Onodi. Gleiche Redezeit. – Bitte.

18.10

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Der Budgetvoranschlag für das Kapitel Kunst ist Ausdruck dafür, daß sich der Staat nicht aus seiner kulturpolitischen Verantwortung stehlen darf. Aufgabe des Staates ist es auch, alle Spielarten der Kunst zu fördern. Es ist keine Kürzung der Mittel vorgesehen, sondern eine ausgewogene Balance zwischen dem Zwang, sparsam zu haushalten, und dem Wunsch, die kulturelle Entwicklung in unserem Land zu fördern. Gegenüber dem Erfolg von 1996 und 1997 sind im Bundesvoranschlag für 1998 in den Bereichen bildende und darstellende Kunst, Musik und Literatur leichte Mehraufwendungen veranschlagt, vor allem im Bereich Filmwesen sind im Vergleich zu 1996 im Voranschlag 1997 und 1998 Steigerungen vorgesehen. Doch es geht hier nicht nur, wie wir aus den Gesprächen mit den Filmschaffenden wissen, um ein bloßes Mehr, sondern um einen sinnvollen Einsatz der Mittel.

Letztlich geht es auch um eine Neustrukturierung des Filmwesens. Allerdings darf man hier, sehr geehrte Damen und Herren, die Relation nicht übersehen. So beträgt der Budgetposten Kunst etwa 1,15 Milliarden Schilling, während für den Posten Bundestheater über 3 Milliarden Schilling veranschlagt sind. Aber auch bei den Bundestheatern haben die Umstrukturierungsmaßnahmen Erfolge gezeigt. Für 1998 sind gegenüber 1997 keine weiteren Kürzungen vorgesehen. Dennoch dürfen wir nicht vor weiteren Anstrengungen zurückschrecken, um das kulturelle Flaggschiff Österreichs in das 21. Jahrhundert fahrtauglich zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir unser Kulturbudget mit denen anderer europäischer Staaten vergleichen, dann, muß ich sagen, liegen wir mit Frankreich im Spitzenfeld. Immerhin knapp 1 Prozent des Gesamtbudgets fließt in die Kultur. In anderen Staaten sind das 0,5 beziehungsweise 0,6 Prozent. Das Budget ist ein Bekenntnis zur Kunst und den Künstlern Österreichs und zur Sicherung der hohen Qualität ihres Schaffens. (Beifall bei der SPÖ.)

18.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Herr Dr. Jarolim. Gleiche Redezeit. – Bitte.

18.12

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Ich möchte mich kurz mit dem Verfassungsgerichtshof auseinandersetzen, und zwar einerseits deshalb, weil er im Zusammenhang mit dem jüngsten Erkenntnis heute schon ein paar Mal angesprochen worden ist, und andererseits, weil heute bedauerlicherweise von der Justizsprecherin der ÖVP – das entnehme ich der APA-Aussendung – die Aussage gemacht worden ist, mangelndes Demokratieverständnis und fehlende Akzeptanz der Rechtsstaatlichkeit seien beim sozialdemokratischen Koalitionspartner zu orten.

Ich möchte jetzt dazu einige Worte sagen, weil ich glaube, daß das etwas überzogen ist. Wir haben uns in der jüngsten Debatte zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes – das möchte ich ausdrücklich festhalten – nicht in Konfrontation zum Verfassungsgerichtshof gestellt, sondern wir haben das Erkenntnis, das er gefaßt hat, die Zuordnung, die er getroffen hat, in Relation zu den von uns verabschiedeten Gesetzen, Bundesverfassungsgesetzen und Gesetzen, gesetzt. Wir haben darüber diskutiert, was im Rahmen der Bundesverfassungsgesetze gesetzlich möglich ist und was nicht. Wir haben jedoch nicht den Verfassungsgerichtshof angegriffen. (Abg. Dr. Fekter: Nicht Sie, Herr Dr. Jarolim! Aber die Frauenministerin hat die Umsetzung abgelehnt!) Nein, Frau Kollegin! Lassen Sie mich bitte ausreden.

Ich glaube, es ist unbestritten, daß wir hier Gesetze verabschieden, Gesetze diskutieren, Gesetze vorschlagen, daß wir Bundesverfassungsgesetze und einfache Gesetze beschließen. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht gesetzgebend tätig, sondern hat nur, wenn wir ein Gesetz


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erlassen, zu beurteilen, ob das im Rahmen der Bundesverfassung möglich ist. Das hat er getan und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Steuergesetz hier nicht möglich ist. Wir haben gefragt, ob die Feststellung des Verfassungsgerichtshofes, daß das nicht möglich ist, mit der politischen Intention übereinstimmt, die lautet, daß für Kinder aus gutgestellten Häusern mehr Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden als für Kinder aus weniger gutbetuchten Häusern. Wir sagen dazu nein, wir wollen das nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Frau Kollegin! Diese Diskussion hier zu führen, hat nichts damit zu tun (Abg. Dr. Fekter: Das hat der Verfassungsgerichtshof nicht erkannt, sondern er hat den Gleichheitsgrundsatz als verletzt anerkannt!) , daß wir den Verfassungsgerichtshof angreifen, sondern es geht schlichtweg darum, hier gesetzliche Entwürfe zu diskutieren, damit wir zukünftig zu einer anderen Lösung kommen. Das ist schlicht und einfach der Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt, der in den Raum gestellt worden ist, war die Frage des sogenannten Arbiter dictum beziehungsweise der dissenting opinion. Worum geht es? – Es geht im Grunde genommen darum, daß auf Lebzeiten gewählte Richter im Verfassungsgerichtshof eine wissenschaftliche Debatte darüber abführen, wie sie zu den vorgelegten Anträgen stehen, daß sie abwägen, wie sie die Gesetze, die Bundesgesetze werten, und dann zu einer Einigung kommen. Unsere Auffassung ist, daß jedem Verfassungsrichter das Recht – das Recht, sage ich – zustehen sollte, wenn er das für notwendig erachtet und eine andere Meinung hat, diese Meinung kundzutun. Es muß meinetwegen nicht in der Form passieren, daß er es mit seinem Namen macht, das kann auch anonym passieren. Ich bin aber der Meinung, daß es unserer Rechtskultur entspricht, daß eine derart hochwertige Diskussion auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, damit wir davon profitieren können. Daß dadurch das Diskussionsniveau gefährdet ist, kann wohl niemand ernsthaft behaupten.

So gibt es auch eine Reihe von Gerichten, bei denen das bereits der Fall ist. Etwa im angloamerikanischen Bereich – Amerika und Großbritannien – ist es keine Frage, daß es so etwas gibt. In Deutschland ist es keine Frage, daß es so etwas gibt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine derartige Regelung, und sogar beim Europäischen Gerichtshof gibt es etwas Ähnliches, weil dort nämlich die Anträge der Generalanwälte eine umfangreiche inhaltliche Ausführung über die von ihnen gewünschte Entscheidung darstellen. Wenn der Gerichtshof davon abgeht und sich dem nicht anschließt, hat er das fundiert zu begründen.

Das heißt, auch dort ist das gesamte Diskussionsspektrum der unterschiedlichen Meinungen erkennbar. Das führt meines Erachtens zu einer Weiterentwicklung der Rechtskultur, und nichts anderes als das haben wir gefordert, das soll auch in Österreich der Fall sein. Es handelt sich auch nicht um eine Verpflichtung, sondern um ein Recht für die Richter des Verfassungsgerichtshofes.

Ich würde Sie ersuchen, uns in diesem Zusammenhang nicht mangelndes Demokratieverständnis vorzuwerfen, sondern ich darf Sie einladen, in der Diskussion zu klären, ob dieser unser Vorschlag nicht letztlich das ist, was auch Sie sich wünschen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

18.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Volksanwalt Schender. – Bitte, Herr Volksanwalt.

18.17

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Rednerinnen und Redner haben sich mit der österreichischen Volksanwaltschaft auseinandergesetzt – überwiegend in positiver Weise –, und ich darf auf einige Details eingehen, auf die in der Debatte Bezug genommen wurde.

Im Anhang an den 20. Parlamentsbericht der Volksanwaltschaft, der seit Mai dieses Jahres dem Hohen Haus vorliegt, finden Sie eine Reihe von Anregungen der Volksanwaltschaft zur Fortent


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wicklung dieser Institution, eine Reihe von Vorschlägen zur Änderung der Bundesverfassung und zur Änderung des Volksanwaltschaftsgesetzes.

Nun haben sich einige Damen und Herren der Opposition heute positiv zu diesen Vorschlägen geäußert, und der Volksanwaltschaft ist auch bekannt, daß bereits einige Initiativanträge dem Hohen Haus zugegangen sind ähnlichen Inhalts, aber in verschiedenen Modifikationen, wie sie von der Volksanwaltschaft ausgearbeitet wurden.

Herr Abgeordneter Dr. Kräuter hat sich ebenfalls mit diesen Vorschlägen auseinandergesetzt und hat vor allem die Prüfung der ausgegliederten Bereiche kritisch unter die Lupe genommen. Er meinte, die Volksanwaltschaft würde Kapazitätsprobleme bekommen, würde sie all das weiterprüfen, was sie bereits seit 20 Jahren prüft. Darum geht es nämlich, sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir wollen all das, was schon seit 20 Jahren von der Volksanwaltschaft erfolgreich geprüft wird, weiterprüfen, auch wenn es aus dem Budget des Nationalrates und des Bundes ausgegliedert worden ist, wie etwa die Bundesbahnen, die Bundespost, die Bundesforste, die Bundestheater, wie heute gesagt worden ist, die Bundessportheime, wie der Herr Staatssekretär angekündigt hat, die Lebensmittelkontrolle und vieles anderes mehr. All das, was bereits jetzt geprüft wurde und geprüft wird, was aber aus budgettechnischen Gründen ausgegliedert wurde oder noch ausgegliedert werden wird, sollte unserer Meinung nach weiterhin der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft unterworfen bleiben, damit der hilfesuchende Bürger die Möglichkeit hat, wenigstens bei einer Institution Klage und Beschwerde über diese ausgegliederten Institutionen zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn der Rechnungshof, meine sehr geehrten Damen und Herren, prüft lediglich die Gebarung dieser ausgegliederten Bereiche. Zu prüfen, ob die Bürger mit diesen Institutionen zufrieden sind, ist nicht Aufgabe des Rechnungshofes, sondern das wäre Aufgabe der Volksanwaltschaft.

Nun schreibt uns der Herr Finanzminister vor 14 Tagen, wir sollten uns diese Möglichkeit der Prüfung der ausgegliederten Bereiche quasi aus dem Kopf schlagen, denn das würde dem Privatisierungsgedanken diametral widersprechen, und es wäre ohnedies durchaus jedem Bürger möglich, den Zivilrechtsweg zu beschreiten, wenn er mit diesen Institutionen Probleme habe, die jetzt ausgegliedert worden sind. Es wird einen riesigen Run, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf die österreichischen Bezirksgerichte geben, wenn all das, was bis jetzt an Beschwerden über diese Bereiche an die Volksanwaltschaft herangetragen wurde, künftig vor dem kleinen Bezirksgericht abgehandelt werden wird müssen. Ich darf doch darauf aufmerksam machen, daß es wünschenswert wäre – zumindest aus der Sicht der Volksanwaltschaft –, wenn manche Bereiche außergerichtlich, unter Zuhilfenahme einer Institution wie jener der Volksanwaltschaft, bereinigt werden könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Frankreich heißt der Volksanwalt médiateur, er ist der Vermittler zwischen dem Bürger und den Behörden und der Verwaltung. Das sind wir auch in vielen Fällen unserer Tätigkeit – und mit großem Erfolg, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir helfen den Leuten dabei, sich viele Kosten zu ersparen, sich viele Mühen und viele Behördenwege zu ersparen, und wir ersparen ihnen vor allem viele gerichtliche Auseinandersetzungen durch unsere Tätigkeit. Das soll in Hinkunft in all diesen Bereichen nicht mehr möglich sein!

Ich erinnere daran, daß zum Beispiel die Bundesländer dazu aufrufen, die Kanalisation, die Wasserversorgung und die Müllentsorgung ebenfalls auszugliedern und in GesmbHs zu verwalten. Auch diese Bereiche würden künftig vor dem Richter landen, wenn der Bürger mit seiner Kanalgebühr Schwierigkeiten hat oder glaubt, zuviel Müllgebühr vorgeschrieben zu erhalten.

Wir glauben doch, daß es überlegenswert wäre, sich mit dieser Anregung der Volksanwaltschaft ernsthaft auseinanderzusetzen. Wir hoffen sehr, daß es Gelegenheit geben wird, diesen Vorschlag und eine Reihe von anderen Anregungen der Volksanwaltschaft im 20. Parlamentsbericht noch einer eingehenden Diskussion in einem Ausschuß zu unterziehen. Wir würden uns sehr freuen und sehr geehrt fühlen, wenn Sie, meine sehr geschätzten Damen und Herren, uns zu diesen Beratungen auch beiziehen würden.


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Herr Abgeordneter Kräuter hat sich auch mit den legistischen Anregungen auseinandergesetzt. Diese legistischen Anregungen werden, Herr Abgeordneter, auf Wunsch des österreichischen Nationalrates, aufgrund einer Entschließung in der XVII. Gesetzgebungsperiode, dem österreichischen Nationalrat jährlich zugemittelt, und diese Anregungen sind lediglich Ausfluß unserer Prüftätigkeit. Hier teilen wir dem Nationalrat mit, wo bei der korrekten Anwendung von gesetzlichen Normen unbillige Härten für den Bürger entstehen, die gar nicht im Sinne und im Geiste des Gesetzes und des Gesetzgebers sein können. Wir machen den Gesetzgeber darauf aufmerksam, daß diese unbilligen Härten nach Möglichkeit im Interesse von mehr Bürgerfreundlichkeit behoben werden sollten. Darin sehen wir unsere Aufgabe, Herr Abgeordneter, und nicht darin, Gesetzesanträge zu stellen! Das würde weit über unsere Aufgabenstellung hinausgehen. Das ist die Anregung des Parlamentsklubs der Grünen, wodurch wir uns sehr geehrt fühlen, aber das ist nicht primär unsere Intention, sondern wir wollen in Hinkunft nur legitimiert sein – auch gesetzlich legitimiert sein –, diese legistischen Anregungen dem Nationalrat unterbreiten zu dürfen – nicht bloß aufgrund einer Entschließung aus der XVII. Gesetzgebungsperiode.

Herr Abgeordneter Wurmitzer hat den Schutz der Prüfbeamten der Volksanwaltschaft und des Rechnungshofes durch Pragmatisierung auch in Zukunft eingefordert. Die drei Volksanwälte stellen sich einmütig hinter diese Forderung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir würden Sie eindringlich bitten, bei allfälligen Überlegungen hinsichtlich der Pragmatisierung in Hinkunft daran zu denken, daß die Prüfbeamten der Volksanwaltschaft sowie des Rechnungshofes eines besonderen Schutzes durch die Republik Österreich bedürfen, weil sie sonst Pressionen ausgesetzt werden könnten, die ihrem freien Bewegungsspielraum durchaus hinderlich sein könnten. Wir würden Sie also bitten, bei allfälligen Debatten über Einschränkungen, Reduzierungen von Pragmatisierungen nicht zu vergessen, daß Prüfbeamte sowohl des Rechnungshofes als auch der Volksanwaltschaft eines besonderen Schutzes auch in Hinkunft bedürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen auch mitteilen, daß die drei Volksanwälte nächste Woche im Verfassungsausschuß und im Plenum des österreichischen Bundesrates erstmals den 20. Bericht an den Nationalrat präsentieren werden und dort mit den Damen und Herren Bundesräten über Einladung des Bundesrates debattieren werden. Wir freuen uns sehr darüber, daß sie uns diese Möglichkeit eingeräumt haben, und werden selbstverständlich gerne von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Ich danke Ihnen allen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie im Rahmen der Debatte freundliche Worte über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft gefunden haben, für Ihre lobenden Erwähnungen unserer Institution und darf Sie ersuchen, die Intentionen der Volksanwaltschaft hinsichtlich Weiterentwicklung in Erinnerung zu behalten und uns allenfalls zum gegebenen Zeitpunkt zu einer Debatte mit Ihnen einzuladen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

18.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort von seiten der Frau Spezialberichterstatterin wird nicht gewünscht.

Wir gelangen daher zu den Abstimmungen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über die Beratungsgruppe I des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998.

Diese umfaßt die Kapitel 01 bis 06 des Bundesvoranschlages in 841 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 910 der Beilagen.

Hiezu hat Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich des Budgetkapitels 02 eingebracht.


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Ich werde daher zunächst über diese Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der finanzgesetzlichen Ansätze der Beratungsgruppe I des Bundesvoranschlages abstimmen lassen.

