Stenographisches Protokoll

104. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 11. Dezember 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

104. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 11. Dezember 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Dezember 1997: 9.01 – 23.03 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Frauenausbildungsverhältnisgesetz – FrAG und über den Antrag 151/A (E) der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Setzung legistischer und organisatorischer Maßnahmen, um Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer zu ermöglichen

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 451/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 645/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzgeldgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sonderunterstützungsgesetz und das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert werden

6. Punkt: Bericht über den Antrag 315/A der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze für einen Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung

7. Punkt: Bericht über den Antrag 417/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug

8. Punkt: Bericht über den Antrag 491/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit eines Zwischenverdienstes im Arbeitslosenversicherungsgesetz (Teilarbeitslosigkeit)

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit

10. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen


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104. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (Praktikantenabkommen)

12. Punkt: Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll

13. Punkt: Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten

14. Punkt: Artenhandelsgesetz – ArtH


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104. Sitzung / Seite 3

G

15. Punkt: ZDG-Novelle 1997

16. Punkt: Bericht über den Antrag 563/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen

17. Punkt: Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich

18. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Änderungen des am 9. Oktober 1992 in Salzburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn

19. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

20. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

21. Punkt: Bericht über die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997, über den Antrag 181/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 geändert wird, und über den Antrag 193/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 und das Gesetz vom 1. 8. 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozeßordnung) geändert werden

22. Punkt: Bericht über die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997 – UrhG-Nov 1997

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 29

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über Artikel 1 und bei der Abstimmung in dritter Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Frauenausbildungsverhältnisgesetz die Zahl der "für" und "gegen" Stimmenden bekanntzugeben 55

Aktuelle Stunde (20.)

Thema: "NATO-Kurs des Verteidigungsministers – Mißachtung der Verfassung und des Nationalrates"

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 11

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 13, 20

Dr. Alexander Van der Bellen 15

Anton Gaál 16

Dr. Michael Spindelegger 17

Herbert Scheibner 18

Hans Helmut Moser 21

Andreas Wabl 23

Peter Schieder 24

Dr. Karl Maitz 25

Wolfgang Jung 26

Dr. Martina Gredler 27

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Gefährdung der österreichischen Interessen und die Verunsicherung der Bevölkerung in Fragen der Sicherheitspolitik und der Landesverteidigung (3416/J) 90

Begründung: Herbert Scheibner 100

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 105

Debatte:

Wolfgang Jung 115

Hans Helmut Moser (tatsächliche Berichtigung) 118

Peter Schieder 118

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 120

Dr. Karl Maitz 121

Hans Helmut Moser 122

Mag. Doris Kammerlander 125

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 127

Anton Gaál 129

Dr. Michael Spindelegger 130

Andreas Wabl 131

Dr. Harald Ofner 133

Dr. Alfred Gusenbauer 135

Dkfm. DDr. Friedrich König 137

Mag. Johann Ewald Stadler 139

Ing. Gerald Tychtl 139


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104. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Vorlage von Abkommen Österreichs mit NATO und WEU an den Nationalrat – Ablehnung 127, 140

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über die Regierungsvorlage (915 d. B.): Frauenausbildungsverhältnisgesetz – FrAG und über den Antrag 151/A (E) der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Setzung legistischer und organisatorischer Maßnahmen, um Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer zu ermöglichen (1037 d. B.) 29

Redner:

Herbert Scheibner 29

Dr. Karl Maitz 31

Hans Helmut Moser 32

Anton Gaál 35

Mag. Doris Kammerlander 36

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 40

Dr. Gertrude Brinek 42

Ute Apfelbeck 43

Dr. Elisabeth Hlavac 45

Wolfgang Jung 46

Walter Murauer 48

Marianne Hagenhofer 49

Mag. Terezija Stoisits 50

Werner Amon 52

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 53

Maria Rauch-Kallat 54

Annahme des Gesetzentwurfes in 1037 d. B. 56

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen geändert wird (1010 d. B.) 56

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 451/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (1011 d. B.) 56

Redner:

Reinhart Gaugg 56

Rudolf Nürnberger 58

Dr. Volker Kier 60

Ridi Steibl 62

Karl Öllinger 63

Bundesministerin Eleonora Hostasch 64

Sophie Bauer 66

Edith Haller 66

Dr. Gottfried Feurstein 67

Franz Hums 69

Anton Blünegger 70

Dr. Elisabeth Pittermann 71

Annahme des Gesetzentwurfes in 1010 d. B. 72


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104. Sitzung / Seite 5

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1011 d. B. 72

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 645/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzgeldgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (1003 d. B.) 72

5. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sonderunterstützungsgesetz und das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert werden (1012 d. B.) 72

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 315/A der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze für einen Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung (1004 d. B.) 72

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 417/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug (1006 d. B.) 73

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 491/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit eines Zwischenverdienstes im Arbeitslosenversicherungsgesetz (Teilarbeitslosigkeit) (1005 d. B.) 73

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (859 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit (1007 d. B.) 73

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (902 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen (1008 d. B.) 73

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (903 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (Praktikantenabkommen) (1009 d. B.) 73

Redner:

Reinhart Gaugg 73

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) 75

Annemarie Reitsamer 75

Dr. Volker Kier 77

Edeltraud Gatterer 79

Karl Öllinger 80

Mag. Walter Guggenberger 83

Edith Haller 83

Bundesministerin Eleonora Hostasch 85

Dr. Sonja Moser 87

Dr. Martina Gredler 88

Heidrun Silhavy 141

Sigisbert Dolinschek 141

Karl Donabauer 143


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104. Sitzung / Seite 6

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 144

Winfried Seidinger 144

Annahme der Gesetzentwürfe in 1003 und 1012 d. B. 146, 147

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1003 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Fortbezugsfrist (E 97) 146

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1004, 1006 und 1005 d. B. 147

Genehmigung der Staatsverträge in 1007, 1008 und 1009 d. B. 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Schaffung einer "ewigen Anwartschaft" in der Arbeitslosenversicherung – Ablehnung 85, 146

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (860 d. B.): Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll (967 d. B.) 147

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (945 d. B.): Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten (968 d. B.) 147

Redner:

Dr. Martina Gredler 148

Genehmigung der Staatsverträge in 967 und 968 d. B. 149

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 149

14. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (839 d. B.): Artenhandelsgesetz – ArtHG (1030 d. B.) 149

Redner:

Ingrid Tichy-Schreder 149

Ludmilla Parfuss 150

Dr. Stefan Salzl 150

Annahme des Gesetzentwurfes in 1030 d. B. 151

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (888 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (ZDG-Novelle 1997) (986 d. B.) 151

Redner:

Herbert Scheibner 152, 161

Helmut Dietachmayr 153

Theresia Haidlmayr 154

Karl Freund 155

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 156

Hans Helmut Moser 157

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 159

Emmerich Schwemlein 160

Dr. Karl Maitz 161


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104. Sitzung / Seite 7

Annahme des Gesetzentwurfes in 986 d. B. 16
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104. Sitzung / Seite 8

2

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend gleiche Höhe der Vergütung der Zivildiensteinrichtungen an den Bund – Ablehnung 155, 162

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 563/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen (985 d. B.) 162


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104. Sitzung / Seite 9

Redner:

Dr. Irmtraut Karlsson 163

Werner Amon 163

Dr. Helene Partik-Pablé 164

Hans Helmut Moser 164

Mag. Terezija Stoisits 165

Annahme des Gesetzentwurfes in 985 d. B. 166

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (767 d. B.): Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich (984 d. B.) 166

Redner:

Franz Lafer 166

Anton Leikam 168

Hans Helmut Moser 169

Günther Platter 170

Mag. Terezija Stoisits 172

Dr. Franz Löschnak 173

Dr. Helene Partik-Pablé 174

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 176

Walter Murauer 178

Dr. Volker Kier 179

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 182

Genehmigung des Staatsvertrages in 984 d. B. 184

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 184

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (895 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Änderungen des am 9. Oktober 1992 in Salzburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn (987 d. B.) 184

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (343 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (982 d. B.) 184

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (557 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (983 d. B.) 184

Redner:

Matthias Achs 184

Paul Kiss 186

Dr. Helene Partik-Pablé 187

Karl Freund 188

Ludmilla Parfuss 189

Franz Lafer 190

Genehmigung der Staatsverträge in 987, 982 und 983 d. B. 190, 191

21. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (898 d. B.): Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997, über den Antrag 181/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 geändert wird, und über den Antrag 193/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 und das Gesetz vom 1. 8. 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozeßordnung) geändert werden (1002 d. B.) 191

Redner:

Dr. Harald Ofner 191

Dr. Willi Fuhrmann 194

Mag. Terezija Stoisits 195

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 196

Dr. Michael Krüger 197

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 199

Dr. Johannes Jarolim 202

Dr. Walter Schwimmer 203

Mag. Johann Maier 204

Mag. Dr. Josef Trinkl 205

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 205

Maria Rauch-Kallat 206

Annahme des Gesetzentwurfes in 1002 d. B. 207

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1002 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Vorlage eines Berichtes über die in den Jahren 1998 bis 2000 zu beobachtenden durchschnittlichen Anfallszahlen an ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmitteln und die daraus resultierenden Belastungen beim Obersten Gerichtshof sowie der an die Oberlandesgerichte und Landesgerichte gerichteten Anträge auf Änderung der Aussprüche über die Zulassung einer Revision oder eines Revisionsrekurses (E 98) 207

Entschließungsantrag der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Heinz Gradwohl und Genossen betreffend "Gentechnikhaftung" – Annahme (E 99) 206, 207

22. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (883 d. B.): Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997 – UrhG-Nov 1997 (1001 d. B.) 207

Redner:

Franz Morak 207

Dr. Elisabeth Hlavac 208

Dr. Michael Krüger 208

Mag. Terezija Stoisits 210

Annahme des Gesetzentwurfes in 1001 d. B. 211

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 28

1032: Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird

Anträge der Abgeordneten

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch, DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (652/A)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen zum Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG) (653/A)

Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (654/A)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (655/A)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Novelle zum Waffengesetz (656/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Gefährdung der österreichischen Interessen und die Verunsicherung der Bevölkerung in Fragen der Sicherheitspolitik und der Landesverteidigung (3416/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bundesmaßnahmen zur Förderung der touristischen Infrastruktur (3417/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Datenschutz in den öffentlich zugänglichen Informationseinrichtungen der Arbeiterkammer (3418/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Bett des Prokrustes" beziehungsweise Ungereimtheiten im BGBl. I Nr. 120 in Zusammenhang mit BGBl. II Nr. 322 und Nr. 321 (3419/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Aufgaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten (3420/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend linksextremistische Bestrebungen des sogenannten Antifaschistischen Komitees "(AK)/Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE) (3421/J)


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104. Sitzung / Seite 10

Mares Rossmann und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Stempel für Schweine (3422/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend eine gegen das Bundesvergabegesetz verstoßende Auftragsvergabe durch die Bundesimmobiliengesellschaft (3423/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die geplante Auflösung des Salzburger Traditionsregiments Rainer (3424/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Vorschlagsrecht der Bundesregierung für durch Österreicherinnen und Österreicher zu besetzende hohe Positionen in internationalen Organisationen (3425/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Luftverschmutzung durch Dieselfahrzeuge (3426/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Validität von verkehrspsychologischen Tests (3427/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vorschlagsrecht der Bundesregierung für durch Österreicherinnen und Österreicher zu besetzende hohe Positionen in internationalen Organisationen (3428/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend den skandalösen Entzug der Prüfungsvollmacht an der Pilosophisch-theol. Hochschule Heiligenkreuz durch den Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien (3429/J)


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104. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie zur 104. Sitzung des Nationalrates sehr herzlich begrüßen, die ich hiermit eröffne.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Schweitzer, Kopf und Dipl.-Ing. Kummerer; wahrscheinlich auch Frau Abgeordnete Langthaler, weil ich sie soeben noch im Radio gehört habe – aus Kyoto.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"NATO-Kurs des Verteidigungsministers – Mißachtung der Verfassung und des Nationalrates"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Begründung ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.02

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Seit geraumer Zeit vollzieht sich im nach der Verfassung immerwährend neutralen Österreich ganz heimlich eine sehr unheimliche Entwicklung; eine Entwicklung, die darauf abzielt, eine tragende Bestimmung unserer Verfassung, nämlich die selbstgewählte und international bestätigte Verpflichtung Österreichs, immerwährend neutral zu sein, sich aus bewaffneten Konfliktfällen herauszuhalten, ja mehr noch: aktiv dafür Sorge zu tragen, daß Konflikte entschärft werden, bevor sie mit Waffengewalt ausbrechen, nach und nach abzuschwächen, zu verniedlichen, zu verharmlosen, für obsolet zu erklären. Unheimlich daran ist, daß jene Partei, die diese Entwicklung zuerst noch etwas verdeckt vorangetrieben hat, mittlerweile ganz offen am Bruch der Verfassung arbeitet und daß der größere Regierungspartner, die sozialdemokratische Fraktion, diesem Treiben überhaupt nichts mehr in den Weg stellt.

Meine Damen und Herren! Es steht heute in der Folge im Hohen Haus das Gesetz zur Ausbildung von Frauen im Heer zur Beschlußfassung an. Ich weiß, daß viele in der sozialdemokratischen Fraktion, vor allem die weiblichen Abgeordneten, dieses Gesetz immer für Unfug gehalten haben. (Abg. Mag. Posch: Nicht nur Frauen!)  – Nicht nur die Frauen. Ja, Herr Abgeordneter Posch! Aber ein Gesetz für Unfug zu halten und es trotzdem zu beschließen, ist eine Vorgangsweise, die wirklich traurig ist.

Herr Abgeordneter Posch! In diesem Gesetz über die Ausbildung von Frauen im Heer – und das ist der aktuelle Anlaß dieser Aktuellen Stunde – ist vor allem mehr enthalten als nur, daß die Frauen jetzt damit – unter Anführungszeichen – "beglückt" werden, daß sie zum Heer dürfen, ist mehr enthalten als nur, daß wir nicht mehr über die vielen Diskriminierungen von Frauen in ökonomischer Hinsicht, was ihre Berufschancen betrifft, reden, daß wir nicht darüber reden, wie wir das Frauen-Volksbegehren raschest umsetzen in diesem Haus – es ist mehr enthalten: ein weiterer Schritt, den der Herr Bundesminister sehr geschickt eingefädelt hat und dem die SPÖ nichts mehr in den Weg stellt.

Bisher waren die Ziele der Landesverteidigung relativ klar umrissen. Über das Hintertürl dieses Gesetzes zur Ausbildung von Frauen im Heer kommt jetzt aber eine neue Aufgabe für die Landesverteidigung, nämlich: Hilfeleistung im Ausland bei Maßnahmen der Friedenssicherung.


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104. Sitzung / Seite 12

Diese Hilfeleistung bei Maßnahmen der Friedenssicherung ist dann nicht mehr – wie das bisher der Fall war, etwa durch das Entsendegesetz – eingeschränkt auf die Teilnahme Österreichs an Aktionen im Rahmen von internationalen Organisationen, im Rahmen der UNO, ist nicht mehr eingeschränkt auf rein defensive Aufgaben der Friedenserhaltung, nein, die jetzt über das Hintertürl der Frauen im Heer eingeführte neue Aufgabe kann bereits eine Offensivaufgabe sein! Man ermöglicht Einsätze österreichischer Heeresangehöriger im Ausland! – Wer die anderen Abkommen, die an diesem Haus vorbeigeschwindelt worden sind, kennt, der weiß, was das bedeuten kann.

Auf Betreiben des Herrn Bundesministers und auch des Außenministers wurde die sicherheitspolitische Verfassung Österreichs und damit auch die Verfassung in der Realität wesentlich verändert. Österreich ist bereits Mitglied im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat, im Euro-Atlantischen Partnerschafts-Militärausschuß, in diversen Untergruppierungen der NATO, aber bisher wurde der Rahmenvertrag mit der NATO über die sogenannte "Partnerschaft für den Frieden" diesem Haus, diesem Parlament und damit der Volksvertretung einfach verweigert.

Meine Damen und Herren! Die ÖVP hat sich immer stark gemacht, wenn die Grünen – was sie immer getan haben und nach wie vor auch tun – für Abrüstung eingetreten sind, für Entmilitarisierung in Österreich, aber auch international. Da haben Sie von der ÖVP verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet, da haben Sie immer reklamiert, daß die bewaffnete Landesverteidigung ein wesentlicher Teil einer umfassenden Landesverteidigung sei. Die Grünen haben Ihnen immer entgegengehalten, daß die heutigen Bedrohungen – wir wissen das – anders aussehen. Wir sind nicht durch den Einmarsch irgendeiner Armee bedroht, aber wir sind bedroht – vielfach bedroht! – in ökologischer Hinsicht, durch Kernkraftwerke und durch andere Umweltgefahren. Wir sind bedroht durch die wachsenden sozialen Spannungen. Wir sind bedroht durch Nationalitätenkonflikte. – All das sind Umstände, die Sie nicht mit Panzern und nicht mit Schießgewehren bekämpfen können, sondern wo Verhandlungsgeschick, Einfühlungsvermögen und eben eine neutrale Position zwischen den Fronten notwendig wären.

Meine Damen und Herren! Sie strapazieren hier immer wieder das Bild vom "Verfassungsbogen". Es scheint jedoch, Herr Klubmann Khol, daß dieser Bogen etwas sehr Biegsames geworden ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben immer die Gefährdung der Verfassung durch die Grünen hervorgehoben. Ich, meine Damen und Herren, sehe eine andere Gefahr für die Verfassung, ich sehe die Gefahr nämlich in Ihrer Fraktion, in diesem Bundesminister. Ich sehe die Gefahr darin, daß dieses Parlament bei jedem neuen Abkommen umgangen wird, daß wesentliche Dokumente diesem Haus überhaupt nicht mehr vorgelegt werden.

In den "Salzburger Nachrichten" etwa war vor wenigen Tagen zu lesen: Husch, husch, unauffällig hinein in die NATO. Wettlauf von Fasslabend und Schüssel um den "Mister NATO". Und einmal mehr: die SPÖ unter Druck einer maroden Rüstungsindustrie. – Ich denke, das beschreibt den Zustand treffend.

Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, haben wesentliche Ressorts, die für das Ansehen Österreichs im Ausland prägenden Charakter haben, einfach preisgegeben. Sie haben das Außenressort und das Verteidigungsressort der ÖVP überlassen und schauen zu, wie diese Neutralität scheibchenweise abgebaut, demontiert, verächtlich gemacht wird.

Meine Damen und Herren! Heute soll ein weiterer Schritt erfolgen, um offensive Einsätze österreichischer Soldaten im Ausland zu ermöglichen. Ich frage Sie: Was wird noch passieren? Was muß noch passieren, damit Sie dieses Hohe Haus endlich einmal ernst nehmen, damit Sie endlich einmal bereit sind, über die Frage der Landesverteidigung und das, was mit dieser Verfassung noch im Einklang steht, hier zu diskutieren? Wann wird es endlich eine Stimme von seiten der Sozialdemokratie geben, die dieser scheibchenweisen Abschaffung der Neutralität Einhalt gebietet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es gab einmal das Motto – dem hat sich vor allem die Sozialdemokratie verpflichtet gefühlt –: "Schwerter zu Pflugscharen".


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Mittlerweile, in Zeiten der Gentechnik und der Abschaffung der bäuerlichen Produktion (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident!), scheinen sich beide Regierungsparteien darauf einzuschwören (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), daß Pflugscharen zu Schwertern gemacht werden sollen. Wir machen dabei nicht mit! (Beifall bei den Grünen.)

9.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme gelangt der Herr Bundesminister zu Wort. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

9.13

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Aktuelle Stunde befaßt sich mit der Sicherheit Österreichs, auch mit der Vorgangsweise, die die Republik Österreich in den letzten Jahren zu diesem Thema gewählt hat. Ich sage "Vorgangsweise ... gewählt hat", weil es nach dem Ende des Kalten Krieges zweifellos notwendig war (Abg. Wabl: Wer hat sie gewählt? Sie oder die Regierung?), andere Maßnahmen einzuleiten, um in Zukunft aufgrund der veränderten Situation, die eine völlige Änderung der strategischen Verhältnisse in Europa gebracht hat, richtig reagieren zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Selbstverständlich bedeutet das auch, daß neue Formen notwendig sind. Und eine dieser neuen Formen ist, daß nicht mehr Militärblöcke gegeneinander antreten, sondern daß es zum ersten Mal in der Geschichte unseres Kontinents möglich ist, auf der Basis von Kooperation und Integration Konflikte von vornherein zu vermeiden.

Wir alle wissen, daß die Pakt-Auseinandersetzung der Vergangenheit angehört, wir wissen aber auch, daß neue Gefährdungen vorhanden sind. Es ist ja durchaus so, daß die Situation im Zusammenhang mit Exjugoslawien, als die Krise damals ausgebrochen ist (Abg. Wabl: Das war die eigene Armee!), auch von der grünen Fraktion anders beurteilt wurde, als es offensichtlich jetzt in dieser Stunde der Fall ist.

Ich erinnere mich noch gut an Äußerungen von Klubobfrau Petrovic, in denen sie sich dafür ausgesprochen hat, daß es einen Einsatz gibt. Auch Abgeordneter Pilz hat einen Einsatz gefordert. Und Alexander Van der Bellen hat gesagt: Die NATO-Präsenz, die militärische Präsenz in Bosnien ist in der derzeitigen Situation das Beste, was es für dieses Land gibt. Das bedeutet nicht, daß das etwas Gutes sei, sondern lediglich, daß es in der derzeitigen Situation nichts Besseres anzubieten gibt. Und das ist eine Tatsache.

Tatsache ist, daß die NATO offensichtlich das effizienteste Instrument ist, um eine Krise wirksam zu bekämpfen. Wir müssen davon ausgehen, daß auf dem Balkan heute wahrscheinlich noch immer gekämpft würde, wenn es diesen Einsatz nicht gegeben hätte. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Warum keine UNO-Aufwertung? Warum keine KSZE-Aufwertung?)

Selbstverständlich sind auch wir, sind alle Staaten Europas aufgerufen, an dieser Friedensmission teilzunehmen und durch Kooperation zu verhindern, daß überhaupt Konflikte entstehen, beziehungsweise dann, wenn eine Krise nicht vermieden werden kann, sie von Anfang an wirksam zu bekämpfen. Daher wurde im Rahmen der NATO auch die NATO-"Partnerschaft für den Frieden" entwickelt; ein Instrument, an dem alle Staaten Europas teilnehmen. Selbst die Schweiz, die nicht einmal Mitglied der Vereinten Nationen ist, ist Mitglied der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" und nimmt aktiv daran teil, was vielleicht noch deutlicher als viele andere Beispiele zeigt, wie wirksam und notwendig diese Institution für den Friedensprozeß in Europa geworden ist.

Wir haben diesen Umstellungsprozeß selbstverständlich nicht einfach hingenommen, sondern ich selbst und viele meiner Regierungskollegen haben darauf gedrängt, daß wir die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen für die neue Situation schaffen. Wir haben das in diesem Jahr durch das Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland gemacht. Es handelt sich dabei um ein Verfassungsgesetz, das in diesem Hause mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde und das sich ausdrücklich darauf bezieht, daß auch die Teilnahme an den im Ausland stattfindenden Übun


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gen und Ausbildungsvorhaben im Rahmen der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" geregelt wird.

In diesem Gesetz gibt es ganz eindeutige Regelungen, die besagen, was die Bundesregierung zu beschließen hat, was dem Hauptausschuß des Nationalrates mitzuteilen ist, worüber er zu informieren ist, was der Bundesminister in einer bestimmten Situation allein entscheiden soll, inwieweit die Freiwilligkeit das alleinige und ausschlaggebende Prinzip ist und inwieweit derartige Verfahren abgewickelt werden sollen. (Abg. Wabl: Wieso leiten Sie die Verträge nicht dem Parlament zu, Herr Bundesminister?) Das wird auch nicht in irgendeiner Form verheimlicht, sondern es wird ganz klar festgestellt, daß dieses Gesetz, wie es hier heißt, keine zusätzlichen Beistandspflichten Österreichs begründet. Auch das ist festgehalten, und jegliche andere Interpretation ist eine ganz individuelle Interpretation, die mit der Mehrheitsmeinung dieses Hauses, des Nationalrates, und auch der Bundesregierung in keinem Zusammenhang steht! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic. )

Selbstverständlich versuchen wir, alle Möglichkeiten zu nützen, um nicht nur gesetzeskonform, sondern auch darüber hinaus zu unterrichten. Erst vor einer Woche war ich im Hauptausschuß des Nationalrates und habe das gesamte Übungsprogramm des nächsten Jahres, das wir gemeinsam in der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" erarbeitet haben, präsentiert und mit Ihnen besprochen und darüber diskutiert. (Abg. Wabl: Und wann haben Sie es im Ausland unterschrieben?) Ich habe auch freiwillig über das Übungsprogramm, das es schon vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gegeben hat, berichtet, weil ich es für absolut richtig halte, daß Informationen, die vorhanden sind, auch den Abgeordneten dieses Hauses zur Verfügung stehen sollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie "geheim" das Ganze ist – wie Sie, Frau Abgeordnete, gemeint haben –, möchte ich durch folgendes zeigen: Bereits seit September dieses Jahres gibt es Kommentare (der Redner hält eine Broschüre in die Höhe), in denen alle Dokumente einzeln angeführt sind. Alle Dokumente, die beschlossen worden sind, die im Rahmen der Bundesregierung beziehungsweise vom Außenminister übergeben worden sind, die in irgendeiner Form darauf Bezug nehmen, sind bereits entsprechend veröffentlicht. Das heißt, diese Dokumente sind nicht nur diesem Haus, sondern allen in Österreich, ja darüber hinaus auch international zugängig.

Wir haben also sicher eine Linie gewählt, die darauf abzielt, den Frieden in Europa zu sichern, und das Beispiel Albanien hat sehr deutlich gezeigt, daß das notwendig ist. Daß man die Gefährdungen nicht unterschätzen soll, möchte ich anhand des folgenden Beispiels noch aufzeigen.

Ich war vor zirka 14 Tagen bei einer UN-Konferenz in New York und habe mich dort mit unseren österreichischen Experten, die am Überprüfungsprozeß im Irak teilnehmen, über das mögliche Ausmaß von Gefährdungen unterhalten. Das, was sie mir berichtet haben, hat mir schon einigermaßen Sorge bereitet. Festzustellen ist, daß es ein Gefahrenpotential, daß es Giftstoffe im biologischen und im chemischen Bereich gibt und auch dazugehörige Waffenträgersysteme, Raketensysteme, die bis zu uns reichen, sodaß wir uns nicht zu sicher fühlen sollten. Wir sollten auch daran denken, wie wir einer derartigen Gefahr allenfalls begegnen können.

Sie kennen meine Ansicht dazu. Ich glaube nicht, daß wir es uns leisten können, das auf Dauer ganz allein durchzuführen, sondern meine, daß der Schutz einer Gemeinschaft zweifellos ein zusätzlicher Schutz für unser Land und für die Sicherheit unserer Bürger ist (Abg. Dr. Petrovic: Wovor? Vor Temelin, vor Krško?), den man sich in Zukunft sehr gut überlegen muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus meiner Sicht gehört es mit zur Verantwortung meines Ressorts, darüber hinaus aber auch der gesamten Bundesregierung, nicht nur von einem Tag auf den anderen zu denken, sondern Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um die Sicherheit unserer Bürger bestmöglich zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Sie können sich dessen sicher sein: Wir werden es nicht nur anstreben, sondern alles daransetzen, innerhalb der Bundesregierung diesbezüglich gemeinsam vorzugehen, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen und damit die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß Österreich bei diesem Prozeß nicht nur mitreden kann (Abg. Scheibner: Wann wird das sein, Herr Minister? Das kündigen Sie schon seit Jahren an!), sondern insbesondere auch über eine organisatorische Möglichkeit verfügt, damit für Österreich im Rahmen dieses Prozesses ein Höchstmaß an Sicherheit und auch ein Höchstmaß an Kostengünstigkeit erreicht wird. Dafür werde ich mich voll und ganz einsetzen! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Gaál. )

9.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Danke für die Stellungnahme.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Die Redezeiten betragen einheitlich 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.22

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! 5 Minuten sind kurz.

Herr Minister Fasslabend! Sie haben zu Recht auf die völlig veränderte Situation, Sie meinten damit wohl Osteuropa, den Zusammenbruch des Warschauer Paktes, hingewiesen. Und was ist die Konsequenz daraus? – Sie beziehungsweise die ÖVP und Teile der FPÖ, nehme ich an, oder die gesamte FPÖ fühlen sich durch die NATO-Umklammerung, die Österreich bevorsteht, anscheinend stärker gefährdet als durch die Umklammerung durch den Warschauer Pakt.

Ich verstehe in dieser Beziehung die Welt nicht mehr, muß ich sagen. Ich hatte immer gedacht, das seien unsere besten Freunde, nämlich die USA, Deutschland, Frankreich, Italien und so weiter. Ihrer Meinung nach tritt aber durch die Osterweiterung der NATO offensichtlich ein größeres Gefährdungspotential für Österreich auf, und deswegen sollten wir diesem Klub jetzt beitreten.

Herr Minister Fasslabend! Weil Sie mich in dieser Angelegenheit persönlich zitiert haben: Meine damalige Äußerung bezog sich auf die extreme Krisensituation in Bosnien, auf nichts anderes! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Frage, ob die NATO an sich eine sinnvolle Organisation ist, ob es an sich sinnvoll ist, daß Länder wie beispielsweise Deutschland in der NATO integriert sind, ist nicht nur europapolitisch, sondern geradezu weltpolitisch wichtig, hat aber nichts, aber schon gar nichts damit zu tun, ob Österreich diesem Verein beizutreten hat oder nicht. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Ich bin völlig außerstande, zu sehen, worin hier der wesentliche friedenspolitische Beitrag liegen soll. Sie haben ihn auch mit keinem Wort erläutert, Herr Minister.

Die Frage ist doch: Wenn Sie schon 10 Milliarden Schilling mehr ausgeben wollen – darauf komme ich noch zurück, wenn die Zeit reicht –, wodurch werden dann diese friedenspolitischen Ziele eher erreicht, durch den NATO-Beitritt Österreichs, eines bekannten, auch berühmten Zwergstaates innerhalb Zentraleuropas, oder durch die Osterweiterung der EU? Ist der wesentliche friedenspolitische Beitrag, den wir in den nächsten Jahren leisten können, nicht die Osterweiterung der EU, die Gewährleistung einer Perspektive für die Menschen, die dort leben, und der damit einhergehende Abbau des Drucks in Richtung Migration, Emigration der Menschen in diesen Staaten? – Das ist ein friedenspolitischer Beitrag, aber nicht der Beitritt zur NATO, auf dem Sie letztlich nur deshalb beharren, weil Ihnen in den letzten Jahren in der Außenpolitik nichts, aber auch schon gar nichts eingefallen ist. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Wenn man unfähig ist, das Konzept der Neutralität, das in den siebziger Jahren etwas war, das gelebt hat, mit Inhalt zu erfüllen, dann bleibt einem natürlich nichts anderes übrig, als diesem militärpolitischen Klub beizutreten.


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Herr Minister Fasslabend! Es ist Ihnen offensichtlich die Meinung, daß Österreich der NATO beitreten soll, nicht zu nehmen, aber arbeiten Sie wenigstens nicht mit falschen Zahlen. In einer APA-Aussendung vom 4. Dezember heißt es, daß Sie die NATO-Beitrittskosten mit einem Mehr von 22 Millionen Schilling beziffern. – NATO-Beitrittskosten mit einem Mehr von 22 Millionen Schilling für Österreich?! (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist nicht viel!) Machen Sie sich damit nicht lächerlich? Das ist der Beitrag für die Kaffeekasse für die Teilnahme an Sitzungen innerhalb der NATO-Staaten, aber nicht die Erhöhung der Gesamtkosten aufgrund veränderter Militärausgaben.

Es bleibt das Problem, daß der Durchschnitt der NATO-Staaten bei 2,4 Prozent des BIP liegt, und das wäre für Österreich ein Mehr von 1,5 Prozentpunkten, nach Adam Riese ungefähr 40 Milliarden Schilling pro Jahr mehr. Selbst wenn Sie an der Untergrenze blieben wie Dänemark und Belgien, würde das ungefähr eine Verdoppelung des Militärhaushaltes bedeuten, das heißt: 20 Milliarden Schilling mehr.

Finnland zum Beispiel, das tatsächlich eine gemeinsame Außengrenze mit Rußland hat, eine Kriegsgeschichte, die erst 50 oder 60 Jahre zurückliegt, sieht in seinem Budgetprogramm vor, daß die Ausgaben für das Militär um rund die Hälfte zurückgehen und sich dann in etwa auf österreichischer Höhe bewegen werden. – Das ist die Einschätzung des Risikos durch einen Staat, der tatsächlich mehr Grund hat als Österreich, sich Sorgen zu machen. Aber Österreich muß sich anscheinend gegen Angriffe durch die Slowakei oder Slowenien schützen, denn das sind die Staaten, die derzeit noch nicht bei der NATO-Osterweiterung dabei sind. Gegen diese "Gefährdung" müssen wir uns durch einen NATO-Beitritt schützen. – Ich halte das für Irrsinn. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei den Grünen.)

9.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Gleiche Redezeit.

9.28

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bei allem Verständnis für die oppositionelle Sichtweise empfinde ich es doch als etwas übertrieben, wenn Sie dem Herrn Verteidigungsminister in diesem Zusammenhang ein Abgehen von der Neutralität, eine Geheimpolitik oder gar eine Mißachtung der Verfassung vorwerfen. (Abg. Wabl: Das ist aber Kostelka-Originalzitat!)

Herr Bundesminister! Ich möchte Ihren Erklärungen im Ausschuß glauben, wo Sie gesagt haben, daß es Verträge zwischen dem Bundesheer und der NATO, von denen das Parlament nichts weiß, nicht gibt, daß es sich hiebei lediglich um Ressortübereinkommen handelt. Aber dennoch darf ich festhalten, Herr Bundesminister, daß Ihre ständigen Forderungen nach einem NATO-Beitritt einer effizienten und glaubwürdigen Sicherheitspolitik doch etwas abträglich sind. (Beifall des Abg. Mag. Posch. ) Ihre Vorgangsweise und auch Ihr Verhalten erzeugen Mißstimmung, ja sogar Mißtrauen, daher darf man sich nicht wundern, wenn es zu Situationen wie der heutigen kommt.

Ich darf in aller Klarheit festhalten, daß es nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten im Optionenbericht, der bis spätestens Ende März vorliegen muß und den wir im Parlament sehr ausführlich diskutieren werden, keine Entscheidung für einen NATO-Beitritt geben wird (Beifall bei der SPÖ), denn für eine Entscheidung über eine Teilnahme an einem Militärbündnis besteht unseres Erachtens derzeit kein Anlaß und keine Notwendigkeit. Ein militärischer Angriff auf Österreich ist nicht zu erwarten und keine ernstzunehmende sicherheitspolitische Analyse gibt einen Hinweis darauf, daß von irgendeiner Seite in Richtung Österreich eine militärische Aggressionsabsicht besteht.

Für die europäische Sicherheitspolitik wird die NATO natürlich eine sehr wichtige Rolle spielen. Es wird ein hohes Maß an Solidarität und Sicherheit bringen, wenn NATO-Staaten und Nichtmitglieder der NATO im Rahmen der OSZE, der "Partnerschaft für den Frieden" und durch andere Formen der Zusammenarbeit ein Maximum an Vertrauen aufbauen können und so ein enges Netzwerk von Kooperation einen Sicherheitsmechanismus gewährleistet, der weit über die Möglichkeit einer rein militärischen Beistandsverpflichtung hinausgeht.


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Was unser Verhältnis zur NATO betrifft, so halte ich persönlich es für den richtigen Weg, die Zusammenarbeit mit der NATO im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" zu intensivieren, weiter auszubauen und dabei die Möglichkeit der Partnerschaft voll auszuschöpfen. Wir sind auch bereit, an gemeinsamen Aktionen solidarisch teilzunehmen, ohne selbst Garantien einzufordern. Wir wollen uns ja das Recht vorbehalten, in jedem einzelnen Fall zu entscheiden, ob wir an einer militärischen Operation teilnehmen wollen oder nicht. Denn vorrangiges Ziel muß es sein, an einer gesamteuropäischen Sicherheitspolitik mitzuarbeiten und nicht nur im Rahmen der NATO tätig zu sein. Daher bin ich der Meinung, daß es für uns keinen Anlaß gibt, voreilige Entschlüsse hinsichtlich einer Beendigung der Neutralität und eines Beitritts zur NATO zu fassen.

Herr Bundesminister! Die erforderlichen Mehrheiten für solche Entscheidungen in der Regierung und im Parlament werden nur dann zu erzielen sein, wenn diese Entscheidungen tatsächlich im Interesse des Landes und der gesamteuropäischen Sicherheit liegen. Wir werden mit der dafür notwendigen Ruhe und Besonnenheit und mit dem notwendigen Verantwortungsbewußtsein zum richtigen Zeitpunkt auch die richtige Entscheidung treffen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.32

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Grünen haben heute eine Vorstellung geliefert, die unvollständig war, und zwar deshalb unvollständig, weil Sie uns eines schuldig geblieben sind, Herr Kollege Van der Bellen: die Antwort auf die Frage, zu welchem Sicherheitssystem Sie eigentlich stehen. (Abg. Dr. Petrovic: Zur Neutralität!) Ich habe darüber kein Wort gehört.

Das, was ich aus den Medien von Ihnen erfahren habe, würde heißen: Wenn es ernst wird, dann setzen wir auf die militärische Kraft der anderen. Und was tun wir selbst? Was wir selbst tun, das haben Sie auf Ihrem Parteitag ja ausgiebig diskutiert: Sie hängen dem Prinzip des Pazifismus an. (Abg. Wabl: Das ist schon ein Schimpfwort geworden bei den Schwarzen! Es lebe die christliche Partei des Herrn Khol! Es lebe die christliche Partei des Herrn Fasslabend!) Meine Damen und Herren! Nicht der Neutralität, dem Prinzip des Pazifismus hängen die Grünen an. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Van der Bellen! Was ist das für ein Sicherheitskonzept? Das ist die Kapitulation vor der Verantwortung für die Sicherheit der eigenen Staatsbürger. Das ist Ihr Konzept, aber nicht unser Konzept. (Beifall bei der ÖVP.)

Was würden Sie denn eigentlich Ihrem Kollegen Voggenhuber, der gerade in Brüssel überfallen worden ist, der sich, wie er sagt, selber reflexartig gewehrt hat, empfehlen? (Ironische Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Dr. Haselsteiner: Und das wäre nicht passiert, wenn wir bei der NATO gewesen wären?!) Gewaltlosigkeit würden Sie ihm empfehlen. Meine Damen und Herren! Ich glaube, das zeigt, in welcher Art das zu sehen und zu qualifizieren ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Zur NATO, damit wir nicht mehr überfallen werden in Brüssel! Bei der NATO wird man dann nicht mehr überfallen! – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sie erzählen uns gerne, Neutralität ist für Sie das Wichtigste, was Sie an Werten in Österreich aufrechterhalten wollen. Dann zitiert die Frau Klubobfrau Petrovic heute hier das Neutralitätsgesetz, ein Bundesverfassungsgesetz, und vergißt auf eines: daß dort ein ganz markanter Satz drinnen steht, nämlich der, daß Österreich sich verpflichtet, seine Grenzen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen. – Ein Satz, der Ihnen offenbar entfallen ist.

Ich darf also noch einmal festhalten: Das Prinzip der Grünen ist jenes des Pazifismus und nicht der Neutralität, und das kann nicht das Konzept für Österreich sein! (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Wir stehen gerade vor einer Sicherheitsdiskussion in Österreich. Es soll im nächsten Jahr ein Optionenbericht der Bundesregierung vorgelegt werden, in dem alle Möglichkeiten der künftigen Sicherheitspolitik erörtert werden sollen. Darum darf ich schon eines festhalten: Was ich nicht verstehe, geschätzter Kollege Gaál, ist, daß wir, bevor wir diese Diskussion überhaupt beginnen, eine Option schon wieder in den Schrank stellen, wegsperren, mit einem Tabu belegen. Wenn das eine offene Diskussion sein soll, dann müssen wir doch wohl wirklich die Frage einer Mitgliedschaft in der NATO-Neu genauso seriös untersuchen. Ich halte gar nichts davon, von vornherein diese Option auszuschließen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das Konzept der Sicherheitspolitik für die Österreichische Volkspartei ist nicht dergestalt, daß wir klar sagen: Dort müssen wir morgen sein!, sondern wir haben den Maßstab für unsere Diskussion festgelegt, und der bezieht sich auf drei Elemente, die für uns entscheidend sind.

Das erste Element ist die Frage der bestmöglichen Sicherheit für unsere Bevölkerung. Da stimmen Sie zu. Die zweite Frage ist aber: Wie können wir auch denen gegenüber solidarisch sein, die gerade in Bedrängnis sind, die gerade ihre Sicherheit aufs Spiel gesetzt sehen? (Abg. Wabl: Was macht ihr denn bei den Kurden? – Abg. Dr. Petrovic: Was tut die NATO bei den Kurden?) In der Frage Bosnien, Frau Kollegin Petrovic, haben Sie in einer Aussendung vom 10. Jänner 1996 gesagt, Sie kennen jedenfalls keinen namhaften Grünen, der grundlegend gegen eine polizeilich-militärische Aktion wäre.

Interessant ist, wenn man heute Ihre Ausführungen hört, wie Sie sich geändert haben. Sie wollten offenbar auch in Bosnien eine Zeitlang neutral sein gegenüber den Mördern, gegenüber den Ermordeten. Das ist kein Konzept! (Abg. Dr. Petrovic: Immerwährend neutral!) Solidarität heißt, auch im Ernstfall da zu sein für andere, die in Bedrängnis sind. Dazu stehen wir! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Was tun Sie bezüglich des Kosovo?)

Meine Damen und Herren! Der dritte Grundsatz, dem wir anhängen, ist natürlich auch, in einem europäischen Sicherheitssystem bestmöglich mitbestimmen zu können und nicht daneben zu stehen. Ihre Konzeption, die sich in der Vergangenheit gezeigt hat, nämlich: Wenn es ernst wird, setzen wir auf die militärische Macht der anderen, aber in der Frage der Sicherheitspolitik reden wir in Europa nicht mit!, ist wohl nicht die bestmögliche Lösung für Österreich. Wir bleiben daher bei diesem Maßstab, und wir glauben, daß wir in der Sicherheitspolitik im nächsten Jahr eine gute Entscheidung treffen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.38

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich brauche nicht zu betonen, daß sich die Linie der Freiheitlichen massiv von der Linie der Grünen, aber auch der Sozialdemokraten in der Sicherheitspolitik unterscheidet. (Abg. Dr. Haselsteiner: Aber nicht von der ÖVP!)

Meine Damen und Herren von den Grünen! Es ist doch wirklich unsinnig, wenn Sie auf der einen Seite eine Bündnismitgliedschaft Österreichs ablehnen, aber auf der anderen Seite die Neutralität nur soweit hochhalten, als sie nicht militärisch bedingt ist. Denn die Bedingung, die ursächliche Bedingung einer glaubwürdigen, ernstgenommenen dauernden Neutralität ist auch eine starke eigene Landesverteidigung. Das müßten Sie auch dazusagen, daß Sie dann zumindest doppelt soviel investieren müßten in die Landesverteidigung, als wir das jetzt tun. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Gegen die NATO!)

Herr Kollege! Oder Sie wollen den dritten Weg, daß wir alles abschaffen, und nur dann, wenn etwas passiert, rufen wir nach Hilfe. Das ist anscheinend Ihre Politik.

Meine Damen und Herren auch von den Sozialdemokraten! Herr Kollege Gaál! Auch Ihre Linie verstehe ich nicht. Sie sagen, wir sind zwar solidarisch mit den anderen, das heißt, wir


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übernehmen internationale Verpflichtungen, geben Hilfestellungen, ohne aber selbst die Rechte eines Vollmitglieds in einem Bündnis in Anspruch nehmen zu können, nämlich das Mitspracherecht bei entsprechenden Aktionen, und vor allem ohne den Schutz des Bündnisses in Anspruch nehmen zu können. Das verstehe ich überhaupt nicht. Sie wollen zwar überall dabei sein, wir zahlen fleißig eineinhalb Milliarden Schilling im Jahr für internationale Einsätze, aber den Schutz für unsere eigene Sicherheit wollen Sie nicht in Anspruch nehmen. Auch das, Herr Kollege Gaál, ist nicht ganz schlüssig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Für uns ist klar: Wir sind für eine Bündnismitgliedschaft Österreichs mit allen Rechten und Pflichten. Wir sind für eine derartige offensive Sicherheits- und Verteidigungspolitik, weil wir damit den Schutz für Österreich kostengünstig und am besten gewährleisten, weil wir auch teilhaben können am sicherheitspolitischen Integrationsprozeß in Europa. Aber, Herr Bundesminister, das kann nicht ohne dieses Parlament passieren, und das kann auch nicht ohne die Unterstützung der Bevölkerung passieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister, das haben Sie noch nicht begriffen. Es geht nicht an, daß man Sicherheitspolitik im stillen Kämmerlein organisiert, daß man zwar nach außen hin so tut, als ob das alles nichts mit der Verfassungslage, mit der Neutralität zu tun hat, aber dann in den Anträgen kommen immer mehr Maßnahmen, die selbstverständlich mit dem Status einer dauernden Neutralität völlig unvereinbar sind, Herr Bundesminister.

Sie führen keine sicherheitspolitische Diskussion, auch nicht hier im Hohen Haus. Wir haben nicht darüber diskutiert, ob und wie Österreich im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" eingebunden ist. Wir haben noch keine sicherheitspolitischen Optionen hier im Parlament diskutiert, und Sie sagen auch permanent der Bevölkerung die Unwahrheit. So, wie Sie es vor der EU-Volksabstimmung gemacht haben, so, wie Sie es jetzt beim Euro machen, so sagen Sie der Bevölkerung auch die Unwahrheit über die Möglichkeiten und Bedingungen einer entsprechenden aktiven Sicherheitspolitik, und das ist es, was wir an Ihrer Politik kritisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie bringen hier in das Hohe Haus Abkommen, in denen wir das Truppenstatut der NATO aus dem Jahr 1951 annehmen. Sie diskutieren, durchaus auch mit Unterstützung der Sozialisten, eine "PfP-plus", die auch Peace-making-Aktionen vorsieht, also auch Kampfeinsätze in anderen Staaten. Und Sie sagen alle, das hat mit der Neutralität nichts zu tun, darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. (Abg. Wabl: Mit Duldung der Sozialdemokratie!)

Herr Bundesminister! Sie haben aber noch ganz andere Pläne. Sie sagen immer, Sie haben damit nichts zu tun, das ist nur der Außenminister. Da wird mir aber ein Papier zugesandt, von dem ich höre, daß das schon Ihre Option ist für den Fall, daß Sie den NATO-Beitritt bei der SPÖ nicht durchbringen. Dann haben Sie auch schon eine Idee. Dieses Papier werden Sie kennen. Dann haben Sie die Idee einer zentraleuropäischen Kooperation, nämlich mit der Schweiz, mit Slowenien, der Slowakei, mit Ungarn und der Tschechischen Republik eine gemeinsame Brigade aufzustellen. Die Schweiz wird Ihnen etwas husten. Ungarn, Slowenien, die Tschechische Republik werden auch nicht daran interessiert sein, Herr Verteidigungsminister. Sie können dann eine gemeinsame Brigade mit der Slowakei aufstellen. Und was soll diese Brigade machen, Herr Bundesminister? Peace-making-Aktionen soll diese Brigade nach Ihren Ideen machen. Das heißt wieder Kampfeinsätze. Eine gemeinsame Brigade mit der Slowakei, um in Kampfeinsätze zu gehen! – "Wunderbar", wenn das Ihre Geheimdiplomatie in der Sicherheitspolitik ist!

Herr Bundesminister! Sie haben in diesem Papier auch schon einen Zeitplan verabschiedet. Es ist ja nicht so, daß das irgendeine Vision für die Zukunft ist. Sie haben in diesem Papier gesagt, in zwei Jahren soll das stehen. Es hat anscheinend schon eine Sitzung gegeben; am 1. oder 2. Dezember 1997 gab es ein Vorbereitungsgespräch über diese gemeinsame Brigade. Herr Bundesminister! Was sind denn die Ergebnisse dieses Gespräches gewesen? Oder war das nur wieder ein Hirngespinst aus Ihrer Feder?

Zum Schluß kommend: Herr Bundesminister, wir fordern eine klare und offene Diskussion – im Parlament und gemeinsam mit der österreichischen Bevölkerung – über die Zukunft der


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österreichischen Sicherheitspolitik. Es geht um die Sicherheit dieses Landes, und diese ist zu schade, um sie zu einer Stegreifbühnen-Diskussion verkommen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist der Herr Bundesminister. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.43

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist ganz interessant, von der Regierungsbank aus auf der einen Seite zu hören, daß ich zu oft und zu nachdrücklich den NATO-Beitritt verlange, und auf der anderen Seite zu vernehmen, daß eine Partei sich plötzlich anschickt, bestimmte Wörter, wie jetzt etwa in der Frage der NATO, zu vermeiden, nachdem man zuerst gesagt hat, man sei dafür. Man spricht jetzt nur mehr von einem "Bündnis". Für die eine Seite ist man offensichtlich zu drängend, für die andere Seite zuwenig. Ich nehme diese Rolle gerne auf mich (Beifall bei der ÖVP), weil das zeigt, daß ich mit allen Mitteln versuche, sehr bedacht, sehr überlegt an die Sicherheitsproblematik Österreichs heranzugehen. Ich "rausche" nicht in die Diskussion hinein, andererseits verzögere ich sie auch nicht, sondern es wird zum richtigen Zeitpunkt auch eine richtige Entscheidung gefällt werden können, wie Herr Abgeordneter Gaál bereits gesagt hat.

Dazu gibt es ganz klare Vorgaben. Die Bundesregierung hat sich selbst vorgenommen, mit Ende des ersten Quartals des nächsten Jahres einen Optionenbericht zu erstellen, in dem auch ganz ausdrücklich auf bestimmte Optionen bereits Bezug genommen wird, nämlich auch auf die Vollmitgliedschaft in der Westeuropäischen Union. Jeder von Ihnen weiß, daß etwa der Bündnischarakter der Westeuropäischen Union viel stärker ausgeprägt ist als jener der NATO und daß insoferne dieses Nachfragen, dieses Verlangen, sich damit auseinanderzusetzen, durchaus im Sinne der Regierungslinie liegt und nicht darüber hinausgeht. Man setzt aber alles daran, diese Regierungsforderung auch rechtzeitig so beantworten zu können, daß die Sicherheit Österreichs in der Zukunft gewährleistet ist. Und das machen auch andere Länder.

Sie fragen, Herr Abgeordneter Scheibner: Was soll denn diese Brigade machen, was werden denn die Schweizer machen? Ich kann Ihnen sagen, die Schweizer werden mitmachen, denn die anderen Länder sind bereits in einer Kooperation mit uns. Vergessen Sie nicht, daß sich bereits eine ganze Kompanie ungarischer Soldaten im Rahmen des österreichischen Kontingents auf Zypern befindet. (Abg. Scheibner: Wo haben Sie darüber diskutiert, Herr Minister?) Vergessen Sie nicht, daß sich auch slowenische Soldaten im nächsten Jahr im Rahmen des österreichischen Kontingents auf Zypern befinden werden beziehungsweise bereits befinden, daß der slowenische Verteidigungsminister sie bereits besucht und daß ab nächstem Jahr auch slowakische Soldaten im Rahmen des österreichischen Kontingents am Golan friedenssichernde Dienste leisten werden. Und selbstverständlich nehmen wir gerne auch die Tschechen oder auch die Schweizer da mit hinein. (Abg. Scheibner: Sie wollen eine gemeinsame Brigade! – Abg. Dr. Khol: Ist das eine UNO-Sache?)

Das ist selbstverständlich eine UN-Aktivität, die nicht nur vorbereitet wird, sondern die, wie man dazusagen muß, der ausdrückliche Wunsch des Generalsekretärs der Vereinten Nationen ist, der auch die Bundesregierung beziehungsweise die zuständigen Minister auf dieses Thema angesprochen hat. Selbstverständlich werden wir versuchen, an dieser Friedenssicherung so wie in der Vergangenheit entsprechend teilzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie sehr sich die Verhältnisse geändert haben, möchte ich nur anhand eines ganz kurzen Berichtes der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 9. Dezember 1997 erläutern. Der Bericht lautet: Hauptmann Patrik Stäheli, Teilnehmer der F / A-18- Umschulungskurse, und sein amerikanischer Fluglehrer, Leutnant George Riley, machen sich fertig. Das neue Überwachungsflugzeug der Schweizer bedeutet einen "Sprung über zwei Generationen". Und dann heißt es: "Die Ausbildung hat nicht erst mit dem 25 Wochen langen, im Juni begonnenen Umschulungskurs in Payerne ihren Anfang genommen. Zwölf Piloten wurden in den USA auf der Basis


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Cecil Field, Florida, mit dem neuen Flugzeug vertraut gemacht. Sieben davon werden in der Schweiz nunmehr als Fluglehrer eingesetzt, im Rahmen eines Austauschprogrammes ergänzt durch zwei Leutnants der US Navy." Das sind die Tatsachen. Das geschieht in einem Land, das aufgrund seiner Verfassung nicht einmal Vollmitglied der Vereinten Nationen ist. Wenn derartiges in Österreich geschähe, dann würde sich bestimmt wieder jemand von der grünen Fraktion herstellen und sagen: Herr Bundesminister, was Sie da schon wieder machen! Sie arbeiten da zusammen mit der amerikanischen Armee! – Es ist mehr als selbstverständlich, daß man versucht, den bestmöglichen Standard für seine eigene Armee zu bekommen. Und selbstverständlich werden wir alles daransetzen, um diesen auch zu erreichen. Es ist unsere Pflicht, es ist unsere Verantwortung, das zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein ganz kurzes Wort noch dazu. Letzte Woche hat mich der Verteidigungsminister von Ungarn besucht und hat mir erzählt (Abg. Dr. Haider: Der Minister kommt nicht mehr zum Arbeiten vor lauter Besuchen! Und das Heer geht pleite in der Zwischenzeit!), was bei den Beratungen der NATO zum Thema Bosnien alles geschehen ist. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Und er hat sehr deutlich gemacht, daß diese Beratungen heute nicht nur im Rahmen aller NATO-Vollmitgliedschaftsländer stattfinden, sondern darüber hinaus auch mit Rußland und der Ukraine, auch mit Polen, Ungarn und Tschechien, und daß wir, wenn wir wollen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich muß um den Schlußsatz bitten, Herr Minister!

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend (fortsetzend):  ... – gerne – , daran teilnehmen können, daß wir auch die Möglichkeit haben, dort mitzureden, daß wir nicht ausgeschlossen sind, daß wir uns sehr gut überlegen müssen, ob wir nicht sehr rasch einen ähnlichen Weg wie Polen, Ungarn und Tschechien gehen und uns klar und eindeutig für eine klare Linie in der Zukunft aussprechen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. Er hat das Wort.

9.50

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist evident: Was wir brauchen, ist eine umfassende Diskussion über die zukünftige Sicherheitspolitik in diesem Lande, und ich bedauere es wirklich, daß es zu dieser Diskussion immer nur dann kommt, wenn die Opposition im Hohen Hause von den parlamentarischen Möglichkeiten Gebrauch macht.

Herr Bundesminister! Was wir nicht wollen, was Ihre Politik jedoch so wunderschön darstellt, ist, daß Sie uns vor vollendete Tatsachen stellen und daß Sie im Bereich der Sicherheits- und der Verteidigungspolitik gemeinsam mit dem Außenminister Kabinettspolitik und Geheimnisdiplomatie betreiben. Das wollen wir nicht, und das muß mit aller Deutlichkeit hier gesagt werden! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Evident ist weiters: Wir haben eine geänderte geostrategische Lage, wir haben ein anderes Bedrohungsbild, daher kann die sicherheitspolitische Konzeption aus der Vergangenheit – also die Neutralität – nicht mehr ihre Aufgaben, ihre Funktionen erfüllen. Die Neutralität war ein Teil der Nachkriegsordnung Europas, und sie hat für unser Land sicherlich eine sehr große Bedeutung gehabt, denn immerhin hat die Tatsache, daß wir uns für neutral erklärt haben, dazu geführt, daß unser Land frei und unabhängig geworden ist. Das sollen wir würdigen, das sollen wir auch positiv festhalten, nur hat sich die Situation inzwischen ganz entscheidend geändert.

Es hat sich aber nicht nur das strategische Umfeld geändert, es ist nicht nur das Bedrohungsbild ein anderes geworden, sondern auch Österreich hat sich geändert. Wir sind Mitglied der Europäischen Union geworden, und das bedeutet, daß innerhalb der Europäischen Union die Neutralität als Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht mehr wirklich funk-tionieren kann.


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Falsch ist es aber auch, in der sicherheitspolitischen Diskussion immer wieder zu sagen, wir treten entweder der NATO bei oder wir bleiben neutral. Ich meine, wir brauchen – und darin muß die Priorität für die österreichische Sicherheitspolitik liegen – eine Solidarität im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, meine Damen und Herren. (Abg. Scheibner: Du hast immer gesagt, das ist ein Blödsinn!)

Und was wir noch dringend brauchen, was ebenfalls dringend notwendig ist, ist die sicherheitspolitische Integration auf europäischer Ebene. Daher sollen wir dort die Priorität setzen, daher sollen wir dort auch in der Weiterentwicklung der österreichischen Sicherheitspolitik den ersten Schritt machen, indem wir der Westeuropäischen Union beitreten. Die Westeuropäische Union ist der sicherheits- und verteidigungspolitische Arm der Europäischen Union, und daher sollte dieser Integrationsschritt auch im Rahmen unserer Verantwortung als Mitglied der Europäischen Union für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf europäischer Ebene gesetzt werden. (Abg. Wabl: Das ist der Mosersche Panzerliberalismus!)

Meine Damen und Herren! Gerade der Beitritt zur Westeuropäischen Union – also im Rahmen der Europäischen Union – bedeutet für unser Land ein Mehr an Sicherheit bei gleichen Aufwendungen für die Sicherheit, und er bedeutet vor allem die Möglichkeit zur Mitwirkung und Mitgestaltung. Darauf, glaube ich, soll es uns ankommen, und daher wollen wir Liberalen, daß dieser Schritt umgehend und ehebaldigst gesetzt wird. Wir haben deshalb auch einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht.

Aber das, meine Damen und Herren, was sich derzeit abspielt, diese Annäherung an die europäische Sicherheitsordnung, diese Integration, ist eine verdeckte Annäherung, ist eine Art Geheimdiplomatie. Die Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung. Es ist dies ein sehr schwerer politischer Fehler, und ich bedauere es, daß federführend der Außenminister – das begann beim früheren Außenminister Mock und wird nun von Außenminister Schüssel fortgesetzt – all diese Schritte gesetzt hat, ohne das Parlament einzubinden.

Meine Damen und Herren! Die Verträge, die mit der NATO abgeschlossen worden sind, sind Staatsverträge. Und wenn es schon keine politischen Staatsverträge sind, so sind es zumindest Staatsverträge, die gesetzesergänzend oder gesetzesändernd sind. In diesem Fall bedarf es einer Mitwirkung des Parlaments nach Artikel 50 unserer Bundesverfassung. Und das haben Sie, Herr Kollege Mock, und das hat auch der jetzige Außenminister mißachtet. Aber selbst der Verteidigungsminister setzt diese Politik fort.

Denn die Abkommen, die Sie, Herr Minister, mit den Nachbarländern, mit den Nachbararmeen geschlossen haben, sind auch politische Staatsverträge. Und wenn wir in diesen Tagen die Abkommen mit Ungarn beschließen, wenn wir zum Beispiel ein Abkommen über die Beschäftigung in Grenzzonen, ein Abkommen über die Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse, ein Abkommen über die Regelung der gegenseitigen Amtshilfe beispielsweise mit den Vereinigten Staaten oder ein Abkommen mit Ungarn und Slowenien über gegenseitige Hilfe in Katastrophenfällen und schweren Unglücksfällen beschließen, so sind das erst recht Abkommen mit Nachbarländern oder mit befreundeten Armeen in Fragen einer militärischen Kooperation und einer militärischen Zusammenarbeit, einer Materie also, die hier in diesem Hohen Hause behandelt werden muß.

Herr Bundesminister! Das erwarten wir von Ihnen, das fordern wir ein, und wir ...


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend): Ich komme schon zum Schlußsatz, Herr Präsident.

Ich fordere Sie auf, Herr Bundesminister, wieder auf die gesetzliche Basis zurückzukehren! Ich fordere Sie auf, das Parlament entsprechend zu informieren und einen breiten politischen Konsens in dieser für die Sicherheit des Landes so wichtigen Frage zu finden! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.56

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist schon beeindruckend, wenn eine sogenannte christliche Partei das Wort "Solidarität" in einem Zusammenhang strapaziert, bei dem es darum geht, einem Waffenbündnis beizutreten.

Meine Damen und Herren! Sie können natürlich in aller Öffentlichkeit in jeder Diskussion sagen, dieses Militärbündnis Neu sei ein Friedensbündnis. Mit dem Wort "Frieden" allein werden Sie allerdings keine Änderung herbeiführen, sondern Sie werden nur eine Änderung herbeiführen, wenn das Wort "Solidarität" anders verstanden wird.

Herr Abgeordneter Mock! Sie wissen genau, wie notwendig es ist, daß wir mit unseren Nachbarländern solidarisch sind: mit Ungarn, mit Tschechien, mit der Slowakei, mit Slowenien, mit Kroatien und darüber hinaus mit anderen Ländern, in denen die Armut so groß ist, daß es eine Schande für eine kultivierte Nation ist, dabei zuzusehen. (Beifall bei den Grünen.) Da ist Solidarität das richtige Wort, da ist die Frage der Friedenssicherung die entscheidende Frage.

Und jetzt kommt das ganz rationale, vernünftige Argument: Was gilt es zu stärken, Herr Khol? Gilt es, ein Militärbündnis zu stärken mit dem großartigen Heer, dem unser Herr Fasslabend vorsteht, der am Parlament vorbei schon die NATO vorbereitet? Ist das die Solidarität, daß wir unsere Panzer, unsere Armee, unsere Soldaten eingliedern in einen großen Machtapparat, in einen militärischen Machtapparat, der sich natürlich auch in Wandlung befindet? Diesen Wandel stellt ja kein Mensch in Abrede. Dort sitzen doch auch Menschen, die vernunftbegabt sind. Die Frage ist: Was ist unsere vordringliche Aufgabe, Herr Mock?

Unsere Aufgabe kann es doch nicht sein, die Milliarden, die wir letztens mit Stimmen der ÖVP, mit Stimmen der Liberalen, mit Stimmen der FPÖ und leider auch mit Stimmen der SPÖ beschlossen haben, für Panzer auszugeben. 8 Milliarden Schilling sind hiefür beschlossen worden, und in Zukunft, in den nächsten zehn Jahren verplanen wir zusätzlich 140 Milliarden Schilling für militärisches Gerät, statt daß wir dieses Geld solidarisch einsetzen, Herr Mock: für unsere Nachbarländer, für jene Länder, die im ökologischen und sozialen Bereich darniederliegen und die eine echte Bedrohung für die Sicherheit unserer Welt darstellen!

Was wird denn in Kyoto verhandelt? Doch nicht die fehlenden Rüstungspotentiale, doch nicht die fehlenden Waffenkammern, doch nicht die fehlenden Gelder für die Ausrüstung einer neuen NATO! Nein! Dort wird darüber verhandelt, daß wir uns endlich darauf besinnen sollten, daß wir nur eine Erde haben, auf der Elend und Armut und Verbrechen herrschen. Und dieses Verbrechen wird am wirksamsten bekämpft, wenn wir unsere Gelder, Herr Mock, unsere bescheidenen Gelder, aber doch Gelder, die wir haben, in unserem Land und in den Nachbarländern für eine friedliche Entwicklung einsetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Gegen Atomkraftwerke hilft kein Bundesheer, gegen einen Atom-GAU hilft keine NATO, gegen die soziale Verelendung hilft keine NATO! Da hilft nur, daß wir unsere Mittel gezielt einsetzen. Und das wird immer notwendiger werden, Herr Schieder. Es geht nicht an, daß wir jeden Schilling, den wir haben, jetzt noch, in dieser Zeit noch immer leichtsinnig verplanen. Wir haben geänderte Verhältnisse, Herr Spindelegger, wir haben eine neue Situation nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes, aber diese neue Situation bedeutet auch, daß wir dieses Geld jenen Ländern, die es notwendig für ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung, für ihre ökologische Entwicklung brauchen, nicht vorenthalten dürfen! Es geht nicht an, daß wir jetzt noch neue Möglichkeiten erfinden, um Gelder aus den knappen Budgets herauszunehmen, um damit eine NATO-Kompatibilität herzustellen! Das kann doch nicht das Gebot der Stunde sein! Das ist doch verrückt! Das ist doch Irrsinn! Das ist doch eine Beleidigung der Armen dieser Welt! (Beifall bei den Grünen.)


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Meine Damen und Herren! Noch ein Satz zu Ihrer neuen Friedensorganisation NATO: Sie sagen immer, das ist ein Bündnis der Demokraten. Wo ist denn die NATO beim Krieg der Türkei gegen die eigene Bevölkerung, wo ganze Dörfer ausradiert werden? Herr Spindelegger, wo ist denn die Solidarität innerhalb der NATO, dort, wo die eigene Bevölkerung dahingemordet wird, wo Kriegseinsätze im eigenen Land und im Nachbarland passieren? Wo ist denn da die demokratische NATO? 

Nur eine friedliche Entwicklung kann dazu beitragen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), diese Zustände zu ändern, nur internationale Organisationen können dazu beitragen, Herr Schieder, und sich auch mit Erfolg daran beteiligen. Das ist Mitgestalten, das ist Mitentwickeln, das ist solidarisches Handeln ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): ... und nicht das Hineinlegen unserer bescheidenen militärischen Mittel in einen großen militärischen Topf, wobei meines Erachtens nur mehr ein uraltes Konzept herauskommen kann, ein irrationales, ein Uralt-NATO-Projekt, von dem wir uns schleunigst verabschieden sollten. (Beifall bei den Grünen.)

10.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte, Kollege Schieder.

10.02

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Vier Bemerkungen zu dieser Frage:

Erste Bemerkung zu den Äußerungen des Herrn Verteidigungsministers im letzten Jahr, in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit: In aller koalitionären Verbundenheit, aber dennoch sage ich, daß es da viele Äußerungen gegeben hat, die uns nicht gefallen haben, mit denen wir nicht einverstanden sind, an denen wir Kritik geübt haben und an denen wir weiterhin Kritik üben werden, wenn sie weiterhin seitens des Herrn Verteidigungsministers fallen. Das möchte ich in aller freundschaftlichen Offenheit gegenüber Ihnen, Herr Minister, und gegenüber unserem Koalitionspartner zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Die Antwort, die der Herr Verteidigungsminister heute hier zu diesem Thema gegeben hat, war auf der Basis des Regierungsprogrammes und der Regierungslinie und im Einklang mit den gesetzlichen Normen, die getroffen wurden. Ich stehe nicht an, mit derselben Deutlichkeit wie vorhin zu sagen: In bezug auf das, was Sie heute hier gesagt haben, Herr Minister, verstehen wir uns, sind wir d’accord, mit dieser Antwort sind wir voll zufrieden.

Drittens: Die Bedrohungsbilder, die Sie erwähnt haben und die Begründung, daß Sie für den NATO-Beitritt sind, weil Ihnen die Sicherheit so wichtig ist – das sind Fragen, die natürlich schon noch ausdiskutiert werden müssen. Ich stimme nicht überein mit dieser Kurzanalyse der neuen Bedrohung, auch nicht mit der Sicherheitsanalyse, aber hiezu wird es ja noch den Optionenbericht geben und hierüber wird Anfang nächsten Jahres zu diskutieren sein.

Viertens, die Frage der Solidarität: Ich glaube, wenn man ganz ehrlich ist, ist es nicht so, daß man sagen kann, der NATO-Vertrag bringt keine Solidarität. Es ist aber auch nicht so, daß man sagen kann, nur wer in der NATO ist, übt Solidarität. Was sagt der NATO-Vertrag? – Der NATO-Vertrag bringt in einem Punkt eine Solidarität jedes Mitgliedslandes mit dem anderen bei einem Angriff bis zum Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses des UNO-Sicherheitsrates, und er bringt im nächsten Punkt eine Solidarität aller mit jenen – das sind vorwiegend die Amerikaner, aber auch andere –, die Flugzeuge oder Schiffe im Mittelmeer oder nördlich des Wendekreises des Krebses haben und dort angegriffen werden.

Die Solidarität, die Österreich derzeit schon übt, ist eine weitergehende, nämlich eine Solidarität innerhalb Europas, eine Solidarität innerhalb der OSZE und eine Solidarität innerhalb der UNO.


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Österreich verhält sich durch die Teilnahme an diesen wichtigen Einsätzen dieser wichtigen Organisationen in einem hohen, ich möchte sagen: in einem höheren Maß solidarisch, als es durch einen NATO-Vertrag gefordert wird. Diese Solidarität – nämlich eine für Recht, für internationales Recht, für die Beibehaltung und Wiederherstellung des Friedens, für die Menschenrechte – ist die wesentlichste Solidarität, die es in der Welt gibt. Daran nimmt Österreich sehr stark teil. Österreich ist solidarisch! Das gilt es auszubauen, denn das ist die wichtigste Solidarität, die in dieser Welt ein Staat gegenüber dem anderen üben kann! (Beifall bei der SPÖ.)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit.

10.06

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal ist festzustellen, daß die Volkspartei politischer Vorreiter für viele zukunftsweisende Themen ist und war. Das war so in bezug auf die Europäische Union, das war so bei der Sanierung des Staatshaushaltes, das war so bei der Pensionsreform (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser ), und es ist bei der Umstellung auf den Euro so, daß die Volkspartei Vorreiter ist (Abg. Gaugg: Das ist ja unglaublich!), und die Volkspartei ist auch Vorreiter für mehr äußere Sicherheit, für mehr Chancen auf dauerhaften Frieden (Abg. Scheibner: Wer ist das?) durch das euro-atlantische Bündnis NATO-Neu. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Das sieht man ja beim Bundesheer! – Weitere Zwischenrufe.)

Viele Gegner aus dem Anti-NATO-Lager tun so, als wäre diese politische Sicherheitsgemeinschaft eine fremde Organisation von einem anderen Stern. Darf ich daran erinnern: Die NATO besteht aus 14 europäischen Staaten und zwei Staaten des amerikanischen Kontinents, und alle wesentlichen Beschlüsse in allen wesentlichen Gremien werden einstimmig gefaßt, das heißt, jeder wichtigen Entscheidung müssen alle 16 – künftig 19 – Staaten zustimmen.

Deshalb treten wir von der Volkspartei für die Vollmitgliedschaft Österreichs bei der NATO-Neu ein. Die politische Diskussion zu diesem Thema (Abg. Scheibner: Wann beginnt diese?) stellt sich heute folgendermaßen dar: Die Grünen versuchen, mit Gruselgeschichten und Horrorzahlen ihren Anti-Bundesheer-Reflex auszuleben (Heiterkeit des Abg. Khol ), und die Sozialdemokraten machen in Sachen NATO halbe/halbe: Die eine Hälfte sagt, der NATO-Beitritt ist die Lösung für die Zukunft – Zitat EU-Abgeordneter Swoboda, Zitat Abgeordneter Cap, Zitat Abgeordneter Gaál –, die andere Hälfte sagt, diese notwendige Entscheidung soll man über die Nationalratswahl 1999 hinausschieben.

Zu Kollegen Gaál und seiner Vorwegfestlegung, die ich nicht verstehen kann: Wir erwarten einen Bericht der Bundesregierung zu diesem Thema, und Kollege Gaál stellt fest, darin darf eine ganz bestimmte Option gar nicht enthalten sein. Ich erinnere an den Text des Arbeitsübereinkommens, meine Damen und Herren. Dieses Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung trägt die Unterschriften von Bundeskanzler Klima, von Präsident Fischer sowie selbstverständlich die Unterschrift von Klubobmann Khol und unseren Vertretern. In diesem Arbeitsübereinkommen, Herr Präsident Fischer, heißt es eindeutig: Im Licht der Entwicklung der europäischen Sicherheitspolitik wird die Bundesregierung alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen, einschließlich der Frage einer Vollmitgliedschaft Österreichs in der WEU, einer umfassenden Überprüfung unterziehen. Da kann man doch nicht von vorneherein feststellen, Herr Präsident Fischer, wie Sie dies dem "Kurier" gegenüber wörtlich getan haben, im Bericht der Bundesregierung könne es keine Empfehlung für einen NATO-Beitritt geben. (Abg. Dr. Kostelka: Wird es auch nicht!) Was ist mit dieser Vorwegfeststellung? Sie bestimmen, welche Optionen es geben kann, welche wir zur Diskussion stellen? – Das kann doch nicht die Partnerschaft in einer Regierungskoalition sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Darf ich unsere sozialdemokratischen Freunde daran erinnern, daß Herr Bundeskanzler Klima in seiner Rede vor dem Bundesparteitag das Zitat aus dem Arbeitsübereinkommen wörtlich, und zwar richtig und korrekt, übernommen hat. Bei dem Passus "bis zu einer Vollmitgliedschaft zur WEU" hat er dazugesagt – wörtlich –: "und das heißt auch in der NATO". Ja selbstverständlich


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soll darüber diskutiert werden. Und eine Entscheidung, was es sicher nicht geben wird, Herr Präsident Fischer, ist eine Vorwegfestlegung, die wir so nicht akzeptieren können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Seidinger: Es kann aber auch keine Festlegung Ihrerseits geben!)

Meine Damen und Herren! Wir wollen nicht, daß Österreich von einer "Insel der Seligen" zu einer Insel der Erpreßbaren, weil Wehrlosen wird. Entweder ordentliche militärische Möglichkeiten wie in der Schweiz, nach Schweizer Muster, dann müssen wir sehr viel mehr für die Landesverteidigung ausgeben als bisher – oder wir gehen in ein Bündnis arbeitsteilig mit Synergieeffekten und machen gemeinsam Friedenspolitik für unser Land und für Europa. (Beifall bei der ÖVP.)

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Gleiche Redezeit.

10.11

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben Schwierigkeiten mit Ihrer NATO-Politik. Kollege Gaál hat Ihnen vorhin die Freundschaft aufgekündigt und gesagt, davon werde nichts im Optionenbericht stehen. Ihre eigenen Landeshauptleute haben Skepsis angemeldet. Sie haben uns Freiheitlichen vorgeworfen, gerade vorhin auch dem Kollegen Scheibner, daß unsere Unterstützung in diese Richtung nicht genug sei.

Ich bringe ein praktisches Beispiel für jene Unterstützung, die Sie von uns bekommen hätten können. Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung vor dem Sommer einen Entschließungsantrag mit folgendem Wortlaut eingebracht:

"Der Bundesminister für Landesverteidigung wird ersucht, seine Bemühungen zu einem Beitritt Österreichs zu einem solidarischen europäischen Sicherheitssystem, wie es WEU und NATO sind, konsequent weiterzuverfolgen."

Das müßte ja in Ihrem Sinne sein. Und wer hat dagegen gestimmt? – Die Herren von der ÖVP haben dagegen gestimmt, also nicht für ihren eigenen Minister gestimmt! So schaut es aus, meine Damen und Herren! Das ist die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: In Worten dafür, in Taten dagegen!)

Herr Bundesminister! Sie haben von "Transparenz" gesprochen, die Sie gegenüber diesem Hause haben. Darf ich Sie daran erinnern, daß ich im Ausschuß von Ihnen die Unterlage über das IPP, das Individuelle Partnerschaftsprogramm Österreichs, eingefordert habe, über PARP, das Eingangsdokument. Sie haben nicht einmal auf die Frage eines Abgeordneten im Ausschuß geantwortet. Ich habe diese Frage wiederholt, Sie sind wie ein trotziges kleines Kind sitzen geblieben, weil ich Sie gefragt habe, ob Sie nicht antworten wollen. Sie haben nicht einmal den Kopf geschüttelt. – So schaut Ihre "Transparenz" aus, Herr Bundesminister, auch wenn Sie jetzt gequält lächeln. Das ist die Realität. Sie wollen dem Parlament und diesem Haus die ihm zustehende Kontrolle vorenthalten.

Wir haben nichts gegen Übungen mit der NATO im Rahmen eines geordneten Programmes, aber wir wollen wissen, was dort geschieht. Als Sie bei der letzten Ausschußsitzung gefragt wurden, ob bestimmte Ziele, die von der NATO vorgegeben sind, wie einem Papier zu entnehmen ist, die unter anderem auch den angriffsweisen Einsatz von Truppen beinhalten, geübt werden, haben Sie sich geweigert, diesen Abgeordneten – nicht irgendwelchen, sondern jenen im Verteidigungsausschuß – zu sagen, was dort geübt wird. Sie enthalten uns Information vor. Aber hier sprechen Sie von Transparenz. – Das ist doch nicht wahr!

Haben Sie diesem Haus davon berichtet, Herr Minister, daß NATO-Offiziere in Österreich bereits eine Überprüfung durchgeführt haben, ob Ausbildungsziele, die uns von der NATO vorgegeben werden, auch erfüllt werden? – Kein Wort davon ist in dieses Haus gedrungen.

Ich erinnere an eine andere Geschichte, Herr Bundesminister. Ich habe Sie damals beim Albanien-Einsatz der österreichischen Truppen im Ausschuß gefragt, wie es im Fall einer krisen


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haften Entwicklung aussieht, wer den Rückzug decken würde. Sie haben gesagt, es besteht ein Abkommen mit der NATO. Zwei Wochen später war der NATO-Oberbefehlshaber General Joulwan hier im Haus. Ich habe ihn gefragt, er hat nichts davon gewußt.

Herr Bundesminister! Ist das die von Ihnen angekündigte Transparenz – oder ist das Verdunkelungs- und Vernebelungspolitik, die Sie hier betreiben? (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie können sich ruhig darüber aufregen, aber das ist die Realität. Schauen Sie es sich einmal im Ausschuß an, gehen Sie hin, wenn der Herr Bundesminister still und trotzig wie ein kleines Kind dasitzt und auf eine gestellte Frage nicht antwortet! So kann es denn wohl nicht gehen. Dabei weiß er genau – wir haben es ihm ja gezeigt –, wir haben die Unterlagen betreffend die Ziele, in denen genau steht, was geübt werden muß. Es wäre ja auch nicht schlimm, es wird ja auch im Bundesheer jetzt schon geübt. Aber es geht darum, dem Parlament zu sagen, was die österreichischen Soldaten erwartet. Darum geht es – und um nichts anderes! Und das ist das mindeste, was wir von diesem Minister hier fordern können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch ein letztes Beispiel. Kollege Scheibner hat Sie im letzten Ausschuß gefragt, wie es um die österreichische Haltung im Falle der Weiterentwicklung der Qualität von Auslandseinsätzen steht, nämlich weg von Peacekeeping, also Frieden schaffen, wo der Waffeneinsatz nur zur Selbstverteidigung erfolgt, hin zum aktiven Einsatz bis hin zum Angriff, zum Waffeneinsatz. Sie haben darauf geantwortet: Den alten klassischen Streitfall, wo sich zwei Parteien einigen und die UNO herbeirufen, gibt es immer seltener. Da kann man Ihnen durchaus zustimmen, Herr Minister, nur: Heißt das dann in concreto Waffeneinsatz auch zur Durchsetzung von Zielen. Das kann unter Umständen legitim sein, und Sie könnten für so etwas unsere Zustimmung haben. Aber sagen Sie uns wenigstens, ob das jetzt nur eine Definition ist – dem Herrn Abgeordneten Scheibner haben Sie nicht geantwortet –, oder ob das die zukünftige österreichische Politik sein wird. Sagen Sie es heute dem Hohen Haus hier und an dieser Stelle, ob Sie das in Zukunft wollen oder nicht.