In diesem Sinne lasse ich also nunmehr zunächst über die finanzgesetzlichen Ansätze des Budgetkapitels 02 des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998 in 841 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieses Budgetkapitel ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der finanzgesetzlichen Ansätze der Beratungsgruppe I des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen.

Ich lasse nun über die dem Spezialbericht 910 der Beilagen beigedruckte Entschließung betreffend Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus abstimmen.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Diese Entschließung ist einstimmig angenommen. (E 90.)

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die in der heutigen Verhandlung der Beratungsgruppe I des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich komme daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme.

Es ist über diesen Antrag eine namentliche Abstimmung verlangt worden, und da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen.

Ich werde die namentliche Abstimmung in der Weise durchführen, daß die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen werden und die Stimmabgabe vom Abgeordnetenplatz aus mündlich erfolgt.

Zum Zwecke der Stimmabgabe bitte ich die Abstimmenden, sich nach Namensaufruf vom Platz zu erheben und laut und deutlich zu antworten.

Jene Abgeordneten, die für den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen stimmen, ersuche ich mit Ja, jene, die gegen den Antrag Stadler stimmen, mit Nein zu antworten.

Durch Wiederholung des Namens und Wiedergabe des Stimmverhaltens werde ich zusätzliche Klarheit über das Abstimmungsverhalten schaffen.

Ich beginne nun mit dem Aufruf der Namen und bitte, mit Ja oder Nein zu antworten.

(Über Namensaufruf durch den Präsidenten Dr. Fischer geben die Abgeordneten mündlich ihr Stimmverhalten bekannt.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich unterbreche jetzt kurz die Sitzung, um danach das Abstimmungsergebnis zahlenmäßig bekanntzugeben. Die Namen werden im Stenographischen Protokoll festgehalten.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 18.38 Uhr unterbrochen und um 18.42 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich mache darauf aufmerksam, daß es weitere Abstimmungen gibt, und gebe folgendes Abstimmungsergebnis bekannt: Es wurden 163 Stimmen abgegeben, davon "Ja"-Stimmen 38, "Nein"-Stimmen 125.

Der Antrag ist somit abgelehnt .

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Stimmverhaltens im Stenographischen Protokoll festgehalten.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Apfelbeck, Aumayr;

Bauer Holger, Blünegger, Böhacker, Brauneder;

Dolinschek;

Firlinger;

Graf, Gredler, Grollitsch;

Haigermoser, Haller, Hofmann;

Jung;

Koller, Krüger;

Lafer;

Madl, Meisinger, Mentil, Moser Hans Helmut;

Nußbaumer;

Ofner;

Partik-Pablé, Peter, Povysil, Preisinger, Pumberger;

Rosenstingl;

Salzl, Scheibner, Schöggl, Schreiner, Schweitzer, Stadler;

Trattner;

Wenitsch.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Amon, Antoni, Auer;

Barmüller, Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Binder, Brinek, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Eder, Edler, Ellmauer;

Fekter, Feurstein, Fink, Freund, Frieser, Fuchs, Fuhrmann;


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Gaál, Gartlehner, Gaßner, Gatterer, Grabner, Gradwohl, Großruck, Guggenberger, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haselsteiner, Heindl, Hlavac, Höchtl, Horngacher, Huber, Hums;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Kammerlander, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kier, Kiermaier, Kiss, Konrad, Kopf, Koppler, Kostelka, Krammer, Kräuter, Kröll, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Langthaler, Leikam, Leiner, Löschnak, Lukesch;

Maier, Maitz, Marizzi, Mertel, Mock, Morak, Moser Sonja, Motter, Mühlbachler, Müller;

Neisser, Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger, Onodi;

Parfuss, Parnigoni, Petrovic, Pittermann, Posch, Puttinger;

Rada, Rasinger, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riepl;

Sauer, Schaffenrath, Schieder, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Seidinger, Sigl, Silhavy, Spindelegger, Stampler, Steibl, Steindl, Stippel, Stoisits, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wabl, Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer;

Zweytick.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächstes gelangen wir zur Abstimmung über die Beratungsgruppe II des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998.

Diese umfaßt die Kapitel 10, 13 samt dazugehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages sowie das Kapitel 71 des Bundesvoranschlages in 841 der Beilagen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag sowie einen Zusatzantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Ing. Meischberger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen finanzgesetzlichen Ansätze und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe II des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998 abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Ing. Meischberger und Genossen haben, wie erwähnt, einen Abänderungsantrag betreffend die Voranschlags-Ansätze I/10434, I/10456, I/10466 sowie die Summe des Titels und die dadurch bedingten Änderungen der Summenbeträge eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Meischberger zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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96. Sitzung / Seite 107

Ich lasse daher sogleich über diese Teile der finanzgesetzlichen Ansätze des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben auch einen Abänderungsantrag betreffend den Voranschlags-Ansatz I/10506 und die dadurch bedingten Betragsänderungen eingebracht.

Jene Damen und Herren, die für diesen Antrag Stoisits eintreten, bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Frau Abgeordnete Stoisits hat auch einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Voranschlags-Ansatzes I/10507 mediale Versorgung in Volksgruppensprachen zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Kapitel 10, 13 samt den dazugehörenden Teilen des Konjunkturausgleich-Voranschlages sowie das Kapitel 71 des Bundesvoranschlages in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dafür eintreten, ein bejahendes Zeichen geben. – Ich stelle eine Beschlußfassung mit Mehrheit fest.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über den bei der Verhandlung der Beratungsgruppe II des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsantrag sogleich vorzunehmen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kammerlander betreffend Finanzierung von Frauenberatungs- und -serviceeinrichtungen.

Ich darf jene Damen und Herren, die diesem Antrag Kammerlander zustimmen, bitten, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Dies ist die Minderheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Beratungsgruppe V

Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Verhandlung über die Beratungsgruppe V: Justiz.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde von seiten der Frau Spezialberichterstatterin verzichtet.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Die Redezeit ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.47

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! – Den Herrn Bundesminister werde ich nach seinem Eintreffen sogleich begrüßen. – Meine Damen und Herren! Ich werfe die Frage auf: Wie geht es der österreichischen Justiz? Arbeitet sie gerecht? Arbeitet sie so schnell,


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wie es sich der Bürger vorstellt, wie er berechtigt ist, es sich vorzustellen? Die Meinungen darüber gehen naturgemäß auseinander, je nach dem Standpunkt der Betroffenen.

Eines steht fest: Die Justiz verliert in der Innenpolitik gegenüber anderen Ressorts an Boden. Ich glaube nicht, daß das zufällig ist. Man bemüht sich, heikle Bereiche in andere Ressorts zu ziehen, und ich glaube, daß sich die Justiz dagegen zuwenig wehrt. Das haben wir schon bei der Mietrechtsmaterie, bei der jüngsten umfassenden Novelle, beobachten müssen. Auf einmal haben die Mietrechtsdinge nicht mehr zur Justiz gehört, sondern zum Bautenressort. (Abg. Dr. Fuhrmann: Bei der letzten?) Ich habe gesagt, bei der letzten von Gewicht. (Abg. Dr. Fuhrmann: Nicht bei der letzten!) Ich sage es noch einmal für den lieben Willi Fuhrmann: bei der letzten Novelle von Gewicht.

Bei den Suchtgiftdingen haben wir zunächst einmal den Namen geändert. Wir sind von der zutreffenden Bezeichnung "Suchtgiftgesetz" zu der verharmlosenden Titelgebung "Suchtmittelgesetz" gekommen. Dieses Gesetz, das sich mit Schwerkriminalität auseinandersetzt und eine Höchststrafdrohung von 20 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, ist schon beim Gesundheitsressort gelandet und wird gar nicht mehr vom Justizressort behandelt.

Ich glaube, daß das Signale sind, die in die falsche Richtung gehen, und ich ersuche den Bundesminister für Justiz, schon zu schauen, daß nicht allzuviel von dem, was zu seinem Besitzstand gehört, in andere Bereiche wandert; zumal, wenn es sich um so heikle Materien handelt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tatsächlich ist es so, daß die zivilen Bereiche, noch mehr die außerstreitigen Dinge der Zahl nach die Strafrechtsangelegenheiten im Justizsektor bei weitem überwiegen. Trotzdem ist die Öffentlichkeit immer der Ansicht, Justizpolitik ist gleich Strafrechtspolitik. Ich möchte mich daher in meinen Ausführungen hauptsächlich auf die Strafrechtsdinge beziehen und auch mit ihnen beginnen.

Noch immer müssen wir feststellen, daß in der Strafrechtspflege zuwenig zwischen gefährlichen, professionellen Tätern auf der eine Seite und harmlosen Zufalls- oder Ersttätern auf der anderen Seite differenziert wird. Noch immer werden nach ein und demselben Gesetz in ein und demselben Saal hintereinander von ein und demselben Richter schwere Verbrecher, Berufsverbrecher, die wirklich gefährlich sind, und Zufallstäter oder Fahrlässigkeitstäter im Eigentumsbereich abgeurteilt.

Ich darf einmal mehr in Erinnerung rufen, daß wir es noch immer unternehmen, fahrlässige Vermögensdelikte unter dem Titel der "fahrlässigen Krida" vor Gerichtshöfen abzuurteilen. Ich kann mich nicht damit zufriedengeben, wenn es aus höchstem Munde in diesem Zusammenhang heißt, die fahrlässige Krida sei eine Art Auffangnetz für alle Vermögensdelikte überhaupt, die man sonst nicht erfassen könnte, und im übrigen seien die, die da vor Gericht stehen, ja ohnehin alle Verbrecher.

Tatsächlich ist es so, daß bei der fahrlässigen Krida Leute, die geschäftlich Schiffbruch erlitten haben, die in der Regel ohnehin alles verloren haben, denen alles versteigert worden ist, dann noch vor Gericht stehen, daß immer sehr kostspielige Gutachten vom Buchsachverständigen eingeholt werden, die 100 000 S, 150 000 S und mehr kosten. Diese Aufwendungen sind immer uneinbringlich, und es wird je nach dem Richter, der die Sache abhandelt, eine Freiheitsstrafe bedingt in der Dauer von drei oder vier Monaten verhängt. Man soll doch endlich einmal dazu finden – ich werde das immer wieder erwähnen, bis es einmal soweit sein wird –, daß man fahrlässige Vermögensdelikte, zumindest in der Hauptmaterie der fahrlässigen Krida, nicht abhandelt vor den Gerichten, jedenfalls nicht vor den Gerichtshöfen, meine Damen und Herren. Das nimmt Arbeitskapazität bei den Gerichten weg und bedeutet, daß man in der Strafrechtspflege das Kind mit dem Bade ausschüttet.

Ein ähnliches Problem, das offenbar nicht weiterzubringen ist, ist jenes der Rechte für die Opfer von strafbaren Handlungen. Wir hören immer wieder, daß die Täter mehr Rechte haben als die Opfer. Das stimmt nur bedingt, aber es ist tatsächlich so, daß im Strafprozeß selbst – und auf den kommt es letztendlich an – das Opfer auch in der Gestalt des Privatbeteiligten praktisch


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überhaupt keine Rechte hat. Der Privatbeteiligte oder sein Vertreter sitzt dort, er ist nicht berechtigt, auch nur einen Antrag zu stellen, er ist nicht berechtigt, ein Rechtsmittel einzubringen. Er hat überhaupt keine Rechte im Verfahren selbst, und ich halte es daher für eine Spiegelfechterei, wenn immer wieder erklärt wird, er braucht keine Rechte im Verfahren, er braucht nur Aufklärung über die Rechte, die er hat. Das bedeutet, daß man ihm sagen müßte: Du hast keine Rechte. Du bist Opfer geworden, aber du hast keine Rechte. – Das wäre die Aufklärung. Er braucht die Rechte im Strafverfahren, in der Hauptverhandlung. Die müssen wir ihm geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch der immer wiederkehrende Verweis auf den außergerichtlichen Tatausgleich, der auch bei den Erwachsenen über kurz oder lang flächendeckend Platz greifen wird, in Wahrheit nicht wirklich aussagekräftig. Denn es werden immer nur 15 oder höchstens 20 Prozent der strafbaren Handlungen sein, die mit außergerichtlichem Tatausgleich enden. Alles andere, also der Löwenanteil der strafbaren Handlungen, wird vor Gericht in der Hauptverhandlung abgehandelt werden, sodaß die Rechte der Opfer nicht mit dem außergerichtlichen Tatausgleich in Masse zum Besseren gebracht werden können, sondern nur durch eine Novellierung der Rechte der Opfer im Strafverfahren selbst.

Wir erleben auch immer wieder, daß zutreffend über einen zu langsamen Ablauf der Dinge bei den Gerichten geklagt wird, daß man aber dann darangehen möchte, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wir haben eine Vorlage in Richtung auf eine erweiterte Wertgrenzennovelle bereits im Haus. Es wird darüber noch beraten und verhandelt werden; ich möchte nicht zu weit vorgreifen.

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, daß ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß man mit dieser Novelle wieder einmal darangehen möchte, eine Beschleunigung der Dinge vor Gericht zu Lasten der Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen. Das, was sich der Bürger in einem Rechtsstaat in erster Linie und vor allem von der Arbeit der Justiz erwarten darf, ist Gerechtigkeit, ein möglichst hohes Maß an Gerechtigkeit in jedem einzelnen Fall. Zu Lasten dieser Gerechtigkeit zu beschleunigen, indem man nämlich nicht eine höhere Schlagzahl in der Tätigkeit der Justizbediensteten ins Auge faßt, sondern Schranken einzieht, die bewirken, daß nicht einmal die Kläger im Zivilverfahren nach Ablauf von bestimmten Fristen noch Vorbringen erstatten können, weil man ihnen, auch den Klägern, unterstellt, die Dinge zu verzögern und zu verschleppen, kann da nicht wirklich zielführend sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt aber auch soziale Probleme in der Justiz. Wir haben uns bereits in den letzten Tagen damit befaßt, daß die, denen es ohnehin am miesesten geht in diesem Bereich, nämlich die Rechtspraktikanten, die noch dazu die Passage des Gerichtsjahres hinter sich bringen müssen, in ihren finanziellen Abgeltungen rückwirkend stark reduziert worden sind. Und man hört immer wieder, daß man die Zahl der Rechtspraktikanten überhaupt beschränken möchte, und auch, daß man ihnen finanziell noch weiter ans Leder möchte. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich appelliere an die Verantwortlichen, die Rechtspraktikanten nicht schlechter-, sondern besserzustellen in ihren sozialen Positionen, zu garantieren, daß auch in Zukunft die Studenten, die ja die Gerichtspraxis brauchen, um Rechtsberufe ergreifen zu können, einen Anspruch darauf haben, die Gerichtspraxis zu absolvieren, und ihnen vielleicht im Gegenzug, so wie es früher war, wieder mehr Aufgaben zu geben, sodaß es ohne Rechtspraktikanten nicht geht und sie sich letztendlich bezahlt machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein Satz noch: Wo kommt das Geld hin? Man sagt, die Rechtspraktikanten kosten so viel Geld. Mit einer Zahl kann ich in diesem Zusammenhang aufwarten: Das Geld fließt in Kanäle, in denen wir es nicht gerne sehen. Wir erleben zum Beispiel, daß es in Strafverhandlungen wegen Serieneinbrüchen und bei ähnlichen Anlässen vier, fünf, sechs Dolmetscher in einer einzigen Hauptverhandlung gibt, die von ukrainisch bis türkisch und serbokroatisch alles zu dolmetschen haben. Und es drängt sich die Frage auf – ich bin schon beim letzten Satz, Herr Präsident –: Was kosten diese Dolmetscher in den Strafverfahren vor Gericht? – Ich kann es Ihnen sagen: Sie haben im Jahr 1996, völlig uneinbringlich natürlich, 46 Mil


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lionen Schilling gekostet. Das ist kein Pappenstiel, damit könnte man schon anderes machen, etwa den Rechtspraktikanten entsprechend helfen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler. ) Ich weiß aber, daß eine solche Umschichtung natürlich nicht ohne weiteres möglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung  – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.58

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! In der freiwillig unfreiwilligen Redezeitbeschränkung von 8 Minuten ... (Abg. Aumayr: Wieso?) Unfreiwillig deshalb, Frau Kollegin, weil eben, wie wir alle wissen, eine bestimmte Tagesblockzeit gegeben ist. (Abg. Mag. Stadler: Die haben wir immer bekämpft! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Okay, okay. Aber ich möchte jetzt nicht die wenigen Minuten auch noch mit solchen Diskussionen vergeuden. (Abg. Mag. Stadler  – auf den freien Platz neben sich deutend –: Herr Fuhrmann! Bei mir ist ein bißchen Platz!)

In aller gebotenen Kürze einige Anmerkungen auch zur Justizpolitik. Natürlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man es nur von den Zahlen her betrachtet, den absoluten Zahlen im Budget, ist das Justizressort ein kleines Ressort, mit ungefähr 10,5 Milliarden Schilling an Ausgaben und 7,2 Milliarden Schilling an Einnahmen. Nun könnte man sagen: Na ja, das ist halt ein recht unbedeutendes, kleines Ressort. Ganz im Gegenteil, meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen wir aber alle, daß dem nicht so ist, sondern daß die Arbeit des Justizressorts und der Justiz für das Ansehen eines Rechtsstaates enorm wichtig ist.

Natürlich wissen wir auch, daß Justizpolitik auch wesentliche Faktoren von Gesellschaftspolitik beinhaltet. Wir haben das ja aus einigen Diskussionen in der jüngsten Zeit zwischen der Frau Vorsitzenden des Justizausschusses und dem Ressort, Stichwort "Arbeitsgruppe Sexualstrafrecht", sehr anschaulich mitbekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Funktionieren der Justiz als eine der drei wesentlichen Säulen des demokratischen Rechtsstaates wird in der Tat für das Empfinden der Staatsbürger essentiell sein, ob sie nämlich in einem Land leben, in dem sie in akzeptabler Zeit zu ihrem Recht kommen können, ob sie durch plausible und möglichst verständliche Gesetze nach fairen und nicht zu langen Verfahren auch zu objektiven und als gerecht zu akzeptierenden Urteilen kommen können.

Für einen Parlamentarier, der für die Rechtslage und für den Zustand der Gesetze dieses Staates mitzuständig ist, wird es natürlich gerechtfertigt sein, Selbstkritik zu üben. Man muß selbstverständlich zugeben, daß es genügend Gesetze gibt, die in einer immer komplizierter werdenden Gesellschaft bei komplizierten Materien bald nur mehr für Spezialisten verständlich sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich gibt es Verfahren, deren Vorbereitung, Durchführung und Dauer manchmal berechtigtes Kopfschütteln hervorrufen. Und natürlich wird es immer wieder Urteile geben, die als durchaus diskussionswürdig und anfechtbar anzusehen sind.

Aber gerade im Rahmen der heutigen Debatte halte ich es nicht für Schönfärberei, als Mandatar des österreichischen Nationalrates festzustellen, daß die Justiz in diesem Land grundsätzlich in Ordnung ist – sosehr es gerechtfertigt erscheint, daß sich alle, sowohl der Herr Bundesminister als auch wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch mögliche Verbesserungen für viele Bereiche vornehmen.

Ich stehe nicht an, meinem Vorredner, dem Kollegen Ofner, in einigen von ihm angesprochenen Punkten durchaus nicht zu widersprechen, und ich möchte nur anführen, daß man bei der, wie ich meine, jetzt mit sehr großer Intensität und mit sehr großem Engagement weiterzubetreiben


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den Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens auch ins Auge fassen sollte, im Zuge des Beschlusses dieses Strafverfahrensgesetzes die Frage der Opferrechte in Form der Privatbeteiligung bei gerichtlichen Strafverfahren relativ bald anzugehen. – Das, was Ofner dazu angesprochen hat, hat Hand und Fuß. Man muß das ernst nehmen, und ich glaube, daß wir in dieser Frage sicherlich zu einer Lösung kommen werden, die dem von uns allen gewünschten Grundgedanken der Stärkung der Opferrechte Rechnung tragen kann und, wie ich hoffe, auch wird.

Durch das Ceterum censeo des Harald Ofner bezüglich der fahrlässigen Krida werden wir Sozialdemokraten – besonders ich, der ich das ebenfalls bereits öfters angesprochen habe – daran erinnert, daß wir nicht müde werden dürfen und die verschobenen Relationen in unserem Strafrecht, die zwischen Vermögensdelikten einerseits und Delikten gegen Leib und Leben andererseits nach wie vor vorhanden sind, niemals außer acht lassen dürfen. Das ist auch in der speziellen Frage der fahrlässigen Krida geboten, die sehr oft nichts anderes als ein Hilfsinstrument für allfällige spätere Durchgriffsrechte ist, um zivilrechtliche Ansprüche von Gläubigern über ein Strafverfahren leichter in den Griff zu bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es blinkt bereits die Lampe hier, daher muß ich bald zum Schluß kommen. – Zu dem am Anfang meiner Ausführungen angesprochenen Gedanken, daß es für den Bürger wichtig ist, nicht nur gute Gesetze sowie korrekte und anständige Richter und Staatsanwälte zu haben, sondern auch, daß es die Gerichtsverfassung und der Zustand der Justiz erlauben, daß er in vernünftiger Zeit zu seinem Recht kommt – das berühmte Schlagwort "Zugang zum Recht" –, ist noch zu sagen, daß wir diesbezüglich meiner Ansicht nach sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht noch einige Anstrengungen zu unternehmen haben.

Ich spreche das nun in der Budgetdebatte zum Justizkapitel noch einmal dezidiert an, weil es auch, wie mir bewußt ist, eine finanzielle Frage ist, ob man zum Beispiel das Unbehagen vieler Experten im Verfahrensrecht, straf- und zivilrechtlich, endlich beseitigen kann, indem man eine wortgetreue Protokollierung bei Zivil- und Strafverfahren, etwa mit Unterstützung von Schallträgern, zustandebringt. Das mag vielleicht von manchen als Marginalie angesehen werden, es wäre aber für das Vertrauen der Staatsbürger zu den Verfahren ein wesentlicher Beitrag, wenn jeder, der vor Gericht aussagt, davon ausgehen könnte, daß wirklich das, was man gesagt hat, zu Protokoll genommen wird (demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen) , daß eine ausreichende Dotierung für Schreibpersonal vorhanden ist und daß das richterliche Personal nicht in seiner Termindisposition gehindert ist, weil Protokolle möglicherweise nicht zeitgerecht übertragen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gäbe noch vieles anzuführen; da ich aber einige Kolleginnen und Kollegen unserer Justizfraktion als RednerInnen hinter mir weiß, kann ich nun beruhigt (Abg. Dr. Graf: Schlafen gehen!) meine Ausführungen zu diesem Thema beenden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

19.07

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Ausführungen zum Budgetkapitel Justiz möchte ich mit einem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizressorts beginnen, die jene Abgeordneten zum Nationalrat, die Mitglieder des Justizausschusses sind, also nicht nur die Grünen, immer sehr bei ihrer Arbeit unterstützt haben, immer noch unterstützen und auch künftig sicherlich weiterhin unterstützen werden. Ich danke auch dem Herrn Bundesminister, daß er diese Kooperation zwischen dem Ausschuß und dem Justizressort weiterhin pflegt; ich halte das für ein sehr produktives Arbeiten.

Da ich heute auch versuche, kurz zu sprechen, möchte ich das gleich mit der Bitte an die Frau Vorsitzende des Justizausschusses, die das noch nicht solange ist – zumindest aus meinem Betrachtungshorizont der letzten sieben Jahre heraus –, verbinden, diese Tradition auch aufrechtzuerhalten.


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96. Sitzung / Seite 112

Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, daß gerade im Justizressort – ideologisch oder weltanschaulich, aber auch, was Wertvorstellungen unterschiedlicher Art angeht – sehr diffizile Problemstellungen mit sehr hoher Konsensbereitschaft und konstruktiver Zusammenarbeit aller Fraktionen des Hohen Hauses gelöst wurden. Diese Tradition gilt es zu festigen und fortzusetzen – und nicht etwa in Frage zu stellen. Das fortzusetzen, möchte ich Frau Dr. Fekter sehr bitten, zumal ich glaube, daß die Zusammenarbeit der Fraktionssprecher und -sprecherinnen untereinander nun auch wesentlich dadurch bestimmt ist, daß mehrere Damen die Ehre haben, hier mitzuarbeiten. Auf dieser Ebene wäre eine Fortsetzung sehr leicht möglich. (Abg. Dr. Mertel: Voraussetzung ist, daß es Damen sind!)

So schwer wir es mit Herrn Dr. Graff manchmal hatten, so leicht – das hoffe ich zumindest – wird es mit Ihnen sein. Ich kann nur die Bitte an Sie, Frau Dr. Fekter, richten, sich nicht von manchen Herren Ihrer Fraktion, auch nicht von Ihrem Herrn Klubobmann, allzusehr einschränken zu lassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit bin ich beim zweiten Punkt und bei jener aktuellen Diskussion, in der ich den Herrn Bundesminister im Anschluß an die Fragestunde der letzten Woche und die Diskussion, die es hier bereits gegeben hat, sehr unterstützen möchte, mit dem fortzusetzen, was – nicht an inhaltlichen Vorgaben, sondern an Möglichkeiten des Arbeitens, Nachdenkens und auch Formulierens – im Auftrag des Nationalrates in seinem Ressort begonnen wurde.

Die heute bereits erwähnte "Arbeitsgruppe Sexualstrafrecht" ist nicht etwa ein alleiniges Ansinnen des Herrn Justizministers, weil er als einziger den Handlungsbedarf erkannt hätte. Herr Dr. Khol, ich erinnere Sie sehr gern daran, daß wir hier im Hohen Haus sehr heftige, da auch emotional sehr engagierte Diskussionen zum Thema Sexualstrafrecht hatten: begonnen bei der Kinderpornographie bis hin zu jenen extrem negativen Geschehnissen in Belgien (Abg. Schwarzenberger: Auch in Bad Goisern!) , die im letzten Jahr Eingang auch in unsere Diskussion gefunden haben. Aufgrund dieser Ereignisse wurde vom Herrn Bundesminister eine Arbeitsgruppe eingesetzt.

Diese Arbeitsgruppe hat – das wissen Sie sicher vom Vertreter der ÖVP-Fraktion; auch die Grünen haben einen Vertreter dort – bisher sehr produktiv gearbeitet. Von "Ergebnissen" kann man aber eigentlich nicht reden, da dort Fachleute geradezu unter Ausschluß der Politik miteinander diskutieren und versuchen, aufgrund ihres Fachwissens – seien es nun Psychiater, Psychologen, Mitarbeiter von Kinderschutzzentren, Richter oder Staatsanwälte, aber auch Klubmitarbeiter; im Fall der Grünen ist es ein Klubmitarbeiter, der an diesen Beratungen teilnimmt – verschiedene Aspekte einzubringen.

Die bisherigen, mir bekannten Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe bestärken mich persönlich darin, die Forderungen der Grünen, etwa die Verjährungsfrist bei strafbaren Handlungen, bei denen Kinder Opfer von Sittlichkeitsdelikten geworden sind, weiterhin aufrechtzuerhalten. Ich habe bereits im Rahmen des Strafrechtsänderungsgesetzes einen entsprechenden Antrag eingebracht, der jedoch aus verschiedenen Gründen keine Mehrheit gefunden hat. Nun ist man auch im Justizministerium, wo man damals skeptisch war, zur Einsicht gelangt, daß das klug und vernünftig ist.

In der Diskussion, im Gespräch kommen die Leute zusammen. Darum finde ich es in Anbetracht der soeben geschilderten Vorgangsweise bei justizpolitischen Vorhaben in der Vergangenheit mehr als sonderbar, daß sich die ÖVP dem nun verschließen möchte.

Meine Damen und Herren! Ich habe kein Problem mit einer Diskussion über unterschiedliche Vorstellungen, in der es um verschiedene Werte beziehungsweise Haltungen der Fraktionen geht. Das macht ja gerade den Unterschied zwischen den einzelnen Fraktionen aus. – Wenn man aber nicht einmal mehr in Fachgruppen miteinander diskutieren kann, dann hört sich jede Form von Parlamentarismus auf, in dem man versucht, Konsens auch in schwierigen Fragen zu finden. Das möchte ich hier einmal gesagt haben, ohne eine Diskussion darüber vom Zaun zu brechen. Diese Diskussion wird es erst dann geben, wenn Herr Bundesminister Michalek endlich diesbezügliche Vorlagen ins Haus schickt.


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Herr Bundesminister! Ich bitte Sie, das sehr bald zu tun, denn – und damit bin ich bereits bei den letzten Punkten – alle Dinge, die es noch gibt, die ich als ausständige Vorhaben urgiere, wurden bereits in der vor letzten Legislaturperiode angekündigt und sind entweder im Sand verlaufen, wie mein erstes Beispiel, die Umwelthaftung, die zumindest seit 1990, also seit ich Mitglied des Nationalrates bin, noch in jeder Regierungserklärung eines Bundeskanzlers, exklusive des jetzigen, immer als ein prioritäres Vorhaben enthalten gewesen ist. (Abg. Mag. Barmüller: Ja! Immer als unerledigt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß heute davon ausgehen, daß das vollkommen schubladisiert wurde (Abg. Dr. Gredler: Genau!) , da niemand mehr davon spricht, obwohl speziell Sie, Herr Bundesminister Michalek, die Umwelthaftung – ich nenne nur den Kurztitel – immer als ein Ihnen sehr wesentliches Anliegen bezeichnet haben. Es würde mich in der heutigen Diskussion natürlich interessieren, was damit los ist. Was ist jetzt damit? Wie schaut das aus? Was ist mit der produktiven Arbeit der Arbeitsgruppe im Ressort, die nicht nur druckreife, sondern abschluß- beziehungsweise beschlußreife Vorlagen erarbeitet hat? Was ist mit dieser umfangreichen Arbeit? So viele sozusagen Mann- und Frau-Jahre sollen willkürlich verschwendet werden?

Herr Bundesminister! Ich weiß, daß das, wie Sie mir zuflüstern, nicht in Ihrem Bereich liegt. Darum freue ich mich, daß Frau Dr. Fekter einmal nach mir spricht, denn sie kann uns vielleicht ein wenig Aufklärung darüber geben, was aus diesen Punkten, die alle immer in den Koalitionsabkommen enthalten waren, geworden ist. Aber lassen Sie mich noch drei weitere Punkte anfügen.

Ich gebe meinem Mißfallen und meiner Enttäuschung darüber Ausdruck, daß das Einbringen des außergerichtlichen Tatausgleiches für Erwachsene nun, nach Ihren Ankündigungen in der letzten Woche in diesem Haus, erneut zeitlich verzögert wird. Wir haben hier im Nationalrat eine einstimmige Entschließung gefaßt, daß Sie uns eine Vorlage überbringen sollten. Die Frist dafür ist längst abgelaufen. Ich kenne selbstverständlich die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, aber es sind nicht zuletzt vor allem budgetäre Fragen, die das Einbringen einer Regierungsvorlage ins Hohe Haus sehr beeinflussen.

Irgendwie beißt sich da die Katze in den Schwanz: Es gibt kein Geld, deshalb kann man die Vorlage nicht bringen, man bringt die Vorlage nicht, deswegen gibt es kein Geld. Ich wage die Prognose, daß wir im Zusammenhang mit dem nächsten Budget, das bereits im ersten Halbjahr 1998 beschlossen werden wird, eine ähnliche Antwort bekommen werden. Darum meine ich, daß in dieser Frage von Ihrer Seite – in unser aller Interesse, und es sind das keine allzu umstrittenen Fragen – rasches Handeln geboten wäre.

Der dritte Punkt, das strafprozessuale Vorverfahren, ist fast eine Never-ending-Story. Seit ich Justizsprecherin der Grünen bin, wird diesbezüglich eine große Reform angekündigt. – Bis heute gibt es sie nicht! Die seinerzeitige U-Haft-Reform liegt nun schon Jahre zurück. Sie wurde damals klarerweise vorgezogen, weil in dieser Frage krasser und akuter Handlungsbedarf bestand. Nun liegt das jedoch schon einige Jahre zurück. Die Erfahrungen, die damit gemacht wurden, sind durchwegs positiv. Das sollte Sie, Herr Bundesminister, meiner Ansicht nach dazu animieren, die noch offenen Punkte prioritär zu behandeln. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der letzter Punkt: das Scheidungsfolgenrecht. Es gibt dazu eine Arbeitsgruppe – ich komme jetzt wieder auf die Arbeitsgruppen zu sprechen (Abg. Dr. Mertel: Unterarbeitsgruppe!) , damit die Damen und Herren auch sehen, wie gut gearbeitet wird –, die seit Juli 1995, auch mit Zustimmung beziehungsweise unter Mitarbeit aller Fraktionen, tätig ist. Es gibt zahlreiche Protokolle und Ergebnisse, die zwar meinen Vorstellungen nicht zur Gänze entsprechen, aber ein unglaublich großer Schritt in Richtung Versorgungsausgleich und Zurückdrängung des Verschuldensprinzips bei Scheidungen wären.

Herr Bundesminister! Ich bitte Sie, hier aktiv zu werden, damit der parlamentarische Justizausschuß weiterhin sozusagen Unterfutter für seine Arbeit bekommt und darin nicht ausschließlich durch Sachzwänge, etwa wegen Erlassung von EU-Richtlinien und ähnlichem, bedrängt wird.