Herr Minister! Wir haben nichts gegen einen Beitritt zur NATO unter geordneten Verhältnissen, aber nicht an diesem Haus vorbei, nicht an den Abgeordneten vorbei und nicht vorbei an den Österreichern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Kollegin.

10.16

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Erstens einmal wollte ich Kollegen Spindelegger auf seine Replik antworten, die er gegenüber den Grünen gemacht hat, daß Herr Kollege Voggenhuber in Brüssel attackiert worden ist.

Erstens einmal ist es kein militärisches Belangen, sondern die Polizei sollte in diesem Fall einschreiten. Es bedarf keiner militärischen Aktion. Zweitens einmal ist Belgien ein NATO-Land. (Abg. Dr. Khol: Frau Kollegin Gredler! Eine Analogie werden Sie wohl noch bilden können!) Also im Prinzip würde es bedeuten, wenn ich in Ihrer Diktion weiterdenke, daß die NATO-Länder für Österreich gefährlich sind und daß es vielleicht besser ist, den jetzigen Zustand beizubehalten. Also ich weiß nicht, was ich Ihrer Interpretation entnehmen soll. Aber es war ein klein wenig verwirrend, das müssen Sie mir zugestehen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das Thema ist so wichtig und so brennend, daß ich nicht verstehe ... (Abg. Dr. Khol: Das war eine simple Analogie!) Herr Kollege Khol, ich bin froh, daß Sie da sind, daß ich auf Ihre Zwischenrufe wieder reagieren kann. Herr Kollege Khol! Ich bin eigentlich enttäuscht, daß Sie keinen Optionenbericht vorgelegt haben, als wir der Europäischen Union beigetreten sind. Das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. Und wissen Sie, warum? – Weil selbstverständlich sozusagen das eine mit dem anderen irgendwo verwoben ist. Und das gipfelt darin, daß in der "Agenda 2000", einer Stellungnahme der Kommission, die Mitte dieses Jahres herausgegeben worden ist, folgende Sätze stehen: "Die Erweiterung der Europäischen Union muß daher zum


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Ziel haben, die stabilisierende Wirkung der Ausweitung der NATO zu ergänzen." Herr Kollege Khol! "Die stabilisierende Wirkung der Ausweitung der NATO zu ergänzen" – eine interessante Perspektive der Kommission. "Diese Stabilität soll die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik fördern, die im Sinne des Artikels J 7 des Vertrags von Amsterdam zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte." – Zitatende.

Jetzt lassen Sie sich mit Ihrem Optionenbericht Zeit bis zum nächsten Jahr. Ich finde das schade, und zwar deswegen, weil dieser Optionenbericht, der dann länger als ein Jahr angekündigt sein wird, sozusagen ein Mehrseitenpapier sein wird. Ich erinnere daran, daß die "Agenda 2000", die mehrere tausend Seiten umfaßt, in acht Monaten geschrieben worden ist. Ich verstehe nicht, was das für ein Hokuspokus ist, daß man da über ein Jahr braucht, um die Optionen überhaupt einmal darzulegen, und zwar nicht einmal vorher zu diskutieren, sondern überhaupt einmal herauszufinden, welche Möglichkeiten es gibt. Ich halte es für sehr bedauerlich, daß Sie, Herr Khol, versuchen, einer Verzögerungstaktik beizupflichten, und daß wir uns nicht rechtzeitig über das unterhalten, was wir in dieser Frage wollen.

Das Liberale Forum will die WEU eigentlich einbeziehen, um zu einer funktionierenden Verteidigungsstruktur Europas zu kommen, will mithelfen, diese aufzubauen, so wie es damals, Herr Kollege Khol, General de Gaulle gemacht hat. Charles de Gaulle war ja eine sehr wichtige Persönlichkeit und hat ein sehr großes Land in Europa angeführt. Und die Politik der "chaises vides", die er damals betrieben hat, ist dadurch zustande gekommen, daß er nicht imstande war, die NATO zu überzeugen, daß es eine eigenständige europäische Verteidigungspolitik geben sollte.

Offensichtlich gibt es aber Partner in anderen Ländern, die mit uns in dieser Angelegenheit sehr wohl kooperieren würden. Es gibt sehr wohl unter den Sozialdemokraten auch Personen, die diese Option ernst nehmen und anstreben wollen, daß wir eine europäische Verteidigungsstruktur bekommen.

Aber was macht die Bundesregierung? – Sie schläft gemütlich bis zum ersten Trimester des nächsten Jahres. Ich hoffe, daß Sie dann bereit sein werden, sehr schnell zu reagieren, und nicht mehrere Jahre brauchen werden, bis Sie sich innerhalb der Koalition geeinigt haben, was Sie wollen. Das Problem ist dringend. Wir brauchen eine Stellungnahme, und wir müssen uns in Europa positionieren. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen in der Aktuellen Stunde liegen mir nicht vor. Ich erkläre daher die Aktuelle Stunde für beendet. Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf bekanntgeben, daß die Regierungsvorlage (1032 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, im Hohen Hause eingelangt ist.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich bekanntgeben, daß die Abgeordneten Scheibner und Genossen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 3416/J der Abgeordneten Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Gefährdung der österreichischen Interessen und die Verunsicherung der Bevölkerung in Fragen der Sicherheitspolitik und der Landesverteidigung dringlich zu behandeln.

Diesem Verlangen ist Rechnung zu tragen. Die Dringliche Anfrage wird um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.


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104. Sitzung / Seite 29

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 4 bis 11, 12 und 13 sowie 18 bis 20 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Das ist damit so festgelegt.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt. Es wurde eine Tagesblockredezeit von neun "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126, Freiheitliche 117, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten. Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist es so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses über die Regierungsvorlage (915 der Beilagen): Frauenausbildungsverhältnisgesetz – FrAG und über den Antrag 151/A (E) der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Setzung legistischer und organisatorischer Maßnahmen, um Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer zu ermöglichen (1037 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Verlangen auf Berichterstattung liegt mir nicht vor. Daher beginne ich mit dem Aufruf der Wortmeldungen.

Die erste Contrawortmeldung kommt von Herrn Abgeordneten Scheibner. Herr Abgeordneter Scheibner ist am Wort. Die Uhr wird wunschgemäß auf eine freiwillige Redezeit von 8 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.24

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Frage Frauen beim Heer, die Möglichkeit, daß Frauen auch einen Dienst mit der Waffe und in Uniform leisten, ist – wie so vieles im Bereich der Landesverteidigung – eine unendliche Geschichte. Wir haben ja mit dieser Regierungsvorlage, die Sie heute beschließen werden und die teilweise auch wir mittragen werden, meiner Ansicht nach nur eine Etappe in dieser unendlichen Geschichte abgeschlossen, denn ich glaube nicht, daß mit der Regelung, so wie sie hier vorgelegt wird, so wie sie hier auch beschlossen wird, dem Ansinnen, das jene eingebracht haben, denen es wirklich ein Anliegen ist, Frauen die Möglichkeit zu geben, mit allen Rechten und Pflichten im Bereich der Landesverteidigung Dienst zu machen, auch wirklich Rechnung getragen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es ist dies eine Forderung, die vor allem die freiheitliche Fraktion schon vor Jahren aufgestellt hat. Wir haben auch seit eineinhalb Jahren einen entsprechenden Antrag im Ausschuß liegen. Es hat sehr zähe Verhandlungen zwischen Ihnen und anscheinend Frauenministerin Prammer gegeben. Man hat oft den Eindruck, als ob manche in der SPÖ-Fraktion gar nicht eingebunden waren und auch nicht sehr glücklich über das Ergebnis sind, das dabei herausgekommen ist. Es waren ja merkwürdige Dinge, die da immer vorgebracht wurden gegen die Möglichkeit, Frauen einen Dienst beim Bundesheer machen zu lassen. Da hat es geheißen, aber Einberufungsbefehl dürfen sie keinen bekommen, denn das würde ja schon wieder irgendwo eine Verpflichtung implizieren, und das kann man ja nicht befürworten, nur ja keine Verpflichtung. Es muß absolute Freiwilligkeit geben. (Abg. Dr. Mertel: Das ist ein Widerspruch!)


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Und vor allem, Frau Kollegin, dürfen die Frauen nur dann Dienst beim Bundesheer machen, wenn sie das in Berufsausübung tun. Und so sieht das jetzt auch aus in der Regierungsvorlage, in dem Antrag, den Sie uns vorgelegt haben.

Damit wird nur eines von zwei möglichen und notwendigen Zielen erreicht. Das eine ist – selbstverständlich wichtig und nachvollziehbar –, daß man Frauen auch die Berufslaufbahn im Bereich der Landesverteidigung ermöglichen soll. Das zweite Ziel aber, Herr Bundesminister, das meiner Ansicht nach noch wesentlich wichtiger gewesen wäre, nämlich daß man Frauen auch die Möglichkeit gibt, außerhalb der Berufslaufbahn im Bereich der Miliz Dienst mit der Waffe zu machen, haben Sie wieder nicht verwirklicht. Das wäre ja die notwendige Maßnahme, auch im wehrpolitischen Sinn. Bis jetzt war es ja so, daß 50 Prozent der Österreicher, eben die Frauen, von der Landesverteidigung ausgeschlossen gewesen sind, und man hätte jetzt die Möglichkeit gehabt, auch ein Signal zu setzen, daß Landesverteidigung, daß Sicherheitspolitik nicht eine Frage von 50 Prozent, nämlich der Männer, ist, sondern daß alle miteingeschlossen sind, und daß man den Frauen, soweit sie es wollen, auf freiwilliger Basis auch die Möglichkeit gibt, im Rahmen der Miliz Dienst mit der Waffe zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Leider ist das nicht umgesetzt worden. Man sieht auch hier wieder: Wenn man zu viel verhandelt, dann kommt ein schlechter Kompromiß heraus. Wir werden in diesem Sinn auch einen entsprechenden Abänderungsantrag stellen.

Herr Bundesminister! Es gibt auch weitere Punkte, die zu kritisieren sind. Sie haben auch die Berufslaufbahn meiner Ansicht nach schlecht geregelt. Es gibt eine völlig unverständliche Anstellungsgarantie, eine de facto Anstellungsgarantie für Frauen, die den Ausbildungsdienst beginnen – und das in einer Zeit, in der Sie einen Aufnahmestopp bei der Truppe verfügt haben. Das heißt, jede Truppe hat größte Probleme, das notwendige Kaderpersonal zu bekommen, weil keine Dienstposten vorhanden sind, obwohl es genügend Interessenten geben würde.

Stellen Sie sich jetzt einmal den Fall vor, Herr Bundesminister: Es beginnt eine Frau den Ausbildungsdienst, und ein Truppenkommandant muß einen Dienstposten besetzen, und er muß oder soll diesen Dienstposten für diese Frau reservieren. Er weiß aber nicht, ob diese Frau auch wirklich diesen Dienstposten in Anspruch nehmen wird, denn da kommt der zweite Punkt, den wir kritisieren, nämlich daß Frauen, die diesen Ausbildungsdienst beginnen, diesen jederzeit auch vorzeitig beenden können. Das ist also eine völlige Unsicherheit für den jeweiligen Kommandanten, und ich sage Ihnen jetzt schon, daß mit diesen Regelungen der grundsätzlichen Idee ein sehr schlechter Dienst erwiesen wird, denn es wird jeder, soweit es geht, zu verhindern versuchen, daß Frauen in seine Einheit integriert werden. Mir hat einmal jemand aus Ihrem Ressort gesagt: Wer diese Regelung, diese Vorlage so ausgearbeitet hat, der will die Möglichkeit für Frauen, gleichberechtigten Dienst beim Bundesheer zu machen, in Wahrheit verhindern. Das ist auch der Punkt, den wir kritisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie haben in dieser Regierungsvorlage auch umfassende weitere Abänderungen gemacht, wie überhaupt interessant ist, daß sich allein der Titel dieses Gesetzes über eine halbe DIN A 4-Seite erstreckt. Herr Bundesminister! Sie haben ja versucht, in der ursprünglichen Regierungsvorlage eine Reihe von Maßnahmen miteinzubeziehen, die mit der Frage Frauenausbildungsgesetz überhaupt nichts zu tun haben. Auch das, meine ich, ist nicht gerade eine gute Art, wie man Parlamentarismus betreibt oder wie man mit dem Parlament umgeht.

Wenn Sie Wehrgesetzänderungen machen wollen, wenn Sie den Landesverteidigungsrat anders organisieren wollen, dann bringen Sie eigene Gesetzesanträge, eigene Regierungsvorlagen ein, dann werden wir darüber auch separat diskutieren.

Ich war sehr froh, Herr Bundesminister, daß – offenbar auf Druck Ihres Koalitionspartners – ein Großteil dieser wesensfremden Materien aus dem Gesetzentwurf herausgenommen wurde. Aber einige solcher Punkte sind noch darin enthalten, so etwa: Wehrgesetzänderung – Auslandseinsatz – und Militärpiloten auf Zeit. Eine neue Regelung ist durchaus positiv, nur frage ich Sie, Herr Bundesminister – ich habe das auch schon im Ausschuß getan –: Wo sind denn die Perspektiven für diese Militärpiloten, die jetzt anständig entlohnt werden und eine gute Regelung


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haben? Welche Zukunftsperspektiven werden sie haben? Es ist doch bekannt, daß der Draken auszuscheiden ist. Wo sind die Perspektiven für eine Nachbeschaffung? – Auch das sollten Sie dazusagen, wenn es darum geht, die Möglichkeiten für Militärpiloten für die Zukunft zu regeln.

Auch eine Regelung bezüglich Zeitsoldaten gibt es in diesem Gesetzentwurf. Warum hat man nicht die Höchstverpflichtungsdauer für Zeitsoldaten auf zwölf Monate erhöht, so wie das der Wunsch der Truppe gewesen ist? – Wir Freiheitlichen werden einen diesbezüglichen Abänderungsantrag einbringen. Gerade aufgrund dieses restriktiven Aufnahmestopps wäre es wünschenswert, ja notwendig, daß man Bewerber für Dienstposten im Bundesheer für eine längere Zeit als sechs Monate provisorisch anstellen könnte.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir Freiheitlichen werden in zweiter Lesung, und zwar bei der getrennten Abstimmung, zeigen, daß wir grundsätzlich für die Öffnung des Heeres für Frauen eintreten, daß wir aber in bezug auf die konkrete Umsetzung sehr viele Kritikpunkte anzumerken haben. Wir meinen, daß mit diesem heutigen Beschluß nur eine Etappe der unendlichen Geschichte abgeschlossen sein wird. Wir werden, so glaube ich, sehr bald wieder diese Vorlage im Landesverteidigungsausschuß adaptieren müssen – und dann hoffentlich das Bundesheer auch im Rahmen der Miliz für Frauen öffnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

10.32

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor etwa fünf Jahren hat Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer – dem Wunsch engagierter Frauen entsprechend – erstmals die Möglichkeit des freiwilligen Zugangs von Frauen zum österreichischen Bundesheer öffentlich formuliert. Daraufhin gab es durchaus verschiedene Reaktionen aus anderen Parteien. In der Folge gründete eine Gruppe junger Frauen aus allen Berufen und sozialen Schichten einen Verein mit dem Ziel, den freiwilligen Zugang von Frauen zum Heer zu ermöglichen. Diese Frauen haben viel zur Meinungsbildung und zum eigentlichen Anliegen, nämlich Berufssoldatin zu werden, beigetragen. Seit Februar 1995 habe ich in meiner Verantwortung als ÖVP-Wehrsprecher an der Umsetzung dieses Vorhabens mitgearbeitet. Wir von der Volkspartei haben dabei zwei Ziele verfolgt.

Das erste Ziel war es, Frauen neue Berufschancen zu ermöglichen – und das in einem Bereich, der für die Gesellschaft wichtig ist. Das zweite Ziel war es – das sage ich gerne dazu –, dem Ansehen des Bundesheeres einen positiven Impuls zu geben. Heute kann ich sagen: Beide Ziele sind verwirklicht worden. Es wird in Zukunft Frauen als Berufssoldatinnen geben: für viele Aufgaben, für Aufgaben, die sie sich selbst auswählen – und das in allen Rängen, die im Heer bestehen.

Es wird dem Ansehen des Bundesheeres guttun, wenn Frauen freiwillig militärischen Dienst an der Gemeinschaft leisten und wenn Frauen zur Friedenserhaltung auch in Auslandseinsätzen mitarbeiten werden.

Wir hatten zwei Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen. Die erste wäre eine knappe Formulierung im Verfassungsrang, daß Österreicherinnen beim Bundesheer Dienst als freiwillige Soldatinnen leisten können und dabei in allen Rechten und Pflichten den männlichen Staatsbürgern gleichgestellt werden. – Das war die einfachste Form.

Die zweite Möglichkeit war es, eine umfassende Regelung vorzusehen, in der die Freiwilligkeit und das besondere Verpflichtungs- und Dienstverhältnis zur Ausbildung von Berufssoldatinnen in allen Bereichen konsequent durchgehalten wird.

Wir haben uns einvernehmlich für den zweiten Weg entschieden und haben neben dem grundlegenden Gesetz über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer in 48 bestehenden Gesetzen Ergänzungen eingefügt beziehungsweise Änderungen gemacht.


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Für diese politische Willensbildung ist der Frauenministerin zu danken, vor allem aber dem Bundesminister für Landesverteidigung, der in langwierigen und sehr konsequent geführten Verhandlungen unsere beiden Ziele voll und ganz durchsetzen konnte. Ich möchte aber auch den Legisten im Bundesministerium für Landesverteidigung danken: Sie haben in der Detailarbeit präzise, mit Sachverstand und Engagement all das eingefügt, ermöglicht und dargelegt, was zur Absicherung dieser gemeinsamen Ziele notwendig war.

Mit diesem Gesetzentwurf stehen für Frauen all jene militärischen Laufbahnen offen, die sie selbst anstreben. Der Grundsatz der Freiwilligkeit wurde konsequent eingehalten. Zivilbedienstete im Bundesministerium für Landesverteidigung werden die Möglichkeit haben, eine militärische Nachhollaufbahn einzuschlagen.

In einem Punkt haben wir jedoch keine Übereinstimmung mit dem Regierungspartner erzielt – das wurde schon angesprochen –, nämlich was einen freiwilligen Milizdienst für Frauen betrifft. Diesbezüglich haben wir uns darauf verständigt, daß ein Beobachtungszeitraum erforderlich ist, in welchem das tatsächliche Interesse von Frauen an dieser Arbeit erkundet werden soll. Wir hielten es für sinnvoll, eine Milizlaufbahn auch Frauen zu ermöglichen, haben aber diesem Kompromiß zugestimmt und werden zur gegebenen Zeit mit dem Regierungspartner und dem Parlament neuerlich eine Diskussion darüber aufnehmen.

Meine Damen und Herren! Allen Frauen, die sich in naher beziehungsweise ferner Zukunft für den Soldatenberuf entscheiden, wünsche ich von dieser Stelle aus eine solide Ausbildung, interessante Aufgaben, eine erfolgreiche Laufbahn – und das Bewußtsein, daß sie für ihre Mitmenschen einen unverzichtbaren Dienst leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

10.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

10.38

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute die Regierungsvorlage zum Thema "Dienst für Frauen im Bundesheer". Es ist ja schon von meinen Vorrednern angesprochen worden, daß es sich hiebei um eine sehr umfassende Gesetzesvorlage handelt, denn immerhin werden damit 48 Gesetze geändert.

Ich möchte aber eingangs Stellung nehmen zur Vorgangsweise der Regierungsparteien. Die Regierungsvorlage war – das muß man sagen – in der Art, wie sie dem Parlament vorgelegt wurde, eigentlich eine Zumutung, denn unter dem Titel "Frauenausbildungsverhältnisgesetz" wurde nicht nur die gesetzliche Neuregelung für den Dienst von Frauen im Bundesheer hineinverpackt, sondern man hat versucht, zusätzliche legistische Änderungen am Wehrgesetz vorzunehmen – dies jedoch, ohne das so zum Ausdruck zu bringen.

Ich meine daher, daß es sinnvoll gewesen ist, nicht nur diesen Namen zu ändern, sondern auch jene Bestimmungen und Änderungsvorschläge herauszunehmen, die nicht unmittelbar mit diesem Thema im Zusammenhang stehen. Kollege Scheibner hat es schon angesprochen: Das Verteidigungsministerium wollte hier dem Parlament etwas unterjubeln. Gott sei Dank war es möglich – mit Unterstützung der SPÖ –, dies hinauszureklamieren, sodaß wir im wesentlichen jetzt nur jene Bestimmungen beraten, die sich originär mit der Frage des Dienstes von Frauen im Bundesheer befassen.

Ich vermisse über diesen Punkt auch eine umfassende gesellschaftspolitische Diskussion. Es hätte zumindest eine solche geführt werden können, wenn die Gepflogenheiten in bezug auf eine Begutachtung in dieser Frage eingehalten worden wären. Seitens des Verteidigungsministeriums hat es nur eine Begutachtung des ursprünglichen Entwurfes gegeben, aber keine Begutachtung der Regierungsvorlage beziehungsweise des ausgehandelten Papiers. Das halte ich für einen Nachteil. Auf der Grundlage der von den Koalitionsparteien ausverhandelten Position hätte eine umfassende gesellschaftspolitische Diskussion Sinn gemacht. Ich bedauere, daß diese Chance nicht wahrgenommen wurde.


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Grundsätzlichen halten wir Liberalen den Dienst von Frauen im Bundesheer für positiv; wir haben uns dafür eingesetzt, weil damit auch den Frauen ein Berufsbild im Rahmen des Heeres eröffnet wird. Dies ist in anderen Armeen bereits üblich, und ich meine daher, daß das, was in anderen Staaten schon seit langem Tradition ist, auch innerhalb des Bundesheeres Sinn macht. Ich habe hier eine Übersicht (der Redner hält ein Broschüre in die Höhe), aus der hervorgeht, daß in allen Armeen der EU-Staaten Frauen die Möglichkeit haben, dort Dienst zu versehen. In Italien ist das noch nicht der Fall, aber es ist dort beabsichtigt, daß im Durchschnitt zwischen 2 bis 8 Prozent der Gesamtstärke der Armee aus Frauen gebildet wird. Insgesamt ist in Europa, vor allem auch in den osteuropäischen Staaten, der Dienst von Frauen in der Armee seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit.

Ich meine, daß damit ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Gleichbehandlung der Frauen gesetzt wird, auch wenn der Heeresdienst einen sehr extremen Berufsbereich darstellt. Ich bin auch der Ansicht, daß das Bundesheer durchaus mit einer gewissen Vorreiterrolle vorausgehen kann, denn wenn innerhalb des Heeres eine entsprechende Berufsmöglichkeit geschaffen sein wird, könnten auch die Berufsmöglichkeiten für Frauen im Bereich der Universitäten oder der Hoheitsverwaltung verbessert werden. Wenn es innerhalb des Bundesheeres gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt, dann wird, so meine ich, dieses Prinzip auch in anderen Bereich verwirklicht werden können. So gesehen hätte das ein sehr wichtiger Schritt sein können. Ich bedauere es, daß diese Chance vertan, vergeben wurde, weil es eben durch diese Regelungen jetzt zu keiner wirklichen Gleichstellung kommt, sondern es wird wieder eine Ungleichbehandlung der Frauen gegenüber den Männern und umgekehrt der Männer gegenüber den Frauen geben. Daher werden wir Liberalen dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir werden das insbesondere aus folgenden vier Gründen nicht tun: Es wird hier erstens absolute Freiwilligkeit normiert; ich werde darauf noch zurückkommen. Auch die bevorzugte Übernahme von Frauen kann nicht in deren Sinne sein. Es gibt nach wie vor einen eingeschränkten Zugang zu den verschiedensten Verwendungsmöglichkeiten, und vor allem gibt es – aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen – eine eigene Dienstbehörde. Es wird auch eine "Nachhollaufbahn" festgelegt, die zum Nachteil der jungen Frauen und derjenigen ist, die eine solche "Nachhollaufbahn" anstreben, weil ja nur eingeschränkte Verwendungsmöglichkeiten vorgesehen sind.

So gesehen muß ich der Sorge des Herrn Generaltruppeninspektors Majcen durchaus beipflichten, die dieser in einem Vortrag vor der Österreichischen Offiziersgesellschaft beziehungsweise der Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik zum Ausdruck gebracht hat, indem er meinte, daß im Bundesheer "Sorge darüber besteht, daß wir anstelle von Soldatinnen auf der Basis gleicher Ausbildung Seiteneinsteigerinnen mit Bevorzugung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen kriegen. Es steht zu hoffen, daß sich diese Sorge als übertrieben erweist und die endgültige Gesetzesformulierung solche Bedenken zerstört." – Zitatende.

Ich kann Herrn Generaltruppeninspektor Majcen nicht beruhigen. Der dafür zuständige Minister hat nichts unternommen, um die Sorgen, die innerhalb des Heeres da sind, zu zerstreuen, und es wird auch keine Änderung dieser Gesetzesvorlage vorgenommen. Es wurde eine Chance vertan, und es gibt keine Möglichkeit für einen gleichberechtigten Dienst von Frauen im Bundesheer.

Ich möchte die vier Punkte, warum wir dem nicht zustimmen werden, ganz kurz begründen. Zunächst zur absoluten Freiwilligkeit: Es wird ein jederzeit möglicher Austritt im Gesetz normiert. Diese jederzeitige Austrittsmöglichkeit steht in klarem Widerspruch zu einer planbaren Dienstleistung, sie führt zu einer Unsicherheit gerade im Zusammenhang mit der Personalbewirtschaftung, und das wird sich letztendlich nachteilig für die Frauen auswirken. Diese jederzeitige Austrittsmöglichkeit steht auch im Widerspruch zum Berufsbild.

Wir Liberalen sagen ja zur Freiwilligkeit, sagen aber auch, daß mit diesem Ja zur Freiwilligkeit die Bereitschaft verbunden sein muß, die mit diesem Berufsbild im Zusammenhang stehenden Pflichten zu übernehmen. Es kann nicht so sein, daß man/frau sich dann, wenn es beispielsweise um die Erfüllung des Kernbereiches des Bundesheeres, nämlich um die militärische


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Landesverteidigung geht, ohne jegliche Vorankündigung oder aus einem wie immer gearteten Grund verabschieden kann. Wir halten das für nicht vertretbar und meinen, daß das eine ganz eklatante Schwäche ist. Wenn jemand nicht akzeptieren will, daß mit dem Dienst im Bundesheer eben diese Aufgabe verbunden ist, soll er beziehungsweise sie sich nicht freiwillig melden. Jene, die sich als Soldatinnen freiwillig zum Dienst im Bundesheer melden, müssen sich darüber im klaren sein, daß das keine Dienstverwendung an irgendeinem Schreibtisch oder etwa mit einer im Finanzamt vergleichbar ist, sondern eine Dienstverwendung in der bewaffneten Macht der Republik, wobei sie letztendlich dazu vorbereitet werden, politische Ziele durch- und umzusetzen und zum Schutz der Gesellschaft allenfalls auch Waffengewalt anzuwenden. Das gehört zum Berufsbild – und dessen müssen sich die Damen bewußt sein. (Abg. Dr. Maitz: Und die Herren!)

Zur bevorzugten Übernahme: Mit der Aufnahme in den Ausbildungsdienst ist automatisch eine Übernahme als Militärperson auf Zeit und in der Folge auch als Berufssoldatin verbunden. Eine bevorzugte Übernahme gilt nicht für Männer. Wenn das nämlich der Fall wäre – Herr Kollege Maitz, da kannst du noch 27 Mal den Kopf schütteln –, dann wäre das unökonomisch. Es gibt für Männer eingeschränkte Übernahmemöglichkeiten. (Abg. Dr. Maitz: Das stimmt halt nicht! Das ist falsch!)

Es ist von Herrn Kollegen Scheibner angesprochen worden: Es gibt einen Aufnahmestopp; die Einheiten haben nur die Möglichkeit, einen oder zwei Soldaten, die sich freiwillig melden, aufzunehmen. Es gibt aber mehr als nur diese zwei Personen, die sich freiwillig zum Dienst als Militärperson auf Zeit, als Zeitsoldat oder als Berufssoldat melden. Für Frauen ist nach dem Ausbildungsdienst automatisch diese Übernahmemöglichkeit garantiert, und daher wird dies zu Mißstimmungen innerhalb des Bundesheeres führen. Das ist nicht im Sinne einer Gleichbehandlung, und das wird sich letztendlich nachteilig für die Frauen auswirken.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Aus diesem Grund wird der Dienst von Frauen innerhalb des Bundesheeres nur sehr eingeschränkte Akzeptanz haben, obwohl ich weiß, daß die Truppe dem Dienst von Frauen beim Bundesheer grundsätzlich positiv gegenübersteht.

Verschärft wird das Ganze noch durch die eigene Dienstbehörde. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum plötzlich das Heeresgebührenamt als Dienstbehörde zuständig ist, während für den anderen Bereich die vorhandenen Dienstbehörden, sprich Korpskommanden, Militärkommanden die diesbezügliche Verantwortung haben. Es sind Nachteile im Zusammenhang mit der Personalbewirtschaftung zu erwarten, und es können auch nicht die Bestimmungen nach dem Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt werden, denn dieses Gesetz sieht ja vor, daß beispielsweise bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt zu übernehmen sind. Wer soll diese Bewertung als gemeinsame Dienstbehörde vornehmen? Da es eben verschiedene Dienstbehörden sind, wird es keine gemeinsame Bewertung geben – und das wird sich letztendlich zum Nachteil für die Frauen auswirken.

Nächster Punkt: eingeschränkter Zugang zum Wehrdienst. Es ist richtig, daß mit der vorliegenden Regelung – das liegt in der Absicht des Verteidigungsministeriums – Frauen die Möglichkeit haben werden, in jeder Waffengattung, mit jedem Dienstgrad und in jeder Funktion Dienst zu versehen, nur nicht im Milizdienst. Und das ist eine ganz, ganz gravierende Einschränkung. Der Milizdienst ist ein zentraler Bereich des österreichischen Wehrsystems, und es ist daher unsinnig, wenn Frauen von diesem zentralen Wehrbereich ausgeschlossen bleiben.

Ich meine, daß gerade der Milizdienst eine sehr wichtige Folgeverwendung nach dem Ausbildungsdienst sein könnte, eine Folgeverwendung, wenn eine Frau aus persönlichen Gründen den aktiven Dienst nicht mehr fortsetzen will – und auch aus ökonomischen Gründen wäre das selbstverständlich besser, weil sonst eben sehr viel an Qualifikationen verlorengeht, wenn Frauen nicht die Möglichkeit haben, Milizdienst zu leisten. Aber auch aus wehrpolitischen Gründen wäre das vernünftiger, weil es ein ganz wichtiger Aspekt sozusagen für die volle Integration des Bundesheeres in der Bevölkerung wäre, wenn auch Frauen Milizdienst leisten dürften. – Aber all das ist leider nicht geschehen, daher nochmals: Hier wurde eine Chance vertan. Die Koalition hat wieder einmal nur eine halbe Lösung gefunden.


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Meine Damen und Herren! Das sind Versäumnisse, die sich insgesamt negativ auf das Bundesheer und auch auf die Landesverteidigung auswirken werden. Und vor allem haben Sie mit dieser Gesetzesvorlage Ihre Absicht, ein weiteres Berufsbild für Frauen zu eröffnen, nicht wirklich erreicht. – Das ist der Grund, warum wir Liberalen dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung nicht geben werden. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wabl: Das ist überraschend!)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anton Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

10.51

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Im Koalititionsabkommen vom März 1996 haben die Regierungsparteien vereinbart, Frauen gleichberechtigte Möglichkeiten von Berufskarrieren beim Bundesheer zu eröffnen. Mit dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer wurde dieser Koalitionsvereinbarung Rechnung getragen. Die gesetzlichen Voraussetzungen ermöglichen es Frauen nunmehr, Dienst im Bundesheer zu tun.

Wir haben uns viele Monate lang sehr ausführlich mit dieser sehr wichtigen und sensiblen Materie befaßt; sie wurde auch in zwei Sitzungen des Landesverteidigungsausschusses ausführlich diskutiert und beraten. Es war uns auch ein Anliegen, daß im Wehrgesetz nur jene Bestimmungen geändert werden, die mit dem Dienst von Frauen im Bundesheer zu tun haben. Damit ist es uns auch gelungen, die die Frauen betreffenden Gesetzesnovellierungen übersichtlicher zu gestalten. Darüber hinausgehende wehrrechtliche Änderungen werden meiner Meinung nach zu einem späteren Zeitpunkt in einem eigenen Wehrrechtsänderungspaket im Zusammenhang mit der Adaptierung der Heeresgliederung zu beschließen sein.

Unsere gemeinsamen Abänderungsanträge bestätigen und beweisen, daß bis zur letzten Minute sehr engagiert und verantwortungsbewußt gearbeitet wurde, daher kann wirklich nicht von einer "Übertölpelung" der Opposition gesprochen werden. Wir stehen für die Öffnung des Bundesheeres für Frauen, denen jetzt die Möglichkeit gegeben ist, die militärische Laufbahn einzuschlagen. Wir stellen aber auch durch gesetzliche Begleitmaßnahmen sicher, daß die Gleichstellung der Soldatinnen mit den männlichen Heeresangehörigen erfolgt und frauenrelevante Voraussetzungen für den Einstieg in diese neue Berufskarriere vorhanden sind.

Der Eintritt von Frauen als Soldatinnen in das Bundesheer findet auf dem Grundsatz der absoluten, jederzeitigen Freiwilligkeit statt. Dieser Grundsatz wird auch dadurch unterstrichen, daß die freiwillige militärische Dienstleistung von Frauen nicht der allgemeinen Wehrpflicht zugeordnet wird, sondern auf einer davon unabhängigen, eigenständigen verfassungsrechtlichen Grundlage beruht. Frauen stehen sämtliche militärischen Laufbahnen und militärischen Verwendungen offen. Das betrifft die Waffengattung, die Funktion und die Dienstgrade. Somit ist auch hier größtmögliche Chancengleichheit sichergestellt. Die ausbildungsmäßigen und dienstlichen Anforderungen an Frauen werden dieselben sein wie jene an Männer.

Das Ausbildungsverhältnis bietet auch volle soziale Absicherung. Nach der zwölfmonatigen Ausbildung ist eine Übernahme in den Bundesdienst vorgesehen. Darüber hinaus wird eine "Nachhollaufbahn" für weibliche Zivilbedienstete des Verteidigungsressorts eröffnet. Es ist daher für mich unverständlich, daß im Zusammenhang mit der parlamentarischen Behandlung dieses Gesetzentwurfes behauptet wird, daß damit "Vorbereitungshandlungen" für einen "schleichenden NATO-Beitritt" stattfinden würden. – Ganz im Gegenteil: Diese österreichische Regelung sieht Karrierechancen vor, die es anderswo nicht gibt, auch nicht in den NATO-Armeen. (Abg. Mag. Kammerlander: Warum ist dann die Friedenssicherung drinnen?)

Heute wurde auch die Milizverwendung angesprochen. – Der Forderung der Liberalen und der Freiheitlichen nach einer Milizlaufbahn für Frauen stehen wir ablehnend gegenüber, und zwar deshalb, weil das Gesetz über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht. (Abg. Scheibner: Die Miliz ist ja auch freiwillig!) Eine Übungsverpflichtung als Milizsoldatin, lieber Kollege Scheibner, wie sie in den Anträgen der Freiheitlichen und Libera


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len enthalten ist, widerspräche ja diesem Prinzip. Daher wird es seitens der SPÖ keine Zustimmung zur Übungsverpflichtung als Milizsoldatin geben. (Abg. Scheibner: Das würde ja auch heißen, daß man Frauen nicht zutraut, selbständig Verträge abzuschließen!) Zu einem späteren Zeitpunkt, so meine ich, wird dies zu diskutieren sein, wenn nämlich die Erfahrungen aus der Berufslaufbahn der Frauen im Aktivstand vorliegen. Ich bin der Ansicht, daß wir uns dann mit dieser Frage beschäftigen sollten.

Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß mit der Öffnung der militärischen Laufbahn für Frauen zusätzliche berufliche Möglichkeiten für Frauen geschaffen werden. Das Bundesheer ist nunmehr aufgefordert, die von uns geschaffenen gesetzlichen Voraussetzungen so zu vollziehen, daß für Frauen, die sich für diese Berufskarriere entscheiden, auch optimale Bedingungen vorhanden sind. – Wir erteilen daher diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grabner: Toni Gaál, bravo!)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

10.57

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, daß es wohl kein Zufall ist, daß alle meine Vorredner männliche Kollegen waren. Es ist ja wohl kein Zufall, daß, wenn es jetzt wirklich um einen so großen Schritt der Frage der Gleichbehandlung geht, hier nicht auch Frauen stehen und reden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gaál und Hans Helmut Moser. ) Darauf werde ich in meiner Argumentation noch zurückkommen. Irgend etwas stimmt da wohl nicht. Ich bin auch der Meinung, daß einige Frauen sehr wohl wissen, daß mit dieser Regierungsvorlage Gleichbehandlung sehr billig verkauft werden soll, und daß da einiges nicht stimmt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gaál. )

Ich möchte jetzt mit grundsätzlichen Punkten beginnen. Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrem Ressort eine Studie mit dem Titel "Frauen und Streitkräfte" veröffentlicht. In dieser Studie wird am Schluß zusammengefaßt und noch einmal das ganze Umfeld dieser Materie betrachtet. Es wird darauf verwiesen, daß die Entscheidung darüber, ob Frauen zum Heer kommen oder nicht, eigentlich erst getroffen werden sollte, nachdem die großen Entscheidungen über die zukünftige Sicherheitspolitik Europas und vor allem Österreichs getroffen sind und nachdem die damit zusammenhängenden Fragen, nämlich der Wehrpflicht, des Berufsheeres oder welcher alternativer Möglichkeiten auch immer, diskutiert und entschieden worden sind. Erst dann sollte nach Ansicht der Verfasser dieser Studie die Frage Frauen zum Heer entschieden werden.

Warum? – Nicht so sehr, weil man das auf die lange Bank schieben will. Das glaube ich gar nicht, nachdem ich diese Studie von Anfang bis Ende gelesen habe – sie ist ja positiv ausgefallen –, sondern weil darin zu Recht darauf verwiesen wird, daß die Vorwegnahme, wenn auch nur eines Details und einer Frage dieses komplexen Zusammenhanges der zukünftigen österreichischen Sicherheitspolitik, unter Umständen Konsequenzen nach sich zieht, unter Umständen politische Weichenstellungen trifft, die sich im nachhinein vielleicht als nachteilig oder eben nicht adäquat herausstellen.

In diesem Zusammenhang sei folgendes gesagt: Es ist ja nicht sichergestellt, daß es bei der Entscheidung um eine zukünftige europäische Sicherheitspolitik und bei einer Beteiligung Österreichs an derselben nicht zu einer Reduktion der Streitkräfte und dann auch zu einer Abrüstung bei der österreichischen Landesverteidigung kommt. Wie ist dann mit der Entscheidung, die wir heute getroffen haben, zu verfahren? Unter welchem Blickpunkt sehen Sie das dann? Und: Wohin führt diese Entscheidung?

Daher ist zuerst die Grundsatzfrage zu stellen, wie die Zukunft der österreichischen Landesverteidigung, wie die österreichische Friedens- und Sicherheitspolitik ausschaut, und erst danach soll die Frage entschieden werden, wie dann die österreichische Landesverteidigung zusammengesetzt sein soll. (Beifall bei den Grünen. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Es ist kein Zufall, daß diese Debatte jetzt geführt wird, denn der Legitimationsdruck, der auf dem österreichischen Bundesheer lastet, steigt. Es ist kein Zufall, daß diese Debatte nicht vor 10, 20 oder 30 Jahren geführt wurde, und zwar nicht deshalb, weil in Fragen der Gleichbehandlung vielleicht noch kein Bewußtsein bestanden hätte, sondern deswegen, weil noch gar kein Wille und keine Notwendigkeit dazu vorhanden waren. Es war vor 30 Jahren oder mehr der Legitimationsdruck auf dem Bundesheer nicht so groß, wie das heute der Fall ist.

Natürlich soll die Akzeptanz des Bundesheeres verbessert werden; das ist mir schon klar. Man hofft, mit der Öffnung des Bundesheeres für die Frauen eine größere Beliebtheit des Bundesheeres zu erreichen. Ich frage mich allerdings, ob es auf diese Art und Weise geschehen soll – das ist eine Zeitschrift, die der Denkweise der ÖVP entspricht, die aus dem Umfeld der ÖVP kommt (die Rednerin hält eine Zeitschrift in die Höhe)  –, ob die Akzeptanz des Bundesheeres in dieser Art und Weise verbessert werden soll. Ich frage mich, ob das Bundesheer dann populärer sein wird.

Ich hätte Ihnen auch unzählige Karikaturen und Photos aus der "Kronen Zeitung" bringen können, aber dann hätten Sie natürlich gesagt: Das kennen wir, die "Kronen Zeitung" veröffentlicht immer wieder so etwas! Aber die "Kronen Zeitung" ist das am meisten gelesene Blatt in Österreich, und da wird Bewußtsein geschaffen, da werden Bilder geschaffen, auch Bilder, die zeigen, was es heißt, wenn Frauen in Zukunft zum Bundesheer gehen und wie das eine Männergesellschaft auffaßt.

Es ist kein Zufall, daß wir heute eine Regierungsvorlage hier vorliegen haben, bei der Sie vorgeben, es würde um Gleichbehandlung gehen, bei der meine Vorredner – mit Ausnahme eines Vorredners – hier unisono beteuerten, es werde damit eine Berufslaufbahn für Frauen geöffnet. – Das stimmt nicht, und das wissen Sie ganz genau!

Es gibt kein Berufsbild für Frauen beim Heer. (Abg. Murauer: Was machen wir dann heute?) Das gibt es schon deswegen nicht, weil Sie einen freiwilligen Ausbildungslehrgang, einen Ausbildungsdienst einrichten und weil es nach diesem Ausbildungsdienst keinerlei Verpflichtung gibt, daß sich das, was die Frauen in einem Jahr beim Bundesheer lernen, in einem Beruf fortsetzt. Außerdem wissen Sie ganz genau, daß das Landesverteidigungsministerium Planstellen einsparen muß, deren Zahl reduzieren muß. Sie wissen ganz genau, daß Einsparungen auf der Tagesordnung stehen. Sie als Männer diskutieren dann, wenn es um die Schließung von Kasernen geht, wieder ganz heftig und emotionell. (Abg. Dr. Maitz: Gruselgeschichten nehmen ihre Fortsetzung! Grausliche Geschichten!) Sie wissen ganz genau, daß es jetzt schon Schwierigkeiten für die im Bundesheer vorhandenen Beschäftigten gibt. Sie wissen ganz genau, daß es immense Schwierigkeiten für die weiblichen Beschäftigten im Bundesheer geben wird, die aufgrund dieses Gesetzes zu Recht darauf hoffen, endlich eine adäquate Berufskarriere fortsetzen zu können. Es ist keine Rede davon – keine Rede davon!; das sei Ihnen allen ins Stammbuch geschrieben –, daß für Frauen damit ein neues Berufsbild eröffnet wird beziehungsweise neue Berufsmöglichkeiten geschaffen werden. (Abg. Dr. Maitz: Selbstverständlich! Was denn sonst?)

Wenn es noch irgendeines weiteren Beweises dafür bedarf, möchte ich noch einmal aus der Studie des Landesverteidigungsministeriums zitieren, in welcher in der Zusammenfassung angeführt wird, daß es für einen ersten Schritt des Zuganges von Frauen zum Bundesheer ratsam wäre, wenn die Frauen nicht gleich allzuviel anstrebten. – Na wunderbar! Man öffnet das Bundesheer für Frauen und gibt ihnen gleich zu Beginn den Rat mit: Strebt nicht zu viel an, denn das wird nicht gespielt! – Nachzulesen in einer Studie des Landesverteidigungsministeriums. (Abg. Scheibner: Da gibt es viele Studien!)

Es gibt viele Studien, das ist richtig, aber das ist die einzige zu dieser Materie, was übrigens auch interessant ist. (Abg. Dr. Maitz: Auch das ist falsch!) Es steht darin auch, daß es nicht allzu viele Einsatzfelder für Frauen gibt. Aber Sie, Herr Minister Fasslabend, geben vor und haben immer wieder vorgegeben, es würde unzähligen Frauen im Bundesheer die Möglichkeit eröffnet werden, einen Beruf zu ergreifen. Sie verschweigen jedoch, daß es nur um einige wenige geht, die da einsteigen können.


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Folgendes ist auch ganz markant an dieser Regierungsvorlage: Mit Gleichbehandlungspolitik hat das überhaupt nichts zu tun! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Das Gleichbehandlungsgesetz gilt auch für Sie, Frau Kammerlander!)

Fangen wir an bei der Sprache! Sie haben trotz massiver Kritik im Begutachtungsverfahren seitens verschiedenster Ministerien, verschiedenster Stellen und Einrichtungen keine sprachliche Gleichstellung vorgenommen. Dieses Gesetz ist männlich abgefaßt, ist männlich gedacht, und ich glaube, ich muß Sie nicht noch einmal darauf hinweisen, daß Sprache das Bewußtsein bildet und daß Sprache die Voraussetzung dafür ist, daß sich etwas ändert, daß sich etwas im Empfinden und in der Auffassung auch der Männer ändert und daß es nicht bei dem Bild bleibt, das Männer von Frauen haben, wenn diese in Berufe eindringen, die bisher nur Männern vorbehalten waren.

Noch einmal: Die Sprache ist die erste Voraussetzung dafür, daß sich etwas ändert! (Beifall bei den Grünen.) Sie haben jedoch keine sprachliche Gleichstellung vorgenommen, Sie haben das Wehrgesetz durchgehend so belassen, wie es in seiner Formulierung war, inklusive der Berufsbezeichnungen, wie beispielsweise Wachtmeister oder Hauptmann , der Soldat, der Wehrpflichtige. Es gibt keine weiblichen Bezeichnungen in diesem Gesetz! Das alles ist kein Zufall!

Es gibt eine Studie des Frauenministeriums – schon vor längerer Zeit in Auftrag gegeben –, im Rahmen derer die Situation in vergleichbaren acht ausgewählten Streitkräften in Europa und in den Vereinigten Staaten untersucht wurde. Wissen Sie, was dabei herausgekommen ist? – Daß gerade beim Heer, daß gerade beim Militär – ganz egal, in welchem Land – die in unserer Kultur latent vorhandene Abwertung von Weiblichkeit eine extreme Verschärfung erfährt. Das ist nicht von der Hand zu weisen, das können Sie nicht vom Tisch wischen, da können Sie nicht einfach sagen: Das werden wir schon sehen!

Es geht noch weiter. Es steht in dieser Studie, daß es dem Charakter einer Einrichtung wie dem Militär immanent ist, daß in diesem eine Abwertung von Weiblichkeit geschieht, weil es – das Militär und auch die Polizei – einer der letzten großen Männerbünde ist, und zwar in allen Ländern. Weil das Militär einer der letzten großen Männerbünde ist, ist dort die Diskriminierung bis hin zu sexueller Belästigung besonders kraß und besonders scharf. (Abg. Dr. Maitz: Lauter Unsinn, was Sie da sagen!)

Des weiteren fällt in dieser Studie auf, daß es in keinem Militär, in welchem Frauen schon ihren Dienst leisten können, zu einer wirklich gleichberechtigten Berufslaufbahn gekommen ist. In keinem einzigen! (Abg. Dr. Maitz: Horror- und Gruselgeschichten, sonst haben Sie nichts zu bieten!)

Es ist mir schon klar, daß Sie als Mann und daß die Redner da heraußen das abwehren. Das ist meiner Ansicht nach jedoch überhaupt keine Begründung. Es ist Tatsache: In Amerika sind von fast 1000 Generälen nur elf Frauen Generäle. Was sagen Sie dazu?

Wir kennen diese Situation aus den Bereichen des öffentlichen Dienstes. Dort gibt es den gläsernen Plafond. Es gibt ihn bereits in unzähligen Bereichen. Je höher die Dienstgrade, desto mehr Schwierigkeiten für Frauen. Noch schwieriger wird es im Bereich der Landesverteidigung sein.

Warum werfe ich Ihnen das vor? – Sie können sich ja darüber aufregen! – Weil Sie keine Maßnahmen getroffen haben, weil Sie keine Vorsorge getroffen haben, weil Sie, wie es das Gesetz ja zeigt, gar nicht vorhaben, tatsächlich eine Gleichbehandlung zu erreichen beziehungsweise vorzunehmen, denn sonst hätten Sie bei der Sprache begonnen und dort fortgesetzt, wo es um die Berichtspflicht des Ministers geht, und hätten nach den Kriterien, die wir längst einstimmig festgelegt haben, genau festgelegt, was ein Gleichbehandlungsbericht zu umfassen hat, welche Kriterien darin enthalten sein müssen, damit wir Frauen evaluieren können, was sich in diesem Bereich für Frauen tatsächlich geändert und verbessert hat.


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Aber es ist diesbezüglich nichts festgelegt. Es wird einmal im Jahr ein Bericht gemacht. Wir werden überhaupt nichts feststellen können – außer, wie viele Frauen beschäftigt oder im Ausbildungslehrgang sind. Mehr wird darin nicht enthalten sein, weil Sie das Ganze nicht ernst meinen. (Abg. Kröll: Geben Sie einmal eine Chance den Frauen! – Abg. Dr. Maitz: Geben Sie doch zu, daß Sie dagegen sind! Das reicht völlig!)

Meine Damen und Herren! Sie haben sich nicht damit befaßt, daß es möglicherweise am Arbeitsplatz, bei der Berufslaufbahn zu mehr Diskriminierung kommen wird, auch zu mehr sexueller Diskriminierung, und Sie haben nicht dafür gesorgt, die dafür zuständigen Einrichtungen zu stärken. Es ist eine alte Forderung von uns Grünen, daß die Gleichbehandlungsbeauftragten in den Ministerien weiter zu stärken, auszubauen sind, und zwar in dem Sinn, daß sie tatsächliche Vertretungsbefugnis haben. Nichts derlei ist geschehen! Sie haben sich auch damit nicht befaßt, wie die Beschwerdekommission in Zukunft mit diesen Fragen umgehen wird, außer, daß Sie Appelle gerichtet haben, es mögen in Zukunft auch ein paar Frauen in dieser Kommission sein.

Das alles – vor allem daß darin kein Berufsbild vorhanden ist – ist erbärmlich wenig! Noch einmal: Es ist ein Rückschritt in der österreichischen Gleichbehandlungspolitik! (Beifall bei den Grünen.) Ich bin mir sicher, daß ich Ihnen das in einem Jahr beweisen werden kann.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß noch einmal zur Frage: Warum haben Sie das Ganze gemacht? – Nicht nur deshalb, weil der Legitimationsdruck auf das Bundesheer so groß ist, nicht nur deswegen, weil Sie geglaubt haben, Sie müßten für das Bundesheer eine höhere Akzeptanz schaffen, sondern auch deshalb, weil Sie damit wieder einen Schritt in Richtung NATO-Tauglichkeit machen. Dieses Ziel ist in Wahrheit in diesem Gesetz versteckt.

Das ist einer meiner großen Vorwürfe: In diesem Gesetz haben Sie die Funktionsbestimmung des Bundesheeres ausgeweitet: Sie haben sie ausgeweitet im § 2 Abs. 1 lit. d, indem Sie schreiben (Abg. Dr. Maitz: Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung!), daß das Bundesheer in seiner Funktion nun auch für die Maßnahmen der Friedenssicherung im Ausland da ist. (Abg. Dr. Maitz: Im Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung!) Das ist etwas anderes als das Entsendegesetz. Während im Entsendegesetz darauf hingewiesen wird, daß die Friedenssicherung nur im Rahmen internationaler Organisationen stattfinden kann, soll und darf, es also festschreibt, in welchem Rahmen Friedenssicherung stattzufinden hat, geht es hiebei nicht um die Entsendung von Truppen ins Ausland, sondern um den Charakter des Bundesheeres, um die Funktionsbezeichnung des Bundesheeres. Hier wird plötzlich aus dem Bundesheer eine Interventionsarmee. Es wird durch § 2 aus dem Bundesheer eine Interventionsarmee, weil Sie da hineinschreiben: "zur Friedenssicherung im Ausland". (Abg. Dr. Maitz: Solch einen Blödsinn habe ich schon lange nicht gehört! Die Verfassung gilt auch für Sie, Frau Kammerlander!)

Wenn Sie das vergleichen anhand aller NATO-Dokumente, wenn Sie das vergleichen anhand aller Beschlüsse auf NATO-Gipfeln, dann wissen Sie ganz genau, wohin der Zug fährt. Natürlich gibt es keine Bedrohungen mehr auf dem europäischen Kontinent, die eine hochgerüstete Armee noch rechtfertigen würden, aber es gibt die Notwendigkeit, den Zugang zu den Ressourcen in außereuropäischen Ländern abzusichern – auch vor Bürgerkriegen, auch vor Unruhen und auch vor Kriegszuständen, die in diesen Ländern herrschen. Wenn man das aus diesem Gesichtswinkel heraus betrachtet, dann braucht man natürlich eine Funktionsbezeichnung des Bundesheeres, die einer NATO-Tauglichkeit gerecht wird.

Auch bei der NATO – lesen Sie die Papiere! – geht es längst um "Out-of-area-Einsätze", geht es längst um Aktionen, die unter dem Deckmantel "Friedenssicherung" in Zukunft verstärkt durchgeführt werden sollen. Zu all dem haben Sie offensichtlich, weil Sie das anders nicht durchbringen konnten, die Frauen gebraucht, für die Sie das Bundesheer geöffnet haben, damit Sie einen Titel für Ihre Maßnahmen haben. Sie hatten ja noch viel mehr vor – und haben das dann nach der großen Kritik, die gekommen ist, gestrichen. Sie haben offensichtlich einen Titel gebraucht, eine für Sie offensichtlich populäre Maßnahme, und daher haben Sie das Bundesheer für die Frauen geöffnet. Damit haben Sie aber einen Rückschritt in der Gleichstellungspolitik erreicht.


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Meine Damen und Herren! Sie haben damit das Bundesheer wieder einen Schritt näher an die NATO gerückt und NATO-tauglicher gemacht. Aber Sie geben den Frauen draußen, die all diese Debatten nicht verfolgen können, ein völlig falsches Versprechen ab. (Abg. Dr. Maitz: Eine lebhafte Phantasie hat die Frau Kollegin!) Dafür mache ich Ihnen den größten Vorwurf! Sie geben den Frauen das Versprechen, es würden dadurch tatsächlich dringend benötigte Arbeitsplätze geschaffen werden, was aber nicht der Fall ist, da gleichzeitig die Zahl der Planstellen reduziert wird. Die Rechnung dafür, meine Herren, werden Sie sicher spätestens bei der Berichtslegung durch den Minister präsentiert bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

11.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr ist Herr Bundesminister Dr. Fasslabend zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

11.17

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Heuer vor genau 100 Jahren hat Gabriele von Possanner als erste Frau Österreichs an der Universität Wien den Doktor der gesamten Heilkunde erreicht; erkämpft muß man sagen. Sie mußte damals alle Prüfungen, obwohl sie den Doktortitel der Züricher Universität bereits hatte, noch einmal ablegen, weil man ihr nicht zutraute, tatsächlich alle Fähigkeiten und Befähigungen dazu mitzubringen.

Ich freue mich, daß genau 100 Jahre danach heute ein weiterer Meilenstein auf dem Wege der Gleichberechtigung für alle Frauen erreicht wird, indem die letzten Diskriminierungen, was den Zugang zu bestimmten Berufen betrifft, beseitigt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist meiner Überzeugung nach nicht nur ein Tag des Erfolges und der Freude für die Frauen, sondern für alle Anhänger einer offenen Gesellschaft, die Menschen nicht danach beurteilen, welcher Rasse oder welcher Religion sie angehören oder welchen Geschlechts sie sind, sondern nach deren Fähigkeiten, nach deren Neigungen, nach deren Charakter beziehungsweise nach deren Leistungsbereitschaft. Insofern ist der heutige Tag ein Freudentag für uns alle.

Meine Damen und Herren! Wir sind in der Geschichte der Gleichberechtigung von Mann und Frau in den letzten Jahrzehnten immer wieder auf Schwierigkeiten gestoßen. Das war nicht nur bei Gabriele von Possanner so, sondern das war auch bei der Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1919 so, das war auch bei Grete Rehor so, als sie die erste Ministerin in einer Bundesregierung geworden ist, das war auch bei Marga Hubinek so, als mit ihr zum erstenmal eine Frau in das Präsidium des Nationalrates gelangt ist, das war auch bei Liese Prokopp so, als sie Landesrätin in Niederösterreich geworden ist, und das war auch bei Waltraud Klasnic so, als sie als erste Frau Landeshauptmann geworden ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hans Helmut Moser: Und Heide Schmidt als Präsidentin!)

Es ist das immer ein Weg, der von Vorurteilen, von Halbwahrheiten, von Unterstellungen und von Unsinnigkeiten auf der einen Seite gesäumt ist, aber auf der anderen Seite von einer Zielstrebigkeit, auch von einer Hartnäckigkeit und von einem Geschick, doch das Recht, das zweifellos vorhanden ist, durchzusetzen, gekennzeichnet ist. Ich fühle mich auch bei dieser Diskussion hier in diesem Hohen Hause an so manche Situation im Laufe der Diskussionen der letzten Jahre erinnert.

Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht zum erstenmal, daß ein System eingeführt wird, in dem auch Frauen Zugang zu einer Armee haben. Fast alle westeuropäischen Staaten haben bereits ein derartiges System. Auch dort gibt es eine Fülle systembedingter Bestimmungen, die auf der einen Seite Gleichberechtigung ermöglichen, aber auf der anderen Seite auch gewisse systembedingte Differenzierungen enthalten. Genauso ist es in diesem Fall.

Ich freue mich, daß Frauen in Zukunft, und zwar ab 1. Jänner nächsten Jahres, Zugang zu allen militärischen Funktionen in allen militärischen Bereichen haben, daß sie gleichberechtigt wie Männer Unteroffiziere oder Offiziere werden und ihre Fähigkeiten und Neigungen auch dem Heer entsprechend zur Verfügung stellen können. Ich erwarte mir davon eine weitere Verbesserung der Leistungsfähigkeit unserer Armee. (Beifall bei der ÖVP.)


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Diese Diskussion war am Anfang dadurch gekennzeichnet, daß man unterstellt hat, man wolle auf dem Umweg doch eine Wehrpflicht für die Frauen einführen. In ganz Europa gibt es das nicht. Es gibt in den meisten Staaten Europas Wehrpflicht für Männer und den freiwilligen Zugang zum Heer für Frauen.

Bei uns jedoch hat man so getan, als gäbe es das zum ersten Mal, als ob man das erst erfinden müßte! Man hat so getan, als müßte man bei dieser Diskussion wirklich bei null anfangen. So war es aber nicht, sondern wir können auf Modelle zurückgreifen und können sagen, daß Frauen beim Heer selbstverständlich die gleichen Rechte und die gleichen Pflichte wie Männer haben müssen. Selbstverständlich müssen Frauen diesen Beruf genauso ergreifen oder auch beenden können, wie Männer das tun. Ich möchte auch betonen, daß es keine besonderen Vorrechte oder etwas anderes gibt, was nicht in anderen Gesetzen, wie zum Beispiel dem Gleichbehandlungsgesetz, selbstverständlich bereits normiert ist. Alles andere ist in gleicher Art und Weise anzurechnen und in gleicher Weise als Maßstab anzulegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich in der Diskussion dann weiters herausgestellt, daß überlegt wurde, ob denn Frauen überhaupt diese Fähigkeit haben, bestimmte Leistungen zu erbringen, bestimmte militärische Funktionen ausüben zu können.

Wenn man daran denkt, daß in bestimmten Bereichen, etwa im Sanitätsbereich, im Fernmeldebereich, aber auch im zivilen Leben fast 80, 90 Prozent dieser Funktionen von Frauen ausgeübt werden, dann kann man sich nur darüber wundern, daß man den Frauen den Zugang zum Heer verwehren wollte und ihnen diese Tätigkeiten gerade im militärischen Bereich nicht erlauben wollte. Daß man mit allen möglichen Argumenten – fast hätte ich gesagt: mit allen "Mätzchen" – verhindern wollte, daß die Frauen diesen Zugang erreichen und eine gleichberechtigte Berufslaufbahn einschlagen können, gehört offensichtlich zu den typischen Verhaltensmustern einer derartigen Diskussion.

Aber jetzt ist es soweit, und zwar auch innerhalb der vorgesehenen Zeit. Wir haben bereits vor geraumer Zeit gesagt: Ab 1. Jänner nächsten Jahres sollen Frauen diesen freien Zugang zum Heer haben. – Die entsprechenden Vorbereitungen laufen bereits. Es gibt über 400 Anmeldungen von Frauen, die Interesse daran haben, Dienst beim Bundesheer zu leisten, und sie werden diesen Dienst nach den gleichen strengen Vorschriften, Untersuchungen und Überprüfungen antreten beziehungsweise eine Berufslaufbahn beim Heer wie die Männer ergreifen können. Nicht mehr und nicht weniger, nicht besser und nicht schlechter als die Männer!

Das wesentliche dabei ist, daß wir die Möglichkeit bieten – in der heutigen Gesellschaft eigentlich eine Selbstverständlichkeit –, daß wir selbstverständlich auch alle Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Frauen die entsprechenden Funktionen auch ausüben können.

Es wird noch eine Weile dauern, bis die erste Frau auch die Militärakademie – nach einer mehrjährigen Offiziersausbildung, so wie alle anderen Offiziere auch – absolviert haben wird. Das gleiche gilt für die Heeresunteroffiziersakademie und für andere Einrichtungen des Heeres. Aber der Weg wird offen sein, und er war dadurch gekennzeichnet, daß sich eine Gruppe von Frauen nicht daran hindern hat lassen – auch nicht von sogenannten Vertreterinnen des eigenen Geschlechts –, für ihr eigenes Recht zu kämpfen, sich auch durchzusetzen und diesen Weg zu gehen. Ich habe diesen Weg sehr gerne unterstützt, weil ich glaube, daß es notwendig ist, jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, sein Leben nach seinen Fähigkeiten und Neigungen zu gestalten – und ihn nicht von vornherein auszuschließen.

Ich freue mich darüber, weil ich auch bei anderen Armeen feststellen konnte, wie engagiert Frauen sind, wenn sie sich dazu entschlossen haben, einen derartigen Beruf auszuüben. Frauen werden in diesem Beruf auch genauso kündigen können wie Männer, wie Berufsoffiziere das heute tun können, selbstverständlich auch auf gleicher rechtlicher Grundlage. Der einzige Unterschied, den es gibt, ist, daß Männer ihre Karriere beim Heer aufgrund der Wehrpflicht in Österreich starten, während Frauen das auf Basis der Freiwilligkeit tun.

Wir werden alles dafür tun, damit die Frauen nicht nur ordnungsgemäß, sondern sogar so gut in das österreichische Bundesheer integriert werden können, daß das in wenigen Jahren bereits


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eine Selbstverständlichkeit sein wird, so wie in der amerikanischen, der belgischen oder auch der deutschen Armee.

Auch in Deutschland ist der Zugang für Frauen auf bestimmte Bereiche beschränkt, so wie bei uns bis jetzt noch der Zugang zur Miliz ausgeschlossen ist, und auch in der Schweizer Armee gibt es nur ganz bestimmte Bereiche, die Frauen zugänglich sind. Es gibt etliche Staaten, in denen es derartige Beschränkungen gibt. Das heißt, Österreich unterscheidet sich da in keiner Weise negativ von den anderen Staaten, sondern ganz im Gegenteil: Wir bieten sogar mehr Möglichkeiten als die meisten anderen Staaten an. Das wollen wir auch und werden das mit aller Konsequenz durchsetzen, so wie sich die Frauen durchgesetzt haben mit ihrer Konsequenz bei der Verfolgung des Zieles, auch das österreichische Heer und damit das Feld der Sicherheit für Österreichs Frauen für die Zukunft zu öffnen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hums. )

11.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.25

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Einige kurze Anmerkungen. Zunächst sei im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Bundesministers in Erinnerung gebracht, wie schwierig der Weg von Gabriele Possanner bis zum Frauenausbildungsgesetz tatsächlich war. Es ging um die Verweigerung des Zuganges zum Beruf. Im Anschluß an das seinerzeitige Begehren von Possanner hat ein hoher Vertreter der hohen Schulen gefragt: Wo kämen wir denn hin, wenn Frauen Ärztinnen, Anwältinnen, Generalinnen und Priesterinnen werden wollten?! – Herr Bundesminister! Sie haben einen Schritt dazu beigetragen, daß wir Punkt eins, zwei und drei erfüllt haben – vier noch nicht, da gibt es eine andere Zuständigkeit! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Bischöfe!)

Noch kurz zu den Vorrednern der Oppositionsparteien, speziell zu Frau Mag. Kammerlander, die sich schon von dieser Debatte zurückgezogen hat. Ich halte es nicht für sehr mutig, im Grunde das Bundesheer abzulehnen, aber hier so zu tun, als wäre an dieser Regierungsvorlage, an diesem Gesetz irgend etwas zu bemängeln, nur um nicht "Ich lehne es grundsätzlich ab!" sagen zu müssen. Ich halte das nicht für sehr mutig. Und noch etwas: Ich gehe nicht davon aus, daß das Bundesheer mit dem Eintritt der Frauen sehr bald zu einem kuschelpädagogischen, gruppendynamischen Seminar werden wird. (Heiterkeit.) Uns steht vielmehr ein langer Transformationsprozeß vom Heer zu einer echten Berufsorganisation bevor. – Soviel sei dazu gesagt.

Zusammenfassend darf ich sagen: Ich freue mich, daß Österreich im Konzert mit europäischen und anderen Streitkräften nun auch den Frauen den Zugang zum Heer als Berufschance und nicht als Wehrverpflichtung ermöglicht, und sich damit abgrenzt etwa vom Modell Deutschland, wo die Frauen für den Musik- und den Sanitätsdienst zugelassen werden – hauptsächlich Sanität und wenig Musik; ich habe mich erkundigt –, und von Israel, wo es einen verpflichtenden Wehrdienst für Frauen gibt.

Österreich bewegt sich da durchaus auf europäischem Niveau. Ich denke, daß unser Weg ein guter Weg ist und, Frau Mag. Kammerlander, im wesentlichen auch in der Micewski-Studie empfohlen wird. (Die Rednerin hält ein Buch in die Höhe.) Ich weiß nicht, ob ich angesichts der knappen Redezeit noch dazu kommen werde, Ihnen die entsprechende Passage vorzulesen.

Ich frage mich auch: Wo liegt noch eine weitere Chance beziehungsweise Notwendigkeit für Frauen? – Wir stehen heute vor anderen Bedrohungsszenarien, als sie noch vor kurzer Zeit gegeben waren. "Die Situation ist gekennzeichnet" – um mit Micewski, dem Studienautor, zu sprechen – "nicht mehr durch eine potentielle Konfrontation zweier antagonistischer militärischer Blocksysteme, sondern" – ich zitiere weiter – "zahlreiche instabile Zonen und Konfliktregionen, sodaß wir daher von multidimensionalen Herausforderungen und diversifizierten Bedrohungsspektren sprechen können." – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Das eröffnet den Frauen – wenn auch anfangs wahrscheinlich nur wenigen – die Chance, mit all ihrer Kompetenz in diesen Bedrohungsspektren zu arbeiten, und


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zwar in der Analyse, in der Entwicklung von Strategien und in der Sicherung von zivilen und ökologischen Lebensgrundlagen. Ich bin überzeugt davon, daß es Frauen gibt, die gewissermaßen in den Startlöchern stehen und diese Berufschance ergreifen werden. Daß sie das auf der Ebene der Freiwilligkeit tun können und aus diesem Berufsverhältnis, wie aus dem Bundesdienst auch, jederzeit ausscheiden können, das ist – in Richtung FPÖ gemünzt – kein Problem für die Berufsorganisation. Denken Sie nur an die Polizei, dort ist es genauso: Auch Frauen können dort aus einem Bundesdienstverhältnis jederzeit ausscheiden.

Was mir als Bildungspolitikerin auch noch besonders gefällt, ist der Aspekt des lebenslangen Lernens. Frauen, die bereits im Landesverteidigungsministerium arbeiten, können in einer Nachhollaufbahn sozusagen quereinsteigen und sich auf diese Art und Weise noch beruflich verändern. Ich möchte gleichzeitig darauf aufmerksam machen, daß wir die Information darüber entsprechend ankurbeln müssen, weil sich die Interessentinnen bis Ende 1998 melden müssen, um von diesem Angebot Gebrauch machen und danach auf die entsprechende Entlohnung kommen zu können.

Meine Damen und Herren! Maria Rauch-Kallat, Rosemarie Bauer, Edeltraud Gatterer und andere ÖVP-Frauen haben sich als Soldatinnen kurzzeitig im Feld erprobt. Sie haben Erfahrungen gesammelt und darüber sehr ernsthaft und ehrlich berichtet. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Bundesminister Fasslabend hat mit der Regierungsvorlage dem Ausschuß, dem Parlament eine Vorlage vorgelegt, die ausführlich diskutiert wurde, die die Möglichkeit zu einer weiteren soliden Entwicklung eröffnet und schließlich zu einem guten Ergebnis geführt hat. Ich bedanke mich dafür. Frauen, die es nützen wollen, haben jetzt die Chance dazu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Apfelbeck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.30

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir finden heute die Frau im öffentlichen Leben Österreichs überall gleichberechtigt neben dem Mann, nur nicht im österreichischen Bundesheer, zumindest bisher nicht.

Die Eingliederung in das Wirtschaftsleben hat sich deshalb vollzogen, weil unsere Wirtschaft ohne die "Arbeitskraft" Frau ihre Aufgabe nicht erfüllen konnte. Nur das österreichische Bundesheer konnte bisher auf Frauen verzichten.

Wenn wir das Bild der berufstätigen Frau in Beziehung zum Mann bringen, so können wir feststellen, daß die Frau sowohl als Untergebene als auch als Vorgesetzte aufgrund ihrer Leistungen von den Männern voll anerkannt wird. Das österreichische Bundesheer konnte oder wollte aber bis jetzt auf uns Frauen verzichten. Nur dem Umstand, daß es zu wenig männliche Anwärter für das Bundesheer gibt, ist es zu verdanken, daß sich die Tore des Bundesheeres nun auch für Frauen öffnen. Wie öffnen sich aber diese Tore? – Den Frauen wird zum Beispiel die Tätigkeit als Milizangehörige verweigert. Wertvolle Ausbildungszeit und Geld der Steuerzahler gehen dadurch verloren, daher werden wir diesbezüglich einen Abänderungsantrag einbringen.

Wir Freiheitlichen waren schon immer für Frauen beim Bundesheer, so wie wir immer zu unserem Heer gestanden sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das kann man nicht von allen Fraktionen hier im Hohen Haus behaupten. Wir Freiheitlichen haben etwa schon zu einem Zeitpunkt Frauen in den Landesverteidigungsausschuß entsandt, als die Frauen von der SPÖ noch über die Sinnhaftigkeit unseres Heeres nachdachten. Meine Fraktion hat zum Beispiel mich als einzige und erste Frau Österreichs auf einen Flugzeugträger entsandt. Ich frage Sie: Wo waren denn damals die Frauen der anderen Parteien? – Sie durften nicht, weil die Männer dort den Vortritt hatten!


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Meine Damen und Herren! Nahezu alle Armeen der Welt haben Frauentruppen. Sie setzen dabei auf die geschickte Hand der Frau, sie setzen auf den wachen Sinn der Frau, und sie setzen auf ihre Verläßlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Nur Österreich konnte es sich bisher leisten, auf den Einsatz von Frauen im Rahmen des Bundesheeres zu verzichten. Die Schweiz, Schweden und Dänemark sind außerordentlich bemüht um ihre Frauen. (Abg. Leikam: Die Österreicher auch!) Herr Kollege! Das war lange Zeit nicht so, erst jetzt bemüht man sich in Österreich um die Frauen, aber auch nur deswegen, weil wir zu wenig Männer haben. Deswegen dürfen jetzt wir Frauen einspringen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In den USA sind seit 1948 weibliche Soldaten Bestand der drei Teilstreitkräfte. Es gibt in den USA für die Frauen keine Wehrpflicht oder Dienstverpflichtung: Die Frauen dienen freiwillig, und zwar im Frieden wie im Krieg. Sie genießen im Dienst keine Sonderrechte. Sie sind entsprechend ihrem Rang und ihrer Stellung Vorgesetzte oder Untergebene ihrer männlichen Kameraden. Sie haben die gleichen Dienstgradabzeichen, die gleiche Besoldung, die gleiche Ausstattung und Versorgung wie die Männer. Bei uns müssen eigene Dienstposten für die Frauen reserviert werden.

Wir Freiheitlichen sind für gleiche Rechte und Pflichten, die für Mann und Frau gleichermaßen Gültigkeit haben. Die Aufnahmebedingung in den USA ist das Abschlußzeugnis einer höheren Schule, was ich persönlich als völlig richtig empfinde. Auch bei uns sollte man eine schulische Ausbildung als Mindestanforderung bei der Aufnahme einführen, und zwar bei Mann und Frau.

Auch in England dienen seit 1946 Berufssoldatinnen und Soldatinnen auf Zeit. Neben den regulären Streitkräften verfügt England über zwei Reserveorganisationen: die Territorialarmee und die Armee-Notstandsreserve, denen auch Frauen angehören. Nur Österreich verzichtet auf Frauen als Milizsoldatinnen. Schweden und Dänemark haben seit dem Jahre 1953 sogar ein eigenes weibliches Fliegerkorps. Israel ist das einzige Land – Frau Kollegin Brinek hat das schon angesprochen –, das die allgemeine Wehrpflicht für Frauen eingeführt hat, und zwar mit einer aktiven Zeit von zwei Jahren und der Verpflichtung, bis zum 35. Lebensjahr zusätzlich mindestens zwölf Tage pro Jahr Dienst zu leisten.

Zusammenfassend ist zu sagen: Moderne Armeen können nicht mehr auf die Frauen verzichten, auch nicht das österreichische Bundesheer. Frauen besitzen die Fähigkeit – nach entsprechender Ausbildung –, eine Vielzahl von Aufgaben zu übernehmen. Dies wird in nächster Zukunft auch geschehen und sollte vom österreichischen Bundesheer endlich anerkannt werden. Grundvoraussetzung ist meiner Ansicht nach allerdings, daß der Einsatz von Frauen auf freiwilliger Basis erfolgt.

Frau Kollegin Kammerlander! Zu Ihrer Frage, warum es nur elf weibliche Generäle in den USA gibt: Die Aufnahmebedingungen für Frauen in der US-Armee schreiben vor, daß man unverheiratet und kinderlos sein muß. Außerdem wird man im Falle einer Schwangerschaft aus der Armee entlassen – in vollen Ehren selbstverständlich. Bei uns gibt es Gott sei Dank den Mutterschutz, aber die USA stellen die Frau, die Mutter, die Familie vor die Armee.

Meine Damen und Herren! Abschließend bringe ich den bereits erwähnten Antrag ein. Er lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ute Apfelbeck, Herbert Scheibner und Kollegen zum Bericht des Landesverteidigungsausschusses (1037 der Beilagen) zur Regierungsvorlage (915 der Beilagen) "Gesetz über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer" (GAFB)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Ausschußbericht wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 3 wird in Z. 1 das Inhaltsverzeichnis durch die Einfügung des § 46d geändert, der wie folgt lautet:


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"§ 46d. Milizdienst für Frauen"

2. In Artikel 3 tritt in der Ziffer 16 im ersten Satz an die Stelle der Wortfolge "... sechs Monate ..." die Wortfolge "... zwölf Monate ...".

3. In Artikel 3 wird in Z. 23 der erste Satz geändert, der wie folgt lautet:

"23. Im zweiten Hauptstück wird nach § 46 folgender 6. Abschnitt mit den §§ 46a bis 46d, jeweils samt Überschrift eingefügt."

4. In Artikel 3 wird in Z. 23 ein neuer § 46d eingefügt, der wie folgt lautet:

"Milizdienst für Frauen

§ 46d. (1) Frauen, die den Ausbildungsdienst und die vorbereitende Kaderausbildung vollständig und positiv abgeschlossen haben, können sich freiwillig zum Dienst in der Miliz melden.

(2) Der Dienst in der Miliz erfolgt als freiwilliger Wehrdienst und kann außer bei Einsätzen im Sinne des § 2 Wehrgesetz jederzeit durch Zurückziehung der Freiwilligenmeldung beendet werden. Für die Meldung und die Zurückziehung sind die §§ 46a und b sinngemäß anzuwenden, für alle übrigen entstehenden Rechte und Pflichten sind die Bestimmungen dieses Gesetzes, die sich auf Soldaten des Milizstandes beziehen, sinngemäß anzuwenden."

5. In Artikel 3 wird in Z. 32 der Ausdruck "... die §§ 46a bis 46c, ..." durch den Ausdruck "... die §§ 46a bis 46d, ..." ersetzt.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben von Frau Abgeordneter Apfelbeck vorgetragene Abänderungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Dr. Hlavac zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.39

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es gibt eine kleine Gruppe von Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen großes Interesse daran geäußert hat, beim Bundesheer Karriere zu machen. Es sind dies vor allem jene Frauen, die bereits im Bereich der Landesverteidigung arbeiten. Oft ist es so, daß sie einen Dienstposten innehaben, der ursprünglich ein militärischer gewesen ist. Da es aber zu wenig Männer gab, die diese Aufgaben übernehmen konnten, sind diese Dienstposten in zivile umgewandelt worden und konnten dann von Frauen übernommen werden. Es ist verständlich, daß diese Frauen eine Karriere beim Bundesheer machen wollen, und wir werden es ihnen ermöglichen.

Ich möchte aber auch erwähnen, daß es in meiner Fraktion – besonders bei den weiblichen Mitgliedern meiner Fraktion – diesbezüglich sehr viel Skepsis gibt: zum Teil grundsätzlicher pazifistischer Natur, zum Teil aber auch deshalb, weil Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, daß es sehr große Probleme gibt, daß den Frauen der Dienst bei der Armee sehr schwer gemacht wird. Es werden immer wieder Fälle von sexueller Belästigung, von Benachteiligungen, von Schikanen, von Diskriminierung bekannt. Es ist unser Ziel, die Frauen, die diese Laufbahn ergreifen wollen, so abzusichern, daß sie möglichst gute rechtliche und praktische Voraussetzungen haben.


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Wegen dieser befürchteten Schwierigkeiten hat die Frauenministerin mit dem Verteidigungsminister sehr lange, ausführliche Verhandlungen geführt. Ich möchte durchaus konzedieren, daß der Verteidigungsminister in sehr vielen Punkten der Argumentation der Frauenministerin gefolgt ist.

Es wird den Frauen also das Berufssoldatinnentum ermöglicht; sie werden aber nicht zur Miliz eingezogen. Das ist ein Punkt, der sehr umstritten ist. Der Hauptgrund ist für uns, daß wir die absolute Freiwilligkeit der Frauen absichern wollten. Es muß dann, wenn sich in der Realität zeigt, daß die Vorstellungen falsch waren und es große Schwierigkeiten gibt, die Möglichkeit bestehen, jederzeit aus dem Bundesheer auszuscheiden.

Mir ist bewußt, daß das unter Umständen als Argument gegen die Frauen verwendet werden kann. Ich höre ja jetzt schon vieles an Vorurteilen, und ich glaube, daß dieser Punkt auch als Vorwand verwendet werden wird. Ich bin aber trotzdem dafür, diese Regelung, die zwischen der Frauenministerin und dem Verteidigungsminister ausgehandelt wurde, einmal in der Praxis zu erproben.

Es soll weiters sichergestellt werden, daß nur so viele Frauen zur Ausbildung zugelassen werden, wie im Anschluß daran freie Planstellen für eine Übernahme zur Verfügung stehen. Während des Ausbildungsverhältnisses gilt das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz. Das ist eine Bestimmung, die uns sehr wichtig ist, und weil manche der Auffassung sind, daß Frauen dadurch bevorzugt werden, möchte ich darauf hinweisen, daß die Bestimmungen des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes für alle Beschäftigten im Bundesdienst gelten. Der Sinn besteht ja darin, daß bei gleicher Qualifikation Frauen so lange bevorzugt aufgenommen und befördert werden sollen, bis sie ihren entsprechenden Anteil erreicht haben.