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Diese kurzen Aussagen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Forderungen und Arbeitsbereiche, die es zur heutigen Budgetdebatte anzuführen gäbe. Ich hoffe, daß es in ein paar Monaten – die nächste Budgetdebatte ist für April 1998 vorgesehen – keine Wiederholung dieser Forderungen, sondern einen ganz konkreten Fortschritt gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Gredler. )

19.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.20

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegin Stoisits, ich bedanke mich sehr herzlich dafür, daß Sie gemeint haben, das Klima im Justizausschuß sei durch die Arbeit der Frauen so positiv. Ich glaube aber, daß wir Frauen auch mit dem – und man sieht es an der Beamtenschaft – doch männerdominierten Justizressort allesamt halbwegs gut auskommen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Aber die Männer im Justizausschuß sind schon okay!)

Selbstverständlich tragen sie genauso dazu bei, daß im Grunde genommen – auch wenn Kollege Ofner gelegentlich das Gegenteil meint – im Justizausschuß auch nach langen, hitzigen Debatten ein Konsens erreicht wird. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Weil wir lauter Softies sind!) Nein, Sie sind Gott sei Dank, muß ich sagen, nicht im Justizausschuß. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Er ist aber auch kein Softie!)

Heute beschließen wir das Budget, also lassen Sie mich einige Sätze zum Budget sagen. Ich habe den Budgetzahlen entnommen, daß 1994, 1995, 1996 und 1997 die Steigerungsraten im Justizressort kontinuierlich geringer geworden sind, und erst jetzt erfolgt für das Jahr 1998 wieder eine Steigerung von 8 Prozent. Dazu möchte ich bemerken, daß es sich hiebei nicht um eine lineare Fortschreibung der Budgetzahlen handelt, sondern positive strukturelle Änderungen im Justizbereich dafür verantwortlich sind. Erkennbar ist das ganz deutlich am Verhältnis zwischen Personalaufwand und Sachaufwand. (Abg. Mag. Barmüller: 54 zu 46 Prozent!)

Herr Kollege Barmüller! Noch vor fünf Jahren, nämlich im Budget 1992, betrug das Verhältnis von Personalaufwand zu Sachaufwand 64 Prozent zu 36 Prozent. Im Budget, das wir jetzt beschließen, beträgt es 54 Prozent zu 46 Prozent. Daraus ist erkennbar, daß sehr wohl differenziert angepaßt wurde, und ich möchte das lobend erwähnen. Denn nur eine Fortschreibung von Budgetzahlen oder zu sparen, indem man alles über einen Kamm schert, ist eigentlich sachlich nicht gerechtfertigt. Die Zahlen sind insbesondere aufgrund von Auslagerungen und Privatisierungen in Richtung Sachaufwand verschoben.

Ich glaube, daß wir mit dem Budget, das wir heute beschließen werden, die Vorhaben der Justizpolitik, die für 1998 anstehen, verwirklichen können. In diesem Zusammenhang ist es mir, Herr Minister, ein besonderes Anliegen, daß der Opferschutz ausgeweitet wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Ofner ist besonders darauf eingegangen, daß der Opferschutz im Strafprozeß verstärkt werden soll. Ich sehe da auch gravierende Schwierigkeiten, meine aber, daß wir in den Materiengesetzen bereits eine Fülle von Rechten für die Opfer normiert haben – nur kommt das Opfer nicht zu seinen Rechten! Das Opfer wird nicht informiert, es wird zu spät davon in Kenntnis gesetzt, welche Rechte es in Anspruch nehmen könnte, es gibt keine ausreichende Therapiemöglichkeit für Opfer, und vor allem um Langzeitschäden von Opfern kümmert sich überhaupt niemand. Da ist es dringend an der Zeit, daß man ein Bündel von Maßnahmen beschließt – angefangen bei der Informationspflicht über eine ganz andere Behandlung der Opfer bis hin zu einer besseren Therapie und auch einer Betreuung bei Langzeitschäden.

Herr Minister! Es genügt nicht, wenn Sie den Opferschutz ausschließlich im Zusammenhang mit den neuen Aktivitäten im Hinblick auf den außergerichtlichen Tatausgleich erwähnen. Das wird zu wenig sein. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir sagen ein grundsätzliches Ja zum außergerichtlichen Tatausgleich für Erwachsene, aber: Die Stellung des Opfers muß vorher eindeutig verbessert werden, damit es nicht unter dem Aspekt, daß es um einen Täter-Opfer-Ausgleich geht, quasi zu einer Überrumpelung kommt. Das Opfer muß auch ganz genau wissen, worauf es sich einläßt. Vor allem ist es ja, wenn man weg vom staatlichen Strafmonopol in Richtung Täter-Opfer-Ausgleich geht, in der Hand des Opfers gelegen, zu sagen: Okay, ich akzeptiere den Ausgleich, und dafür wird der Täter nicht bestraft. – Diese Verantwortung, sehr geehrter Herr Minister, kann nicht in einem einmaligen Gespräch klargemacht werden. Da muß es zu einer professionelleren und vor allem institutionellen Information der Opfer kommen.

Wir können uns auch nicht vorstellen, daß der außergerichtliche Tatausgleich, wie im Begutachtungsentwurf vorgesehen, bis zu einem Strafrahmen von fünf Jahren zur Anwendung kommt. Das erscheint uns viel zu hoch. Und rechtsstaatlich gehört auch geklärt, wie denn die Abgrenzung zwischen einerseits Vollzug, Bewährungshilfe und Täterbetreuung und andererseits – da wir ja im Vorbereich des Strafvollzuges sind – der Abwicklung des Täter-Opfer-Ausgleiches vorgenommen werden soll, damit es zu einem wirklich fairen Verfahren kommt. Denn die Bewährungshilfe ist ja klassischerweise immer auf der Seite der Täter angesiedelt. Die organisatorische Trennung muß wirklich gewährleistet sein: von der Ausbildung bis hin zu den Räumlichkeiten. Wir werden eine klar abgegrenzte Infrastruktur brauchen, sonst können wir dieses Instrument nicht einführen.

Mit dem Budget, das wir heute beschließen, werden wir auch die Vorbereitungen zur Einführung des Euro im Justizressort finanzieren. Ich bin sehr zuversichtlich, daß das Ressort rechtzeitig alle notwendigen Vorkehrungen treffen wird. Mit der in der nächsten Sitzung des Justizausschusses zu behandelnden Wertgrenzen-Novelle sind ja bereits Schritte in diese Richtung gesetzt worden.

Herr Minister! Über die ehrgeizigen Bauvorhaben Ihres Ressorts müssen, glaube ich, noch intensivere Gespräche geführt und Entscheidungen in der Politik gefällt werden. Bevor auf den Schlachthofgründen um Milliardenbeträge geplant oder gebaut wird, soll die Politik ganz eindeutig entscheiden, wofür sie gebraucht, verplant und dann verbaut werden.

Zu meinem Vorredner: Ich teile die Auffassung des Kollegen Ofner in der Sache fahrlässige Krida. Es ist unverständlich, daß fast 60 Prozent der Konkursverfahren mangels Masse abgewiesen werden – und das ohne Kridaverfahren. Das heißt, diese sogenannten Täter kommen alle ungeschoren davon (Abg. Dr. Fuhrmann: Das stimmt ja nicht!), während diejenigen, die nicht alles verwirtschaftet und nichts beiseite geschafft haben, der fahrlässigen Krida beschuldigt werden. Da haben wir Handlungsbedarf, da muß es eine Neuerung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollegin Stoisits! Weil das Licht schon leuchtet, kann ich jetzt nicht mehr auf Ihre Argumente eingehen. Umwelthaftung: grundsätzlich ja. Aber eine reine Gefährdungshaftung mit Beweislastumkehr: eindeutig nein.

Hinsichtlich der "Arbeitsgruppe Scheidungsfolgen" trete ich gegen eine gänzliche Auflassung des Verschuldensprinzips ein, ich bekenne mich aber zum Versorgungsausgleich.

Meine Damen und Herren! Werter Herr Minister! Zum Schluß: Die Arbeit mit Ihnen und Ihrem Ressort ist für uns von der ÖVP bisher im großen und ganzen zufriedenstellend verlaufen. Wenn uns jedoch die gemeinsame Arbeit Mißbehagen verursacht, so tun wir das kund. Und das haben wir bei der letzten Fragestunde ganz eindeutig getan. Mißbehagen hat uns die Arbeit deshalb verursacht, weil wir gewisse Dinge einfach nicht mittragen oder mitentwickeln wollen und können. Lieber Herr Minister! Bitte bedenken Sie, daß Sie für Novellen aus Ihrem Haus eine Mehrheit in diesem Haus brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)


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19.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

19.29

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Fekter hat über den Opferschutz gesprochen. Ich kann Ihnen aus der Praxis versichern: Eine Verbesserung des Opferschutzes, geschätzte Frau Kollegin Fekter, kann nicht allein darin bestehen, daß man eine Informationsbroschüre, ein Informationsblatt bei den Gerichten auflegt. Damit wird man sich nicht begnügen können, wenn man den Opfern zu einem verbesserten Durchbruch und zu einer verbesserten Rechtsverfolgung verhelfen möchte.

Bei der Abwägung der Täterrolle, der Beschäftigung mit dem Täter einerseits und der Beschäftigung mit dem Opfer andererseits scheint mir in der Vergangenheit in der Diskussion vieles schiefgelaufen zu sein. So haben sich die Diskussion und auch die Reformen vielfach am Täter orientiert und viel zu wenig am Opfer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade in den letzten Jahren und insbesondere in den letzten Monaten ist dieses Opferschutzdefizit ganz klar zutage getreten. Ich spreche die Affären um Kinderschändung an, insbesondere auch im gleichgeschlechtlichen Bereich. Im Frühsommer und im Sommer wurden wir geradezu mit einer Welle von derartigen Delikten konfrontiert, und in diesem Zusammenhang ist eine ganz grobe Ungerechtigkeit zutage getreten. Diese Ungerechtigkeit besteht darin, daß der der Kinderschändung Beschuldigte, wenn er sich keinen Anwalt leisten kann, sehr wohl auf "Regimentsunkosten", sprich auf Kosten des Steuerzahlers, einen Verteidiger beigestellt bekommt, das geschändete Kind aber, das wahrscheinlich ein Leben lang an den körperlichen Verletzungen, aber vor allen Dingen an den seelischen Schmerzen laborieren wird und dessen sexuelles Empfinden durch derartige Schändungsakte oftmals ein Leben lang gestört bleibt, keinen Anspruch auf Verfahrenshilfe hat, wenn es darum geht, diese Rechte als Privatbeteiligter geltend zu machen.

Frau Kollegin Fekter, hinsichtlich des Informationsblattes haben Sie naturgemäß völlig recht. Das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Aber das ist doch ein Nebengleis, zwar ein sehr wichtiges Thema, aber doch beileibe nicht jenes, das im Zentrum unserer Interessen, im Zentrum unserer Debatte stehen müßte. Die Debatte geht wirklich darum, wie dem Opfer geholfen werden kann. Man darf sich nicht immer nur am Täter orientieren.

Ich möchte hier gegen eine Tendenz in der gesamten Justizpolitik auftreten, nämlich gegen die Tendenz – so eigenartig das anmuten mag – einer Entkriminalisierung des Strafrechtes. Das ist ja schon ein Widerspruch in sich. Von mir persönlich – und ich nehme an, auch von meiner Fraktion – wird es keine Zustimmung zum außergerichtlichen Tatausgleich geben, wenn dieser außergerichtliche Tatausgleich auch bei durchaus schwerwiegenden Delikten vorgesehen ist. Man sagt, das sei ein Opferschutz, in Wahrheit meint man aber einen Täterschutz. Und es kann nicht angehen, daß Schwerstdelikte, die begangen werden – räuberischer Diebstahl oder Raub –, heute mit einem außergerichtlichen Tatausgleich gleichsam am Richter vorbei abgehandelt werden können. Man redet das unter Opfer und Täter aus, man bezahlt Schadenersatz, man hat keine Vorstrafe – so kann es nicht gehen! Dieses Vorhaben, meine Damen und Herren, ist ein Widerspruch in sich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kann keine Entkriminalisierung des Strafrechtes geben, weil dann hört sich das Strafrecht insgesamt auf! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Dann hört sich alles auf!)

Ich sage noch folgendes, auch wenn es in Abrede gestellt wird und nicht dem Zeitgeist entsprechen mag: Ein wesentlicher Zweck einer Strafe ist noch immer auch die Abschreckung möglicher Nachahmungs- oder sonstiger Täter. Dieser Strafzweck ist in vollem Umfang aufrechtzuerhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Auer. )

Meine Damen und Herren! Ein anderes Kapitel betrifft die Geschwindigkeit der Verfahren. Das Vertrauen in die Justiz ist das Fundament unserer Rechtsordnung. Nun hängt das Vertrauen in die Justiz insbesondere davon ab, wie schnell der Bürger zu seinem Recht kommt, wie schnell bei Gericht Recht gesprochen wird. Schnelle Erledigung, ein rasches Urteil ist für den Bürger gefragt. Da scheint mir ein großes Defizit vorzuliegen.


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Herr Justizminister, da vermisse ich auch Ihre Einsicht. Sie zitieren Statistiken, wonach soundso viele neu angefallene Rechtsfälle innerhalb einer bestimmten Frist erledigt werden, innerhalb Jahresfrist – 80, 90 Prozent. Das mag der Fall sein, aber man kann sich doch nicht an jenen Verfahren orientieren, in denen es einen Kläger gibt und der Beklagte ein Versäumnisurteil ergehen läßt. Wie wir wissen, ist das die rascheste und häufigste Erledigung jedes Verfahrens. Wir wissen aus der Praxis, daß 90 Prozent der Fälle mit einem Versäumnisurteil oder mit einem Zahlungsbefehl enden, weil es keinen Einspruch gibt. Man kann doch diese Fälle nicht in die Statistik mit aufnehmen und sagen: Schaut her, 90, 95 Prozent der angefallenen Rechtsfälle werden innerhalb Jahresfrist erledigt. – So kann es nicht gehen! Ich vermisse da wirklich Ihre Einsicht, Herr Minister.

Wenn Sie sagen, daß es Anwälte gibt, die Verschleppungsakte setzen, so bestätige ich Ihnen das. Natürlich gibt es in jeder Berufsgruppe schwarze Schafe. Aber aus der Praxis sage ich Ihnen, daß die überwiegende Mehrzahl jener Rechtsstreitigkeiten, die über Jahre zum Schaden der Kläger nicht abgewickelt werden, auch auf den Justizbetrieb und auf die Arbeit der Richter zurückzuführen ist. Denn wir haben ja, sehr geehrter Herr Justizminister, in der Zivilprozeßordnung genügend Mechanismen dafür, daß Prozesse ordnungsgemäß und in kurzer Zeit abgewickelt werden können. Sie wissen, jeder Zivilprozeß steht unter der Maxime der Konzentration. Es gibt die Möglichkeiten der Präklusion, der Kostenseparation. Ich will das Hohe Haus nicht mit spezifischen Fachausdrücken belasten. Jedenfalls – und das ist, glaube ich, allgemein verständlich – gibt es für den Richter die Möglichkeit, rasch Termine anzusetzen. Und das vermissen wir in der Praxis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind dies keine Einzelfälle, Herr Minister. Ich bringe Ihnen ein konkretes Beispiel: eine Klage über 2,5 Millionen Schilling, eingebracht 1986. Das Urteil erging 1993. Zwischenzeitig, Herr Minister, ist das Haus des Klägers versteigert worden. Es hat Verhandlungen gegeben in dieser Zeit, die nicht von irgendwelchen Verschleppungsanträgen gekennzeichnet waren. Sie wurden anberaumt, damit sich der Richter überhaupt wieder über den Fall neu orientiert, und nach einer Stunde ist man auseinandergegangen. Das Vermögen der Familie des Klägers ist draufgegangen. Nach rechtskräftiger Erledigung hat er endlich recht bekommen. Es besteht ja in so einem Fall die Gefahr, Herr Minister, daß sich der Richter sagt, naja, eigentlich könnte die Republik in Haftpflicht kommen, da lasse ich den Kläger lieber verlieren. – Es war nicht so in diesem Fall, ich sage nur, daß die Möglichkeit besteht. – In diesem konkreten Fall war es dann so, daß sich der Beklagte nach 1993 mit Schulden in Millionenhöhe abgesetzt hat, und das Haus des Klägers ist endgültig draufgegangen.