Wichtig ist auch, daß den Frauen sämtliche militärische Laufbahnen und Verwendungsprofile offenstehen. Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt Armeen, bei denen Frauen nur in einem sehr eingeschränkten Bereich – wie zum Beispiel im Sanitätsdienst – Einsatz finden. Aber wenn nun schon mit der Gleichberechtigung argumentiert wird, dann muß sie auch tatsächlich durchgängig gelten, und wir werden sehr genau beobachten, in welchen Bereichen Frauen tatsächlich Aufnahme finden und ob sie entsprechend gefördert und befördert werden.

Herr Bundesminister! Sie haben angesprochen, daß auch im zivilen Bereich 80 Prozent der Frauen im Sanitätsbereich und beim Fernmeldewesen tätig seien. Ich möchte darauf hinweisen, daß das zwar richtig ist und daß das sicher Bereiche sind, in denen Frauen tätig werden können, wir stellen uns aber vor – und ich glaube, da sind wir uns einig –, daß sie Aufnahme in allen Bereichen finden müssen.

Abschließend möchte ich feststellen, daß wir sehr genau beobachten werden, wie die Entwicklung ist. Sie sind da wirklich gefordert, Herr Bundesminister. Ich merke, daß Sie diese Sache mit großem Engagement vertreten, aber es wird sich zeigen müssen, ob die Frauen tatsächlich in dem Maße zum Zug kommen, wie es vorgesehen und wünschenswert für sie wäre.

Trotz aller Bedenken und trotz der Sorge, die wir auch haben, hoffe ich, daß jene Frauen, die sich eine Laufbahn beim Bundesheer wünschen, auch tatsächlich zum Zug kommen und daß ihre Vorstellungen, ihre Wünsche und ihre Hoffnungen erfüllt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.45

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man jetzt Frau Kollegin Hlavac zugehört hat, dann könnte man direkt glauben, diese Frauen werden ins feindliche Ausland geschickt, und dort erwartet sie nur Furchtbares und Schlimmes. (Abg. Mag. Posch: Siehe USA!)


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Ich gebe Ihnen zu bedenken: Diese Frauen haben sich ja erstens einigermaßen informiert über den Beruf, der auf sie zukommt, zweitens gehen sie freiwillig zum Heer. Drittens: Es gibt eine Reihe von Frauen, die bereits im Bundesheer beschäftigt sind. In meiner Abteilung beispielsweise haben wir in einigen Bereichen sogar ein Übergewicht an Frauen, sie fühlen sich bei uns recht wohl; es klappt eigentlich alles ohne große Probleme. In dieser Hinsicht bin ich keineswegs pessimistisch.

Zu den Ausführungen des Kollegen Gaál in bezug auf die Freiwilligkeit. Sie haben eines peinlichst vermieden: Sie verweigern den Frauen die wirklich freie Entscheidung. Warum soll eine Frau, die freiwillig zur Miliz will, nicht hingehen dürfen? – Sie bevormunden die Frauen in diesem Bereich, und das ist ein Punkt, den ich im Prinzip für falsch halte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Frauen sind reif genug, um, wenn sie ihre Ausbildung absolviert haben, zu entscheiden, ob sie das wollen oder nicht. Und das sollte man ihnen zugestehen, denn es ist ein Recht  – so wie das Wehrrecht ja auch ursprünglich ein Recht der freien Bürger in dieser Republik war.

Nun zum Inhalt des Gesetzes. Wir gehen von folgendem aus: Eine echte Integration der Frauen im Heer kann nur dann erfolgen, wenn sie auf gleichen Rechten für beide basiert, aber auch für beide gleiche Pflichten bringt. Und da besteht die Problematik, daß durch einen Eingriff – vor allem vermutlich aus dem Bereich des Frauenministeriums – dieser Punkt eben nicht erfüllt werden kann, auch wenn der Herr Minister versucht hat, einiges in diesem Bereich zu vernebeln.

Wie schaut es nämlich in der Praxis aus? – Schon die Grundausbildung wird getrennt absolviert und auch unter anderen rechtlichen Voraussetzungen. Das erfolgt in den Streitkräften anderer Länder, deren Erfahrungen man angeblich studiert hat, nicht und dürfte wahrscheinlich auf die Forderung der Frauenministerin zurückzuführen sein. (Abg. Dr. Maitz: USA!)

Ein weiterer wesentlicher Punkt der Kritik: Nach der Grundausbildung gibt es für Frauen eine Art Übernahmegarantie. Diese gibt es für männliche Wehrpflichtige nicht, und das ist eine Ungerechtigkeit! Diese Schutzklausel existiert für Soldaten nicht, und wir haben – wenn ich mich an das letzte Jahr erinnere – auch in meinem Bereich zahlreiche, insgesamt wahrscheinlich Hunderte von jungen Männern aus dem Wehrdienst entlassen müssen, weil wir sie nicht übernehmen konnten. Da besteht eine eindeutige Ungerechtigkeit, die sicherlich zu einem Reibungsverhältnis zwischen Bevorrechteten und Minderberechtigten im Dienstbereich führen wird, und die Kommandanten werden Probleme haben, da ausgleichend zu wirken. Das ist eine echte Ungerechtigkeit, und das muß auch gesagt werden.

Eine weitere Unterschiedlichkeit, die ich für falsch halte, liegt darin, daß männliche Bürger ihre Grundausbildung bis zum 35. Lebensjahr zu absolvieren haben, Frauen jedoch können bis zum 40. Lebensjahr eintreten. Das ist eine sinnlose Bestimmung! Es wurde ja absichtlich diese Grenze eingeführt, weil es eben sowohl eine Frage der körperlichen Leistungsfähigkeit als auch der Nutzbarkeitsphase danach ist. Niemand hat etwas von 40jährigen Lehrlingen in einem Beruf. – Diese Entscheidung war meiner Meinung nach ein Fehler.

Eine ebenso absurde Sache ist die Möglichkeit der Nachhollaufbahn im Schnellsiedekurs. Auch damit werden Ungerechtigkeiten geschaffen, die im Kader schon jetzt zu Diskussionen führen. Eine Kanzleikraft könnte da im Schnellverfahren in ihrer Einheit zum "Spieß" mutieren – das ist eine Laufbahn, für die ein Unteroffizier als Vizeleutnant zirka 15 Jahre braucht. Glauben Sie nicht, frage ich die Kolleginnen von der SPÖ, daß das eine eklatante Ungerechtigkeit ist und daß diesen Frauen nicht nur Berufserfahrung, sondern auch Wissen und Kenntnisse in diesem Beruf fehlen würden?

Diese Reihe von Beispielen ließe sich noch über eine längere Zeit hinweg fortsetzen. Ich will aber nur ein ganz besonders eklatantes herausgreifen, das ist die Frage der Verwendung im Einsatzfall. Im Einsatzfall kann sich – ich setze es nicht voraus und ich gehe nicht davon aus, daß die Frauen, die zu uns kommen, das im Prinzip wollen – eine Frau vom Wehrdienst abmelden. Sie kann hinausgehen! Sie kann als eingeteilte Kompaniekommandantin ihrem Bataillons


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kommandanten, wenn es zur Krise kommt, auf Wiedersehen sagen! Das ist doch eine Unmöglichkeit, sowohl was die Planung als auch anderes betrifft.

Ich möchte abschließend einen Fachmann – ich hoffe, der Herr Bundesminister spricht nicht wieder von einem "subalternen Offizier" – zitieren, nämlich den Generaltruppeninspektor, der in einem Bericht ausgeführt hat:

Ich stehe nicht an, hier zu sagen, daß derzeit im Bundesheer Sorge darüber besteht, ob wir anstelle von Soldatinnen auf der Basis gleicher Ausbildung Seiteneinsteigerinnen mit Bevorzugung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen kriegen, und zwar nicht wegen der Absicht der Betroffenen, sondern wegen allfälliger diesbezüglich unterstellter Absichten anderer Art, nämlich Gleichberechtigung als Androhung von Ungleichbehandlung. – Zitatende.

Dem können wir uns anschließen. Mit diesen Regelungen, meine Damen und Herren von der Koalition, erweisen Sie diesem Gesetz und der Beschäftigung von Frauen einen Bärendienst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.50

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Schieder hat im Sinne koalitionärer Verbundenheit gesprochen. Auch ich möchte dies tun, und zwar in Richtung des Kollegen Gaál. – Lieber Kollege Gaál, in koalitionärer Verbundenheit: Als Versicherungsmitarbeiter ist mir bei deinen Äußerungen zum solidarischen Beistand sofort folgendes Beispiel eingefallen: Es ist auch nicht möglich, eine Versicherung abzuschließen, wenn das Haus schon brennt. Wenn man keine vorbereitende Versicherung, also keinen Solidaritätspakt abgeschlossen hat, wird es zu spät sein, Solidarität dann einzufordern, wenn sie notwendig ist! – Deswegen die Vorbereitungen und Kooperationen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jung. )

Meine Damen und Herren! Das Ziel ist klar – wir haben lange darüber gesprochen, es diskutiert und abgewogen –: Wir öffnen heute die Armee für die Frauen. Das ist meines Erachtens eine gesellschaftspolitisch substantielle Angelegenheit. Es geht bei diesem Gesetz um eine tatsächliche Gleichstellung, es geht um die Gleichberechtigung, es geht um das Erlangen hochqualifizierter Positionen im öffentlichen Dienst und auch im Militär. Es ist für Frauen auch ein Sprungbrett für eine weitere Karriere, zum Beispiel im Ausland tätig sein und sich zu beweisen beziehungsweise bessere Verdienste erlangen zu können.

Meine Damen und Herren! Wenn heute von Frau Mag. Kammerlander von den Grünen angesprochen wurde, daß die Berufslaufbahn nicht festgelegt sei und daß niemand wüßte, welchen Beruf er ausüben und weiter verfolgen könne, dann muß man dazu sagen: Wie in allen anderen öffentlichen Diensten und Wirtschaftszweigen auch gibt es keine Beschäftigungsgarantie von Eintritt bis zur Beendigung der Berufslaufbahn. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Dienst beim Militär zu sehen.

Ich möchte aber hier schon darauf hinweisen, daß gerade das Bundesheer – weil mir das ein besonderes Anliegen ist, sage ich das heute – der Problematik Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung Rechnung getragen und nicht nur ein "männliches" Gesetz in Anspruch genommen hat, wie Sie gemeint haben: Unter den 190 Lehrlingen sind auch weibliche Lehrlinge. Es gibt Sattlerinnen, es gibt Bürokauffrauen, und es gibt im physikalischen Labor weibliche Lehrlinge. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß das eine besondere Leistung unseres Bundesheeres, unseres Militärs ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In über 30 Staaten sind Frauen im Heer, natürlich in Uniform – und dies bis auf einige wenige Positionen und Länder auf freiwilliger Basis. Auch wir legen auf Freiwilligkeit größten Wert und werden diese bewahren. Es gibt überhaupt keinen Anlaß, die Freiwilligkeit in irgendeiner Form in Zweifel zu ziehen. Man hat dann und wann den Eindruck –


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insbesondere bei den Grünen –, daß das Bundesheer, die Landesverteidigung so dargestellt wird, als bewege sie sich immer am Rande der Legalität. Man spricht von Hintertürln und von Schwindeleien et cetera. Ich möchte das von dieser Stelle aus auf das entschiedenste zurückweisen! (Beifall bei der ÖVP.)

In der Gesetzesvorlage sind im § 2 Abs. 1 die Aufgaben des Bundesheeres definiert. Es geht in erster Linie natürlich um die militärische Landesverteidigung, zweitens um den Schutz der demokratischen Freiheiten, drittens um Hilfeleistung bei Elementarereignissen und viertens um Hilfestellung im Ausland: Friedenssicherung, humanitäre Hilfe und Hilfe im Falle von Katastrophen.

Geschätzte Damen und Herren! Diese Friedenssicherung hat für Österreich einen besonderen Stellenwert. "Partnership for Peace" bedeutet für uns, mit allen zusammenzuarbeiten und alles zu tun, um in Europa, um auf der ganzen Welt friedensstiftend möglichst mit dabei zu sein. Frauen können im Bundesheer auch als Soldatinnen besondere Aufgaben übernehmen und entscheidend mitwirken, wie dies in etlichen Stellungnahmen ja schon aufgezeigt wurde. Sowohl als Uniformierte in militärischem Rang als auch als Vertragsbedienstete haben sich Frauen im Ausland bereits entsprechend gezeigt und friedenssichernd, humanitär gewirkt.

Geschätzte Damen und Herren! Frauen in unserem Bundesheer bedeuten für das Militär sicher ein Mehr an Prestige und Akzeptanz. Das bedeutet aber für Österreichs Frauen auch einen weiteren Schritt in Richtung Gleichbehandlung und Chancengleichheit. Dieses Gesetz wird auch eine qualitative Aufwertung unserer Streitkräfte bewirken. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.56

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute eine Gesetzesvorlage, die neu ist, die gesellschaftlich ungewohnt ist und die natürlich auf Skepsis oder auch auf Nicht-Skepsis stößt. Die Grundlage dieses Gesetzes ist aber in anderen Branchen bereits Realität, nämlich ein Miteinander im Beruf. Und genau darum geht es: Es geht um die freiwillige Ausbildung und um die freiwillige Berufslaufbahn der Frauen beim Heer – sehr zum Unterschied zur Wehrpflicht und zu der sich daraus ergebenden gesetzlichen Milizverpflichtung.

Es ist heute schon angeklungen, daß es schwierig sein wird, wenn Frauen beim Heer sind und sich ganz plötzlich vom Dienst abmelden. Ich meine, es ist eine Herausforderung für jeden Kommandanten, für optimale Voraussetzungen zu sorgen, für optimale Motivation zu sorgen. Ich bin mir dessen sicher, daß Frauen, die freiwillig die Berufslaufbahn beim Heer einschlagen, nicht so einfach von ihrer Dienststelle weggehen. Das sei auch einmal hier gesagt.

Ein ganz wesentlicher Punkt, über den auch schon negativ gesprochen wurde, ist die Nachhollaufbahn. Es wurde kritisiert, daß für Frauen die Möglichkeit geschaffen wird, relativ rasch in bestimmte Positionen kommen zu können, ohne die nötige Erfahrung beim Heer zu haben. Dazu möchte ich sagen: Vergessen Sie nicht, daß Frauen schon lange Jahre in ziviler Verwendung beim Heer sind. Wer sagt denn, daß diese Frauen nicht dieselben Voraussetzungen mitbringen, wenn sie die Nachhollaufbahn abgeschlossen haben, wie ein Mann, der auch lange Jahre beim Heer ist und dort seinen Dienst versieht? – Ich denke, es war notwendig, daß diese Nachhollaufbahn geschaffen wurde und daß die Frauen diese Nachhollaufbahn auch nutzen können. (Ruf: Keine Ahnung!)

Wenn gesagt wurde, es sei kein neues Berufsbild, dann mag das zum Teil schon stimmen, aber ich würde es anders auslegen. Ich würde sagen, es ist die Öffnung zu bislang männlichen Dienstverwendungen. Der Herr Minister hat ja schon gesagt, es gibt Anmeldungen, aber man wird natürlich im Ausleseverfahren sehr genau sein müssen. Einige wenige werden einsteigen können. Auch alle anderen machen dies aber – und das darf man nicht übersehen – freiwillig.


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Es besteht ja keine Dienstverpflichtung in dem Sinne, daß jemand hingehen muß, sondern es ist schlichtweg freiwillig. Einige wählen freiwillig diesen Ausbildungsweg.

Herr Kollege Moser hat gemeint, die Frauen würden beim Heer nur eingeschränkte Akzeptanz haben. – Herr Kollege Moser, fahren Sie nach Visoko, reden Sie dort mit dem Kommandanten Rappaz – das ist jener, der unser SFOR-Kontingent überhat –, was er davon hält, eine Ärztin dort im Friedenseinsatz zu haben.

Wissen Sie, was er mir gesagt hat? – Diese Frau ist eine Bereicherung für unsere Mannschaft! – So, bitte, sollten Sie das sehen, aber nicht immer nur abwertend. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich meine, Herr Kollege: Die Frauen steigern die Leistungsfähigkeit des Heeres dadurch mit, daß Motivation und Gleichklang innerhalb der Truppe entstehen kann.

Ein Wort noch zum Gesetz für Frauenausbildung beim Heer und zum Schritt in Richtung NATO-Tauglichkeit, von dem Kollegin Kammerlander gesprochen hat. Frau Kollegin Kammerlander, dazu muß ich sagen, daß es jetzt schon Friedenseinsätze auch mit Frauen gibt. Das ist ebenfalls kein Schritt in die NATO, sondern das ist eine sehr wichtige, wesentliche Maßnahme, die Österreich im Rahmen der Möglichkeiten zur Friedensschaffung und Friedenserhaltung setzt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.01

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem ich dieser Debatte gelauscht habe, muß ich sagen: Ich bin ehrlich berührt. Ich bin wirklich berührt, wie viele Kolleginnen und Kollegen – Betonung auf Kollegen – sich hier im Hohen Haus Gedanken über die Gleichberechtigung der Frau machen, über Berufsplanung, über Berufslaufbahnen, über Karrieren und über Benachteiligungen. Ich bin wirklich gerührt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie wissen ja: halbe/halbe!)

Es ist wirklich bemerkenswert, mit welcher Verve sich der Herr Bundesminister für Landesverteidigung für Frauen einsetzt. Es ist vor allem deshalb so bemerkenswert, weil er jener Partei des Nationalrates angehört, die den geringsten weiblichen Anteil an Mitgliedern im Hohen Haus hat. Herr Landesverteidigungsminister und ÖAAB-Obmann! Ich weiß nicht, ob Sie auch ein hoher Funktionär in Ihrer Partei sind, nehme es aber an. Ich würde mir im Sinne der Frauen ehrlich wünschen, daß Sie sich mit gleicher Intensität dafür einsetzen, daß Frauen tatsächlich in maßgebliche Positionen gelangen und tatsächlich die entsprechenden Möglichkeiten bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist meine Erfahrung in 39 Jahren als Frau (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) sowie in sieben Jahren hier im Nationalrat, daß es tatsächlich so ist: In Gremien, in denen ein hoher Anteil von Frauen mitwirkt, gibt es ein ganz anderes Arbeiten. Das Klima und der Umgang in Gremien, in Institutionen, auf Dienststellen, ja selbst hier im Nationalrat gestaltet sich ganz anders, wenn Frauen sich einschalten. Deshalb, Herr Bundesminister, wäre das für mich das allereinzige Argument, das ich zuließe und das mir auch einsichtig wäre, wenn Sie es vorbrächten: daß es Tatsache ist, daß Frauen auch in Verbänden, Truppenkörpern, Dienststellen und Einheiten des Bundesheeres, wenn sie dort mitwirken, eine bestimmte Art von Entkrampfung, Klimaverbesserung und weniger Aggressivität schaffen. Das ist absolut berechtigt, und das ist genau die Erfahrung, die wir aus dem Einsatz von Frauen in der Polizei, in der Sicherheitsexekutive insgesamt gewonnen haben. Das Aggressionspotential innerhalb dieser Einheiten ist gesunken. Frauen wirken entkrampfend im eigentlichen Sinn.

Herr Bundesminister! Wenn mir aber heute einige Damen, vor allem jedoch einige Herren hier weismachen wollen, daß dieses Gesetz, das jetzt zur Abstimmung steht, tatsächlich etwas mit Karrieren von Frauen zu tun hat, dann, bitte schön, weiß ich nicht, wovon Sie reden und was mir


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zur Abstimmung vorliegt. Was hat es mit einer Berufskarriere von Frauen zu tun, wenn man sich ein Jahr lang militärischem Drill, militärischer Disziplin und militärischem Strafregime freiwillig unterordnen darf – und nach einem Jahr dieses freiwilligen Unterordnens heißt es: Na ja, aber die Möglichkeit, daß man tatsächlich eine Berufslaufbahn fürs gesamte Leben und damit eine Karriere antritt, steht auf einem ganz anderen Blatt?

Herr Bundesminister! Es hat mit der Realität der Benachteiligung von Frauen, wie sie in bestimmten Sektoren der Berufswelt besteht, wirklich nichts zu tun, daß man jetzt ein solches Jahr vorsieht. Ich möchte jene Frauen, die den ehrlichen Wunsch haben, diese einjährige Ausbildung zu absolvieren, überhaupt nicht abwerten. Auch ich habe erstens davon gehört und zweitens oft genug solche Interventionen vorgelegt bekommen. Das ist etwas, was ich schätze und nicht mindern möchte, aber mit Karriere, mit Gleichberechtigung und mit gleichen Berufschancen hat das überhaupt nichts zu tun.

Wenn ich mir vor Augen halte, was jetzt zur Abstimmung vorliegt und was die Basis für alles ist, was später passieren wird, dann frage ich mich wirklich, ob nicht tatsächlich zutrifft, was Herr Brigadier Jung vor ein paar Minuten hier gesagt hat. Hat er nicht tatsächlich recht mit seiner Stellungnahme, die wirklich dem entsprungen ist, was ich habe aufnehmen können über das jahrhundertealte Milieu von machistischem Denken, das in den Armeen und Streitkräften der ganzen Welt entwickelt wurde? Ich frage mich, ob er nicht tatsächlich recht hat mit seiner Kritik, die aus einer ganz anderen Richtung kommt als meine, und ob er nicht wirklich recht hat, wenn er kritisiert, daß die Sache mit der Nachhollaufbahn ungerecht sei. Denn es gibt Unteroffiziere, die sich 15 Jahre lang unterordnen müssen, damit sie in eine Position gelangen. Dann aber kommt der Herr Bundesminister und schafft einen – das sind seine Worte – Schnellsiedekurs von 18 Monaten für Frauen. Da könnten ein paar Männer Gefahr laufen, 15 Jahre zu verlieren, wenn es darum geht, in dieselbe Position zu kommen. (Abg. Scheibner: Das ist eine Frage der Ausbildung!)

Herr Bundesminister! Sie sehen, daß dieses Gesetz zahlreiche Facetten hat. Es kommt immer darauf an, wie man es sieht. Sieht und bewertet man dieses Gesetz aus der Perspektive selbstbewußter Frauen mit einem feministischen Blick, oder sieht man es mit dem Blick eines Militärangehörigen, der den – um jetzt nicht "machistisch" zu sagen – maskulinen Blick eines Heeresgestählten und eine von diesem Milieu stark beeinflußte Meinung hat? – Das Spektrum ist sehr, sehr weit.

Frau Kollegin Apfelbeck hat uns das allerbeste Beispiel dafür gebracht, warum dies so wenig mit Emanzipation und Gleichberechtigung zu tun hat, nämlich das Beispiel mit den Generalinnen aus den USA: Unter 1 918 Generälen gibt es nur elf weibliche. Begründet worden ist das mit Mutterschaft, mit Schwangerschaft und mit dem automatischen Ausscheiden aus der Armee durch solche – unter Anführungszeichen – "Vorkommnisse". Was, bitte schön, hat das irgendwie mit Gleichberechtigung zu tun, wenn jemand, wenn er schwanger wird, die gesamte Berufslaufbahn und überhaupt die Existenzgrundlage verliert? (Abg. Dr. Maitz: Sie verwechseln Amerika mit Österreich!)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich sage Ihnen ganz offen: Seit vielen Jahren sind mir Gleichberechtigung, Chancengleichheit und die Vertretung von Frauen ein ehrliches Anliegen, nicht nur deshalb, weil ich eine Frau bin, sondern auch deswegen, weil ich mich als Volksvertreterin in gewissem Sinn als Lobbyistin für diese zwar zahlenmäßig stärkste, aber doch in vielen Fällen unterlegene Gruppe der österreichischen Bevölkerung sehe.

Aber an dem Tag – ich habe es nicht nachgeprüft und glaube Ihnen unbesehen, Herr Bundesminister –, an dem es sich zum hundertsten Mal jährt, daß die erste weibliche Medizinerin in Österreich promoviert hat, gerade am Jahrestag jenes Ereignisses dieses mickrige, eigentlich Frauen geradezu verspottende Gesetzchen herzunehmen und mit so einem fundamentalen Ereignis wie der Promotion der ersten Frau zum Doktor der gesamten Heilkunde zu vergleichen: Das, Herr Bundesminister, zeigt mir jetzt schon, welchen Horizont Sie bei der Beurteilung von Karrieren, Gleichbehandlung und Emanzipation von Frauen in unserer Gesellschaft heute haben.


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Herr Bundesminister! Ich muß Ihnen sagen: Nicht nur werde ich das Gesetz ablehnen, sondern ich bin auch als Frau ehrlich enttäuscht von Ihrem – auch als Arbeitnehmervertreter – engen Horizont der Beurteilung von Chancengleichheit in diesem Land. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Sie wissen nicht, was Sie wollen!)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Amon. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.11

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wurde bei der Rede von Frau Kollegin Stoisits heute wieder deutlich, daß die Grünen nicht wirklich wissen, wie sie mit dem Thema und wie sie mit dem Bundesheer umgehen sollen.

Auf der einen Seite wollen Sie das Bundesheer nicht, trauen sich aber nicht, das hier deutlich zu sagen. Deshalb wollen Sie auch die Frauen beim Bundesheer nicht. Denn es ist wirklich nicht wahr, was Sie hier sagen: daß dieses Bundesgesetz nicht für einige Frauen die Möglichkeit eröffnet, eine berufliche Karriere zu machen. Selbstverständlich eröffnet dieses Bundesgesetz einer gewissen Anzahl von Frauen die Gelegenheit, beruflich Karriere zu machen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Stoisits! Sie kritisieren auf der einen Seite, daß dieses Bundesgesetz diese Karrieremöglichkeit nicht eröffnen würde, auf der anderen Seite kritisieren Sie aber, daß gemäß diesem Bundesgesetz Frauen, die schon im Heeresdienst waren, innerhalb von 18 Monaten die Karriere nachholen können. Sie müssen sich also entscheiden, wofür Sie sind: Sind Sie dafür, daß Frauen beim Heer diese Karriere machen können, oder sind Sie grundsätzlich gegen das Bundesheer?

In der Diskussion über dieses Bundesgesetz über die Ausbildung von Frauen beim Bundesheer gab es zwei Denkvarianten. Die eine Denkvariante ist, zu sagen, daß man alle bisherigen Rechte und Pflichten auf Basis der Freiwilligkeit mehr oder weniger eins zu eins auch auf die Frauen überträgt. Damit überträgt man ihnen voll und ganz diese Möglichkeit. Wir haben den Einwänden und Ängsten, die – meiner Meinung nach unbegründeterweise – vorhanden waren, nämlich daß man damit versuchen würde, eine Art allgemeine Wehrpflicht für Frauen durch die Hintertür einzuführen, durchaus Rechnung getragen. Das wollten und wollen wir ausdrücklich nicht, deshalb ist all diesen Einwänden entsprechend Rechnung getragen worden.

Ich persönlich bedauere, daß es nicht möglich ist, daß Frauen auch im Bereich der Miliz eine entsprechende Karriere machen können. Aber offensichtlich wollte unser Koalitionspartner das nicht.

Ich möchte aber sehr deutlich sagen, daß es selbstverständlich dem heutigen Selbstbewußtsein und dem heutigen Selbstverständnis junger Frauen entspricht, in alle Männerdomänen vorzudringen, natürlich auch beim österreichischen Bundesheer. Es wäre eine Gesellschaft auch sehr schlecht beraten, würde sie freiwillig auf mehr als 50 Prozent des intellektuellen Potentials verzichten, das ein Land hat. Auch daher ist dieses Bundesgesetz ein gutes Bundesgesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Kammerlander! Auch wenn Sie im Augenblick nicht da sind: Ein bißchen habe ich den Eindruck, daß Sie von der NATO-Diskussion ein wenig traumatisiert sind (Abg. Steibl: Das stimmt!), denn daß Sie in diesem Gesetz – mit allen Querverweisen, etwa auf das Entsendegesetz – den Beitritt zur NATO durch die Hintertür sehen, das entbehrt wirklich jeder Grundlage. Sie wissen genausogut wie ich, daß das Entsendegesetz selbstverständlich auf UNO-Konventionen und UNO-Beschlüssen basiert, in denen es um Friedenserhaltung, um Peace-keeping-Operations geht und keinesfalls um eine NATO-Diskussion. Ich frage Sie von den Grünen: Warum wollen Sie Frauen, die auf freiwilliger Basis einen Beitrag zur Friedenserhaltung leisten wollen, diese Möglichkeit versagen?


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Auf der anderen Seite kritisiert Abgeordneter Jung, daß es nicht auch für die Frauen die absolute und totale Verpflichtung in allen Bereichen gibt. Wenn man sich die gesamte Oppositionskritik ansieht, auf der einen Seite die Kritik der Freiheitlichen, die sagen, daß alles zuwenig weit gehe und wir bei diesem Bundesgesetz viel zuwenig verpflichtend vorgegangen seien, und auf der anderen Seite die Kritik der Grünen, die sagen, daß alles schlecht sei, weil es viel zu weit gehe, dann liegen wir mit dieser Entscheidung sehr gut in der politischen Mitte. Das ist zweifelsohne eine gute Position, und das entspricht auch der Studie der Landesverteidigungsakademie, in der gesagt wird: Die prinzipielle Vorgangsweise scheint sowohl in militär- wie in gesellschaftspolitischer Hinsicht sinnvoll und empfehlenswert. (Beifall bei der ÖVP.)

12.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr liegt noch eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic vor. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.16

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist erstaunlich, welche Argumente und welche Motive ein ÖVP-Minister in die Debatte einbringt, wenn er hier etwas erreichen will. Man hat und frau hat in dieser Debatte den Eindruck, daß der Verteidigungsminister jetzt zum ersten Streiter des Landes in Sachen Feminismus geworden ist. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Applaus von der ÖVP. Ich hoffe, er setzt sich auch bei Ihnen im Klub soweit durch, daß dort die 50-Prozent-Hürde für die Frauen endlich erreichbar wird.

Der Verteidigungsminister hat Gabriele von Possanner angesprochen und gemeint, jetzt werde es ernst mit der Gleichberechtigung von Frauen im österreichischen Bundesheer. Ich freue mich ja, wenn die feministische Bewegung in Österreich einen weiteren Mitstreiter gewonnen hat, nur habe ich da meine Zweifel, Herr Bundesminister. Ich bin nach diesen Beteuerungen von der Seite der ÖVP wirklich sehr gespannt, wie vor allem die Kolleginnen aus der sozialdemokratischen Fraktion diese Argumente einschätzen und wie sie abstimmen werden oder auch wie Frau Abgeordnete Fekter abstimmen wird, da sie bei diesem Gesetz ebenfalls Bedenken hatte.

Herr Bundesminister! Ich möchte Ihnen meine Zweifel noch einmal offenlegen. Sie haben Gabriele von Possanner angesprochen, eine wirklich imponierende Frau, die sich durchgesetzt und eine akademische Laufbahn geschafft hat. Nur: 100 Jahre danach sieht es mit der Erreichung der feministischen Ziele an den Universitäten traurig aus: keine 5 Prozent weibliche Professoren. Nicht einmal 5 Prozent, Herr Bundesminister! Wenn Sie da die Gleichberechtigung im Heer in leuchtenden Farben ausmalen und uns schon ankündigen, daß nächstes Mal die Generälinnen hier auf der Beamtenbank sitzen werden (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Fischer.  – Abg. Schieder: Generaliter!), dann frage ich Sie, Herr Bundesminister: Warum unterstützen Sie uns in Ihren zahlreichen wichtigen Funktionen und innerhalb der Bundesregierung nicht ein wenig mehr bei der Frauengleichberechtigung an den Universitäten – 100 Jahre nach Gabriele von Possanner?

Herr Bundesminister! Wieso hat gerade Ihre Fraktion den vielen Kürzungen im universitären Bereich, die zu Lasten der Frauen gehen, zugestimmt und sie vorangetrieben? Warum tritt Ihre Fraktion für Studiengebühren ein, von denen Sie wissen, daß sie den Frauenanteil an den Universitäten weiter herabsetzen und die Frage, für wen sich ein Studium lohnt – für den Sohn oder für die Tochter –, wieder verstärkt aktualisieren werden?

Herr Bundesminister! Das ist ein etwas einseitiges Verständnis von Gleichstellung und Gleichberechtigung, wenn Sie Gabriele von Possanner hier als symbolträchtige Figur in die Diskussion einbringen, Ihre Fraktion in diesem Bereich aber genau das Gegenteil tut.

Oder, Herr Bundesminister, ich frage Sie: Welche Fraktion stellt denn den Familienminister, und welche Fraktion hat denn zugestimmt, daß die "Kindergartenmilliarde" zusammengeschmolzen ist? Welche Fraktion hat denn zugestimmt, daß das zweite Karenzjahr de facto halbiert wurde? Da hätte ich mir erwartet, daß der oberste Fürstreiter in Sachen Feminismus auch auf der Seite der Frauen steht. Daß ausgerechnet jetzt, 100 Jahre nachdem eine Frau zur Doktorin der gesamten Heilkunde promoviert hat, die Frauen lernen sollen, mit todbringenden Waffen umzu


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gehen, ich weiß nicht, ob das das Zeichen ist, das die Feministinnen sich wirklich erwartet haben.

Meine Damen und Herren! Ich frage auch den Fürstreiter in Sachen Feminismus, wie es denn seine Fraktion und wie es er persönlich mit der vollen Gleichstellung der Frauen in der Bundesverfassung hält, damit, daß wir endlich im Artikel 7 nicht eine nebulose Gleichheit vor dem Gesetz, sondern die Pflicht des Staates verankern, durch Erlassung von Gesetzen die Gleichstellung zu erreichen. Ich weiß nicht, Herr Bundesminister, ob Sie sich angesichts Ihres heutigen historischen Bekenntnisses zu den feministischen Zielen jetzt auch innerhalb Ihrer Fraktion dafür einsetzen werden, daß die volle Gleichstellung in der Verfassung verankert wird, oder ob das nicht doch ein rhetorischer Kunstgriff war, den Sie hier gebraucht haben.

Herr Bundesminister! Ich frage Sie schon auch: Wieso sind Sie dann so halbherzig bei diesem Gesetz da stehengeblieben, wenn es Ihnen so Ernst mit der Gleichstellung von Frauen auf allen hierarchischen Ebenen ist? Finden Sie es wirklich angebracht, wenn Sie diese Karrieren eröffnen, daß eine Frau in Zukunft – ob "frau" es glauben kann oder nicht, das sei dahingestellt – Korporal oder Wachtmeister oder Hauptmann werden kann? Das ist schon bemerkenswert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und ein letztes sehr ernstes Argument in die Richtung der sozialdemokratischen Fraktion und auch an Ihre Adresse, Frau Abgeordnete Bauer, nämlich bezüglich der sogenannten Freiwilligkeit. Ich habe mir diese ansonsten auch geänderten Gesetze sehr genau angesehen und war sehr erstaunt, und ich würde mir da schon noch eine Aufklärung von den Kolleginnen der sozialdemokratischen Fraktion erwarten: Wie ist denn das mit der Freiwilligkeit, wenn Sie im Arbeitslosenversicherungsrecht keine Änderung herbeiführen, wenn hier angeblich – der Herr Bundesminister und der Herr Amon haben es soeben beteuert – eine volle Berufslaufbahn für Frauen eröffnet wird, aber im Arbeitslosenversicherungsrecht nichts geändert wird? Wissen Sie, was dann passiert mit der sogenannten Freiwilligkeit? In Zeiten, in denen die Arbeitswilligkeit sehr genau geprüft wird? Es wird dann, wenn es tatsächlich diese Berufslaufbahn für Frauen gibt, einer Frau, die nicht bereit ist, diese Berufslaufbahn zu ergreifen, diese freiwilligen Dienste zu verrichten, nämlich einer arbeitslosen Frau, einer Frau, die Notstandshilfe bezieht, ganz einfach diese staatliche Leistung gestrichen werden.

Da gibt es keine Freiwilligkeit. Und in kleinen Gemeinden, wo der einzige größere Beschäftigungsträger vielleicht eine Kaserne ist, können Sie sich die Freiwilligkeit irgendwo hinschreiben, die findet nicht statt, aus rein ökonomischen Gründen findet sie nicht statt. (Abg. Haigermoser: Wohin?) Hier wird ein finanzieller Druck entstehen, wie er auf viele arbeitslose Frauen heute schon ausgeübt wird.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist eine Augenauswischerei in Sachen Feminismus, es ist eine Verhöhnung der feministischen Zielsetzungen, und es hat mit Freiwilligkeit in Zeiten dieser Arbeitsplatzsituation aber auch schon gar nichts zu tun! (Beifall bei den Grünen.)

12.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Frau Abgeordnete Rauch-Kallat zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.25

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Petrovic! Ihre Scheinheiligkeit ist wirklich grenzenlos! (Beifall bei der ÖVP.) Wenn eine Partei, die massiv die erste Forderung des Frauen-Volksbegehrens unterstützt hat, die geheißen hat: Betriebe können nur öffentliche Förderungen und öffentliche Aufträge erhalten, wenn in allen Bereichen Frauen zu 50 Prozent vertreten sind – das haben Sie sich zum Ziel gemacht –, bezüglich Frauen im Bundesheer aber so eine Meinung hat, bedeutet das, daß Ihnen offensichtlich die Frauen bei den Asphaltierern wichtiger sind als beim Bundesheer. Sagen Sie doch gleich, daß Sie gegen das Bundesheer sind! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir von der ÖVP sind der Meinung, daß Frauen im Bundesheer die Möglichkeit einer Karriere haben sollen, und wir sind auch überzeugt, daß Frauen im Bundesheer dieses Bundesheer


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wesentlich verbessern werden, weil beide Elemente vorhanden sind. Aber das, was Sie hier tun, nämlich einerseits die Forderung des Frauen-Volksbegehrens zu unterstützen, daß Frauen zu allen Bereichen Zugang haben sollen, andererseits aber gegen Frauen im Bundesheer aufzutreten, das ist scheinheilig! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Achs. )

12.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wird nicht gewünscht. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1037 der Beilagen.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben Zusatz- und Abänderungsanträge eingebracht.

Herr Abgeordneter Jung hat ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde daher über die von den erwähnten Anträgen beziehungsweise vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält Verfassungsgesetze sowie Verfassungsbestimmungen, und ich stelle daher zunächst im Sinne der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich weise außerdem darauf hin, daß im Sinne des § 66 Abs. 3 beantragt wurde, bei der Abstimmung über Artikel 1 und bei der dritten Lesung die Für- und Gegenstimmen bekanntzugeben. Das heißt, ich muß die Stimmen auszählen, und ich ersuche daher Frau Abgeordnete Reitsamer und Herrn Abgeordneten Auer als Schriftführer, mich bei der Auszählung zu unterstützen.

Wir stimmen als erstes über Artikel 1 in der Fassung des Ausschußberichtes ab; hier sind die Für- und Gegenstimmen festzuhalten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für Artikel 1 in der Fassung des Ausschußberichtes sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich gebe bekannt, daß bei der Abstimmung über Artikel 1 154 Stimmen dafür und 8 Stimmen dagegen abgegeben wurden. Dieser Teil ist daher mehrheitlich angenommen worden, und zwar mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit.

Ich lasse jetzt über Artikel 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Dieser Artikel 2 ist mehrheitlich angenommen worden, wobei auch hier das Vorliegen des verfassungsrechtlich gebotenen Quorums, der Zweidrittelmehrheit, festzustellen ist.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf Artikel 3 Z 1 Inhaltsverzeichnis und Z 23 § 46d bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 3 Z 16 § 32 Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte bei Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Novellierungsanordnung in Artikel 3 Z 23 und auf Artikel 3 Z 32 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Artikel 3 Z 38 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen worden.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Ich weise auf das Vorliegen der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit hin.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung, und ich mache darauf aufmerksam, daß auch hier die Bekanntgabe der Für- und Gegenstimmen beantragt wurde.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich gebe bekannt, daß in dritter Lesung für diesen Entwurf 117 Stimmen dafür und 45 Gegenstimmen abgegeben wurden.

Damit ist der Entwurf in dritter Lesung angenommen worden, wobei auch hier das Vorliegen der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit festzustellen ist.

2. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen geändert wird (1010 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 451/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (1011 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Gaugg das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.37

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wir diskutieren heute über eine Vorlage, die eine Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes


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für Frauen vorsieht. Und wie in vielen Bereichen der politischen Arbeit der Regierungskoalition diskutieren wir auch über diese Maßnahme zu einem weit verspäteten Zeitpunkt. Bereits im Jahre 1989 haben freiheitliche Arbeitnehmer in den Kammervollversammlungen entsprechende Anträge eingebracht, die diesbezüglich eine Gleichbehandlung von Frauen und Männern vorgesehen hätten. Diese Forderung wurde insbesondere von der sozialdemokratischen Fraktion immer als etwas Unanständiges zurückgewiesen, im Wissen, daß es Zigtausende Frauen in Österreich gibt, die selbstverständlich Nachtdienste, Samstags- und Sonntagsdienste in vielen Branchen leisten. Das ist im Bereich des Gesundheitswesens, bei der Exekutive, bei den Verkehrsbetrieben und in vielen anderen Bereichen der Fall. Hier war die Nachtarbeit für Frauen zwingend notwendig, aber überall dort, wo diese Regelung arbeitsplatzschaffend gewirkt hätte, wurde sie gerade von der SPÖ immer wieder behindert und verhindert.

Sie haben die Internationalisierung, die Globalisierung völlig verschlafen. Sie haben nicht erkannt, daß eine Gleichbehandlung notwendig ist, um eine geschlechtsneutrale Beschäftigungspolitik in Österreich zu gewährleisten. Und Sie sind erst unter dem Druck der Europäischen Union überhaupt dazu bereit, eine Übergangsregelung zu beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Übergangsregelung spricht für sich: Wenn nämlich bereits zum Zeitpunkt der Einführung dieser Übergangsregelung, wie Sie sie nennen, Abgeordneter Feurstein in einer Aussendung festhält, daß es sich um keine optimale Lösung handelt, dann ist das für die Qualität der Arbeit, die hier von seiten der Regierungskoalition geleistet wird, wieder einmal bezeichnend. Das ist wieder einmal eine typisch österreichische Lösung, ein sogenannter fauler Kompromiß, weil man ein von der EU bis 1. Jänner 2002 zwingend vorgeschriebenes Gesetz nicht gleich umsetzt – um Gottes willen, das wäre in Österreich das erste Mal! –, weil man den verlangten Inhalt, nämlich die geschlechtsneutrale Beschäftigung von Mann und Frau, nicht schon vor diesem Termin entsprechend berücksichtigt.

Sie machen immer nur unter Druck irgend etwas, und dann geschieht das zum Teil menschenverachtend. Für welche Betriebe möchten Sie es jetzt machen? Erstens einmal für Betriebe wie AT & S in der Steiermark, wo der Bruttostundenlohn 85 S ausmacht.

Wissen Sie, was das ist? – Menschenverachtend! Sie sollten sich Ihrer Verantwortung bewußt sein. Wenn Sie es Menschen zumuten, in der Nacht zu arbeiten, dann sollen diese auch entsprechend entlohnt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Eine entsprechende Entlohnung ist die Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein, unabhängig, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.

Man kann keine verwässerte Vorlage machen, die unter dem Druck des Koalitionspartners ÖVP fast nichts mehr enthält. Wenn man das alles auf kollektivvertraglicher Ebene und in Betriebsvereinbarungen regeln möchte, dann ist das zwar der richtige Ansatz, aber man braucht, damit das funktioniert, eine entsprechende Legalisierung der Nachtarbeit von Frauen. Das zu tun, haben Sie aber verabsäumt.

Ich verstehe nicht, daß Frau Bundesminister Hostasch heute mit dieser Vorlage einverstanden ist. Sie selbst hat vor einem Jahr einen Antrag eingebracht, der mir persönlich wesentlich besser gefällt, denn dieser Antrag Nürnberger, Verzetnitsch, Hostasch beinhaltet bereits jene Punkte, die die EU per 1. Jänner 2002 vorschreibt. Mir hätte dieser Antrag viel besser gefallen, weil es darin nicht nur um eine finanzielle, sondern auch um eine zeitliche Abgeltung der Nachtarbeit geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und die ist einfach notwendig, denn es wird doch niemand bestreiten, daß Nachtarbeit gesundheitsbelastend ist.

Immer wieder haben Sie eine entsprechende Regelung verabsäumt und dadurch viele Tausende Arbeitsplätze nicht zugelassen. Erst jetzt, nach langem Bemühen, konnten Sie sich durchringen, auf diesem Gebiet etwas zu tun.

Der Antrag selbst – mit Ausnahme dessen, daß das durch Kollektivverträge gelöst werden soll; das ist durchaus logisch (Heiterkeit bei den Freiheitlichen) – ist in weiten Bereichen völlig unverständlich. So steht da etwa: "Der Anspruch auf Versetzung kann bei nachweislicher Gesund


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heitsgefährdung erfolgen." Jetzt frage ich mich: Wie weise ich das nach, und wer bestimmt, was gesundheitsgefährdend ist und was nicht?

Weiters liest man: "nach Maßgabe der betrieblichen Möglichkeiten". Was heißt denn das wieder? Wer setzt das fest? Wer sagt das? Wer bietet mir an? "Es kann niemand gezwungen werden", steht in dem Papier, denn Gesetz darf es ja keines werden. Und schließlich heißt es: "Es sind geeignete Ausgleichsmaßnahmen zur Milderung oder zum Ausgleich" – also was jetzt: zur Milderung oder zum Ausgleich? – "festzulegen".

Die Begründungen sind geradezu abenteuerlich. Diese ganze Vorlage beweist folgendes: daß Sie riesige soziale Defizite in Ihrer Politik haben. Riesige soziale Defizite! (Abg. Steibl: Und ihr habt keine Defizite?)

Uns ist über viele Jahre hinweg immer wieder erklärt worden, die österreichische Sozialpartnerschaft sei beispielgebend in Europa. Das ist jetzt der Beweis: Damit erfüllen Sie wieder nicht einmal die EU-Richtlinien! Nicht einmal die EU-Richtlinien werden erfüllt bei der Gleichstellung von Mann und Frau, wenn das beschlossen wird, so wie es hier vorgesehen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie eines ganz deutlich – und das ist vor allem an die Adresse der sozialdemokratischen Abgeordneten gerichtet –: Gibt es in Österreich nur mehr eine funktionierende Sozialpartnerschaft, wenn sie zu Lasten der Arbeitnehmer geht? Diese Frage müssen Sie sich gefallen lassen, denn all das, was in den letzten Monaten hier beschlossen wurde, ist ausschließlich zu Lasten der österreichischen Arbeitnehmer gegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da wird im Detail darüber gesprochen, daß es Ausgleichsmaßnahmen geben muß. Das sind Zeitzuschläge, Zusatzurlaube und zusätzliche Ruhepausen. Und jetzt frage ich schon: Warum kann man all diese Dinge nicht in einem Gesetz zusammenfassen, das für alle gültig ist, sodaß sich nicht der einzelne Betrieb – natürlich braucht man darüber die Betriebsvereinbarung – damit herumschlagen muß, was jetzt gut für ihn ist und was nicht? Wir brauchen ein gleiches gesetzliches Grundrecht für alle.

Und wenn dann hier drinnen steht, daß für Kinderbetreuungseinrichtungen gesorgt werden muß, so muß ich schon sagen: Das funktioniert noch nicht einmal heute. Mit den geänderten Ladenöffnungszeiten haben Sie bei den Kinderbetreuungseinrichtungen nicht Schritt gehalten. Und jetzt wollen Sie Kinderbetreuungseinrichtungen in einer losen Verordnung festschreiben. Dafür gehören Gesetze her!

Ebenso gilt das für geeignete Transporte vom und zum Arbeitsplatz. Sie sind heute schon nicht mehr in der Lage, einen entsprechenden Pendlerdienst für die Arbeitnehmer aufrechtzuerhalten. Wie wollen Sie das dann in den einzelnen Berufssparten machen, die das vielleicht kollektivvertraglich regeln werden?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das ist wirklich erstaunlich. Da gibt es eine Koalition wider besseren Wissens und wider guten Willens. Das ist die Realität. In Wirklichkeit hätte heute hier nur ein Gesetz beschlossen werden sollen. In weiten Bereichen stimmen die Freiheitlichen jenem Antrag zu, den die Frau Bundesminister und vormalige Abgeordnete Hostasch gemeinsam mit Nürnberger und Verzetnitsch eingebracht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

12.45

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir ein sozialpolitisches Thema behandeln, das in die Gewerkschafts- und Kollektivvertragspolitik hineinspielt, darf ich, ohne die Geschäftsordnung


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zu mißbrauchen, auf einen Debattenbeitrag des Herrn Abgeordneten Haupt gestern anläßlich der Dringlichen Bezug nehmen, der hiezu paßt.

Vorweg darf ich feststellen, daß es, wie so oft bei Ausführungen von Vertretern der FPÖ, mit der Wahrheit nicht so genau genommen wird. (Abg. Blünegger: Bei den Sozialisten auch nicht!) Herr Abgeordneter Haupt hat behauptet, daß ich im Zusammenhang mit der Situation der Stahlindustrie in der Steiermark zwei Monate später im Fernsehen aufgetreten wäre, um zu sagen, daß wir in diesem Bereich etwas vergessen hätten. Ich bitte darum, mir nachzuweisen, wann ich im Fernsehen aufgetreten bin, denn ich kann mich nämlich nicht daran erinnern.

Zweitens hat er so großartig behauptet, dort, wo freiheitliche Betriebsräte an Flexibilisierungsmodellen federführend mitgewirkt haben, hätte es zu zwei Drittel Vorteile für die Arbeitnehmer gegeben. Ich würde gerne wissen, wo es diese Flexibilisierungsmodelle, an denen Sie mitgewirkt haben, gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Schließlich hat er einen ganz besonderen Satz gesagt: Im Gegenteil, wir haben uns sehr vieles überlegt, wir haben sehr fortschrittlich gedacht, aber wir waren vielleicht der Zeit oftmals voraus. – Auf diesen Punkt komme ich noch zu sprechen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Reden Sie von der Nachtarbeit!) Dann geht es weiter. Er behauptet, vor zwei Jahren seien Sie für ein Flexibilisierungsmodell eingetreten. Ich erinnere: Seit vier Jahren haben das die Gewerkschaften schon verlangt! Und dann bejubelt er das Flexibilisierungsmodell, das die Metallarbeiter beschlossen haben, und sagt, dafür sei er schon vor zwei Jahren eingetreten. (Abg. Dr. Haider: Was ist mit deinem Lohnverzicht?)

Ich rufe in Erinnerung – man kann das ja im Protokoll nachlesen –: Nachdem die Metaller dieses Flexibilisierungsmodell im Vorjahr beschlossen haben, gab es hier sofort eine Debatte. (Abg. Dr. Haider: Du bist der erste gewesen, der einen Lohnverzicht verlangt hat!)

Lieber Herr Abgeordneter Haider! Du bist hier aufgetreten und hast Kübel voll Dreck über den Kollegen Verzetnitsch und mich ausgeschüttet. Und Herr Abgeordneter Prinzhorn hat im Fernsehen ein Interview gegeben, in dem er gesagt hat, daß er eigentlich der Hüter der Idee des Victor Adler gewesen sei. Und Kollege Haupt hat gestern behauptet, für das, was die Metaller gemacht haben, sei er schon vor zwei Jahren eingetreten. (Abg. Dr. Haider: Wir sind die besseren Sozialpolitiker!) Also einmal links, einmal rechts! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler  – auf seinen Platz deutend –: Der Victor Adler säße heute hier! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Hört zu und werdet nicht nervös!

Jetzt kommen wir zu jenem Satz, wonach ihr der Zeit voraus seid. Da muß ich euch recht geben. In einem Punkt seid ihr gegenüber allen österreichischen Gewerkschaften der Zeit weit voraus. Ihr habt sogar das Privileg, allen Gewerkschaften der Welt in diesem Punkt voraus zu sein. (Abg. Dr. Haider: Na, na!) Es kommt schon noch; ihr seid da wirklich der Zeit voraus. (Abg. Dr. Haider: Beim Lohnverzicht bist du voraus!) Ihr werdet das auch noch Jahrzehnte bleiben, nämlich wenn es darum geht, Bettelbriefe, Schnorrbriefe an die Arbeitgeber zu schicken! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gaugg. ) Genau du bist es, der als Gewerkschaftsführer der Freiheitlichen an Arbeitgeber schreibt, sie mögen bitte den beiliegenden Erlagschein benützen und ihre Spende einzahlen. (Abg. Gaugg: Nürnberger! Zwangsinserate in deiner Zeitung!) Glaubst denn du wirklich, daß die Arbeitgeber heute so ungeschickt sind, den Rechtsanwalt zu bezahlen, mit dem du klagen wirst? Sollen dir die Arbeitgeber deinen Streikfonds finanzieren, den du nicht hast?

Lieber Kollege Gaugg! Rege dich nicht auf! Ich sage dir eines: Wenn ich in die Situation kommen würde, derartige Bettelbriefe an die Arbeitgeber schreiben zu müssen, daß sie Geld spenden, dann würde ich von meiner Funktion zurücktreten (Beifall bei der SPÖ – Abg. Gaugg: Zwangsweise! Das ist der Unterschied! Freiwillig und zwangsweise!), mir ein One-way-Ticket nach Australien kaufen und mich dort im hintersten Winkel verstecken. So genieren würde ich mich, wenn ich als Gewerkschafter zu Arbeitgebern um Spenden betteln gehen müßte, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Jetzt werden Sie nervös, weil Sie die Wahrheit nicht vertragen!


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Weiters hat Abgeordneter Haupt noch gesagt, das Auseinanderdividieren von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen habe noch nie jemandem etwas gebracht. Also daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber im gemeinsamen Boot sitzen, das wissen wir seit 1945. Dazu brauchen wir nicht Herrn Haupt, daß er uns das sagt. Aber einen Unterschied gibt es: Wenn wir auch im gemeinsamen Boot sitzen, so geht es sicherlich nicht, daß die Arbeitnehmer rudern und die Arbeitgeber am Sonnendeck liegen, sondern entweder rudern beide oder es liegen beide am Sonnendeck. (Beifall bei der SPÖ.) Aber daß wir im gemeinsamen Boot sitzen, das wissen wir. (Abg. Dr. Haider: Du forderst Lohnverzicht!)

Ich habe in meinem Leben noch nie einen Lohnverzicht gefordert. (Abg. Dr. Haider: Sicher! Ich habe es dir ja nachgewiesen!) Andere Gewerkschaften wären froh, wenn sie derartige Abschlüsse erreichen könnten, wie wir sie in den letzten Jahren zustande gebracht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun ein paar Bemerkungen zur vorliegenden Novelle, zum Nachtarbeitsverbot für Frauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Faktum ist, es gibt eine große Anzahl von Frauen, die aus den verschiedensten Gründen persönlich gerne in der Nacht arbeiten möchten. Darüber hinaus ist es da oder dort notwendig und sinnvoll, um die Wirtschaftlichkeit unserer Betriebe zu erhalten. Daher begrüßen wir die heute vorliegende Ermächtigung, daß in Zukunft die Kollektivvertragspartner über das Instrumentarium des Kollektivvertrages und sogar weitergehend, weil man das eine oder andere speziell auf den einzelnen Betrieb zuschneiden kann, mittels des Instrumentariums der Betriebsvereinbarung die Nacharbeit für Frauen ermöglichen können.

Damit es keine falschen Vorstellungen da oder dort auf Arbeitgeberseite gibt: Wir werden bei diesen Vereinbarungen genau schauen, daß absolute Freiwilligkeit herrscht. Kinderbetreuung und Fahrmöglichkeiten als eine Frage der Sicherheit sowie die Rückkehrmöglichkeit zur Tagarbeit, wenn dies notwendig ist, müssen gegeben sein.

Da die von mir sosehr geschätzte Frau Abgeordnete Tichy-Schreder als eine Spitzenrepräsentantin der österreichischen Wirtschaft vor mir sitzt, richte ich folgendes an ihre Adresse – Sie wissen sicherlich, was jetzt kommen wird, aber ich sage es trotzdem in aller Öffentlichkeit, damit es auch darüber keine falschen Vorstellungen gibt –: Zum Nulltarif wird es das nicht geben! So wie es keine Sonntagsarbeit zum Nulltarif gegeben hat, so wie es keine Flexibilisierung zum Nulltarif gegeben hat, so wird es die Nachtarbeit für Frauen in Zukunft auch nur geben, wenn deren Rechte abgesichert sind und wenn auch finanzielle Vorteile für sie herausschauen. (Abg. Dr. Khol: Das ist eh klar!) Ich bedanke mich, Herr Klubobmann, daß du das unterstreichst. Also: Zum Nulltarif wird es die Nachtarbeit sicherlich nicht geben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Nichts gibt es zum Nulltarif!)

12.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

12.52

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich gleich ganz kurz auf den Abgeordneten Nürnberger beziehen. Ich meine, es hört sich zwar gut an, wenn Sie das sagen mit dem Nulltarif, aber wer hat das gefordert? Erstens: Wer hat gefordert, daß in der Nacht zum Nulltarif gearbeitet werden soll? Zweitens: Wer hat gefordert, daß die Nacht womöglich arbeitsrechtlich schlechtergestellt werden soll? Das hat niemand gefordert. Das ist eine plakative Defensivhaltung, die nur dazu dient, so zu tun, als ob die Leute, die der Meinung sind, daß endlich auch im Arbeitsrecht in der Nacht Gleichbehandlung von Männern und Frauen einkehren soll, der Meinung sind, daß das Nulltarif bedeutet. Zeigen Sie mir einen Betrieb, der heute in Schicht fährt, zum Beispiel Stahlarbeiter, wo die Nacht nicht anders berücksichtigt wird als der Tag. Zeigen Sie mir den bitte!

Davon ist überhaupt keine Rede. Ich halte diese Aussage daher für einfach zu billig. Ein Präsident einer großen Gewerkschaft hätte es nicht notwendig, so zu argumentieren.


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Abgesehen davon nun zur Sache selbst. Im Ausschuß hatten wir mehrere Anträge liegen, unter anderem Anträge des Kollegen Verzetnitsch einerseits und des Kollegen Feurstein andererseits. Diese beiden Anträge wurden vertagt. Daraus kann man deutlich erkennen, daß die Ausschußmehrheit der Meinung war, daß das, was sie dann in Form eines sogenannten § 27-Antrages beschlossen hat und was heute auch hier Verhandlungsgegenstand ist, nicht die Lösung ist. Wenn man der Meinung gewesen wäre, das sei jetzt die endgültige Lösung, hätte man diese beiden Anträge nicht vertagen müssen. (Abg. Dr. Feurstein: Sie waren nicht da! Sie haben die Begründung der Vertagung nicht gehört!)

In diesem Fall hat die Mehrheit im Ausschuß recht gehabt, denn das kann gar nicht die endgültige Lösung gewesen sein. Sie ist nämlich mindestens gleichheitswidrig in Anbetracht der EU-Richtlinie, daß das Arbeitsrecht in der Nacht, bezogen auf Männer und Frauen, zu harmonisieren ist. (Abg. Dr. Feurstein: Muß ja sein!) Das macht dieser Antrag nicht! Er sieht nur die Möglichkeit vor, daß in Kollektivverträgen harmonisierte Regelungen herbeigeführt werden. Aber überall dort, wo es zu keiner kollektivvertraglichen Regelung kommen wird – und das wird dann wohl auch möglich sein müssen, sonst bräuchte man nicht den Kollektivvertrag nur als Option einzuräumen –, wird die Ungleichbehandlung fortgeschrieben, und zwar eine, die eindeutig nicht den Richtlinien der Europäischen Union entspricht.

In Frankreich hat man auch versucht, das einseitige Nachtarbeitsverbot für Frauen aufrechtzuerhalten. Der EuGH hat es ganz klar ausgesprochen: Ein pauschaliertes Verbot für Frauen ist nicht zulässig, wenn Männer sehr wohl in der Nacht arbeiten dürfen. Es geht um die Gleichbehandlung! Noch einmal zum Kollegen Nürnberger gesagt: Es geht nicht um den Nulltarif!

Dem steht keineswegs der Anspruch entgegen, daß selbstverständlich spezielle Vorschriften zum Schutz der Frau und der Mutterschaft notwendig sind. Das ist nicht Thema des Nachtarbeitsverbots für Frauen. Das sind andere Schutzkreise, und um diese geht es in diesem Zusammenhang nicht.

Darüber hinaus frage ich: Ist Ihnen hier in diesem Haus eigentlich bewußt, daß dieses Gesetz ohnedies in weiten Bereichen der Arbeitswelt überhaupt nicht gilt? Es sind mehr als zwei Seiten gleich zu Beginn des Gesetzestextes über die Nachtarbeit von Frauen, auf denen die Ausnahmen statuiert sind. Das Nachtarbeitsverbot für Frauen gilt nicht: im Verkehrswesen, im Rundfunk, im Fernmeldewesen, bei Nachrichtenagenturen, im Gastgewerbe, bei Tageszeitungen, bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen, Schaustellungen, Darbietungen und Lustbarkeiten, Filmaufnahmen, in Lichtspieltheatern, in Krankenanstalten, in Kur-, Wohlfahrts- und Fürsorgeanstalten und so weiter.

Es gilt weiters nicht für Dienstnehmer des Bundes. Ich halte fest: Für alle Dienstnehmer des Bundes gilt das Gesetz sowieso nicht.

Es gilt nicht in Apotheken, für Menschen, die eine leitende Stellung im technischen Bereich innehaben, für Detektivinnen, für Dienstnehmer in Betrieben des Zimmer- und Gebäudereinigungsgewerbes. Also für die Putzfrauen im weitesten Sinn des Wortes gilt es nicht. Diese sind, scheint es, nach der Diktion des Kollegen Nürnberger nicht schutzwürdig. Es gilt nicht für Lehr- und Ausbildungs-, Erziehungs- und Beratungstätigkeiten. Beispielsweise eben für solche, die von den Wirtschaftsförderungsinstituten und vom BFI betrieben werden, gilt es nicht. Wieder einmal eine Ausnahme zugunsten der sozialpartnerschaftlichen Bildungseinrichtungen!

Für Telefonistinnen gilt es natürlich nicht. Für Dienstnehmerinnen, die auf Kongressen arbeiten, gilt es auch nicht. – Ich könnte noch weiter vorlesen. Also in all diesen Bereichen gilt es nicht!

Jetzt gibt es noch eine Nische, aber dort erfolgt keine neue Regelung, sondern es wird gnadenhalber erlaubt, daß das im Kollektivvertrag festgelegt werden kann. Umdrehen müßte man es! Man müßte es erlauben und die Möglichkeit schaffen, daß in Kollektivverträgen oder in Betriebsvereinbarungen oder überhaupt gleich innerbetrieblich besondere Regelungen getroffen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das wäre der richtige Weg, denn dann wäre es generell zulässig, mit der Möglichkeit, es in Form des kollektiven Arbeitsrechtes zu gestalten.


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Das würde aber bedeuten, daß der Gesetzgeber, die Mehrheit dieses Hauses, den Sozialpartnern wirklich zutraut, was immer behauptet wird, daß sie tun, nämlich eigenständige Lösungskompetenz zu entwickeln. So wird den Sozialpartnern ein Verbot vorgegeben, von dem sie gelegentlich eine Ausnahme machen dürfen. Das ist das Gegenteil von Autonomie und Eigenverantwortung! Das ist die Erlaubnis, ab und zu einmal etwas gestalten zu dürfen, aber im übrigen bleibt es verboten – so nach dem guten österreichischen Grundsatz: Was wir nicht gerne wollen, das verbieten wir einmal generell, und dann kümmern wir uns um die Ausnahmen. Wir sollten statt dessen sagen: Wir lassen es erlaubt und schauen, daß wir es gestalten. Das ist ein signifikanter Unterschied! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Aus diesen Gründen, so meinen wir, ist das, was im Ausschuß beraten wurde und heute beschlossen werden soll, völlig ungeeignet, das eigentliche Problem zu lösen. Es verspottet sozusagen die Selbstgestaltungsfähigkeit und die Eigenverantwortlichkeit der Akteure und Akteurinnen. Es ist ein krampfhaftes Festhalten an dem, was bisher geschah. Es ist keine Reform, und es ist kein innovatorischer Ansatz. Das ist schade! (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.00

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte als Frau konkret sagen oder man könnte sagen: Wir haben – spät, aber doch – wieder einen Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung beziehungsweise Gleichbehandlung erreicht. Schon die zweite Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahre 1976, die die Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung, beim beruflichen Aufstieg und bei den Arbeitsbedingungen für Frauen – wahrscheinlich haben es die freiheitlichen Kollegen und Kolleginnen nicht gelesen – zum Gegenstand hat, begründet eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zur Änderung nicht mehr zeitgemäßer innerstaatlicher Rechtsvorschriften im Bereich des Frauenarbeitsschutzes.

Es stimmt sicher nicht, daß das, wie Kollege Gaugg behauptet, nur zu Lasten der Arbeitnehmer geht. Vielleicht hat er den Begriff "Arbeitnehmer" wörtlich aufgefaßt, nämlich den männlichen Arbeitnehmer. Es kann nämlich schon passieren, daß der eine oder andere Arbeitnehmer nunmehr den Arbeitsplatz an eine Frau abtreten sollte, könnte oder muß.

Artikel 5 der Gleichbehandlungsrichtlinie stellt fest, daß die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinsichtlich der Arbeitsbedingungen ohne Diskriminierung des Geschlechts zu erfolgen hat. In Österreich arbeiten derzeit zirka 163 000 Männer und an die 50 000 weibliche Beschäftigte ständig in der Nacht. Untersuchungen zeigen, daß Abend- und Nachtarbeit – nicht die Schichtarbeit – zunehmen. Das bedeutet, daß es eine Zunahme von neuen Arbeitsplätzen gibt, die bislang Frauen aufgrund des Nachtarbeitsverbotes verwehrt waren. So konnte man – so kann man das auch sagen – Ausgrenzungspolitik in der Arbeitsmarktpolitik betreiben.

Ich glaube, daß es an der Zeit ist, daß das Gesetz aus dem Jahre 1919 nunmehr eine Novellierung, die es zum Beispiel auch schon in den Ländern Schweiz, Deutschland und Schweden gibt, erfährt. Ich finde es gut, daß durch Kollektivvertragslösungen allgemeine Ausnahmen vom Nachtarbeitsverbot für Frauen zugelassen werden, daß beide Geschlechter einbezogen und auch geeignete Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Ausgleichsmaßnahmen müssen sowohl für Männer als auch für Frauen gelten, und der Kollektivvertrag muß dabei allerdings nicht darauf beschränkt sein, einen bloßen Rahmen vorzugeben, sondern er selbst kann auch konkrete, für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entgegenkommende Regelungen enthalten.

Ich habe hier einen Auszug aus der "Emma", einer feministischen Zeitschrift, aus dem Jahr 1991, und da steht: Schluß mit der Doppelmoral! In dieser Zeit wurde in Deutschland eine Uraltforderung der Feministinnen erfüllt, das Nachtarbeitsverbot wurde aufgehoben. Ich sage das deshalb, weil es immer den Anschein hat, als ob Frauen diesbezüglich benachteiligt wären. Es mag sein, daß das das eine oder andere Mal der Fall ist, aber die Praxis zeigt, daß es auch Frauen gibt, die sehr wohl dank ihrer qualifizierten Ausbildung selbst bestimmen möchten, in


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welchem Bereich sie arbeiten wollen. Zum Beispiel ist es derzeit ungesetzlich, wenn eine Chefsekretärin abends eine Projektbeschreibung ausarbeiten will oder wenn eine EDV-Technikerin in einer Bank bestimmte Programmierarbeiten zu unüblichen Arbeitszeiten machen will. Das war bis jetzt nicht legal, und es ist auch keine Ausnahme.

Ich habe vor Monaten einen Brief von Jörg Martin Willnauer, einem bekannten Künstler in Österreich, erhalten, und dieser schrieb mir, daß eine junge Frau, die sich bei den Casinos Austria um den Posten eines Croupiers beworben hat, abgelehnt wurde. Dort wird nicht nur Geld verspielt, sondern man kann es auch durch Arbeit als Croupier legal verdienen. Im Ausland, zum Beispiel in Marburg, ist es sehr wohl möglich, daß nicht nur Männer, sondern auch Frauen als Croupier arbeiten. In Österreich besteht diese Chance bislang nicht.

Ich möchte nur plakativ aufzeigen, daß es notwendig ist, mit sehr viel Fingerspitzengefühl und Engagement von beiden Seiten der Sozialpartner vorzugehen, um diese neue Chance zu nützen. Vor kurzem stand in der "Neuen Zeit", die keine konservative Zeitung ist, daß Frauen nunmehr auch zum Futtertrog zugelassen werden, von dem sie eine Zeitlang ferngehalten worden sind. Ich erkläre, was damit gemeint war, nämlich daß Frauen nun auch die Chance haben, in bestimmten Branchen das gleiche Entgelt wie Männer zu bekommen. Weiter steht in dieser Glosse: Vielleicht ist das auch ein Punkt gewesen, daß es große Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau gibt. – In diesem Sinne glaube ich, daß wir alle mit dieser Novelle selbstbestimmend in die richtige Richtung gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.06

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Ministerin! Ich kann es wirklich kurz machen. Wir von den Grünen lehnen diese Regelung ganz entschieden ab. Ich sage Ihnen auch warum und bin darin auch durch die bisherige Debatte bestärkt worden.

Es ist viel über den Nulltarif gesprochen worden. Es soll nicht zum Nulltarif geschehen, sondern es soll selbstverständlich finanzielle Abgeltungen dafür geben. Ich habe aber etwas anderes in Erinnerung, Kollege Feurstein, Kollege Nürnberger und meine sonstigen MitstreiterInnen und Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuß! Ich habe etwas anderes in Erinnerung.

Frau Kollegin Steibl! Gerade Sie haben im Zusammenhang mit der Nachtarbeit in bezug auf Frauen von Doppelmoral gesprochen. Diese Doppelmoral gibt es nach wie vor. Wir waren uns, wenn es um Nachtarbeit gegangen ist, immer einig darüber, daß wir sie nicht haben wollen, daß wir sie nicht zusätzlich erleichtern wollen, weil es dabei um gesundheitliche Gefährdung geht. Man kann das Problem der gesundheitlichen Gefährdung bei Nachtarbeit nicht einfach wegdenken.

Jetzt höre ich mit Erstaunen, daß wir für ein bißchen mehr Geld das vergessen sollen, es gebe da keine Probleme. Ich lese mit Erstaunen im Antrag, daß es einen Anspruch auf Versetzung bei nachweislicher Gesundheitsgefährdung auf einen geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Maßgabe der betrieblichen Möglichkeiten geben soll. – "Nach Maßgabe der betrieblichen Möglichkeiten und bei nachweislicher Gesundheitsgefährdung" heißt doch, daß man entweder schon ziemlich gefährdet sein muß, oder der Arbeitsinspektor beziehungsweise die Arbeitsinspektorin stellt bei der freiwilligen Untersuchung fest, daß die betreffende Person nicht mehr geeignet ist, Nachtarbeit zu machen.

Dazu sagen Sie: Na ja, wenn der oder die nicht mehr kann, dann soll möglichst ein Tagesarbeitsplatz gefunden werden. Das soll der Kollektivvertrag so festschreiben. Aber wenn es den Tagesarbeitsplatz nicht gibt, dann hat der oder die ArbeitnehmerIn Pech gehabt, dann steht ihm oder ihr nur mehr die Kündigung frei. Das darf nicht möglich sein, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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Ich habe schon im Ausschuß klar betont: Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, zu feig sind, in einem entsprechenden Abänderungsantrag festzuschreiben, daß der Gesetzgeber sehr wohl nicht nur die Verpflichtung, sondern auch die Notwendigkeit erkennt, gesundheitliche Gefährdung bei Nachtarbeit eindeutig zu definieren und auch bestimmte Rechte und Pflichten festzuschreiben und nicht darauf zu verzichten und Empfehlungen an die Kollektivvertragspartner zu richten, an die sie sich halten können, aber nicht müssen, weil sie weich sind, dann ist das ein Grund, diesem Antrag nicht zuzustimmen. (Abg. Meisinger: Geschlechtsneutral!)

Trotz der Bezeichnung "geschlechtsneutral" gibt es eine Gesundheitsgefahr. (Abg. Meisinger: Ist auch für Männer gesundheitsgefährdend!) Na selbstverständlich! Ich habe jetzt nicht von Männern gesprochen, sondern von einer Regelung, mit der Nachtarbeit für alle zugelassen wird, obwohl wir alle uns einig waren, daß Nachtarbeit im Prinzip gesundheitsgefährdend ist – unabhängig von ihrer konkreten Ausformung. Aber in den Bestimmungen, die wir heute beschließen sollen, sind ganz weiche Formulierungen enthalten.

Ich erwarte mir von einem Gesetzgeber, der dieses Problem ernst nimmt, daß er sagt: Jawohl, darauf haben wir Rücksicht zu nehmen! Wir wollen die Nachtarbeit nicht so zulassen, wie es Kollegin Steibl jetzt dargelegt hat, nämlich daß jeder selbständig entscheiden können soll, ob er Nachtarbeit macht oder nicht, sondern es haben bestimmte Auflagen dabei zu erfolgen. All das, was im Antrag Verzetnitsch, Nürnberger, Hostasch, Kostelka enthalten war, wie zum Beispiel Zeitguthaben, war richtig und wichtig, und das kann man nicht eliminieren.

Insofern, Frau Kollegin Steibl, ist das kein Meilenstein nach vorne, sondern gegenüber diesem Antrag ein Meilenstein nach hinten. Wir werden bei dieser Politik des permanenten Zurückweichens und des Nichtsehenwollens, welche Probleme mit diesen Regelungen verbunden sind, nicht mitmachen. Daher werden wir, weil diesem Antrag jeglicher gestalterischer Wille des Gesetzgebers fehlt, nicht zustimmen.

13.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

13.11

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist unbestritten, daß Nachtarbeit, insbesondere dann, wenn die Arbeitszeiten wechseln, also wenn Tagesarbeit und Nachtarbeit ständig wechseln, eine besondere Belastung der Gesundheit, eine Belastung für das familiäre Zusammenleben und auch eine erschwerte Teilnahme am gesamtgesellschaftlichen Leben mit sich bringt. Es ist daher notwendig, daß da immer wieder flankierende Maßnahmen ergriffen werden.

Ich glaube aber, daß es richtig ist, nicht jede Nachtarbeit gleich zu sehen, weil die Betroffenheiten in den einzelnen Branchen, in den einzelnen Berufen auch sehr unterschiedlich sind. Daher meine ich, daß der Gesetzgeber in der Vergangenheit einen richtigen Weg gegangen ist, wenn er grundsätzlich einmal von einem Nachtarbeitsverbot für Frauen ausgegangen ist, aber mittels gesonderter Ausnahmeregelungen spezifische Interessenlagen berücksichtigt hat.

Aufgrund von Verhandlungen im Rahmen der Europäischen Union und durch unsere EU-Mitgliedschaft ist nun folgende Situation eingetreten: Wir sind jetzt mit einer EU-Richtlinie für eine generelle Anforderung einer geschlechtsneutralen Nachtarbeitsregelung konfrontiert. Es ist sicher unser gemeinsamer Wille und auch unsere gemeinsame Verantwortung, da eine Gesamtlösung zu finden. Wir haben für die Einführung dieser Regelung einen Zeitraum bis zum Jahr 2001 eingeräumt bekommen.

Ich glaube daher, daß es wichtig ist, weitere Erfahrungen mit dem jetzigen Nachtarbeitsgesetz für Frauen zu sammeln, um dann zu wissen, welche Form eine zukünftige gesamtgesetzliche Regelung für ein geschlechtsneutrales Nachtarbeitsgesetz haben soll.


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Es ist ein Faktum, daß über die Initiativanträge und Anträge, die seit einiger Zeit im Hohen Haus liegen, und zwar über keinen der Anträge, nicht über jene der Oppositionsparteien und auch nicht über jene der beiden Regierungsparteien, ein gesamtpolitischer Konsens gefunden werden konnte. Ich glaube daher, daß es ganz wichtig gewesen ist, daß wir einen weiteren Schritt in Richtung einer zukünftigen Gesamtlösung gesetzt haben. Bei den Vorverhandlungen und nicht zuletzt bei den Verhandlungen im Sozialausschuß haben wir den Weg fortgesetzt, den wir auch schon bei der Arbeitszeitpolitik in anderen Bereichen beschritten haben, und zwar haben wir die Kompetenz, die Verantwortung den Sozialpartnern, also jenen, die vor Ort noch umfassender, noch konkreter, noch detaillierter bewerten und beurteilen können, welche Rahmenbedingungen zu schaffen sind, übertragen.

Auf der anderen Seite ist es richtig und wichtig, daß doch vom Gesetzgeber einige Grundsätze vorgegeben werden, unter welchen Bedingungen die Sozialpartner die Detailregelungen treffen sollen. Auf diese Grundsätze wurde schon im Gesetzestext verwiesen. Ich möchte aber auch noch auf die Begründungen verweisen, die in diesem Gesetzesvorschlag enthalten sind. So führt der Gesetzgeber beispielhaft an, welche kompensatorischen Ausgleichsmaßnahmen von den Sozialpartnern angewendet werden sollen, von Zeitausgleichsregelungen angefangen bis hin zu einem längeren Urlaub und anderen Maßnahmen. Damit ist eine politische Vororientierung gegeben, in welcher Form diese Gesetzesänderung umgesetzt werden soll.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube doch, daß wir aufgrund unserer Erfahrung sagen können, daß Arbeitnehmerinteressen mit Arbeitgeberbedürfnissen am besten über die Kollektivvertragspolitik in Einklang gebracht werden können. Ich glaube daher, daß es falsch gewesen wäre, einem Anliegen des Liberalen Forums Rechnung zu tragen, wonach es zu einem generellen Aufheben des Nachtarbeitverbotes für Frauen gekommen wäre. Dann hätten wir nämlich keine Chance gehabt, da steuernd, regulierend, begleitend einzugreifen und sozialpolitisch motiviert Maßnahmen zu treffen.

Gleichermaßen ist es auch nicht sinnvoll, in einem Gesetz, das letztlich die gesamte Arbeitswelt abzudecken hat, detaillierte, ganz konkrete Vorgaben für die Betroffenen zu geben, weil es ein Unterschied ist, ob es sich um einen Verkehrsbetrieb, einen Industriebetrieb oder um einen Dienstleistungsbereich handelt. Ich meine, daß die Kollektivvertragspartner am besten beurteilen können, in welcher Situation welche Möglichkeiten und welche Maßnahmen die geeignetsten sind.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß heute im Hohen Haus dieser Initiativantrag beschlossen werden kann, und würde mich freuen, wenn dieser Antrag die Zustimmung bekommen würde, weil ich glaube, daß wir damit einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer zukünftigen Orientierung setzen könnten. Damit würden gute Voraussetzungen für eine weitere Diskussion, wie die EU-Richtlinie, die uns konkrete Vorgaben gibt, perspektivisch nach dem Jahr 2001 im österreichischen Rechtsgefüge eingebunden sein wird, geschaffen werden.

Ich möchte mit der Bitte an die Sozialpartner schließen, überall dort, wo die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Betriebsräte und die Gewerkschaften die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit eines Kollektivvertrags erkennen und wo das Bedürfnis nach einem solchen vorhanden ist, konstruktiv aufeinander zuzugehen und im Sinne der Begründungen, die im Gesetz enthalten sind, und im Sinne des Gesetzestextes dann Verhandlungen aufzunehmen. Wir haben damit die Chance für manche Frauen, für manche Gruppen in unserer Gesellschaft, die Interesse an einer Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb, in einem bestimmten Bereich haben, für diese Beschäftigung eröffnet. Entscheidend ist aber, daß hier Ausgleichsmaßnahmen in der Qualität vorgenommen werden können, daß Nachtarbeit sozialpolitisch verträglich ist, und zwar nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Sophie Bauer vor. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.17

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir beschließen heute die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes. Dabei ist für mich als Arbeitnehmervertreterin wichtig, daß das nur aufgrund einer Vereinbarung im Kollektivvertrag möglich sein wird. Meine Damen und Herren! Es ist sehr wohl ein gravierender Unterschied, ob für den betroffenen Arbeitnehmer, der Nachtarbeit leisten muß, die Bezahlung ausschlaggebend ist. Es besteht ein Unterschied, ob man in einem Leistungsbetrieb einen Fixlohn oder Akkord- oder Prämienentlohnung bekommt.