Wenn Sie sagen, Herr Minister, das sind die berühmten Einzelfälle, und jeder Anwalt hat solche Einzelfälle, dann entgegne ich Ihnen: In Österreich gibt es 2 500 Anwälte, und wenn jeder Anwalt auch nur einen derartigen Fall hat, wo Vermögen draufgeht durch Untätigkeit der Gerichte, dann ist das ein Mißstand, der von allgemeinem Interesse ist und der abgestellt gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Auer. )

Die Zeit ist schon vorgeschritten. Ich möchte mich noch ganz kurz mit der Frage der Unausgewogenheit bei Vermögensschutz auf der einen Seite und Schutz der körperlichen Integrität auf der anderen Seite befassen. Ich meine, daß der Schutz der körperlichen Integrität viel zu wenig beachtet wird. Aus der Praxis: Der berühmte Fahrraddieb, der ein Wiederholungstäter ist, bekommt 15 Monate, 18 Monate unbedingte Haft, weil es den ungeschriebenen Grundsatz gibt, es kann nicht weniger werden. Gewalttäter hingegen, rohe, brutale Täter, die heute wehrlose Opfer auf der Straße zusammenschlagen, sie mit Füßen treten, sie peinigen und malträtieren, gehen oft mit relativ glimpflichen Strafen nach Hause. Da scheint mir etwas nicht zu stimmen. Eines muß auch hier gelten: Für derartige Täter kann es auch vor Gericht keine Gnade geben. Denn grobes Recht für grobe Taten muß immer noch gelten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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19.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Sie haben noch eine Redezeit von 19 Minuten. – Bitte.

19.39

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Unter Bezugnahme insbesondere auch auf die Ausführungen der Frau Abgeordneten Fekter möchte ich herausstreichen, daß das Justizbudget fürwahr, was die Zahlen angeht, nicht besonders spektakulär ist. Was aber sehr wohl Beachtung verdient und was diskutiert werden muß, ist, vor welchem gesellschaftlichen Hintergrund, vor welchem atmosphärischen Hintergrund sich dieses Justizbudget mittlerweile abspielt.

In diesem Zusammenhang ist auch die laufende Debatte sehr interessant. Herr Abgeordneter Krüger hat sich darüber beklagt, daß das Strafrecht immer mehr an Abschreckung verliere. – Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen wirklich sagen: Sowohl Ihre Reden als auch die Reden der Frau Abgeordneten Fekter gewinnen ungemein an Abschreckungspotential: Von Budgetdebatte zu Budgetdebatte steigt das Abschreckungspotential der Reden, die hier von Ihnen beiden gehalten werden! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Krüger: Das beurteilen Sie!) Ja, das beurteile ich, und ich sage Ihnen auch, warum.

Nehmen Sie nur etwa die Bestimmungen über den außergerichtlichen Tatausgleich her. Dort ist die Rede davon, daß die Schuld gering sein muß, daß es sich wirklich nur um Delikte handeln darf, die im unteren Bereich angesiedelt sind. (Abg. Dr. Fekter: Bis fünf Jahre, steht drinnen!) Da hat noch keiner von Ihrem räuberischen Diebstahl geredet oder sonst irgendwas, weil Sie letztlich auch beurteilen müssen, wie die Sache an sich im konkreten Fall aussieht.

Frau Abgeordnete Fekter hat auch schon in einem anderen Bereich die sachliche Diskussion verweigert, nämlich in der Arbeitsgruppe betreffend das Sexualstrafrecht, aber darauf komme ich noch zu sprechen. Sie sagen zum außergerichtlichen Tatausgleich: Ich bin natürlich für den ATA, denn dieser ist unglaublich wichtig, ich bin grundsätzlich dafür, aber vorher muß es einen Opferschutz geben. Und wenn es keinen Opferschutz gibt, gibt es auch keinen ATA.

Jetzt gestehen Sie zwar zu, daß der außergerichtliche Tatausgleich eine Verbesserung bringt, aber Sie sagen, diese Verbesserung machen wir nicht, wenn nicht auf der anderen Seite der Opferschutz gestärkt wird, was Ihrer Meinung nach schon damit getan ist, daß man ein Merkblatt ausgibt, das Sie dann wahrscheinlich in der Sektenbroschüre hinten einlegen werden. Aber das, Frau Abgeordnete, reicht natürlich überhaupt nicht. Wenn der ATA eine Verbesserung bringt, dann muß man diese Verbesserung durchführen.

Man wird auch über den Opferschutz reden müssen. (Abg. Dr. Fekter: Wann denn?) Aber ich habe immer eine Sorge, Frau Abgeordnete, wenn Sie in diesem Zusammenhang ein Junktim aufbauen. Ich möchte Ihnen hier in zwei Dingen recht geben. Sie haben gesagt, es gibt keine wirkliche Therapiemöglichkeit für Opfer. Das sehen auch wir Liberalen so. Das ist ein Bereich, den man in Angriff nehmen muß. Das ist überhaupt keine Frage, das stimmt.

Der zweite Punkt: Langzeitschäden sind nicht berücksichtigt worden. Auch ich kenne Personen, die Opfer eines Verbrechens geworden sind und dann eine Betreuung gebraucht hätten, sie aber nicht bekommen haben. Auch in diesem Bereich muß etwas verbessert werden, das ist überhaupt keine Frage. Aber wenn es um den Opferschutz im Verfahren geht, dann entsteht eine grundsätzliche Verwechslung, und die passiert Ihnen ständig: Es geht nämlich darum, daß im laufenden Verfahren der Täter oder die Täterin überhaupt noch nicht feststeht. (Abg. Dr. Fekter: In meiner Rede habe ich auf diese Problematik hingewiesen!) Sie haben allenfalls, Frau Abgeordnete, in einem Verfahren eine geschädigte Person, Sie haben vielleicht ein Opfer, aber Sie können nicht einmal sagen, daß die Person Opfer jener Person geworden ist, über die im konkreten Verfahren verhandelt wird, denn das wird erst feststehen, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist.

Das ist genau der atmosphärische Hintergrund, vor dem Sie das machen, denn in Wirklichkeit hebeln Sie mit Ihrer Argumentation betreffend den Opferschutz, den Sie immer nur als Schlagwort bringen – und Sie haben auch heute keine einzige konkrete Maßnahme genannt, die Sie setzen wollen –, die Unschuldsvermutung in den Verfahren aus. Und ich fürchte, das ist


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auch die große Diskrepanz, die es zwischen den Liberalen und der ÖVP nicht nur heute, sondern auch in Zukunft geben wird (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen), denn wir halten es für unverzichtbar, daß es in Zukunft mit der Unschuldsvermutung in diesem Lande genauer genommen wird, als das derzeit der Fall ist.

Und ich sage Ihnen noch etwas: Der außergerichtliche Tatausgleich ist keine Aufgabe des staatlichen Strafmonopols, überhaupt nicht, denn er findet unter staatlicher Aufsicht statt, und es gibt eine Sanktion, wenn es nicht funktioniert. Es ist das keine Aufgabe des staatlichen Strafmonopols! Und das muß man auch hier beim Rednerpult sagen. Gerade von der Vorsitzenden des Justizausschusses muß man verlangen können, daß sie das hier auch betont, wenn sie in diesem Zusammenhang ernst genommen werden will.

Aber wenn Sie so hier reden und dann aus dieser Arbeitsgruppe, die sich mit der Reform des Sexualstrafrechtes beschäftigt, ausziehen, dann versichere ich Ihnen, Frau Abgeordnete, man wird nicht den Eindruck haben, daß Ihre fachliche Kompetenz dort abgeht.

Herr Bundesminister! Frau Abgeordnete Fekter hat Ihnen gesagt, daß Sie bedenken sollen, daß Sie für all Ihre Vorlagen, die Sie in Ihrem Haus erarbeiten, eine Mehrheit im Parlament brauchen. Das stimmt. Aber bedenken Sie bitte auch, Herr Bundesminister – und das ist mir in diesem Zusammenhang wichtig –, daß es in diesem Haus immer noch eine große Zahl von Abgeordneten gibt, die Vorlagen mit Vernunft und nicht ausschließlich ideologisch beurteilen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

In diesem Zusammenhang komme ich gleich zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Stoisits. Frau Abgeordnete Stoisits hat gesagt, sie bitte die Frau Abgeordnete Fekter, an dieser Arbeitsgruppe teilzunehmen, sie möge eine sachliche Diskussion aufrechterhalten und eine sachliche Zusammenarbeit pflegen. Ich, Frau Abgeordnete Stoisits, glaube – so weit kenne ich mittlerweile die Frau Abgeordnete Fekter –, diese Bitten sind vergebliche Liebesmüh. Und ich kann es Ihnen auch belegen: Es war Frau Abgeordnete Fekter als Vorsitzende des Justizausschusses, die am 27. August 1997 in einer APA-Aussendung meinte – "Außergerichtlicher Tatausgleich nur mit Opferschutzgesetz!" war der plakative Übertitel –: Um zu verhindern, daß für Opfer von Sexualdelikten der Schaden durch das Gerichtsverfahren noch vergrößert wird, sollte dafür eine Sonderzuständigkeit des Jugendgerichtshofes Wien geschaffen werden.

Das ist interessant, denn es hat immerhin schon am 20. September 1996, also gut ein Jahr vorher, einen Antrag des Liberalen Forums gegeben, der genau das zum Inhalt hatte, aber Frau Abgeordnete Fekter hat es bis heute nicht der Mühe wert gefunden, ihn auf die Tagesordnung des Justizausschusses zu setzen. Und ein Jahr später macht sie eine Presseaussendung und gibt sich besonders konstruktiv und sagt: Darüber müßten wir einmal reden! Aber was an Vorschlägen anderer Parteien dazu bereits im Hause ist, findet sie nicht einmal der Beachtung wert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher, meine Damen und Herren, beurteilen die Liberalen auch ein Justizbudget primär vor dem Hintergrund, vor dem diese Diskussion stattfindet. Und hier, Herr Bundesminister, muß ich auch anmerken, daß es von seiten der Liberalen vermißt worden ist, daß es im Justizressort, was Rasterfahndung und Lauschangriff angeht, nicht mehr an Widerstand gegeben hat. Wir meinen, daß die Vorlage weit über das Ziel hinaus geschossen hat. Hier hat man in Grundrechtspositionen eingegriffen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe gesagt: nicht ausreichend. Ich weiß, daß es am Anfang Widerstand gegeben hat. Ich weiß, daß vom Bundesministerium für Inneres ... (Abg. Dr. Mertel  – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministers Dr. Michalek weisend –: Die wollten das ja so!)

Sehen Sie, Herr Bundesminister, so schnell kommt man in die falsche Gesellschaft. Jetzt wollten Sie das schon. (Bundesminister Dr. Michalek: Wenn schon, dann so!) Wahr ist, daß der Herr Bundesminister am Anfang sehr vehement gegen den Vorschlag, den es vom Bundesministerium für Inneres gegeben hat, Widerstand geleistet hat. Und dieser war ja wirklich – das wer


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den Sie mir zugestehen, Frau Abgeordnete – sehr tief angelegt, was die Grundrechte anlangt. Da wollte man sehr vieles unterlaufen.

Mittlerweile ist in Leoben, interessanterweise von einem Funktionär der AUF, ein illegaler Lauschangriff gemacht worden. Dieser ist zwar nicht gelungen, aber immerhin gemacht worden. Im "Grauen Haus" sind Gespräche von Verteidigern mit ihren Mandanten abgehört worden – und das war schon im Juli, wo es noch gar keine gesetzliche Grundlage dafür gegeben hat. Man hat dann gesagt, das sei auf richterliche Anordnung passiert. Da haben wir von seiten der Liberalen vermißt, daß der Herr Justizminister einen vehementen Aufschrei gemacht und konsequenter durchgegriffen hat. Wir haben den Eindruck, daß diese Sache nicht wirklich weiter verfolgt wird. Das ist etwas, Herr Bundesminister, was wir von Ihrer Seite her vermissen. Wir meinen, daß ein parteiunabhängiger Justizminister, der Sie unbestritten sind, diesen Spielraum auch ausnützen muß, denn Sie haben die Chance, weil Sie keiner der beiden Regierungsparteien unmittelbar angehören, hier eine Sonderstellung einzunehmen und wirklich das voranzutreiben, was im Rahmen des Justizressorts immer notwendiger wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was zum Beispiel notwendiger wird, meine Damen und Herren, ist, sicherzustellen, daß Leute, die in Verfahren freigesprochen werden, nicht als jene gelten, die man nur gerade nicht erwischt hat und freisprechen mußte. Da wird etwa nach dem Freispruch von Herrn Lingens oft gesagt: Macht nichts, machen wir zur Wahrung des Gesetzes eine Nichtigkeitsbeschwerde, und probieren wir es noch einmal! Dann gibt es ein zweites Verfahren, und dann gibt es wieder einen Freispruch. Dann sagt man: Wir haben schon wieder einen Fehler gemacht, aber macht nichts, probieren wir es noch einmal!

Man bekommt den Eindruck, die Leute werden mit Verfahren, interessanterweise mit rechtsstaatlichen Verfahren, trotz Freispruchs jedenfalls finanziell gehetzt, denn die Kosten, die sie für ihre Verteidigung aufwenden müssen, bekommen sie von niemandem ersetzt. Man hat den Eindruck, es steht der Gedanke dahinter: Wenn wir sie schon nicht einsperren können, dann werden wir sie wenigstens finanziell ruinieren. – Auch hier, Herr Bundesminister, wäre es angemessen, von Ihrem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und zu sagen: Moment, wer freigesprochen ist, ist nicht ein Gauner, den man halt nicht erwischt hat, sondern er könnte auch unschuldig sein! Auch an das sollte in diesem Staate noch gedacht werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir waren aber sehr froh darüber, daß es im Rahmen der letzten Fragestunde von Ihrer Seite eine sehr klare Äußerung gegeben hat in bezug auf die Arbeitsgruppe betreffend Sexualstrafrecht. Diesbezüglich meinen wir, daß es sinnvoll ist, die Selbstbestimmung der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Wir sind überzeugt davon, daß das der wesentliche Punkt ist.

Meine Damen und Herren! Wir meinen, wenn in diesem Lande – Herr Abgeordneter Posch, ich meine, auch die Kärntner Abgeordneten haben ein Interesse daran, daß auch in Kärnten eine offene Gesellschaft Platz greift – eine offene Gesellschaft verwirklicht werden soll, dann muß auch darauf Rücksicht genommen werden, daß die Selbstbestimmung der Menschen etwas ist, was in einer offenen Gesellschaft unverzichtbar ist. Das ist es wert, über den grundsätzlichen Ansatz unseres gesamten Sexualstrafrechtes nachzudenken. Es ist es wert, wenn die Europäische Kommission für Menschenrechte eine Entscheidung trifft, die erwarten läßt, daß die zutiefst ungerechten Grenzen im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung, wenn es etwa um gleichgeschlechtliche Gemeinschaften und Verbindungen geht, abgeschafft werden, und es ist richtig, daß da seitens des Herrn Bundesministers ein Vorstoß gemacht wird und Lösungsmodelle angeboten werden, über die dieses Haus dann beraten kann, weil sie fachlich gut vorbereitet sind.

All das, meine Damen und Herren, muß möglich sein, ist eine Voraussetzung für eine offene Gesellschaft, und das ist es, was wir seitens des Liberalen Forums haben wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir wehren uns dagegen, daß es da von einer Regierungspartei her Arbeitsverweigerung gibt, daß es verbale Rundumschläge gibt, daß man sich auf der einen Seite einfach von der Arbeit


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zurückzieht, auf der anderen Seite Junktims aufbaut und in Wahrheit eine sehr, sehr destruktive Rolle einnimmt.

Meine Damen und Herren! Wir werden daher von seiten des Liberalen Forums auch im kommenden Jahr darauf achten, daß das, was im Justizressort an Geldern zur Verfügung steht, nach unserem Dafürhalten für eine offene Gesellschaft eingesetzt wird, und dazu gehört auch, daß etwa mit überkommenen Rollenbildern aufgeräumt wird. Und wenn es darum geht, mit überkommenen Rollenbildern aufzuräumen, dann heißt das etwa im Bereich des Scheidungsfolgenrechtes, daß wir die Frage des Unterhalts endlich an die Bedürftigkeit und nicht an ein Verschulden koppeln, das in Wahrheit niemand bestimmen kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir meinen, daß es notwendig ist, nicht nur die psychologische Betreuung von Opfern, Frau Abgeordnete Fekter, zu stärken, sondern gerade auch die psychologische Betreuung von Strafgefangenen. Denn das Ziel der Strafe ist heute nicht mehr, Frau Abgeordnete Fekter, die Abschreckung – sonst müßte man eigentlich darüber reden, ob man nicht wieder die Folter einführt, denn ich garantiere Ihnen, das würde ganz besonders abschrecken –, sondern Ziel muß sein, daß die Menschen wieder zurückgeführt werden, daß sie wieder in die Gesellschaft integriert werden können und daß sie nicht wieder rückfällig werden, denn der Rückfall ist das – das hat auch Abgeordneter Ofner immer wieder betont; ich habe es allerdings schon länger nicht mehr von ihm gehört –, was diese Gesellschaft am teuersten zu stehen kommt. Der Rückfall ist nicht nur von den Kosten für die Gesellschaft, sondern auch von den Auswirkungen auf das Individuum her das, was auf jeden Fall vermieden werden muß.