Es ist uns allen klar, daß die Nachtarbeit gesundheitsschädigend ist. In unserem Betrieb wollen immer weniger Männer Nachtarbeit verrichten, weil sie nicht nur familienfeindlich ist, sondern auch keine Bildungsmöglichkeiten gegeben sind, also die Chancen auf Bildung dadurch verlorengehen.

Ich arbeite zwar sonst mit der Kollegin Steibl zusammen, aber zu glauben, daß es sich jeder selbst richten kann, ob er in der Nacht arbeiten will oder nicht, das ist ein Irrtum, das entspricht nicht der Realität. (Abg. Steibl: Das habe ich auch nicht gesagt! – Abg. Dr. Feurstein: Das hat sie nicht gesagt!) Es kann niemand selbst entscheiden. (Abg. Dr. Feurstein: Das ist ein Mißverständnis! – Abg. Meisinger: Gleichbehandlung!)

Herr Abgeordneter! Bei eurem Vorschlag gibt es noch einen gravierenden Unterschied: Ihr brüstet euch damit, daß ihr zwar die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen fordert, aber ihr seht keine Rahmenbedingungen dabei vor. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie schaut denn die Situation im ländlichen Raum aus, wo die Frau in der Nacht nicht leicht jemanden für ihr Kind bekommt und wo sie noch dazu mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren muß?

Ich mute dem Arbeitgeber nicht zu, daß er die ganze Nacht herumfährt, um die Frauen zu holen oder wieder nach Hause zu bringen. Das ist ein Irrglaube! Die Praxis schaut anders aus! (Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.) – Für Sie ist das einfach, weil Sie nicht an der Basis sind, und daher verstehen Sie das nicht.

Wann und wo haben Sie einmal die Sicherheit für die Frau auf dem Weg zur Arbeit oder dann auf dem Weg nach Hause eingefordert? – Das ist für Sie nie eine zu diskutierende Frage gewesen! (Abg. Haller: Sie haben es abgelehnt! Wir haben es gefordert!)

Für mich beziehungsweise für uns Sozialdemokraten ist es wichtig, daß die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, auch jene für die Kinderbetreuung, für die Pausenregelungen, also für alles, was dazugehört, um die geforderten Leistungen erbringen zu können. Es wird nur durch den Kollektivvertrag möglich sein, Nachtarbeit zu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.21

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wieder einmal wird versucht, in Ansätzen versucht, das Nachtarbeitsgesetz für Frauen zu verändern, und es wird sogar von einem Meilenstein gesprochen. Dazu kann ich nur sagen: Es handelt sich dabei höchstens um einen Dominostein.

Es ist wieder einmal bewiesen worden, daß die Koalition nicht in der Lage ist, und zwar nach jahrelangen Beratungen – das Thema ist hier im Parlament ein Dauerbrenner –, eine Regelung zu einer geschlechtsneutralen möglichen Nachtarbeit zustande zu bringen, denn dieser Vorschlag – das geben Sie selbst zu, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition – löst das EU-Problem nicht. Das haben Sie in der Begründung zu Ihrem Gesetzesänderungsantrag sogar eingestanden.


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Die Regierung hat ganz einwandfrei wieder einmal zugunsten der Sozialpartnerschaft abgedankt. (Beifall des Abg. Meisinger. )

Die Regelung ist viel zu schwammig, um ein Dumping in einzelnen Branchen – diese Kritik richte ich an Sie, Herr Kollege Feurstein – verhindern zu können. Es ist auch fraglich, ob sie dem Legalitätsprinzip überhaupt entspricht, denn es ist nicht determiniert, welche Voraussetzungen für eine kollektivvertragliche Regelung notwendig sind. Anträge wie 363/A von Verzetnitsch, 406/A von Feurstein und auch unser freiheitlicher Antrag 133/A, den wir zum x-ten Mal eingebracht haben und der eine geschlechtsneutrale Regelung verlangt, sind Makulatur geworden.

Wenn wir jetzt ein bißchen in die Geschichte eingehen, dann, so glaube ich, wird die Sache verständlicher. Seit 1844, also seit Mitte des vorigen Jahrhunderts, wird über das Nachtarbeitsverbot für Frauen diskutiert. Es hat ein solches Verbot in Großbritannien 1844 gegeben, die Schweiz und die Niederlande sind diesem Beispiel gefolgt, und 1885 ist Österreich nachgezogen. Seit dieser Zeit besteht dieses Arbeitsverbot.

Der Vordergrund zu dieser Lösung war natürlich der Schutzzweck für Frauen, weil es in den Zeiten des Frühkapitalismus sehr unmenschliche Arbeitsbedingungen gegeben hat. Man hat sogar vom Aussterben des Arbeiterstandes gesprochen. Die Rate der Kinder- und Säuglingssterblichkeit war damals sehr hoch. Es war sicher ein Teilerfolg der Arbeiterbewegung, daß das Nachtarbeitsverbot für Frauen zustande gekommen ist.

Der zweite Beweggrund – man höre und staune! – war aber damals schon, daß in jenen Zeiten, in einer Zeit der Armut und Arbeitslosigkeit die Männer Angst um ihre Arbeitsplätze gehabt haben, daß die Arbeitsplätze der Männer durch Frauen bedroht worden sind und daß die billigere Frauenarbeit die Löhne gedrückt hätte. Da können Sie ruhig den Kopf schütteln, das ist bewiesen! – Es hat nämlich damals schon Feministinnen gegeben, die kein Nachtarbeitsverbot für Frauen haben wollten, weil sie es als Diskriminierung der Frauen eingestuft haben.

Ich muß seit Mitte der achtziger Jahre immer wieder hören, daß es gerade die Frauen im ÖGB sind, die den Männern wieder einmal die "Schiene legen". Dafür habe ich sehr wenig Verständnis. Wir haben diese Diskussion seit 100 Jahren, und man ist in dieser Diskussion steckengeblieben.

Frauen dürfen heute noch dort arbeiten, wo man sie braucht. Da gibt es Ausnahmeregelungen, diese hat man immer wieder geschaffen. Sie werden so weit geschützt, als sie Männer nicht konkurrenzieren, und da wird auch die vorliegende Änderung möglicherweise sehr wenig bewirken, weil nur die Möglichkeit eingeräumt wird, das eben durch Verträge zu regeln.

Immer wieder hat man aber eine geschlechtsneutrale Regelung angekündigt, ist hinausgegangen und hat von Meilensteinen gesprochen, immer wieder hat es nur mickrige Kompromisse gegeben. Auch heute von Meilensteinen zu reden, Frau Kollegin Steibl, ist wirklich unehrlich, und Sie wissen das selbst ganz genau.

Ich zitiere jetzt aus einem Bericht aus der "Ganzen Woche" vom 6. Feber 1992, in dem die Wiener Arbeiterkammer-Expertin Brigitta Mlinek gesagt hat: "Die Unentschlossenheit und Hilflosigkeit der Regierung in dieser ,überaus heiklen und sensiblen Sache’ läßt sich nicht verleugnen". – Dem ist heute, Ende des Jahres 1997, überhaupt nichts hinzuzufügen. Sie haben schlechte Arbeit gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Haller! Sie haben sich sehr schwer getan, zu begründen, warum Sie gegen diesen Antrag, gegen diese Änderung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen sind. Ich bin auch der Meinung, daß ein beson


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derer Schutz der Frauen notwendig ist. Nicht von ungefähr wurde dieses Nachtarbeitsverbot aus diesen Gründen seinerzeit auch eingeführt.

Auf der anderen Seite müssen wir aber sehen, daß in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Arbeitsplätzen für Frauen nicht erreichbar war, weil es dieses besondere Nachtarbeitsverbot gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haller: Machen Sie einmal Nägel mit Köpfen, Herr Kollege Feurstein!)

Wie können wir das ändern? – Es gibt drei Möglichkeiten, das zu ändern:

Es gibt die Möglichkeit einer sehr detaillierten Bestimmung, in der man taxativ aufzählt, was erfüllt werden muß, damit Nachtarbeit für Frauen zugelassen wird. Die Frau Ministerin hat mit gutem Grund darauf hingewiesen, daß das nicht sinnvoll ist, weil man von Betrieb zu Betrieb und von Branche zu Branche unterschiedlich vorgehen muß.

Zweite Möglichkeit, die wir vorgeschlagen haben, war, daß Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden und daß die jeweilige Betriebsvereinbarung – bei der der besondere Schutz der Frauen berücksichtigt werden muß – vom Sozialministerium im Rahmen der Arbeitsinspektion zu genehmigen ist. Das ist ein Weg, der aus meiner Sicht gangbar und sehr sinnvoll wäre.

Es gibt einen dritten Weg, nämlich daß die Kollektivvertragspartner diese Entscheidung übernehmen. Meine Damen und Herren! Ich möchte schon ganz klar sagen: Ich kenne keinen Kollektivvertrag – Herr Abgeordneter Nürnberger, auch in Ihrem Bereich gibt es keinen solchen Kollektivvertrag –, laut welchem heute Nachtarbeit kostenlos zugelassen wird. Ich kenne keinen!

Ich kenne eine Reihe von Vereinbarungen in meinem Bundesland, wonach Nachtarbeit für Männer zugelassen ist, aber immer gibt es Ausgleichsmaßnahmen, die gesundheitliche Momente ganz entscheidend berücksichtigen. Wenn Sie, Herr Öllinger, jetzt sagen, man würde gesundheitliche Probleme der Betroffenen nicht beachten, nicht berücksichtigen, so muß ich Ihnen sagen: Sie gehen da einfach an der Realität vorbei! Ich muß Ihnen ganz entschieden widersprechen: Natürlich werden sie berücksichtigt und müssen sie berücksichtigt werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Für mich gibt es nur einen Wermutstropfen: Diese Regelung kommt sehr spät. Ich kenne viele Frauen, die im Jahre 1996 und im Jahre 1997 deshalb keinen Arbeitsplatz bekommen haben, weil die betreffenden Betriebe keine Frauen beschäftigen durften. Ich nenne da zum Beispiel die Firma Suchard in Bludenz. Ich nenne aber auch andere Firmen: zum Beispiel die Firma Blum, eine Firma, die in den Kompetenzbereich des Herrn Abgeordneten Nürnberger fällt. Diese Firmen würden Frauen Beschäftigungsmöglichkeiten bieten.

Ich hoffe, daß es gelingt, und bin sehr froh darüber, daß Herr Abgeordneter Nürnberger klar zum Ausdruck gebracht hat: Selbstverständlich wollen wir im Rahmen der Kollektivverträge einen gewissen Schutz bieten, wir wollen aber auch einen Spielraum bieten, in dem die Betriebe, Betriebsrat und Unternehmensführung, noch weitere Maßnahmen vereinbaren können. Das ist ganz wichtig! (Abg. Meisinger: Der Gesetzgeber schleicht sich aus der Verantwortung!)

Meine Damen und Herren! Ich könnte Ihnen jetzt eine solche Betriebsvereinbarung, die fix und fertig auf dem Tisch liegt, nämlich jene der Firma Suchard in Bludenz, präsentieren, die die Rechte, die Anliegen der Frauen in vorbildlicher Weise berücksichtigt. Ich hoffe sehr – darum habe ich auch den Vorschlag gemacht –, daß, wenn es nicht sehr rasch auf gesamtösterreichischer Ebene zu einem solchen Kollektivvertrag kommt, in meinem Bundesland der Vorsitzende der Landesexekutive des ÖGB ermächtigt wird, mit der Wirtschaftskammer Vorarlberg einen Kollektivvertrag abzuschließen, damit die Firma Suchard im Jahre 1998 den Frauen die Chance bieten kann, zu arbeiten, Arbeitsplätze, Beschäftigung anzunehmen. (Abg. Meisinger: Da gibt es zig andere Werke!)

Nun mein großer Wunsch. Ich möchte meine Bitte wiederholen – sie deckt sich mit der Aussage von Frau Ministerin Hostasch, denn sie hat gesagt, daß sie die Kollektivvertragspartner ersucht,


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sehr rasch zu handeln. Ich schließe mich diesem Wunsch und dieser Bitte nachhaltigst an und erwarte Lösungen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hums. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.32

Abgeordneter Franz Hums (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Nachtarbeit – das ist unbestritten – ist gesundheitlich, körperlich belastender, bringt Erschwernisse für das Familienleben und das Gesellschaftsleben. Ich komme aus einer Berufssparte mit Nachtarbeit und habe auch selbst viele Jahre Nachtarbeit gemacht. Darum können Sie mir glauben, daß ich weiß, wovon ich rede. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher ist es notwendig, daß zum Ausgleich für diese Belastungen entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, um den höheren Aufwand und einen Teil der Belastung abzugelten, natürlich auch in Form von finanziellen Abgeltungen. Aber das allein kann es nicht sein. Regelungen im Hinblick auf die Gesundheit sind erforderlich. Es sind auch Regelungen darüber notwendig, wie Betreuungsmöglichkeiten für die in der Nacht arbeitenden Frauen und Männer aussehen sollen. Daher halte ich diese Gesetzesvorlage für eine brauchbare Übergangsregelung, denn sie ermöglicht auf der einen Seite kollektivvertragliche Regelungen, schreibt aber auf der anderen Seite vom Gesetz her vor, daß in diesen Kollektivverträgen Betreuung, Gesundheitsmaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen werden müssen. Das ist ganz entscheidend!

Selbstverständlich wäre es auch sinnvoll gewesen, wie es im Vorjahr diskutiert wurde, gleich eine endgültige Regelung, die auch im Rahmen der EU gehalten hätte, zu treffen. Kollege Feurstein! Ihre Bemerkung, daß es ein bißchen spät kommt, ist an die eigene Fraktion zu richten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Feurstein: Wir beide wären einig gewesen!) – Wir beide wären einig gewesen, das glaube ich schon, und noch mehr waren einig.

Ich habe hier eine Presseaussendung vom 17. Oktober des Vorjahres. Das ist keine Presseaussendung des Sozialministers, der ich damals war, sondern eine Presseaussendung der Sozialpartner, der Wirtschaftskammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. In dieser Presseaussendung wurde damals berichtet, daß am 16. Oktober Übereinstimmung über den Entwurf eines Nachtarbeitszeitgesetzes mit Ausgleichsmaßnahmen zwischen den Präsidenten Mitterbauer, Maderthaner, Verzetnitsch, Hostasch erzielt wurde. Das hat die Betreuungsmaßnahmen geregelt, das hat ein Zeitguthaben geregelt; all das war enthalten. Diese Vereinbarung liegt übrigens im Parlament als Antrag von Verzetnitsch, Hostasch, Nürnberger; ich hoffe, daß sie einmal beschlossen werden wird. Nur: Diese Vereinbarung, die von den Sozialpartnern verkündet wurde, hat leider nicht die Zustimmung des Koalitionspartners erhalten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich hoffe, daß es damit so sein wird wie mit dem Arbeitszeitgesetz. Denn auch ein Arbeitszeitgesetz hatten wir im vorigen Jahr ausgearbeitet, es wurde von der ÖVP lange blockiert und heuer dann doch beschlossen. (Abg. Dr. Fekter: Mit wesentlichen Verbesserungen!) Ich hoffe daher, daß es auch in diesem Bereich zu einer endgültigen Regelung kommen wird.

Eines erwarte ich – auch aufgrund des gesetzlichen Auftrages –, nämlich daß es nicht nur finanzielle Abgeltungen gibt, sondern daß alles getan wird, um dort, wo Nachtarbeit notwendig ist – Nachtarbeit soll eine Ausnahme bleiben –, auch entsprechende Ausgleichsmaßnahmen zu treffen – für die Gesundheit und für das gesamte Familienleben, daß dann mehr Freizeit zur Verfügung steht.

Übrigens: Als ehemaliger Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft möchte ich sagen, daß es bei uns sehr viel Nachtarbeit gibt, und wir konnten schon vor einigen Jahren erreichen – nach Schweizer Vorbild! –, daß es für die Zeit von 22 Uhr bis 4 Uhr pro Stunde ein Zeitguthaben gibt. Ich glaube nicht, daß die Schweizer so wenig wirtschaftlich denken.


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Daher hoffe ich, daß auch bei uns diese Lösung bald endgültig möglich sein wird, und glaube, daß die jetzige Gesetzesänderung für eine Übergangszeit richtig und gut ist! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Blünegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

13.37

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der von der SPÖ/ÖVP-Koalition vorgelegte Entwurf betreffend das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen ist nach meinem Dafürhalten ein Flickwerk und beinhaltet keine EU-konforme Dauerlösung. Ich habe jetzt die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Hums aufmerksam verfolgt und verstehe die Situation im Ausschuß für Arbeit und Soziales nicht, ich verstehe nicht, daß auf diesem Gebiet von seiten des Koalitionspartners SPÖ keine entsprechenden Anträge durchgebracht wurden, damit dieses Gesetz kein Flickwerk ist, sondern ein EU-konformes Gesetz wird.

Ich habe natürlich auch die Aussagen des Herrn Abgeordneten Nürnberger heute gehört. Er hat weniger über die Kollektivvertragsfähigkeit gesprochen, sondern sich hauptsächlich über den Redebeitrag des Kollegen Haupt aufgeregt. Er sagte, er sei über die gestrigen Ausführungen des Abgeordneten Haupt bezüglich Flexibilisierung der Arbeitszeit überrascht gewesen. Er hat wahrscheinlich auch gestern nicht richtig aufgepaßt, denn Herr Abgeordneter Haupt hat klar und deutlich gesagt, Kollege Nürnberger, daß die Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht nur auf Kosten der Arbeitnehmer gehen soll. Bis jetzt ist das leider durch dieses Gesetz der Fall. Das hat Kollege Haupt gesagt, und ich verteidige das, was er gesagt hat.

Kollege Nürnberger! Man sollte bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit die Leistungen, die die Arbeitnehmer erbracht haben, nicht vor sich herschieben, sondern man sollte ihnen diese einmal vergüten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt zur Polemisierung, die unter anderem auch von SPÖ-Abgeordneten Kurt Wallner aus der Steiermark vorgebracht wurde. Er schreibt: Agieren statt polemisieren. Ein letzter und großartiger Erfolg einer solchen Delegation unter meiner Führung, dem auch der Leobener Bürgermeister Dr. Matthias Konrad angehörte, die Gesetzesänderung bezüglich des Nachtarbeitsverbotes für Frauen, steht, wenn der Koalitionspartner und die Bundeswirtschaftskammer zustimmen, praktisch vor dem Beschluß. Für diese Region würde dies 200 neue Arbeitsplätze für Frauen bei der AT&S-Leoben-Hinterberg bedeuten.

Was ist das, Herr Abgeordneter? Polemisieren? – Sie gehen nämlich unter anderem (Abg. Meisinger: Null-Leistung!) mit Null-Leistung – da auch die AT&S; die AT&S gehört Dr. Androsch – in diesem Kreis der Sozialdemokraten mit etwas hausieren, was wir schon längst hätten beschließen können, und zwar dann, wenn Sie den Vorstellungen von uns Freiheitlichen hinsichtlich der Gleichberechtigung der Frauen gefolgt wären.

Im nächsten Teil meiner Rede möchte ich mich auf die Ausführungen der Frau Abgeordneten Steibl beziehen. Sie hat vom heutigen Gesetz als einem großen Meilenstein gesprochen, hat dabei aber total vergessen, daß die EU-Konformität in diesem Gesetz fehlt, obwohl sie vorhanden sein sollte. Dann wäre das vielleicht ein endgültiges Gesetz, und wir bräuchten nicht von neuem im Ausschuß darüber beraten und diskutieren.

Frau Bundesministerin Hostasch hat gesagt, daß die EU-konforme Regelung im Jahre 2001 erfolgen soll. Ich muß aber schon feststellen, daß die Frau Bundesministerin sicher nicht das Recht hat, den Frauen vorzuschreiben, welche Arbeit sie verrichten sollen, welche Funktionen Frauen einnehmen sollen, welche Rolle die Frau in unserer Gesellschaft haben soll. Das heute zu verabschiedende Bundesgesetz sollte nicht nur dazu dienen, verlorenes Terrain aufzuholen, sondern es sollte zum Wohle aller Frauen, die im Berufsleben stehen, sein. Daher werden wir Freiheitlichen diesem Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.41

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Um zu verhindern, daß Frauen ihre Arbeit verlieren oder keine erhalten, wird das Nachtarbeitsverbot für Frauen schon vor dem EU-Zeitlimit aufgehoben. Nachtarbeit ist für alle ArbeitnehmerInnen physisch, psychisch und sozial extrem belastend.

Als Dienstnehmerin, die mehr als 19 Jahre lang Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste geleistet hat, weiß ich um die Belastungen durch Nachtarbeit für Betroffene und deren Familien. Wir Frauen sind zäh genug, ohne ausreichende Schlaf- und Regenerationsmöglichkeiten existieren zu können, wie wir es jahrelang ab der Geburt des ersten Kindes praktizieren müssen. Unangenehmer als bloße Nachtarbeit ist aber der "Radl"-Dienst mit ständigem Wechsel des Tag/Nacht-Rhythmus.

Es ist unbestritten, daß in Dienstleistungsberufen, wie im Gesundheitsdienst, Fremdenverkehrsbereich und anderen, Nachtdienste unabdingbar sind. Daneben wird Nachtarbeit zur besseren Auslastung von Maschinen und höheren Erträgen der Unternehmen benötigt. Da Frauen zirka 70 bis 100 Prozent der Familienarbeit erledigen, ist für sie die Nachtarbeit belastender. Unter steigendem wirtschaftlichen Druck, unter Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze werden Frauen zunehmend bereit für Nachtarbeit. Dabei ist auch anzumerken, daß insbesondere Frauen zur Selbstausbeutung neigen. Während Männer sich meist vor und nach der Nachtarbeit erholen, nützen Frauen die Zeit davor, sich um die Kinder zu kümmern, vorzukochen, eben den Haushalt zu versorgen, um dann müde in die Arbeit zu gehen, und sind froh, am nächsten Tag die Kinder selbst versorgen zu können und tagsüber mehr Zeit für den Haushalt zu haben.

Solcher Raubbau an der Gesundheit rächt sich. Mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Verringerung der Sinnesleistungen durch Übermüdung induzieren Fehler und Arbeitsunfälle. Das Nichteinhalten des Tag/Nacht-Rhythmus führt zu vermehrten physischen und psychischen Problemen, wie Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, chronische Müdigkeit, Burn-out-Syndrom, Mißbrauch von Schlaf-, Schmerz-, Beruhigungs- und Abführmitteln.

Die sozialen Kontakte sind für Nachtarbeitende eingeschränkter, die Teilnahme an Fortbildungs- und kulturellen Veranstaltungen ist erschwert, ebenso private Treffen.

Da Männer ungern allein sind, wird die Nachtarbeit der Ehefrau für vielseitige, meist einschlägige soziale Kontakte genutzt. Dies führt zu Ehekrisen und Scheidungen und trägt umso mehr zur Vereinsamung der nachtarbeitenden Frauen bei.

Neben höheren Entgelten für Nachtarbeit, um ArbeitnehmerInnen einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen und die Attraktivität der Nachtarbeit für Unternehmer zu senken, ist aus ArbeitnehmerInnenschutzgründen für entsprechende Freizeit, Ruhepausen, Gesundheitschecks sowie Ruhemöglichkeiten zu sorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich appelliere an alle Verantwortlichen, alle geforderten ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen einzuhalten, und an das Arbeitsinspektorat, durch Überprüfungen diese Bereitschaft zu steigern.

Mit zunehmendem Alter ist Nachtarbeit belastender, die Fähigkeit zur Regeneration geringer. Wenn Frauen keine Nachtarbeit mehr verrichten können, dürfen sie nicht benachteiligt werden. Für Alleinerzieherinnen ist die Nachtbetreuung der Kinder schwierig, daher hat der Betrieb für Kinderbetreuungseinrichtungen zu sorgen, ebenso für einen Transportdienst, da viele kein privates Verkehrsmittel besitzen.


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Dieses Gesetz soll Erweiterungen der Frauenerwerbstätigkeit ermöglichen. Aus betrieblichen Notwendigkeiten und den Lebensumständen der Frauen sind die optimalen Bedingungen zu finden.

Vor wenigen Wochen haben wir beschlossen, die Frühpensionen einzudämmen. Wenn wir Menschen physisch und psychisch schädigen, ist das unmöglich. Wir Sozialdemokraten wollen dafür sorgen, daß Menschen in einer humanen Umgebung, die auch auf deren Bedürfnisse Rücksicht nimmt, ihre Arbeit gerne leisten und somit zu einem größeren wirtschaftlichen und sozialen Wachstum beitragen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatter findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte zu diesem Zweck die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1010 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht, 1011 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 645/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzgeldgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (1003 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sonderunterstützungsgesetz und das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert werden (1012 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 315/A der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze für einen Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung (1004 der Beilagen)


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7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 417/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug (1006 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 491/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit eines Zwischenverdienstes im Arbeitslosenversicherungsgesetz (Teilarbeitslosigkeit) (1005 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (859 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit (1007 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (902 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen (1008 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (903 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (Praktikantenabkommen) (1009 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 bis 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine Berichterstattung findet nicht statt.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.50

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Nürnberger hat sich bedauerlicherweise "verflüchtigt". – Ich habe vor nunmehr etlichen Wochen an qualifizierte Unternehmen in Österreich, die beim Aufbau einer freien Gewerkschaft Österreichs mithelfen sollten, einen Brief geschickt. Dieser Schritt ist notwendig geworden, da der Österreichische Gewerkschaftsbund seit langem nicht mehr in der Lage ist, die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer zu vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben ein Debakel erlitten beim "Konsum", wo Sie sich wirtschaftlich betätigt haben. Sie sind nicht mehr in der Lage, die Interessen der Betreffenden zu erkennen, aber im Kassieren sind Sie Weltmeister. Die Funktionäre des Österreichischen Gewerkschaftsbundes greifen unverschämt in den Topf der Mitgliedszahlungen, die jährlich rund 1,5 Milliarden Schilling ausmachen.


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Verbraucht werden aber 1,7 Milliarden Schilling. Das decken sie dann wieder durch den Verkauf von BAWAG-Anteilen ab, damit sie überhaupt überleben.

Sie sollten hier nicht immer den Moralapostel spielen und nicht jede Bewegung, die im Interesse der Arbeitnehmer im Entstehen ist, diskreditieren; das ist nämlich eine Ihrer Methoden. Würden Sie nämlich Ihre Kraft weniger gegen uns verwenden als für die Arbeitnehmer in dieser Republik, wäre es wesentlich besser. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Österreichische Gewerkschaftsbund bedient sich in einer unverschämten Art und Weise bei den österreichischen Arbeitnehmern. Es gibt Unternehmen – so hört man –, die die Mitglieder zwangsweise zum ÖGB hinbringen, wo der nächste Weg nach der Vorstellung in der Direktion zum Betriebsratsvorsitzenden ist. Dort wird der Betreffende darauf aufmerksam gemacht, daß er beizutreten hat, weil das eine Interessenvertretung ist. (Rufe bei der SPÖ: Unerhört!)

Ich habe die Funktionäre des Österreichischen Gewerkschaftsbundes so kennengelernt: ein bonzenhaftes Verhalten in einem unglaublichen Stil der Vergangenheit. Ich habe immer den Eindruck, daß diese Herrschaften beim kommunistischen Geheimbund ihre Schule gemacht haben. (Abg. Dietachmayr: Beschämend ist das! Schämen Sie sich!) Das ist das Verhalten des ÖGB und auch der Grund dafür, daß wir mit Ihnen nicht "können", meine lieben Freunde!

Weil Sie immer wieder so empört tun: In vier Jahren, lieber Herr Kollege, hat der Österreichische Gewerkschaftsbund ... (Abg. Dietachmayr: Schämen Sie sich!)  Für euch geniere ich mich ja ohnehin! Ich schäme mich, daß so etwas wie Sie überhaupt hier herinnen sitzt. Das ist nämlich die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wieso sitzen Sie überhaupt hier herinnen? Mit welcher Berechtigung? Welche Interessen außer Ihren eigenen vertreten Sie denn hier noch? (Abg. Reitsamer: Buchstabierer!) Sie haben doch außer Ihren eigenen Interessen überhaupt nichts im Auge!

Ich werde Ihnen etwas erzählen, damit Sie es auch wissen: Der Österreichische Gewerkschaftsbund bedient sich in unverschämter Weise bei den österreichischen Arbeitnehmern. Innerhalb von vier Jahren haben die Kammern für Arbeiter und Angestellte dem Österreichischen Gewerkschaftsbund 100 Millionen Schilling in bar überwiesen, ohne einen einzigen Arbeitnehmer zu fragen, ob ihm das recht ist, ohne Leistungsnachweis, ohne zu wissen, was mit dem Geld überhaupt geschieht. So sind Sie: Sie verschwenden Zwangsbeiträge hier in Österreich! Zwangsbeiträge! Sie können sich nämlich noch immer nicht an die Demokratie gewöhnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben keine absolute Mehrheit mehr in diesem Land und werden sie auch nie wieder erreichen! Das wollen Sie aber einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Und die Trutzburgen, die Sie noch haben, müssen Sie aufrechterhalten; die Trutzburgen für die Funktionäre und nicht für die Bevölkerung, für die Sie eigentlich da wären! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Guggenberger: Sie kriegen noch einen Herzinfarkt, wenn Sie sich so aufregen!)

Es gibt ganzseitige Inserate in Ihren Zeitschriften, angefangen vom Casino Austria bis zur BAWAG, zur Beamtenversicherung, zur Creditanstalt. Ich weiß es nicht, aber bringen Ihnen diese Firmen das Geld in Paketen vor die Tür, oder wie lassen Sie sich das finanzieren? – Ich werde es Ihnen sagen. (Abg. Riepl: Warum gehen Sie schnorren zu den Arbeitgebern?)  Junger Mann mit dem alten Gesicht, jetzt werde ich Ihnen einmal etwas sagen: Eisenbahner-Zeitung: Da ist ein ganzseitiges Inserat. (Abg. Riepl: Warum Sie schnorren gehen!) Jetzt hören Sie einmal zu! Was glauben Sie, warum Ihnen der liebe Gott zwei Ohren und einen Mund gegeben hat? (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Was glauben Sie, warum Sie zwei Ohren haben und einen Mund? (Abg. Mag. Guggenberger: Sie sind schlaganfallgefährdet! – Weitere Zwischenrufe des Abg. Riepl. ) Können Sie zuhören? Gehen Sie in die Schule! – Das habe ich vom ÖGB gelernt. (Abg. Riepl: Warum Sie schnorren gehen!)

Da gibt es also ganzseitige Inserate zum Preis von 59 000 S, ganzseitige Inserate in jeder Ausgabe. Das ist Ihre Art der Politik: den anderen denunzieren, aber selbst in einer unverschämten Art und Weise in den Topf greifen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. ) Ja, das ist ja


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auch ein Multikassierer: Guggenberger muß sich auch melden. Das macht Ihnen besondere Freude, Herr Leider-nein-Obmann in Tirol; ist doch nichts geworden.

Ihre "Seriosität" in der Arbeit macht sich auch jetzt wieder bemerkbar: bei den Zusatzverdiensten für die Arbeitslosen, auch in diesem Bereich. (Ironische Heiterkeit des Abg. Mag. Guggenberger. ) Auch wenn es für Sie lustig ist, für die Arbeitslosen ist das sicher nicht lustig, aber Sie scheint ja alles zu erheitern, was in dieser Republik geschieht. (Abg. Mag. Guggenberger: Was wir machen, ist für die Arbeitslosen! Sie haben das Gesetz nicht gelesen!)

Es gelingt Ihnen, Arbeitslosenversicherungsgesetze in einem Jahr dreimal zu novellieren. (Abg. Riepl: Sie wollen Geld, um Gewerkschaften zu gründen!) Einmal gelingt Ihnen sogar im § 36 eine Abänderung, wo vorher der 1. Jänner 1998 der Stichtag war. Darin sind Sie also ganz besonders gut.

Ich kann Ihnen sagen, diese Maßnahmen, die Sie beim Arbeitslosenversicherungsgesetz vorsehen, decken sich in keinster Weise mit den Interessen der arbeitslosen Bevölkerung, mit den Interessen jener, die eine Nebenbeschäftigung suchen. Motivation zur Beschäftigung ist in diesem Bereich sicher nicht gegeben. (Abg. Mag. Guggenberger: Sie reden mit den falschen Leuten, Herr Gaugg!) Die vorgesehene Höchstgrenze ist als negativ zu bezeichnen, und ab einem Gesamteinkommen von 8 600 S hat eine zusätzliche Beschäftigung keinen Sinn mehr. Sie sollten daher diese Novellierung noch einmal überdenken und praxisnahe gestalten. Unter Umständen sollte man nach Stunden abrechnen oder sich an das Schweizer Modell anlehnen.

Und noch etwas, weil ja alles so lustig, heiter und fidel ist. (Abg. Mag. Guggenberger: Überhaupt nicht!) Es gibt eine Vereinbarung mit Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen, der Sie wieder mit Begeisterung zustimmen werden. Sie übersehen dabei aber, daß diese Maßnahme eine ungleiche Gewichtung mit sich bringt. Bei uns gelten ganz andere soziale Bestimmungen und Einkommenshöhen als in Ungarn; das sind ungleiche Partner. Daher werden wir auch dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer gemeldet. Die Bestimmungen sind bekannt: 2 Minuten. – Bitte.

13.57

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaugg hat unterstellt, daß Spitzenfunktionäre des Österreichischen Gewerkschaftsbundes beim kommunistischen Geheimbund ausgebildet worden wären.

Es ist dies eine unglaubliche Unterstellung! Wahr ist vielmehr, daß der Österreichische Gewerkschaftsbund mehr als viele andere die Demokratie zu jedem Zeitpunkt in diesem Land (Abg. Gaugg:  ... mit Füßen tritt!) unter schwierigsten Bedingungen verteidigt hat und nichts mit irgendwelchen kommunistischen Geheimbünden zu tun gehabt hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.58

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht gewußt, daß der Herr Kollege "Buchstabierer" eine gelbe Gewerkschaft gründen will. Ich war immer der Meinung, es sollte eine Arbeitnehmervertretung sein, und frage mich dann schon, warum er sich von Dienstgebern abhängig machen möchte.

Aber wenn er das Thema verfehlt, ist das seine Sache. Wir sprechen jetzt vom Arbeitslosenversicherungsgesetz. (Beifall bei der SPÖ.)


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Bis jetzt war es Arbeitslosengeldbeziehern, Beziehern von Notstandshilfe und KarenzgeldbezieherInnen nicht möglich, über die Geringfügigkeitsgrenze dazuzuverdienen, und durch tageweise Beschäftigung ist für einen ganzen Monat die Versicherungsleistung entfallen. Das war besonders schwierig – ich denke dabei an LohnverrechnerInnen, die gerade am Monatsende und in den ersten Tagen des Folgemonats Beschäftigung finden konnten und dann gleich für zwei Monate ihre Leistungen verloren hätten. (Abg. Meisinger: Den Pfusch haben Sie beschlossen!)

Herr Kollege Meisinger! Seien Sie bitte ruhig! Hier herunten sollen Sie reden und nicht dort oben! (Ruf bei den Freiheitlichen: Hallo!) "Hallo", das sagen Sie beim Telefonieren!

Die wesentlichen Eckpunkte sind die Anrechnung des Einkommens aus vorübergehender Erwerbstätigkeit. Jedes Einkommen aus einer Beschäftigung bis zu 16 Tagen wird, soweit es die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, zu 90 Prozent beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe und zu 50 Prozent beim Karenzgeld auf die Leistung angerechnet.

Es soll durch Aufnahme einer kurzfristigen Beschäftigung zu keiner Verschlechterung bei der Deckelung der Notstandshilfe bei älteren Arbeitslosen kommen, der Krankenversicherungsschutz für Karenzgeldbezieherinnen ist auf Antrag vom 18. bis zum 24. Lebensmonat des Kindes gewährleistet, und es erfolgt eine Klarstellung, wann das Karenzurlaubsgeld erschöpft ist und damit die Notstandshilfe gebührt. – Das sind die wichtigsten Eckpfeiler dieser heutigen Novelle.

Sie soll ein Anreiz zur vorübergehenden Beschäftigungsaufnahme sein, denn wenn man bestraft wird, kann von Anreiz nicht die Rede sein. Gleichzeitig soll sie aber eine mißbräuchliche Inanspruchnahme durch höhere Nebeneinkünfte ausschließen. Und was ebenfalls sehr wichtig ist: Die berufliche Integration wird gefördert, denn gerade bei Karenzgeldbezieherinnen – ich nenne noch einmal dieses Beispiel – ist dadurch der Kontakt zu ihrem Arbeitgeber, zu ihrer Firma nicht unterbunden, und das scheint mir sehr wesentlich und sehr wichtig zu sein.

Die Auswirkungen auf arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und auch eventuelle Belastungen oder Entlastung der Arbeitslosenversicherung werden überprüft und im Sozialbericht dokumentiert.

Die miterledigten Anträge zeigen, daß alle Fraktionen Handlungsbedarf gesehen haben. Umso mehr tut es mir leid, daß es vom Liberalen Forum eine abweichende Stellungnahme gegeben hat, in der das Schweizer Modell so hochgelobt wird.

Lassen Sie mich ganz kurz auf dieses Modell eingehen: Als teilweise arbeitslos gilt, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und lediglich eine Teilzeitbeschäftigung sucht oder eine Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung sucht. Verliert jemand seine Arbeit und erklärt, nur eine Teilzeitbeschäftigung von 50 Prozent zu suchen, erhält er auch nur 50 Prozent des Arbeitslosengeldes. Wenn sich nichts anderes anbietet, kommt der Betroffene in eine fatale Lage.

In der Schweiz ist eine Beschäftigung zwecks Zwischenverdienst zumutbar, wenn die Entlohnung zumindest 70 Prozent des versicherten Einkommens erreicht. Die Arbeitslosen triff eine Schadensminderungspflicht; sie haben die Leistungen der Versicherung möglichst zu begrenzen. Im Rahmen dieser Verpflichtung müssen sie auch Stellen zur Überbrückung annehmen, für die die Entlohnung geringer als 70 Prozent ist. Ein solcher Zwischenverdienst innerhalb eines Monats wird auf die Arbeitslosenversicherungsleistung angerechnet. Der Arbeitslose erhält 80 Prozent des Verdienstausfalles, wobei als Verdienstausfall die Differenz zwischen dem in der Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst und dem versicherten Verdienst gilt.

Ich denke, daß bezüglich Zwischenverdienst unser Modell das bessere und gerechtere ist, und deshalb werden wir das heute mehrheitlich so beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.03


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

14.03

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Gleich zu Beginn, Frau Kollegin Reitsamer: Wir haben im Ausschuß zugestimmt, und wir werden auch hier im Plenum zustimmen. Wir haben trotzdem einen Vorbehalt in Form einer differenzierten Stellungnahme angemeldet, womit in diesem Fall der Finger auf einen Schwachpunkt gelegt wird, weil das, was hier beschlossen wird, zwar für Zwischenverdienstmöglichkeiten gilt, aber nicht für Überleitungsperioden mit Teilzeitbeschäftigung. Und das wäre eine wesentliche Erweiterung.

Weiters habe ich auch im Ausschuß schon klargestellt, daß wir nicht die Ziffernmechanik des Schweizer Modells meinen, sondern die Philosophie, daß sowohl Zwischenverdienst als auch Teilzeitarbeit möglich sein sollen – und zwar befristete Teilzeitarbeit, damit das nicht zu einer Dauereinrichtung wird –, in der Hoffnung, daß dies noch mehr Möglichkeiten schafft für die Rückkehr oder den Wiedereinstieg – insbesondere auch bei längerfristiger Arbeitslosigkeit – in die Arbeitsmärkte.

Daher habe ich mir erlaubt, eine abweichende persönliche Stellungnahme abzugeben. Aber es ist unredlich, jetzt so zu tun, als ob nicht auch wir – und gerade wir Liberalen – die Tatsache guthießen, daß erstmals in dieser Republik anerkannt wird, daß sich soziale Leistungen im Sinne von Arbeitslosenunterstützung und Arbeit kombinieren lassen müssen, daß es also möglich sein muß, in prekären Verhältnissen eben auch soziale Hilfen zu bekommen, weil das ein Ansatz in Richtung auf Grundsicherung ist und auch eine neue Philosophie. Und weil wir es für mutig halten, daß die Regierung sich das traut, haben wir im Ausschuß zugestimmt und werden auch hier zustimmen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ändert aber nichts daran, daß wir die Sache durchaus sehr kritisch sehen.

Aber eines muß ich an die Adresse der Frau Bundesministerin sagen: So, wie wir das jetzt in den "Salzburger Nachrichten" lesen, haben wir uns das nicht gedacht. Da wird berichtet, daß Sie jetzt die Arbeitslosen in Bussen aufsammeln werden, um sie in angemietete Hallen zu transportieren und dort den Hoteliers und Gastwirten vorzuführen, damit die sich jemanden daraus auswählen können. Das ist zwar vielleicht gut gemeint, aber ich würde sagen, das ist schon über der Grenze. Das Mittel und die Form, die Sie da anwenden, sind den Menschen, die Sie transportieren und in Hallen vorführen, aus Gründen der Menschenwürde nicht zumutbar. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger. )

Wenn Sie jetzt eine verstärkte Kampagne gestartet und darauf aufmerksam gemacht hätten, daß es nun wieder erlaubt, möglich und zulässig ist, neben der Arbeitslosigkeit kürzere Zeit zu arbeiten, ohne sich sofort aus dem sozialen Netz hinauszukatapultieren – und für den einen oder anderen mag es durchaus sehr stark erwägenswert sein, während der Wintersaison unter Umständen eine vorübergehende Beschäftigungen anzunehmen, die er bis vor kurzem nicht annehmen konnte oder bestenfalls vielleicht schwarz –, wäre das richtig gewesen, aber nicht, die Menschen aus Niederösterreich und aus der Steiermark in Bussen nach Salzburg zu führen und in angemieteten Hallen in direkten Kontakt mit Wirten und Hoteliers zu bringen. Ich kann nur hoffen, Frau Bundesministerin, daß das eine vielleicht nicht ganz korrekte Wiedergabe des Sachverhaltes in den "SN" ist, die ich allerdings für so seriös halte, daß ich für Sie befürchten muß, es war gegengecheckt und recherchiert. Sie haben ja noch Gelegenheit, sich dazu zu äußern, und ich bitte Sie: Distanzieren Sie sich davon, denn so war das nicht gemeint!

Es gibt allerdings in dem, was heute hier mehrheitsfähig ist, schon auch ein paar Nachteile, die nicht verschwiegen werden dürfen. Einen habe ich schon erwähnt: Die Neuregelung gilt nur für die Möglichkeit des Zwischenverdienstes, nicht aber für die Möglichkeit von Teilzeitarbeit. Deswegen unsere abweichende Stellungnahme.

Weiters: Die Kostenseite war nicht evaluierbar. Wir haben darüber im Ausschuß gesprochen. Die Beamtenschaft Ihres Hauses mußte zugeben, sie könne die Kosten oder die Vor- oder


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Nachteile, die das bedeuten würde, nicht abschätzen. Das heißt, Sie verfügen genau in diesen prekären Sektoren des Arbeitsmarktes nicht über das statistische Material und über die nötigen Kenntnisse. Das ist sehr beunruhigend.

Und letztendlich wirkt das Ganze nur dort, wo die Leute ohnedies schon sehr stark unter Druck sind, nämlich in den prekären Arbeitslosenverhältnissen.

Aber andererseits ist es immerhin ein Offenbarungseid der Regierungsparteien. Das bedeutet nämlich, daß das, was Sie in bestimmten Zonen der Arbeitslosigkeit an Zahlungen leisten, nicht ausreicht, um davon auch nur einigermaßen leben zu können. Also Sie geben erstmals zu, daß das Arbeitslosenversicherungssystem, das wir haben, nicht geeignet ist, die behaupteten Ziele zu erfüllen, nämlich den Leuten in der Zeit, in der sie das Geld beziehen, ein einigermaßen erträgliches Leben zu finanzieren. – Das ist immerhin schon etwas.

Aber noch etwas ist von dieser Stelle aus zu sagen: Wir hatten im Juli in diesem Hause Gelegenheit, eine Entschließung zu verabschieden, in der die Frau Bundesministerin aufgefordert wurde, so etwas, wie es heute Verhandlungsgegenstand ist, vorzulegen. Und das ist nicht geschehen! Das, was heute beraten und beschlossen werden wird, ist ein Initiativantrag. Die Frau Bundesministerin hat keine Regierungsvorlage, keinen Entwurf vorgelegt. Insofern wird zwar die Entschließung, daß bis zum Ende dieses Jahres ein solcher Entwurf ins Haus gebracht werden soll, heute materiell erfüllt, wenn wir das beschließen, aber formal hat das Bundesministerium, Frau Bundesministerin, der Entschließung nicht entsprochen. Sie wurden durch den Initiativantrag gerettet, und das ist eine Sternstunde des Parlamentarismus, wenn man so will (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), aber wir hätten uns das anders vorgestellt, Frau Kollegin Silhavy (Abg. Mag. Barmüller: Das ist ein kleiner Unterschied!), denn der Unterschied ist gravierend.

Wir wissen schon – wir sind nicht ganz neu in diesem Geschäft –, daß die Autorenschaft wesentlich unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums der Frau Bundesministerin Hostasch angesiedelt ist. Das wissen wir schon! Der Sachverstand der Beamtenschaft des Hauses stand den Abgeordneten zur Verfügung, die diesen Initiativantrag eingebracht haben. Das wissen wir, und das ist für diese Abgeordneten durchaus erfreulich. Als Oppositionsabgeordneter freut man sich darüber allerdings nur beschränkt, denn wir können auf diese Ressourcen nicht zugreifen.

Außerdem wissen Sie ganz genau, daß es an und für sich Gewaltenteilung gibt. Gewaltenteilung in einem solchen Fall heißt nicht unbedingt, daß wir dagegen sind, wenn freundschaftlich zusammengearbeitet wird, aber dann müßten die legistischen Abteilungen der Ministerien allen Abgeordneten zur Verfügung stehen. Und das tun sie nicht! Deswegen habe ich das hier ausdrücklich erwähnt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich will hier nicht noch einmal den Fleiß, die Geduld und die Ausdauer der Beamtenschaft erwähnen. Aber sie sind erwähnenswert, denn die Abgeordneten, die den Antrag eingebracht haben, hätten ihn wohl selbst nicht formulieren können – auch nicht unter Zuhilfenahme der Ressourcen, die man als Parlamentarier an und für sich zur Verfügung hat, nämlich die persönliche Mitarbeiterschaft und die Referentenschaft eines Klubs. Diese reichen nämlich nicht dafür aus, alle Initiativen voll durchzuformulieren.

Auch das war ein Grund, warum ich eine abweichende persönliche Stellungnahme abgegeben habe. Wir wollten damit erreichen, daß der Beamtenschaft des Hauses der Frau Bundesministerin Hostasch erlaubt wird, im Zusammenhang mit einem solchen Modell auch über Möglichkeiten einer Teilzeitarbeit nachzudenken.

Vielleicht wird das politische Urheberrecht wieder einmal woandershin übersiedeln, aber folgendes möchte ich schon ausdrücklich betonen: Daß es heute zu diesem Beschluß kommt, geht auch auf das ununterbrochene Lästig-Sein des Liberalen Forums zurück. Wir haben diesen Antrag schon mehrmals als Entschließungsantrag gestellt, und er wurde mehrmals negativ abgestimmt. Jetzt sind wir so weit, daß es dem Grunde nach verwirklicht wird. Ich darf darauf hinweisen, daß diese Philosophie sogar schon im Programm des Liberalen Forums im Jahre


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1993 festgeschrieben wurde. Sie vollziehen hier jetzt mit uns gemeinsam unser Parteiprogramm, und dafür danken wir Ihnen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine Bemerkung noch zum Abschluß: Wir sind sehr froh darüber, daß eine Ausschußfeststellung getroffen wurde, die klarstellt, daß der Befristungszeitraum dieses Gesetzes – daß dieses Gesetz auf zwei Jahre befristet eingeführt wird, hat uns übrigens die Zustimmung auch erleichtert, da wir mit der Form, in der es jetzt kommt, im Detail ja nicht ganz einverstanden sind – intensiv genützt werden soll, um Erfahrungen zu sammeln und diese Erfahrungen auch zu veröffentlichen, nämlich in Form des Sozialberichtes, in den sie dann aufgenommen werden.

Ich bitte nur um eines: Tun Sie das so rechtzeitig und so umfassend, daß wir die Schlußfolgerungen, die sich aus den Erfahrungen ergeben, auch noch wirklich nutzen können, wenn wir von heute aus gesehen in zwei Jahren darüber entscheiden: Geht es so weiter, wie wir es jetzt beschließen? Was muß geändert werden? Oder muß das, was wir jetzt auf zwei Jahre befristet einführen, leider auslaufen? – Ich würde mir wünschen, daß wir in zwei Jahren einen Beschluß fassen, in dem das, was heute beschlossen werden wird, weiterentwickelt wird, und zwar in Richtung einer Grundsicherung. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.13

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich glaube, der vorliegende Antrag ist positiv: positiv für arbeitslose Menschen, positiv für Menschen, die Notstandshilfe beziehen, positiv aber vor allem für Frauen, die Karenzgeld beziehen.

Ich erinnere daran, daß in diesem Haus von Rosemarie Bauer gemeinsam mit allen anderen weiblichen ÖVP-Abgeordneten im Juni der Antrag eingebracht wurde, daß Karenzzeit flexibler gestaltet werden soll, weil es für Karenzgeldbezieherinnen ganz, ganz wichtig ist – und das zeigen alle Studien –, daß sie auch während der Karenzzeit Kontakt zum Betrieb halten können, daß sie durch Urlaubsvertretungen, Krankenstandsvertretungen oder vorübergehende Beschäftigungen nicht ganz aus dem Beruf, aus dem Arbeitsleben gedrängt werden. Ich glaube daher, man sollte heute vor allem auch das Positive dieses Antrages sehen, das darin besteht, daß er Chancen für sehr viele bietet. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie Sie sicherlich wissen, bestand für Arbeitslose in der Vergangenheit nur die Möglichkeit, bis zur Geringfügigkeitsgrenze dazuzuverdienen. Man hat mit diesem Gesetz die Absicht verfolgt – vielleicht auch etwas verunsichert durch die Diskussion um einen möglichen Mißbrauch –, hier strengere Maßnahmen zu setzen. Die Erfahrung hat uns aber gezeigt, daß diese Regelung Arbeitslose in einigen Fällen vielleicht wirklich davon abgehalten hat, eine vorübergehende Beschäftigung anzunehmen und daß Arbeitslose und Langzeitarbeitslose auf diese Weise eine ganz wichtige Chance, eben die Chance, den Fuß in der Tür zum Arbeitsmarkt zu haben, vergeben haben, weil sie wußten, daß vieles wegfällt, wenn sie über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus dazuverdienen: Es fällt das Arbeitslosengeld weg, damit verbunden auch die Versicherung und natürlich auch die Anwartschaft auf die Pension.

Wir haben diesen Menschen möglicherweise nicht nur eine Chance genommen, sondern einigen vielleicht auch die Motivation, sich am Arbeitsmarkt umzusehen – und sei es nur nach einer vorübergehenden Beschäftigung. Wir wissen ja aus Erfahrung, daß sehr oft durch Urlaubsvertretungen, durch Aushilfen ein guter Kontakt zum Betrieb entsteht und daß beim Freiwerden des nächsten Fulltime-Jobs dann ein Arbeitsloser, eine Wiedereinsteigerin, eine Rückkehrerin oder ein Rückkehrer in den Beruf dann die Chance erhält und den Wiedereinstieg schafft.

Ich möchte speziell auf das Thema Karenzgeld noch einmal eingehen: Wir wissen aus Statistiken, daß bereits jede sechste Frau, wenn sie ein Jahr in Karenz ist, berufliche und finanzielle Nachteile erleiden muß. Je länger die Frau beim Kind bleibt, desto schwieriger wird es, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Es besteht zwar die Möglichkeit der Teilzeitkarenz, die aber leider nicht in dem Maße angenommen wird, wie wir uns das vorgestellt hatten. Bisher war ein


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Dazuverdienen bis zur Geringfügigkeitsgrenze möglich. In Zukunft gibt es für solche Frauen aber weitreichendere Möglichkeiten, die wir an folgendem konkreten Modell durchgerechnet haben: Eine Frau bezieht Karenzgeld in Höhe von 5 565 S pro Monat und hat einen Zusatzverdienst von 10 000 S pro Monat. Nach Abzug des Geringfügigkeitssatzes und einer Anrechnung von 50 Prozent würden ihr vom Karenzgeld immerhin noch 3 927 S übrigbleiben. Ich glaube, das ist etwas sehr Positives und stellt auch einen Anreiz dar.

Ich meine, daß dieser Antrag generell ein Anreizmodell für all jene Menschen enthält, die sich wieder in den Arbeitsmarkt integrieren sollen, also für Notstandshilfebezieher, Langzeitarbeitslose, daß wir damit aber auch einen Schritt setzen, um Schwarzarbeit einzudämmen, weil dadurch, daß wir das in gesetzliche Bahnen lenken, die Verlockung, im Schattenbereich zu arbeiten, nicht so groß ist und die Leute sich wieder zu ihrem Verdienst bekennen und sich anmelden. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Der wichtigste Punkt ist sicher der, daß durch dieses Modell Kenntnisse vermittelt werden, daß Selbstbewußtsein vermittelt wird, daß Chancen eröffnet werden und natürlich auch – und das ist durchaus legitim –, daß sich die finanzielle Situation der Menschen wesentlich verbessert. Notstandshilfebezieher haben nun einmal keine große finanzielle Absicherung, und deshalb muß es ihnen möglich sein, dazuzuverdienen.

Die flexible Gestaltung der Karenzzeit ist ein wichtiger Punkt, die Möglichkeit des Dazuverdienstes ein zweiter. In diesem Antrag sind aber noch andere wesentliche Punkte enthalten, zum Beispiel der, daß Karenzgeldbezieherinnen bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes krankenversichert sein werden – ein ganz wichtiger Punkt für uns Frauen und für die Mütter. Ich möchte noch – die Frau Ministerin ist im Moment nicht da (Ruf bei der SPÖ: O ja!)  – auf einen Aspekt eingehen, der auch im Ausschuß zur Sprache gebracht wurde, und das ist die Frage: Falls es da einen Mißbrauch geben sollte, wie sollen wir diesen eindämmen? Ich glaube, auch in diesem Punkt haben wir dadurch gut vorgesorgt, daß es eben eine Befristung auf zwei Jahre gibt. In dieser Zeit wird man sehen, wie die Situation aussieht, wie das Gesetz in Anspruch genommen wird, und man kann unterstützende Daten, die es bis jetzt ja nicht gibt, sammeln und dann wirklich sagen, ob sich dieses Gesetz bewährt hat oder nicht. Ich glaube, das ist auch ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

Ein weiterer wichtiger Punkt für uns Frauen ist auch, daß es im Falle von Mehrlingsgeburten, also bei Zwillingen und mehr Kindern, eine wesentliche Besserstellung geben wird. Das ist auch etwas, was wir sehr begrüßen.

Das gleiche gilt für den Anreiz für Frauen ab 45 und Männer ab 50 Jahren, die Notstandshilfe beziehen, vorübergehend auch kurze Beschäftigungen anzunehmen.

Alles in allem ist das ein Gesetz, das wir von der ÖVP sehr unterstützen und sehr begrüßen, da es für Menschen, die es auf dem Arbeitsmarkt sehr schwer haben, eine zusätzliche Chance bietet. (Beifall bei der ÖVP.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Halten wir heute einmal zu Beginn fest: Das ist heute schon die zweite Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, die wir beschließen. Wir haben im Frauenausbildungsverhältnisgesetz schon eine Novellierung, die allerdings nicht den Sozialausschuß passiert hat. Da könnte, generell gesprochen, nicht in bezug auf dieses Gesetz, schon auch einmal etwas passieren, wenn das nicht durch den Sozialausschuß läuft. Ich möchte einmal generell festhalten, daß es die Taktrate beim Arbeitslosenversicherungsgesetz, bei seinen Novellierungen beträchtlich erhöht. Das ist nicht die erste Novellierung und auch nicht die zweite, die wir heuer beschließen, sondern wir haben schon einige beschlossen.


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Generell würde ich schon großen Wert darauf legen – das nicht besonders an die Adresse der Frau Ministerin gerichtet, sondern natürlich dieses Haus betreffend –, daß soziale Angelegenheiten auch im Sozialausschuß behandelt werden beziehungsweise zumindest der Sozialausschuß davon in Kenntnis gesetzt wird, daß ein Gesetz an einem Tag zweimal novelliert wird, aber nur einmal der Sozialausschuß davon etwas erfährt. Das soweit zum Allgemeinen, weil ich meine, das könnte uns Probleme schaffen – abgesehen von fehlender Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit für die Bürger, was für Sie offensichtlich nicht so aufregend ist, denn dieses Problem haben wir beim ASVG ungleich öfter.

Jetzt zum Gesetz selbst. Ich habe viele positive Worte über dieses Gesetz gehört, und ich habe auch im Ausschuß einige dieser positiven Einstellungen selbst für meine Fraktion auch betont. Ich halte bestimmte Grundsätze für richtig, abgesehen jetzt einmal von der Möglichkeit für Karenzgeldbezieher, etwas dazuzuverdienen. Diese möchte ich einmal im besonderen ausklammern.

Ich halte es auch für richtig, eine Befristung zu machen und sich das nach zwei Jahren anzusehen, beziehungsweise diesen Prozeß zu beobachten und zu bewerten, was innerhalb dieser zwei Jahre passiert.

Möglich wäre es auch gewesen, was Kollege Kier angeregt hat: nicht nur dieses Modell zu versuchen, sondern sich auch andere Modelle, möglicherweise begrenzt auf ein Bundesland, anzusehen, weil es durchaus nicht so sein muß, daß dieses Modell das allein seligmachende ist. Und ich sage Ihnen dann auch, welche Probleme ich sehe, und da gibt es einige große Probleme.

Ein eigenes Problem, das ich weder positiv noch negativ sehen möchte, stellen die finanziellen Auswirkungen dar. Es wurde uns im Ausschuß erklärt, die können wir nicht beziffern. Ich kann Ihnen zumindest eines sagen, daß nämlich dieses Gesetz, wenn sich das Verhalten von Arbeitslosen dadurch nicht grundlegend verändert, auf alle Fälle eine Auswirkung hat, nämlich daß der Aufwand für die Arbeitslosenversicherung geringer wird.

Darüber können natürlich die Frau Bundesministerin und das Arbeitsmarktservice froh sein, das Geld brauchen sie, aber gleichzeitig steckt dahinter schon auch – das würde man nicht meinen – die Intention, obwohl sie zu vermuten wäre, daß sich Arbeitslose, und zwar solche, die mit ihrem Geld nicht auskommen – das ist ein Motiv dafür, warum man vorübergehend eine Beschäftigung annehmen wird und will –, einen Teil ihres Arbeitslosengeldes selbst finanzieren. Das ist dabei auch mitzubetrachten.

Da möchte ich schon die vorsichtige Anmerkung machen, daß wir das bei Arbeitslosen und NotstandshilfebezieherInnen diskutieren, von denen wir wissen, daß das Arbeitslosengeld und vor allem die Notstandhilfe nicht ausreicht und sehr niedrig ist, vor allem bei Frauen nicht existenzsichernd ist. Wir sprechen hier von Beträgen, die in der Regel in der Höhe von 5 000, 6 000, 7 000 oder 8 000 S liegen, aber nicht etwa von 13 000 S, und nehmen das dann so zur Kenntnis. Es soll eben so sein, Hauptsache, die Arbeitslosenversicherung spart sich etwas.

Dazu möchte ich eine kritische Anmerkung machen, es aber dann dabei bewenden lassen. Trotzdem könnte man bis zu diesem Punkt noch sagen, das Gesetz ist positiv, gäbe es nicht das Problem mit der "vorübergehenden Beschäftigung".

Im Ausschuß hat es schon einige Erläuterungen gegeben, was "vorübergehende Beschäftigung" in etwa sein kann. Heißt das, mehrere Monate lang kontinuierlich tätig zu sein? – Nein, das soll es im Prinzip nicht heißen. Wenn es das aber nicht heißt, dann trifft das, was Kollegin Gatterer gesagt hat, schon nicht mehr zu in bezug auf einen Teil der Motivation. Dann ist es nur für ganz wenige ein Einstieg in den Arbeitsprozeß, Kollegin Gatterer. Denn wenn es nur vorübergehend sein kann und sein soll und wenn der Rahmen vorübergehender Beschäftigung so relativ eng definiert werden kann, nämlich als nichtkontinuierliche Aneinanderreihung solcher bis zu 16 Tagen dauernder Beschäftigungsverhältnisse, dann schaut es schon schlecht aus mit der Tür in den Arbeitsmarkt durch eine derartige Form der Beschäftigung. Aber bitte, da ist noch


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Spielraum drin, das wurde uns auch im Sozialausschuß erklärt, das kann man so und so interpretieren.

Ich könnte damit noch leben, gäbe es nicht noch ein Problem mit der "vorübergehenden Beschäftigung" – auf das hat uns niemand im Ausschuß aufmerksam gemacht, es hat am Schluß geheißen, das ist ohnehin selbstverständlich, das hatten wir doch schon, das ist jetzt schon die Grundlage –, nämlich daß – und das finde ich wirklich empörend – das Arbeitsmarktservice, wenn es einem Arbeitslosen eine vorübergehende Beschäftigung anbietet und dieser, nachdem er zu rechnen begonnen hat und daraufgekommen ist, daß er durch den Zuverdienst möglicherweise nur 2 000 S mehr bekommt, als das Arbeitslosengeld ausmacht, sagt, nein danke, das ist es nicht für mich, das Arbeitslosengeld sperren kann. (Abg. Dr. Feurstein: Ich stehe dazu!)

Kollege Feurstein! Sie waren im Ausschuß, da hat es die eindeutige Erklärung gegeben, daß das Arbeitslosengeld gesperrt werden kann. Die Frau Ministerin hat dann etwas beschwichtigt und gesagt, das werden wir schon nicht so extensiv handhaben. Aber selbstverständlich sind die Zumutbarkeitsbestimmungen klar definiert. Es ist festgelegt, daß auch diese Arbeit einem Arbeitslosen zumutbar ist und daß, wenn er sie ablehnt, eine Sperre des Arbeitslosengeldes verhängt werden kann.

Da – so meinen wir – wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, eine Klarstellung zu treffen. Deshalb bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend den Antrag 645/A der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzgeldgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes des Ausschusses für Arbeit und Soziales (1003 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Dem § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 wird ein Abs. 3 angefügt, der wie folgt lautet:

§ 10 Abs. 3

"Anspruchsverlust gemäß § 10 Abs. 1 tritt nicht ein bei Zuweisung einer nur vorübergehenden Beschäftigung"

2. Die bisherige Z. 1 des Ausschußberichtes erhält die neue Bezeichnung 1a.

*****

Das ist eigentlich nur eine Klarstellung, damit das, was Sie, Kollege Feurstein, jetzt zur Empörung veranlaßt hat und – ich nehme es einmal an – die Frau Bundesministerin zu Kopfschütteln, tatsächlich nicht eintreten kann. Wenn Sie diese Klarstellung nicht geben wollen, weil Sie doch irgendwelche Absichten haben – der Herr Bundeskanzler hat gestern zum Beispiel erklärt, für ihn ist das ausgeschlossen –, oder nicht geben können, weil Sie tatsächlich irgendwann vorhaben, Arbeitslosen, die einen Job für ein paar Tage ablehnen, das Arbeitslosengeld zu streichen, wenn Sie also diesem Abänderungsantrag nicht zustimmen wollen und können, dann muß ich sagen, daß wir der Änderung dieses Gesetzes insgesamt nicht zustimmen werden. Denn dann ist es das, was offensichtlich im Hintergrund als eine Möglichkeit von Ihnen mitgedacht wird, nämlich der Versuch, Arbeitslose in Beschäftigungsverhältnisse zu zwingen – trotz Arbeitslosigkeit, trotz unzureichendem Einkommen –, die ihnen nicht die Existenz sichern, die ihnen keinen Einstieg in den Arbeitsmarkt garantieren, die gar nichts darstellen, außer daß sie


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vorübergehend diesen Personen ein kleines zusätzliches Einkommen neben der Arbeitslosigkeit sichern. Das wäre Zynismus pur.

Sie haben es in der Hand, Herr Kollege Feurstein, so wie die Kollegen von der SPÖ, sich klar dazu zu äußern. (Beifall bei den Grünen.)

14.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Herr Abgeordneter, bitte.

14.29

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war der frühere deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer, dem der Ausspruch zugeschrieben wird – sinngemäß –, es kann einen nichts daran hindern, klüger zu werden. Das trifft durchaus auch auf diese Novelle zu, die wir heute beschließen. Darum ist es für uns auch überhaupt keine Kritik, die von Kollegen Gaugg und auch von Kollegen Öllinger ausgesprochen wurde, wenn sie meinen, wir hätten innerhalb von zwei Jahren das Arbeitslosenversicherungsgesetz nun schon wieder novelliert. Wir stehen dazu.

Was ist bei diesem ersten Strukturanpassungsgesetz passiert? – Wir haben damals beschlossen, daß Arbeitslose, die über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus verdienen, den gesamten Arbeitslosengeldbezug des Monats verlieren. Das ist durchaus – man muß das heute leidenschaftslos bekennen – ein politischer Fehler gewesen.

Ich komme aus einem sehr tourismusintensiven Bezirk. Da gibt es sehr viele Betriebe, die etwa Ende April, Anfang Mai, je nach Länge der Wintersaison, zusperren, und dann bekommen sie irgendwann um Pfingsten wieder Gäste und sperren für drei, vier, fünf Tage wieder auf. Da hat sich letztes Jahr folgendes abgespielt: Die Betriebe haben ihre stempelnden Arbeitnehmer zurückgebeten. Die haben das auch gerne getan, haben diese drei, vier Tage gearbeitet und haben da 4 000 oder 5 000 S verdient. Im nachhinein mußten sie feststellen, daß diese 4 000 oder 5 000 dazuverdienten Schilling dazu geführt haben, daß ihnen das Arbeitslosengeld für das gesamte Monat gestrichen wurde. Daß die Arbeitnehmer empört waren, versteht sich wohl von selbst.

Diese haben sich natürlich bei ihren Chefs beschwert. Alle gemeinsam, die Chefs und die Arbeitnehmer, haben sich beim Arbeitsmarktservice beschwert. Es waren die Kolleginnen und Kollegen in den Regionalstellen des Arbeitsmarktservices, die diesen Unmut ausbaden mußten. Wir haben das eingesehen und akzeptiert und haben Überlegungen angestellt. Es war dieses Hohe Haus, das die Frau Bundesministerin im Rahmen einer Entschließung beauftragt hat, eine vernünftige, praxisbezogene Lösung zu finden.

Diese vernünftige, praxisbezogene Lösung haben wir gefunden. Sie liegt heute vor. Alle sind zufrieden: die Arbeitnehmer, die Dienstgeber und nicht zuletzt die Kolleginnen und Kollegen vom Arbeitsmarktservice. Wenn alle zufrieden sind, dann frage ich mich, wieso wir nicht auch zufrieden sein sollten. Wir sind zufrieden und geben dieser Gesetzesvorlage daher gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vor von Frau Abgeordneter Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.32

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es geht bei der heutigen Beschlußfassung hauptsächlich um die Möglichkeit eines Zusatzeinkommens bei Beziehern von Arbeitslosengeld oder Karenzgeld.


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Wenn Herr Kollege Guggenberger so zufrieden ist, dann kann ich nur sagen, es gibt natürlich schon immer noch etwas Besseres, lieber Walter.

In Richtung meines Vorredners und Kollegen Gaugg muß ich schon sagen, es gibt natürlich einige positive Ansätze, aber nur ganz wenige. Positiv ist, daß es beim zusätzlichen Karenzgeldbezug keine Obergrenzen gibt. Positiv ist die Einführung einer subsidiären Krankenversicherung bis zum zweiten Geburtstag des Kindes. Positiv sind auch die Erleichterungen im Falle von Mehrlingsgeburten. Diesen Punkten werden wir auch zustimmen. Wir wollen getrennte Abstimmung.

Aber alles, was Sie heute hier beschließen wollen, sind doch letztlich nur Reparaturmaßnahmen – dies hat Herr Kollege Guggenberger schon eingestanden –, Reparaturmaßnahmen für soziale Härten, die Sie, die Damen und Herren von den Regierungsparteien, mit dem Strukturanpassungsgesetz geschaffen haben. Dies ist aber sicher kein Anlaß zum Jubeln und dafür, so zufrieden zu sein.

Ich beziehe mich jetzt auf das Karenzgeldgesetz. Der Anlaß für diese Neuregelung war doch der, daß man den Frauen nach der Karenzzeit den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern wollte. Wir Freiheitlichen monieren das seit Jahren, und heute ist es anscheinend auch der Regierung klar geworden, daß das eine arbeitsmarktnotwendige Maßnahme ist, um eben eine Verbindung zwischen dem ehemaligen Arbeitgeber und der Arbeitnehmerin aufrechtzuerhalten und ihr den Wiedereinstieg zu ermöglichen.

Der Antrag 645/A der Regierungsparteien bringt sicher einige Erleichterungen in diesem Bereich. Die Regelungen sind aber kompliziert, für die Arbeitnehmerin sehr schwer durchschaubar, und sie sind auch darauf ausgerichtet, daß das Karenzgeld durch zusätzliche Verdienstmöglichkeiten verkürzt wird. Dadurch wird es letztlich genauso wenig Anreiz bieten wie die Teilzeitkarenz, die man auch als großen Erfolg angekündigt hat.

Wir Freiheitlichen haben einen Antrag eingebracht, der weit darüber hinausgeht. Wir wollen eine jährliche Durchrechnungsmöglichkeit, die verhindert, daß das Karenzgeld gekürzt wird, die es ermöglicht, daß Urlaubsvertretungen durchgeführt werden, die dem Dienstgeber und der Dienstnehmerin Vorteile bringen würden, ohne daß das Karenzgeld dabei gekürzt wird. Wir werden diesen Antrag sicher wieder einbringen, weil er nach wie vor eine sinnvolle Ergänzung zu jenen Maßnahmen wäre, die Sie heute beschließen wollen.

Ich möchte noch zu einem Punkt Stellung nehmen, und zwar zum


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Entschließungsantrag des Kollegen Feurstein, in dem die Frau Bundesministerin aufgefordert wird, eine Gesetzesänderung vorzulegen, wonach Beitragszahlungen von Selbständigen – es soll also eine Rahmenfristverlängerung stattfinden – im Bereich der Arbeitslosenversicherung möglich gemacht werden, das heißt durch zusätzliche Beitragszahlungen.

Worum geht es dabei? Das Strukturanpassungsgesetz – und jetzt sind wir wieder dort – hat eine Härte derart geschaffen, daß nach maximal drei Jahren Selbständigkeit sämtliche Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung für Selbständige entfallen. Das ist eine soziale Härte – und das in einer Zeit wie der heutigen, Kollege Feurstein, in der Männer und Frauen mit über 40 Jahren freigestellt werden, mangels einer anderen Verdienstmöglichkeit in die Selbständigkeit abwandern, nach drei Jahren oder später in Konkurs gehen müssen, weil das auch nicht geht, und dann stehen sie da. Wenn sie vorher 25 Jahre lang Beiträge in die Arbeitslosenversicherung bezahlt haben, stellt sich schon die Frage: Soll das wirklich alles weg sein? Soll das alles verloren sein?

Wir Freiheitlichen wollen das nicht! Wir wollen eine "ewige Anwartschaft" in diesem Bereich. Deshalb bringe ich unseren freiheitlichen Entschließungsantrag zum zweitenmal ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Haller, Mag. Herbert Haupt, Sigisbert Dolinschek zum Antrag der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzgeldgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (645/A), in der Fassung des Ausschußberichtes 1003 der Beilagen betreffend Schaffung einer "ewigen Anwartschaft" in der Arbeitslosenversicherung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der vorsieht, daß alle Personen, die wegen selbständiger Erwerbstätigkeit die Anwartschaft in der seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 begrenzten Rahmenfrist nicht erfüllen, aber zumindest zehn Jahre arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren und in dieser Frist maximal einmal Arbeitslosengeld bezogen haben, die Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz erhalten."

*****

Dies bitte ohne zusätzliche Beiträge und ohne zusätzliche Lukrierungsmaßnahmen!

Ich glaube, daß das nur allzu billige Verlangen der Opposition sind, und ich freue mich schon darauf, daß Sie vielleicht doch in Zukunft auf Vorschläge der Freiheitlichen eingehen werden, so wie das ja auch in anderen Bereichen schon einige Male der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

14.39

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich für die bisherige Diskussion bedanken, weil es eigentlich alle, die sich zu Wort gemeldet haben, vom Grundsatz für richtig und notwendig gehalten haben, daß sowohl im Karenzgeldgesetz als auch im Arbeitslosenversicherungsgesetz und in anderen angesprochenen Gesetzen jene Maßnahmen gesetzt werden, die im Sozialausschuß beschlossen wurden. Ich sehe darin eine Bestätigung der fachlichen Zusammenarbeit zwischen den Damen und Herren Abgeordneten und meinem Ressort, wie sie auch in den letzten Wochen bestanden hat.

Ich möchte auf einen Punkt in dieser Gesetzesvorlage noch besonders hinweisen. Es ist jener, wo es zu keiner Verschlechterung der Deckelung der Notstandshilfe bei älteren Arbeitslosen, wobei mit "älteren Arbeitslosen" – das ist mit gewissem Sarkasmus festzuhalten – auch 45- und 50jährige angesprochen sind, bei Aufnahme von kurzen Beschäftigungsverhältnissen kommen wird. Wir kennen das Problem, daß sich Arbeitslosenunterstützung und Notstandshilfe am letzten Einkommen orientieren und daß insbesondere bei Älteren eine höhere Einkommenssituation in der Beschäftigung gegeben war.

Wenn nun aber eine neue Beschäftigung aufgenommen und die Chance gefunden wird, auch als älterer Mensch wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen, geschieht dies oft nicht zu jenen Konditionen, die ursprünglich vorhanden waren. Es würde und wird bei längerer Arbeitslosigkeit eine niedrigere Bemessungsgrundlage der Notstandshilfe fällig. Das führt dazu, daß sich ein Arbeitssuchender manchmal überlegen muß, ob er in dieser Situation überhaupt von einer Beschäftigungsmöglichkeit Gebrauch machen kann. Ich bin daher sehr froh darüber, daß das Hohe Haus heute auch dieser Änderung Rechnung tragen wird.


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Erlauben Sie mir zu einigen Debattenbeiträgen eine kurze Bemerkung. Es wurde von Herrn Abgeordneten Gaugg das Grenzgängerabkommen mit Ungarn angesprochen. Ich meine, daß hier ein Mißverständnis, das durch seine Ausführungen entstanden ist, aufzuklären ist: Gerade mit diesem Grenzgängerabkommen soll erreicht werden, daß klare Verhältnisse zwischen einem befreundeten Nachbarstaat und Österreich herrschen und daß für Grenzregionen auch in Zukunft geordnete Arbeitsmarktverhältnisse sichergestellt sind.

Herr Abgeordneter Dr. Kier hat zu Recht gemeint, daß hier formal nicht eine Regierungsvorlage behandelt wird, sondern ein Initiativantrag der Damen und Herren Abgeordneten von den Koalitionsparteien. Trotzdem möchte ich darauf verweisen, daß wir schon mit einem Gesetzentwurf in Begutachtung gewesen sind und auch dementsprechend Stellungnahmen von allen betroffenen Stellen bekommen haben, die nicht zuletzt auch in den parlamentarischen Beratungen eingearbeitet wurden; aber es stimmt: Formal wurde keine Regierungsvorlage vorgelegt. Dafür bin ich umso dankbarer, daß die Damen und Herren das Versprechen, das eigentlich mir als Aufgabe übertragen wurde, einlösen.

Es wurden sowohl in den Debatten im Sozialausschuß als auch heute im Hohen Hause mehrere Anregungen für Weiterentwicklungen im Arbeitslosenversicherungsrecht angesprochen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch sagen, daß ich sehr stolz auf meine Beamten bin, weil sie wirklich immer wieder alle neuen Anregungen, aber auch Kritik aufgreifen, darüber nachdenken, wo Änderungsbedarf gegeben ist, Ihnen und natürlich auch mir konkrete Vorschläge zur Verfügung stellen, sodaß wir eben die Chance haben, auch bestehende Gesetze immer wieder weiterzuentwickeln, wie es zum Beispiel auch die Frage der Rahmenfristerstreckung bei Selbständigen ist. Aber ich möchte doch mit aller Klarheit zum Ausdruck bringen, daß keine Lösungen zum Nulltarif getroffen werden können, sondern daß es um Fairneß und Gleichwertigkeit geht. Es besteht auch von meiner Seite Interesse daran, eine Lösung zustandezubringen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Der folgende Punkt ist nicht unmittelbar Gegenstand dieser Debatte, aber Herr Abgeordneter Dr. Kier hat einen Artikel in der heutigen Ausgabe der "Salzburger Nachrichten" angesprochen mit dem Titel: "Die Wirte sollen sich Arbeitslose aussuchen". Beim Lesen dieses Artikels werden Sie erkennen, worum es wirklich geht. Ich bin sehr froh darüber, daß das Arbeitsmarktservice und dessen Mitarbeiter mit kreativen und auch außergewöhnlichen Maßnahmen versuchen, Lösungen für arbeitssuchende Menschen in unserem Land zustandezubringen.

Es ist ein Faktum, daß es in den Bundesländern – gerade auch in Situationen, in denen Saisonbeschäftigung eine besondere Frage darstellt – Arbeitssuchende aus dem Tourismusbereich mit Erfahrung im Fremdenverkehr oder auch Interesse zur Tätigkeit im Tourismus gibt, aber in der jeweiligen Region keine Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben sind, weil zum Beispiel in der Steiermark, im Burgenland, in Wien oder auch in Niederösterreich der Wintertourismus eben nicht jene Bedeutung hat wie in Salzburg, Tirol oder Vorarlberg. Ich finde es daher richtig, wenn die Mitarbeiter des AMS an Arbeitssuchende herantreten, die die Intention haben, in dieser Branche als Saisonbeschäftigte tätig zu werden, und diesen die Chance geben, bei Arbeitgebern, die gleichermaßen Bedarf anmelden, zu arbeiten. Damit erreichen wir etwas, was ich als sozial- und arbeitsmarktpolitisches Ziel sehe, nämlich in erster Linie dafür Sorge zu tragen, daß wir Arbeitssuchende, die in Österreich Beschäftigung finden wollen, rekrutieren – auch wenn es sich nur um eine vorübergehende Beschäftigung handelt – und nicht in überproportionalem Maße Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland.

Ich stehe daher voll hinter dieser außergewöhnlichen Maßnahme und bin sehr froh darüber, daß meine MitarbeiterInnen im AMS jetzt diese Überlegungen aufgegriffen haben. Ich hoffe aber auch, daß die Tourismuswirtschaft in fairer Art und Weise mit dem Angebot umgehen wird und dementsprechend in Österreich als arbeitslos gemeldeten Kolleginnen und Kollegen die Chance auf einen Arbeitsplatz im Tourismusbereich geben wird. Sie muß damit aber auch sicherstellen, daß eine wichtige Branche dem Gast mit Dienstleistungen zur Verfügung stehen kann.


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104. Sitzung / Seite 87

Ich darf nun zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Öllinger, der ein Thema aufgegriffen hat, das auch im Ausschuß behandelt wurde, und zwar die Frage der Sperre der Arbeitslosenunterstützung, falls keine vorübergehende Beschäftigung angenommen werden sollte, folgendes sagen – wir konnten das ja in der Ausschußsitzung sehr ausführlich beraten –: Bei der Vermittlung und Annahme eines Angebotes hängt es davon ab, welche Beschäftigung der Arbeitssuchende im Vorfeld hatte. Handelt es sich um einen Arbeitnehmer oder um eine Arbeitnehmerin, der beziehungsweise die ein Ganztagsbeschäftigungsverhältnis in einem bestimmten Bereich hatte und dieses natürlich wieder anstrebt, gibt es selbstverständlich keine Sperre, wenn nur eine tageweise Beschäftigung angeboten werden sollte. Sollte aber jemand arbeitslos sein, weil er auch in der Vergangenheit immer wieder nur tageweise oder vorübergehenden Beschäftigungen nachgegangen ist, so ist es, meine ich, zumutbar, daß diesem oder dieser Arbeitssuchenden eine vorübergehende Beschäftigung angeboten wird. Und wenn diese nicht angenommen wird, treten eben die gesetzlichen Regelungen in Kraft. Ich bin der Ansicht, daß wir auch in der Verwaltung die richtige Balance finden werden, und es liegt nicht zuletzt im inneren Verhältnis mit dem Arbeitsmarktservice, jene Vorgangsweise zu finden, die sozialpolitisch wünschenswert und verträglich ist.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich abschließend sehr herzlich dafür bedanken, daß noch sehr wichtige Vorhaben, auch im Bereich des Sozialen, beschlossen werden können. Es wurde zuerst das Bundesgesetz über die Nachtarbeit von Frauen beschlossen, und wir stehen jetzt vor einer Beschlußfassung zum Arbeitslosenversicherungsrecht und anderen Gesetzen. Ich meine, aus der Sicht meines Ressorts sagen zu können, daß wir in diesem Jahr im Bereich des Sozialen, der Arbeit und auch der Gesundheit dank Ihrer Unterstützung sehr viel bewegen konnten. Ich wünsche uns weiterhin gute Zusammenarbeit, auch im nächsten Jahr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Sonja Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.47

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Guggenberger ist zufrieden, und ich bin es auch! Da lebensbegleitendes Lernen angesagt ist, darf es auch ruhig so sein, daß man über Nacht – und nicht nur über Nacht – klüger wird. Durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 wurde festgelegt, daß bei einem Einkommen von 3 600 S aufgrund tageweiser oder vorübergehender Beschäftigung nicht nur an den versicherungspflichtigen Beschäftigungstagen, sondern im ganzen Kalendermonat kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Karenzgeld besteht. Das führte in weiten Bereichen zu Problemfällen, besonders wegen des drohenden Wegfalls der Versicherungsleistung. – Nach zähen Verhandlungen und größten Anstrengungen konnten Frau Bundesministerin Hostasch und unser Sozialsprecher Dr. Gottfried Feurstein wirklich gute Ergebnisse erzielen. Zuverdienst ist auch während der Karenzzeit möglich; analog auch während des Bezuges der Arbeitslosenunterstützung, der Notstandshilfe und der Sondernotstandshilfe.

Leider haben Kompromisse immer die Eigenschaft, etwas komplexer zu sein. Meine Damen und Herren! Ich kann es mir jetzt nicht verkneifen, Ihnen diese Durchrechnung wirklich vorzuführen. Nehmen Sie folgendes an: Sie sind in Karenz und können durch Urlaubsvertretung 10 000 S verdienen. Ziehen Sie davon die Geringfügigkeitsgrenze von 3 830 S ab, denn am 1. Jänner 1998 tritt dieses Gesetz in Kraft, dividieren Sie dieses erste Ergebnis durch zwei; die Hälfte ist nämlich frei. Nehmen Sie dieses zweite Ergebnis, dividieren Sie es durch die Kalendertage, und zwar durch die tatsächlichen Kalendertage – das heißt durch 28, wenn es der Februar ist, durch 31, wenn es der März ist –, nehmen Sie dann das dritte Ergebnis und ziehen Sie es vom Tageskarenzsatz von 185 S ab. Nehmen Sie das vierte Ergebnis und multiplizieren Sie es mit den Arbeitstagen – bis zu 16 Tage sind möglich, per Monat zu arbeiten –, dann bekommen Sie den Betrag des übriggebliebenen Karenzgeldes.


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Frau Kollegin Haller hat zuerst vorgeschlagen, auch noch den Jahresdurchrechnungszeitraum zu berücksichtigen; dann werden wir wahrscheinlich noch die Quadratwurzel ziehen und das Ergebnis hoch drei nehmen müssen. – Die letzten zwei Schritte brauchen Sie also nicht weiter zu verwundern, aber wie ich an Ihren Gesichtern erkennen konnte, sind Sie bereits beim zweiten Schritt ausgestiegen. Gott sei Dank haben wir es im Zeitalter der EDV nicht notwendig, alle Punkt- und Strichrechnungen selbst durchzuführen. Es gibt ja ein Programm, mit dem wir auf Knopfdruck das Ergebnis bekommen können. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Gerade eine Lehrerin sagt das!)

Es gibt generell noch drei Probleme dazu: Das Ganze ist erstens wirtschaftlich notwendig, weil die Arbeitsplatzverbindung bestehenbleiben soll und der Arbeitsplatz durch ständige Weiterbildung gesichert wird.

Zweitens: die finanzielle Not. Wenn eine alleinstehende Mutter wirklich nur das Karenzgeld von derzeit 5 540 S zur Verfügung hat, die Wohnungsmiete aber 8 000 S kostet, frage ich mich, wie sie das bewerkstelligen soll.

Drittens: die menschliche Seite. Mütter und Väter erwarten zu Recht, daß Ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht wird. Familienfreundliche Unternehmen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und der Familien. Wir erarbeiten gerade die Grundlagen für eine Familienverträglichkeitsprüfung. – All diese Maßnahmen schützen aber nicht vor der Tatsache, daß ein Kind die ersten drei Jahre seiner wichtigsten Sozialisationsphase am besten bei einer Bezugsperson, meistens bei der Mutter, aufgehoben ist. Das ist wirklich zu berücksichtigen – und darauf möchte ich wieder einmal zu sprechen kommen –: Jenen Mütter, die noch bereit sind, zu Hause zu bleiben und für ihre Kinder zu sorgen, sollte es ermöglicht werden, in diesen Jahren des Daheimbleibens und der Kinderbetreuung eine Pensionsbegründung zu erreichen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Guggenberger. )

14.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

14.52

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit zwei Tagesordnungspunkten beschäftigen. Diese betreffen das österreichisch-ungarische Abkommen über die Beschäftigung in Grenzzonen und das Praktikantenabkommen. Wir Liberalen werden das Vergnügen haben, beides abzulehnen. Ich sage deswegen das "Vergnügen haben", weil wir das für eine völlig mißlungene Art und Weise halten, wie man mit unseren Nachbarn umgeht.

Erstens wird beim Abkommen über Beschäftigte in Grenzzonen der Anteil auf die Bundeshöchstzahl einzurechnen sein. Dann kann man eine Verlängerung um sechs Monate erwirken, das heißt, daß sich ein Grenzgänger, der täglich nach Hause fährt, alle sechs Monate anstellen muß, um eine Arbeitserlaubnis in Österreich zu bekommen. Es wird ihm nicht ermöglicht, nach 10, 20 Jahren eine gewisse Erleichterung zu bekommen. Wofür macht man das eigentlich? – Man macht das nur, um einige Beamte zu beschäftigen – nehme ich einmal an –, weil das eine rein administrative Abwicklung ist.

Ich kann mich gut daran erinnern, daß im Sommer im Burgenland Hoteliers gesagt haben, sie hätten niemanden, der sie während der Sommersaison unterstützt, weil die Arbeitskräfte, die seit Jahren im Burgenland tätig waren, nun nicht mehr einreisen dürfen und nicht mehr ihrer Beschäftigung nachgehen können. Daher müßten sie zusperren. Man sollte darauf schauen, daß jene Leute, die regelmäßig kommen, auch adäquat integriert werden, denn durch die Arbeit, die sie in Österreich leisten, erwerben sie ja Pensionsansprüche. Mit dieser Pension dürfen sie aber in Österreich nicht leben, weil sie dann vielleicht nach 20, 30 oder 35 Jahren der Tätigkeit in Österreich keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Man behandelt diese Leute immer so, als wollten wir sie gar nicht. Das Liberale Forum will diese Leute aber in Österreich haben, und wir wollen ihnen, wenn sie sich in der Arbeitswelt integriert haben, ihre Situation erleichtern. Ich


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finde es schade, daß Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nicht zu dieser Einsicht gekommen sind.

Weiters: das Praktikantenabkommen. Da wird die Anzahl auf 300 Arbeitnehmer pro Jahr beschränkt, die auf die Bundeshöchstzahl angerechnet werden. Frau Bundesministerin! Wenn nur 200 nach Österreich kommen, heißt das dann, daß diese 300 trotzdem blockiert werden – oder heißt das, daß die übrigen 100 aus der Höchstzahl herausgenommen werden? (Bundesministerin Hostasch nickt zustimmend.)  – Na, immerhin etwas.

Warum, Frau Bundesministerin, müssen wir Praktikanten auf irgendeine Höchstzahl einrechnen? – Das sind oftmals junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren, deren Aufenthalt auch befristet ist, die unsere Kultur und Arbeitswelt kennenlernen, die die Sprache lernen, die nur Positives aus unserer Gesellschaft ziehen wollen und sich nicht in Gedanken schon in Österreich niederlassen wollen. Diesen Leuten macht man das Leben schwer; ihnen wird sozusagen eine Quote zugewiesen, anstatt daß Flexibilität gezeigt wird.

Ich verstehe auch nicht die Aussage, die zum Beispiel Herr Vizekanzler Schüssel getroffen hat, der meinte, diese relative Randlage Österreichs in der EU werde durch die Osterweiterung zu einer grundlegenden vorteilhaften Mittellage verändert.

Natürlich müssen wir auf unsere Arbeitsmarktsituation Rücksicht nehmen; das stellen wir Liberalen auch nicht in Frage. Natürlich müssen wir besondere Aktivitäten an den Tag legen. Nur wird Herr Bundeskanzler Klima am Wochenende in Luxemburg dafür plädieren, daß es Sonderprogramme für Beschäftigte in Grenzregionen geben soll. Und wenn es diese geben soll, dann können wir sie nicht beschränken: weder anzahl- noch zeitmäßig noch mit bürokratischen Hürden. Der Esprit der EU ist – ganz im Gegenteil –, Flexibilität zu zeigen und zu deregulieren. Was Sie hingegen machen, ist, zu regulieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Hälfte der österreichischen Bevölkerung lebt in grenznahen Gebieten, und sie ist wahrscheinlich auch interessiert daran, vor allem mit unseren ungarischen Nachbarn in näheren Kontakt zu treten, auch mehr von ihnen und über ihre Art und Weise zu erfahren, wie sie sich auf dem Arbeitsmarkt profilieren. Das, muß ich sagen, lassen Sie aber kaum zu. Wenn man sich nach sechs Monaten immer wieder um eine Arbeitsgenehmigung anstellen muß, nachdem man schon 10, 15 oder 20 Jahre in Österreich beschäftigt war, verliert man allmählich die Lust. Das fände ich schade. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Zuallerletzt möchte ich noch auf diesen Artikel in den "Salzburger Nachrichten" zurückkommen, in dem geschrieben wird, daß Sie, Frau Bundesministerin, den "kreativen Einfall" hatten, "arbeitslose Niederösterreicher und Steirer in Bussen nach Salzburg zu bringen. Dort sollen sie in angemieteten Hallen in direkten Kontakt mit Wirten und Hoteliers kommen, die dringend Arbeitskräfte suchen." – Wissen Sie, welche Assoziation ich da habe? – Da denke ich an die Sklavenmärkte, die es früher gegeben hat. Da haben sich auch potentielle Käufer die "Menschenware" Sklaven angeschaut.

Ich meine, daß Sie zwar eine gute Intention haben, nur die Art und Weise, wie sie umgesetzt werden soll, desavouiert die Würde dieser Menschen, und das halte ich für schade. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hostasch. ) Menschen in angemietete Hallen zu bringen, um sie dort von potentiellen Interessenten wie Vieh besichtigen zu lassen, ist menschenunwürdig. Suchen Sie sich andere Methoden aus, die menschenwürdiger sind! Dann bekämen Sie auch Applaus von unserer Seite. – Danke. (Abg. Haigermoser: Die Liberalen sind eingeschlafen! Die sind erschöpft von dieser Rede! – Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Beratungen über diese Tagesordnungspunkte, damit wir mit der Behandlung der Dringlichen Anfrage beginnen können.


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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Gefährdung der österreichischen Interessen und die Verunsicherung der Bevölkerung in Fragen der Sicherheitspolitik und der Landesverteidigung (3416/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zur Behandlung der Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Scheibner und Genossen. Diese ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden, sodaß sich die Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die Ausgangslage am Ende des Ost-West-Konflikts

Der Zerfall der kommunistischen Herrschaft in Ost- und Ostmitteleuropa sowie das Zusammenbrechen der Sowjetunion haben die sicherheitspolitische Lage in Europa grundlegend verändert. Durch das Ende der früheren Bipolarität der Weltmachtbeziehungen, dem sogenannten Ost-West-Konflikt, zeichnete sich der Beginn einer neuen Ära des Friedens und der Prosperität ab. Die Euphorie von 1990 (Charta von Paris) ist aber mittlerweile verflogen. In Europa brachte bislang das Ende des Kalten Krieges nicht den erwarteten Beginn einer Ära der Stabilität und Sicherheit. An die Stelle der gesamteuropäischen und militärischen Konfrontation der Nuklearmächte sind regionale und lokale militärische Auseinandersetzungen getreten.

Dies führt zu dem Schluß, daß konventionelle Kriege in Europa wieder möglich geworden sind. Am anschaulichsten wurde das am Beispiel des ehemaligen Jugoslawien oder auch einiger Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion deutlich. Dabei offenbarten sich Konflikte und Krisenzonen, die unter den Konditionen der (übergreifenden) Ost-West-Konfrontation zum Teil verdrängt oder unterdrückt wurden. Nunmehr an die Oberfläche gelangt, bilden sie einen potentiellen Zündstoff für den Frieden dieses Kontinents.

Europas sicherheitspolitische Situation ist somit gekennzeichnet vom Übergang von einem sogenannten ,high risk – high stability‘ zu einem ,low risk – lower stability‘-System. Diese neue sicherheitspolitische Lage bedingt die Notwendigkeit, die bisherige Sicherheitsarchitektur von Grund auf neu zu überdenken. Vor allem im Hinblick darauf, daß nicht nur die wirtschaftlichen, politischen, kulturellen oder auch militärischen Verflechtungen und Abhängigkeiten stetig zunehmen, sondern ebenso Bedrohungen, Gefahren und Krisen grenzübergreifend wirken, ist Sicherheit nicht im Alleingang und gegen andere, sondern nach Meinung vieler Experten nur noch kollektiv und gemeinsam erreichbar.

Was für Europa seine Gültigkeit besitzt, ist in erhöhtem Maße auch für Österreich gültig, vor allem wenn man bedenkt, daß der technische Fortschritt der Waffensysteme insbesondere Kleinstaaten sichtlich überfordert. So ist für sie etwa der Aufbau eines eigenen Raketenabwehrsystems und Maßnahmen zum Einsatz oder der Abwehr von elektronischen Kampfmitteln (Satellitenaufklärung, elektronische Aufklärungssysteme, Störsender et cetera ...) sowie die Bereitstellung von rasch verfügbaren Krisenreaktions- und Verteidigungskräften – vor allem im Bereich des Luftraumschutzes – völlig undenkbar. Die Annahme einiger österreichischer Regierungspolitiker, man könne solche Systeme teilweise von anderen Staaten ,leihen‘, ist illusorisch. Sicherheitspolitische ,Trittbrettfahrer‘ werden von keiner Sicherheitsgemeinschaft geduldet werden, wie das Beispiel Deutschlands in der Frage seiner Verpflichtungen (Somalia und Bosnien-Herzegowina) deutlich zeigt.

Die österreichische (Nicht)Debatte

Österreich hat 1955 – nach zehnjähriger Besatzung – durch den Staatsvertrag seine Souveränität wiedergewonnen. Voraussetzung dafür war de facto die Verpflichtung zur dauernden Neutralität. Diese wurde nicht als Staatsideologie sondern als Mittel zur Erreichung eines sicherheitspolitischen Zieles – Wiedererlangung und Bewahrung der Souveränität, Abzug der Besatzer – beschlossen. Seinen aus der Neutralität resultierenden Verteidigungspflichten ist


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Österreich in der Vergangenheit nur äußerst unzureichend nachgekommen. Wir verdanken, im Gegensatz zur weitverbreiteten und von politischen Gruppen geförderten Meinung, die ,Friedensperiode‘ nach dem Zweiten Weltkrieg nicht unserer Neutralität, sondern der Abschreckungswirkung des westlichen Bündnisses – der NATO. In dieser Phase der Umwälzungen und der Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Sicherheitssystems hätte Österreich nun erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Chance seine Sicherheitspolitik frei zu gestalten und einen Beitrag zum Aufbau dieser neuen Ordnung zu leisten.

Die Bundesregierung wäre daher in dieser Phase des Umbruchs gefordert, die entscheidenden sicherheitspolitischen Weichenstellungen zum Wohle unserer Heimat zu treffen. Sie ist aber, wie in vielen anderen Fragen, uneinig und nicht handlungsfähig. Nahezu jeden Tag wird von Mitgliedern der Regierungsparteien ein anderer Standpunkt in Fragen der Sicherheitspolitik vertreten. Aus diesem Grund kommt es auch von seiten der Koalitionsfraktionen zu keiner umfassenden und ehrlichen Diskussion der Sicherheitspolitik im Hohen Haus.

Sowohl die Entscheidungsschwäche der Regierung als auch der Versuch der Diskussionsverhinderung im Parlament (mehrfache Vertagung der Oppositionsanträge) haben dazu geführt, daß die Geschichte Österreich zu überholen droht. Die Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur schreitet mit schnellem Schritt voran während die Debatte in Österreich am Stand tritt. Während unsere Nachbarstaaten Ungarn, Tschechien bereits 1999 NATO-Mitglied sein werden und Slowenien an der zweiten Erweiterungsrunde teilnehmen wird, ist es noch unklar ob Österreich im Gegensatz zu vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zumindest assoziierter Partner der parlamentarischen Versammlung der NATO (NAA) ist.

Das offizielle Österreich versucht diese Entwicklung aber immer mehr zu negieren und verwickelt sich dabei in Widersprüche. Man gaukelt der Bevölkerung ein Konzept der österreichischen Sicherheit vor, daß einerseits aus dem Aspekt der Beibehaltung der Neutralität bei gleichbleibend niedrigen Aufwendungen für die Landesverteidigung besteht und andererseits die Vertiefung der GASP im Rahmen der EU-Mitgliedschaft, Teilnahme an ,Petersberg-Missionen‘ und der ,Partnerschaft für den Frieden‘ der NATO vorsieht. Dies bedeutet in der Praxis die Übernahme einer Vielzahl an politischen und militärischen Verpflichtungen, wie etwa die Bereitschaft zu ,Kampfeinsätzen‘ im Ausland und die Übernahme steigender Kosten für diese Maßnahmen, aber keinerlei unmittelbaren Sicherheitsgewinn für Österreich durch den Schutz eines Bündnisses. Mit kurzen Worten: ,viele Pflichten, wenig Rechte‘.

Ein Beitritt zur NATO wird vor allem vom linken Flügel der SPÖ (Fischer, Kostelka und andere) damit abgetan, daß dieser Schritt keinerlei Sicherheitsgewinn für Österreich bedeuten würde. Die Argumente dafür sind mehr als schwach:

durch UNO, EU und OSZE-Mitgliedschaft wären wir vollständig integriert und wirken am Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems mit;

die NATO sei ein Militärbündnis und somit ein Instrument des Kalten Krieges, das über keinerlei Konfliktpräventionsmechanismen verfügt;

bei einem NATO-Beitritt würden fremde Soldaten in Österreich stationiert;

die Kosten für die Landesverteidigung würden in der NATO sprunghaft ansteigen;

Österreich müßte als NATO-Mitglied bei bewaffneten Konflikten Soldaten abstellen und

ein Beitritt sei daher mit der Neutralität nicht vereinbar.

Vergessen oder verschwiegen wird dabei, daß:

die Entwicklung eines europäischen Sicherheitssystems durch die EU vorerst noch in den ,Kinderschuhen‘ steckt;


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weder EU und WEU noch UNO oder KSZE ohne militärische Elemente der NATO in der Lage sind, die militärischen Sicherheitsprobleme Europas zu lösen;

die NATO – als einzige funktionierende kollektive Verteidigungsorganisation, die sich immer mehr zu einer umfassenden Sicherheitsarchitektur wandelt – der Garant für Stabilität und Frieden in Europa ist, wie die Beispiele der jüngsten Vergangenheit und die Vertragsinhalte (SFOR-Einsatz für die VN, pfp, Grundlagenvertrag mit Rußland et cetera ...) zeigen;

Österreich bereits heute an militärischen Aktivitäten im Rahmen der NATO im Ausland teilnimmt und sich in Zukunft sogar an Kampfeinsätzen beteiligen will;

die Verteidigungsausgaben eines neutralen Kleinstaat doppelt so hoch sein müßten, wie die Beispiele der Schweiz, Schwedens und Finnlands in der Vergangenheit gezeigt haben und

die Notwendigkeit zur Beibehaltung der Neutralität klar verneint werden kann und beginnend mit dem Beitritt zur UNO und seit der EU-Mitgliedschaft (damit verbundene Änderungen der Bundesverfassung) diese de facto auch nicht mehr existent ist.

Aber auch die ÖVP hat in dieser Frage keine klare Linie. Während Verteidigungsminister Fasslabend bis zum Juni 1997 noch für eine Entscheidung über die NATO im laufenden Jahr eintrat, kündigte er im Oktober deren Verschiebung auf den Herbst 1999 an (,Kurier‘, 2. Oktober 1997). Auch wenn sich daraus seiner Ansicht nach ,gravierende Nachteile‘ für Österreich ergeben würden. Vizekanzler Schüssel, der für seine ,pointierten‘ außenpolitischen Betrachtungen bekannt ist, legte sich im Laufe des Jahres auf insgesamt fünf verschiedene Zeitpunkte für die Entscheidung fest und war sich nicht immer ganz sicher, ob er für oder gegen einen Beitritt sein soll und wenn ja: was dies für die Neutralität bedeuten würde. Vor allem aber die ÖVP-LH im Westen Österreichs sind nicht auf Parteilinie zu bringen und halten im Gegensatz zum Parteiobmann, der Österreichs Stellung in der EU ohne NATO-Beitritt gefährdet sah (,Presse‘, 2. Mai 1997), die NATO für ein Konzept, das auf Feinbildern aufbaut (Weingartner, 19. August 1969). Die jüngsten Aussagen von NR-Präsident Neisser und Klubobmann Khol lassen darauf schließen, daß man sich mit einem vorläufigen ,Njet‘ des Moskau-Flügels der SPÖ abgefunden hat.

Die Optionen der österreichischen Sicherheitspolitik

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsabkommen daher vorerst nur auf die aktive Teilnahme an der PfP geeinigt und auf die Erstellung eines Optionenberichts bis Ende März 1998. Dieser soll die möglichen sicherheitspolitischen Varianten für den Nationalrat zur Entscheidung aufbereiten. Entgegen den Ausführungen der Staatssekretärin Ferrero-Waldner im letzten Außenpolitischen Ausschuß konnte man sich in der interministeriellen Arbeitsgruppe noch nicht einmal auf den Motivenbericht einigen. Glaubt man dem Zweiten NR-Präsidenten Neisser, so wollen Teile der SPÖ nicht einmal die Möglichkeit eines NATO-Beitritts in den Bericht aufgenommen wissen (,Kurier‘, 9. Dezember 1997).

NATO-Mitgliedschaft

Der NATO-Beitritt Österreichs wird und wurde aber nicht nur von verschiedenen österreichischen Politikern und Experten befürwortet – auch vom Herrn Bundespräsidenten Klestil, als Oberbefehlshaber des Bundesheeres und Vertreter der Republik Österreich nach außen, und dem Generaltruppeninspektor Majcen –, sondern auch von vielen europäischen Sicherheitspolitikern (NATO Generalsekretär Solana, ehemaliger WEU-Generalsekretär Van Eekelen u.v.a.) als jederzeit denkbare und sinnvolle Option bezeichnet.

Die NATO selbst entwickelt sich immer mehr zu einem umfassenden Sicherheitssystem. Neben dem reinen militärischen Verteidigungsauftrag wird sie immer stärker zum Akteur der Krisenprävention und des Krisenmanagements, im Rahmen von UNO-Einsätzen, wie zum Beispiel in Ex-Jugoslawien. Nur als Vollmitglied kann sich Österreich an dieser Entwicklung beteiligen und an den Entscheidungsprozessen mitwirken.


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Entgegen den sich nunmehr abzeichnenden Intentionen der Regierungsparteien im Rahmen der sogenannten ,erweiterten Partnerschaft für den Frieden‘ (pfp-plus), die als Warteraum und Vorbereitungsorgan für beitrittswillige Oststaaten der ehemaligen WVO gedacht ist, das sicherheitspolitische Auslangen für die nächsten Jahre zu finden, wäre daher der Vollbeitritt Österreichs zur NATO anzustreben. Vor allem, weil diese neue Form der Partnerschaft nur Verpflichtungen (Fähigkeit und Bereitschaft zur Führung von Kampfeinsätzen bei Krisen) ohne Schutz des Bündnisses durch die Beistandsgarantie (Artikel 5) bringt.

WEU-Beitritt ist ohne NATO-Mitgliedschaft nicht möglich

Die von der Regierung im Koalitionsübereinkommen vorgesehene Prüfung eines WEU-Beitrittes erscheint sowohl im Hinblick auf die Ziele der EU-Konferenz 1996 als auch auf die österreichischen Sicherheitsinteressen als nicht ausreichend und kommt wie immer zu spät. Eine alleinige WEU-Mitgliedschaft Österreichs ohne gleichzeitigen Beitritt zur NATO wird auch, wie zahlreiche Experten in der parlamentarischen Enquete ,Perspektiven der europäischen Sicherheitsstruktur und die Rolle Österreichs‘ eindeutig dargelegt haben, nicht möglich sein. Österreich ist daher im Interesse seiner Sicherheit und entsprechend den Zielen seiner europäischen Positionierung gefordert rasch zu handeln.

Die Regierung hat hier, wie im Falle der NATO, darauf nur insofern reagiert, als sie die Verpflichtungen der ,Petersberger Missionen‘, die auch Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung vorsehen, bereit ist zu übernehmen. Sie hat dies durch die österreichische Grundsatzposition für die Regierungskonferenz (1996) und durch die Zustimmung zum Artikel J.7, der eine Weiterentwicklung der GASP unter Einbeziehung der WEU vorsieht, im Entwurf des Vertrages von Amsterdam manifestiert. Hiermit wurden wieder Pflichten übernommen, ohne einen unmittelbaren Sicherheitsgewinn – durch die starke Beistandsgarantie des Artikel 5 der WEU – zu erzielen.

Die Neutralität ist obsolet (und teuer)

Auch wenn viele Anhänger einer sicherheitspolitischen Isolation Österreichs oder einer Orientierung an den Interessen Moskaus noch immer am Relikt des Kalten Krieges – Neutralität – festhalten wollen, so ist dieses dennoch mehr als überholt. Sowohl internationale wie nationale Experten und Politiker bescheinigen ihr zwar eine Rolle während der Zeit des Ost-West-Konfliktes, für die Fragen von morgen hat sie aber keinerlei sicherheitspolitische Relevanz. Selbst in der EU ist ein Sonderstatus für Neutrale weder möglich noch gewünscht (Hänsch, ,Kurier‘ vom 18. März 1996), wie die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem österreichischen Beitritt und das Ergebnis der Regierungskonferenz von Amsterdam gezeigt haben. Darüber hinaus bedeutet ernstgenommene Neutralität aber nicht nur politische Isolation, sondern auch vermehrte Verteidigungsausgaben, die weit über dem österreichischen Standard beziehungsweise auf oder über dem Durchschnitt vergleichbarer NATO-Mitgliedsstaaten liegen, wie die Beispiele Schweiz, Schweden und Finnland einerseits sowie Belgien und Dänemark andererseits klar darstellen.

Ehrliche Information der Bürger wäre notwendig

Die österreichische Bundesregierung ist daher nicht nur gut beraten, sich rasch von Konzepten der Vergangenheit zu trennen, sondern auch an der Entwicklung in Europa vollberechtigt mitzuwirken. Es wäre ihre Pflicht, den Bürgern mitzuteilen, daß wir zwar als ,Neutraler‘ in die Europäische Union gegangen sind, aber dort höchstens als ,Bündnisfreier‘ angekommen sind. Eine Tatsache, die die Regierungen Schwedens und Finnlands gelassen aussprechen.

Es wäre aber auch dringend an der Zeit, die Bürger über den wahren Status Österreichs in Fragen der Sicherheitspolitik aufzuklären. Vor allem deshalb, da dieser ,schleichend‘ und unter Umgehung des Parlaments eingenommen wurde. Durch den Abschluß des Rahmenübereinkommens mit der NATO (pfp) ohne Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 B-VG und den sich aus der Vollziehung dieses Abkommens ergebenden notwendigen Maßnahmen, wie der Übernahme des Truppenstatuts der NATO (SOFA), wurden und werden Schritte gesetzt, die mit der Neutralität nach ,Schweizer Muster‘, wie sie für Österreich zumindest formell noch immer verbindlich ist, nicht vereinbar sind. Die Anfragesteller vertreten zwar keinesfalls den Standpunkt, daß


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Österreich zum Status der Neutralität zurückkehren sollte, sie halten aber die objektive Information der Staatsbürger und eine verfassungskonforme Vorgangsweise für dringend geboten.

Dies bedeutet, daß die Regierung von ihrer Politik der ,Verschleierung und Verschweigung‘ sowie der ,ungesetzlichen‘ Maßnahmen und Schritte ohne Einbindung des Parlaments und der Bevölkerung abzugehen und rasch die nötigen Entscheidungsgrundlagen für die anstehenden Probleme vorzulegen hat. Ansonsten wird neben der Lächerlichkeit (APA 351, 17. Feber 1997), der sich Österreich seit mehreren Jahren in Fragen der Sicherheitspolitik aussetzt, ein verfassungswidriger Weg beschritten. Weiters wird dadurch die Bevölkerung in einem derart hohen Maß verunsichert, daß dies letztlich zu einer völligen Ablehnung der notwendigen Maßnahmen führen könnte.

Diese Verunsicherung und die mangelnde sicherheitspolitische Positionierung tragen aber auch dazu bei, daß Österreich seine eigene Verteidigungsfähigkeit in zweierlei Art massiv vernachlässigt. So gibt es derzeit keinen Schutz durch das Bündnis, es wurden aber auch die eigenen Streitkräfte nicht auf jenen Standard gebracht, der aufgrund der aktuellen Bedrohungsszenarien beziehungsweise der laufenden und zukünftigen Einsatzspektren notwendig wäre.

Obwohl die Aufgaben des Heeres immer umfangreicher und auch gefährlicher werden, wird das LV-Budget immer geringer. Daraus ergeben sich zwangsweise Probleme für die Truppe in personeller wie materieller Hinsicht.

Die Heersgliederung-NEU sollte bereits 1992 alle Probleme lösen

Der Landesverteidigungsrat hat bereits 1992 der Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministers für Landesverteidigung die Einnahme einer neuen Heeresgliederung im Frieden und im Einsatz empfohlen, mit der auf die Lage nach Ende des Kalten Krieges reagiert werden sollte. Diese HG-NEU war auch Ansatz für das neue Einsatzkonzept des Bundesheeres, das die sogenannte Raumverteidigung, die auf dem LVP 1975 fußte, ersetzt hat. Mit diesen beiden Weichenstellungen sollte der rasche, flexible und grenznahe Einsatz des Bundesheeres und der Auslandseinsatz möglich werden.

Bei der Beschlußfassung der HG-NEU wurde, wie auch dem Situationsbericht 1996 zu entnehmen ist, davon ausgegangen, daß zur Erfüllung dieser Vorgaben ein Budgetrahmen von rund 1 Prozent BIP für das LV-Budget und etwa 34 000 Grundwehrdiener pro Jahr eingehalten werden muß. Beides wurde nicht erreicht, weshalb die HG-NEU und der Bundesminister für Landesverteidigung, Dr. Fasslabend, als gescheitert betrachtet werden können. So fehlt es heute vor allem an modernem Gerät zur Erfüllung der Aufgaben für alle Waffengattungen in den jeweiligen Kampfverfahren und selbst das sogenannte ,MechPaket‘ ist nur ein scheinbarer Erfolg. So sind für Teile des vorgesehenen Gerätes (Rad- und Schützenpanzer) noch nicht einmal Kaufverträge abgeschlossen und bei gleichbleibendem Budgetanteil ist eine Finanzierung im notwendigen Zeitraum unrealisierbar. Insgesamt bedeutet selbst die Umsetzung dieses Paketes eine Reduzierung der gepanzerten Streitkräfte um ein Drittel.

Zahlreiche Nachbeschaffungen sind in den letzten Jahren notwendig geworden

Hinzu kommen vermehrt neue Aufgaben für das Bundesheer, wie verstärkter Einsatz an den Grenzen zur Verhinderung der illegalen Einreise und zusätzliche Einsätze im Ausland, die das ÖBH vor hohe materielle und personelle Anforderungen stellen. Diese haben mittlerweile ein Ausmaß erreicht (nach Heeresschätzungen bis zu 3 Milliarden Schilling an Gesamtkosten), das den Einsatz des Bundesheeres bei seinen ursprünglichen Aufgaben massiv gefährdet, insbesondere durch die Inanspruchnahme und den starken Verschleiß von Gerät der Mob- und Bereitschaftsverbände. Wie freiheitliche Abgeordnete bereits mehrfach in Anträgen und Anfragen hingewiesen haben, ist eine Reihe von Investitionen am Rüstungssektor dringend notwendig.

Hinzu kommen zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Kasernenrenovierungen und für Ersatzneubauten, die aufgrund der Dislozierungen der HG-NEU notwendig geworden sind. Dies alleine würde einen Aufwand von über 10 Milliarden Schilling bedeuten.


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Der gesamte Finanzbedarf für das Investitionsprogramm des Bundesheeres liegt daher nach Schätzungen von Dienststellen des BMLV bei 100 bis 140 Milliarden Schilling – verteilt auf die nächsten zehn Jahre. Langfristig muß das Landesverteidigungsbudget auf einen europäischen Mindeststandard gebracht werden, wenn Österreich auch seinen Verpflichtungen im Rahmen der internationalen und europäischen Sicherheitskooperationen nachkommen beziehungsweise zu keinem sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer werden will. Letztendlich ist der Schutz der Bevölkerung, der Grenzen und der verfassungsmäßigen Organe ein primär durch Österreich selbst zu leistendes Gebot, das derzeit nur völlig unzureichend erfüllt werden kann. So geht das ,MechKonzept‘ derzeit wörtlich von ,einer minimalen Überlebenschance‘ der Panzergrenadiere am Gefechtsfeld aus.

Rationalisierungen bei der Zentralstelle fehlen

Ergänzend zu dieser Problematik hat es das BMLV nicht geschafft, einschneidende Einsparungen durch Zusammenlegung von Verwaltungsebenen der Zentralstelle durchzuführen und die daraus freiwerdenden Mittel zu den Einsatzverbänden umzuschichten beziehungsweise neues Gerät zu beschaffen. Vielfach stecken dahinter auch parteipolitische Interessen, die ein dafür notwendiges dem Militärdienst entsprechendes Dienstrecht verhindern. So sind etwa durch das neue Besoldungsrecht die Kosten für den Personalaufwand 1996 um 900 und 1997 um weitere 300 Millionen Schilling höher zu veranschlagen gewesen. Die neuerliche Steigerung bei sinkenden Bedienstetenzahlen für 1998 wird weitere 230 Millionen Schilling ausmachen. Dies bedeutet mittlerweile einen Anteil von über 67 Prozent Personalkosten im ÖBH gegenüber 31 Prozent in Schwedens Armee (,Kurier‘, 16. November 1996). Dies trägt dazu bei, daß bei der Ausbildung und der Nachbeschaffung von Gerät gespart werden muß beziehungsweise unverantwortbar große Lücken entstehen.

Auch die neuartigen Einsätze im Ausland und der verstärkte Grenzeinsatz haben gezeigt, daß mit den bestehenden Rahmenbedingungen und Ressourcen nur unter Heranziehung der letzten Reserven das Auslangen gefunden werden kann. Viele Friktionen (Materialmangel beziehungsweise Verschleiß und Personalknappheit) sind bereits jetzt evident und werden bei einer weiteren Belastung zum völligen Kollaps führen.

Auch das Konzept VOREIN kann als gescheitert betrachtet werden, da es sowohl zu den versprochenen Nachbeschaffungen auf absehbare Zeit nicht kommen wird, als auch die angepeilten präsenten Verbände nicht aufbietbar sind.

Auch das Ausbildungsniveau droht zu sinken. Durch den neuen Erlaß über die Einschränkungen von fWÜ-Teilnahmen, mit dem eigentlich nur Mißstände beseitigt werden sollten, wurde weit über das gewünschte Ziel hinausgeschossen. Selbst reguläre Aus- und Weiterbildung für fachspezifische Kurse (zum Beispiel Fallschirmsprungkurse von Luftlandeinheiten) werden den Milizsoldaten nur mehr unbezahlt in ihrem Urlaub möglich sein.

Es entsteht der Verdacht, den der Herr Bundesminister auch im Ausschuß nicht glaubhaft widerlegen konnte, daß hier nur deshalb gespart werden soll, weil der laufende Betrieb 1998 nicht mehr finanziert werden kann. Unter anderem auch wegen der Inanspruchnahme des Bundesheeres für Aufgaben im Rahmen des österreichischen EU-Vorsitzes. Dies ist zwar durch das Wehrgesetz (§ 2 Zweck des Bundesheeres) nicht gedeckt, dennoch soll aber die Infrastruktur und das Gerät des ÖBH so in Anspruch genommen werden, daß den mobverantwortlichen Verbänden mit Erlaß in Aussicht gestellt wurde, daß für die meisten von ihnen die planmäßigen Beordertenwaffenübungen für 1998 vermutlich nicht stattfinden werden können.

Die zu diesen Themen gestellten Anfragen der freiheitlichen Nationalratsfraktion (2096/J und 2894/J) wurden, wie sich erst jetzt wieder durch den Bundesvoranschlag bestätigte, vom Bundesminister für Landesverteidigung, Werner Fasslabend, trotz besseren Wissens ebenso falsch beantwortet, wie jene über die persönliche Ausrüstung der österreichischen Soldaten (2896/J). So verfügt bis heute, fast 15 Jahre nach Einleitung des Beschaffungsvorganges, noch immer nicht jeder Soldat der Einsatzorganisation über einen modernen Schutzhelm und eine Splitterschutzweste. Auch die von BM Fasslabend angegebene Zeitleiste dafür wird nicht einzuhalten


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sein. Gleiches gilt für die sogenannte ,Allwetterkleidung‘, die zwar in Form von Gore-Tex Jacken an die GWD von Stabskompanien ausgegeben wird, nicht aber an die Einsatzverbände der Hochgebirgsbaone oder die Jagdkommandokompanien. Grund dafür sind ebenfalls die fehlenden Budgetmittel, die dazu führen, daß bei einem MobRahmen von 120 000 Mann (plus 3 000 Mann Personalreserve) nur 60 000 Stück der oben beschriebenen Ausrüstungsgegenstände beschafft werden sollen. Dies bedeutet ebenso wie die Reduktion der Miliztruppenübungen den schleichenden Übergang auf eine Zwei-Klassen-Armee und in späterer Folge die de facto Abschaffung der Miliz.

Heeresgliederung NEU-NEU soll im Alleingang beschlossen werden

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Herr BM Fasslabend ohne Empfehlung des LV-Rates und ohne Beschluß der Bundesregierung mit Weisung den Auftrag zur Umsetzung von Reduktionen und weiteren Detailplanungen erteilt hat. Diese sollen ,Verdichtungen‘ bei Kommanden, Ämtern und Truppenkörpern der Friedensgliederung, aber auch bei der Einsatzgliederung erzeugen und weit über die Empfehlungen des LV-Rates von 1992 zur HG-NEU hinausgehen. Daraus folgen weitgehende Konsequenzen für das Einsatzkonzept, die Organisation und nicht zuletzt auch für die Angehörigen des ÖBH.

Als unannehmbare Eckdaten dieser HG-NEU-NEU, die keine Adaptierung im Sinne des Situationsberichtes 1996 darstellt, wurde folgendes angeordnet (GZ. 65.105/003-5.2/97):

Auflösung des III. Korps in BADEN,

Verringerung von 15 auf 5 MobBrigaden,

Verringerung der Mob-Stärke um 40 000 Mann (alle Miliz),

Auflösung zahlreicher präsenter Verbände und

die Schließung von Kasernen unbekannten Ausmaßes.

Diese vom Wehrgesetz nicht gedeckte Entscheidung, die an der verfassungsmäßig garantierten, milizartigen Struktur des Bundesheeres rüttelt, wird, da sie weder politisch akkordiert, noch in ihren Maßnahmen sachlich nachvollziehbar ist, sowohl vom Koalitionspartner als auch von allen anderen Fraktionen des Hohen Hauses – selbst von Abgeordneten des ÖVP-Klubs – abgelehnt. Auch die Landtage von Oberösterreich, der Steiermark und Vorarlberg, sowie die Salzburger Landesregierung und zahlreiche Gemeinden haben sich gegen die angeordneten Entscheidungen ausgesprochen und entsprechende Beschlüsse gefaßt. Aber auch die Milizverbände haben massive Bedenken geäußert und von einem ,schleichenden Verfassungsbruch‘ und einer ,milizfeindlichen‘ Planung gesprochen.

Vor allem werden aber auch die gewünschten Rationalisierungseffekte nicht erreicht werden. Es ist viel mehr so, daß man davon ausgehen muß, daß durch den zu erwartenden neuen Platzbedarf, die Umschulungen, Umbau von systemspezifischen Anlagen, Trennungsgebühren, Dienstzuteilungen et cetera. (Umsetzung frühestens in zwei Jahren) und einen Sozialplan für zu übersiedelnde beziehungsweise pendelnde Kadersoldaten weit mehr Finanzmittel aufgewendet werden müssen als vor der Reform und daher von den angestrebten 100 Millionen Schilling an Einsparung keine Rede sein kann.

Diese HG-NEU-NEU wird scheitern, da sie keine entscheidenden Verbesserungen bringen wird und darüber hinaus weder von den relevanten politischen Kräften noch von der Mehrheit der Heeresangehörigen getragen wird. Diese Neugliederung klammert weiters völlig die Fragen eines spezifischen Militärdienstrechtes, einer modernen Budgetgestaltung, der ausreichenden und modernen Ausrüstung, eines gewissen Freiwilligkeitsprinzips und der Abstützung auf die Erfordernisse eines Bündnisses aus. Eine neuerliche Umgliederung in der Friedens- und Mobgliederung des österreichischen Bundesheeres (die über die Ebene der militärischen Einheit hinausgeht) ist daher ohne die grundsätzliche Entscheidung über den künftigen sicherheitspolitischen Weg Österreichs in Europa abzulehnen.


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In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Landesverteidigung nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Hat Österreich vor, im Rahmen der erweiterten GASP auch die Durchführung von sogenannten ,Petersberger Aufgaben‘ durch die WEU zu unterstützen?

Wenn ja, umfassen diese auch Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung (einschließlich Maßnahmen zur Herstellung des Friedens)?

Wenn nein, warum hat die Bundesregierung dann dem Artikel J.7 im Entwurf des Vertrages von Amsterdam zugestimmt?

2. Ist der Beitritt zur WEU aus faktischer Sicht möglich, ohne gleichzeitig Mitglied der NATO zu werden?

Wenn ja, weshalb hat dies dann der Generalsekretär der WEU, Jose Cutileiro, am 19. April 1997 ausgeschlossen?

Wenn nein, wie beurteilen Sie dann die Aussage, daß man den Weg in die NATO über die WEU gehen müsse?

3. Sollte Österreich ihrer Ansicht nach so rasch wie möglich NATO-Mitglied werden?

Wenn nein, warum nicht und auf welcher Grundlage haben Sie Ihre Meinung diesbezüglich geändert?

4. Welche Nachteile ergeben sich daraus, daß Österreich bisher nicht der NATO als Mitglied beigetreten ist?

Wenn keine, warum haben Sie dann von solchen bei Ihrem Vortrag am 30. September 1997 vor dem Liberalen Klub gesprochen?

Wenn keine, welche Vorteile ergeben sich aus der Nicht-Mitgliedschaft?

5. Wurde die Mitgliedschaft in der NATO als sicherheitspolitische Option von den Vertretern des BMLV in der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Erarbeitung des sogenannten ,Optionenberichtes‘ vorgebracht und erläutert?

Wenn ja: welche Vorteile ergeben sich aus dieser Option?

Wenn ja, weshalb geht der Zweite NR-Präsident Dr. Neisser davon aus, daß diese Option nicht im Bericht aufscheinen wird?

Wenn nein, warum nicht?

6. Welche Vorteile hat die Teilnahme an der sogenannten ,pfp-plus‘ gegenüber einer NATO-Vollmitgliedschaft für Österreich und wird Österreich jedenfalls an der sogenannten ,pfp-plus‘ teilnehmen?

7. Beinhaltet diese auch Kampfeinsätze zur Herstellung des Friedens auch gegen den Willen einer Streitpartei?

Wenn nein, warum werden dann ihm Rahmen dieser die Erreichung der Ziele ,Angriff‘, ,Verzögerungskampf‘ und ,Verteidigung‘ in Österreich durch die NATO überprüft?

8. Wie definiert ihr Ressort den Terminus ,Friedenssicherung‘ aus dem KSE-BVG?


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9. Sind Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung im Sinne der ,pfp-plus‘ und der ,Petersberger Aufgaben‘ durch diesen Terminus des KSE-BVG abgedeckt?

Wenn nein, sehen Sie dann einen Novellierungsbedarf im Zuge des Ratifikationsverfahrens des Amsterdamer Vertrages und der ,pfp-plus‘?

10. Wird das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs durch obige Ratifikationen materiell derogiert?

Wenn ja, durch welche Bestimmungen?

Wenn nein, warum nicht?

11. Gibt es absolute Pflichten des dauernd Neutralen gemäß den Bestimmungen des Kriegsvölkerrechtes?

Wenn nein, warum wird das in allen Bildungseinrichtungen des Bundesheeres so gelehrt?

Wenn ja, welche sind dies und welche werden von Österreich heute noch eingehalten?

Wenn keine eingehalten werden, warum ist dann das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs noch nicht formell derogiert worden?

12. Welchen Rechtscharakter hat das Übereinkommen mit der NATO vom 10. Feber 1995?

Wenn dies kein Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 B-VG ist, weshalb müssen dann zur Umsetzung der Vollziehungsmaßnahmen Staatsverträge (SOFA) abgeschlossen und warum mußte dann das KSE-BVG erlassen werden?

13. Aufgrund welcher verfassungsrechtlichen Regelung dürfen fremde Soldaten in Österreich üben?

14. Welche Kosten entstehen für Österreich durch die Teilnahme an Maßnahmen der ,pfp‘ und ,im Sinne der pfp‘ und welche Kostenschätzungen haben Sie für die Teilnahme an Maßnahmen der ,pfp-plus‘?

15. Welche Kosten würden voraussichtlich im Falle eines Beitritts zur NATO für Österreich entstehen?

16. Welchen Finanzbedarf hat das ÖBH für die nächsten zehn Jahre zur Erfüllung der im langfristigen Investitionsprogramm vorgesehenen Beschaffungen?

Ist dieser Finanzbedarf von einer Entscheidung über einen NATO-Beitritt abhängig?

Wenn ja, welche Verschiebungen würden sich ergeben?

17. Können diese Beschaffungen mit dem derzeitigen Budgetanteil am BIP (0,85 Prozent) erfolgen?

Wenn ja, wie wollen Sie die im ,MechPaket‘ beschlossenen Nachrüstungen, in der von ihnen angegebenen Zeitleiste und in dem durch auch das Einsatzkonzept vorgegebenen Umfang, realisieren?

Wenn ja, in welcher Zeitleiste sollen welche Beschaffungen im Bereich der Luftraumüberwachung, der Luftraumsicherung und der Lufttransportkapazität erfolgen?

18. Warum haben Sie eine Umgliederung des Heeres vor Feststehen des Ergebnisses des Optionenberichtes vorgesehen?

Hat sich seit der Planung oder der Umsetzung der HG-NEU (1995) das sicherheitspolitische Umfeld Österreichs grundlegend geändert?


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Wenn ja, aufgrund welcher Analyse kommen Sie zu diesem Schluß?

19. Wie konnten Sie sich für eine Umgliederung des ÖBH entscheiden und diese von einem angeblich ,subalternen Offizier‘ anordnen lassen, obwohl keine dafür gesetzlich vorgeschriebene Anhörung des LV-Rates erfolgt ist und die Bundesregierung keine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat?

Wer war der dafür verantwortliche ‘subalterne Offizier’?

20. Wenn diese Weisung nicht in Ihrem Sinne war, warum wurde diese erstens mit der GZ. 65.105/003-5.2/97 versehene Weisung dann nicht zurückgezogen und zweitens warum wurde von der Sektion II ein Erlaß mit der GZ. 23.100/0185-2.1/97 herausgegeben, der den aufzulösenden Verbänden die Aufnahme von Ersatzkräften und Zeitsoldaten et cetera untersagt?

21. Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zeitleiste für das weitere Verfahren zur Beschlußfassung einer allfälligen Umgliederung des Heeres aus?

22. Welche anderen Varianten haben Sie vor Entscheidung über die vorgeschlagene Gliederung geprüft und warum haben Sie sich gegen diese entschieden?

Werden Sie diese Varianten im Landesverteidigungsrat und im Landesverteidigungsausschuß präsentieren?

Wenn nein, warum nicht?

23. Welche Einsparungen würden sich aus den angeordneten Umgliederungen des ÖBH im Zuge der Einnahme einer neuen Heeresgliederung ergeben?

Wenn derzeit keine genannt werden können, warum haben Sie solche dann am 18. Oktober 1997 mit zirka 100 Millionen Schilling beziffert?

24. Weshalb hatte das III. Korps und die 9. PzGrenBrig, obwohl eigentlich noch nicht entschieden ist, daß diese aufgelöst werden, kein Vorschlags- und Stellungnahmerecht zu obiger Weisung?

25. Inwiefern hat sich die Geographie Österreichs geändert, daß ein vor fünf Jahren mit diesem Argument errichtetes Korpskommando heute aufgelöst werden muß?

26. Welche Gründe sprechen für die Auflösung der 9. Panzergrenadierbrigade, welche dagegen?

27. Weshalb wurde das kaderstarke Jagdpanzerbataillon 1 nicht in der Aufstellung über die prozentmäßige Befüllung der Verbände im Situationsbericht 1996 aufgelistet und somit der Prozentsatz der 9. PzGrenBrig falsch dargestellt?

28. Weshalb wurde das kaderstarke Panzerartilleriebataillon 4 in Gratkorn, das aufgelöst werden soll, nicht in der Aufstellung über die prozentmäßige Befüllung der Verbände im Situationsbericht 1996 aufgelistet?

29. Wie beurteilen Sie die Resolutionen der Landtage von Oberösterreich, der Steiermark und Vorarlberg, sowie der Salzburger Landesregierung und der Stadt Wr. Neustadt zu den sie betreffenden Umgliederungsmaßnahmen und welchen Stellenwert haben diese im Planungsverfahren Ihres Ressorts?

30. Wie beurteilen Sie die Vorschläge des I. Korps im Zuge des Stellungnahmeverfahrens und welchen Stellenwert haben diese im Planungsverfahren Ihres Ressorts?

31. Wie beurteilen Sie die Einwendungen der Milizverbände gegen die Heeresgliederung NEU-NEU hinsichtlich der Vorhaltungen über das Abgehen vom milizartigen Charakter des Bundesheeres und welchen Stellenwert haben diese im Planungsverfahren Ihres Ressorts?


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32. Wie viele der bisherigen Milizsoldaten werden nach Einnahme der neuen Heeresgliederung nicht mehr in der MobOrganisation aufscheinen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 1 GOG dringlich zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung erhält zur Begründung der Dringlichen Anfrage Herr Abgeordneter Scheibner das Wort. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte. (Abg. Scheibner begibt sich mit einer olivgrünen Feldtasche zum Rednerpult. – Abg. Haigermoser: Das Marschgepäck!)

15.00

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben sehr lange mit dieser Dringlichen Anfrage zugewartet, weil wir versucht haben, auf andere Art und Weise mehr Dynamik in die Sicherheitspolitik zu bringen und vor allem Reformen in Gang zu setzen, um die katastrophale Lage, in der sich die österreichische Landesverteidigung befindet, zu verbessern. (Abg. Kiss: Nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten der FPÖ ist bei der eigenen Dringlichen anwesend!)

Leider war all diesen Versuchen, Kollege Kiss, kein Erfolg beschieden. (Abg. Kiss: Zwei Drittel von euch fehlen jetzt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben versucht, Anträge einzubringen; die wurden jedoch – auch von der ÖVP – abgelehnt oder vertagt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir haben versucht, Anfragen einzubringen. Diese wurden, wenn überhaupt, nur sehr schleißig und unvollständig beziehungsweise unrichtig beantwortet. Und wir haben auch versucht, in persönlichen Gesprächen Dinge abzuklären. Aber auch das war nicht möglich mit Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Haigermoser findet die Mannen hinter sich nicht! Er schaut schon ganz verzweifelt!)

Herr Bundesminister! Wir haben heute eine sehr umfangreiche Dringliche Anfrage eingebracht: mit sehr vielen ganz konkreten Fragen. Wir glauben aber, daß es in sechs Stunden Ihnen und Ihrem Ressort möglich sein müßte, diese Fragen umfassend zu beantworten. Immerhin haben Sie in Ihrer Zentralstelle um 400 Dienstposten mehr bewilligt, als im Stellenplan vorgesehen war. (Abg. Haigermoser: Um 400!) Und diese zusätzlichen 400 Dienstposten werden sich doch hoffentlich positiv bei dieser Beantwortung der Anfrage bemerkbar machen. Ich hoffe vor allem, daß Sie, Herr Bundesminister, jetzt endlich einmal ganz konkret Stellung nehmen zu Fragen betreffend künftige Maßnahmen in der Sicherheitspolitik, selbstverständlich auch Maßnahmen vorschlagen, wie der katastrophale Zustand der österreichischen Landesverteidigung verbessert werden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Die Demokratisierung ist der Schlüssel – und nicht Ihre Panzer-Phantasien!)

Meine Damen und Herren! Die Debatte über die Sicherheitspolitik in diesem Land und auch in diesem Haus wird immer diffuser, führt einerseits zu einer unglaublichen Verunsicherung in der Bevölkerung, andererseits jedoch haben Sie eine Heeresgliederung Neu-neu angeordnet, die offensichtlich eine Art Zwischengliederung bis zur nächsten Gliederung darstellen soll, etwas, was das Bundesheer und die Soldaten völlig verunsichert, wogegen es eine breite Protestbewegung gibt, wodurch das Bundesheer langsam, aber sicher in einen SuperGAU gerät.

Zur Sicherheitspolitik: Herr Bundesminister, Sie haben heute vormittag richtigerweise gesagt – Ihre Analysen sind ja meistens richtig, Ihre Handlungen weniger –, daß sich seit Ende des Kalten Krieges in Europa eine interessante, wenn nicht faszinierende Entwicklung abgespielt hat. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Nach der ersten Enttäuschung nach Ende des Kalten Krieges – für dich, Kollege Kiss, auch als Burgenländer interessant! –, da wir gehofft hatten, in Europa werde ein Zeitalter von Frieden und Freiheit ausbrechen, wir aber dann zur Kenntnis nehmen mußten – etwa durch die Ereignisse in Jugoslawien –, daß dem nicht so ist, sondern im Gegenteil, daß wir in einem Zeitalter der Instabilität und der potentiellen Konfliktherde in Europa leben,


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nach dieser ersten Enttäuschung also haben sich die europäischen Demokratien und auch die neuen Demokratien Osteuropas zusammengefunden, sich in den verschiedenen Sicherheitsorganisationen an einen Tisch gesetzt und sind seit sieben Jahren drauf und dran, in Europa eine dauerhafte Friedens- und Sicherheitsordnung zu organisieren. Ein faszinierender Prozeß, Herr Verteidigungsminister!

Es wäre auch für Österreich als Land im Herzen Europas interessant, an dieser Entwicklung mitzumachen. Was aber machen Sie? – Sie verzetteln sich in einer parteipolitischen Diskussion außerhalb des Parlaments und finden nicht die notwendigen Entscheidungen, um Österreich gleichberechtigt an diesem Integrationsprozeß, an diesen Sicherheitsprozessen mitwirken zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ehemalige Feindstaaten bauen an einer dauerhaften Friedensordnung. – Aber Sie von der Regierung begeben sich in einen parteipolitischen Hickhack. Normalerweise ist es doch so, Herr Bundesminister, daß man in einem Staat versucht, breiten Konsens über die Sicherheitspolitik eines Landes zu finden, und zwar nicht nur innerhalb der Regierung, sondern auch insgesamt innerhalb der demokratischen Parteienlandschaft. – Sie aber schaffen es nicht einmal, innerhalb der Regierung, die angeblich alle Probleme löst, Klarheit in dieser so wichtigen Frage zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Selbst innerhalb einer Regierungspartei gibt es Uneinigkeit: Da spricht etwa in der sozialdemokratischen Fraktion der EU-Abgeordnete Swoboda im Oktober 1997 davon, daß ein NATO-Beitritt Österreichs nicht vermeidbar sei. Kollege Cap sagt, daß die Neutralität keine Lösung für die Probleme der Zukunft darstelle, und er meint, daß Österreich NATO-Mitglied werden wird. – Auf der anderen Seite jedoch gibt es in der sozialdemokratischen Fraktion den Präsidenten Fischer, den Klubobmann Kostelka, die vehement gegen diese NATO-Option auftreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für sie ist die NATO offensichtlich ein Produkt des Kalten Krieges, ein Produkt des Imperialismus. – Sie haben anscheinend die Entwicklung der Geschichte verschlafen, meine Damen und Herren, Herr Kostelka, Herr Präsident Fischer! Nicht die NATO hat 1990 und 1989 gegen den Warschauer Pakt und den Kommunismus gesiegt, sondern die Bevölkerung in diesen Ländern hat in einer unglaublich großen demokratischen Bewegung gegen totalitäre Regime gesiegt. Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Wabl, auch Sie wird das vielleicht stören, weil Ihnen 1989 Ihre Visionen verlorengegangen sind. Aber das ist Ihr Problem, das Sie vielleicht mit manchen in der Sozialdemokratischen Partei teilen können. (Abg. Wabl: Phantastereien sind das ...!)

Da hört man zwar – auch von der sozialdemokratischen Fraktion heute –, daß es einen Optionenbericht geben wird, und Bundeskanzler Klima hat gesagt, die Entscheidung über den künftigen Weg in der Sicherheitspolitik werde sofort nach dem Vorliegen des Optionenberichts getroffen werden; auch die NATO sei eine mögliche Option, das hat Bundeskanzler Klima klar und deutlich zum Ausdruck gebracht –, aber heute hat es dann wieder anders gelautet: Jetzt plötzlich sagt Präsident Fischer – auch heute vormittag haben wir das von anderen gehört –, daß die Möglichkeit eines NATO-Beitritts überhaupt "keine Option" in den diesbezüglichen Verhandlungen mit der Österreichischen Volkspartei darstelle. – Herr Verteidigungsminister! Was sagen Sie denn jetzt dazu? Wie wird denn diese Debatte rund um den Optionenbericht ablaufen? Werden Sie sich wieder über den Tisch ziehen lassen? Wird dann so eine Wischiwaschi-Erklärung herauskommen, wird eine Entscheidung wieder bis nach den nächsten Nationalratswahlen hinausgeschoben, um dann die Sicherheitspolitik zu einem Wahlkampfthema zu machen? Wollen Sie das verantworten, Herr Verteidigungsminister? – Wir nicht! Wir waren jedenfalls etwas alarmiert über diese Debatte heute in den Morgenstunden.

Herr Verteidigungsminister! Aber auch in Ihrer Fraktion ist die Linie nicht so eindeutig. Sie selbst sind in der Sicherheitspolitik klar für die Option NATO, bezüglich des Zeitpunktes gibt es jedoch auch von Ihnen verschiedene Varianten: Zuerst sagten Sie, die Entscheidung müsse unbedingt noch 1997 fallen. Dann wiederum meinten Sie, Österreich hat bereits jetzt massive Nachteile zu


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erleiden, weil noch keine Entscheidung getroffen wurde. Und an anderer Stelle wiederum sagten Sie, es gebe überhaupt keine Eile, wir können auch bis 1999 warten.

Herr Verteidigungsminister! Was stimmt jetzt? Sie haben doch eine Reihe von wissenschaftlichen Instituten in Ihrem Ressort eingerichtet. Was arbeiten diese Leute Ihnen zu? Da müßten doch klare Vorgaben vorhanden sein, aufgrund derer Sie Ihre Entscheidungen treffen könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und da gibt es den Klubobmann Khol, der sich vorhin so aufgeregt hat. Sie, Herr Dr. Khol, waren es doch, der kurz vor der EU-Wahl 1996 hier von diesem Pult aus ein glühendes Bekenntnis zur Neutralität abgelegt hat. Was ist denn das? Ist das eine klare Linie in der Sicherheitspolitik – oder ist das eher eine Wählertäuschung vor den EU-Wahlen gewesen, Herr Klubobmann Khol? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Khol wird das aufklären! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Erst sagte Bundesminister Fasslabend, ein rascher Beitritt sei notwendig, aber vor wenigen Tagen meinten Sie, man könne sich eigentlich Zeit lassen. Wie ist denn das jetzt?

Außenminister Schüssel ist dafür auch verantwortlich. Sie selbst, Herr Verteidigungsminister, haben im Ausschuß gesagt, Sie seien eigentlich gar nicht so sehr verantwortlich für die Sicherheitspolitik, sondern das sei vielmehr der Außenminister, der all diese Abkommen etwa im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" abgeschlossen habe. Aber auch bei Außenminister Schüssel ist keine klare Linie erkennbar. Er hat gesagt, wir werden doch nicht kopfüber in das "NATO-Bassin" springen; die Frage eines NATO-Beitritts stelle sich nicht. – Jetzt aber plötzlich sagt er: Wir sind klar für einen NATO-Beitritt.

Was ist denn in Ihrer Partei eigentlich los, Herr Verteidigungsminister? Wo sind denn die klaren Perspektiven, die notwendig wären, um eine klare Entscheidung zu treffen?

Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Verteidigungsminister, auch den werten Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion: Sicherheitspolitik kann keine Frage der Ideologie oder der Parteipolitik sein! Sicherheitspolitik ist Mittel zum Zweck, und wir brauchen keine rote, keine grüne, keine gelbe oder blaue Sicherheitspolitik, sondern eine, durch die Unabhängigkeit und Freiheit unseres Landes bestmöglich gewährleistet wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da wären Sie als Regierung mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gefordert, endlich diese Optionen dem Parlament vorzulegen, mit der Bevölkerung in eine Debatte über diese Optionen einzutreten und möglichst rasch und klar die Entscheidungen, in welche Richtung es gehen soll, zu treffen.

Da kann man auch ganz objektiv zwei Möglichkeiten feststellen: entweder gemeinsam mit anderen Staaten in einem Bündnis Sicherheit für alle und damit auch für Österreich zu organisieren oder alleine, auf uns gestellt, unsere militärische Landesverteidigung so aufzubauen, daß wir uns selbst gegen jeden möglichen und potentiellen Gegner der Zukunft (Zwischenruf des Abg. Wabl )  – der nicht wahrscheinlich ist, aber auch nicht auszuschließen ist, Kollege Wabl – zur Wehr setzen können. Dazu gäbe es die Möglichkeit der Bündnisfreiheit, wie das etwa Finnland oder auch Schweden zumindest für die nächste Zeit statuieren, und das wäre theoretisch die Neutralität. Vor allem die Sozialdemokraten sagen, die Neutralität habe diese Funktion für Österreich in der Zukunft; man werde daher die Neutralität beachten.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Aber was ist denn die Funktion der immerwährenden Neutralität heute noch? Welche Funktion kann eine ernstgenommene völkerrechtliche Neutralität für einen Staat, der sich mitten in Europa befindet, denn noch haben? Sie können diese Neutralität nicht selbst definieren, denn sie ist ein völkerrechtliches Instrument. Wir haben unser Neutralitätsgesetz auf der Basis der Schweizer Neutralität abgeschlossen, so wie das im Moskauer Memorandum die Sowjetunion von Österreich gefordert hat. Österreich hat ja nicht ganz so freiwillig diese Neutralität gewählt (Abg. Schieder: "Auf der Basis" stimmt nicht!), sondern sie war damals Mittel zum Zweck, Herr Kollege. Ich kann es Ihnen auch vorlesen!


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Kleine Nachhilfe, Kollege Schieder! Moskauer Memorandum vom 15. April 1955: "Im Sinne der von Österreich bereits auf der Konferenz von Berlin im Jahre 1954 abgegeben Erklärungen, keinen militärischen Bündnissen beizutreten" und so weiter, "wird die österreichische Bundesregierung eine Deklaration in einer Form abgeben, die Österreich international dazu verpflichtet, immerwährend eine Neutralität der Art zu üben, wie sie von der Schweiz gehandhabt wurde." (Abg. Schieder: Muster, nicht Basis!)

Herr Kollege Schieder! Verpflichtung der Österreicher im Moskauer Memorandum, auf Druck der Sowjetunion. Neutralität als Mittel zum Zweck, die Unabhängigkeit zu erlangen. Selbstverständlich! Das ist auch der große historische Wert der Neutralität.

Herr Kollege Schieder! Sie wissen ganz genau, daß wir die Bedingungen der Neutralität nach Schweizer Muster, und zwar so, wie sie die Schweiz noch 1954 definiert hat, nämlich als politische Neutralität, als wirtschaftliche Neutralität und als militärische Neutralität, nie eingehalten haben, weil wir sie nicht einhalten wollten. Sie ist 1955 eben nur Mittel zum Zweck, nämlich zur Erlangung der Unabhängigkeit gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Tun Sie heute nicht so, als wäre die Neutralität ein Teil unserer Identität! Das ist erst in den siebziger Jahren so dargestellt worden, und zwar aus parteipolitischen Gründen.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns nie auf die Sicherheitsgarantie der Neutralität verlassen, und sie hätte uns auch keine Sicherheit geben können. Die Durchmarschpläne des Warschauer Paktes durch Österreich im Ernstfall liegen ja heute klar auf dem Tisch. Und es stimmt auch nicht, daß wir uns unter dem Schutzschirm der NATO befunden haben. Die NATO hätte Österreich in einem Ernstfall nicht verteidigt – auch das steht heute fest –, sondern die NATO hätte sich selbst verteidigt, und zwar in Österreich. Die Enns – auch das wissen Sie, Herr Bundesminister – wäre die Hauptkampflinie zwischen NATO und dem Warschauer Pakt gewesen. Großartiges Verdienst Ihrer Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in den letzten vier Jahrzehnten!

Man muß doch zumindest heute anerkennen, daß die Neutralität, auch wenn sie in den letzten 40 Jahren eine wichtige Funktion gehabt hat, auf die Fragen der Zukunft keine Antwort mehr geben kann, sondern daß neue Instrumente zum Tragen kommen müssen. Ich sage noch einmal ganz klar unseren Standpunkt: Wir Freiheitlichen sind für die Integration Österreichs in alle vorhandenen Sicherheitsbündnisse, selbstverständlich auch in jene, in denen wir noch nicht Mitglied sind, wie etwa in der Westeuropäischen Union oder in der NATO, um erstens vollberechtigt und gleichberechtigt am Aufbau dieser Sicherheitsorganisationen teilnehmen und um zweitens dauerhaft die eigene Sicherheit für die Zukunft gewährleisten zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie haben gerade durch das Nichtentscheiden in der Sicherheitspolitik massive Probleme im Bereich der Landesverteidigung, denn von dieser Grundsatzentscheidung ist ja auch die neue Heeresstruktur abhängig. Sie wissen ganz genau, daß das Bundesheer derzeit nicht einsatzfähig ist, daß wir im Bereich der Landesverteidigung große Probleme haben. Wir haben in Österreich zu wenig Grundwehrdiener und veraltetes Gerät, und Sie, Herr Bundesminister, haben in Ihrer Verantwortung als angeblich am längsten dienender Verteidigungsminister Europas ein völlig unzureichendes Budget. In Ihren eigenen Ausarbeitungen, Herr Verteidigungsminister, wird festgehalten, daß wir mit unserem mechanisierten Gerät nicht in der Lage sind, gefechtsmäßig eine Abwehr zu leisten.

Sie schreiben in Ihren eigenen Papieren, Herr Verteidigungsminister, daß die Soldaten, die Grundwehrdiener der mechanisierten Truppe, im Ernstfall eine minimale Überlebenschance haben. Eine minimale Überlebenschance! Doch Sie sagen hier bei jeder parlamentarischen Debatte, es sei alles in Ordnung, es gebe keine Probleme.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten und von der Volkspartei! Wir tragen dafür die Verantwortung als Volksvertreter. Wir haben in Österreich nach wie vor die allgemeine Wehrpflicht. Wir als Volksvertreter haben dafür zu sorgen, daß jene jungen Österreicher, die sich mit dem Eid verpflichten, die Republik mit der Waffe zu verteidigen, auch die Überlebens


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chance haben, die notwendig ist, um diesem Eid gerecht zu werden. Man soll nicht mit Beschönigungen versuchen, das alles zu kaschieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie haben hier keine Konzepte vorgelegt. Sie haben eine Heeresgliederung Neu – 1992 wurde diese verabschiedet – mit einem Finanzbedarf von 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das wurde nicht erreicht! Sie haben das 100 Milliarden-Schilling-Investitionsprogamm nicht einmal in Ansätzen umgesetzt. Von den geforderten 34 000 Grundwehrdienern kann ebenfalls keine Rede sein.

Herr Bundesminister! Jetzt legen sie eine Heeresgliederung Neu-neu vor. Seit der Umsetzung der ersten Heeresgliederung Neu sind zwei Jahre vergangen. Ein halbes Jahr vor der wahrscheinlich nächsten Umgliederung, nämlich nach der Entscheidung in der Sicherheitspolitik, verunsichern Sie wieder sämtliche Soldaten. Sie erzeugen einen Sturm der Entrüstung in allen Bundesländern. Da sind doch auch Ihre Parteigänger, Herr Bundesminister! Die Landtage in Vorarlberg, in Salzburg, in der Steiermark, in Niederösterreich und in Kärnten fassen zum Teil einstimmige Beschlüsse, mit denen sich auch Ihre ÖVP-Kollegen gegen diese Ihre Reform wenden, eine Reform, die jeder vernünftigen Grundlage entbehrt.

Sie haben ja gesagt – zumindest haben Sie es vorgegeben –, warum das so ist. Es hätte sich eine Lageänderung seit 1992 ergeben, sagten Sie. Was war die Lageänderung? – Im Ausschuß haben Sie gesagt, 1992 wären in Deutschland noch russische Truppen gestanden. Aber das waren doch Truppen, die nur mehr den eigenen Abzug organisiert haben, Herr Bundesminister, da kann man doch nicht von einer Lageänderung sprechen. In Wahrheit haben Sie das nötige Geld nicht, um wenigstens einen Notbetrieb für unser Bundesheer aufrechtzuerhalten, und deshalb müssen Sie funktionierende Einheiten abschaffen – und das auch noch mit einem Gesetzesbruch, Herr Bundesminister. Ja, mit einem Gesetzesbruch! Sie haben nämlich mit der Heeresgliederung Neu-neu das Wehrgesetz gebrochen.

Herr Bundesminister! Es steht in Ihrem Erlaß geschrieben – Herr Bundesminister, das ist hier festgehalten, und unterschrieben wurde dieser Erlaß nicht von einem "subalternen Offizier", wie Sie es gesagt haben, sondern vom Generaltruppeninspektor –: Der Bundesminister hat die Entscheidung getroffen, daß ein Korpskommando gestrichen wird, daß nur mehr drei Jägerbrigaden eingesetzt werden und so weiter.

Herr Bundesminister! Sie haben diese Entscheidung getroffen, obwohl Sie vor einer solchen den Landesverteidigungsrat und den Ministerrat befassen hätten müssen. Das haben Sie aber nicht getan! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie haben dann gesagt, das wären nur Planungen gewesen und kein Erlaß. Wenn dem so ist, dann frage ich Sie, Herr Bundesminister: Warum geben Sie dann aufgrund eines Nichterlasses einen weiteren Erlaß heraus, wonach bei all diesen Einheiten, die aufzulösen sind – das steht in diesem Erlaß so drinnen –, keine Personalzuführungen und keine Aufnahmen von Soldaten mehr stattfinden dürfen? Herr Bundesminister, was stimmt jetzt: War der erste Erlaß ein Erlaß – dann haben Sie uns hier die Unwahrheit gesagt und dann haben Sie das Wehrgesetz gebrochen –, oder war es kein Erlaß, sondern nur eine Planungsgrundlage – dann war zumindest der zweite Erlaß rechtswidrig. Auch darüber sollten Sie uns heute eine klare Auskunft geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel dafür, wie man unsere Grundwehrdiener in den Einsatz schickt. Man hat zwar Splitterschutzwesten angeschafft, aber nur in geringer Anzahl, aber für die Masse unserer Soldaten ist das der "Splitterschutz", meine Damen und Herren (der Redner entnimmt der zum Rednerpult mitgenommenen Feldtasche eine Feldbluse und hält diese in die Höhe) : ein Hemd aus Baumwolle – oder nicht einmal aus Baumwolle! (Abg. Haigermoser: Das ist für einen Muli und nicht für einen Soldaten!) Für die Masse der Grundwehrdiener ist das das Traggeschirr (der Redner zeigt ein Traggerüst vor), ist das die Kampfweste, mit Hilfe welcher sie 30 Kilogramm Gepäck tragen müssen! (Abg. Haigermoser: Hosenträger! Das ist eine Bauchbinde!) Und für die Masse der Soldaten im Einsatz ist diese Regenpelerine (der


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Redner hält einen Regenschutz in die Höhe) der "Schutz" gegen atomare und chemische Kampfmittel, Herr Bundesminister!

Das ist wirklich ein Skandal! Das Bundesheer pfeift aus allen Löchern, aber Sie fahren in der Weltgeschichte herum und machen Spielereien mit irgendwelchen Ostgruppierungen und Brigaden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Zum Schluß kommend: Sie wissen ganz genau, daß für uns die Landesverteidigung ein ganz wichtiges Anliegen ist, daß für uns das Bundesheer eine eminent wichtige Einrichtung darstellt. Sie werden in uns immer einen Verbündeten finden, wenn Sie für die Landesverteidigung und für die Sicherheitspolitik einen echten Fortschritt organisieren, wenn Sie das – wenn auch manchmal mit unpopulären Maßnahmen – positiv organisieren. Aber Sie werden in uns einen vehementen Gegner finden, wenn Sie nach wie vor aus eigenem Interesse, aus parteipolitischem Interesse, die Ideen der Landesverteidigung verraten und unsere Grundwehrdiener in einen Einsatz schicken, den sie aufgrund Ihrer eigenen Maßnahmen nicht überleben können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es geht um die Glaubwürdigkeit unserer Landesverteidigung, es geht um die Einsatzbereitschaft unseres Bundesheeres, und es geht letztlich um die Sicherheit Österreichs in Zukunft und auch um die Sicherheit künftiger Generationen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Da besteht Handlungsbedarf, und wir werden Sie, solange Sie dieses Ressort führen, dazu zwingen, daß Sie diesem Handlungsbedarf auch entsprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt der Herr Bundesminister zu Wort. Ich erteile es ihm.

15.20

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich, bevor ich zur Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen komme, einige grundsätzliche Bemerkungen zu den Ausführungen des Herr Abgeordneten Scheibner machen.

Ich schätze durchaus Ihre Einstellung, die jetzt zum Ausdruck gekommen ist und die Sie als Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses auch immer wieder zum Ausdruck bringen, und ich gebe ohne weiteres zu, daß ich mit einer Reihe von Feststellungen, die Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage getroffen haben, einverstanden bin. (Abg. Wabl: Sehr interessant! Kleine Koalition!) Allerdings gibt es auch einiges, muß ich sagen, wo die Meinungen einigermaßen auseinandergehen. Auf einige Ihrer Fragen habe ich Ihnen schon fünfmal eine Antwort gegeben, und zwar nicht irgendwo, sondern in parlamentarischen Gremien, sei es im Hauptausschuß oder im Landesverteidigungsausschuß oder im Rechnungshofausschuß, aber Sie stellen immer wieder dieselbe Frage und tun so, als hätte ich Ihnen die Antwort darauf nie gegeben. (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Antwort stimmt nicht! – Abg. Dr. Ofner: Weil das Plenum ein Recht darauf hat, es zu hören!) Ich glaube, das sollte man im Sinne einer redlichen Auseinandersetzung im parlamentarischen Betrieb auch einmal zur Kenntnis nehmen und einsehen, daß eine Antwort, die dreimal gegeben wurde, auch entsprechend berücksichtigt werden muß.

Nun zu den von Ihnen gestellten Fragen; ich werde sie einzeln beantworten. Ich nehme an, Herr Abgeordneter Jung wird wieder mitschreiben, Wort für Wort. Ich hoffe, er tut dies wirklich exakt, sodaß die Antworten dann auch entsprechend vorliegen. (Abg. Dr. Khol: Und seinem Dienstgeber berichten!) Es ist eine gute Idee, wenn er das macht. (Heiterkeit.) Ich hoffe, daß er genügend Zeit hat, das auch tatsächlich zu tun. ( Abg. Dr. Haider: Ist eh ein Schwarzer, sein Dienstgeber! – Abg. Dr. Khol  – in Richtung des Abgeordneten Dr. Haider –: Du verstehst meinen Witz nicht!)

Die erste Frage, die Sie stellen, lautet: Hat Österreich vor, im Rahmen der erweiterten GASP auch die Durchführung der sogenannten "Petersberger Aufgaben" durch die WEU zu unterstützen?


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Die Antwort darauf ist: Ja. – Es ist allerdings gleichzeitig festzuhalten, daß der Vertrag von Amsterdam im Artikel J. 7 Ziffer 1 vorsieht, daß ein Beschluß im Zusammenhang mit den in Ziffer 2 näher beschriebenen Krisenmanagementaufgaben, den sogenannten Petersberger Aufgaben, durch den Europäischen Rat erfolgt, und dieser empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen solchen Beschluß gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften anzunehmen. Auch die einschlägigen Bestimmungen der WEU, die beim WEU-Ministerrat in Erfurt am 18. November verabschiedet wurden, sehen vor, daß es keine zwangsweise automatische Teilnahme an solchen Operationen gibt. Jedes EU-Mitglied hat aufgrund seiner nationalen und souveränen Entscheidung festzustellen, ob es sich an einer konkreten Operation beteiligt oder nicht, und hat das anhand der konkreten Situation, das heißt des vorliegenden Falles, auch entsprechend festzustellen.

Die nächste Frage, die Sie gestellt haben, lautet: Ist der Beitritt zur WEU aus faktischer Sicht möglich, ohne gleichzeitig Mitglied der NATO zu werden?

Da gehen die Meinungen auseinander. Die überwiegende Mehrheit meint allerdings, daß es faktisch nicht möglich ist, zu differenzieren, das heißt, daß es nicht möglich ist, der WEU beizutreten, ohne gleichzeitig der NATO beizutreten. Wie gesagt, die Meinungen gehen in dieser Frage auseinander: Frankreich vertritt den Standpunkt, es wäre sehr wohl möglich. (Abg. Mag. Stadler: Die ÖVP hat auch lange diesen Standpunkt vertreten!) Inoffiziellen Gesprächen – das muß man dazusagen –, also nichtoffiziellen Stellungnahmen der meisten anderen EU-Staaten kann man aber entnehmen, daß das insoferne wahrscheinlich kaum Aussicht auf Berücksichtigung hat, als einerseits die WEU selbst ja nicht beabsichtigt, eine zweite Infrastruktur für Europa aufzubauen, sondern vorsieht, sich im Krisenfall der Infrastruktur der NATO zu bedienen, die WEU selbst auch die Funktion eines Scharniers zwischen der Europäischen Union und der NATO ausübt und auf der anderen Seite auch die NATO ja bereit ist und in ihren Berliner Beschlüssen aus dem Vorjahr festgestellt hat, daß sie sich selbst als die Organisation ansieht, in der sich die europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität herausbilden soll, sodaß eigentlich die überwiegende Anzahl der Mitgliedsländer davon ausgeht, daß eine Vollmitgliedschaft parallel erfolgen sollte.