Wir wollen daher auch, meine Damen und Herren, daß es zu einer Zurückdrängung des Arguments der Generalprävention kommt, wenn es um die zunehmende Ablehnung bedingter Haftstrafen geht, und, Herr Bundesminister, wird sind überzeugt davon, daß die Autonomie der Strafvollzugsanstalten kommen muß. Im ganzen staatlichen Bereich reden wir von mehr Budgethoheit für einzelne Institutionen; auch in diesem Bereich sollten Sie versuchen, den unmittelbaren Institutionen die Entscheidungsgewalt zu geben, auch über das Budget, aber nicht nur was Sachausgaben, sondern auch was Personalausgaben anlangt.

Insgesamt, meine Damen und Herren, werden wir Liberalen dem Justizbudget ihre Zustimmung geben, und zwar deshalb, weil wir nicht nach Ideologie, sondern nach Vernunft handeln. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Lafer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

19.52

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Barmüller hat behauptet, ein Mitglied der AUF hätte in Leoben einen illegalen Lauschangriff durchgeführt. – Das ist falsch. Ich berichtige daher wie folgt:

Erstens: Die Anordnung dieser Überwachung wurde von der Staatsanwaltschaft Leoben gemacht.

Zweitens: Die Überwachung stand unter der Aufsicht eines Vorgesetzten, eines Offiziers.

Drittens: Das AUF-Mitglied ist ein eingeteilter Mitarbeiter dieser Gruppe und hat sich an die Dienstvorschriften zu halten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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19.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu einer persönlichen Erwiderung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Wo ist er denn persönlich betroffen? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

19.53

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine persönliche Betroffenheit resultiert daraus, daß Sie (in Richtung der Freiheitlichen) mir hier unterstellen, wahrheitswidrig etwas zu zitieren, was Sie im Protokoll nachlesen können und was ich Ihnen gerne zuschicke, damit Sie sich richtig informieren können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Michalek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

19.54

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Budgetdebatte gibt mir auch heuer Gelegenheit, das Hohe Haus in gebotener Kürze über die wichtigsten aktuellen Legislativprojekte des Justizressorts zu informieren und dabei auch auf einige Wortmeldungen einzugehen.

Ganz allgemein geht es uns bei den legislativen Arbeiten darum, auf jene rechtspolitischen Fragen, die die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung aufwirft, angemessene, wohlüberlegte und von einem möglichst weitreichenden gesellschaftlichen Konsens getragene Antworten zu finden.

Auf zivilrechtlichem Gebiet stehen in nächster Zeit drei Materienkomplexe im Vordergrund. Im Rahmen von Reformen auf dem Gebiet des Schadenersatzrechtes werden wir Lösungen für jene Probleme vorschlagen, die der Einsatz moderner Risikotechnologien im In- und Ausland mit sich bringt. Wir werden in den nächsten Wochen Gesetzesvorschläge auf den Gebieten des Atomhaftungs- und des Gentechnikhaftungsrechts präsentieren.

Ziel unserer Reformüberlegungen auf diesen schwierigen und rechtspolitisch sensiblen Gebieten ist es, mit Augenmaß Regelungen zu finden, die zum einen im Interesse der Geschädigten liegen und damit zu mehr Gerechtigkeit beitragen, zum anderen aber auch nicht die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und das dahinterstehende Gemeinwohl vernachlässigen.

Eine weitere wichtige Aufgabe bilden diejenigen Materien, die mit dem wirtschaftlichen Zusammenwachsen Europas zusammenhängen und auch sehr wichtig für den Wirtschaftsstandort Österreich sind. Dabei steht zunehmend unsere intensive Beteiligung an der Rechtssetzung im Rahmen der Europäischen Union im Vordergrund, bei der es gilt, in einem möglichst frühen Stadium den österreichischen Standpunkt effektiv einzubringen und dann nach erfolgter Beschlußfassung die Ergebnisse möglichst rasch in die österreichische Rechtsordnung umzusetzen.

Ich erwähne insbesondere die Arbeiten an Richtlinien auf den Gebieten des Gewährleistungsrechtes, des Zahlungsverzuges, des Urheberrechtes, des Gesellschaftsrechtes, aber auch der Umwelthaftung. Gerade vom von der Kommission für Frühjahr nächsten Jahres in Aussicht gestellten Weißbuch erwarte ich mir auch ein Flottmachen unserer österreichischen Bestrebungen.

Schon beschlossen und nunmehr von uns umzusetzen ist die Fernabsatzrichtlinie.

Noch Ende dieses Monats werden wir den Entwurf für ein erstes Eurojustizbegleitgesetz zur Begutachtung versenden, in dem wir die schon in der dreijährigen Übergangszeit, ab 1. Jänner 1999, wirksamen legislativen Vorkehrungen auf den wichtigen Gebieten des allgemeinen Zivilrechts, des Handelsrechts und vor allem des Gesellschaftsrechts vorschlagen werden.

Einen weiteren zivilrechtlichen Schwerpunkt bilden die Reformüberlegungen auf dem Gebiete des Familienrechtes. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Beratungen einer von mir eingesetzten interdisziplinären Arbeitsgruppe wird derzeit ein Gesetzesvorschlag für Änderungen im Ehe- und Scheidungsrecht ausgearbeitet, der nach Abstimmung mit den beteiligten Ressorts im nächsten Jahr zur Begutachtung versendet werden wird.


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Allgemeines Ziel unserer diesbezüglichen Vorschläge ist die Stärkung des wirtschaftlich schwächeren Partners in der Ehe und im Falle der Scheidung, insbesondere bei der Teilung der Aufgaben während der Ehe, beim Schutz vor Verlust der Wohnung und im Unterhaltsrecht.

In Vorbereitung befinden sich auch Entwürfe für Änderungen auf den Gebieten des Kindschafts- und des Sachwalterrechtes. Schließlich arbeiten wir intensiv weiter am großen Vorhaben einer Gesamtreform des Außerstreitverfahrensrechtes. Nach der Erstellung des allgemeinen Teiles werden nun Entwürfe für ein neues Pflegschaftsverfahren und ein neues Abhandlungsverfahren vorbereitet.

Auch auf dem Gebiete des Strafrechts werden wir – nach kürzlicher Gesetzwerdung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996, des Suchtmittelgesetzes und des Bundesgesetzes über besondere Ermittlungsmaßnahmen gegen organisierte Kriminalität – unsere noch offenen Bemühungen um weitere Reformen vorantreiben. Dabei wollen wir auch in Zukunft einen justizpolitischen Weg fortsetzen, der dem Bestreben nach fachgerechter Effektivität verpflichtet ist, die meines Erachtens nicht in einseitiger "Härte" oder "Milde" zu finden ist, sondern im Bemühen um Differenzierung, um Interessenausgleich und um eine – Prävention wie Repression gleichermaßen einbeziehende – ganzheitliche Problemsicht.

Zurzeit arbeiten wir schon sehr konkret insbesondere an drei Vorhaben: Im materiellen Strafrecht besteht insbesondere im Lichte europarechtlicher Entwicklungen ein Reformbedarf auf dem Gebiete des Wirtschaftsstrafrechtes. Der in Vorbereitung stehende Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 soll Änderungen in den Bereichen des Subventionsbetruges, der Geldwäsche, der Korruptionsdelikte, des Finanzstrafrechtes und der Kridadelikte enthalten, den internationalen Vorgaben der allerletzten Zeit folgen und eine verschärfende Grundtendenz aufweisen. Teilweise konnte ich zu diesen Themen, insbesondere zur Neuregelung der Krida-Straftatbestände, schon im Ausschuß detaillierte Ausführungen machen.

Im Bereiche der kleineren Alltagskriminalität soll mit der bereits einem Begutachtungsverfahren unterzogenen Strafprozeßnovelle 1998 ein umfassendes Diversionskonzept verwirklicht werden. Damit sollen vor allem der inzwischen auch im Erwachsenenstrafrecht durchaus bewährte außergerichtliche Tatausgleich, der keineswegs eine Entkriminalisierung darstellt, sondern eine alternative Reaktion der Justiz auf ein auch künftig weiterhin strafbares Verhalten, auf eine dauerhafte gesetzliche Grundlage gestellt und die Position des Verletzten beziehungsweise des Opfers im Strafverfahren verbessert werden. Dabei versteht es sich von selbst, daß Maßnahmen der Diversion ausschließlich in jenen Fällen in Betracht kommen, in denen nach der Beurteilung des zuständigen Richters oder Staatsanwaltes im Einzelfall keine schwere Schuld vorliegt und in denen die Strafzwecke Spezial- und Generalprävention durch eine solche alternative Maßnahme ebenso gut erreicht werden können wie durch eine formelle, insbesondere auch bedingte Strafe, wenn nicht sogar besser als durch eine solche Strafe.

Das vorliegende Budget, dessen Kapitel Justiz Sie heute beschließen werden, und das von der Regierung bereits beschlossene Budget 1999 werden sicherstellen, daß die personellen und finanziellen Voraussetzungen für einen Vollzug der Diversion, der heute zirka 50 Prozent des österreichischen Bundesgebietes erfaßt, etwa ab Herbst 1999 österreichweit gegeben sein werden.

Demnächst wird schließlich auch das Vorhaben einer durchgreifenden Neugestaltung des strafprozessualen Vorverfahrens in ein konkretes Stadium treten. Die Aufgaben und Befugnisse der Staatsanwaltschaften und der Sicherheitsbehörden ebenso wie der richterliche Rechtsschutz und nicht zuletzt die Verfahrensstellung des Opfers einer Straftat sollen eine zeitgemäße Ausformung finden, bei welcher man sich gleichermaßen um Ermittlungseffizienz wie um Rechtsstaatlichkeit, aber auch um Gutmachung der Tatfolgen bemühen wird. Damit soll dem Unbehagen betreffend rechtsfreie Räume im kriminalpolizeilichen Bereich und eine veraltete Verfahrensstruktur auf dem so wichtigen Gebiet strafrechtlicher Ermittlungen begegnet werden. Der Entwurf wird Anfang kommenden Jahres fertiggestellt sein, doch verhehle ich nicht, daß uns bis zu einem endgültigen Gelingen dieses großen Vorhabens noch intensive Gespräche, vor allem mit dem Innenressort, aber auch mit den anderen am Strafverfahren Beteiligten bevorstehen.


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Meine Damen und Herren! Noch ein Wort zur angesprochenen Verfahrensdauer: Sie wissen, daß ich von Anfang an diesem Anliegen besonderes Augenmerk geschenkt habe und daß wir eine Fülle von Maßnahmen zur Verkürzung der Verfahren durchaus nicht ohne Erfolg gesetzt haben. Auch durch die in parlamentarischer Diskussion befindliche erweiterte Wertgrenzen-Novelle soll in einigen Punkten Abhilfe geschaffen werden, gerade diese werden jedoch von den heute die Verfahrensdauer ansprechenden Wortmeldern – beziehungsweise war es zumindest im Ausschuß so – kritisiert.

Herr Abgeordneter Dr. Krüger! Wenn es Fälle wie die von Ihnen angesprochenen gibt, dann scheuen Sie sich nicht, uns damit im Einzelfall konkret zu konfrontieren, damit wir der Sache nachgehen können, oder sie zumindest Ihrer Kammer bekanntzugeben, damit sie diese Fälle in den jährlichen Wahrnehmungsbericht aufnimmt, sodaß wir dann dieser Angelegenheit nachgehen können.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß möchte ich – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die diesbezüglichen Ausführungen der Frau Abgeordneten Stoisits – einige Bemerkungen allgemeiner Art zur Vorbereitung legislativer Projekte und zur Zusammenarbeit zwischen Ressort und Parlament machen.

Das gute Gesprächsklima im Justizausschuß und das Streben nach offener Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen hat unzweifelhaft wesentlich zu großen Erfolgen der Justizpolitik geführt. Dieses oft als Konsensklima bezeichnete Bemühen um Ausgewogenheit setzt eine qualifizierte Vorbereitung von Entscheidungsgrundlagen auf möglichst breiter Basis unter immer stärkerer Einbeziehung der Rechtsvergleichung und interdisziplinärer Standpunkte und Gesichtspunkte voraus. Gewiß, die rechtspolitischen Entscheidungen fallen im parlamentarischen Willensbildungsprozeß, es ist aber unsere Erfahrung, daß im Zuge eines solch umsichtigen Vorbereitungsprozesses schon so manche ideologische Zuspitzung von Streitfragen gemildert oder ausgeglichen oder doch von allen Beteiligten schließlich differenzierter und pragmatischer gesehen wurde, von der meist hohen allgemeinen Akzeptanz der schließlich getroffenen Entscheidung gar nicht zu reden.

Hohes Haus! Der Justizminister und seine Beamtenschaft sind weiter bereit und bestrebt, das ihre zu einer Fortsetzung dieses Stils der Sachlichkeit in der Rechtspolitik in unsere gemeinsame Arbeit mit Ihnen einzubringen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und des Liberalen Forums.)

20.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.08

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ich möchte gerne – trotz des Angebotes des Herrn Barmüller, zum Pilotprojekt Kärnten zu diskutieren – zu drei anderen Punkten Stellung nehmen.

Zunächst möchte ich einige Anmerkungen zum Bundesgesetz gegen die Gewalt in der Familie machen, das immerhin erst mit 1. Mai 1997 in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz sollte die Gewalttätigkeit im Familienkreis eingedämmt werden. Und die Bilanz dieses Gesetzes ist positiv, denn dieses Gesetz hat sich in der Praxis tatsächlich bewährt.

Ich möchte auch anmerken, daß dieses Gesetz – das scheint mir besonders wichtig zu sein – von den Organen der öffentlichen Sicherheit positiv aufgenommen wurde und daß die Organe tatsächlich verstehen, es wirksam anzuwenden. Ich glaube daher, daß man von dieser Stelle aus diesen Organen auch einmal Dank sagen sollte, und zwar Dank für die kooperative und ernsthafte Anwendung dieses Gesetzes im Interesse der Frauen und der Kinder!

Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist auch die Einrichtung der heute schon mehrfach erwähnten insgesamt fünf Interventionsstellen. Es wird ein Vollbetrieb garantiert, der auch


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finanziert wird. Ich glaube, daß das für das Familienministerium und das Innenministerium als Positivum zu werten ist.

Herr Minister! Eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen betreffend die Entwicklungen im Familienrecht. Für die Frauen ist insbesondere das Scheidungsverfahren ein ganz besonders wichtiges Thema. Herr Minister! Ich weiß, daß für diese Materie eine Arbeitsgruppe und diverse Unterarbeitsgruppen im Justizministerium eingerichtet sind, die dort fachkundige Arbeit leisten. Ich weiß aber auch, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck vorherrscht, daß die Verhandlungen eigentlich schon recht lange dauern, und daß Ergebnisse eingefordert werden. Daher freut es mich besonders, daß Sie für nächstes Jahr das Begutachtungsverfahren in Aussicht stellen.

Ich glaube aber, daß große Reformen eine bestimmte Zeit erfordern, für konkrete Mißstände aber auch kurzfristige Lösungsmöglichkeiten zu finden sind. Ein Problem, mit dem ich häufig konfrontiert werde, ist zum Beispiel, daß Frauen in Scheidungsverfahren des öfteren – und sie sind ja oft ungeheuer großem Druck ausgesetzt – auf Unterhaltszahlungen verzichten und vergleichsweise geringe Abschlagszahlungen hinnehmen. Diese Frauen leiden dann Jahre, ja Jahrzehnte unter ihrer eigenen Entscheidung.

Ich glaube, daß diesfalls rechtzeitig intensive Beratung erforderlich ist: sei es in einem verbesserten Mediationsverfahren, sei es durch eine verbesserte Manuduktionspflicht der Richter. Auch die Familienberatungsstellen spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle, aber die erste Verantwortung liegt doch beim Gericht. Ich glaube, daß verhindert werden sollte, daß es unter Druck zu unbilligen Verzichtserklärungen kommt.

Herr Minister! Zum Schluß noch ein dritter Punkt, der schon länger diskutiert wird, nämlich die gemeinsame Obsorge für das Kind beziehungsweise die Kinder nach der Scheidung: Ich glaube, daß gerade Frauen und Mütter den diesbezüglichen sogenannten einleuchtenden Vorschlägen mit einer Portion Skepsis gegenüberstehen. Selbstverständlich ist es wünschenswert, daß beide Elternteile auch nach der Scheidung ein möglichst intensives Verhältnis zu den Kindern haben. Gegen diesen Grundgedanken ist nichts einzuwenden. Das geht aber nur solange gut, als die ehemaligen Ehepartner sich auch vertragen. Das ist aber auch schon bei gegebener Rechtslage möglich, und der nicht die Obsorge habende Teil wird eingebunden.