Die nächste Frage, die Sie gestellt haben, lautet, ob meiner Ansicht nach Österreich so rasch wie möglich NATO-Mitglied werden soll.

Ich habe mich dazu bekannt, daß ich das, was in der Regierungserklärung und im Regierungsübereinkommen festgelegt worden ist, nämlich daß Bundeskanzler, Außenminister und Verteidigungsminister spätestens im ersten Quartal des nächsten Jahres einen sogenannten Optionenbericht abgeben werden, auch was den Zeitplan betrifft, selbstverständlich mittrage. Ich habe andererseits nie einen Zweifel darüber gelassen, daß ich der Meinung bin, daß es dann zu einer klaren Weichenstellung kommen soll. Mit dem Zeitplan und mit einer derartigen Vorgangsweise wäre ich voll einverstanden.

Ihre nächste Frage lautet: Welche Nachteile ergeben sich daraus, daß Österreich bisher nicht der NATO als Mitglied beigetreten ist?

Dazu muß ich sagen: Eine Beantwortung, die für die gesamte Regierung tatsächlich aussagekräftig ist, ist sicherlich erst bei Vorliegen des Optionenberichtes zu erwarten, nämlich dann, wenn es da abgestimmte Meinungen gibt. Aus meiner Sicht kann ich sagen, daß man, solange man nicht Mitglied ist, eben keine Möglichkeit hat, mitzureden; das habe ich heute bereits angesprochen. Das heißt, daß wichtige sicherheitspolitische Entscheidungen ohne unsere Einflußnahme fallen. Das ist wahrscheinlich gravierend für die Frage, wann eine derartige Entscheidung erfolgen sollte. Wir müssen davon ausgehen, daß wichtige sicherheitspolitische Weichenstellungen in Europa in den nächsten Jahren erfolgen werden, wie etwa am Balkan, aber auch im Verhältnis zwischen Westeuropa und Rußland oder der Ukraine.

Insofern ist die Frage, wann eine derartige Entscheidung erfolgen sollte, nicht gleichgültig. Man kann nicht davon ausgehen, daß sie irgendwann erfolgen sollte, sondern man muß bedenken, daß natürlich auch die eigenen Entscheidungen durch Entscheidungen anderer präjudiziert wer


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den; auch das habe ich bereits zum Ausdruck gebracht. Das heißt, die Frage, wo man disloziert ist, etwa in der NATO selbst, oder inwieweit man der Organisation Nord oder Süd dann angehört, ist ja keine Frage, die isoliert entschieden wird, sondern eine Frage, die im wesentlichen auch durch andere mitbestimmt wird.

Ich glaube, daß Österreich zweifellos am sicherheitspolitischen Geschehen – voll verantwortlich und auch mit allen Möglichkeiten ausgestattet – teilnehmen sollte. Ich versuche, das in der Weise zu erklären, daß man davon ausgehen muß, daß zweifellos vieles von dem, was wir in der Vergangenheit aufgrund unserer Neutralitätspolitik in Vermittlungsdiensten leisten konnten, in Zukunft nur mehr dann möglich ist, wenn wir in die einzelnen Gremien integriert sind, wenn wir am gleichen Tisch mit Russen und Amerikanern, mit Deutschen und Franzosen, mit Tschechen, Polen, Ungarn und Italienern sitzen. Das ist für mich eigentlich das Wesentliche. Ich glaube, wir sollten diese erfolgreiche Politik fortsetzen. Die Frage, wann und in welcher Organisationsform das geschehen soll, wird, hoffe ich, im Optionenbericht klar zum Ausdruck kommen.

Ihre nächste Frage lautet, ob die Mitgliedschaft in der NATO als sicherheitspolitische Option von den Vertretern des BMLV in der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Erarbeitung des sogenannten Optionenberichts vorgebracht und erläutert wurde.

Meine Damen und Herren! Die Gespräche darüber sind nicht abgeschlossen. Meines Wissens ist der Analyseteil im wesentlichen von den Grundzügen her fertig. Ich kann über die Detailarbeit jetzt noch nichts sagen. Meine Mitarbeiter haben keine bestimmten Weisungen zu befolgen, sondern sie entscheiden selbstverständlich aufgrund ihrer eigenen, persönlichen Beurteilung. Sie sind ja als Experten dort. Die politische Beurteilung wird ja von den einzelnen Ministern und Ministerien im Anschluß daran festgelegt werden.

Zur Frage 6: Welche Vorteile hat die Teilnahme an der sogenannten "PfP-plus" gegenüber einer NATO-Vollmitgliedschaft für Österreich, und wird Österreich jedenfalls an der sogenannten "PfP-plus" teilnehmen?

Die Frage der "enhanced partnership" ist zweifellos eine, die sich bereits gestellt hat, weil sie durch die Beschlüsse der NATO in den letzten Monaten bereits in Gang gesetzt wurde. Welche Vorteile, welche Nachteile und welche Differenzierungen sich daraus etwa im Vergleich zur Mitgliedschaft ergeben, ist sicherlich ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Optionenberichtes. Der wesentliche Unterschied ist sicherlich der des Mitbestimmungsrechtes beziehungsweise auf der anderen Seite eben der Rechte und der Pflichten, die – im Vergleich zu jenen bei einer losen Einbindung in eine Partnerschaft – aus einer Vollmitgliedschaft entstehen. Das ist sicherlich der wesentliche Punkt.

Ich habe persönlich auch in diesem Zusammenhang nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich davon ausgehe, daß die Zugehörigkeit zu einer Sicherheitsorganisation wie der NATO oder der WEU zweifellos ein Maximum an Sicherheit darstellt und daß es zweifelsohne auch insgesamt und auf Dauer gesehen kostengünstiger ist, wenn man nicht die gesamte Verteidigung alleine organisiert, sondern wenn man sie gemeinsam mit anderen Staaten organisiert. Ich habe auch nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich es angesichts unserer geographischen und geostrategischen Situation in der Nähe des Balkans für wichtig halte, daß wir die Möglichkeit bekommen, mitzureden, statt daß wir möglicherweise eines Tages zu den Ungarn, den Slowenen oder den Tschechen gehen müssen, um unsere Anliegen vorzubringen und sie in den Gremien dann vielleicht durchgesetzt zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ihre 7. Frage lautet: Beinhaltet diese auch Kampfeinsätze zur Herstellung des Friedens auch gegen den Willen einer Streitpartei?

Dazu muß man sagen, daß eine Bewertung, inwieweit daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen sind, zweifelsohne auch erst nach Vorliegen und Abwägung aller Umstände erfolgen sollte. Das gilt insgesamt für die Haltung der Regierung.

Vom Standpunkt der Landesverteidigung aus und wenn ich versuche, diese Frage direkt zu beantworten, kann ich mit einem Ja antworten. Diese Tatsache hat aber für Österreich insofern


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keine Auswirkungen, als nach dem Grundsatz der Selbstdifferenzierung jedes einzelne Ziel zur operationellen Zusammenarbeit, jedes Operationsziel ausverhandelt wird.

Österreich hat für den Fall der Verteidigung, was an sich völlig normale und in Österreich wie in jedem anderen Land selbstverständliche militärische Handlungen betrifft, in seinem innerhalb der Bundesregierung abgestimmten Planungs- und Überprüfungsdokument einen diesbezüglichen politischen Vorbehalt angebracht, wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe. Dieser Vorbehalt wurde von der NATO nicht nur anstandslos akzeptiert, sondern einfach zur Kenntnis genommen, weil es ja keine Überprüfung dieser Einsatzarten durch die NATO gibt. Sollte sich die Bundesregierung dazu entschließen, daß Österreich künftig an allen Formen derartiger Einsätze teilnimmt, dann wird es hier eben eine entsprechende Anpassung geben.

Die Frage 8, die lautet: Wie definiert Ihr Ressort den Terminus "Friedenssicherung" aus dem KSE-BVG?, möchte ich wie folgt beantworten:

In Übereinstimmung mit dem Bericht des Verfassungsausschusses zum KSE-BVG sind Maßnahmen der Friedenssicherung nach § 1 Z 1 lit. a KSE-BVG darauf ausgerichtet, zur Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit im Einklang mit der Satzung der Vereinten Nationen beizutragen.

Die Frage 9 bezieht sich darauf, ob Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung im Sinne der "PfP-plus" und der "Petersberger Aufgaben" durch diesen Terminus des KSE-BVG abgedeckt sind.

Die Antwort darauf lautet: Eine Umsetzung des Amsterdamer Vertrages wird zurzeit in der Bundesregierung noch diskutiert. Der Diskussionsprozeß ist noch nicht abgeschlossen, ich bin aber davon überzeugt, daß das in Kürze der Fall sein wird. Dann kann man hier auch ganz konkret auf alle sich diesbezüglich stellenden Fragen eingehen. Insgesamt kann man der Einfachheit halber sagen, daß durch die "Petersberger Aufgaben" all das, was aufgrund unserer völkerrechtlichen Position möglich und erlaubt ist, keine Probleme bereitet. Inwieweit da auch Zwischenbereiche möglich sein könnten, ist eben, wie gesagt, noch eine Frage der Diskussion.

Die Frage 10 bezieht sich darauf, ob das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs durch obige Ratifikationen materiell derogiert wird.

Dazu möchte ich sagen – wie gerade vorhin ausgeführt –, daß einzelne Fragen, wie etwa die, ob es in diesem Zusammenhang aufgrund des Amsterdamer Vertrags und der "PfP-plus" zu Derogationen kommen könnte, innerhalb der Bundesregierung noch nicht endgültig ausdiskutiert sind. Das, was für mich wesentlich ist, ist eine vom Verfassungsausschuß dieses Hauses beziehungsweise von der Bundesregierung formulierte Definition unserer Neutralität nach dem Ende des Kalten Krieges.

Ich möchte sie wörtlich zitieren, um keine Zweifel darüber bestehen zu lassen: "Diese Verfassungsbestimmung" – Artikel 23f – "ermöglicht es Österreich, sich an Beschlüssen im Rahmen der GASP über Sanktionen gegen Drittstaaten zu beteiligen, wobei als wichtigster davon erfaßter Beispielsfall Wirtschaftssanktionen genannt sind. Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß die Teilnahme Österreichs an Maßnahme, die auf Kapitel 7 der Satzung der Vereinten Nationen beruhen, selbstverständlich auch weiterhin zulässig ist. Dabei ist davon auszugehen, daß zwischen der Verpflichtung eines EU-Mitgliedstaates auf der Basis des Titels V des Vertrags über die Europäische Union und den Kernelementen der Neutralität kein Widerspruch besteht. Durch seinen Beitritt zur Europäischen Union wird Österreich weder zur Teilnahme an Kriegen verpflichtet, noch muß es Militärbündnissen beitreten oder der Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete zustimmen. Daher bleibt dieser Kernbestand der Neutralität Österreichs unberührt."

Das heißt, es gibt eine auch von diesem Haus akzeptierte Fassung, was darunter zu verstehen ist. Ich möchte, weil eben immer wieder Fragen diesbezüglich auftreten, das damit auch ganz klar zum Ausdruck bringen.


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Die Frage 11 bezieht sich darauf, ob es absolute Pflichten der dauernd Neutralen gemäß den Bestimmungen des Kriegsvölkerrechtes gibt. – Darauf ist ein klares Ja zu sagen, und zwar entsprechend den Bestimmungen der Haager Konvention aus dem Jahre 1907, und zwar ganz konkret Punkt 5 und Punkt 13 dieser Konvention.

Die Frage 12: Welchen Rechtscharakter hat das Übereinkommen mit der NATO vom 10. Feber 1995?, ist wie folgt zu beantworten:

Die österreichische Teilnahme an der "Partnerschaft für den Frieden" wurde mit der formellen Annahme der Einladung hiezu und des diesbezüglichen Rahmendokumentes begründet. Die Annahmeerklärung stellt keinen Staatsvertrag im Sinne der Artikel 50 und 65 B-VG dar, da die Annahme der Einladung keine völkerrechtlichen Verpflichtungen begründet und das damit angenommene Rahmendokument den Charakter einer mehrseitigen politischen Absichtserklärung aufweist. Mit dem als Staatsvertrag unterzeichneten "PfP-SOFA" soll der Rechtsstatus von Angehörigen fremder Streitkräfte in Österreich sowie von österreichischen Soldaten im Ausland geregelt werden.

Sie stellen immer wieder die Frage, inwieweit aufgrund einer politischen Absichtserklärung auch quasi völkerrechtliche Verträge entstehen können. Dazu ist ganz eindeutig zu sagen, daß es sich aus der Konsequenz des Handelns heraus als durchaus nützlich erweisen kann, daß man bestimmte konkrete Regelungen auch per Gesetzesbeschluß trifft, welche man im Sinne des "PfP-SOFA" ja auch einer Ratifikation durch das Parlament unterziehen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Aber dann haben Sie ja keine Rechtsgrundlage, Herr Minister! Sie erwecken in der Öffentlichkeit den Eindruck, daß Sie eine Rechtsgrundlage haben! Das müssen Sie dem Kollegen Gaál klarmachen!)

Die Frage 13, aufgrund welcher verfassungsrechtlichen Regelung fremde Soldaten in Österreich üben dürfen, könnte man genausogut mit einer Gegenfrage beantworten: Aufgrund welcher verfassungsrechtlichen Regelung dürfen sie sich nicht in Österreich aufhalten? Man könnte auch sagen: Es bedarf keiner ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Regelung! Selbstverständlich sind einfachgesetzliche Regelungen notwendig, und diese werden in jedem einzelnen Fall – was den Aufenthalt, die Tätigkeit, das Mitführen von Waffen et cetera betrifft – immer wieder Gegenstand der diesbezüglichen Schritte sein, die im Genehmigungsverfahren eingeleitet und durchgeführt werden.

Frage 14 lautet: Welche Kosten entstehen für Österreich durch die Teilnahme an Maßnahmen der "PfP" und "im Sinne der PfP", und welche Kostenschätzungen haben Sie für die Teilnahme an Maßnahmen der "PfP-plus"?

Dazu ist zu sagen, daß die Aufwendungen derzeit etwa 8,5 Millionen Schilling betragen und sich im nächsten Jahren auf etwa 11 Millionen Schilling belaufen werden. In dieser Aufstellung sind die Kosten anderer Ministerien, wie zum Beispiel des Bundesministeriums für Inneres, nicht enthalten.

Die Frage 15: Welche Kosten würden voraussichtlich im Falle eines Beitritts zur NATO für Österreich entstehen?, ist dahin gehend zu beantworten, daß eine konkrete Nennung der Kosten zweifellos erst aufgrund von Verhandlungen erfolgen kann. Das hat das Beispiel der neuen Beitrittsländer – Polen, Tschechien und Ungarn – sehr deutlich gezeigt. Die Erfahrungswerte gehen allerdings davon aus, daß wir damit rechnen müssen, daß Beitrittskosten in der Größenordnung von 2 bis 3 Prozent unseres derzeitigen Verteidigungsbudgets entstehen würden.

Frage 16 lautet: Welchen Finanzbedarf hat das österreichische Bundesheer für die nächsten zehn Jahre zur Erfüllung der im langfristigen Investitionsprogramm vorgesehenen Beschaffungen? Ist dieser Finanzbedarf von einer Entscheidung über einen NATO-Beitritt abhängig?

Dazu ist zu sagen, daß eine solche Frage natürlich immer davon abhängig ist, welche Projekte zu welchem Zeitpunkt durchgeführt werden, und auch, wenn es etwa um die Beschaffung von Abfangjägern geht, ob es gebrauchte oder neue Geräte sein sollen, welche Type gekauft


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werden soll und so weiter, sodaß es derzeit relativ schwierig ist, auch weil es dabei um das wichtigste und umfassendste Beschaffungsprojekt geht, eine Konkretisierung vorzunehmen.

Jedenfalls kann man aber davon ausgehen, daß der Invesitionsbedarf des Bundesheeres nicht von einem Beitritt zur NATO abhängig ist, sondern im Gegenteil: Wir erwarten, daß durch den Beitritt und die gemeinsame Organisation der Verteidigung in bestimmten Bereichen sogar Kosteneinsparungen erzielt werden können, etwa bei der Luftraumüberwachung im Rahmen des Radarsystems, weil man sich dabei eben auch auf Bodenstationen in Nachbarländern stützen kann, oder auch bei der Bevorratung in bestimmten Bereichen.

Vielleicht kann man auch die Anzahl der Kampfflugzeuge modifizieren. Dabei muß man auch differenzieren zwischen dem Fall einer Vollmitgliedschaft und einer Situation, in der das nicht der Fall ist. Ich habe dafür bereits Zahlen genannt. Man müßte davon ausgehen, daß wir allein eine Größenordnung von 30 bis 36 benötigen. Ich kann mir vorstellen, daß wir auf eine Größenordnung von 18 bis maximal 24 hinuntergehen, wenn wir Mitglied sind.

Das heißt, es gibt durchaus mehrere Überlegungen, die dabei anzustellen sind. Jedenfalls ergibt sich daraus, daß sich im Falle einer gemeinsamen Organisation auf Sicht gesehen die Verteidigung zweifellos kostengünstiger darstellt.

Die nächste Frage lautet: Warum haben Sie eine Umgliederung des Heeres vor Feststehen des Ergebnisses des Optionenberichtes vorgesehen? 

Weil erstens die Umgliederung, die jetzt vorgesehen ist, ein Ergebnis des Situationsberichtes 1996 ist, wie Ihnen bekannt ist, in dem auch darauf bereits Bezug genommen wurde, und weil zweitens nach der Diskussion dieses Situationsberichtes im Hohen Haus – im Nationalrat wie auch im Bundesrat – entsprechend darauf reagiert wurde, was durch den Optionenbericht nicht beeinflußt wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer macht den Redner auf das Überspringen der Frage 17 aufmerksam.)

Frage 17: Können diese Beschaffungen mit dem derzeitigen Budgetanteil am BIP (0,85 Prozent) erfolgen?

Das ist zweifellos eine Fragestellung, die von wesentlicher Bedeutung ist, weil wir einen Nachholbedarf haben und weil wir uns zweifellos auch an einer unteren Grenze der Ausgaben befinden, und zwar nicht erst seit kurzem, sondern schon seit Beginn dieses Bundesheeres. Ich muß dazusagen, daß es nur dank des Geschicks der Mitarbeiter der Landesverteidigung gelungen ist, hier entsprechende Schritte zu setzen.

Es ist zweifellos richtig, daß es in Zukunft einen gewissen Aufholbedarf gibt, der entsprechend zu berücksichtigen ist, aber von konkreten Angebotsstellungen abhängig ist. Das möchte ich dazu sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Antworten bitte! – Abg. Dr. Schmidt: Antworten! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wabl.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich kann Ihnen mitteilen, daß wir zum Beispiel den Raketenpanzer JAGUAR fast ohne Aufwand bekommen haben. (Abg. Wabl: Geschenkt!) Auch den Kampfpanzer haben wir zu einem außerordentlich niedrigen Preis eingekauft, weil wir die Möglichkeit hatten, ihn sehr kostengünstig von der niederländischen Armee zu erwerben. (Abg. Dr. Schmidt und Abg. Scheibner: Antworten!) Derartige Angebote gibt es nicht im Katalog, und derartige Angebote sind auch nicht von vornherein für ein bestimmtes Jahr abzuschätzen. Insoferne kann der genaue Betrag, der dafür erforderlich ist, auch nicht über Jahre im voraus mit Sicherheit genannt werden. (Abg. Wabl: Ungefähre Schätzungen! Nicht genau! – Abg. Dr. Haider: Bei Punkt 17 ist noch eine Frage offen!)

Die Frage 19 bezieht sich darauf, wie ich mich für eine Umgliederung des ÖBH entscheiden und diese von einem angeblich "subalternen Offizier" anordnen lassen konnte, obwohl keine dafür gesetzlich vorgeschriebene Anhörung des LV-Rates erfolgt ist und die Bundesregierung keine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat.


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Ich sage es hier in diesem Hause noch einmal und unmißverständlich: Ich habe meinen Mitarbeitern den Planungsauftrag gegeben, aufgrund einer Ausarbeitung der Generalstabsgruppe A einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten, der selbstverständlich nicht nur politisch zu diskutieren ist, sondern der auch so vorbereitet werden muß, daß er auf der Grundlage von Gesprächen mit dem Regierungspartner beziehungsweise auch mit den Oppositionsparteien in weiterer Folge die Basis für einen Vortrag an den Landesverteidigungsrat sein kann. Das ist das wesentliche. (Abg. Scheibner: Was ist mit dem zweiten Erlaß, Herr Minister?!)

Zum zweiten Erlaß kann ich Ihnen sofort sagen: Selbstverständlich ist es in einer solchen Situation, wenn man Veränderungen vorhat, notwendig, auch vorsorgliche Maßnahmen zu treffen. Ich kann Ihnen sagen, daß ich haargenau das gleiche schon Monate vorher für die Zentralstelle, für das Ministerium gemacht habe, wo es keine Zuversetzung et cetera geben soll, um nicht in eine Situation zu geraten, in der man einfach ein Personalkorsett vorfindet und in der es dann viel schwieriger ist, Veränderungen vorzunehmen. (Abg. Wabl: Bitte um eine Antwort! Das ist das Instrument der Anfrage! – Abg. Dr. Schwimmer: Weil es der Wabl nicht versteht!)

Das gleiche gilt für alle oberen Kommanden, und genau das kommt damit zum Ausdruck. Wissen Sie: Unsere Mitarbeiter sind darauf vorbereitet, daß diese Maßnahmen, die jetzt diskutiert werden, im Landesverteidigungsrat verabschiedet werden und daß dann die entsprechende Durchsetzung erfolgt. (Abg. Dr. Schmidt: Beantworten Sie die Frage!) Aber eine entsprechende Beschlußfassung im Landesverteidigungsrat und eine entsprechende Durchsetzung kann ja nur anhand eines konkreten Vorschlages erfolgen. Es ist die Aufgabe unserer Generalstabsgruppen und der Korpskommanden, diesen Vorschlag zu erstellen, und das ist erfolgt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Dr. Schmidt. )

Sie können gerne dazu Stellung nehmen, Frau Abgeordnete, ich kann dann gerne noch einmal darauf eingehen.

Ich möchte betonen, es ist nicht die erste Heeresumgliederung, die ich durchführe, sondern bereits die zweite, und ich habe es auch beim ersten Mal genauso gehalten wie diesmal: Man muß zuerst vorsorgliche Maßnahmen treffen, um aufgrund dieser vorbereitenden Maßnahmen die Möglichkeit zu haben, umzuorganisieren und auch mit einem konkreten Vorschlag in politische Gespräche zu gehen. Aufgrund welcher Vorschläge sollte man es denn sonst machen? Sollen wir in einem Planungsgespräch auf politischer Ebene überhaupt erst zu diskutieren beginnen?

Ich betone: Es gibt dazu sehr klare Vorstellungen, und diese sind auch zum Ausdruck gekommen. Ich habe das den Wehrsprechern aller Fraktionen auch entsprechend mitgeteilt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Wie heißt denn dieser "subalterne Offizier"? Das wäre doch interessant! Bitte buchstabieren!)

Die Frage 21 lautet: Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zeitleiste für das weitere Verfahren zur Beschlußfassung einer allfälligen Umgliederung des Heeres aus?

Wir werden in den nächsten Tagen die begonnenen Gespräche mit dem Regierungspartner fortsetzen. Sobald sie abgeschlossen sind, werden wir die anderen parlamentarischen Parteien damit befassen und das Ergebnis dieser Gespräche in den Landesverteidigungsrat bringen. Aufgrund der Beratungen des Landesverteidigungsrates werden wir einen Ministerratsvortrag erstellen, der vom Ministerrat zu beschließen ist und in der Folge von den entsprechenden Stellen des Bundesheeres umgesetzt werden wird, so wie bisher immer.

Es ist das absolut nichts Neues, sondern fast eine Routineangelegenheit, darf ich Ihnen sagen, und daran wird auch all das, was jetzt vorgebracht wird, in keiner Weise auch nur einen Funken verändern können. (Abg. Dr. Schmidt: Sie haben die Frage noch nicht beantwortet!)

Zur Frage 22:

Es ist so, daß eine Generalstabsabteilung selbstverständlich in mehreren Varianten denkt beziehungsweise mehrere Varianten andiskutiert. Wir haben jene Variante, die aufgrund eines


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Diskussionsprozesses letztlich vorgenommen wurde, dann auch als Grundlage für den Planungsprozeß genommen.

Was sonst noch an Überlegungen im Raum gestanden ist – ob man mit nur einem Korps auskommen könnte, ob die Funktion der Militärkommanden verändert werden sollte, ob man eine andere Brigadegliederung machen sollte et cetera –, ist selbstverständlich zur Diskussion gestanden, und ich bin gerne bereit, darüber auch im Landesverteidigungsrat näher zu referieren und zu begründen, warum diese eine und nicht eine andere Variante letztendlich herangezogen wurde.

Ich glaube, diese Frage sollte tatsächlich dem Landesverteidigungsrat zugeführt und nicht während eines noch vor sich gehenden Planungsprozesses bereits im Plenum diskutiert werden. Ich bitte um entsprechendes Verständnis dafür.

Zur Frage 23:

Ich habe diesbezüglich für die Betriebskosten eine Größenordnung von zirka 100 Millionen Schilling genannt, wenn tatsächlich entsprechende Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden können, wovon ich auch ausgehe. Es ist zweifelsohne eine Notwendigkeit, bei den Betriebskosten zu sparen, bei den Betriebskosten zu rationalisieren. Ich habe von allem Anfang an nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich als einer, der aus der Privatwirtschaft kommt, größten Wert darauf lege, daß wir gerade in diesem Bereich Sparmaßnahmen durchführen.

Ich halte es auch für eine absolute Notwendigkeit, die Organisation alle drei bis fünf Jahre zu überprüfen, um sie auf eine möglichst hohe Effizienz zu bringen, weil nur dann auch gewährleistet ist, daß das Geld des Steuerzahlers bestmöglich verwendet wird und daß man aus den vorhandenen, zweifellos nicht übergroßen Mitteln für die Landesverteidigung zumindest ein Maximum an Sicherheit herausholen kann.

Ich kann dazu nur sagen: Bis jetzt ist dieser Weg durchaus geglückt, eben weil wir in den letzten Jahren ganz konkrete Anschaffungen durchziehen konnten, sei es die Verstärkung im Artilleriebereich, sei es die Beschaffung bei den Lenkwaffen – Boden-Boden, Luft-Boden und Luft-Luft – oder sei es der Ankauf des neuen Kampfpanzers, des Raketenpanzers oder auch des PANDUR, auch wenn es nur 68 Stück sind und wir zweifellos noch etliches zuzusetzen haben.

Es ist in diesen letzten Jahren ganz Entscheidendes weitergegangen, weil wir eisern sparen, und diesen Kurs werden wir auch mit aller Konsequenz fortsetzen. Selbstverständlich werden wir den Sparkurs der Bundesregierung mitzutragen haben, kein Ressort kann sich einer derartigen Vorgangsweise entschlagen. Wir werden aber trotz Sparmaßnahmen dafür sorgen, daß zumindest kleine Investitionen getätigt und Fortschritte erreicht werden, damit der Aufholbedarf, der aufgrund einer relativ geringen Budgetdotierung seit 1955 zweifellos vorhanden ist, in der Zukunft systematisch wettgemacht werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 24:

Dazu ist zu sagen, daß die 9. Panzergrenadierbrigade ja nicht aufgelöst werden soll, sondern die Führungsaufgabe von drei Kommanden auf zwei Kommanden übergehen soll, bei gleicher Anzahl der Kampfbataillone. Selbstverständlich soll das bewährte Kommando der 9. Panzergrenadierbrigade nicht aufgelöst werden, sondern dieses wird, wie Ihnen bekannt ist, die Grundlage für ein neues Kommando Auslandseinsätze werden (Abg. Scheibner – eine Broschüre in die Höhe haltend –: Für dieses Konzept!), weil es notwendig ist, in diesem Bereich tatsächlich Kapazität zu schaffen. (Abg. Dr. Schmidt: Frage!) Dort muß ja mit höchster Qualität gearbeitet werden, und es soll auch die Möglichkeit geben, bei einer Neuorganisation der Zusammenarbeit mit den Ungarn, mit den Tschechen, mit den Slowenen entsprechende Kapazität zu haben. (Abg. Scheibner – auf die Broschüre deutend –: Das wollen Sie umsetzen! – Abg. Dr. Schmidt: Frage beantworten!) Da gibt es gar keine Besonderheiten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wichtig ist, daß wir die Führungskapazität, die wir dort haben, für allfällige Einsätze und für zukunftsträchtige Vorhaben entsprechend einsetzen können, um ein Höchstmaß an Effizienz zu erzielen.

Was das III. Korps betrifft, so kann ich sagen, daß selbstverständlich gleichzeitig mit den anderen Korps auch das III. Korps in die Beratungen miteinbezogen wurde und selbstverständlich seine Vorschläge und Anregungen mitberücksichtigt werden. Das Kommando des III. Korps hat sogar einen Spezialauftrag bekommen, nämlich die Planung durchzuführen für eine möglichst effiziente Überleitung dieser drei Kommanden der Panzergrenadierbrigaden, die bis jetzt jeweils zwei Bataillone geführt haben, auf zwei Kommanden, die jeweils drei Bataillone führen, was auch dem internationalen Standard entspricht.

Das, was wir tun, sind Anpassungsmaßnahmen an den internationalen Standard, um vorhandene Kapazitäten möglichst gut zu nutzen. An dieser Vorgangsweise führt kein Weg vorbei, wenn wir nicht eine versteinerte Struktur haben wollen, die hinsichtlich der Mittel und der Struktur teilweise noch mit Methoden aus der Zeit des Kalten Krieges versucht, die Probleme der Zukunft zu regeln. (Abg. Dr. Schmidt: Es geht um die Vorgangsweise!) Da kommt keiner darüber hinweg, das kann ich Ihnen sagen, auch wenn man versucht, die Situation auszunützen! (Beifall bei der ÖVP.)

Jede Veränderung – ich weiß es – ist unangenehm. Sie ist für die Betroffenen unangenehm in dem Moment, in dem sie ausgesprochen wird. Ich kann Ihnen aber aus Erfahrung sagen, daß die Leute bereits kurz danach draufkommen, daß es für sie sehr wertvoll ist. (Abg. Dr. Schmidt: Sie haben das System der Dringlichen Anfrage offenbar nicht erfaßt!) Ich habe bereits eine derartige Heeresumgliederung durchgeführt. Es hat unmittelbar nach der erfolgten Umgliederung nicht nur Anerkennung dafür gegeben, sondern die Leute haben gewußt, daß es die richtige Entscheidung war – und genau das ist auch jetzt wieder der Fall. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Schwingen Sie keine Wahlreden!)

Zur Frage 25:

Die Geographie hat sich nicht geändert, aber die geostrategische Situation hat sich verändert. Und das Korpskommando ... (Abg. Mag. Stadler: Wie denn?) Ich kann Ihnen ganz deutlich sagen, was sich verändert hat: In der Zwischenzeit hat zweifellos eine Ostverlagerung der Roten Armee stattgefunden, ein Abbau der Kapazitäten in diesem Bereich – nicht nur in Rußland selbst, sondern auch in der Ukraine. Eine Veränderung der geostrategischen Situation hat sich auch durch die Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn in die NATO ergeben – sie steht zumindest unmittelbar bevor. Es hat sich sogar durch unseren Eintritt in die EU einiges verändert.

Es hat sich aber auf der ganzen Welt einiges verändert. Die neuen Gefährdungen sind klarer zu erkennen, wie ich das schon heute vormittag ausgeführt habe, wenn man etwa an den Irak denkt. (Abg. Mag. Stadler: Dann können wir ja das Verteidigungsministerium auflösen!) Und wir wissen heute auch mit mehr Sicherheit über die Unsicherheitszone Balkan Bescheid, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Die Geographie hat sich nicht geändert. (Abg. Mag. Stadler: Verteidigungsminister einsparen!)

Daß Sie dagegen sind, daß man in der oberen Führungsebene von drei Kommanden eines einsparen will, das verstehe ich eigentlich nicht. Wenn man eine wirklich effiziente Führung will und wir gleichzeitig von unseren künftigen Aufgabenstellungen her in der Lage sind, darauf zu verzichten, die vorhandenen Kapazitäten woanders zweckdienlicher einzusetzen, dann frage ich mich wirklich: Warum sind Sie nicht dafür? (Abg. Scheibner: Wir sind dafür, aber eine militärische Führung gehört in Ihr Ressort, damit das Chaos aufhört!) Warum sind Sie nicht dafür? Warum geben Sie nicht Ihre Zustimmung, warum sagen Sie das nicht deutlich? (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 26:

Ich sage es noch einmal: Die 9. Panzergrenadierbrigade als solche wird nicht aufgelöst. Wir haben derzeit drei Panzergrenadierbrigaden: die 9., die 4. und die 3. Die 9. ist im Brucker Raum


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stationiert, die 3. im wesentlichen im Zentrum von Niederösterreich und die 4. in Oberösterreich. Nach internationalem Standard ist es so, daß das Kommando einer Panzergrenadierbrigade drei Kampfbataillone führt – bei uns führen sie zwei. (Abg. Hans Helmut Moser: Herr Minister, das stimmt nicht! Die 9. führt drei! – Abg. Schieder: Eine führt drei!) Das war eine Situation, die aus der Zeit des Kalten Krieges resultierte und in der auch bestimmte geographisch begrenzte Aufgabenstellungen im Krisenfall entsprechend umgesetzt werden sollten. Heute hat sich diese Situation verändert, und daher sind wir in der Lage, das neu zu organisieren. Ich sage es noch einmal: Dieses bewährte Kommando und auch die Führungseinrichtung sollen nicht aufgelöst, sondern einer neuen Aufgabenstellung zugeführt werden.

Wenn Sie mich fragen, wird das eine der attraktivsten Aufgabenstellungen im Rahmen des Bundesheeres überhaupt sein: die Führung von Auslandseinsätzen und gleichzeitig ein Nukleus zu sein für die Kooperation mit den Nachbarstaaten auf einem Gebiet, wo diese schon relativ weit gediehen ist. Ich denke nur daran, daß wir bereits ganz konkret mit der slowenischen Armee, mit der ungarischen Armee, mit der slowakischen Armee im Einsatz zusammenarbeiten, nämlich in Zypern und am Golan. (Beifall bei der ÖVP.  – Abg. Scheibner: Das kann nicht Ihr Ernst sein! In den Kampfeinsatz wollen Sie sie schicken!)

Zu den Fragen 27 und 28:

Die Aufstellung über die prozentmäßige Befüllung der Verbände im Situationsbericht 1996 war keine taxative Aufzählung. Die entsprechenden Brigaden waren selbstverständlich auch aufgelistet. Außerdem hätte sich aus diesen Zahlen keine wesentliche Veränderung für die prozentmäßige Erfüllung der Personalstände ergeben, sodaß daraus eigentlich nichts Besonderes abzuleiten gewesen wäre.

Zweifelsohne heißt das aber, daß wir uns gerade dort, wo die Kaderstände in einer befriedigenden Art und Weise vorhanden sind, in ganz besonderem Maße mit den entsprechenden Verbänden und Einheiten auseinandersetzen müssen, was wir in Zukunft auch tun werden.

Zur Frage 29:

Für mich sind regionale und lokale Stellungnahmen selbstverständlich. Wenn es um die Frage geht, ob die Infrastruktur gleichbleiben soll, melden sich der oder die Bürgermeister der Region, die Landeshauptleute, Landtage und Landesregierungen mit großem Interesse zu Wort, und ich beziehe selbstverständlich diese Stellungnahmen in meine Überlegungen mit ein. Ich bin sicher, daß der Landesverteidigungsrat das ebenfalls tun wird – das ist ja keine einseitige Angelegenheit –, einfach um das Beste an militärischer Effizienz unter gleichzeitiger Berücksichtigung regionalpolitischer Ursachen und Umstände zu planen.

Zur Frage 30:

Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß das Kommando des III. Korps eine spezifische Aufgabe hatte und daß selbstverständlich auch die Stellungnahmen des III. Korps, so wie jene der beiden anderen Korps, entsprechend in die Überlegungen miteinbezogen werden.

Zur Frage 31:

Das ist für uns eine ganz wichtige Frage. Es besteht die Absicht, den Gesamtmobilisierungsrahmen, der heute 120 000 plus 20 Prozent Reserven beträgt, also eine Größenordnung von 150 000 Mann hat, auf zirka 110 000 Mann zu reduzieren. Wenn man gleichzeitig davon ausgeht, daß aufgrund des natürlichen Abganges und bei sozusagen nichtentsprechender Forcierung im Nachwuchsbereich in den nächsten Jahren automatisch eine Reduzierung stattfinden wird, dann ersieht man daraus, daß sich diese Veränderung sozusagen durch den natürlichen Abgang im Laufe der nächsten Jahre ergeben wird. Ich erwarte keine entsprechende Beeinträchtigung der Organisationen beziehungsweise der einzelnen Milizionäre.


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Meiner Überzeugung nach hat die Miliz jetzt und in der Zukunft eine ganz bedeutende Stellung – nicht nur deshalb, weil sie dem Heer zusätzliche Kapazität zuführt, sondern auch, weil unser Heer eine starke milizartige Komponente hat. Wenn Sie sich die 110 000 Mann ansehen, dann werden Sie draufkommen, daß das Verhältnis zwischen Milizsoldaten und Berufssoldaten auch in Zukunft ein Verhältnis von einem Mehrfachen zu eins sein wird – die genau Anzahl wird erst festgelegt –, sodaß man auch für die Zukunft davon ausgehen kann.

Das ist auch der Unterschied zu anderen Überlegungen. Andere Parteien haben Überlegungen angestellt, die von ganz anderen Milizgrößen ausgehen, nämlich wesentlich geringeren, wie das Modell, das der Abgeordnete Gaál der Presse vorgestellt hat. (Abg. Scheibner: Ihr Klubobmann schläft schon ein, Herr Minister!) Ich bin der Ansicht, daß die Miliz auch in Zukunft eine sehr bedeutende Stellung haben soll, und daher habe ich mich dafür ausgesprochen, daß sie nicht nur in der Organisation entsprechend berücksichtigt wird, sondern auch ein entsprechender Gesamtrahmen vorhanden sein muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Präsident! Damit erscheinen die gestellten Fragen beantwortet. (Abg. Dr. Khol: Erschöpfend beantwortet! – Abg. Wabl: Erscheinen, das ist der richtige Ausdruck!) Ich bin sicher, daß die Opposition noch das Ihre dazu zu sagen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

16.05

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, wir haben heute schon mehrfach das Vergnügen gehabt, daher kann ich fast nahtlos anschließen. Sie haben gerade relativ viel zu den konkreten Punkten gesagt, aber eine echte Aussage vermieden. Ich werde daher nachfragen.

Sie haben sich vorhin darüber beschwert, daß Kollege Scheibner fünfmal fragt und Sie immer wieder antworten müssen. Das Schlimme ist: Wir fragen fünfmal, das stimmt, aber es dauert eben so lange, bis wir die Antwort bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

ich bringe Ihnen ein Beispiel: Ich habe Sie heute früh gefragt, wie Ihr Verhältnis zu einer zukünftig geänderten Art bei den Einsätzen, nämlich Kampfeinsätzen, aussieht. Jetzt haben Sie dankenswerterweise – es war die dritte oder vierte Frage in diese Richtung – eine Antwort gegeben.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie sehen, man muß Ihren Minister sehr oft fragen, bis er es schafft, die Antwort herauszubringen.

Bevor ich aber auf einzelne Punkte Ihrer Antwort eingehe, möchte ich ein zentrales Problem ansprechen, das in dieser Regierung besteht und das eigentlich der Grund für unsere Anfrage war.

Kollege Gaál hat heute gesagt, kein NATO-Beitritt mit der SPÖ, auch nach dem Optionenbericht. Sie sind anderer Meinung. Ihr Parteiobmann und Außenminister sagte im "Standard", wir müssen uns jetzt für den NATO-Beitritt entscheiden. Eine Verschiebung der Entscheidung auf die nächste Legislaturperiode wäre eine Gefahr für die Sicherheitslage des Landes. – Wenn das der Außenminister eines Landes sagt, so meint man, daß dies ernstzunehmen ist: eine Gefahr für die Sicherheitslage des Landes!

Und jetzt stelle ich Ihnen wieder eine Frage, Herr Minister: Was werden Sie tun, wenn die SPÖ nicht zustimmt? Stimmen Sie einer Gefährdung der Sicherheit Österreichs zu, oder ziehen Sie die Konsequenzen und tun endlich einmal etwas und kündigen nicht nur an, Herr Minister?


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(Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Das ist durchaus drinnen, aber wenn der Herr Minister so weitermacht, wird auch er nicht mehr ernst genommen werden.

Es ist mir klar, daß diesbezüglich auch innerhalb der SPÖ ein Problem besteht. Da gibt es auch kräftige Auffassungsunterschiede zwischen Realos und Fundis. Die Regierung, die vom Ausland unter Druck gesetzt wird, weiß, wohin der Karren langfristig läuft. Das ist nicht vermeidbar, das wissen alle dort oben. Und die Fundis versuchen das zu verhindern (Abg. Wabl: Cap-Realo!) und werden das auch noch einige Zeit verzögern können. Es ist eben schwierig, wenn man einmal "Ho Chi Minh" gerufen hat, plötzlich der NATO beizutreten, das verstehe ich. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber dieses Problem müssen Sie irgendwann einmal im Sinne der Republik lösen, meine Damen und Herren von der Koalition. Das bleibt Ihnen nicht erspart! (Abg. Schieder: Wir haben immer Angst gehabt vor Ihren Analysen! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Sehen Sie, Herr Kollege! Es freut mich, daß ich Sie zumindest unterhalte.

Herr Minister! Sie haben gesagt, es findet keine Überprüfung der Einsatzarten in Österreich statt. (Abg. Wabl: Was haben Sie gerufen?) Jetzt wäre es interessant, zu wissen, welche Überprüfungen bereits stattgefunden haben und welche Überprüfungen in Zukunft noch stattfinden werden. Das haben Sie uns auch verheimlicht. Sie haben zwar den Vorbehalt erwähnt – welcher Art der Vorbehalt ist, wüßten wir aber auch ganz gerne.

Ich gehe weiter auf Ihre Ausführungen ein. Sie haben uns vorgeworfen, wir wollten unbedingt drei Korps-Kommanden. Das stimmt keineswegs, schauen Sie einmal in unser Wehrkonzept hinein! Einiges haben Ihre Mitarbeiter ohnehin abgeschrieben, aber leider haben sie die wichtigsten Dinge nicht herausgenommen.

Eine ganz einfache Sache: Sie haben gesagt, dieses Korpskommando wurde durch die Entwicklung der Lage überflüssig. Das stimmt, nur war dieses Korpskommando schon überflüssig, bevor es 1993 überhaupt geschaffen wurde, denn die Veränderung der Lage trat 1989, 1990 und 1991 ein. Als wir Sie gefragt haben, warum es abgeschafft wurde, haben Sie nicht von der Wehrgeographie gesprochen, sondern da haben Sie gesagt – und das ist haarsträubend, man muß es sich allein schon von der Diktion her auf der Zunge zergehen lassen –: 1993 stand die Rote Armee noch mitten in Deutschland. – Also bitte, Herr Minister, wenn das Ihre Ministerkollegen hören, dann haben Sie auch als längstgedienter Verteidigungsminister Europas kein Renommee mehr in diesem Bereich. Das ist die Diktion von 1945, die Sie hier verwenden, fernab der Realität!

Zur Neutralität: Herr Bundesminister, die Neutralität ist eine Völkerrechtsfrage, das bestimmt nicht die Koalition. Den anderen draußen ist das egal, solange nicht irgendwelche Einwände von Ihnen erhoben werden, die sie selbst berühren. Aber grundsätzlich ist es eine völkerrechtlich definierte Sache, daran können Sie nicht rütteln und schütteln. Da gibt es Bestimmungen, und wir haben uns zur Neutralität nach dem Muster der Schweiz – das wurde bereits gesagt – verpflichtet.

Beitrittskosten: Auch da haben Sie uns Honig ums Maul geschmiert, Herr Minister! 2 bis 3 Prozent des Budgets: Das stimmt – aber das ist nur der Mitgliedsbeitrag. Der Ausrüstung nach sind wir eine Hinterwäldlerarmee, Herr Minister, vor allem, was den Luftbereich betrifft. Wir haben gewaltigen Nachholbedarf, und da werden wir aufholen müssen, sonst haben wir keine Chance, dort hineinzukommen. Erzählen Sie den Österreichern nicht wieder Märchen, und nachher stehen Sie – wie bei der EU, beim Euro und bei alledem – plötzlich vor vollendeten Tatsachen und sind völlig verblüfft. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Khol: Gerade zum Euro sollten Sie lieber schweigen!)

Herr Kollege Khol! Sie haben schon die Neutralität in den Tabernakel gestellt, und jetzt auf einmal ist es wieder ganz anders. Bei Ihnen kennt man sich in wehrpolitischen Fragen ohnehin nicht aus. (Abg. Dr. Khol: Passen Sie mit Ihren Handbewegungen auf!)

Zum Aufholbedarf, Herr Minister: Sie haben zugegeben, daß dieser besteht, und haben gleichzeitig gesagt, daß Sie den Sparkurs mitmachen müssen. Wie Sie diese Lücke schließen wollen, haben Sie nicht gesagt. Sie haben gesagt: Der Aufholbedarf besteht. Wenn Sie als Minister das


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als unbedingte Notwendigkeit erkennen – das sagen Sie schon seit Jahren –, dann müssen Sie endlich einmal etwas dafür tun, oder aber Sie müssen zugeben, daß Sie als Minister gescheitert sind, und müssen den Hut nehmen und gehen. So kann es doch wohl nicht sein, daß Sie dauernd schwerwiegende Sachen erkennen, aber trotzdem nichts tun.

Sie haben uns gesagt: Kampfpanzer haben wir günstig gekauft, ja fast geschenkt bekommen. Stimmt. Wie aber steht es mit der Munition dafür? Auch da haben wir schon drei- oder viermal nachgefragt, ob Munition in ausreichender Menge beschafft wurde. Nach unseren Informationen ist das nicht der Fall. Wir können einmal aufmunitionieren, die Panzer einmal voll beladen, aber wenn die Richtschützen geschossen haben, ist es damit aus. Denn nach dem ersten Ausbildungsturnus ist die Hälfte schon weg.

Wenn es anders ist: Sagen Sie es uns doch endlich, Herr Minister! Vier- oder fünfmal haben wir Sie schon gefragt. Einmal haben Sie den General Corrieri im Ausschuß hinausgeschickt und uns dann gesagt, daß sich das zwar nicht gleich beantworten läßt, aber beantwortet werden wird. Das ist Wochen her. Wir haben Ihre Antwort noch immer nicht, Herr Minister! Dann sagen Sie: Wir müssen fünfmal nachfragen. Das zeigt, wie Sie mit diesem Haus und mit den Abgeordneten umgehen, und deswegen üben wir unsere Kritik. (Abg. Wabl: Ausnahmsweise hat er da recht!) Dann aber beschweren Sie sich, daß wir Sie genauso wie die Grünen kritisieren. Diese kritisieren Sie ebenfalls, aber aus anderen Beweggründen. Das ist der Unterschied.

Sie haben auch unsere Anfrage nicht beantwortet, in der wir gerne wissen wollten, wer dieser ominöse, subalterne Offizier ist, der in Ihrem Ministerium die Erlässe unterschreibt. Das haben Sie uns auch nicht beantwortet. Vielleicht können Sie das nachholen.

Ausgliederung der 9. Brigade: Ja, Herr Minister, es stimmt schon, daß die Bataillone vorhanden bleiben. Aber es ist fast absurd: Bisher gab es in Österreich ungefähr 160 oder 170 Kampfpanzer, künftig werden wir 114 haben. Es bleiben aber gleich viele Bataillone und gleich viele Kompanien bestehen. Sie haben gesagt, wir sollen uns nicht darüber den Kopf zerbrechen, wie diese Kompanien gegliedert werden. Wir zerbrechen uns deshalb den Kopf, weil wir befürchten, daß es wieder zu einer Ihrer Unlösungen kommen wird, Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Letztlich die Pionierfrage, da ich bei den Gliederungen bin: Sie haben gesagt, es werden genügend Leute für die Hochwassereinsätze dasein. Das stimmt, Herr Minister, aber es wird das qualifizierte Fachpersonal nicht dasein, das die Aufgaben erfüllen kann. Es werden keine Pioniere dasein, und schon gar keine ausgebildeten, wenn sich ein ungünstiger Einrückungstermin ergibt. Darum können Sie sich auch nicht herummogeln, denn das ist die Realität und die Folge Ihrer neuen Gliederung. – Soweit dieser Bereich.

Ein letzter Bereich – leider ist Kollegin Karlsson nicht da, denn sie bekäme jetzt sicherlich einen höheren Blutdruck – ist die Frage der Zielüberprüfung. Wie sieht es damit aus? – Ich habe dieses Ausbildungsziel aus einer NATO-Unterlage. (Der Redner hält eine Broschüre in die Höhe.) Sie haben gesagt, das wird nicht überprüft. Ich weiß es nicht. Es heißt darin: Die Truppe muß in der Lage sein, erfolgreiche Angriffsoperationen bei Tag und Nacht gegen Feinde in vorbereiteter Stellung und bis zu Bataillonstärke im verbauten und offenen Gelände ab- und aufgesessen durchzuführen. Die Fähigkeit zur Koordination von Feuer-, also Artillerieunterstützung und Luftunterstützung muß sichergestellt sein.

Das hört sich gut an, und ich hoffe, die Leute können das. Die Frage ist nur: Wer überprüft das Ganze, und wie verträgt sich das mit der Neutralität, wenn es überprüft werden sollte, Herr Minister? – Das ist mir wirklich nicht ganz klar.

Weil Sie uns immer wieder vorhalten, daß wir Sie kritisieren: Ich nehme an, der Name Dr. Michael Schaffer ist Ihnen und Kollegen Khol – er ist auch nicht mehr da – nicht ganz unbekannt. Er kommt nicht aus den Reihen der ÖVP, sondern woanders her. (Abg. Dr. Ofner: Du hast dich versprochen! Natürlich kommt er von der ÖVP!) Er schreibt Ihnen im Namen der Milizverbände einen Brief zu Ihrer Heeresstrukturreform: Einen schleichenden Verfassungsbruch nennt er das, Herr Minister! Weiters schreibt er: Selbstverständlich gilt für den Milizverband das


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Primat der Politik. Wenn die Volksvertretung im Parlament ein Berufsheer beschließt und einführt, so sei es. Wir wehren uns jedoch – das kann ich voll unterschreiben – entschieden dagegen, daß der Minister und einige seiner Berufsheerträumer im Verteidigungsministerium putschartig an der Verfassung vorbei ihre militärischen Sandkastenspielchen betreiben und dabei dem Volk die militärische Macht entziehen.

Das sagt nicht die FPÖ, das sagt nicht der Abgeordnete Jung, sondern das sagt Dr. Michael Schaffer, Oberst des Intendanzdienstes und Ihnen vermutlich nicht ganz unbekannt. (Abg. Haigermoser: Von der ÖVP! – Abg. Dr. Ofner: Ein fester Schwarzer!) Herr Bundesminister! So kann es wohl nicht gehen, das kann nicht die Zukunft sein!

Wir haben gesagt: Wir sind nicht gegen die NATO-Mitgliedschaft, Herr Bundesminister. Wir befürworten den Beitritt unter sauberen Verhältnissen: mit einer sauberen Finanzplanung, mit der Zustimmung der Österreicher und mit der Zustimmung dieses Hauses. Nicht aber an uns vorbei! Das lassen wir uns nicht gefallen, Herr Minister, und da werden wir Ihnen auch in Zukunft keine Ruhe geben, auch nicht, wenn Sie unsere Fragen nicht beantworten werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Moser gemeldet. Bitte um den zu berichtigenden Sachverhalt und den tatsächlichen Sachverhalt, Herr Abgeordneter. (Abg. Schieder: 9. Panzergrenadierbrigade! – Abg. Dr. Ofner: Er hat den Platz freigemacht!)

16.15

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Präsident! Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung hat behauptet, daß die drei Panzergrenadierbrigaden jeweils nur über zwei Kampfbataillone verfügen.

Ich berichtige: Das ist falsch. Die 9. Panzergrenadierbrigade hat drei Kampfbataillone, nämlich das Panzerbataillon 33, das Panzergrenadierbataillon 35 und das Jagdpanzerbataillon 1. Sie erfüllt also den internationalen Standard. Ich bin daher verwundert, daß Sie gerade diesen Verband auflösen wollen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Abg. Haigermoser: Hat Schieder gedient? – Ruf bei der SPÖ: Peter, sag’ ihm, daß das nicht wichtig ist! – Abg. Schieder: Sie haben unlängst über das Römische Reich geredet und waren auch nicht dabei! – Abg. Haigermoser: Ich war auch noch nicht in Tokio und weiß trotzdem ...! – Abg. Schieder: Ich könnte noch passendere Vergleiche finden, aber ich will das dem Haus nicht zumuten!)

16.16

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diese Anfrage war eigentlich zu erwarten. Nachdem die Grünen in der Früh eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema gemacht haben, konnte das die FPÖ nicht ruhen lassen. Dieses Thema soll auch ihres sein, daher mußte die Dringliche Anfrage kommen. (Abg. Scheibner: Kollege Schieder! Das ist falsch! Wir wollten sie gestern einbringen, aber da waren die Grünen vor uns an der Reihe!)

Sie machen es schlechter. Die Grünen waren flinker und vifer als Sie, wollen Sie damit sagen. Das ist ein Zwischenruf, der von einer Ehrlichkeit zeugt, die in diesem Hause erwähnt werden soll! (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Lernen Sie die Geschäftsordnung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Mit Lärm lösen Sie dieses Problem nicht. (Abg. Dr. Ofner: Aber die Geschäftsordnung schau’ dir an, bitte!) Die meisten der Fragen, die Sie vorgebracht haben, haben sich auf das Heer selbst bezogen. Dazu werde ich nicht Stellung beziehen, denn das ist das Thema, das unsere Experten aus dem Ausschuß und unser Wehrsprecher später behan


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deln werden. Die anderen Fragen, jene aus dem Bereich der Außenpolitik, die – ich möchte fast sagen: teils unzuständigerweise, obwohl es interessant ist, seine Meinung dazu zu hören – an den Verteidigungsminister gerichtet worden sind, waren teilweise sehr interessant.

Wichtig war meiner Ansicht nach auch die Frage das SOFA betreffend. Für die Kollegen, die dabei immer ein bißchen lächeln: SOFA ist kein westwestlicher Diwan oder atlantischer Ottomane, sondern die Abkürzung für "Status of Forces Agreement", also jenes Agreements zwischen den NATO-Staaten und uns in der "Partnerschaft für den Frieden", in dem geregelt ist, was geschieht, wenn Übungen in Österreich stattfinden. (Abg. Jung: Das ist das NATO-Truppenstatut von 1951 zur Stationierung, Herr Kollege!)

Nein, das ist es für uns nicht! Für uns als Nichtmitglied ist das ein Vertrag, in dem das für unser Land geregelt wird. Es ist richtig, daß diese Frage wahrscheinlich im Ausschuß einfacher zu beurteilen wäre, wenn auch die Mitgliedschaft in der "PfP" selbst im Parlament zu beschließen gewesen wäre. (Abg. Mag. Kammerlander: Allerdings!) Das war, wie wir gehört haben, rechtlich nicht notwendig. Ich könnte mich aber persönlich durchaus damit anfreunden, daß man, wenn dadurch alles leichter und verständlicher für das Parlament wird, alles unter einem noch einmal berät. Ich bitte, daß überlegt wird, ob das nicht vielleicht ein Vorgang wäre, der zwar Ihrer Ansicht nach nicht notwendig und geboten ist, aber doch vernünftig für die Vorgangsweise im Parlament wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Wichtig sind mir in diesem Zusammenhang vor allem auch die beiden Erklärungen. Das wird am 13. Jänner, wenn der Außenpolitische Ausschuß darüber berät, zu überprüfen sein. Wir werden von den Experten hören, auf welche Weise sichergestellt ist, daß diese Erklärungen von den anderen Ländern tatsächlich entgegengenommen und akzeptiert werden. Denn es ist wichtig, ob wirklich sichergestellt ist, daß niemand in Österreich für seine Soldaten auf die Todesstrafe zurückgreifen kann. Das lehnen wir zutiefst ab. Es ist auch wichtig im Hinblick auf die Waffen, die verwendet werden.

Interessant ist, daß in diesem Zusammenhang noch niemand die Frage aufgeworfen hat, wie es eigentlich in bezug auf die Todesstrafe – zumindest deren theoretische Möglichkeit – für österreichische Soldaten steht, wenn sie an "PfP"-Übungen in anderen Ländern teilnehmen. Soviel ich weiß, haben wir auch diesbezügliche Noten abgegeben. Interessant wäre, zu wissen, wer diese schon akzeptiert hat.

Ich will nicht sagen, daß diese Gefahr real besteht, aber rein theoretisch sollten wir auch nicht einen einzigen Offizier – obwohl ich keinem unterstellen will, daß er ein Delikt begeht, das mit der Todesstrafe bedroht ist – zum Beispiel bei Teilnahme an einem Kurs in den Vereinigten Staaten dieser Gefahr aussetzen, wenn die Vereinigten Staaten unsere diesbezügliche Note nicht akzeptiert haben. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.) Mir ist das nicht bekannt, das wäre aber in jedem Fall einer Entsendung auf "PfP" von Ihrem Ressort zu prüfen, Herr Minister, im Interesse der Vorbeugung gegenüber einer zwar marginalen, aber dennoch theoretisch bestehenden Gefahr für österreichische Staatsbürger.

Was die Außenpolitik angeht, hat der Hauptteil der Debatte die Frage der Neutralität betroffen. Es war klar, daß das die Freiheitlichen selbstverständlich wieder vorbringen wollen – so wie auch andere –, weil sie wissen, daß diese Frage ohnedies nächstes Frühjahr mit dem Optionenbericht der Bundesregierung ins Parlament kommen und hier diskutiert werden wird. Selbstverständlich will man von seiten der Opposition vorher noch laufend das verlangen, was ihr Recht ist. (Abg. Scheibner: Sie haben heute früh nicht aufgepaßt!)

Klar ist, daß Österreich durch Bundes-Verfassungsgesetz dafür Vorsorge getroffen hat, als neutraler Staat der Europäischen Union beizutreten und an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU aufgrund der Bestimmung des Vertrages über die EU mitwirken zu können. Unser Land ist, wie wir wissen, bereit und in der Lage, seine Verpflichtungen aus der Neutralität, seine Verpflichtungen als Mitglied der Europäischen Union und seine Verpflichtungen aus der Zugehörigkeit zu anderen internationalen Einrichtungen – wie UNO, OSZE und Europarat – in


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vertragstreuer, sinnvoller und solidarischer Weise wahrzunehmen, und es hat diese um die Mitgliedschaft in der "Partnerschaft für den Frieden" ergänzt.

Wenn Sie sagen, daß wir nicht sehen, daß die NATO eine bestimmte Entwicklung nimmt, entgegne ich: Nein, auch wir sehen die positive Entwicklung der NATO. Ob sie nun als "NATO-Neu" bezeichnet wird oder nicht, ist sicherlich eine reine Definitionsfrage. Selbstverständlich ist die NATO in ihrem Kern ein Militärbündnis mit den weitgehenden Beistandspflichten der Artikel 5 und 6 geblieben. Dazugekommen ist jedoch – ich sage das auch – ein neues, positives Instrumentarium flexibler Strukturen mit neuen Antworten auf Fragen der europäischen Sicherheit: die "Partnerschaft für den Frieden" und ihre erweiterte Form mit dem Euroatlantischen Partnerschaftsrat.

Durch die Mitarbeit in beiden Formen der Partnerschaft geben und empfangen die Staaten – auch Österreich und seine Bewohner – jene Solidarität, die zu Recht vielfach eingefordert wurde. Eine Mitgliedschaft in der NATO selbst ist dazu weder notwendig noch – meiner persönlichen Meinung nach – für Österreich empfehlenswert. Die Frage wird nach einem Bericht der Bundesregierung im nächsten Jahr jedenfalls auch hier zu diskutieren sein.

Es wird der Politik in diesem Zusammenhang oft vorgehalten, daß es einer ihrer Mängel sei, keine Visionen zu haben. Wenn man dann aber Zielvorstellungen entwickelt, werden sie als bloß utopische Wünsche abqualifiziert. Auch auf die Gefahr hin, mich letzterem Vorwurf auszusetzen: Bei aller Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der NATO, bei aller Bereitschaft zur aktiven Teilnahme an der "Partnerschaft für den Frieden" muß ein europäisches Sicherheitssystem der Zukunft mehr sein als der bloße Beitritt aller europäischen Staaten zu einem Militärpakt. Anzustreben ist ein vertraglich vereinbartes System gesamteuropäischer Sicherheit, das anstelle kriegerischer Auseinandersetzungen internationales Recht, internationale Ordnung und präventive Konfliktvermeidung setzt.

Ich persönlich hoffe, daß sich die österreichische Politik – ausgehend vom Bericht im Frühjahr des kommenden Jahres – zu dieser Richtung bekennt und für diese Richtung arbeitet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Und das ist der NATO-Beitritt!)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung und auf die Dauer von maximal 2 Minuten aufmerksam. – Bitte.

16.25

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Schieder hat einerseits behauptet, daß der Grund für die heutige Dringliche Anfrage der Freiheitlichen ... (Abg. Schieder: Nein! Daß ich ihn vermute! Was ich vermute, können Sie nicht berichtigen! Meine Vermutung können Sie nicht berichtigen!) ... die Aktuelle Stunde der Grünen gewesen wäre und daß die Freiheitlichen dieses Thema besetzen wollten. (Abg. Schieder: Das ist meine Vermutung gewesen!)

Das berichtige ich tatsächlich. Die Gründe der Freiheitlichen für diese Dringliche Anfrage waren: erstens das völlige Chaos in der Sicherheitspolitik, zweitens eine ganze Reihe von internationalen Abkommen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Die Meinung eines Abgeordneten, warum eine andere Fraktion etwas tut oder nicht tut, eine Vermutung ... (Abg. Dr. Khol: Das ist nicht zu berichtigen!) Herr Abgeordneter, sprechen Sie zu Ende. Wir werden wieder einmal in der Präsidiale die tatsächlichen Berichtigungen besprechen. Aber Vermutungen kann man nicht berichtigen. (Abg. Dr. Khol: Nein, nicht zu Ende!)

Abgeordneter Herbert Scheibner (fortsetzend): Jedenfalls war der Grund für unsere Dringliche Anfrage die aktuelle Lage sowohl in der Sicherheitspolitik als auch in der Landesverteidigung.

Zum zweiten hat Herr Abgeordneter Schieder gemeint, daß wir gestern die Dringliche Anfrage deshalb nicht eingebracht hätten, weil die Grünen flinker gewesen wären, und das wäre ein


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Versäumnis des freiheitlichen Klubs gewesen. (Abg. Schieder: Zweites habe ich nicht gesagt!) Das berichtige ich tatsächlich.

Herr Kollege Schieder! Es war nicht möglich, gestern die Dringliche Anfrage einzubringen, da der § 57b Abs. 1 der Geschäftsordnung bestimmt, daß an einem Sitzungstag nur eine Dringliche Anfrage eingebracht werden kann. Der Abs. 2 dieses Paragraphen bestimmt: Wird hinsichtlich mehrerer Anfragen die dringliche Behandlung verlangt, so gelangt die Anfrage jenes Klubs zum Aufruf, bei dem die letzte aufgerufene Dringliche Anfrage länger zurückliegt. (Abg. Schieder: Richtig! Aber einbringen hätten Sie sie können!) Das war in diesem Fall der grüne Klub, Herr Kollege Schieder. (Abg. Schieder: Behandelt worden wäre sie nicht, aber einbringen hätten Sie sie können!) Wenn Sie wissen, daß der grüne Klub das bereits vorab angekündigt hatte, dann werden Sie ersehen, warum wir die Dringliche Anfrage heute einbringen mußten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das könnte man einbringen! – Abg. Dr. Khol: Das müssen Sie zugeben: Das war keine tatsächliche Berichtigung!)

16.27


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104. Sitzung / Seite 122

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.27

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich muß ich Kollegen Schieder dankbar sein, denn er hat in seinen letzten Sätzen hier von einer politischen Sicherheitsgemeinschaft mit allen Instrumenten der Krisenvorsorge für Europa und darüber hinaus für die Welt gesprochen. Das, Herr Kollege Schieder, ist die NATO-Neu, die Sie beschrieben haben. Danke! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Da irren Sie sich natürlich! Ein Militärpakt kann das nicht sein!) Das gehört selbstverständlich auch dazu. (Abg. Schieder: Ein Militärbündnis kann das nicht sein!) Vorsorge und Durchsetzungsgewalt ist eine Einheit, sonst ist es leider für nichts. (Abg. Schieder: Aber gegründet auf Recht und nicht auf einen Pakt!) Selbstverständlich! Lauter demokratisch und rechtlich einwandfreie Staaten haben sich zusammengeschlossen. (Abg. Wabl: Wie die Türkei zum Beispiel!) Aber wir werden darüber noch ausführlich diskutieren. (Abg. Wabl: Wie die Türkei!)

Heute früh hatten wir eine Aktuelle Stunde zur Diskussion um einen möglichen NATO-Beitritt Österreichs. Herr Bundesminister Fasslabend hat heute früh – und auch zur jetzigen Dringlichen – ausführlich und sachbezogen Stellung genommen. Warum die FPÖ eine intensive laufende Diskussion über das Thema äußere Sicherheitspolitik am selben Tag dringlich macht, hat Kollege Scheibner zu erklären versucht. Ich glaube, es gibt noch ein paar andere Möglichkeiten. Vielleicht versucht die FPÖ in dieser Frage, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben. (Abg. Wabl: Nein! Niemals!) Das wird Ihnen nicht gelingen! Wir tragen unsere Meinungsverschiedenheiten offen aus und haben gemeinsame Ziele, die Sie im Arbeitsprogramm der Bundesregierung nachlesen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Keine Keile! Da sind Panzer dazwischen! Ganze Fässer stehen dazwischen!)

Oder ist die vorliegende umfassende Darstellung in Ihrer Anfrage, die sehr interessant ist und mit sehr großem Aufwand geschrieben wurde, aber mit vielen Wenn und Aber versehen ist, der langsame Abschied von der Pro-NATO-Linie der FPÖ? (Abg. Scheibner: Lesen Sie einmal unser Parteiprogramm nach, Herr Kollege!) Ich hoffe, daß es nicht so sein wird wie beim Beitritt Österreichs zur EU, denn da waren die Freiheitlichen am Anfang dafür, in der Mitte noch immer dafür, und als es ernst geworden ist, waren sie dagegen. (Abg. Scheibner: Machen wir die Nagelprobe! Sie brauchen unseren Anträgen nur zuzustimmen!) Also ich hoffe, es wird diesmal nicht so sein. Ich freue mich, wenn es dieses Mal nicht so sein wird.

Oder wollen Sie mit der Dringlichen zum NATO-Beitritt von dem doch sehr bescheidenen Ergebnis des freiheitlichen Anti-Euro-Volksbegehrens ablenken? Wie man aus den Zahlen ersehen kann, ist ja die Zugkraft der Haider-Partei auch nicht mehr das, was sie einmal war. (Abg. Dr. Ofner: Nur keinen Neid! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das Ausländer-Volksbegehren 1993 hatte noch 416 000 Unterschriften ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Maitz ist am Wort, und zahlreiche weitere Wortmeldungen liegen noch vor. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner: Er kann uns nicht begeistern, Herr Präsident!)

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (fortsetzend): Das Anti-Euro-Volksbegehren hatte nur mehr 254 000 Unterschriften. Das war doch eine Pleite besonderer Art, und davon will man ablenken. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben vor nicht allzulanger Zeit hier in diesem Parlament den Situationsbericht des Bundesheeres ausführlich debattiert. Alle Parteien haben bei der Budgetdebatte ihre sicherheitspolitischen Standpunkte ausführlich dargelegt. (Abg. Haigermoser: Was ist denn das für ein Quark, den Sie da verzapfen?) Die Adaptierung der neuen Heeresgliederung ist genau heute in einer Woche auf der Tagesordnung des Landesverteidigungsrates. Die sachliche, fachliche und politische Diskussion ... (Abg. Haigermoser: Nach dieser Rede ist mir klar, daß Sie nicht mehr Klubobmann in der Steiermark sind!)  – Laß dir einmal etwas Neues einfallen, das ist ja schon so ein alter Spruch! (Beifall bei der ÖVP.) Ich weiß nicht, wo Sie überall vorher waren, aber es ist schade, daß Sie nicht dortgeblieben sind. (Abg. Haigermoser: Ich werde der Klasnic diese Rede zusenden!)

Im Landesverteidigungsrat, dem gemeinsamen Beratungsgremium zwischen Bundesregierung, den Parlamentsparteien und der militärischen Führung, wird der nächste Schritt dieser Adaptierung der neuen Heeresgliederung gesetzt, und diese Diskussion ist fachlich und politisch voll im Gang. Ich bin ganz sicher, daß wir wieder, wie auch das letzte Mal, eine für das Land und für das Heer sehr gute und sinnvolle Lösung finden werden. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Seit Kollege Jung im Verteidigungsausschuß ist, muß der Herr Vorsitzende oft auf die Seite schauen, weil es so schwierig ist mit ihm. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe es heute gesagt und werde es immer wieder sagen: Das Ziel der Volkspartei ist es, die bestmögliche äußere Sicherheit auch in der Zukunft zu gewährleisten. Die Alternativen sind: Neutralität pur oder NATO-Neu. Neutralität pur nach Schweizer Muster, Sie wissen das, heißt einsam und teuer, NATO-Neu heißt gemeinsam und kostengünstig.

Wir von der Volkspartei sind dafür, daß klug verhandelt wird. Wir haben dieser NATO vieles anzubieten, und wir haben auch viel Sicherheit von dieser NATO zu erwarten, verbunden mit allen Rechten und Pflichten, gemeinsam für Frieden und Freiheit zu arbeiten. Ich sage Ihnen einmal mehr: Das erste Ziel ist, daß wir unseren Kindern und Enkelkindern die Geißel einer kriegerischen Auseinandersetzung ersparen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich hoffe, daß sich diesem einen Ziel alle Damen und Herren dieses Hauses verbunden fühlen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

16.35

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich in die Debatte einsteigen. Diese Dringliche Anfrage heute hat wieder gezeigt, wie notwendig es ist, daß wir in diesem Hohen Hause eine umfassende Diskussion über die sicherheitspolitischen Perspektiven des Landes führen. Ich bedauere es wirklich, daß wir zu dieser Debatte nur dann kommen, wenn die parlamentarischen Möglichkeiten seitens der Opposition ausgenützt werden. Offensichtlich will man seitens der Regierungsparteien die Debatte wiederum verschieben und verzögern bis zum Optionenbericht, und dann wird es sich so abspielen, wie es in der Vergangenheit der Fall war: Die Regierungsparteien haben sich geeinigt, dann kommt das Thema in den Außenpolitischen Ausschuß, dieser tagt für ein oder zwei Stunden, und dann ist die Sache erledigt.


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Ich meine, das ist der falsche Ansatz. Ich meine, daß es wirklich notwendig ist, im Rahmen einer fairen und offenen Debatte die Fakten auf den Tisch zu legen, Argumente anzuhören und auch Argumente anzunehmen, sodaß es in dieser sehr wesentlichen Frage für dieses Land zu einem breiten politischen Konsens kommt.

Herr Kollege Maitz! Es ist ja gar nicht notwendig, einen Keil zwischen die Regierungsparteien in Fragen der Sicherheitspolitik zu treiben, denn die beiden Regierungsparteien sind in ihren diesbezüglichen Positionen so weit voneinander entfernt, daß man tatsächlich meinen kann, es kommt ohnehin keine wirklich einheitliche politische Linie heraus.

Zur Frage Neutralität oder Beitritt zu einem europäischen Sicherheitssystem. Herr Kollege Maitz! Wir sind bei den verschiedensten politischen Diskussionen zusammengekommen, und immer wieder haben wir von dir dieses Schwarzweißmalen erlebt, haben wir von dir gehört, es gebe nur zwei Optionen: Neutralität pur oder Beitritt zur NATO. (Abg. Dr. Maitz: NATO-Neu!) Auch NATO-Neu. Ich glaube, das ist eine sehr enge und begrenzte Betrachtungsweise, weil es innerhalb dieser Bandbreite sehr wohl eine Vielzahl von Möglichkeiten und eine Vielzahl von Optionen gibt, die wir wählen können.

Ich glaube, daß es ganz wichtig ist, zu erkennen und zu akzeptieren, daß die sicherheitspolitische Diskussion und auch die Entwicklung der österreichischen Sicherheitspolitik ein dynamischer Prozeß sind, aber wir müssen mit diesem dynamischen Prozeß einmal beginnen. Der Anfang dieses dynamischen Prozesses soll aus unserer Sicht sein, daß wir, da wir ja seit 1995 Mitglied der Europäischen Union sind, die Chance, die sich aus der Mitgliedschaft zur Europäischen Union in sicherheitspolitischer Hinsicht ergibt, nutzen und Mitglied der Westeuropäischen Union werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich meine, wir sollten diese Mitgliedschaft im Wissen anstreben, daß am Ende dieser dynamischen Entwicklung, dieses dynamischen Prozesses durchaus die Integration in ein größeres europäisches Sicherheitssystem beziehungsweise, wenn es so sein soll, auch die Mitgliedschaft in der NATO stehen kann, aber wir müssen diesen Diskussionsprozeß, diesen politischen Prozeß zunächst einmal in Gang setzen. Hier sollte Österreich eine Vorreiterrolle übernehmen. Diese Position sollte im Rahmen der Europäischen Union entwickelt werden, denn die Europäische Union hat auch sicherheitspolitische Verantwortung auf dem Kontinent. Diese Europäische Union hat eine Verantwortung für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und diese zu entwickeln, muß vordringliches Ziel sein, und da gehört das auch dazu, meine Damen und Herren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sehen in der Mitgliedschaft bei der Westeuropäischen Union deshalb auch einen ganz wesentlichen Aspekt, weil diese Mitgliedschaft auf der einen Seite bei gleichen Aufwendungen ein Mehr an Sicherheit bringt, das heißt, wir haben auch durchaus die Möglichkeit, Bedrohungen, welcher Art auch immer, gemeinsam mit der Europäischen Staatengemeinschaft zu begegnen, und auf der anderen Seite haben wir durch diese Mitgliedschaft die Möglichkeit, mitzugestalten und mit zu entwickeln. Gerade diese Mitgestaltungsmöglichkeiten sollten wir nutzen, damit die Westeuropäische Union eine Entwicklung nimmt, die Kollege Schieder heute hier bereits angeschnitten und aufgezeigt hat. Wir sollten auf europäischer Ebene die bestehenden Strukturen weiterentwickeln, sodaß wir tatsächlich zu mehr kommen als zur Mitgliedschaft im Rahmen eines Militärbündnisses, meine Damen und Herren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist daher wirklich bedauerlich, daß diese Annäherung an die europäischen Sicherheitsstrukturen – und ich habe das heute am Vormittag schon gesagt – verdeckt im Rahmen einer Geheimdiplomatie erfolgt und daß das Ganze am Parlament vorbeigeht.

Herr Bundesminister! Sie trifft dafür aber auch eine Mitverantwortung. Sie propagieren im besonderen Ausmaß die Mitgliedschaft bei der NATO, und all diese Verträge, die bislang mit der NATO abgeschlossen worden sind, sind hier am Parlament vorbeigegangen. Es sind Verträge, die eine Mitwirkung und Befassung des Parlaments eigentlich zwingend vorschreiben. Da wir darüber aber nicht diskutieren und beraten können, tun Sie mit Ihren ständigen Forderungen der Sache nichts Gutes. Solange in diesem Hohen Hause die bestehende Kooperation mit der


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NATO im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden nicht außer Streit gestellt ist, sind natürlich alle weiteren Diskussionen im Hinblick auf eine weitere Entwicklung wenig zweckmäßig und wenig sinnvoll.

Daher auch mein Appell an Sie, auf Ihren Außenminister einzuwirken, der primär dafür verantwortlich ist, dem Parlament endlich die bisherigen Dokumente vorzulegen. Herr Kollege Mock hat das NATO-Rahmendokument für die "Partnerschaft für den Frieden" unterschrieben. Herr Außenminister Schüssel hat das Einführungsdokument unterschrieben. Außenminister Schüssel hat das individuelle Partnerschaftsdokument unterschrieben. Er hat das Sicherheitsabkommen unterschrieben. Das sind alles Abkommen, die das Zusammenwirken der Staatengemeinschaft mit Österreich regeln. Das sind alles Fragen, die das öffentliche Interesse betreffen, alles Fragen, die die Souveränität Österreichs betreffen, die die territoriale Integrität betreffen – und Sie tun so, als ob das keine Frage der Mitwirkung des Parlaments wäre.

Ich meine, das ist sehr wohl eine Frage der Mitwirkung des Parlaments. Es handelt sich um einen politischen Staatsvertrag, wenn nicht sogar um einen gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden, und daher wollen wir diese Dokumente sehen.

Ich appelliere an Sie, wenn Ihnen diese Entwicklung in Richtung europäischer Sicherheitsstrukturen tatsächlich am Herzen liegt, daß Sie einen Beitrag leisten, damit wir im Parlament über diese Dokumente und die Inhalte dieser Dokumente entsprechend diskutieren können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! In einer anderen Frage sind Sie direkt betroffen, denn es gibt ja nicht nur Abkommen mit der NATO, sondern es gibt auch eine Vielzahl anderer Abkommen mit Nachbarländern, mit Staaten oder mit befreundeten Armeen. Sie bezeichnen diese als Ressortübereinkommen. Ich sage Ihnen: Auch das sind Staatsverträge, die im Parlament abgehandelt werden müssen, weil sie sehr wohl die Souveränität berühren.

Ich bin total fassungslos, wenn Sie heute hier im Rahmen der Beantwortung der Dringlichen Anfrage erklären, daß wir überhaupt keine verfassungsgesetzliche Grundlage dafür brauchen, daß fremde Truppen in Österreich Übungen abhalten. Ich frage Sie: Wie stehen Sie wirklich zur Souveränität des Landes? Wie stehen Sie wirklich zur territorialen Integrität Österreichs? Daß Sie überhaupt nichts dabei finden, wenn plötzlich fremde Truppen in Österreich ihre Übungen absolvieren, kann ich absolut nicht verstehen. Ich glaube, hier bedarf es sehr wohl einer gesetzlichen Normierung, einer gesetzlichen Regelung, und dazu bedarf es der Befassung des Nationalrates. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf die Frage der Heeresreform, die ganz kurz angeschnitten worden ist, eingehen. Herr Bundesminister! Mit Ihrer Vorgangsweise – und ich sage das bewußt noch einmal, und zwar deswegen, weil Sie es im Ausschuß so dargestellt haben, als wäre das alles nicht so, wie es festgeschrieben steht – haben Sie bewußt die gesetzlichen Ablaufregeln gebrochen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Es ist erlaßmäßig festgeschrieben, daß Sie entschieden und die Umsetzung angeordnet haben. Es ist erlaßmäßig festgeschrieben, daß der konkrete militärische Planungsprozeß bereits einzuleiten ist. Und es ist erlaßmäßig festgeschrieben, daß bereits konkrete personalrechtliche Maßnahmen zu treffen sind, nämlich daß diese Verbände weder ...


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend): ... noch entsprechende Personalmaßnahmen treffen können. Damit haben Sie signalisiert, daß es für Sie eine entschiedene Sache ist. Und die politischen Gespräche, die Sie führen wollen, sind eigentlich nur Vorwand.