Problematisch wird es allerdings, wenn ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis der ehemaligen Ehepartner vorliegt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß in solchen Fällen bei gemeinsamer Obsorge schwierige rechtliche Probleme auftreten können, die vor allem zu Lasten der Kinder gehen. Ich kann mir daher nicht vorstellen, daß es nach dem Willen mancher Vereine geht, die generell die gemeinsame Obsorge verlangen. Dagegen würden wir uns aussprechen. Denn das Wohl des Kindes muß im Scheidungsverfahren, aber auch bei der Debatte um die Obsorge eindeutig im Vordergrund stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft brachte zwangsläufig sehr viele Änderungen für die gesamte Gesellschaft mit sich, darunter auch Änderungen, die sich auf die österreichische Justiz und auf die österreichische Justizverwaltung ausgewirkt haben.

Es geht immer wieder darum, EU-Richtlinien in österreichisches Recht umzusetzen, und es besteht immer wieder auch die Gefahr, daß unsere österreichischen Regelungen über das EU-Recht hinausgehen. Wir müssen uns davor hüten, uns zum Umsetzungssieger zu profilieren, denn übertriebene Regelungen schaden auch dem Wirtschaftsstandort Österreich, und sie verschlechtern unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir ersuchen die Justizverwaltung, wie auch bei anderen Materien, österreichische Rechtsanwender nicht schlechter zu stellen als Rechtsteilnehmer in anderen Gebieten.


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Es mehren sich auch die Fälle, in denen ausländisches Recht und zwischenstaatliches Recht zur Anwendung kommt, und diese Tatsache stellt große Herausforderungen für österreichische Richter und Staatsanwälte dar, was sich zweifelsohne auch in der Richterausbildung und -fortbildung niederschlagen muß.

Ein dritter großer und bedeutender Problembereich ist die organisierte Kriminalität, die immer mehr zur Bedrohung für unsere Gesellschaft wird. Sie wirkt grenzüberschreitend, und sie profitiert von den Freiheiten, die die Gemeinschaft bietet, von der Freiheit des Waren-, Personen-, Kapital- und Dienstleistungsverkehrs. Technische Innovationen wie Internet und Telebanking erweisen sich als ungewollte Hilfsmittel. Trotz des erhobenen Fingers des Musterschülers in Rechtsstaatlichkeit, des Herrn Abgeordneten Barmüller, betone ich daher vor diesem Hintergrund die Richtigkeit des Weges, den wir mit der Einführung der neuen Ermittlungsmethoden beschritten haben. Wir müssen solchen Organisationen mit allen Mitteln den Nährboden in Österreich entziehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Österreichische Volkspartei war immer klar, auf welcher Seite wir stehen und daß der Opferschutz stets vor dem Täterschutz kommen muß. Besonders im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität, wenn Frauen und Kinder betroffen sind, wenn es um das Aufziehen von Suchtgiftringen und groß angelegten Waffenhandel geht, immer wenn Lebensinhalte zerstört werden, darf kein Zweifel daran bestehen, auf welcher Seite wir tatsächlich stehen: Da haben wir überhaupt kein Verständnis für falsch verstandenen Täterschutz!

Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich die Teilnahme unserer Behörden am weiteren Ausbau der dritten Säule im Rahmen der Europäischen Union: Konkret geht es um die Mitarbeit bei der Vorbereitung der Übereinkommen betreffend Rechtshilfe und Auslieferungsverfahren, des Übereinkommens betreffend Bestechung, der Koordination der EU-Drogenaktivitäten und vieler anderer Aktivitäten.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Aussage des Herrn Justizministers im Rahmen der Richtertagung in Graz besondere Bedeutung, wonach das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz für deren Wirken und Akzeptanz unverzichtbare Grundlage ist. Ich unterstreiche diese Aussage: Wir müssen tatsächlich alles tun, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zu sichern und zu fördern. Wir sollten aber nicht übersehen, daß viele Menschen heute oft draußen vor der Tür stehen und vieles von dem, was Gesetze oder Verordnungen regeln, nicht mehr nachvollziehen können.

Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang mit Franz Kafka zu sprechen: Diese Menschen begehren Einlaß. Sie warten auf ihr Recht, und viele scheuen sich heute, ihr Recht zu suchen, auch wenn sie im Recht sind. Deswegen ist es, meine ich, Aufgabe der Justiz und der Justizverwaltung, eine bürgernahe Justiz aufzubauen. Wir ersuchen die Richter, mit ihren Belehrungsmöglichkeiten dort nicht zu sparen, wo es tatsächlich im Interesse der Parteien geboten ist, und wir bitten, den Dienst am Bürger wieder näher zum Bürger zu bringen.

Erlauben Sie mir im Hinblick darauf und unter Bedachtnahme auf die vorgeschrittene Zeit einige kurze Bemerkungen zur Bezirksgerichtsorganisation in der Steiermark, in Oberösterreich und in Salzburg. – Ich habe großes Verständnis für die Argumentation, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Zusammenlegung von Bezirksgerichten immer wieder vorgebracht wird. Es geht um Fragen, bei denen der Zugang zum Recht immer wieder im Mittelpunkt steht. Es geht aber auch um Fragen der Identifikation einer Region mit den öffentlichen Einrichtungen. Betroffen sind oft Regionen mit wirtschaftlichen Nachteilen. Wie soll ich etwa den Menschen im oberen Feistritztal Hoffnung auf eine gute Zukunft vermitteln, wenn der Staat selbst gegenteilige Signale setzt? – Ich glaube, man sollte nicht als kühler Rechner, sondern mit viel Gefühl an diese Sache herangehen. Herr Bundesminister! Ich bitte Sie, hier mit sehr viel Kreativität ans Werk zu gehen! Jeder einzelne Standort soll gesamtheitlich betrachtet, Vor- und Nachteile sollen gewissenhaft abgewogen werden. Vor allem aber sollten Entscheidungen nur im Einvernehmen mit den Bundesländern und Regionen getroffen werden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgrund der komplexen Bestimmungen und der Rücksichten auf das EU-Recht scheint das Recht immer weiter vom Bürger wegzurücken. Wo wir Verantwortung tragen, müssen wir diesem Trend entgegenwirken. Wir müssen alle organisatorischen Maßnahmen so setzen, daß auch im Bereich der Justizverwaltung die Kundenorientierung im Mittelpunkt steht. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim ist der nächste Redner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.20

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Trinkl! Zu Ihrem Beitrag möchte ich eine ganz kurze Anmerkung machen: Sie haben erklärt, daß beim Strafrecht für Sie Opferschutz vor Täterschutz gehe. – Ich glaube, mit dieser Äußerung – das gilt auch für einige Vorredner – bewegt man sich an der Grenze der Grundsätze des Strafrechtes.

Sie sprechen im Zusammenhang mit "Tätern" offensichtlich von Verurteilten. Im Strafverfahren sprechen wir allerdings von "möglichen Tätern", und für diese möglichen Täter gilt als eine der tragenden Säulen des Strafrechtes die Unschuldsvermutung. Daher kann man, wie ich meine, nicht sagen: Für uns geht Opferschutz vor Täterschutz. Denn damit entfernen Sie sich von dieser tragenden Säule der Unschuldsvermutung im Rechtssystem des Strafrechtes. Ich glaube, daß eine derartige Argumentation einfach nicht möglich sein sollte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forum.)

Wir haben natürlich die Rolle des Opfers entsprechend zu würdigen. (Abg. Mag. Stadler: Können wir uns darauf einigen, daß das Opfer im Strafverfahren bekannt ist?) Herr Kollege! Wir haben logischerweise dafür Sorge zu tragen, daß all jene, die als Opfer betroffen sind, über ihre Rechte informiert sind. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Herr Kollege Stadler! Ich weiß nicht, ob Sie die Debatte verfolgt haben. Das Opfer ist im Strafverfahren sehr wohl bekannt, hingegen ist nicht bekannt, ob derjenige, der auf der Anklagebank sitzt, tatsächlich der Täter war, Herr Kollege! Daher können Sie nicht sagen: Unabhängig davon, was tatsächlich vorgefallen ist, soll der Umstand, daß das Opfer betroffen ist, dazu führen, daß der Angeklagte – unabhängig vom tatsächlichen Sachverhalt – zu verurteilen ist. Sprich: Sie bringen hier ein emotionales Element ein! (Abg. Mag. Stadler: Sie reden einen unheimlichen Schmarr’n daher!)

Herr Kollege! Das ist absolut nicht verträglich mit unserem Strafrechtssystem, das muß man Ihnen leider Gottes vorhalten! Wenn wir diese Debatte jetzt führen und wenn Sie gleichzeitig sagen, daß Sie dem außergerichtlichen Tatausgleich nicht zustimmen, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, weil Sie meinen, daß Opferschutz vor Täterschutz geht und weil Sie meinen, daß im Entwurf für den außergerichtlichen Tatausgleich vorgesehen ist, daß auch Straftaten mit einem Strafausmaß bis zu fünf Jahren darunter fallen sollen, dann möchte ich Ihnen nur sagen: Sie sollten sich den Entwurf vielleicht wirklich einmal anschauen!

Der Herr Bundesminister hat es vorhin schon ausgeführt: Vorgesehen ist, daß erstens die Schuld des Verdächtigen nicht schwer sein darf und daß zweitens die Bestrafung weder geboten erscheint, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten, noch um der strafbaren Handlung durch andere entgegenzuwirken. Es geht um Spezial- und Generalprävention. Wenn Sie nicht einsehen, daß das eine vernünftige Maßnahme ist – noch dazu, wo ja vorab eine Entschädigung des Opfers durch den Täter stattfinden muß und es erst dann zu diesem Tatausgleich kommen kann –, und wenn Sie nicht der Meinung sind, daß auf diese Weise eine für das Opfer wesentlich günstigere Regelung getroffen worden ist, als sie bis dato besteht, dann kann ich Ihnen leider Gottes nicht helfen!

Ich möchte abschließend noch ganz kurz etwas zum Zivilrecht sagen: Das Übernahmerecht steht derzeit zur Diskussion. Es gibt umfangreiche Vorbringen sowohl der Bundesarbeiterkammer als auch der Bundeswirtschaftskammer dagegen, es gibt erhebliche Einwendungen gegen den derzeitigen Entwurf. – Der Entwurf geht davon aus, daß die Rechte der Minderheitsaktionäre zu stärken sind, was vollkommen zu unterstreichen ist. Der Entwurf sieht weiters ein relativ


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umfangreiches Verfahren vor, von dem derzeit noch nicht gesagt werden kann, ob es tatsächlich dem Ziel entspricht, auf diesem Gebiet relativ rasch Entscheidungen herbeizuführen und damit eine Gefährdung der betroffenen Unternehmen hintanzuhalten.

Weiters entspricht dieser Entwurf im großen und ganzen den derzeitigen Gepflogenheiten, nämlich den Empfehlungen im anglo-amerikanischen Raum, und führt dazu, daß umfangreiche Recherchen im Rahmen einer derartigen Übernahme durchgeführt werden müssen. Die Frage ist schlicht und einfach: Wird in diesem Entwurf auf die Spezifika des österreichischen Marktes Rücksicht genommen, insbesondere auf die Struktur der österreichischen Unternehmen, insbesondere der Familienunternehmen? Oder ist es nicht vielleicht so, daß Übernahmen, wie sie zukünftig vorgesehen sind, hauptsächlich durch ausländische Unternehmen erfolgen können? Ich meine, daß wir darauf besonderes Augenmerk richten müssen!

Ich möchte abschließend den Damen und Herren des Justizministeriums für die gute Zusammenarbeit danken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

20.24

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorerst gilt es festzustellen, daß in den Jahren 1996 und 1997 äußerst wichtige und für die Wirtschaft bedeutende Gesetze beschlossen wurden. Ich möchte diese nur kurz aufzählen: Das Maklergesetz, die Zusammenfassung aller entsprechenden Regelungen, das EU-Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz, mit welchem wir Verbesserungen des Gläubiger- und Aktionärschutzes und die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmungen durch die Gründung und Zulassung von Ein-Personen-GesmbHs vornehmen konnten, das Konsumentenschutzgesetz, das Bauträgervertragsgesetz, ferner einerseits das Insolvenzrechtsänderungsgesetz, mit welchem wir die Konkursordnung verändert und Verfahrensbeschleunigungen durchgeführt haben, andererseits das Unternehmensreorganisationsgesetz, mit welchem wir jene Maßnahmen gesetzt haben, durch die Insolvenzen sobald als möglich erkannt werden können und dort eingegriffen werden kann, wo dies noch möglich ist.

Wesentliches steht uns im Justizbereich auch in nächster Zeit bevor: Ich denke da etwa an das Übernahmegesetz, dessen wesentlichster Punkt sicherlich der Schutz der Minderheitsaktionäre sein wird. Ich möchte aber mit Nachdruck bereits jetzt davor warnen, es zu einer Überreglementierung kommen zu lassen. Herr Minister! Wir müssen die Eigentumsrechte der Aktionäre und der Besitzer auch größerer Positionen berücksichtigen! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun komme ich von den Gesetzen zu den Einrichtungen der Justiz. Herr Minister! Ich komme natürlich wieder auf die Bezirksgerichte zu sprechen. Wenn ich mir das Budget anschaue, zu den Personalausgaben den Ansatz 1/30200, zu den Anlagen den Ansatz 1/30203 und zu den Aufwendungen den Ansatz 1/30207, bei denen überall ein Anstieg festzustellen ist, könnte ich eigentlich zu dem Schluß kommen, daß es nicht zu einer Verminderung der Bezirksgerichte kommen wird, da diese Positionen ja eine steigende Tendenz aufweisen.

Ich appelliere ausdrücklich an Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, alles zu tun, um die Bezirksgerichte, deren Bedeutung durch die Strafprozeßordnungsgesetzänderung 1993 gestiegen ist, weiterhin zu erhalten! Nachdem wir heute von der Volksanwaltschaft gehört haben, daß es hier zu Veränderungen kommen sollte, kann ich mir sehr gut vorstellen, daß es neue Streitbeilegungskulturen bei den Bezirksgerichten geben könnte.

Herr Minister! Ich habe es schon einmal gesagt: Nahversorgung im Bereiche der Justiz kann sich nicht auf die Abhaltung von Sprechtagen und eines Verhandlungstags pro Woche beschränken, und Nahversorgung kann sich auch nicht darauf beschränken, daß Grundbuchsauszüge per Computer erstellt werden. Das würde zu einer weiteren Entfremdung zwischen den Bürgern und der Justiz führen. Ich glaube, wir müssen das Vertrauen in die Behörden und in die Verwaltungsstellen erhalten, gerade im Bereiche der ländlichen Bevölkerung!


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96. Sitzung / Seite 129

Zur Gerichtsstruktur in Wien. Herr Bundesminister! Das, was in diesem Bericht geplant ist, wird sicherlich budgetär relativ große Auswirkungen haben. Wie man hört, planen Sie die Schaffung mehrerer Vollgerichtshöfe in Wien, die sowohl für Zivil- als auch für Strafsachen zuständig sind. Sehr verehrter Herr Minister! Ich frage mich: Wer will diese Gerichte? Mir liegen dazu Aussagen des Betriebsausschusses vor, gemäß welchen festgestellt wird, daß sämtliche Richter des Grauen Hauses eine Übersiedelung ablehnen und daß die Richter des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen ihre Unterkunft im Justizpalast nicht gegen den Standort am Ende des Bezirks Landstraße tauschen wollen. Vergleichbare Aussagen liegen vom Oberlandesgericht Wien vor, ebenso von der Oberstaatsanwaltschaft, von der Rechtsanwaltschaft, von den Juristen und von der Polizei. Herr Minister! Ich glaube, es ist höchste Zeit, sich vor der Planung und vor Baubeginn zu überlegen, was man vom politischen Standpunkt aus gesehen haben will.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Umso mehr verwundert es mich, daß von Ihrem Ministerium offensichtlich bereits ein Wettbewerb für die Planung eines Gerichtsgebäudes auf den Schlachthausgründen ausgeschrieben wurde, wie man den Zeitungen entnehmen kann. Handelt es sich hiebei um Profilierungsneurosen und um die Spielwiese irgendwelcher Architekten, oder gibt es dazu konkrete Vorstellungen in Ihrem Haus? Herr Minister! Ich glaube, eine Antwort darauf ist für uns im Hinblick auf die Rechssicherheit wichtig, eine Antwort darauf ist aber auch für die Wirtschaft wichtig! Denn die freie Wirtschaft braucht einen klaren rechtlichen Rahmen einerseits und einen schnellen Zugang zum Recht. Und wenn Recht mit Gerechtigkeit zu tun hat, so muß das für kleine und mittlere Betrieb im ländlichen Raum ebenso wie im städtischen Bereich gelten.