Faktum ist – und das verstehe ich überhaupt nicht –, daß sich die Sozialdemokratie ein derartiges Verhalten gefallen läßt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kammerlander. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.45

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Also wenn ich mir die doch ziemlich leeren Bänke bei den Freiheitlichen anschaue, so kann ich das nur mit dem Schwenk gleichsetzen, der offensichtlich vor sich geht. Sie hier herinnen scheinen die letzten aufrechten NATO-Befürworter und -Befürworterinnen zu sein. Den Rest Ihrer Fraktion scheint das Thema nicht mehr sehr zu interessieren. So sehe ich das. (Abg. Böhacker: Das Thema schon, aber Ihre Ausführungen nicht!)  – Es geht ja nicht um meine Ausführungen, es geht ja um Ihre Dringliche, die Sie eingebracht haben. Das ist der Punkt.

Aber eines haben Dringliche Anfragen an sich, daß sie nämlich doch etwas Neues oder Wissenswertes ans Tageslicht bringen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja der Sinn!) Immer gelingt es aber nicht, Frau Kollegin. Aber ich versuche das gerade herauszuarbeiten, weil das meiner Meinung nach Ihr Kollege Jung nicht genügend getan hat, nämlich den einen Punkt der Antwort des Ministers Fasslabend.

Sie haben bei der Beantwortung der Frage, ob Sie auch für einen möglichst raschen NATO-Beitritt sind, überraschende Zurückhaltung geübt, deswegen für mich überraschend, weil Sie sich bei verschiedensten Anlässen, sei es bei Veranstaltungen, sei es bei anderen öffentlichen Anlässen, sei es in Zeitungsinterviews, immer als glühender Verfechter eines möglichst raschen NATO-Beitritts hervorgetan haben. Da frage ich mich schon, was eigentlich der Grund Ihrer Zurückhaltung ist, die Sie hier an den Tag legen, wenn Sie sich hinter dem Optionenbericht verstecken und sagen: Warten wir einmal ab, bis der Optionenbericht da ist, dann werden wir schon weitersehen.

Sie werden aber völlig zu Recht auf der anderen Seite befragt, was die verschiedensten Abkommen betrifft, deswegen völlig zu Recht, weil Sie eben in dieser Bundesregierung einer der glühendsten Verfechter für den möglichst raschen NATO-Beitritt sind. Wir wissen natürlich – Kollege Schieder hat das auch eingeworfen –, daß der jetzige und der frühere Außenminister jene sind, die die verschiedenen Abkommen und Verträge unterzeichnet haben, aber Sie sind doch derjenige in der Regierung, der immer wieder, wie gesagt, bei den verschiedensten Anlässen diesbezügliche Vorstöße macht.

Bevor ich mich auf unseren Entschließungsantrag beziehe, den wir im übrigen auch nicht zum ersten Mal einbringen, der verlangt, daß diese Abkommen endlich dem Parlament zugeleitet werden, möchte ich schon noch auf die bemerkenswerte Antwort von Ihnen auf eine der letzten Fragen dieser Dringlichen Anfrage eingehen. Da ging es nämlich darum, was denn eigentlich die wichtigste Aufgabe des Bundesheeres in der Zukunft sein wird. Da haben Sie doch wirklich gesagt: Die wichtigste Aufgabe des Bundesheeres in Zukunft wird sein, fähig für Kampfeinsätze im Ausland zu sein und diese auch durchführen zu können.

Herr Minister! Sehen Sie, heute morgen habe ich Ihnen das vorgehalten, heute morgen habe ich Ihnen gesagt: Wenn bei einer Änderung des Wehrgesetzes als neue Aufgabe und Funktion des Bundesheeres die Friedenssicherung dazukommt und diese als Funktionsbeschreibung des Bundesheeres dient, dann ist das nichts anderes, als dieses Bundesheer tauglich dafür zu machen, Kampfeinsätze im Ausland durchzuführen.

Ihre Fraktion hat aufgebrüllt, welche ungeheuerliche Unterstellung das sei. Und jetzt, bitte, einige Stunden später, antworten Sie selbst: Die wichtigste Aufgabe des Bundesheeres in Zukunft wird sein – das sagt Ihr Minister, werte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP –, fähig zu sein, Kampfeinsätze im Ausland durchzuführen.

Das ist die NATO-Vorbereitung. Das ist der erste der scheibchenweise erfolgenden Schritte in die NATO-Vorbereitung. Denn ich kann es Ihnen nur noch einmal sagen: Die NATO sieht nichts


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anderes vor als immer mehr Einsätze out of area, außerhalb Europas und dafür entsprechend nicht nur aufzurüsten, umzurüsten, sondern auch die Truppen dahin gehend zu spezialisieren.

Ich finde das bemerkenswert, Herr Minister, denn das ist meiner Meinung nach in keiner Weise mit der Neutralität und mit der Verfassung, aber auch nicht mit dem bisherigen Verständnis von Landesverteidigung vereinbar. Das bisher und jetzt noch immer geltende Verständnis von Landesverteidigung ist die Verteidigung dieses Landes, und zwar in erster Linie und ausschließlich die Verteidigung dieses Landes! Es ist überhaupt nicht die Aufgabe, Herr Minister, dazu fähig zu sein, im Ausland Kampfeinsätze – nicht friedenserhaltende Maßnahmen, nicht Peace-keeping-Maßnahmen, nicht UNO-Einsätze haben Sie gesagt, sondern Sie haben wortwörtlich von Kampfeinsätzen gesprochen – durchzuführen. (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

Lesen Sie im Protokoll nach, Frau Kollegin! "Kampfeinsätze im Ausland" hat Ihr Minister gesagt. Das ist einen Mißtrauensantrag wert, das sage ich Ihnen! Und wenn er nicht heute gestellt wird, er wird wieder einmal erfolgen, weil Sie offensichtlich keine Ahnung haben von dem Auftrag, den Sie als Minister bekommen haben, wenn Sie solche Antworten heute hier geben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Tichy-Schreder: Sie haben!)

Sie haben offensichtlich überhaupt kein Verständnis dafür, was die Aufgabe des Bundesheeres noch immer ist und in den nächsten Jahren sein wird, solange es hier keinen Beschluß gegeben hat und solange es keine Volksabstimmung gegeben hat in die Richtung, daß die Neutralität aufgegeben wird und ein Beitritt zu einem Militärbündnis stattfindet, das dann solche Einsätze durchführt.

Aber so weit sind wir nicht! Auch wenn Sie es wollen, was Sie zwar heute am Anfang Ihrer Rede vornehm verschwiegen haben, so weit sind wir nicht! Und deswegen erscheint es uns so bedenklich, daß wir die verschiedensten Abkommen nicht erhalten. Deswegen erscheint es uns so bedenklich, daß wir ein Rahmenabkommen nicht erhalten, auch beziehungsweise gerade wenn es nur eine politische Absichtserklärung ist. Ja wieso bekommen wir denn dann diese politische Absichtserklärung nicht? Kann mir das irgend jemand hier erklären?

Wenn Sie auch nicht der Außenminister sind, Sie sind ein Mitglied der Bundesregierung. Setzen Sie sich doch dafür ein, daß wir diese politische Absichtserklärung bekommen, die nichts ist, die angeblich keine Verpflichtungen nach sich zieht! Sie zieht nur einen ganzen Rattenschwanz von Verpflichtungen nach sich: Verträge, Abkommen, Truppenstatuten, Ressortabkommen und so weiter.

Sie ist ein Nichts, das eine Unmenge von Verträgen nach sich zieht, wobei wir dann so zufällig das eine oder andere im Außenpolitischen Ausschuß plötzlich wiederfinden, wie eben das NATO-Truppenstatut, das erstens einmal ausdrücklich auf dem Rahmendokument basiert und zweitens ausdrücklich enthalten hat, daß dieses Abkommen an und für sich in seinem Artikel 1 verfassungsändernd ist. Das wird dort festgehalten. Jetzt gibt es zwar einen Vorbehalt der österreichischen Bundesregierung, aber wir wissen gar nicht, wie die NATO oder wie die Vereinigten Staaten auf diesen Vorbehalt reagieren werden.

So ignorant geht diese Bundesregierung mit dem Parlament um, daß wir all diese Informationen – sie sind schon aufgezählt worden – überhaupt nicht zur Kenntnis bekommen. Sie verlieren hier heraußen einerseits schöne Worte, was alles notwendig und wichtig ist, daß es jetzt ja gar nicht die Frage sei, ob NATO-Beitritt oder nicht, sprechen aber anderseits gleichzeitig vom Kampfeinsatz als der wichtigsten Aufgabe des Bundesheeres. Herr Minister! Sie müssen uns noch einmal erklären, wie Sie denn das gemeint haben und wie Sie das noch mit Ihrem Eid, den Sie ja schließlich auch auf die Verfassung abgelegt haben, vereinbaren können.

Damit wir endlich einmal informiert werden über all diese Abkommen, die nichts anderes sind als Absichtserklärungen, bringe ich wieder einmal folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Vorlage von Abkommen Österreichs mit NATO und WEU an den Nationalrat

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht alle mit der NATO oder der WEU abgeschlossenen Verträge und Abkommen Österreichs dem Nationalrat gemäß Art. 50 (1) B-VG zur Debatte und Genehmigung vorzulegen.

*****

Im übrigen haben Sie im Ausschuß einmal gesagt: Es gibt meinerseits nur Ressortübereinkommen, und die sind ja unbedeutend. Aber drei Tage danach haben Sie in einer folgenden Ausschußsitzung erklärt, es gebe keine Ressortübereinkommen. Diese "Kleinigkeiten" wie Absichtserklärungen und Ressortübereinkommen würden wir einfach gerne einmal auf dem Tisch haben, egal, ob Sie diese als bedeutsam beurteilen oder nicht. Die Beurteilung, was bedeutsam ist und was nicht, können Sie ruhig uns Parlamentariern überlassen. Wir sind nach wie vor jene, die beschließen, und wir sind einzig und allein die Repräsentanten hier, die auch darüber entscheiden können und sollen – und nicht Sie!

Ich kann nur immer wiederholen, was ich bereits heute morgen gesagt habe, als ich von Ihren Kollegen derartig verhöhnt worden bin: Deswegen wollen wir diese Abkommen haben, weil Sie dann dastehen und erklären, die wichtigste Aufgabe des Bundesheeres seien die Kampfeinsätze im Ausland. – Das ist ja nicht zum Anhören! (Beifall bei den Grünen.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der von Frau Abgeordneter Kammerlander verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und wird am Ende der Beratungen zur Abstimmung gelangen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schöggl. – Bitte sehr.

16.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Abgeordneter Maitz hat gesagt, der Versuch der Freiheitlichen, in die Koalition einen sicherheitspolitischen Keil zu treiben, sei die Absicht dieser Dringlichen Anfrage. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Koalition ist mit diesem Keil schon auf die Welt gekommen, ihn braucht man vielleicht nur noch ein bißchen weiter hineinzutreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Darum wird man gar nicht herumkommen.

Der Minister hat gesagt, es sei dies nicht die erste Heeresgliederung, die er durchführe. Das soll ja keine Drohung sein, denn die erste Gliederung, die Sie durchgeführt haben, Herr Minister, ist gerade fertig geworden, aber so richtig umgesetzt wurde sie und so richtig funktioniert hat sie eigentlich nicht. Wir fühlen ja bereits, daß nach dieser Gliederung die nächste kommen wird und dann wieder die nächste und so weiter. Und warum werden sie kommen? – Weil Sie immer wieder gezwungen sein werden, den institutionalisierten Mangel der Lage anzupassen. Das ist nämlich das Problem, das wir haben. Wenn Sie Erlässe herausgeben, eine Heeresgliederung-Neu-neu machen, dann ist das wieder nur ein Versuch, ohne die Notwendigkeiten zu beurteilen, ohne die Lage zu beurteilen, ohne das Bedrohungsbild zu veröffentlichen, die Organisation an die vorhandenen Möglichkeiten anzupassen.

Sie haben heute schon gesagt, die Beschaffung sei sehr günstig gewesen, wir hätten Okkasionspanzer gekauft. Man hat manchmal geradezu den Eindruck, wir werden aus einem Surplus und Überschußgüterladen versorgt. Mir ist vor einigen Tagen diese wunderbare Miliz-Infozeitschrift zugegangen (der Redner hält eine Broschüre in die Höhe), und ich habe mir gedacht, der Soldat auf dem Titelbild schaut so aus, wie ein österreichischer Soldat im Auslandseinsatz ausschauen sollte, nämlich perfekt ausgerüstet. Aber das stimmt eigentlich


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nicht mit der Wirklichkeit überein, denn nur ein Sechstel – ein Sechstel! – der Soldaten wird so ausgerüstet sein. Die tatsächliche Ausrüstung des österreichischen Bundesheeres schaut so aus, wie sie Abgeordneter Scheibner heute hergezeigt hat.

Herr Minister! Auf dem Bild ist dieser Vollvisierhelm drauf. Sie haben gesagt, wenn die Steine fliegen, sollen sich die Soldaten eben bücken. Wir halten den Vollvisierhelm an und für sich doch für die wichtigere Sache. (Zwischenruf.)  – Das wurde im Ausschuß gesagt.

Herr Minister! Sie haben so nach dem Motto "Nichts Genaues weiß man nicht" den Optionenbericht dargestellt. Dieser Optionenbericht muß ein Wunderding sein. Alles schaut wie das Kaninchen auf die Schlange auf diesen Optionenbericht, der im März kommen wird, und dann werden schlagartig alle Probleme gelöst sein, dann wird offenbar werden, welche Optionen es geben wird. Aber wie werden denn diese Optionen wirklich ausschauen? Sie haben sich ja eigentlich festgelegt. (Abg. Tichy-Schreder: Lassen Sie sich überraschen! Sie können nichts erwarten! Das sind die ungeduldigen Männer!) Ich kann es wirklich kaum erwarten, Frau Kollegin Tichy-Schreder! Ich bin sehr ungeduldig. Und wissen Sie, warum ich ungeduldig bin? – Weil es das Bundesheer nämlich nicht aushält, daß man so lange wartet, ohne endgültige Entscheidungen getroffen zu haben, ohne einen definitiven Auftrag für die Landesverteidigung erteilt zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist nämlich das Problem! Sie verstehen von der Wirtschaft vielleicht einiges, aber aus der Landesverteidigung halten Sie sich besser heraus! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Welche Option hat nämlich der Koalitionspartner? Sie haben sich eigentlich festgelegt. Der Spielraum für den Koalitionspartner ist nicht sehr groß. Und worauf läuft das hinaus? – Auf weitere Verzögerungen. Und damit gibt es weitere Probleme, weil es einen weiteren Substanzverlust draußen wegen Überalterung von Waffen und Gerät geben wird. Das ist das Problem! Es gibt keinen gescheiten Auftrag, es gibt auch keine definitiven Beschaffungspläne, die Substanz – das Gerät, die Waffen – wird immer älter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Genau dort liegt der Hase im Pfeffer!

Es gärt im Bundesheer. Es gärt in der Miliz. Der Brief des ÖVP-Mitgliedes – wie war sein Name? (Ruf bei den Freiheitlichen: Schaffer!)  – Schaffer wurde schon verlesen. Aber es gärt auch in der aktiven Truppe. Und wenn sich die Piloten in Zeltweg bereits öffentlich mit der AUA-Aktentasche, mit dem AUA-Aufdruck im Fliegerhorst bewegen, weil sie nur auf einen Absprung und ein entsprechendes Engagement bei der AUA oder der Lauda Air warten, dann ist das ein Symptom für uns, das wir wirklich nicht übersehen und wegdiskutieren können.

Ich darf noch auf die Situation in der Steiermark eingehen, die Herr Kollege Maitz zum Teil verschwiegen hat. In der Steiermark hat ja ehemals die ÖVP das Sagen gehabt. Inzwischen ist es so, daß die Steiermark ziemlich stark von der anderen Partei vereinnahmt wird, daß dort sehr stark die ehemals politisch zweite Kraft das Sagen hat. Es haben die steirischen Abgeordneten Schützenhöfer, Majcen, List, Löcker, Tschernko, Prutsch – meiner Meinung nach überwiegend ÖVP-Mitglieder – einen Antrag gestellt, in dem es um die steirischen Kasernen geht, die für das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung – die Slowenien-Krise ist unseren Freunden in der Steiermark noch in Erinnerung – von Bedeutung sind. Aber Sie sagen in Beantwortung einer diesbezüglichen Frage, wie gesagt, etwas Genaues weiß man nicht. Und das macht uns große Sorgen, Herr Minister!

Zum Abschluß: Ich habe hier die Vorschrift "Vom Auftrag zum Befehl", also wie man militärisch strukturiert einen Auftrag erteilt. Zuerst wird ein Auftrag erteilt, und zwar wird er mit der entsprechenden Planung untermauert. Dann wird die Lage beurteilt: Feind – eigene Gelände. Dann wird ein Entschluß gefaßt. Dann wird ein entsprechender Plan entwickelt und der Befehl zur Umsetzung gegeben. – Herr Minister! Wenn Sie diese Strukturen, diese Schemata einhalten, dann wird es in der österreichischen Sicherheitspolitik wieder vorwärtsgehen. Aber wenn man ständig irgendwelche Schritte vergißt, Schritte unterläßt, macht man keine erfolgreiche Sicherheitspolitik im Sinne unserer Bevölkerung. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: So auch nicht!)

17.02


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.02

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe diese Dringliche Anfrage sehr genau studiert. Ich stimme über weite Strecken damit überein, was die sicherheitspolitische Analyse anlangt. Und ich sage auch vollinhaltlich ja zu dem, was Kollege Scheibner betreffend Parteipolitik ausgeführt hat. Die Sicherheitspolitik eignet sich wirklich nicht für parteipolitische Überlegungen, für Parteitaktik und ähnliches. Dazu ist sie viel zu ernst und zu wichtig. Also da treffen wir uns auch wieder. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich sehe jedoch gravierende Unterschiede in den Schlußfolgerungen, die daraus zu ziehen sind. Daher möchte ich auch hier mit aller Klarheit feststellen, daß keine ernst zu nehmende sicherheitspolitische Analyse auch nur irgendwie eine existentielle militärische Bedrohung Österreichs für die überschaubare Zukunft ergibt. Wir wissen, daß der Stellenwert der klassischen Landesverteidigung an Bedeutung verliert. Die Hauptaufgabe des Bundesheeres bleibt natürlich weiterhin die militärische Verteidigung des österreichischen Territoriums, aber die neuen Aufgaben liegen im internationalen Bereich, in der internationalen Solidarität, in der Friedenssicherung, in der Katastrophenhilfe und in humanitären Aktivitäten. Daher muß die österreichische Sicherheitspolitik diesen neuen Anforderungen angepaßt werden. Und dazu bedarf es, Herr Bundesminister – ich habe das immer wieder betont –, einschneidender struktureller Veränderungen im Bundesheer.

Da Sie heute schon die militärischen Kommanden angesprochen haben, möchte ich sagen: Ich meine, daß zur Führung des österreichischen Bundesheeres ein einziges militärisches Kommando ausreicht. Das wäre kein österreichischer Sonderweg, sondern das entspricht auch der internationalen Norm.

Eine Adaptierung der bestehenden Heeresgliederung geht meiner Meinung nach in die falsche Richtung. Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind von einer grundlegenden Gesamtreform des Bundesheeres weit entfernt, denn Verschiebungen im organisatorischen Bereich allein lösen nicht die strukturellen Probleme des Bundesheeres. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese Verschiebungen schaffen nicht mehr Spielraum für die so dringend notwendigen Modernisierungsmaßnahmen, die in vielen Bereichen erforderlich sind, Herr Bundesminister.

Daher würde ich meinen: Erforderlich sind eine Neustrukturierung der Heeresorganisation und eine Straffung der Führungsstruktur mit Tiefgang. Das wollen wir gemeinsam in Angriff nehmen, und ich hoffe, daß dabei auch die Opposition mitgeht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der erste wichtige Schritt ist natürlich eine einschneidende Reduzierung im Führungs- und Verwaltungsbereich. Das fehlt mir bei Ihrer Adaptierung der Heeresgliederung. Wir müssen uns ja von dem derzeitigen Anteil von 62 Prozent der Personalkosten in Richtung der 50-Prozent-Marke bewegen. Daher bedarf es hier, wie gesagt, Strukturmaßnahmen mit Tiefgang. Wir müssen ganz einfach dafür Sorge tragen, daß das Gesamtbudget nicht nur für Personalkosten ausgegeben wird, sondern es bedarf natürlich auch der Geldmittel für die notwendigen Beschaffungsvorgänge im Bereich der Ausrüstung, der Modernisierung der Unterkünfte und vieles andere mehr. Daher muß eine Heeresstruktur angestrebt werden, die eine Reduzierung der Personalkosten mit sich bringt.

Herr Bundesminister! Hand in Hand mit der Reduzierung des Heeresumfanges muß es natürlich auch zu einer Verringerung der Standorte im Bundesheer kommen. Ich weiß, das ist ein sehr schwieriges politisches Unterfangen, aber ich glaube, wenn wir das gemeinsam seriös vorbereiten, werden wir auch da den richtigen Weg finden.

Ich meine, Herr Bundesminister, daß mit dieser Reduzierung des Heeresumfanges und durch die Strukturänderungen die Möglichkeit besteht, die Einsatzbereitschaft sowohl für die nationa


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len Aufgabenstellungen als auch für die Aufgaben im Rahmen der internationalen Solidarität sicherzustellen. Das ist ein gemeinsames Anliegen, und wir werden uns bemühen, gemeinsam diesen Weg zu gehen. Wir sind bereit, mitzuwirken, wenn es darum geht, die Glaubwürdigkeit und die Effizienz des Bundesheeres zu verbessern. Da haben Sie in uns einen wirklich seriösen Partner! (Beifall bei der SPÖ.)

17.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.08

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte mich kurz mit drei Fragen beschäftigen.

Zur "Dringlichkeit" der Anfrage ein wirklich amüsantes Detail, wenn ich Seite 4 Ihrer Begründung lese: Sie behaupten, wir hätten eine sehr unklare Linie in der Frage der künftigen Sicherheitspolitik, und begründen das wie folgt: "Vor allem aber die ÖVP-Landeshauptmänner im Westen Österreichs sind nicht auf Parteilinie zu bringen ..." (Abg. Jung: Das ist die unklare Linie!) Und dazu führen Sie auch ein Zitat an: Die NATO sei "ein Konzept, das auf Feindbildern aufbaut". Zitat Landeshauptmann Weingartner, 19. August 1969. (Rufe bei der ÖVP: Wann war das?)

Meine Damen und Herren! Großartig! Sie müssen 30 Jahre zurückgehen, damit Sie ein Zitat eines damals noch nicht Landeshauptmann gewesenen Politikers als Begründung für diese Ihre Behauptung finden. – Soweit zur "Dringlichkeit" dieser Anfrage. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich bin etwas aktueller. Ich habe jetzt ein Zitat vom 4. Dezember 1997 vorzubringen, und zwar betrifft das Ihren Obmann Haider, der sagte: Es geht nicht, daß man einen Schritt nach dem anderen setze mit der letztlichen Konsequenz, daß Österreich und sein Bundesheer immer stärker unter die Oberhoheit und Kontrolle der NATO gestellt werde. (Abg. Scheibner: Ohne Mitgliedschaft! Herr Kollege, Sie verstehen das leider nicht!)  – Sehr interessant, meine Damen und Herren! Eine Wendung um 180 Grad! Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen: Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und das Ja der FPÖ zur NATO neigt sich offenbar dem Ende zu. (Abg. Scheibner: Lesen Sie einmal unser Parteiprogramm!) Es ist anhand vieler Beispiele erklärbar, daß dem tatsächlich so ist, meine Damen und Herren.

Aber ich finde es hochinteressant, daß die Freiheitliche Partei nunmehr beginnt, ihren Kurs in Fragen NATO so zu relativieren und damit ein Ende ihrer NATO-Politik einzuläuten. Länger als ein Jahr einen Standpunkt in der FPÖ aufrechtzuerhalten, ist offensichtlich unmöglich. Ich halte das nur fest, denn das ist in Wahrheit die unklare Linie (Abg. Scheibner: Sieben Jahre ist das unsere Politik! Seit 1990!), die Sie vertreten – und nicht wir. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich kurz mit einem zweiten Punkt auseinandersetzen, meine Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Als "Staatsfeinde" haben Sie uns beschimpft!) Das betrifft die angebliche Nichtvorlage von Unterlagen. Der Herr Bundesminister hat heute dazu Stellung genommen. Ich darf Sie nur noch einmal erinnern (Abg. Ing. Reichhold: Spindelegger! Was sagst du zu dem Vorwurf "Staatsfeinde"!), daß das Rahmendokument zur Teilnahme an der "PfP" veröffentlicht wurde. Primosch/Siess-Scherz, KSE-BVG, meine Damen und Herren! Das Einführungsdokument wurde unterzeichnet und in eben dieser Publikation veröffentlicht. Das individuelle Partnerschaftsprogramm – offenbar ein ganz sensibles Dokument – wurde allen Klubs im März 1996 zur Verfügung gestellt – offenbar verlorengegangen in der FPÖ, möglicherweise auch in der SPÖ. Aber ich glaube, die Dokumentation sollte Ihnen das wiederbringen.

Ich frage mich daher – da repliziere ich auf Kollegen Schieder –, was es soll, noch einmal alle Dokumente vorzulegen, obwohl es, wie man zugibt, sich nicht um einen politischen Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 B-VG handelt. Ich halte nichts davon, denn, meine Damen und Herren, entweder bedarf es der Genehmigung des Nationalrates oder es bedarf nicht der Genehmigung des Nationalrates. (Abg. Dr. Khol: Ist alles publiziert!) Es bedarf eben in diesem Fall keiner Genehmigung. Und daher können Sie das, wenn Sie Interesse haben, nachlesen. (Zwi


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schenruf des Abg. Scheibner. ) Ich habe Ihnen die Publikation zitiert. Sie können sie sich auch gerne bei mir ausborgen. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Ich darf zu einem dritten und letzten Punkt kommen, der meiner Ansicht nach ebenfalls sehr interessant ist: Es geht um die Adaptierung der Heeresgliederung. Wir haben die Vorschläge des Kollegen Gaál gehört, der ein Korpskommando, neun Militärkommanden und 60 000 Mann-Truppen haben will. Das wurde in einer Pressekonferenz vorgestellt. (Abg. Gaál: Neun Militärkommanden habe ich nicht gesagt!) Wir haben die FPÖ gehört, die drei Korpskommanden und die Auflösung aller Militärkommanden will. (Abg. Scheibner: Wo haben Sie das gehört?) Wir haben die Liberalen gehört. Kollege Moser will, daß wir zur Westeuropäischen Union gehen, obwohl diese nach wie vor keine Bedeutung hat. (Abg. Gaál: Das haben Sie in der Märchenstunde gehört!) Vor einem Jahr, lieber Kollege Moser, ist die Diskussion im Liberalen Forum leider stehengeblieben. Ich würde daher empfehlen, sich auf den letzten Stand zu bringen. (Abg. Scheibner: Sie sollten sich besser vorbereiten, damit Sie nicht so einen Unsinn verzapfen!) Und wir haben die Grünen gehört, die am liebsten ein Korps von 1 000 Friedenstauben hätten.

Meine Damen und Herren! Das ist die Palette einer neuen Heeresgliederung. Ich würde sagen, wir sollten darauf vertrauen, daß uns jene, die den Überblick haben müssen, die die Kompetenz dafür haben und letztlich die Verantwortung tragen, einen Plan für eine Adaptierung der Heeresgliederung vorlegen. Das halte ich für die richtige Vorgangsweise. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. ) Wenn ich mir den Zeitablauf nunmehr vergegenwärtige, dann, so glaube ich, wird das auch die Vorgangsweise sein wird, wie diese Entscheidungen getroffen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf daher resümieren: Die Anfrage war nicht dringlich. Sie war inhaltlich durch die Vormittagsdebatte ersetzbar, und ich sehe eigentlich nicht ein, warum wir uns noch weiter darüber unterhalten sollten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Fragen Sie einmal die Soldaten, was sie unter dringlich verstehen!)

17.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.14

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei hat selbstverständlich eine Berechtigung, denn was ist in einem Ministerium los, wenn der Herr Minister auf Fragen, welche verfassungsrechtlichen Grundlagen es gibt, daß sich ausländische Soldaten in Österreich aufhalten, mit einer Gegenfrage antwortet – in der besten Tradition der ÖVP-Verteidigungsminister! Ich kann mich noch daran erinnern, als Herr Lichal gemeint hat, in Österreich sei alles erlaubt, was nicht verboten ist. (Abg. Böhacker: Ausdrücklich verboten!) Das ist aber nicht das Verwaltungsprinzip in Österreich. Soviel ich weiß, agieren wir aufgrund von Gesetzen. Und diese Frage ist mehr als berechtigt.

Herr Minister! Das Mißtrauen gegen Sie ist keine Erfindung der Grünen, sondern das ist einer handfesten APA-Aussendung zur NATO-Debatte zu entnehmen. Herr Kostelka ist "empört" über Sie. Er ist immerhin Ihr Koalitionspartner, wenn ich mich nicht ganz täusche. Er ist doch der "rote Bruder" des Herrn Khol. Warum muß denn er "empört" sein? Er denkt sogar über eine Rücktrittsforderung nach. Was ist denn da los?

Meine Damen und Herren! Ist Ihr Freund Kostelka nicht mehr ganz auf Linie? Weiß er nicht, was er von Ihren Vorstößen zu halten hat, daß Sie nicht wissen, welche Gesetze dafür notwendig oder nicht notwendig sind, wenn ausländische Truppen in Österreich üben? Ich verstehe schon, Sie haben ein ganz neues Verständnis für den Betrieb Bundesheer. Das ist für Sie wie ein Wirtschaftsunternehmen. Da gibt es eine Standortsicherung, die jetzt zur Debatte steht. Für den Standort Österreich müssen die Kasernen, müssen die Rüstungseinheiten gesichert werden,


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und selbstverständlich muß auch Ihre Position gesichert werden. Das ist eine ganz neue Diskussion, und ich finde, es ist das gute Recht der Freiheitlichen Partei, die eine klare Linie zum NATO-Beitritt hat, daß sie auch hier abfrägt, welche Linie die Regierungspartei, insbesondere der Verteidigungsminister hat.

Meine Damen und Herren! Die Fragen waren so präzise gestellt, daß ich den Verdacht habe, daß sie im Verteidigungsministerium formuliert wurden. (Abg. Scheibner: Noch nicht, Kollege!) Dieses Spiel kenne ich schon. Ich habe den Verdacht, daß der Familienname dieses Mannes, der das formuliert hat, mit R anfängt. Aber möglicherweise ist das ein Fehler. Aber die Präzision dieser Formulierungen hätte es sich zumindest verdient, daß Sie, Herr Verteidigungsminister, darauf ein bißchen antworten.

Wenn Sie gefragt werden, wie dieser "subalterne Bedienstete" in Ihrem Ministerium heißt, dann hätte ich mir gewünscht, daß Sie nicht so allgemeine militärpolitische Statements abgeben, sondern daß Sie den Namen einfach buchstabieren. Das kann doch nicht so schwer sein. Ich kann mir vorstellen, daß der Name sicher einfach auszusprechen ist, diesen in der vollen Tragweite aufzunehmen, würde wahrscheinlich auch das Auffassungsvermögen sämtlicher Abgeordneten nicht überstrapazieren. Ich würde Sie daher doch ersuchen, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Oder wissen Sie nicht, wie dieser "subalterne Beamte", der Ihre Weisungen mißversteht, heißt? – Entweder nuscheln Sie so in Ihrem Ministerium, oder dieser "subalterne Beamte" hat einen Hörfehler. Man sollte vielleicht überprüfen, ob die Ausrüstung nicht an Panzern und Helmen und anderen Geräten mangelt, sondern vielleicht hat der Mann nur einen Hörfehler. Sie sollten ihm vielleicht ein bißchen helfen.

Zu den Kosten des NATO-Beitritts. Herr Bundesminister, ich verstehe nicht, warum Sie sich in dieser Frage immer so drücken und zieren. Sie sprechen immer um den Brei herum: Österreich gibt im Vergleich zu den anderen NATO-Mitgliedstaaten sehr wenig aus, nicht einmal den Durchschnitt erreichen wir. Warum sagen Sie das nicht ganz offen und ehrlich, wie das teilweise zumindest die FPÖ tut. Diese sagt zumindest, wenn wir den Durchschnitt erreichen wollen, dann müssen wir zirka 20 Milliarden Schilling jährlich drauflegen. Warum sagen Sie das nicht? Darf man das nicht sagen? Würde das die Österreicherinnen und Österreicher vielleicht in einer Zeit, in der Sparpakete gemacht werden, in der die Studenten ihre Freifahrten verlieren, in der AlleinerzieherInnen Kürzungen hinnehmen müssen, in der Familienbeihilfen gekürzt werden, beunruhigen? Vielleicht würde das die Menschen irritieren. Das wollen Sie nicht, und jetzt zu Weihnachten ist das wahrscheinlich ganz deppert. So etwas macht man nicht, bitte schön. So etwas wollen Sie nicht ansprechen.

Schieder wird es sicher nicht irritieren, denn er weiß, wie Sie sich um diese Zahlen herumschwindeln. Scheibner irritiert das auch nicht besonders, er möchte nur eine öffentliche Deklaration. Sie wissen ganz genau, wenn nur der Durchschnitt – dieser ist in der letzten Zeit aufgrund vernünftiger Abrüstungen innerhalb der NATO reduziert worden – erreicht werden soll, dann bedeutet das eine Verdoppelung des österreichischen Militärbudgets. Warum sagen Sie das nicht in aller Öffentlichkeit?! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Die Freiheitliche Partei schreibt in ihrer Begründung: Das Erfordernis, der Finanzierungsbedarf für die nächsten zehn Jahre beträgt zwischen 100 und 140 Milliarden Schilling. Dazu sagt das Ministerium, das ist unglaublich, das hat sich wahrscheinlich wieder ein "subalterner", "kleiner" Zeitsoldat, der dauernd Wache schiebt, aus dem Finger gesogen und hat es Scheibner über den Heeres-Nachrichtendienstler Jung zugespielt. Diese Zahlen werden dann hier in diesem Haus genannt, und Sie sind völlig überfordert. Sie wissen nicht, was Sie mit dieser unglaublich hohen Zahl anfangen sollen. Sie können wahrscheinlich nur bis 20 Millionen zählen, denn das ist genau die Summe, die Sie als Mitgliedsbeitrag anführen. Kollege Van der Bellen hat heute schon gesagt, daß das wahrscheinlich für die Kaffeekasse ist, die Sie in der NATO brauchen. Warum nehmen Sie nicht Stellung zu dieser Zahl? Ist sie völlig aus den Fingern gesogen? Ist das ein vorweihnachtlicher Scherz, um die Menschen in Österreich, um Herrn Maitz zu beunruhigen, der meint, der NATO-Beitritt sei die billigste Option? Da sind wir gemeinsam, reich, sicher und fühlen uns wohl. Dann können wir mit den Amerikanern und Russen Klartext über die Weltlage sprechen. Ist das die Rücksichtnahme auf Herrn Maitz? Mich würde


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interessieren, welche Zahlen das sind? – Sind das Horror- oder Gruselmärchen der Opposition, wie Kollege Maitz immer behauptet? Sind das reine Erfindungen, oder sind das konkrete, massive und klare Annahmen aus den Reihen da hinten, die trotz Ihres eifrigen Feminismus, den Sie an den Tag legen, noch immer männlich besetzt sind. – Meine Damen und Herren! Warum kann der Bundesminister darauf keine klare Antwort geben?

Ich habe wenig Sympathie für diese Dringliche Anfrage, aber für die Intention, daß Sie endlich Klartext sprechen sollen, habe ich volles Verständnis. Meine Damen und Herren! Es kann doch nicht sein, daß Sie ununterbrochen hier hinter diesem herrlichen Mikrophon sitzen, braungebrannt sind wie ein Sunnyboy und der österreichischen Republik erzählen, es ist alles sehr schwierig einzuschätzen, die Frage ist sehr interessant, aber man sollte das Ganze aus dem tagespolitischen Streit herausnehmen. Heben Sie sich das für die Debatte über die 0,5- und 0,8-Promille auf, damit kann man parteitaktische Spiele machen, aber nicht bei der Verteidigungsfrage, meine Damen und Herren! Das ist eine Frage, die uns alle angeht, da müssen wir Klartext sprechen, da müssen wir seriös sein.

Herr Bundesminister! Wissen Sie, was das, was Sie hier geboten haben, ist? – Das ist eine Beleidigung dieses Hauses, das ist eine Provokation! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben null Antworten auf eine Reihe von Fragen gegeben. Herr Bundesminister! Nochmals: Ich habe wenig Verständnis für den Inhalt dieser Dringlichen, aber ich habe jedes Verständnis für das demokratiepolitische Begehren der Freiheitlichen.

Ich weiß schon, Herr Bundesminister, daß es für einen Minister wie Sie schön wäre, endlich einmal an einem reich gedeckten Tisch zu sitzen und mit den Amerikanern mitzugestalten. Es wäre schön, mit Billy und Boris an einem Tisch zu sitzen und über die Weltpolitik zu reden. Und es wäre traurig, wenn der Weihnachtsmann kommt und die Weihnachtskerzen brennen, draußen in der Kälte zu stehen. Ich weiß schon, daß Sie darauf drängen, aber vergessen Sie eines nicht: Noch ist dieses Parlament Vertreter des Souveräns, und dieses Parlament ist nicht zu umgehen! (Beifall bei den Grünen.)

17.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.23

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst mit den Ausführungen meiner Vorredner befassen, aber nicht mit denen des Kollegen Wabl, sondern zunächst einmal mit denen meines Hinterbrühler Nachbarn Spindelegger. Ich darf es ihm noch einmal erklären: Wir Freiheitlichen sind die einzigen im innenpolitischen Spektrum Österreichs, die sogar in ihrem neuen Programm eindeutig festgeschrieben haben, daß kein seriöser Weg an einem NATO-Beitritt vorbeiführt! Kein seriöser Weg! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Religiöser!)

Aber wir sind der Meinung – das ist mit einer der Hauptgegenstände der heutigen Anfrage –, daß man nicht nach außen hin erklären soll, das kann man nicht, das tut man nicht und all das findet nicht statt, aber durchs Hintertürl wird das ohne rechtliche Grundlage bereits ausgeübt. Wir sind dafür, aber es muß alles seine Ordnung haben. Es muß durch dieses Hohe Haus gehen und entsprechend rechtlich und politisch abgesichert werden. Das ist es, was wir sagen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Wort zu meinem Vorredner Gaál: Du hast den Standpunkt vertreten, du siehst weit und breit keine existentielle Bedrohung für Österreich. Da hast du Gott sei Dank recht, aber solche Szenarien können sich sehr rasch ändern. Man braucht sich nur die Nachrichten anzuhören, was in der Umgebung Österreichs passiert. Und wenn ich mir vorstelle, was da rasch und nicht leicht vorhersehbar aus dem Balkanbereich, aus dem mittleren Osten, aus der ehemaligen Sowjetunion und was alles dazugehört, auf uns zukommen kann, dann denke ich mir, daß wir uns eines Tages wünschen könnten, vorbereitet zu sein. Wir müssen schon jetzt aufpassen, daß wir entsprechend vorbereitet sind, um dem begegnen zu können, damit wir nicht erst dann


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anfangen müssen, uns auf diese Dinge vorzubereiten, wenn es zu spät ist. Ich wünsche dir, mir und uns allen, daß du recht hast, aber ich fürchte, daß man sich als verantwortungsvoller Verteidigungspolitiker auch damit befassen muß, sich auf Dinge vorzubereiten, die möglich sind, wenn sie auch vorerst nicht wirklich wahrscheinlich erscheinen. Und genau in dieser Phase befinden wir uns. Ich sehe mich da eigentlich nicht wirklich im Gegensatz zu dir. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Peter Schieder: Peter! Es ist ein Irrtum, wenn du glaubst, daß wir uns aus Konkurrenzgründen zu den Grünen zu dieser heutigen Aktion veranlaßt gesehen haben. Es ist anders. (Abg. Schieder: Muß wehgetan haben, wenn schon ein Dritter dazu redet!) Es ist falsch, und falsche Sachen soll man nicht im Raum stehen lassen.

Du bist ein gescheiter Politiker, der sich seit Jahrzehnten auskennt! Du weißt genau, worum es geht! Es ist die Sorge, die uns hier herausgeführt hat. Es ist zunächst die Sorge um das internationale Renommee Österreichs, und das kennst du als gelernter Außenpolitiker. Immer mehr verdichtet sich der Eindruck in unserer näheren und weiteren Umgebung, daß wir perfekte Trittbrettfahrer sein wollen. Es gelingt uns noch nicht ganz. Wir haben die Vorstellung, daß wir uns da einfach durchschwindeln. Über kurz oder lang haben wir im Westen die NATO, außer der Schweiz, die spielt eine geringere Rolle, haben wir im Norden die NATO, im Süden die NATO und im Osten die NATO. Was soll uns dann eigentlich noch passieren? Wir sind dann mitten in einer Umgebung von lauter NATO-Staaten, da können wir völlig gratis die perfekte Sicherheit erben.

Aber du weißt wie ich, daß das nicht ehrenvoll ist. Wir machen uns lächerlich, und wir sind auf diesem Sektor an der Grenze dabei, geringgeschätzt zu werden. Und es wird sich auch politisch auswirken, denn ein Staat, von dem man den Eindruck hat, daß er sich in der internationalen Gemeinschaft, vor allem in der europäischen Umgebung, die Rosinen herauspicken möchte, die Vorteile für sich in Anspruch nehmen möchte, aber nichts beitragen möchte, kein Risiko, keine Anstrengung, keine innerpolitischen Zores haben möchte und vor allem kein Geld insvestieren möchte, wird auf die Dauer nicht ernstgenommen werden. Und es wird schwierig werden, uns mit dieser Haltung durchzusetzen, lieber Peter! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist die Sorge, in diesem Zusammenhang weiter zu beobachten. (Abg. Wabl: Eine Frage!) – Eine ganz kurze, denn ich habe wenig Zeit. (Abg. Wabl: Warum engagieren Sie sich nicht so für die Solidarität bei der Entwicklungszusammenarbeit?) – Das mache ich! Fragen Sie Gusenbauer! Da sitzt er. (Abg. Wabl: Wirklich wahr?) Natürlich!

Ich habe in ihm einen prominenten Zeugen, der das weiß. Ich habe auch ein Abstimmungsverhalten an den Tag gelegt, das sich von meiner Umgebung ... (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Weil Sie nicht aufpassen, Kollege Wabl! Sie dürfen nicht nur sich selbst zuhören, Sie müssen auch zuhören, wenn die anderen reden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Selbstdarstellung von diesem Pult aus ist zwar für einen Politiker keine Schande, aber sie ist nicht alles, man muß auch ein bißchen zuhören, was andere sagen, denn dann wird man nicht zu solchen Fehleinschätzungen kommen.

Aber jetzt zur Problematik der Situation im Heer. Wir alle beobachten mit wirklicher Sorge, daß es mit dem Heer immer weiter bergabgeht. Wir haben die Heeresreform-Neu erlebt, wir erleben jetzt die Reform Neu-neu, und man hört, daß bereits die Heeresreform Neu-neu-neu vor der Tür steht. Sie wird vielleicht anders heißen, aber im Ergebnis wird das so sein. Man schließt Einheiten, die schon keine Substanz mehr haben, mit anderen Einheiten zusammen, die noch halbwegs aufgefüllt erscheinen. Man vermeidet es ängstlich, sich darauf einzustellen, daß das Material schön langsam den Weg des Schrotts geht, daß wir bald keine Flieger und keine tauglichen Fahrzeuge mehr haben werden. Wir kaufen "neue" Panzer, die in Wahrheit so alt sind wie die Panzer, die wir verschrotten, nur sind sie um ein Drittel weniger an Zahl. Wir nehmen uns vor, daß wir eine hohe Zahl, eine dreistellige hohe Zahl an PANDUR-Radpanzern österreichischer Provenienz anschaffen werden, und dann halten wir bei wenigen Dutzend. Wir haben nicht die Mannschaften, um die Aufgaben, die dieses Heer hat, wirklich erfüllen zu können. Jun


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ge Leute wollen zu den Pionieren eingezogen werden, sie wünschen sich, dort arbeiten zu können, es wird ihnen aber bedeutet, dazu haben wir keine Leute und dazu haben wir auch kein Material.

Und jetzt sind wir bei einem anderen Thema. Ich vertrete den Standpunkt, der durch Verfassung und Gesetz gedeckt ist, daß das Heer in erster Linie für Verteidigungszwecke da ist, aber es gibt auch andere Aufgaben, etwa den Katastrophenschutz. Aber hinter vorgehaltener Hand sind sich alle darüber im klaren, daß auch der Katastropheneinsatz nicht mehr ernsthaft ausgeübt werden kann. Es gibt keine ausgebildeten Leute – auch du hast das erwähnt – und vor allem kein Material. Die schweren Maschinen aus dem Pionierbereich, die schweren Fahrzeuge sind schon längst in Bosnien, sie sind nicht ersetzt, aber darüber wird einfach geschwiegen.

Die Brückenbaugeräte sind längst beim letzten oder vorletzten Hochwasser irgendwo eingebaut worden. Wenn man wieder einmal eine Brücke bauen will, wird leider keine da sein. Man müßte schauen, ob man irgendwo eine herausholen könnte.

Wenn man Leute in den internationalen Bereich bringt, dann stellt sich heraus, daß sich die Umgebung auch über ihre Mannesausrüstung lustig macht und sie einfach nicht zu akzeptieren bereit ist. Da müssen Hals über Kopf neue Helme angeschafft werden. Da müssen Hals über Kopf taugliche Splitterschutzwesten angeschafft werden. Da müssen die Fahrzeuge "gehärtet" werden, wie es so schön heißt.

Wenn man diese Dinge im Auge hat, macht man sich Sorgen um das Heer und die Sicherheit, vor allem aber um die Soldaten. Bei den Soldaten gibt es nicht nur Berufssoldaten, die das eben in Kauf zu nehmen haben, weil sie es freiwillig auf sich nehmen, es sind auch Grundwehrdiener dabei, einige 10 000 im Jahr, circa 29 000 derzeit. Das sind ohnehin zu wenige. Um diese müssen wir uns besondere Sorgen machen – nicht weil ein Menschenleben mehr wert wäre als das andere, sondern weil wir es aufgrund der von uns in diesem Haus beschlossenen Gesetze dazu gebracht haben, daß viele gegen ihren Willen einrücken müssen und sich den entsprechenden Risken aussetzen müssen. Das sind unsere Sorgen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wabl: Stimmt das, was Kollege Ofner gesagt hat mit der Entwicklungszusammenarbeit? – Abg. Schieder: Ja, das stimmt!)

17.31

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Quasi als Präambel zur Sicherheitspolitik die Klärung der Causa Ofner und sein Engagement in Fragen der Entwicklungspolitik: Werter Kollege Wabl! Ich würde Sie ersuchen, jene Abgeordneten der FPÖ, die für ein entwicklungspolitisches Engagement zu haben sind, wie Kollege Ofner, nicht zu vergrämen. Es sind nämlich leider nicht sehr viele. Daher sind wir sehr froh darüber, daß wir ihn in diesem Zusammenhang haben.

Zweiter Punkt, zur sicherheitspolitischen Debatte: Da möchte ich gleich auf Kollegen Ofner eingehen, der sich um das internationale Renommee Österreichs gesorgt hat. Ich verstehe schon, daß es sehr stark darauf ankommt, mit wem man sich in der Welt unterhält. Aber auch die anderen neutralen oder nicht paktgebundenen Staaten Europas, Irland, Schweden, Finnland, die Schweiz, sehen sich in der jetzigen Situation nicht veranlaßt, ... (Abg. Dr. Ofner: Schau dir die Verteidigungsanstrengungen an, die die unternehmen!) – Ja, aber diese sehen sich auch nicht veranlaßt, in der jetzigen Situation Mitglied der NATO zu werden. Sie haben überhaupt keine Veranlassung, sich deswegen irgendwie schief anschauen zu lassen. (Abg. Dr. Ofner: Die tun selbst etwas! Wir machen das eine nicht und das andere nicht!)

Dann reden wir mit Freunden in den USA und sagen: Wir hören, da besteht dauernd das Interesse, Österreich soll Mitglied werden und so weiter und so fort! – Selbst diejenigen, die sehr dafür sind, daß sich die NATO erweitert, sagen: Wir üben überhaupt keinen Druck aus. Österreich soll sich entscheiden. Der Beitrag Österreichs war bisher ein wertvoller, und der Beitrag Österreichs wird auch in Zukunft ein wertvoller sein.


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Ich finde es weder gut noch zweckmäßig, daß man versucht, von außen scheinbar eine Debatte zu inszenieren und die innenpolitische Debatte unter Druck setzen zu wollen, weil das wegführt von der eigentlichen Entscheidung, nämlich daß das österreichische Volk, das österreichische Parlament und die österreichische Bundesregierung weiterhin souverän bestimmen werden, mit wem, zu welchen Bedingungen, mit welchen Instrumenten und mit welchem Anteil an unserem Bruttoinlandsprodukt Österreich seine Sicherheit sicherstellen und gewährleisten wollen wird. Das ist in erster Linie eine österreichische Entscheidung. Nebelschwaden in Gang zu setzen, daß die einen oder anderen uns schon scheel anschauen, hilft uns in dieser Debatte nicht weiter.

Was aber hilfreich wäre, ist, die sicherheitspolitische Debatte nicht zu verengen und zu sagen, es geht jetzt nur darum, wann wir endlich in die NATO hineingehen, weil das doch wirklich das einzige ist. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Ich glaube, man sollte die Debatte offen führen, und wir führen diese Debatte offen und sagen ganz offen (Abg. Scheibner: Ihr habt heute in der Früh die NATO ausgeschlossen!) – Herr Kollege Scheibner, ich habe nur fünf Minuten Zeit, sei so geduldig und lasse mich aussprechen –: Es gibt seit den Madrider Entscheidungen eine Entwicklung der NATO, die in einzelnen Bereichen positiv, in anderer Richtung meiner Meinung nach nicht so positiv ist.

Der Nordatlantische Partnerschaftsrat ist positiv. Es sind die erweiterten Möglichkeiten der "Partnerschaft für den Frieden" positiv. Aber ich melde Skepsis bei denjenigen an, die ein europäisches Sicherheitssystem wollen, daß die europäische Komponente in Madrid nicht sehr stark zum Durchbruch gekommen ist. (Abg. Scheibner: Die Europäer sind schuld!) Die Österreicher alleine werden auch nicht das Schwergewicht der Amerikaner in die andere Richtung bringen. Das werden Sie doch selbst nicht glauben, Kollege Scheibner! (Abg. Scheibner: Die Europäer sind schuld!)

Es hat sich herausgestellt, daß Europa dort im wesentlichen die zweite Geige spielt, und wenn das der Fall ist, kann man die NATO nicht als ein europäisches Sicherheitssystem verkaufen.

Vierter Punkt – auch diese Frage muß man sich anschauen –: Ist es sinnvoll, mit dem Kurs der fortgesetzten Osterweiterung der NATO die nächsten zehn Jahre in einem Spannungsverhältnis mit Rußland zu leben? Ist es sinnvoll, daß es bei jedem einzelnen Land Osteuropas eine Debatte gibt, ob seine Aufnahme als Bedrohung für die russische Sicherheit empfunden wird, ja oder nein? – Ich stelle die Frage, ob das für eine stabile Entwicklung Europas sinnvoll ist.

Wenn man sich nur diese vier Punkte ansieht, dann glaube ich nicht, daß man sich einfach hier herstellen kann und alles, was in der NATO passiert – einer hat sich heute dazu verstiegen und gesagt, das seien lauter einwandfreie Demokratien, aber da hätte ich in bezug auf die Türkei auch meine Einschränkungen anzubringen –, immer als glorreich und den einzigen Weg verteidigen kann. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )  Mir scheint diese Debatte außerordentlich undifferenziert zu sein.

Herr Kollege Stadler! Ein Redner Ihrer Fraktion hat gesagt, Österreich erhalte den Vorwurf, daß wir uns dauernd nur die Rosinen heraussuchen. Ich würde sagen: Erinnern Sie sich an die Argumentation, die Sie beim EU-Beitritt vorgetragen haben, als Sie dauernd gesagt hat: Österreich zahlt zuviel, Österreich leistet zu große Beiträge!, und in Wirklichkeit haben Sie die Rosinenpickerstrategie vertreten. Jetzt aber sagen Sie, Österreich sei ein "Trittbrettfahrer". – Ich glaube, so ist eine Debatte nicht seriös zu führen.

Ich halte es aber auch nicht für sinnvoll – das sage ich in aller Freundschaft dem Kollegen Spindelegger –, jedem, der einen anderen Vorschlag vertritt, wie das unser Freund Toni Gaál gemacht hat, gleich zu unterstellen, daß es an Kompetenz mangle. Ich glaube nicht, daß das eine zivilisierte Form der Debatte ist, immer nur dort Kompetenz anzusiedeln, wo man seine eigene Position findet.

Darüber hinaus sage ich auch: Auch wenn es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, daß der Herr Verteidigungsminister die Verträge dem Parlament vorlegen muß, würde ich schon Wert darauf legen, daß es gerade in einer entscheidenden Frage wie der Zukunft der österreichi


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schen Sicherheitspolitik eine umfassende Einbeziehung des Parlaments gibt. Es entspricht auch der alten Tradition, die Außenminister Mock in der Vergangenheit immer gepflogen hat, in außen- und sicherheitspolitischen Fragen eine umfassende Einbindung des Parlaments durchzuführen – auch dann, wenn er gesetzlich nicht dazu veranlaßt war.

Ich würde davon ausgehen, daß es sinnvoll ist, wenn der Herr Verteidigungsminister dem Beispiel des früheren Außenministers folgen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. König. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.38

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien haben vereinbart, bis Ende März nächsten Jahres einen Optionenbericht zu erstellen und dann aufgrund dieses Optionenberichtes nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Ich glaube, daß das eine seriöse Vorgangsweise ist.

Selbstverständlich muß ein Optionenbericht für alle Optionen offen sein: für die Option NATO genauso wie für jede andere. (Abg. Dr. Kostelka: Warum eigentlich?) – Weil man nur dann auswählen kann, wenn man tatsächlich alle Optionen, die sinnvollerweise zur Verfügung stehen, bewerten kann. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist aber kein "Wünsch-dir-was"!) Man kann natürlich als Partei Präferenzen haben, und der ÖVP-Bundesparteivorstand hat einen solchen Beschluß gefaßt, daß die ÖVP der Auffassung ist, daß wir aufgrund der geänderten Verhältnisse gut beraten wären, die Möglichkeit zu ergreifen, der NATO-Neu beizutreten.

Nun ist das eine politische Meinung. Sie wird erst dann eine qualifizierte Meinung sein, wenn man sich in der Regierung und in der Koalition findet. Jede andere und jede Übergangsform hat genau dieselbe Berechtigung der Diskussion. Anders kann man an das Problem nicht herangehen.

Nun ist die Freiheitliche Partei drängend. Das steht der Opposition zu, aber: Das erinnert mich frappant an die Zeit, als die Freiheitliche Partei auch stets mit dem EU-Beitritt drängend war. Wir haben auch damals die Meinung vertreten, wir sind für den EU-Beitritt, der Koalitionspartner war noch nicht so weit, und das ist auch kein Vorwurf. Jede Partei hat Leute, die Bedenken haben. (Abg. Dr. Kostelka: Warum haben Sie eigentlich keine Empfehlung gemacht für die Volksabstimmung? – Jede Partei hat sich ...!) – Für welche Volksabstimmung? (Abg. Dr. Kostelka: Die Volksabstimmung über den EU-Beitritt! Ihre Partei hat damals keine Empfehlung abgegeben!) – Aber selbstverständlich! Die Volkspartei hat sich doch ganz eindeutig für den Beitritt zur Europäischen Union ausgesprochen. Daß man angesichts der Totalrevision der Verfassung eine Volksabstimmung über das Verfassungsgesetz braucht, war doch vollkommen klar. Also da gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Ich bestreite nicht, auch bei uns hat es Leute gegeben, die Bedenken und Sorgen hatten. Bei Ihnen in der SPÖ hat es eben mehr gegeben, und es hat länger gedauert, bis es dem Koalitionspartner möglich war, denselben Weg auch einzuschlagen, und wir sind dann den gemeinsamen Weg gegangen. Leider mußten wir damals auf Sie von der FPÖ verzichten.

Nun möchte ich Kollegen Ofner ansprechen und sagen, daß ich gar nicht unterstellen will, daß das jetzt wieder so kommt. (Abg. Dr. Ofner: Nehmt uns beim Wort! Nehmt uns beim Wort!) – Ja, das ist eine gute Idee. Nach mir kommt Kollege Stadler zum Rednerpult. Wenn diese Wortmeldung heute noch einen besonderen Gewinn gegen Ende der Sitzung haben soll, dann würde ich ihn bitten, daß er hier ganz offiziell, nicht nur als ein gewichtiger Abgeordneter, wie das Dr. Ofner ist, sondern namens der Fraktion erklärt, daß die Bereitschaft, der NATO beizutreten, auch dann die notwendigen Verfassungsbestimmungen mitzutragen, ... (Abg. Jung: Haben Sie unseren Antrag im Bundesrat nicht gelesen?!) – Nein, nicht das Programm.


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Sie müßten hier erklären, daß das eine unveränderbare Haltung ist und daß diese nicht auf einmal abgeändert wird, wenn, wie Kollege Jung gesagt hat, das viel mehr kostet, als der Verteidigungsminister gesagt hat. Dann kann man nicht sagen, das ist uns jetzt zu teuer, oder wir sind zu wenig vorbereitet. (Abg. Dr. Ofner: Machen wir einen Entschließungsantrag miteinander für den Schluß der Sitzung!)

Nein, wir sind aufgrund unserer gemeinsamen Absprache verpflichtet, den Optionenbericht erarbeiten zu lassen, seriös zu diskutieren und dann eine gemeinsame Lösung zu finden. Aber das kann doch Sie nicht davon abhalten, bei Ihrer Haltung zu bleiben und diese hier zu bekräftigen. (Abg. Scheibner: Sie können uns ohnehin nicht davon abhalten!) Wenn Sie das hier tun, dann werden Sie alle Zweifel zerstreuen, daß es wiederum einmal anders käme. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das kennen die Zickzackbrüder nicht!)

In einem möchte ich Abgeordneten Scheibner auch zustimmen. Er hat heute im Rahmen seiner Rede etwas gesagt, was ich durchaus unterschreiben kann. Ich glaube, niemand sollte es wollen – er hat gesagt, Sie wollen doch sicher nicht! nein, wir wollen das nicht –, aus einer solchen wesentlichen Frage für unser Land eine Wahlkampfauseinandersetzung zu machen. Gerade deshalb ist es auch nicht gescheit, würden wir in der Koalition in einer Weise drängen, die dann tatsächlich zur Folge hätte, daß das zu einer Wahlkampfauseinandersetzung statt zu einem ernsten Ringen um die beste Lösung für die Sicherheit unseres Landes wird. Das muß das oberste Gebot sein, und zwar für die Opposition und für die Regierung in gleicher Weise. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Sicherheitskonstruktion in Europa sagen. Ich verstehe nicht ganz, weshalb die Liberalen meinen, die NATO dürfe es nicht sein, aber WEU schon. – Es ist klar, daß die WEU in ihrer Beistandsverpflichtung über die NATO hinausgeht. Sie deckt auch Out-of-area-Aktionen, geht also weiter. Wenn man das Weitere bejaht, warum das Nähere nicht? (Abg. Jung: Das ist keine Beistandsverpflichtung! Das hat doch damit nichts zu tun!) – Das hat damit zu tun, nur ist die WEU nicht in der Lage ... (Abg. Jung: Sie kennen sich nicht aus! Das hat nichts mit Artikel 5 zu tun! Gar nichts!)

Das ist der Inhalt des Militärpaktes. Nur ist sie nicht in der Lage, das durchzuführen, und deshalb gibt es die Berliner Beschlüsse, in denen Übertragung an Aufgaben an die Europäer ohne amerikanische Mitwirkung möglich ist, allerdings nur mit Zustimmung der NATO und mit Verfügungstellung der NATO.

Wir sind heute verzahnt. Es ist das ein Vorteil, daß man auch diesen Gegensatz zwischen Atlantikern und Europäern aufgelöst hat, daß es heute so ist, daß man sagt: Jawohl, wir brauchen die atlantische Gemeinschaft, aber wir sollen und werden in gewissen Fragen als Europäer eigenständig aufgerufen sein, zu handeln, und werden auf die gemeinsamen Möglichkeiten, die da zur Verfügung stehen, zurückgreifen können.

Ich glaube, daß das die neue Sicherheitsarchitektur in Europa schon sehr deutlich aufzeichnet. Wenn Sie hier mitgehen – von Ihnen würde ich es annehmen, wenn Kollege Stadler das nachher auch offiziell hier bestätigt –, freut mich das, und die anderen würde ich einladen, sich das auch zu überlegen.

Aber ich möchte doch sagen, wir werden auch zur Kenntnis nehmen, daß es bei uns und bei Ihnen – bei Ihnen eben mehr als bei uns – Menschen gibt, die aus der langen Zeit der Neutralität sehr schwer Abschied nehmen können und die daher erst überzeugt werden müssen, daß man sich in einer anderen Zeit, unter anderen gegebenen Verhältnissen nicht mehr fragen muß, gegen wen wir denn noch innerhalb unserer Partnerländer in Europa neutral sein sollen. Man braucht dafür Zeit, um auch vor allem die ältere Generation dafür zu gewinnen.

Machen wir diese Frage zu einer gemeinsamen! Machen wir diese Frage zu einer Frage der gemeinsamen Sicherheit und Zukunft unseres Landes, und dann werden wir in der Bevölkerung für diese Haltung auch Achtung finden! (Beifall bei der ÖVP.)

17.45


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächste Wortmeldung: Herr Klubobmann Mag. Stadler. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

17.45

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege König, machen Sie sich keine Sorgen über die Haltung der Freiheitlichen in der NATO-Frage. Ich würde mir an Ihrer Stelle – damit wären Sie mehr als genug beschäftigt – Sorgen darüber machen, wie sich Ihre eigene Fraktion in der NATO-Frage ständig verhält.

Sie haben mittlerweile den dritten Antrag abgelehnt oder schubladisiert. Der letzte Antrag, bei dem Sie gemeinsam mit uns den NATO-Beitritt hätten beschließen können, haben Sie an den Unterausschuß verwiesen, weil Sie sich mit den Sozialisten nicht einigen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind umgefallen! Schütteln Sie nicht den Kopf, und eine hilflose Geste nützt Ihnen auch nichts. Sie sollten sich nicht Sorgen machen, die wir Freiheitlichen uns gar nicht machen müssen, weil wir nämlich bei der NATO-Haltung bleiben, sondern Sie sollten sich Sorgen darüber machen, wie Ihre eigene Partei dahinwurschtelt und Ihr eigener Verteidigungsminister permanent versucht, ein bißchen NATO zu sein, ein bißchen schwanger zu sein und doch nicht schwanger zu sein.

Meine Damen und Herren! Das ist das Problem. All das, was Sie gesagt haben, schreiben Sie Ihrem Verteidigungsminister, Ihrem eigenen Klubobmann und Ihrem eigenen Außenminister ins Stammbuch, aber nicht uns Freiheitlichen!

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich habe ein anderes Anliegen. Herr Minister, wenn Sie glauben, Sie können in Vorarlberg das Jägerregiment 9 auflösen und dann auch noch das Grundstück behalten, das Ihnen das Land Vorarlberg geschenkt hat – ich möchte wissen, was Kollege Feurstein oder Kollege Kopf dazu sagen –, wenn Sie glauben, daß Sie diesen 93 000 Quadratmeter Grund, bester Walgaugrund, behalten können, dann täuschen Sie sich aber ganz gewaltig, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe hier den Schenkungsvertrag. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Vertrag kennen, der bei Ihnen im Ressort liegen müßte, aber er müßte auch bei Ihrem Parteikollegen Wirtschaftsminister Farnleitner sein. Dieser Vertrag sagt eindeutig, daß Sie für den Bund die Verpflichtung übernommen haben, dort eine Kaserne zu errichten. Diese ist mit einem Aufwand von 650 Millionen Schilling errichtet worden, eine modernste Kaserne. Und Sie wollen sie jetzt plündern und leermachen, meine Damen und Herren!

Wollen Sie dann wieder bosnische Flüchtlinge hineingeben? – In der anderen Kaserne, die mit einem Aufwand von zig Millionen saniert wurde, haben wir bosnische Flüchtlinge, die wir nicht mehr loswerden. Jetzt möchte der Bundesminister, obwohl er die Verpflichtung übernommen hat, Vorarlberger Grundwehrdiener auszubilden, auf einem geschenkten Grund das Jägerregiment abziehen und wahrscheinlich dann die Kaserne leerstehen lassen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): So kann man nicht mit Steuergeldern umgehen, und so kann man nicht mit Vorarlbergern umgehen! Merken Sie sich das, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Ing. Tychtl. 3 Minuten Restredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.48

Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Bei der Präsentation der Heeresreform lautete die Topmeldung im Radio: "Neue Bundesheergliederung soll Heer NATO-tauglich machen."


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Die Zielsetzung, das Bundesheer neu zu gestalten, es kompakter und gestraffter zu machen, ist grundsätzlich positiv zu bewerten, dazu stehen wir. Aber bei einer umfassenden Neustrukturierung des Bundesheeres wird vor allem auch darauf Bedacht zu nehmen sein, daß die Landesverteidigung künftig in die Lage versetzt wird, bei der Teilnahme an internationalen Operationen vor allem jene Aufgaben zu erfüllen, die der Friedenssicherung dienen und die keinen Kampfeinsatz, zumindest vorerst, bedingen.

Seit vielen Jahren beteiligen wir uns an internationalen Einsätzen sowohl bei EU-Beobachter-Missionen als auch im Rahmen der NATO-Mission SFOR mit Truppenkontingenten und Einzelpersonen. Dabei zeigt sich immer mehr, daß man bezüglich der Ausrüstung der österreichischen Soldaten mit der Ausrüstung von Soldaten von NATO-Ländern oftmals nicht mithalten kann. Ich glaube, da gibt es ein Betätigungsfeld, bei dem wir rasch eingreifen müssen, wenn es um die NATO-Tauglichkeit gehen soll.

Ich meine auch, wir sollten uns bemühen, diesen Nachholbedarf sehr rasch aufzuholen, denn es ist nicht einzusehen, daß unsere Soldaten nicht den gleichen Schutz wie jene aus NATO-Ländern haben.

Noch etwas kommt dazu: Es ist zu bemerken, daß in letzter Zeit – ich hörte dies – immer weniger unserer Soldaten und Offiziere bereit sind, in einen solchen Einsatz zu gehen, gerade wenn es um Führungsfunktionen geht.

Zum ersten fragt man sich: Wie geht es zu Hause weiter? Kann ich wieder in meine Position eintreten, wenn ich zurückkomme? Zweite Frage: Wie sieht es vor Ort aus? Welche Bedingungen finde ich vor? Ich glaube, auch damit sollten wir uns bei einer Heeresgliederung-Neu auseinandersetzen.

Was heute schon angesprochen wurde, möchte ich noch einmal betonen: Es geht nicht an, daß unsere Truppen, die sich zu friedenserhaltenden Maßnahmen im Auslandseinsatz befinden, zum Teil nur mangelhaft mit Splitterschutzwesten und modernen Helmen ausgerüstet sind und daß sie Gerät zur Verfügung haben, das sie nur mangelhaft schützt. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich meine, daß wir uns das Beste für unsere Soldaten leisten sollten. Es ist nicht einzusehen, daß Heereskraftfahrzeuge sozusagen nachgehärtet werden müssen und wir keinen PANDUR für sie haben. Wir treten dafür ein, zuerst im eigenen Hause Ordnung zu machen und das Beste für unsere Soldaten einzusetzen. Es bleibt nur zu hoffen, daß am Ende der Reform ein Landesverteidigungssystem bestehen wird, das nicht nur seine Aufgaben optimal erfüllen kann, sondern auch von den Österreicherinnen und Österreichern akzeptiert und unterstützt wird. Darum geht es mir und meiner Fraktion, und dem werden wir dann auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen nun zu einer Abstimmung, und ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kammerlander und Partner betreffend Vorlage von Abkommen Österreichs mit NATO und WEU an den Nationalrat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Dieser Antrag ist damit abgelehnt.


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Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 4 bis 11 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.53

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Aus zeitlichen Gründen erspare ich es mir, auf die polemischen Ausführungen des Kollegen Kier zum Thema Initiativantrag einzugehen. Tatsache, Herr Kollege Kier, ist jedenfalls, daß die Vorlage, über die wir diskutieren, nämlich die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, des Karenzgeldgesetzes und des ASVG, inhaltlich der Entschließung dieses Hauses vom 10. Juli Rechnung trägt.

Letzten Endes, Herr Kollege Kier, haben Sie selbst die positiven Aspekte der geplanten Änderungen hervorgehoben und auch die Zustimmung Ihrer Fraktion signalisiert.

Die Haltung des Kollegen Öllinger geht leider etwas über Oppositionstaktik hinaus. Herr Kollege Öllinger! Bereits bei den Ausschußberatungen haben wir darüber diskutiert, wie die Zumutbarkeitsbestimmungen aussehen. Sie wissen ganz genau, daß es bei der Vermittlung auf der einen Seite zum Beispiel auf die Qualifikation des arbeitsuchenden Menschen ankommt, aber auch auf die Möglichkeit des zu erzielenden Einkommens. Sie wissen auch ganz genau, daß mit dem Antrag, wie Sie ihn formuliert haben, verhindert werden würde, daß Menschen, die bisher schon vorübergehende Beschäftigungen hatten, in Zukunft vermittelt werden können. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie das tatsächlich damit meinen und beabsichtigen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das wirklich Ihr Wille ist. Das ist auch der Grund, warum wir Ihrem Antrag keine Zustimmung geben werden und geben können.

Ich möchte noch gerne einen Aspekt aufzeigen, weshalb mir persönlich die zweijährige Befristung sehr wichtig erscheint. Wir wollen mit dieser Neuregelung der vorübergehenden Beschäftigungen und Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehungsweise dem Karenzgeldbezug gerade jenen Menschen, die ein geringes Einkommen aus diesen Leistungen beziehen, helfen, daß sie phasenweise die Möglichkeit haben, ihr Einkommen zu erhöhen, ohne gleich die gesamte Leistung zu verlieren. Wir werden aber in diesen zwei Jahren – und ich bin froh darüber, daß die Frau Bundesministerin hier ist, und ich bin auch froh, daß sie auch schon zugesagt hat, daß das Ministerium das genau verfolgen wird – den Arbeitsmarkt sehr genau beobachten müssen.

Frau Bundesministerin! Wir werden nämlich ganz genau darauf schauen müssen, ob nicht ein unerwünschter Effekt mit der Neuregelung einhergeht, nämlich daß Unternehmer verstärkt Menschen sozusagen nur vorübergehende Beschäftigung statt anderer Beschäftigungsformen anbieten. Ich meine, das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Wir alle wissen, daß Neuregelungen natürlich auch Gefahren in sich bergen. Ich habe gerade versucht, eine dieser Gefahren aufzuzeigen. Im Mittelpunkt der Politik von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen die Menschen, und daher haben wir uns auch für diese Neuregelung entschieden. Ich fordere daher auch die grüne Parlamentsfraktion auf, dieser Neuregelung zuzustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.56

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 wurde festgelegt, daß bei einem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze das Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe


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und das Karenzurlaubsgeld nicht nur an den versicherungspflichtigen Beschäftigungstagen, sondern im ganzen Kalendermonat entfallen.

Diese verunglückte Regelung, wie sie damals getroffen wurde, führt in allen Bereichen der Aushilfstätigkeit zu Problemen und Härtefällen. Diese Regelung soll nun befristet gelockert werden, weil sie eben nicht nur zu Härtefällen und Problemen geführt hat: Die Freiheitliche Partei hat ja schon seinerzeit darauf hingewiesen, daß damit verhinderte Nebentätigkeit für die Arbeitslosenversicherung einfach keinen Vorteil bringen kann. Das hat sich mittlerweile bestätigt und hat auch den Kollegen Guggenberger dazu veranlaßt, Adenauer zu zitieren: Keiner kann uns daran hindern, klüger zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Änderung ist zu begrüßen, weil sie grundsätzlich in die richtige Richtung geht, nämlich zu der von uns seit Jahren geforderten teilweisen Anrechnung von Nebeneinkommen statt des Entfalls von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Karenzurlaubsgeld, um die Arbeitslosen durch bedingte höhere Einkommen zu motivieren und so in der Erwerbstätigkeit zu halten.

Es ist nun ein gewisser Anreiz für Arbeitslose mit geringen Einkommen, mit Einkommen von 3 000 bis 4 000 S im Monat geschaffen worden, eine befristete, vorübergehende Beschäftigung anzunehmen und etwas dazuzuverdienen. Durch das Annehmen einer vorübergehenden Beschäftigung verlängert sich auch die Zeit des Arbeitslosengeldbezuges. Versicherungspflichtige Tage gelten nicht als arbeitslose Tage, und im Bereich des Karenzgeldes sind keine Obergrenzen für das Zusatzeinkommen vorgesehen. Das ist aus meiner Sicht der positive Teil dieser Änderung.

Allerdings ist die vorgesehene Höchstgrenze aus dem Nettoeinkommen plus Arbeitslosengeld beziehungsweise Notstandshilfe negativ zu sehen. Sie bewirkt nämlich, daß ab einem Gesamteinkommen von 8 600 S keinerlei weitere Nebentätigkeit sinnvoll ist, weil es zu anteiligen Kürzungen in diesem Bereich des Leistungsanspruches kommt, weil Einkommensteile über der Geringfügigkeitsgrenze ab 1. Jänner 1998 von 3 830 S auf das Arbeitslosengeld beziehungsweise die Notstandshilfe zu 90 Prozent angerechnet werden.

Frau Kollegin Dr. Moser hat uns ja eine Berechnung demonstriert, und Sie haben gesehen, daß das nicht so einfach ist. Wenn ich mir das so anschaue: Arbeitsbelastung plus Fahrtkosten oder andere Dinge, dann frage ich mich schon, ob 10 Prozent in diesem Bereich eine Motivation darstellen, um einen Zwischenverdienst überhaupt anzunehmen. Ich bezweifle, daß es sinnvoll ist, die Annahme so kurzfristig und für häufig niedrigqualifizierte Arbeiten nur im unteren Einkommensbereich beziehungsweise Leistungsbereich zu fördern. Daß den Beziehern eines höheren Arbeitslosengeldes, zum Beispiel von 8 600 S, eine derartige Tätigkeit durch eine totale Anrechnung auf die Leistung vergällt wird, halte ich nicht für sinnvoll. Geht dann nämlich jemand arbeiten, der ein Arbeitslosengeld bezieht, das über 8 600 S liegt, hat er finanziell überhaupt nichts davon.

Im Prinzip ist das wieder nichts anderes als ein Pfusch, und der Betreffende wird auch in den Pfusch gedrängt, wenn er sich irgend etwas dazuverdienen will. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist mir unverständlich, warum eine Beschäftigung an mehr als 16 Tagen im Monat nicht zulässig ist und zum Entfall der Leistungen führen soll, auch wenn der Verdienst unter der Höchstgrenze liegt. Wenn zum Beispiel jemand eine Stunde am Tag Flugzettel verteilt, so finde ich es ungerecht, wenn er es nur 16 Tage im Monat tun kann. Es wäre sicherlich sinnvoller, das anders zu regeln.

Aber es ist alles in allem ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber, wie Herr Kollege Guggenberger schon gesagt hat: Keiner kann uns daran hindern, gescheiter zu werden. – Wir sind bereits gescheiter. Hoffentlich wird die Koalition es auch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Weiters ist Herr Abgeordneter Donabauer zu Wort gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.0


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1

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Arbeitslosigkeit ist sicher ein Schicksal, mit dem viele Menschen zu kämpfen haben. Deshalb sollten wir auch mit mehr Behutsamkeit die Mechanismen um die Arbeitslosenversicherung diskutieren.

Wir wissen, daß wir diesbezüglich gute Voraussetzungen, gute Sicherungselemente haben. Wir wissen aber auch, daß wir in diesem Bereich manche Fehlläufe haben, wo nachjustiert werden muß, und ebenso wissen wir, daß wir gerade durch das Strukturanpassungsgesetz im vergangenen Jahr einige Maßnahmen gesetzt haben, wo wir schon damals gemeint haben, daß wir Veränderungen dann vornehmen werden, wenn wir auch die Auswirkungen kennen.

In diesem Zusammenhang ist auch dieser Antrag 645/A zu sehen, der vorsieht, daß nunmehr auch bei Bezug von Arbeitslosengeld zwischendurch eine Betätigung möglich ist, ohne daß es zum totalen Ruhen der Leistungen kommt. Gleiches gilt auch für das Karenzurlaubsgeld. Ich persönlich halte diese Novellierung, diese Abänderung für sinnvoll, weil sich dadurch manche kurzfristig in den Beruf einbringen können. Vor allem aber bei den Karenzgeldbezieherinnen sehe ich die Chance, daß sie sich weiter beruflich betätigen können. Jedenfalls halte ich das für eine positive Maßnahme.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang, Frau Bundesministerin, doch den Bereich Landwirtschaft und Einheitswertgrenze ansprechen. Bei einer der letzten Novellen – ich glaube, 1996 war es – wurde normiert, daß der Besitz ausschlaggebend ist für die Weiterführung der Leistung oder deren Ruhen. Früher stand der Terminus "Bewirtschaftung" im Gesetz, und dieser hatte eine weitaus bessere Funktion, wiewohl ich ganz offen erkläre: Ich bin für Regulierungsbestimmungen, nur müssen diese praktikabel, anwendbar und sozial gerecht und ausgewogen sein. (Beifall bei der ÖVP.) D eshalb werde ich mich gemeinsam mit meinen Freunden in dieser Sache noch einmal bemerkbar machen müssen.

In der Regierungsvorlage 903 der Beilagen: Abkommen mit Ungarn, ist vorgesehen, daß zur sprachlichen Ertüchtigung und Ausbildung ungarische Staatsbürger bei uns arbeiten können, und zwar im Rahmen eines bilateralen Abkommens. Ich halte das für eine sinnvolle Maßnahme, weil das neben dem Ausländerbeschäftigungsgesetz läuft.

Ganz anders sehe ich das Grenzgängerabkommen. Natürlich brauchen wir fallweise Arbeitskräfte, weil Arbeiten zu einem Zeitpunkt anfallen, zu dem wir im eigenen Land nicht genügend Kräfte haben, sei es auch, weil sie zum Teil nicht bereit oder in der Lage sind, harte Arbeit, die sich sehr oft auch über das Wochenende erstreckt, anzunehmen.

Dieses Grenzgängerabkommen ist nichts Neues. Wesentlich ist nur, daß wir einen Mechanismus finden, der seit Inkrafttreten der Bundeshöchstzahlüberziehungsverordnung – ein ganz schreckliches Wort, aber eine notwendige Maßnahme – auch angewendet werden kann. Wir ersuchen, daß Sie diese Regelung nicht ausnahmslos nur als agrarisches Element sehen, denn wir müssen schon wissen: Wenn wir diese Zusatzarbeitskräfte nicht haben – wiewohl ich schon dafür bin, zuerst die Ressourcen des eigenen Landes auszunützen –, müssen wir wertvolle Produktionsfelder aufgeben. Wir verlieren dadurch Wertschöpfung im Land, und zwar nicht nur in der Primärstufe, sondern auch in den nachgelagerten Bereichen der Veredelung. Und das kann doch nicht in unserem Sinne sein. Deshalb bin ich der Meinung, daß wir mit der Regierungsvorlage in 902 der Beilagen, mit diesem Grenzgängerabkommen, eine gute Vorlage haben, und ich hoffe, daß wir sie im Interesse unserer gesamten Volkswirtschaft und vor allem der Menschen, die davon betroffen sind, auch sinnvoll anwenden werden. (Beifall bei der ÖVP.)