Ich meine, die Justiz darf nicht Klassenjustiz werden, bei welcher es sich die Großen richten können und die Kleinen letzten Endes auf der Strecke bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

20.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist jetzt Frau Abgeordnete Dr. Hlavac gemeldet. 4 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte.

20.30

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Da sich jetzt eine Debatte über die Diversion entsponnen hat, ganz kurz einige Worte dazu: Es handelt sich dabei nicht um eine Entkriminalisierung. Dies zu behaupten, ist eindeutig ein Versuch, die Sache schlechtzumachen. So darf man mit diesem Thema nicht umgehen. Es handelt sich vielmehr um eine neue Form der Reaktion und Sanktion strafrechtlich relevanten Verhaltens. Ich denke, daß das eine Form der Auseinandersetzung ist, die sicherlich nicht für die Schwerkriminalität geeignet ist, aber sonst ein geeignetes und gesellschaftlich wünschenswertes Verfahren darstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade vom Standpunkt des Opfers aus ist es ein Verfahren, das dem Opfer entgegenkommt und seine Bedürfnisse berücksichtigt. Das ist im Strafverfahren sonst nicht der Fall. Darüber ist bereits gesprochen worden. Ich kann mir auch vorstellen, daß man die Opferrechte ausbaut, allerdings immer in Balance zur Unschuldsvermutung und in Balance zu den Verteidigungsrechten des Tatverdächtigen.

Es ist auch für den Täter sinnvoll, daß er sich mit seinem Opfer auseinandersetzt. Ich denke, daß es lehrreich und für den Täter positiv ist, wenn er sich mit der Tat und mit dem Opfer in einer ganz anderen Weise auseinandersetzen muß, als das beim Strafverfahren der Fall ist.

Ich möchte weiters kurz auf die Arbeitsgruppe im Zusammenhang mit der Familienrechtsreform eingehen. Es gibt nach wie vor keine Einigung über die Frage der Verschuldensscheidung. Ich muß zugeben, daß es auch innerhalb unserer Fraktion noch Diskussionen über dieses Thema gibt. Es sind aber einige Reformschritte geplant, die ich sehr begrüße. Der eine betrifft die Frage der Mitwirkung im Betrieb des Ehepartners. Dort soll die Mitwirkungsverpflichtung fallen, und es soll eine leistungsbezogene Entlohnung geben. Ich halte das für einen wirklichen Fortschritt, denn das, was bisher geschehen ist, hat den Interessen der Ehefrauen meist wirklich widersprochen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir alle sind in unserer Praxis immer wieder mit Ehefrauen konfrontiert worden, die ihr Leben lang mitgearbeitet und dafür bestenfalls ein Taschengeld bekommen haben. Bei der Scheidung sind sie dann ohne sozialversicherungsrechtliche Absicherung und auch ohne irgendwelche Ersparnisse dagestanden, obwohl sie ein Leben lang gearbeitet haben. Daher halte ich diesen Reformschritt für besonders wichtig.

Ich möchte außerdem betonen, daß es wichtig wäre, auch auf die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte zu achten. Wir bemühen uns jetzt, alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen. Ich glaube, daß das auch in diesem Bereich wichtig und notwendig wäre.

Abschließend möchte ich über die im Scheidungsverfahren auftretende Frage der Mitwirkung im Haushalt folgendes sagen: Wir haben bis jetzt geglaubt, daß die Regelungen ausreichen, welche die Partnerschaft bei der Erwerbsarbeit, aber auch bei der Hausarbeit vorsehen. Nunmehr liegen aber Entscheidungen eines Senates des Obersten Gerichtshofes vor, die uns zeigen, daß es notwendig ist, diese Regelungen zu verdeutlichen. Auch das ist vorgesehen, und ich halte das für sehr wichtig. (Abg. Steibl: Was?) Denn es ist unser Bestreben, daß Frauen Beruf und Familie vereinbaren können. Dafür ist die Teilung der Hausarbeit ein besonders wichtiges Anliegen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Halbe/halbe – da sieht man ja, was dabei herausgekommen ist!)

20.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.34

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Justizminister! Meine Damen und Herren! Aufgrund der Ausführungen einiger Vorredner ist es notwendig, ein paar Sätze zur Reform der Bezirksgerichte zu sagen. Herr Kollege Trinkl und Herr Kollege Puttinger! Ich möchte Sie dringend ersuchen, sich den Bericht des Rechnungshofes anzusehen, einen Nachtrag zum Tätigkeitsbericht 1995, Zu III-60 der Beilagen, in dem ganz klar gesagt wird, was bei Bezirksgerichten zu geschehen hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Ich lese Ihnen nur den Sukkus vor. Der Rechnungshof sagt: Aufgrund der Auswertung von Kennzahlen zur Leistungsbeurteilung und anderer Daten ermittelte der Rechnungshof Effizienzvorteile größerer Bezirksgerichte. – Jetzt kommt der entscheidende Satz, Herr Kollege Puttinger: Er empfahl deshalb, die derzeit 59 Bezirksgerichtssprengel im Bereich des Oberlandesgerichtes Linz – also Oberösterreich und Salzburg – in 33 Gerichtsstandorte zusammenzufassen.

Das ist das Resultat einer Untersuchung des Rechnungshofes. Ich bitte dringend, das zu studieren. Es hat auch von Ihrem Klubobmann Khol mehrfache ... (Abg. Dr. Puttinger: Es gibt ja auch andere Dinge, nicht nur finanzielle Dinge!) Herr Kollege Puttinger! Es hat von ihm mehrfache Zusagen gegeben, dieser Reform zuzustimmen. Die oberösterreichischen Wahlen sind vorbei. Ich glaube, daß man dieses Thema jetzt in aller Ruhe noch einmal diskutieren sollte und müßte.

Wie Sie wissen, geht es um eine anachronistische Bestimmung aus dem Jahre 1920, derzufolge die Landesregierungen "zustimmen" müssen. Das gehört in "anhören" umgeändert. Sie wissen bestimmt auch, daß die Zusammenlegung von Kleinstbezirksgerichten nur dort vorgesehen ist, wo weniger als eine Richterplanstelle systemisiert ist oder wo die Entfernungen zueinander sehr knapp sind. (Abg. Dr. Puttinger: Daß die Leute 30 Kilometer fahren müssen, ist uninteressant?)

Ich sehe schon, es ist relativ erfolglos, das heute mit Ihnen auszudiskutieren. Eine letzte Bemerkung möchte ich hinzufügen und Ihnen mitteilen, was der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz gesagt hat. Ich bedauere, daß der Steirer Trinkl das jetzt nicht hören kann. (Abg. Steibl: Ich sage es ihm, keine Angst!) Sein Oberlandesgerichtspräsident sagt in einem Brief vom 28. Oktober 1997 folgendes ... (Abg. Fink: Wie viele Gerichte sperren wir in der Steiermark zu?) Folgendes sagt unser Oberlandesgerichtspräsident aus Graz, der zuständig ist für die Steiermark, Herr Kollege! Er sagt: Die Zusammenlegung ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Fink. )


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Hören Sie zu, was der oberste Zuständige im Gerichtsbereich für Steiermark und Kärnten sagt: Die Zusammenlegung der Kleinstgerichte erweist sich daher nicht nur als ein unabdingbares betriebswirtschaftliches Gebot zwecks Ermöglichung einer rationalen Personalverwaltung, sondern ist auch unabdingbare Voraussetzung dafür, daß die Justiz weiterhin in der Lage ist, ihrem verfassungsmäßigen Auftrag gegenüber der Bevölkerung entsprechen zu können. (Abg. Fink: Leider hat er sich das vom Kräuter nicht sagen lassen!)

Meine Damen und Herren! All jenen, die populistisch meinen, überholte Strukturen wahren zu müssen, sei folgendes gesagt (Abg. Fink: Kommt darauf an, wo!) : Sie fügen der Bevölkerung Schaden zu – das ist der traurige Aspekt –, aber den Schaden werden Sie politisch letztlich selbst haben. Und das ist der tröstliche Aspekt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.38

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! In den heutigen "Salzburger Nachrichten" ist von "Dissonanzen" in der Justizpolitik die Rede, und Sie werden mit folgenden Sätzen zitiert:

"Die Justiz muß ihre Arbeit verständlicher machen, weil sonst Unverständlichkeiten in der Bevölkerung entstehen können. Es ist notwendig, Maßnahmen zu setzen, die das Vertrauen festigen, und Dinge zu unterlassen, die es beeinträchtigen."

Ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, die Sie dem Kollegen Krüger angeboten haben: Sie im Einzelfall konkret über Unzulänglichkeiten zu informieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine damit konkret einen Salzburger Monsterprozeß: den großen WEB-Strafprozeß. 1989 erfolgte die Anzeige, 1998 wird es voraussichtlich zum ersten Urteil kommen. Ich möchte hier auf die besonderen Probleme gar nicht eingehen: Befangenheit der Sachverständigen und der Richter sowie das Abtauchen des Hauptbeschuldigten und die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft. Ich möchte Sie darüber informieren, daß Akten, nämlich Buchhaltungsunterlagen, vernichtet wurden, sodaß jetzt nicht mehr sicher ist, wie die Interessen der Geschädigten gewahrt werden können.

Es gibt einen weiteren Skandal, an dem die Situation der Geschädigten deutlich wird. Auch die Rechnungsabschlüsse der Serie 4 für 1985 und 1987 waren aus den Gerichtsordnern, die im Landesgericht Salzburg verwahrt wurden, verschwunden. Jetzt aber kommt es: Überdies waren die Buchhaltungsunterlagen der Wohnungseigentum-Bautreuhand Hausanteilscheingesellschaft mbH & Co KG OHG Serie 4 bereits vor Einleitung des Strafverfahrens verschwunden. Sie konnten nicht einmal beschlagnahmt werden.

Die auf EDV gespeicherte Buchhaltung wurde angeblich ebenfalls gelöscht. Die Sachverständigen mußten sich daher für die Erstellung des Gutachtens späterer Rekonstruktionen bedienen. Darüber hinaus – jetzt kommt der nächste Punkt! – verschwanden auch bei dem für die Serie 4 zuständigen Finanzamt im Wien die Unterlagen dieser Gesellschaft vor Beginn des Verfahrens.

Jetzt komme ich zum dritten Punkt, zum Gang des WEB-Strafverfahrens hinsichtlich der gemeinnützigen WEB. Ich frage mich – mit vielen der Geschädigten –, wann endlich die Voruntersuchung gegen die verantwortlichen Organe der gemeinnützigen WEB abgeschlossen sein wird. Das Strafverfahren betreffend die Verantwortlichen in der gemeinnützigen WEB ist noch immer im Stadium der Voruntersuchung. Für 1993 wurde ein Gutachten in Aussicht gestellt. Herr Bundesminister! Dieses Gutachten ist unseres Wissens nie eingetroffen. Wir fragen uns: Aus welchen Gründen wartet die Justiz drei Jahre lang auf ein überfälliges Gutachten?

Was ich damit meine, ist folgendes: Meiner Ansicht nach sind in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Maßnahmen notwendig, damit es zu keiner – ich verwende jetzt Ihre Worte – "Entfremdung" zwischen der Justiz und unserer Bevölkerung kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

20.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser:: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.41

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wegen der knappen Redezeit und aus Solidarität meiner Kollegin gegenüber möchte ich nur kurz drei Punkte erwähnen, die mir wichtig sind.

Zunächst möchte ich auf den Verein für Sachwalterschaft eingehen. Die Sachwalterschaft gibt es seit nunmehr zehn Jahren. Sie hat sich voll bewährt und ist ein ausgezeichnetes Instrumentarium, um geistig behinderten Menschen effizient beizustehen. Es wäre aber nach zehn Jahren an der Zeit, zu überprüfen, ob sich die ursprünglichen Erwartungen und Intentionen des Gesetzgebers erfüllt haben.

Es ist zu fragen, ob es begüterten besachwalteten Personen, deren Vermögensverwaltung sich oft sehr kompliziert gestaltet, nicht zuzumuten wäre, einen gewissen Kostenbeitrag für die Sachwalterschaft beizutragen. Meiner Ansicht nach wäre das dieser Personengruppe finanziell zuzumuten.

Auch wenn die Institution Sachwalterschaft sehr wichtig, wertvoll und notwendig für den Staat und unsere Gemeinschaft ist, sollten einige Entwicklungen hinterfragt werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Immer da, wo es etwas "abzucashen" gibt, sind Sie da!) Ein besonderes Anliegen ist mir verständlicherweise die Lage der RechtspraktikantInnen. Da aber mit Herrn Dr. Ofner ein wirklich sehr prominenter Justizpolitiker schon nahezu ein Plädoyer für die Situation der Rechtspraktikanten und -praktikantinnen abgelegt hat, bleibt mir nur mehr übrig, diese Forderungen zu unterstützen. (Abg. Haigermoser: Sehr gescheit!) Ich hoffe, daß sich die Situation der RechtspraktikantInnen nicht verschlechtert und daß der Appell, das gemeinsam zu machen, nicht ins Leere geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Grund – das ist schon der letzte Punkt – dafür, daß ich diesem Budgetvoranschlag zustimme, ist, daß für die Betreuung von Gefangenen und deren medizinische Versorgung weit mehr aufgewendet wird als im letzten Budget. Es ist meiner Meinung nach äußerst wichtig, daß zum Beispiel Drogenkranke medizinisch gut behandelt und therapiert werden. Nur so ist später eine dauerhafte Integration und auch Resozialisation in die Gesellschaft möglich. Gelingt dies, dann haben sich die Mehrkosten allenfalls rentiert. (Beifall bei der SPÖ.)

20.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Anna Huber. Die Redezeit, die für sie noch verbleibt, beträgt 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.44

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Weil Sie es auch angesprochen haben, möchte ich ganz kurz auf folgendes Problem eingehen: Der Versandhandel in all seinen Facetten nimmt im Konsumverhalten der Verbraucher einen kontinuierlich steigenden Stellenwert ein. Nach den Jahrzehnten des Versandhauskataloges sind jetzt die Shoppingmalls im Cyberspace, ja sogar der virtuelle Greißler – vor allem bei den jüngeren Generationen – der allerletzte Schrei. Die berufstätige Hausfrau von Welt hetzt nach Büroschluß nicht in den Supermarkt, um die Lebensmittel für das Nachtmahl einzukaufen, sondern bestellt per Internet im Büro – und läßt sich dann vom Laufburschen das Einkaufskörberl nach Hause liefern.

In der gesamten Bestellbranche herrscht ob der klingenden Cyberkassen geradezu Aufbruchstimmung, und das Hurra ist nicht allein wegen der Umsatzzahlen sehr laut. Denn der rechtliche Rahmen für das Sofa-Shopping ist derzeit ein nicht allzu fester. In der Europäischen Union wurde im Jänner dieses Jahres die Fernabsatzrichtlinie verabschiedet, die zumindest einen gewissen Schutzstandard bei Geschäftsabschlüssen außerhalb eines Ladens festschreibt. Diese Fernabsatzrichtlinie – Herr Minister, Sie haben das erwähnt – müßte in den nächsten drei Jahren in österreichisches Recht umgesetzt werden. (Abg. Haigermoser  – sich erhebend und


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auf die schriftlichen Unterlagen der Rednerin deutend –: Frau Kollegin! Verlesen Sie das wirklich alles?)

Herr Bundesminister! Meiner Ansicht nach sollte besser heute als morgen ... (Abg. Haigermoser: Verlesen Sie das wirklich alles?) Herr Kollege, nehmen Sie sich etwas zurück! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser.  – Abg. Nürnberger: Haigermoser, setzen Sie sich!)  Es sollte besser heute als morgen eine entsprechende Regelung vorgenommen werden, weil bei Tele-Shopping in all seinen Ausprägungen sehr rascher Handlungsbedarf gegeben ist und wir legistisch einer rasch voranschreitenden Entwicklung nicht hinterherhinken dürfen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

20.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Spezialberichterstatterin wünscht kein Schlußwort. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe V des Bundesvoranschlages 1998. Diese Beratungsgruppe umfaßt das Kapitel 30 des Bundesvoranschlages samt dem dazugehörigen Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 841 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Die Beratungsgruppe V ist mehrheitlich angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Anfragen 3266/J bis 3301/J eingelangt sind.

Weiters ist eine Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen, 20/JPR, an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Mittwoch, den 12. November 1997, um 9 Uhr mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (841 und Zu 841 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen (910 der Beilagen).

Zur Beratung kommen: Beratungsgruppe III: Äußeres; Beratungsgruppe IX: wirtschaftliche Angelegenheiten; Beratungsgruppe IV: Inneres.

In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.49 Uhr