18.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.06

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es war eine Äußerung des Abgeordneten Guggenberger, die mich zu dieser Wortmeldung veranlaßt hat. Ich halte es zwar grundsätzlich für sehr sinnvoll, dieses starre Entweder-Oder von Sozialleistungen und Arbeitseinkünften aufzuheben beziehungsweise zu relativieren. Allerdings vermisse auch ich schriftlich fixierte Garantien zugunsten der ArbeitnehmerInnen, daß sie dadurch nicht in kurzfristigste und sehr windige Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden. Folgendes aber hat mir sehr zu denken gegeben – und ich ersuche Sie wirklich, einmal zu überlegen, was da eigentlich passiert –: Sie sprachen von den Interessen auch von Tourismusgebieten, aus denen Sie ja kommen, und haben gesagt, es gebe zahlreiche Betriebe, die etwa bis in den März hinein offen haben, die dann Betriebsferien machen, zu Pfingsten vielleicht für ein paar Tage wieder aufsperren und dann, so haben Sie wörtlich gesagt, ihre stempelnden ArbeitnehmerInnen wieder brauchen. (Abg. Mag. Guggenberger: Das ist eine Stammbelegschaft!)

Wissen Sie, was das heißt, Herr Abgeordneter? – Es gibt eine Stammbelegschaft, die in manchen Wirtschaftsbranchen üblicherweise, notorischerweise stempeln geschickt und dann wieder geholt wird. Und Sie wissen auch, Herr Abgeordneter Guggenberger, daß das nicht als Angriff gemeint ist, sondern verbunden mit der Bitte, darüber nachzudenken. Sie wissen, daß es so ist, daß in manchen Branchen die Leute niemals einen Abfertigungsanspruch bekommen, auch niemals ganz normale Urlaubsansprüche konsumieren können, sondern daß sie, und zwar ganz regelmäßig, beispielsweise in der Bauwirtschaft oder in der Tourismuswirtschaft, stempeln geschickt werden.

Nun ist folgendes passiert: Bei den BezieherInnen von Arbeitslosengeld wird auch von der Sozialdemokratie im Sog der "Sozialschmarotzer"-Debatte immer wieder gesagt: Ja natürlich müssen wir ganz genau kontrollieren, wir müssen danach trachten, keine oder möglichst wenig Mitlaufeffekte zu haben! – Ich frage Sie nur: Wie schaut es bei den Wirtschaftsbetrieben aus? Ist es wirklich so, daß auch die Sozialdemokratie, daß mehr oder minder dieses ganze Haus es schon als selbstverständlich ansieht, daß manche Branchen eben sagen: Wir minimieren unsere Lohn- und Gehaltskosten, indem wir die Leute einen gut Teil des Jahres stempeln schicken?

An die Adresse der ÖVP: Was ist denn das für eine Fairneß im Wettbewerb, wenn ein Betrieb, der eine Ganzjahresbeschäftigung anbietet und natürlich nicht so hohe Löhne und Gehälter bieten kann wie die Spitzenbranchen, dadurch eigentlich mit Steuermitteln in eine unfaire Konkurrenzsituation gebracht wird? – Ich bitte Sie wirklich, darüber einmal nachzudenken! (Beifall bei den Grünen.)

18.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Seidinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.10

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu drei Themen Stellung nehmen: zum ersten zur Regierungsvorlage über das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen, zum zweiten zum Abkommen mit denselben Vertragspartnern bezüglich Erweiterung und Ausbau der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse – sprich: Praktikantenabkommen – und zum dritten zu einer Regierungsvorlage betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit.

Die beiden ersten Abkommen stehen in einem engen Zusammenhang mit der Agenda 2000 für die Osterweiterung. Verhandlungsbeginn ist Anfang 1998. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Erweiterung sind auf längere Sicht besonders für Österreich positiv zu sehen. Österreich bekennt sich zur Osterweiterung, ist jedoch für eine langsame und sinnvolle Heranführung an die Standards der EU. Wir werden diese Länder fördern und unterstützen, besonders auch Ungarn.

Die neue Struktur- und Kohäsionspolitik der EU schafft mit dem neuen horizontalen Ziel 3 ein Kriterium, das die Staaten bei der Anpassung und Modernisierung ihrer Ausbildungs-, Berufsbil


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dungs- und Beschäftigungssysteme unterstützen soll. Im Hinblick darauf und aufgrund der guten Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn geht es um die Erleichterung der Beschäftigung von Grenzgängern in diesen Zonen. Seit der wirtschaftlichen und politischen Öffnung Ungarns hat ja die Bedeutung der Beschäftigung von Grenzgängern zugenommen.

Ich teile hier zum Teil die Sorgen des Kollegen Donabauer, bin aber der Überzeugung, daß die Vorlage gut ist und es dann nur daran liegen wird, wie diese Abkommen bilateral gehandled werden. Ich glaube, das ist eine wichtige Voraussetzung. Der Austausch von Praktikanten gewinnt in diesem Sinn immer mehr an Bedeutung, da mit dem EU-Beitritt die Gastarbeitnehmerabkommen obsolet geworden sind.

Noch einmal zum ersten zurück: Dieses Abkommen, das für Grenzgänger gilt, die in den in der Regierungsvorlage genannten Bezirken eine Beschäftigung aufnehmen, bedeutet für Österreich und Ungarn gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie die Einhaltung sämtlicher sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften. Die Zahl der Grenzgänger wird – und das ist, glaube ich, auch wichtig zu sagen – unter Bedachtnahme auf die jeweilige Arbeitsmarktsituation jährlich von einer gemischten Kommission, bestehend aus Österreichern und Ungarn, durch einen Notenwechsel festgelegt.

Da gibt es das Problem des Sonderfalles der Ausländerbeschäftigung, da keine Wohnsitzbegründung im Bundesgebiet vorausgesetzt wird. Eine Zulassung von Grenzgängern zum österreichischen Arbeitsmarkt unterliegt aber weiterhin den Regelungen der Ausländerbeschäftigung. Diese Grenzgänger werden in die Bundes- beziehungsweise Landeshöchstzahl eingerechnet. Es kommt jedoch zu einem Entfall der arbeitsmarktpolitischen Prüfung im Einzelfall, da diese Zulassung keine weiteren Integrationsschritte begründet. Dauer des Abkommens: ein Jahr.

Zum zweiten: Die Dauer der Beschäftigung als Praktikant reicht von sechs bis zwölf Monaten – eine Verlängerungsmöglichkeit auf 18 Monate besteht – und wird unter Bedachtnahme auf die jeweilige Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zur Vervollkommnung der Berufs- und/oder Sprachkenntnisse von Praktikanten im Alter von 18 bis 35 Jahren für Staatsbürger des jeweiligen Landes mit Wohnsitz im eigenen Land festgesetzt. Die Zahl der Praktikanten ist für das erste Jahr mit 300 festgesetzt. Auch da gilt, daß alle arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften des Vertragsstaates, in dem der Praktikant die Beschäftigung ausübt, anzuwenden sind.

Zum dritten: Das Abkommen mit dem Großherzogtum Luxemburg bezüglich der sozialen Sicherheit wird wie die beiden ersteren von der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion begrüßt. Wir werden dem zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet, damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatterin findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, die Plätze einzunehmen.

Nachdem jetzt einige sportliche Leistungen vollbracht wurden (Heiterkeit), gelangen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußbericht getrennt vornehmen lasse.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1003 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen des Abgeordneten Mag. Haupt auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde zunächst über den Zusatzantrag und die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.


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Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 § 10 Abs. 3 bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Damit erübrigt sich auch eine Abstimmung über die beantragte Änderung der Ziffernbezeichnung.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Z 2 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Ich lasse nun über Artikel 1 Z 8 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist wieder die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über Artikel 1 Z 10 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist stimmeneinhellig angenommen.

Weiters zur Abstimmung steht nun Artikel 2 Z 4 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht mit Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt mit Stimmenmehrheit. Angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1003 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen. (E 97.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haller und Genossen betreffend Schaffung einer sogenannten ewigen Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1012 der Beilagen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1004 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1006 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1005 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen mit dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit in 859 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diese Genehmigung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Diese Erteilung erfolgt stimmeneinhellig. Angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen mit der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen in 902 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen mit der Regierung der Republik Ungarn über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse in 903 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie diese erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (860 der Beilagen): Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll (967 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (945 der Beilagen): Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von


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Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten (968 der Beilagen)


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein. Die erste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Gredler vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.21

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir konnten heute der APA entnehmen: "Der Kurs der südkoreanischen Landeswährung Won stürzte gegenüber dem Dollar um 10 Prozent ab und zog auch die übrigen asiatischen Währungen stark in Mitleidenschaft."

Sie haben wohl alle von den Währungsturbulenzen in Asien gelesen. Weiters steht in diesem Artikel: "Nutznießer der Finanzkrisen in Asien waren die internationalen Rentenmärkte und die D-Mark."

Ich möchte mich nun auf dieses Abkommen insofern beziehen, als ich glaube, wir sollten über Korea einmal sprechen, nämlich über Nord- und über Südkorea. Es gibt eine Resolution des Europäischen Parlaments, in der Nordkorea gebeten wird, Südkorea nicht durch Grenzübertritte im Niemandsland zu provozieren. Aber auch Südkorea und die USA werden gebeten, ihre provozierenden militärischen Übungen einzustellen.

Es gibt Probleme mit Nordkorea: Wir haben das Problem des Atommülls, von dem wir nicht genau wissen, wie er verwendet wird, wir haben das Problem einer schrecklichen Regierung in diesem Land, die sich wohl nicht sehr viel geändert hat, seit Kim Il Sung gestorben und sein Sohn an der Macht ist.

Nur etwas, meine Damen und Herren, möchte ich hier, auch wenn es Sie nicht interessiert, sagen, und zwar insbesondere deshalb, weil wir kurz vor Weihnachten stehen: Wir müssen hinschauen zu den Säuglingen und Kindern, die dort verhungern und die von der Europäischen Union deshalb kaum Hilfe erhalten, weil das politische Regime in diesem Land untragbar ist.

Ich fordere Sie in diesem Hohen Hause auf, sich zu überlegen, wie diese Kinder ernährt werden können. Wir können nicht dulden, daß sie sterben, nur weil sie unter einem politischen Regime aufwachsen, das wir nicht als angenehm empfinden.

Überlegen wir uns doch, was wir in Österreich tun könnten! Vielleicht könnten wir direkte Hilfe dort leisten, wiewohl ich weiß, daß das Regime es nicht leichtmacht, direkte Hilfe dorthin zu entsenden. Aber vielleicht könnten wir auch im Sommer, während unsere Internate brachliegen, diese Kinder nach Österreich bringen – vielleicht sogar mit ihren Müttern oder Vätern –, sie hier ernähren, medizinisch betreuen – Frau Bundesministerin für Soziales, das fällt auch in Ihr Ressort – und dann in einer gestärkten gesundheitlichen Verfassung wieder in ihr Land zurückschicken.

Ich glaube, wir sollten da nicht wegschauen, und deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet. Vielleicht, Frau Staatssekretärin, fällt Ihnen dazu etwas ein. Vielleicht könnten wir nicht nur die Gelder der Europäischen Union, die für humanitäre Einsätze vorgesehen sind, auf dieses Land und auf die verhungernden Kinder fokussieren, sondern vielleicht könnten auch Sie sich seitens der Bundesregierung überlegen, wie wir hier direkt Unterstützung leisten könnten.

Das Liberale Forum und ich persönlich stehen Ihnen zur Verfügung, um organisatorische Mithilfe zu leisten. Aber schauen wir, bitte, nicht weg! Weihnachten steht vor der Tür – und Kinder verhungern in Nordkorea! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

18.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten abermals in ein Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußbericht getrennt vornehme.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll in 860 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen, abstimmen.

So Sie zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses Zeichen erfolgt stimmeneinhellig. Angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG, daß dieses Vertragswerk, das in elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht wird, dadurch kundzumachen ist, daß es in allen authentischen Sprachfassungen zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Im Falle ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten in 945 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

14. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (839 der Beilagen): Artenhandelsgesetz – ArtHG (1030 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Tichy-Schreder vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.26

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute ein erfreuliches Gesetz zu beschließen, nämlich eine Abänderung der Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten. Es handelt sich hiebei um eine Abänderung aufgrund einer EU-Verordnung, und es freut mich ganz besonders, daß wir in Österreich diese Verordnung so rasch und so schnell umsetzen, denn sie ist im Rahmen der Europäischen Union erst mit 1. Juni in Kraft getreten. Ersetzt wird mit diesem neuen Gesetz ein altes Bundesgesetz aus dem Jahre 1996.


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Weiters freut mich, daß in diesem Gesetz und auch EU-weit explizit festgehalten wird, daß einzelne Länder auch strengere Bestimmungen und strengere Maßnahmen setzen können, um besonders gefährdete Arten oder Populationen zu schützen.

Wir begrüßen dieses Gesetz, und ich danke dem Herrn Bundesminister, daß er diese Verordnung der Europäischen Union so rasch als Regierungsvorlage eingebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Parfuss vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.28

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein weiterer Schritt zu mehr Schutz für Tiere und Pflanzen, in diesem Fall für wildlebende Tier- und Pflanzenarten. Es ist begrüßenswert – Frau Abgeordnete Tichy-Schreder hat es vorhin erwähnt –, daß wir anderen EU-Staaten mit diesen strengeren Regelungen folgen.

Das Gesetz regelt die Strafbestimmungen und die Kontrollen an den Außengrenzen für den Handel – das ist, glaube ich, sehr wichtig –, weiters wird auch vorgeschrieben, wie mit in Gefangenschaft geborenen und gezüchteten Tieren umgegangen werden muß. Von grundsätzlicher Wichtigkeit ist die Kontrolle des Handels, die Beförderung der Exemplare und auch deren Unterbringung.

An den Zollstellen soll das Personal für diese besondere Art der Kontrolle ausgebildet werden. Auch das ist sehr wichtig, denn die Kontrollstellen beziehungsweise die Zollstellen sollen gewährleisten, daß lebende Tiere ausreichende und spezifische Unterbringung und Pflege erhalten, und auch die negativen Auswirkungen durch den Transport sollen möglichst geringgehalten werden.

Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit über das Artenhandelsgesetz halte ich für sehr wichtig, sie ist auch im Gesetz vorgesehen, ich möchte aber wissen, Herr Bundesminister, wie das konkret umgesetzt wird. Grundsätzlich meine ich, daß gerade der Handel mit exotischen beziehungsweise freilebenden Tieren abzulehnen ist. Es gibt immer mehr Tiere, die vom Aussterben bedroht sind und die für immer von unserer Erde zu verschwinden drohen. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse stellen fest, daß der Schutz dieser Tiere verstärkt und genau kontrolliert werden muß, denn die Menschen – wir wissen es – sind die größten Feinde dieser Kreaturen.

Es ist beschämend für unsere Gattung, daß wir Tiere aus ihrem freien Lebensumfeld entfernen und damit Gewinne machen. Gerade jetzt vor Weihnachten appelliere ich an die Kollegen und Kolleginnen in diesem Haus: Bitte, keine Pelze schenken und keine Pelze auf dem Wunschzettel! Man soll nicht vergessen, Pelze sind tote Tiere. Lebende Exoten sind auch absolut ungeeignet als Haustiere. Es gibt genügend andere Weihnachtsgeschenke! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung 3 Minuten. – Bitte.

18.31

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitliche bekennen uns zum umfassenden Schutz gefährdeter Arten freilebender Tiere und Pflanzen. Dies ist uns schon seit Jahren ein besonderes Anliegen. Wir begrüßen daher diese Gesetzesvorlage und werden ihr auch unsere Zustimmung erteilen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erreicht soll das Ziel dieses Schutzes einerseits durch die Regelung des internationalen Handels gefährdeter Arten und andererseits durch eigenstaatliche Regelungen insbesondere in der Vollziehung werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, beschränken sich unsere eigenstaatlichen Regelungen auf einige wenige Bereiche in der Vollziehung, und zwar insbesondere bei den Strafbestimmungen, während die Regelung der Ein-, Aus- und Durchfuhr seitens der EU vorgegeben ist und auch in diesem Falle unmittelbar anzuwenden ist. Es wird daher ganz besonders wichtig sein, diese wenigen eigenstaatlichen Kompetenzen insbesondere bei der Kennzeichnung und Kontrolle von gefährdeten Arten möglichst effektiv und gewissenhaft durchzuführen.

Es muß auch sichergestellt sein, daß bei Beschlagnahmungen in Verbindung mit strafbaren Handlungen eine tier- und artgerechte Unterbringung der beschlagnahmten Tiere und Pflanzen gewährleistet ist. Oft wird nämlich gerade aus Mangel an diesen Unterbringungsmöglichkeiten auf eine Beschlagnahme verzichtet. Weiters sollen Strafen – bis hin zu Freiheitsstrafen – in schwerwiegenden Fällen einerseits zum Schutze gefährdeter Arten beitragen und andererseits auch Österreich davor bewahren, zu einem Handels- und Umschlagplatz für gefährdete Arten zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich also um ein Gesetz, aufgrund dessen hoffentlich negative Schlagzeilen, wie sie in der Presse zu lesen sind, wie etwa "469 seltene Tiere im Fluggepäck", "Fast täglich wird Artenschutzabkommen verletzt" oder "Zollfahndung beschlagnahmt 89 Schildkröten" – alles erst vor kurzem passiert –, in Zukunft vermieden werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hoffen, daß dies durch dieses Gesetz ein für allemal verhindert werden kann. Wir Freiheitlichen werden daher diesem Gesetzentwurf gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, zumal auch ein Schlußwort der Frau Berichterstatterin nicht stattfindet. Ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1030 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht mit Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte im Falle der Zustimmung auch in dritter Lesung um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht mit Stimmeneinhelligkeit. Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (888 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (ZDG-Novelle 1997) (986 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.35

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wieder einmal – und es geschieht ja mittlerweile fast regelmäßig – liegt uns eine Zivildienstgesetz -Novelle hier im Nationalrat vor. Sie haben gesagt, es handelt sich um eine kleine Adaptierung, die durch den freiwilligen Auslandsdienst notwendig geworden ist. Dieser soll ja jetzt, wenn er 14 Monate gedauert hat, auf den Zivildienst angerechnet werden. Und Sie wollen mit dieser Novelle eine generelle Vergütung für Trägerorganisationen, die Zivildiener beschäftigen, einführen.

Herr Bundesminister! Ich kann mich noch gut daran erinnern: Als der unentgeltliche Auslandsdienst eingeführt wurde – es war das ein internationales Abkommen –, wurde ausdrücklich ausgeschlossen oder zumindest kritisiert und nicht für gut gehalten, daß der unentgeltliche Auslandsdienst im Inland für den Zivildienst anerkannt wird, weil diese beiden Dienste ja überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Was damals befürchtet wurde, tritt nun ein: Fünf Jahre später wird genau das normiert, nämlich daß der freiwillige Auslandsdienst für den Wehrersatzdienst angerechnet wird.

Herr Bundesminister! Genau das ist unser Kritikpunkt. Es gibt eine geltende Verfassungslage, über die man diskutieren kann. Sie wissen ganz genau, daß wir uns sehr gut vorstellen könnten, sowohl Wehrdienst als auch Zivildienst auf eine freiwillige Basis zu stellen. Aber wir haben derzeit noch eine geltende Verfassungslage, wir haben die allgemeine Wehrpflicht, und wir haben den Zivildienst als Wehrersatzdienst geregelt. Wehrersatzdienst bedeutet auch, daß diese Dienste im Rahmen der umfassenden Landesverteidigung umgesetzt werden sollten.

Deshalb wenden wir uns grundsätzlich gegen eine Ableistung des Wehrersatzdienstes im Ausland. Denn der Zivildiener soll einen Dienst – und das machen auch sehr viele oder die überwiegende Zahl –, einen positiven Dienst an der Gesellschaft, an der Gemeinschaft hier in Österreich leisten und sich nicht durch einen Dienst im Ausland von dieser Verpflichtung entbinden. Deshalb lehnen wir Freiheitlichen bei der derzeitigen Rechtslage diesen Teil der Novelle ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum zweiten Punkt: Generelle Vergütung für Leistungen von Trägerorganisationen. Da setzen Sie etwas um, was grundsätzlich positiv ist. Es wird von uns befürwortet, Herr Bundesminister, daß es keine Ausnahmen mehr gibt und daß grundsätzlich jede Organisation, die Zivildiener beschäftigt, eine Vergütung an das Innenministerium abführen soll, wobei es wirklich nicht nachvollziehbar ist – dazu wird es ja noch einen Antrag der Grünen geben –, warum es so große Unterschiede bei diesen Vergütungen gibt. Und es ist schon gar nicht nachvollziehbar, warum es bis jetzt Institutionen gegeben hat, die von dieser Vergütung ausgeschlossen waren, vor allem deshalb, weil gerade – und da ist in erster Linie das Rote Kreuz anzusprechen – in diesem Bereich durch die Ausweitung der Möglichkeit, Zivildiener zu beschäftigen, massive Konkurrenz auch zu privaten Unternehmern stattgefunden hat.

Selbstverständlich will niemand grundsätzlich die Aufgabe des Roten Kreuzes kritisieren. Es handelt sich hiebei um eine ganz wichtige Einrichtung, und es sollen auch Zivildiener dort beschäftigt sein, und zwar besonders im Kranken- und Sanitätswesen. Aber durch die Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten, durch die Vergrößerung der Zahl der Zivildiener ist es dazu gekommen, daß das Rote Kreuz seine ursprüngliche Tätigkeit, eben echt Krankentransport und Sanitätsdienst zu organisieren, ausgeweitet hat, etwa auf den Bereich der Sitzend-Krankentransporte, die bis dato von privaten Taxiunternehmern übernommen worden sind, noch dazu kostengünstiger. Dabei ist es natürlich schwer, konkurrenzfähig zu bleiben, wenn dem Roten Kreuz gratis Mitarbeiter zur Verfügung stehen, während auf der anderen Seite private Unternehmen entsprechend kalkulieren müssen.

Grundsätzlich wäre diese generelle Vergütung positiv. Aber, Herr Bundesminister, Sie haben in der ursprünglichen Planung einen Pauschalbetrag, einen Mindestbetrag von 2 700 S festgelegt.


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Das ist schon sehr niedrig und in Wahrheit nur ein Anerkennungsbetrag. 2 700 S war zumindest die erste Forderung, soweit ich mich erinnern kann. Das ist dann bereits in der Regierungsvorlage reduziert worden und im Ausschuß noch einmal, nämlich auf 1 200 S. Und in Kraft treten soll das Ganze erst in einem Jahr, nämlich mit 1. Jänner 1999.

Da ist diese an und für sich sinnvolle und notwendige Maßnahme so verwässert worden, sodaß ungerechten Zuständen bei der Beschäftigung von Zivildienern nicht Einhalt geboten werden kann. Deshalb werden wir auch diesem zweiten Teil der Reform des Gesetzes unsere Zustimmung nicht geben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.40

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Inhalt dieser Novelle ist die Präzisierung der Bestimmungen, die im § 12 Zivildienstgesetz geregelt sind, und zwar das Anerkennungsverfahren sowie die Präzisierung des Begriffes "angemessene Vergütung".

Mein Vorredner hat nur in einem Punkt recht, nämlich wenn er behauptet, daß das Zivildienstgesetz ständig novelliert wird. Da gebe ich ihm recht; ja, das stimmt. Aber er hat dabei vergessen, zu erwähnen, daß mit jeder Novelle eine Verbesserung für die Zivildienstpflichtigen eingetreten ist. Unklare oder in der Auslegung schwierige Paragraphen wurden präzisiert, was insgesamt auch dazu geführt hat, meine Damen und Herren, daß die Akzeptanz des Zivildienstes bei der Bevölkerung enorm zugenommen hat. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine im vergangenen Jahr durchgeführte Untersuchung des IMAS-Institutes, wonach die Einstellung der Bevölkerung zum Zivildienst prinzipiell sehr positiv ist. 77 Prozent der Befragten sagten, daß der Zivildienst eine gute Sache ist, und 44 Prozent davon sagten sogar, daß sie eine sehr gute Meinung davon haben. Nur 13 Prozent haben sich gegen diese Einrichtung ausgesprochen.

Aber auch die Beurteilung durch die Zivildienstpflichtigen ist beeindruckend. Eine überwältigende Mehrheit von 83 Prozent der Zivildienstleistenden hat den Eindruck, aus der Zivildiensttätigkeit nützliche Erfahrungen für das eigene Leben ziehen zu können; nur 8 Prozent sind anderer Ansicht. Zusätzlich schätzt man auch am Zivildienst, daß er einen großen Einblick in soziale Probleme eröffnet und daß es hilfreich ist, Fähigkeiten wie das Meistern schwieriger Lebenssituationen und das Leisten von Erster Hilfe zu lernen.

Aber wieder zurück zu dieser Novelle, meine Damen und Herren. Aufgrund der seit dem Jahre 1992 gewonnenen Erfahrungen im unentgeltlichen Auslandsdienst für Zivildienstpflichtige sind Modifizierungen und Ergänzungen erforderlich. Vor allem sind das Anerkennungsverfahren und die vorgesehenen Dienstleistungsbereiche sowie deren Kontrolle zu präzisieren. Wir haben im Detail auch über den Zivildienstbericht in dieser Angelegenheit schon diskutiert.

Ein vieldiskutierter Punkt ist die angemessene Vergütung durch die Einführung eines Mindestbetrages. Ursprünglich war bei "Blaulichtorganisationen" ein Vergütungsbetrag von 2 744 S vorgesehen, dann wurde er bereits in der Regierungsvorlage auf 1 732 S reduziert und mit dem vorliegenden Abänderungsantrag neuerlich auf 1 228 S herabgesetzt. Ich weiß schon, daß "Blaulichtorganisationen" auch finanzielle Probleme haben. Aber gerade deshalb – mein Vorredner hat dies kritisiert – haben wir uns dazu durchgerungen, daß diese Änderung erst mit 1. Jänner 1999 wirksam wird, sodaß auch eine gewisse Umstellungsphase gegeben ist.

Grundsätzlich bin ich für eine bevorzugte Zuweisung speziell an die "Blaulichtorganisationen", wie eben das Rote Kreuz oder den Arbeiter Samariter Bund. Dies entspricht auch dem Prinzip der Kostenwahrheit. Es soll hier schon gesagt werden, daß das Rettungswesen grundsätzlich in die Landes- und Gemeindekompetenz fällt. Daher sollten auch dort die Kosten getragen werden. Die Länder haben ja immer gefordert, daß es nach dem Prinzip gehen soll: Wer Kosten verursacht, soll diese auch zahlen.


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Am Beispiel Oberösterreich darf ich sagen, daß sich der Landesfinanzreferent sehr wohl immer rühmt, genügend Mittel auf der Seite zu haben und sehr gut wirtschaften zu können. Dann soll er aber bitte auch die Kosten für diese Aufgaben, für die das Land zuständig ist, tragen. Der Rettungsschilling, der meistens zwischen Land und Gemeinden aufgeteilt wird, muß nicht unbedingt erhöht werden, weil viele Gemeinden, wie wir wissen, ihren ordentlichen Haushalt nicht immer ausgleichen können. Daher kann dieser Mehrbetrag ohne weiteres aus dem Landesbudget getragen werden.

Abschließend sei wieder einmal betont, daß viele soziale, karitative und humanitäre Einrichtungen ihre Aufgaben ohne Zivildiener sicherlich nicht erfüllen könnten. Die Zivildiener leisten somit einen wesentlichen Beitrag, der letzten Endes uns allen zugute kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

18.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.45

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderungen im Zivildienstgesetz, die heute verabschiedet werden sollen, sind in einigen Punkten sehr gut, wichtig und brauchbar. So wäre es auch wünschenswert gewesen, daß alle Zivildiensteinrichtungen österreichweit denselben Beitrag an den Bund abführen. Derzeit ist es so, daß spezielle Einrichtungen, in denen Zivildiener arbeiten und die keine geregelten Einnahmen haben, sprich ambulante Dienste oder Dienstleistungsbereiche im Behinderten- oder Altenhilfebereich, jedes Jahr zu den Ländern oder Gemeinden betteln gehen müssen, um Subventionen zur Bedeckung von Personalkosten et cetera zu erhalten. Diese Einrichtungen mußten seit dem ersten Tag einen Betrag von bis zu 7 300 S pro Zivildiener und Monat an den Bund abführen. Andere Einrichtungen hingegen wie die sogenannten Blaulichteinrichtungen, deren Kosten im wesentlichen durch Kostenersätze der Gebietskrankenkassen, der Pensions- und Unfallversicherungsanstalten getragen werden, brauchten bis dato keine Beiträge an den Bund zu leisten, und sie werden dies auch im nächsten Jahr noch immer nicht tun müssen.

Herr Minister! Ich habe es bereits im Ausschuß angesprochen: Diese Ungleichstellung, die weiterhin, nämlich noch das ganze nächste Jahr, aufrechtbleibt, stellt einfach eine Wettbewerbsverzerrung zwischen staatlichen Organisationen, sprich "Blaulichtorganisationen", und privaten Organisationen dar. Dieses große Paket an Rückerstattungsbeiträgen, die von privaten Organisationen an das Bundesministerium für Inneres dafür zu leisten sind, daß ihnen Zivildiener zur Verfügung gestellt werden, ist von den kleinen Einrichtungen in dieser Höhe absolut nicht mehr leistbar. Hingegen haben es die ÖVP und die Liberalen geschafft, daß "Blaulichtorganisationen" weiterhin von diesen Kosten ausgenommen werden sollen. Es ist auch so gewesen, daß im Ausschuß Kollege Moser vom Liberalen Forum sogar einen Antrag gestellt hat, der dahin ging, daß "Blaulichtorganisationen" auch weiterhin ohne Kostenerstattung Zivildiener zugewiesen bekommen. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Herr Moser! Es stellt sich nur die Frage, wie Sie das gegenüber Einrichtungen, die sich privat finanzieren müssen, rechtfertigen wollen, daß diese den vollen Beitrag zahlen müssen, nämlich bis zu 7 300 S, während "Blaulichtorganisationen", die, wie gesagt, fremdfinanziert werden und Fixfinanzierungen haben, nach wie vor frei Zivildiener bekommen sollen.

Heute wurde auch schon erwähnt, man könne jetzt "Blaulichtorganisationen" mit diesen Beträgen nicht belasten, weil es nämlich die Länder betrifft, und die Länder müßten jetzt mehr oder weniger tief in die Tasche greifen. – Selbstverständlich müssen die Länder tiefer in die Tasche greifen, aber: Wer hat die privaten Hilfsorganisationen bis dato gefragt, wie tief sie jetzt schon in die Tasche greifen müssen? Das war für Sie auch kein Thema! Wie diese überleben sollen, diesbezüglich haben Sie sich noch nie Sorgen gemacht. Jetzt plötzlich machen Sie sich aber Sorgen, wenn diese Einrichtungen 1 228 S pro Monat zahlen sollen. Aber um Einrichtungen, die nach wie vor bis zu 7 300 S bezahlen, machen Sie sich noch immer keine Sorgen! Wenn das


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richtig ist, dann frage ich mich, wo Sie denn leben. Sie brauchen sich keine Sorgen um 1 200 S zu machen, wenn es selbstverständlich ist, daß 7 300 S von anderen berappt werden müssen.

Herr Minister! Ich habe es auch im Ausschuß gesagt: Um wirklich eine Gleichstellung von "Blaulichtorganisationen" und anderen Organisationen, die Zivildiener haben, zu erreichen, wäre es unbedingt notwendig, daß alle Zivildiensteinrichtungen einen gleich hohen Betrag pro Zivildiener und Jahr an den Bund abzuführen haben.

Ob es 1 732 S sind oder 1 228 S, ist, glaube ich, nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, daß alle davon betroffenen Einrichtungen gleichgestellt werden, um eben Chancengleichheit zu gewährleisten. Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend gleiche Höhe der Vergütungen der Zivildiensteinrichtungen an den Bund

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Innenminister wird ersucht, bis zum 1. Jänner 1999 die entsprechenden politischen und gesetzlichen Vorbereitungen zu treffen, daß in Hinkunft alle Rechtsträger der Zivildiensteinrichtungen dem Bund eine Vergütung in gleicher Höhe leisten."

*****

Nur durch die Annahme dieses Entschließungsantrages würde es ermöglicht werden, daß alle Zivildiener in allen Einrichtungen Österreichs gleichbehandelt werden. Das sollte, bitte, das Ziel des Nationalrates sein! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.51

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bei der vorliegenden Zivildienstgesetz-Novelle geht es im wesentlichen um zwei wichtige Neuerungen: erstens um teilweise Ergänzungen und Modifizierungen beim unentgeltlichen Auslandsdienst für Zivildienstpflichtige und zweitens um die Einführung eines monatlichen Mindestkostenersatzes in der Höhe von 1 228 S pro Zivildiener.

Der Auslandsdienst der Zivildiener stellt von der Aufgabenstellung, vom Inhalt und von der Zielsetzung her eine Alternative zum Zivildienst dar. Neu ist dabei, meine sehr geschätzten Damen und Herren, daß eine vertragliche Verpflichtung zur Leistung eines Auslandsdienstes vor einer Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst erfolgen muß. Diese Novellierung dient in erster Linie der Vermeidung von Mißbrauch.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die zweite wesentliche Änderung im Zivildienstgesetz ist die Einführung eines Kostenersatzmindestbetrages in Höhe von 1 228 S für alle Zivildienstorganisationen. Die Einführung eines solchen Kostenersatzes soll weder von den betroffenen Organisationen noch von anderen Stellen als eine Art Bestrafung gesehen werden. In allen Ressorts werden Kosten eingespart. Die Einführung eines Zivildienstkostenersatzes in Höhe von 1 228 S dient vor allem der finanziellen Entlastung des Zivildienstbudgets im Innenministerium.

Neu erfaßt sind von diesen Regelungen auch die sogenannten Blaulichteinrichtungen. Dazu zählen in erster Linie das Rote Kreuz, der Arbeiter Samariter Bund, aber auch die Freiwilligen

 


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Feuerwehren. Gemeinsam ist ihnen allen, daß es sich hierbei um Institutionen handelt, die sich für das Gesamtwohl der Menschen einsetzen. Diese Organisationen waren und sind nach wie vor auf den Einsatz von Zivildienern und von vielen freiwilligen und ehrenamtlichen Mitarbeitern angewiesen. Bisher mußten sie dafür keine Vergütung an den Bund zahlen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die "Blaulichteinrichtungen" sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ursprünglich war man von einem viel höheren Mindestkostenersatz ausgegangen. Noch im Begutachtungsentwurf war eine Vergütung in Höhe von 2 744 S vorgesehen. Das wäre für die sozialen Organisationen eine unzumutbare Belastung gewesen.

Kollege Dietachmayr! Sie meinten in Ihren Ausführungen hier, die Länder sollen diese Kosten aus ihren Budgets begleichen. Meiner Ansicht nach macht man sich das viel zu einfach. (Abg. Leikam: Das ist Landessache!) Mir beziehungsweise der ÖVP war dieser Betrag viel zu hoch, und wir haben uns deshalb für eine Nachjustierung ausgesprochen und dafür eingesetzt, daß dieser Betrag gesenkt wird. Man hat sich vorerst auf 1 700 S geeinigt. Im Ausschuß konnten wir dann eine weitere Reduzierung dieses Betrages durchsetzen.

Ich möchte hier erwähnen, daß sich insbesondere die Freiheitlichen, aber auch die Grünen sehr dafür eingesetzt haben, diese Kostenersätze auf einer wesentlich höheren Ebene anzusiedeln. Ich verstehe nicht, geschätzte Frau Kollegin Haidlmayr, weshalb Sie fordern, daß diese Kostenersätze an die 7 000 S, die andere Einrichtungen zu leisten haben, angehoben werden sollen. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Sie sollten sich eher dafür einsetzen, daß diese gesenkt werden, wenn man meint, daß sie zu hoch sind. Also da verstehe ich Ihre Philosophie nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haidlmayr: In anderen Einrichtungen müssen sie auch herabgesetzt werden!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen: Wir sollten uns trotz der unterschiedlichen Standpunkte über die Höhe der Vergütung auf eines, glaube ich, doch einigen: Der Dienst der einzelnen Zivildiener sollte einen besonderen Stellenwert haben und auch geschätzt werden. Die ÖVP hält den Zivildienst, der aber ein Wehrersatzdienst ist, für wichtig. Die Zivildiener entscheiden sich in den meisten Fällten bewußt für diesen Schritt, sie entwickeln während ihrer Zivildienstzeit oft hohes soziales Bewußtsein. Die Folge davon ist, daß sie nach Beendigung ihres Zivildienstes dann in vielen Fällen als freiwillige Helfer den Zivildienstorganisationen weiterhin zur Verfügung stehen. Damit schließt sich der Kreis wieder.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ohne freiwillige Helfer könnte weder das Rote Kreuz noch verschiedene andere Sozialdienste in ihrer jetzigen Form weiterhin bestehen bleiben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwemlein. )

18.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.57

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Grundsätzlich ist eine Zivildienstgesetz-Novelle, in welcher tatsächlich eine Präzisierung der Bestimmungen über Anerkennungsverfahren enthalten ist, die hieb- und stichfest ist, und in welcher vorgesehen ist, daß eine Kontrolle der Zivildiener und deren Auslastung stattfindet, zu befürworten.

Herr Kollege Freund meinte hier, er könne es nicht verstehen, daß Kollegin Haidlmayr und die Freiheitlichen dafür eintreten, daß beim Kostenersatz eine Gleichstellung der "Blaulichteinrichtungen", wie zum Beispiel des Roten Kreuzes, mit anderen Zivildiensteinrichtungen erfolgt. Dazu möchte ich ihm folgendes sagen: Ich nehme an, daß auch Kollege Freund diverse Zuschriften aus dem Bereich der Taxiunternehmer erhalten hat, aus welchen ganz klar hervorgeht, daß das Rote Kreuz einen neuen Geschäftszweig aufgemacht hat. Aus den sogenannten Sitzend-Taxi-Transporten wurden im Formular per Einfügung die "Sitzend-Kranken-Taxi-Transporte". Dieser neue Geschäftszweig wurde eingeführt. Das heißt, man nimmt es bewußt in Kauf, daß eine Ungleichstellung erfolgt, daß nun Taxiunternehmen, die eine Gewerbesteuer zu ent


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richten haben, die eine Lohnsteuer zu bezahlen haben, die steuerlich nicht die Begünstigungen oder Befreiungen haben, die das Roten Kreuz hat, im Wettbewerb mit bevorzugten "Blaulichteinrichtungen", wie zum Beispiel in diesem Fall dem Roten Kreuz, zu kämpfen haben. Diese läßt man im Regen stehen. Es stimmt einfach nicht, Kollege Freund, daß wir uns, wie Sie den Eindruck zu erwecken versucht haben, dafür einsetzen, daß durch die Tätigkeit ehrenamtlicher Mitarbeiter dem Roten Kreuz Mehrkosten entstehen würden. Es wurde einer Berufsgruppe gezielt Schaden zugefügt. Es ist nicht erkennbar, welchen Sinn sonst das haben sollte.

Der Herr Bundesminister hat im Ausschuß auf die Frage nach dem Einsatz der Zivildiener als Krankentransporteure im Rahmen dieses neuen Geschäftszweiges gesagt, es soll durch Zivildiener kein einziger Arbeitsplatz verlorengehen. Genau das geschieht aber dadurch. Es ist aus diesem Grunde diese Novelle nicht zu unterstützen, und es ist auch nicht zu begrüßen, daß die Reduktion von den ohnehin mageren 2 700 S auf etwas über 1 300 S erfolgt ist. Außerdem erfolgt auch noch eine zeitliche Verzögerung bis zum 1. Jänner 1999.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, und zwar betrifft dieser den § 18 Zivildienstgesetz, der einen Grundlehrgang vorschreibt. Herr Bundesminister, ich nehme an, daß Sie darüber informiert sind, daß im Rahmen der "politischen Bildung", die 28 Unterrichtseinheiten zu umfassen hat, Videos gezeigt werden, auf denen Bilder von Menschen aus aller Welt, wenn auch nicht unbedingt aus Österreich, zu sehen sind, wo Kinder, die mit Benzin übergossen werden, wo schwangere Frauen, denen der Bauch aufgeschlitzt wird, zu sehen sind. Es wird dargestellt, wie schlecht es auf dieser Welt ist. Es werden Menschen aus aller Welt, nur keine Österreicher gezeigt.

Danach kommt eine Darstellung des "Polizeistaates Österreich". Es folgen Dokumentationen über organisierten Neofaschismus. Es werden Schreckensbilder gezeigt, aber man vergißt selbstverständlich, über Ebergassing und ähnliches zu berichten. Das geschieht in diesem Rahmen nicht. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf Sie, Herr Bundesminister, ersuchen, dafür zu Sorge zu tragen, daß entsprechende Kriterien für die Ausbildung der Zivildiener im Rahmen dieses Grundlehrganges, der erforderlich ist und der drei Wochen dauert, zur Anwendung kommen, und sich dafür zu verwenden, daß eine vernünftige Ausbildung in diesem Bereich erfolgt.

Mein Kollege Scheibner hat schon angeführt, daß wir Freiheitlichen mit den Auslandsdiensten der Zivildiener nicht einverstanden sind, daß wir der Meinung sind, daß der Zivildienst grundsätzlich in Österreich und nicht im Ausland abzuleisten ist. Selbstverständlich kann man – es kam von uns die Frage nach der Zivildienststelle "Radio Mozambique" – bei all den Stellen, denen man Zivildiener zur Verfügung stellt, irgendwelche Gründe finden, die das Humanitäre in den Vordergrund stellen. Wir Freiheitlichen sind der Meinung, daß die Zivildiener in Österreich ihren Dienst leisten sollten.

Wir werden aus den genannten Gründen dieser Novelle unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke schön (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

19.02

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner sind ja schon im Detail auf die vorliegende Novelle des Zivildienstgesetzes eingegangen, daher dazu nur einige Anmerkungen. Wir Liberalen halten es für richtig und auch für positiv, daß es nun zu einer Präzisierung des Auslandzivildienstes kommt, nachdem diese Frage bislang nicht ausreichend geregelt war. Wir begrüßen es, daß es nun tatsächlich zu einer sinnvollen Verwendung der Zivildiener im Ausland kommt und die bisherigen, etwas skurrilen Verwendungen der Vergangenheit angehören.


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104. Sitzung / Seite 158

Ich möchte den Herrn Bundesminister, nachdem die Verwendungskompetenz in den Bereich des Innenministeriums gelangt ist, ersuchen, sehr genau zu prüfen, inwieweit tatsächlich die Interessen der Republik betroffen sind, und dafür zu sorgen, daß eine entsprechende Auslastung im Rahmen des Auslandszivildienstes erfolgt. Ich erwarte, Herr Bundesminister, daß Sie die Auflagen dafür geben und dann, wenn diese Auflagen nicht erfüllt werden, den Mut haben, die Genehmigung zu widerrufen.

Zweitens geht es bei dieser Novelle um eine Gleichstellung der Rechtsträger der Zivildiensteinrichtungen bei der Vergütung von Leistungen, die die Zivildiener erbringen. Es stimmt schon, Frau Kollegin Haidlmayr, daß ich im Ausschuß einen Abänderungsantrag im Zusammenhang mit der Bestimmung, daß jetzt auch "Blaulichtorganisationen" einen entsprechenden Beitrag zu zahlen haben, eingebracht habe, in dem ich meinte, daß es da zu einer Abwälzung der Kosten auf die Landesebene oder in den Bereich der Gemeinden kommt und dadurch die Gemeinden, die ohnehin sehr große finanzielle Belastung zu tragen haben, auch große Aufwendungen im Bereich des Sozialdienstes haben, daß sie dadurch noch zusätzliche Belastungen auf sich nehmen müssen.

Ich habe mich dann aber von den Argumenten, daß es Sinn macht, da eine Gleichstellung zu erreichen, und daß die vorgeschlagene Lösung gerechter ist als die bisherige Lösung, überzeugen lassen. Und aus diesem Grund werden wir die neue Regelung akzeptieren – obwohl es nach wie vor Diskrepanzen gibt, obwohl sich da nach wie vor eine Schere auftut, aber man wird dann in einem nächsten Schritt überlegen müssen, in welcher Art und Weise es zu einer Gleichbehandlung kommen kann.

Ich glaube, daß der Betrag, der jetzt festgelegt wird, eine angemessene Vergütung darstellt. Die Tatsache, daß diese Bestimmung erst mit 1. Jänner 1999 in Kraft tritt, muß in dem Lichte gesehen werden, daß man Zeit braucht, sich umzustellen. Es brauchen die Trägerorganisationen Zeit, das Budget zu erstellen. Wir können nicht heute ein Gesetz beschließen, daß nächstes Jahr Gültigkeit hat, wenn die Budgets dafür heute schon beschlossen sind. Dasselbe trifft auf die Gemeinden zu. Diesen muß man auch mindestens ein Jahr an Vorbereitungszeit geben.

Ich meine, daß diese Regelung vertretbar ist, weil damit Ungerechtigkeiten beseitigt werden, und wir werden daher dieser Novelle zustimmen.

Ich darf abschließend diese Gelegenheit dazu nützen, den Herrn Bundesminister auf die Situation im Bereich der "politischen Bildung" im Rahmen des Zivildienstes aufmerksam zu machen; ich habe das im Ausschuß schon getan. Ich glaube, daß das ein sehr wichtiges Vorhaben ist und diesem daher mehr Aufmerksamkeit geschenkt und größere Bedeutung beigemessen werden soll, als das bislang offensichtlich der Fall war, was man unter anderem einem Zeitungsbericht der "Presse" vom 26. November dieses Jahres entnehmen kann, in dem kritisiert wird, daß "politische Bildung" in einer Art und Weise vermittelt wird, die inakzeptabel ist.

Herr Bundesminister, ich darf Sie ersuchen, da dieser Artikel am 26. November erschienen ist, wir nun den 11. Dezember schreiben, uns heute hier im Hohen Haus zu berichten, welche konkrete Maßnahmen Sie gesetzt haben, damit in Zukunft "politische Bildung", wie sie in diesem Artikel beschrieben wurde, verhindert wird.

Ich darf noch einmal meinen Vorschlag hier deponieren, daß es Sinn machen würde, die Konzeption der "politischen Bildung" im Rahmen des Zivildienstes neu zu regeln. Es wäre, da wir in diesem Zusammenhang positive Erfahrungen bei der Festlegung der Konzeption der "politischen Bildung" im Bundesheer haben, sehr positiv und sehr sinnvoll, eine Einladung an die politischen Akademien der Parteien zu richten, gemeinsam ein neues Konzept zu erstellen, damit eine sehr breite politische Basis im Zusammenhang mit "politischer Bildung" im Rahmen des Zivildienstes gegeben ist.

Ich darf noch einmal sagen: Wir werden dieser Novelle unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.08


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104. Sitzung / Seite 159

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es hat sich Herr Bundesminister Mag. Schlögl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

19.08

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die bisherige heutige Diskussion hat gezeigt – auch wenn unterschiedliche Positionen eingenommen wurden und ein Teil der Damen und Herren dieses Hohen Hauses dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen wird –, daß der Zivildienst von allen in diesem Hohen Hause vertretenen politischen Parteien anerkannt wird. Er ist zu einen wesentlichen Bestandteil in Österreich geworden. Ich halte das für notwendig, wichtig und richtig.

Die vorliegende Novellierung des Zivildienstgesetzes betrifft die Neuregelung des Auslanddienstes für Zivildienstpflichtige und die Einführung eines Mindestbetrages an Vergütung, der in Hinkunft von allen Organisationen zu entrichten ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe denjenigen recht, die der Ansicht sind, daß der Zivildienst prinzipiell im Inland abzuleisten ist. Von der überwältigenden Mehrheit aller Zivildienstleistenden wird er auch im Inland abgeleistet. So wurden im heurigen Jahr 6 440 Zivildiener einberufen, und davon verrichten lediglich 62, also nicht einmal 1 Prozent aller Zivildiener, ihren Dienst im Ausland.

Ich glaube aber, daß es einige Fälle gibt, in welchen dies notwendig und wichtig ist, um klar politisch Flagge zu zeigen und mit unserer Vergangenheit zurechtzukommen. Daher meine ich, daß wir den Zivildienst im Rahmen des Gedenkens an die Opfer des Faschismus und des Nationalsozialismus aufrechterhalten sollen. Ich halte den Zivildienst im Bereich des Gedenkdienstes, des Friedensdienstes und des Sozialdienstes auch im Ausland für sehr wichtig und gut, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Diskussion über die Entrichtung eines Kostenersatzes möchte ich sagen, daß ich weiß, daß dieser Kostenersatz derzeit sehr unbefriedigend geregelt ist. Es gibt eine Vielzahl von Organisationen, die einen ziemlich hohen Betrag zahlen. Der österreichische Staat, wir alle zahlen pro Zivildiener im Monat zirka 12 300 S. Die Zivildienstträgerorganisationen müssen für einen Zivildiener nach Erledigung des Grunddienstes zirka 2 500 S bis 7 500 S zahlen. Ausgenommen davon waren bisher lediglich die "Blaulichtorganisationen". Ich meine, daß diese Ausnahme nicht mehr gerechtfertigt ist, weil auch alle anderen Organisationen in einem Bereich tätig sind, in dem sie nicht nur nach Gewinn orientiert sind, sondern wo sie tätig sind im Interesse der Menschen, im sozialen Bereich und wo sie tätig sind, um anderen Menschen zu helfen. Darum halte ich es für richtig und legitim, daß "Blaulichtorganisationen" von einem Grundbetrag nicht ausgenommen sind.

Ich bitte aber um Verständnis dafür, daß "Blaulichtorganisationen" nicht von heute auf morgen finanziell ziemlich stark belastet werden können. Der Grundbeitrag, den wir jetzt einfordern, wird die "Blaulichtorganisationen" ab dem Jahre 1999 rund 40 bis 41 Millionen Schilling kosten. Ich meine, es ist gerechtfertigt, daß das nicht innerhalb kürzester Zeit zu erledigen ist, sondern die "Blaulichtorganisationen" eine Vorbereitungszeit von einem Jahr haben. Darum haben wir uns entschlossen, dieses Gesetz erst mit 1. Jänner 1999 in Wirksamkeit treten zu lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dietachmayr hat davon gesprochen, daß der Zivildienst zunehmende Akzeptanz in der Bevölkerung hat, und ich möchte das, was er gesagt hat, unterstreichen. Untersuchungen zeigen, daß 77 Prozent der österreichischen Bevölkerung den Zivildienst als eine gute Sache ansehen und der Meinung sind, daß der Zivildienstleistende einen sehr wesentlichen und sehr wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet.

Ich behaupte, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß viele Organisationen in Österreich, die freiwillig, ehrenamtlich arbeiten, ohne die Einrichtung des Zivildienstes ihre Tätigkeit nicht im jetzigen Ausmaß beziehungsweise Umfang durchführen könnten. Und ich meine, daß wir bei je


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104. Sitzung / Seite 160

der Diskussion, die wir in Zukunft führen, diesem Moment auch großes Augenmerk schenken müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahl der Zivildienstpflichtigen ist in den letzten Jahren sehr, sehr stark gesunken. Waren es im Jahre 1993 noch 13 874 Personen, die um Ableistung des Zivildienstes angesucht haben, ist im heurigen Jahr diese Zahl auf etwas mehr als 6 000 gesunken. Trotzdem ist es uns gelungen, Zivildienstträgerorganisationen garantieren zu können, daß auch im heurigen Jahr wieder 6 400 Zivildienstpflichtige zugewiesen werden. Ich glaube, daß es sehr, sehr wichtig und notwendig ist, daß die Geldmittel, die jetzt aufgrund dieses Grundbeitrages hereinkommen, auch für die zusätzliche verstärkte Zuweisung von Zivildienern verwendet werden.

In diesem Zusammenhang, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich auch noch daran erinnern, daß wir derzeit 700 anerkannte Zivildiensteinrichtungen haben – eine Rekordzahl – und daß diese 700 anerkannten Zivildiensteinrichtungen einen sehr wichtigen sozialen Anteil an den Arbeiten, an den Leistungen für die Menschen in unserem Land erbringen.

In diesem Sinne möchte ich betonen, daß sich der Zivildienst nach Jahren der zum Teil sehr kontroversiellen Diskussion nun in einer sehr konstanten Phase befindet. Ich halte das für sehr, sehr notwendig und wichtig für diese Einrichtung, weil ich glaube, daß die vielen Zivildiener einen wichtigen, ja unschätzbaren Beitrag für sehr viele Sozialeinrichtungen in Österreich leisten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.14


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104. Sitzung / Seite 161

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Schwemlein zu Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.14

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Positive Entwicklungen kann man, glaube ich, nicht oft genug hervorheben und unterstreichen – daher einige wenige Bemerkungen zu dieser Zivildienstgesetz-Novelle und zu den Ausführungen des Kollegen Scheibner.

Es ist klar, daß sich die Argumentation seitens der Freiheitlichen schließt. Kollege Scheibner hat sich massiv gegen den Wehrersatzdienst im Ausland ausgesprochen. Wenn man sich anschaut – da das jetzt klar und deutlich definiert ist –, in welcher Form dieser Wehrersatzdienst im Ausland geleistet werden kann, dann wird man auch verstehen, warum Kollege Scheibner wahrscheinlich damit Probleme und Schwierigkeiten hat. Denn eine der Möglichkeiten, einer der Bereiche, in dem man diesen Dienst leisten kann, ist der Gedenkdienst. (Abg. Scheibner: Das ist ein Schwachsinn!)

Ich könnte mir vorstellen, daß Sie möglicherweise damit Probleme haben, genauso wie mit dem zweiten Bereich, dem Friedensdienst. Vielleicht wollen Sie nicht, daß auch österreichische Zivildiener dazu einen Beitrag leisten. Ich unterstelle Ihnen aber nicht, Herr Kollege Scheibner, daß Sie beim dritten Punkt, der den Sozialdienst betrifft, Probleme haben. (Abg. Scheibner: Ich habe ein grundsätzliches Problem damit, Kollege, aber das haben Sie nicht verstanden!)

Frau Kollegin Haidlmayr – sie ist leider nicht da – hat einen Entschließungsantrag eingebracht, der nicht unbedingt zu unterstützen ist (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie sollten "Schwimmlein" heißen!) , und zwar schon deshalb, weil die Sichtweise der Kollegin Haidlmayr nicht ganz schlüssig ist. Es gibt eine Fülle unterschiedlicher Zivildiensteinrichtungen; diese kann man nicht alle über einen Leisten scheren. Man muß sehr wohl differenzieren, ob diese Einrichtungen einen hohen oder geringen Anteil ehrenamtlicher Mitarbeiter haben, weil bei einer höheren Anzahl von ehrenamtlichen Mitarbeitern natürlich niedrigere Entgelte zu berücksichtigen sind.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat in sehr prägnanter Art und Weise die weiteren Verbesserungen dieser Zivildienstgesetz-Novelle erläutert, und ich darf Sie alle bitten, dieser zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Vorläufig letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.17

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 37 Jahren leisten österreichische Soldaten im Einsatz der UNO Friedensdienste im Ausland. Die UNO-Soldaten haben dafür vor wenigen Jahren auch den Nobelpreis bekommen. Daher ist diesem Friedensdienst von Soldaten Respekt und Anerkennung zu zollen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Derselbe Respekt und dieselbe Anerkennung gebührt aber auch jenen Zivildienstpflichtigen, die 14 Monate – 14 Monate! – unentgeltlich in einem fremden Land unter schwierigsten Bedingungen Gedenkdienst, Sozialdienst oder Friedensdienst leisten. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Schieder: Sehr richtig!)

Frieden stiften heißt auch, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, und deshalb habe ich mir seinerzeit unter den 18 zurzeit anerkannten Trägerorganisationen jene herausgesucht, die sich mit dem Problem der "Straßenkinder" in Bukarest befassen, worauf ich gemeinsam mit Kollegen Scheibner aufmerksam wurde. Die Caritas Wien und Feldkirch haben gemeinsam mit dem Jesuitenpater Georg Sporschill und Frau Ruth Zenkert ein Projekt für die Straßenkinder in Bukarest installiert, und es geht wirklich unter die Haut, wenn man die Dokumentation darüber liest. Deshalb habe ich mich auch gewundert, ja es hat mir weh getan, als Kollege Herbert Scheibner wörtlich gesagt hat: solche Zivildiener – jene im Ausland – entziehen sich ihrer Pflicht. (Abg. Scheibner: Als Wehrersatzdienst, sicher!)

Ich bitte Sie wirklich, darüber nachzudenken. In Bukarest gibt es "Straßenkinder", vierjährige, sechsjährige, elfjährige Waisenkinder, die gar nichts haben, und diesen Straßenkindern hilft Lukas Trentini, den ich kennenlernen konnte, als Zivildiener im Ausland. Wenn man sich diese Dokumentation anschaut ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da sind ja langjährige Projekte nötig! Das ist kein Zivildienst mehr!) Er dient dort 14 Monate, und die Caritas und die Jesuiten betreiben das Projekt natürlich in erster Linie mit hauptberuflichen Helfern.

Erfahrungsbericht eines Zivildieners: "Ich habe gesehen, mit wie wenig Menschen leben müssen. Ich habe eine andere Welt kennengelernt, und ich habe Freunde gewonnen: fünfjährige, siebenjährige, elfjährige Kinder ohne Eltern, ohne Aussicht, ohne Hoffnung." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie in die inländischen sozialen Organisationen, die Zivildiener brauchen!)

Selbstverständlich, Frau Dr. Partik-Pablé! Im Inland gibt es viele großartige Sozialeinrichtungen, die sich um Kinder bemühen. Aber ein solches Elend wie bei den "Straßenkindern" in Bukarest, bei den Kindern der Hoffnungslosigkeit habe ich noch nie erlebt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Deshalb bitte ich wirklich alle, diesen Auslandsdienst nicht zu diskriminieren! Er verdient Anerkennung und Respekt, und es stünde uns gut an, diesen idealistischen Dienst auch als solchen zu sehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Scheibner hat sich zum dazu zweitenmal zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, die Restredezeit für die zweite Wortmeldung beträgt 16 Minuten. – Bitte.

19.20

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Die Ausführungen des Kollegen Schwemlein haben mich veranlaßt, hier noch einmal zum Rednerpult zu gehen. – Kollege Schwemlein, es ist wirklich zu dumm, daß Sie, wenn man eine Meinung vertritt, die nicht die Ihre ist – und das sei wohl jedem unbenommen –, immer wieder versuchen, in dieselbe Kerbe zu schlagen. (Ruf bei der SPÖ: Also bitte! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Laß ihn doch, er hat ja nichts anderes!)


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Ich sage Ihnen eines, weil es mir wirklich zu dumm ist: Ich habe nichts gegen den Gedenkdienst, schon deshalb nicht, weil auch meine Familie durch den Nationalsozialismus verfolgt gewesen ist. Ich habe nichts gegen Sozialdienste im Ausland, und ich habe auch nichts gegen Friedensdienste im Ausland. Aber ich habe in meiner Rede – und das werden Sie mir zugestehen müssen, ohne mich und meine Fraktion zu diffamieren – auf die geltende Verfassungslage hingewiesen, und ich habe gesagt: Solange die Verfassungslage dergestalt ist, daß der Zivildienst ein Wehrersatzdienst ist, so lange soll er auch nur im Inland ausgeübt werden. Ich habe mich aber auch dafür ausgesprochen, sowohl Wehrdienst wie auch Zivildienst auf eine freiwillige Basis zu stellen, denn dann wäre all das, was jetzt gemacht wird, selbstverständlich notwendig.

Kollege Schwemlein, noch einmal: Wenn Sie Argumente haben, die gegen unsere Meinung sind, dann bringen Sie sie vor, aber lassen Sie die unterste Schublade geschlossen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Ein Schlußwort des Berichterstatters ist nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 986 der Beilagen.

Dieser Entwurf enthält Verfassungsbestimmungen, sodaß ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Mitglieder dieses Hauses feststelle.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist mehrheitlich angenommen, und zwar mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen, wobei gleichfalls das verfassungsmäßig vorgeschriebene Zweidrittelquorum gegeben war.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend gleiche Höhe der Vergütung der Zivildiensteinrichtungen an den Bund.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 563/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen (985 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, sodaß wir sogleich in die Debatte eingehen.

Ich erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Dr. Karlsson das Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.


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104. Sitzung / Seite 163

19.24

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Worum geht es beim Verbot von Laserwaffen? – Laser ist an und für sich eine sehr segensreiche Erfindung, vor allem in der Medizin wird der Laserstrahl immer umfangreicher und sehr erfolgreich eingesetzt. Aber es gibt nichts Gutes an menschlichen Erfindungen, ohne daß jemand daherkommt und sagt, eigentlich könnte man auch eine Waffe daraus machen.

Genau das ist passiert. Die Laserwaffe ist bereits zur Serienreife entwickelt, wird aber noch nicht produziert. Daher beschließen wir dieses Verbot gerade zum richtigen Zeitpunkt.

Die Definition der Laserwaffe geht auf ein Zusatzprotokoll zur UNO-Waffenkonvention zurück, das in Wien im Oktober 1995 beschlossen wurde. Der Verteidigungseinsatz dieser Waffe ist ein eher geringer, nebensächlicher. Aber diese Laserwaffen wären, falls sie massenhaft produziert würden, die Waffe für die organisierte Kriminalität und für den Terrorismus. Sie sind von weitem nicht erkennbar, sie wirken über weite Entfernungen und führen unmittelbar zu unheilbarer Erblindung.

Meine Damen und Herren! Das Ganze schaut so aus: In einem Rucksack wird der Laser erzeugt, und das Gerät, mit dem gezielt wird, muß nicht wie eine Pistole ausschauen – es kann zum Beispiel als Kugelschreiber getarnt sein. Es ist für das Opfer eines Banküberfalls nicht erkennbar, ob es sich um eine Laserwaffe handelt oder nicht. Gerade deshalb ist es auch so wichtig, daß diese Waffe nicht massenhaft produziert wird.

Der Antrag auf das Verbot ist ein Fünfparteienantrag, und ich freue mich sehr, daß alle Parteien des Hohen Hauses gerade in dieser Frage Einigkeit zeigen, daß wir hier eine breite Mehrheit haben und zeigen, daß Österreich gewillt ist, auf dem Weg des Friedens wieder einen Schritt weiterzugehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.27

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich meiner Vorrednerin vollinhaltlich anschließen. Auch mich freut es sehr, daß es gelungen ist, bei diesem Verbotsgesetz einen Fünfparteienantrag zustande zu bringen. Es ist das eigentlich die Fortsetzung einer konsequenten Politik gegen unmenschliche Waffen, wie uns das auch bei den Anti-Personen-Minen gelungen ist.

Die derzeit geltende Konvention oder vielmehr das internationale Protokoll sieht nur ein Einsatzverbot im Kriegsfalle vor. Unser vorgelegtes Bundesgesetz geht weiter: Es verbietet auch die Entwicklung, die Herstellung, die Beschaffung, die Vermittlung, den Verkauf, die Ein-, Aus- und Durchfuhr solcher unmenschlicher Waffen.

Ich darf dazu auch noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Karlsson, Kiss, Dr. Partik-Pablé, Mag. Stoisits, Moser und Kollegen zum Bericht des Innenausschusses (985 der Beilagen) betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Dr. Karlsson, Rauch-Kallat, Gaál, Amon und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen (563/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag 563/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Dr. Karlsson, Rauch-Kallat, Gaál, Amon und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen in der Fassung des Ausschußberichtes (985 der Beilagen) wird wie folgt geändert:


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Im § 2 Abs. 4 werden die Worte "gemäß Abs. 1 und 3" durch die Worte "gemäß Abs. 1 bis 3" ersetzt.

*****

Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Amon soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß überreicht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.29

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wenn man nicht täglich mit Waffen zu tun hat oder mit der Waffenproduktion, dann hält man es eigentlich für unmöglich, daß eine Waffe entwickelt wird, deren alleiniger Zweck es ist, das menschliche Auge zu zerstören und dauernde Blindheit hervorzurufen.

Tatsächlich ist aber diese schlimme Vision zur Realität geworden, und diese Waffe ist, wie ich den Erläuternden Bemerkungen entnommen habe, bereits reif für die Serienproduktion. Das heißt also, daß diese schlimme Vision zu einer furchtbaren, bedrohlichen Realität geworden ist.

Deshalb bin ich auch sehr froh darüber, daß dieser Antrag gestellt worden ist, wenngleich wir uns darüber im klaren sein müssen, daß wir damit nur ein Signal setzen, und zwar ein sehr kleines Signal. Ich bin der Meinung, daß Österreich zu den wenigen Ländern gehört, die ein solches Verbot beschließen.

Ich meine weiters, daß es dringend notwendig wäre, daß die Bundesregierung diesem kleinen Signal Breitenwirkung verleiht, indem in allen internationalen Gremien, insbesondere aber auch in der EU, darauf hingewiesen wird, wie wichtig es wäre, diese blindmachenden Laserwaffen zu verbieten. Das heißt, daß in mehreren Ländern und in der Folge auch weltweit ein Verbot dieser Waffen erlassen werden muß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Innenminister! Wir müssen uns aber auch den Kopf darüber zerbrechen, wie wir die Bestimmung, die in dem Gesetzentwurf enthalten ist, vollziehen werden, nämlich das Verbot der Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr dieser Waffen. Jetzt können wir nicht einmal kontrollieren, ob gefährlicher Abfall durch Österreich transportiert oder ausgeführt wird. Ich bin der Ansicht, daß es dringend notwendig ist, daß der Vollzug wirklich funktioniert. Man kann nicht einerseits den Besitz verbieten, aber andererseits zuschauen, wie solche Waffen frisch und fröhlich durch Österreich durchgeführt werden und dann eben auch in die Hände von Kriminellen kommen.

Ich hoffe auf Ihr und rechne sehr mit Ihrem Verständnis, sehr geehrter Herr Innenminister, und erwarte mir, daß Sie uns Vorschläge oder einen Bericht darüber unterbreiten, was Sie unternehmen werden, damit auch von Ihrer Seite her sichergestellt ist, daß solche Waffen in Österreich nicht im Umlauf sind. – Im übrigen werden wir diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Schon wieder!)

19.32

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben die rechtliche Situation der Novelle dieses Bundesgesetzes entsprechend dargestellt. Sie orientiert sich am Verbot von Anti-Per


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sonen-Minen. Im Nationalrat sind wir da wirklich in vorbildlicher Weise vorgegangen. Ich kann auch aufgrund meiner Tätigkeit im Europarat sagen, daß in den Ausschüssen die Frage des Verbots von Anti-Personen-Minen beraten worden ist und dann – Frau Kollegin Karlsson kann das auch bestätigen – mit großer Genugtuung festgestellt wurde, daß Österreich zusammen mit zwei anderen Ländern in Europa einen ersten Schritt gesetzt hat.

Daher meine ich, daß es wirklich der Fortsetzung unserer Tradition entspricht, daß wir uns jetzt auch für ein Verbot blindmachender Laserwaffen aussprechen und daß wir alles daransetzen, daß es bei diesem Verbot zu einer ähnlichen Regelung, also zu einer weltweiten Ächtung kommt, wie es auch Frau Kollegin Partik-Pablé bereits angesprochen hat.

Ich möchte aber besonders auf einen Punkt hinweisen, weswegen ich der Ansicht bin, daß es so wichtig ist, daß wir ein Verbot blindmachender Waffen beschließen. Ich darf auf die Zeitung des Internationalen Roten Kreuzes verweisen, in der unter anderem darauf hingewiesen wird, daß die große Gefahr besteht, daß diese Waffen in terroristische Hände gelangen. Wenn es ein allgemeines weltweites Verbot und eine Ächtung dieser Waffen gäbe, so könnten Terroristen diese Waffen nicht einsetzen. Es kann zwar jedes Verbot gebrochen werden, aber zumindest würde die Wahrscheinlichkeit dadurch stark reduziert werden. Das heißt, dieses Verbot ist ein sehr wichtiger Beitrag für die Sicherheit der Menschen, und zwar sowohl in unserem Lande als auch in der Welt. Daher meine ich, daß es Sinn macht und richtig ist, daß wir dieses Gesetz beschließen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

19.34


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104. Sitzung / Seite 166

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt noch eine Wortmeldung der Frau Abgeordneten Mag. Stoisits vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

19.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er, poštovane dame i gospodo! (Abg. Gaugg: Wie bitte?!) Nachdem ich von der ÖVP-Fraktion nur lobende und zustimmende Worte gehört habe – im Ausschuß haben wir schon darüber diskutiert –, fällt mir nur eines dazu ein, und erlauben Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang ein wenig keck bin: Gott sei Dank besitzt noch niemand diese Laserwaffe! Denn nach dem Motto der ÖVP wäre es ja folgendermaßen: Man könnte Besitzern solcher Waffen diese gar nicht mehr wegnehmen. Das ist nämlich die Haltung der ÖVP, wenn es im Zusammenhang mit solchen Waffen nicht um etwas ganz Konkretes und Ernstes geht. (Abg. Dr. Maitz: Das ist ein Untergriff!) Denn das Problem dieser blindmachende Laserwaffen ist noch so weit von uns weg, und – wie Kollegin Karlsson berichtet hat – sie werden zwar bereits in Serienreife entwickelt, aber noch nicht produziert. (Abg. Murauer: Sie sagen mit Absicht die Unwahrheit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir ein Anliegen, an dieser Stelle zu sagen, daß es in Österreich akuten Handlungsbedarf im Zusammenhang mit diesen Waffen, mit ihrem Inverkehrbringen und mit ihrer Verwendung gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber schon ein Unterschied! Das kann man nicht in einen Topf werfen! Ich hätte gern, daß Sie sachlich bleiben!)  – Natürlich gibt es einen Unterschied, Frau Dr. Partik-Pablé. Ich rede aber den Kolleginnen und Kollegen in einem anderen Sektor ins Gewissen (Abg. Haigermoser: Auf Ihren Gewissenswurm können wir verzichten!) , denn tatsächlich passiert inzwischen schon fast wöchentlich großes Unglück in unserem Lande. (Abg. Haigermoser: Sie sind ein Unglück!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und geschätzter Herr Klubobmann Khol! Ich bitte Sie, wenn wir alle schon in so vorweihnachtlichem Frieden und in Eintracht für diesen Gesetzentwurf gegen blindmachende Laserwaffen sind, vor allem die nahende Weihnachtszeit dazu zu nützen, Ihren Standpunkt bezüglich des Novellierungsbedarfes des Waffengesetzes zu überdenken, damit es im nächsten Jahr eine gemeinsame Initiative geben könnte. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Lassen Sie das Christkind aus dem Spiel! Mißbrauchen Sie das Christkind nicht!)

19.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit, denn wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 985 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Karlsson, Kiss, Dr. Partik-Pablé, Mag. Stoisits und Hans Helmut Moser und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 2 Abs. 4 eingebracht. Es liegt nur dieser eine Antrag vor.

Ich lasse daher sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 985 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Karlsson, Kiss, Dr. Partik-Pablé, Mag. Stoisits und Hans Helmut Moser und Genossen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Die Annahme erfolgte einstimmig. Der Entwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Auch in dritter Lesung ist der Entwurf einstimmig angenommen. (Abg. Dr. Krüger  – auf die leeren Bänke der Grünen weisend –: Wo sind denn die Grünen?!)

17. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (767 der Beilagen): Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (EUROPOL-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich (984 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, sodaß ich nunmehr als erstem Redner Herrn Abgeordneten Lafer das Wort erteile. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.39

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Was wir heute unter diesem Tagesordnungspunkt behandeln, ist der Vertrag über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes, das sogenannte EUROPOL-Übereinkommen.

Ziel ist eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, des illegalen Drogenhandels und sonstiger schwerwiegender Formen der internationalen Kriminalität, soferne Anhaltspunkte für eine kriminelle Organisationsstruktur vorliegen. Die Aufgabengebiete liegen darin, daß die EUROPOL ein eigenes Computernetz aufbauen soll, in dem einerseits eine Informations- andererseits eine Analysedatei angelegt werden soll.

Kritiker warnen heute schon davor, daß Bürger kaum die Möglichkeit hätten, diese Dateien zu kontrollieren und sich gegen Mißbrauch zu wehren. Wenn man sich Stellungnahmen zu diesem Entwurf ansieht, erfährt man, daß sehr wohl auch der Rechnungshof diese Vorlage kritisiert,


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indem er sagt, daß die Kostendarstellung zu wenig beinhaltet, das heißt, daß sie den Bestimmungen des § 14 des Bundeshaushaltsgesetzes nicht gerecht wird.

Die Wiener Landesregierung sagt etwa: Bei den Kosten sind Ausgaben, die für die erweiterte Prüfungstätigkeit und den damit erhöhten Verwaltungsaufwand der Datenschutzkommission anfallen, nicht angeführt. Auch das Bundesministerium für Finanzen erklärt, daß Mittel für die Errichtung und den Betrieb von EDV-Systemen fehlten, daher gebe es aus budgetärer Sicht keine Zustimmung.

Die Vorlage 767 der Beilagen fände an und für sich unsere Zustimmung, da darin wirklich jene Aufgaben enthalten sind, die für die Bekämpfung der internationalen Kriminalität unbedingt erforderlich sind, und weil die Beamten diese Gebiete auch abdecken können.

Die Regierungsvorlage 984 der Beilagen wurde allerdings im Ausschuß zurückgestellt – darin sind die Vorrechte und Immunitäten für die EUROPOL enthalten –, und zwar aus folgendem Grund: Man wollte eine gemeinsame Debatte beider Vorlagen verhindern. Diese beiden Vorlagen gehören aber nach Meinung der Freiheitlichen unbedingt zusammen verhandelt, weil auch Querverweise und Querverbindungen darin enthalten sind. Herr Kollege Leikam! Wenn Sie sich zum Beispiel die zweite Regierungsvorlage anschauen, dann sehen Sie, daß darin in Artikel 2 die Querverbindung zu Artikel 38 jener Vorlage steht, die heute hier behandelt wird. Deshalb meinen wir, daß diese beiden Vorlagen unbedingt zusammen verhandelt werden müßten.

Es gibt hiezu einige gute Bemerkungen, zum Beispiel in den "Salzburger Nachrichten", Ausgabe vom 26. November 1997, die dazu folgendes meint: Die geplante europäische Polizeibehörde EUROPOL wird ein Staat im Staate sein, der zahlreiche "Vorrechte und Immunitäten" genießen wird. ... Die Lizenz zum Schnüffeln wird demzufolge nahezu grenzenlos sein, die nationalen Behörden werden faktisch ausgeschaltet. Die Euro-Cops werden "Immunität von jeglicher Gerichtsbarkeit hinsichtlich der von ihnen in Ausübung ihres Amtes vorgenommenen mündlichen und schriftlichen Äußerungen sowie Handlungen" erhalten. Datensammlungen dürfen nicht nur von Tatverdächtigen, sondern auch von möglichen Zeugen und Opfern angelegt werden. Die elektronisch gespeicherten Daten werden "ohne vorhergehende Sondergenehmigung" quer durch Europa transferiert. Für sonstige Sendungen und Transporte dürfen "versiegelte Behälter" verwendet werden. Weiters wird EUROPOL von "jeder direkten Steuer befreit werden und keiner finanziellen Kontrolle unterliegen." – Zitatende.

Das war eine Meldung der "Salzburger Nachrichten", wobei noch die Tatsache bemerkenswert ist, daß der SPÖ-EU-Parlamentarier Harald Ettl – auch gegenüber den "Salzburger Nachrichten" – bereits einmal erklärt hat: Die geplanten Befugnisse der Euro-Cops wecken auch Ängste in den Regierungsparteien. – Und weiter heißt es: Ettl sah bereits im Juni die "Gefahr des Polizeistaates" heraufdämmern, da die EUROPOL der Kontrolle der nationalen Parlamente und des Europaparlaments entzogen sei. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund dieser beiden Vorlagen wird es im nationalen Bereich wirklich unmöglich, zum einen Kontrolle zu haben, zum zweiten werden dienstrechtliche Regelungen im nationalen Bereich normiert, und zusätzlich werden die Bediensteten der EUROPOL noch mit der sogenannten Immunität, welche in der neuen Regierungsvorlage behandelt wird, ausgestattet. Wir Freiheitlichen sehen darin keinen Sinn. Wir meinen, daß damit die Souveränität des Staates untergraben und ausgehöhlt wird, und wir wissen ja auch nicht, wie sich diese neuen gesetzlichen Regelungen überhaupt auswirken werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Noch etwas: Sogar Sie haben am 1. Dezember 1997, und zwar ebenfalls den "Salzburger Nachrichten" gegenüber, gesagt – ich zitiere –: Schlögl räumte jedoch ein, daß das Privileg der Immunität auf längere Sicht doch ein Kontrollrecht auf europäischer Ebene bedinge. – Und ein weiteres Zitat zur EUROPOL: Diese hätte "reinen Servicecharakter" und diene "dem Informationsaustausch", sei aber in keiner Weise befugt, selbst ermittelnd einzugreifen. Wenn es zu einer Ausweitung dieser Kompetenzen kommt, muß man die Immunität neuerlich überdenken, sagte Schlögl. – Zitatende.


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Herr Bundesminister! Laut Artikel 38 dieser Vorlage geht es bereits um operative Maßnahmen. Aufgrund der Tatsache, daß im Zusatz zu Artikel 41 steht, daß die Mitgliedstaaten, wenn sie der ersten Regierungsvorlage zugestimmt haben und dann die zweite behandeln, auch dieser Vorlage zustimmen müssen, können wir uns einer solchen Vorgangsweise nicht anschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Leikam. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.45

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Lafer, ich gebe Ihnen recht. Auch wir hätten heute gerne beide Vorlagen gemeinsam behandelt. Sie gehören auch zusammen, überhaupt keine Frage. Warum wir diese Vorlagen heute nicht gemeinsam behandeln können, liegt ausschließlich im Bereich der freiheitlichen Fraktion (Abg. Haigermoser: Geh!) , denn sie wollte nicht, daß dieser Tagesordnungspunkt noch in der Sitzung des Innenausschusses behandelt wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: So wie Sie alles machen, was wir wollen!)

Frau Kollegin Partik-Pablé! Vier Fraktionen waren bereit, dieses Protokoll noch zusätzlich in die Tagesordnung aufzunehmen. Sie haben erklärt, das sei ein zu weitreichendes Papier, das könne man nicht kurzfristig behandeln, daher könne es nicht gemeinsam im Innenausschuß behandelt werden. Und das war der einzige Punkt, der übriggeblieben ist. Ich gebe Ihnen aber recht, die beiden Vorlagen hätten zusammengehört. Wir hätten sie gemeinsam diskutieren müssen, aber leider ist es dazu nicht gekommen. Daher werden wir in einer der nächsten Sitzungen des Innenausschusses den zweiten Teil dieses EUROPOL-Übereinkommens noch behandeln müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im November 1993 wurde im Rat der EU die Arbeitsgruppe EUROPOL eingerichtet. Ab Juli 1994 war Österreich in dieser Gruppe als aktiver Beobachter vertreten. Seit dem EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 ist Österreich vollberechtigtes Mitgliedsland in dieser Arbeitsgruppe.

Das dem Nationalrat heute zur Ratifizierung vorliegende Übereinkommen wird – wie es auch mein Vorredner schon sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat – zu einer gegenseitigen Information und besseren polizeilichen Zusammenarbeit innerhalb Europas führen. Ziel ist die wirkungsvolle Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. EUROPOL mit Sitz in Den Haag ist eine zentrale Informationsstelle, bei der Informationen gesammelt und weitergegeben werden.

Herr Kollege Lafer! Die Beamten von EUROPOL haben keine exekutiven Befugnisse. Das ist der heute vorliegenden Regierungsvorlage auch deutlich zu entnehmen. Das heißt also, sie dürfen nicht selbständig ermitteln. Sie haben ganz einfach eine Servicefunktion, aber sie dürfen nicht operativ tätig werden.

Meine Damen und Herren! Die organisierte Kriminalität ist ein Faktum. Mit dem Beschluß über besondere Ermittlungsmethoden im Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist ein erster und wichtiger Schritt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität gesetzt worden. Mit der heutigen Ratifizierung des Übereinkommens zur Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes erfolgt ein weiterer bedeutender Schritt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Denn eines ist jedem einzelnen von uns klar: Ohne das Zusammenwirken internationaler Einrichtungen auf europäischer Ebene und darüber hinaus wird es wohl keinem Land allein gelingen, die organisierte Kriminalität erfolgreich zu bekämpfen und zurückzudrängen, denn Verbrecher kennen bekanntlich keine Grenzen. – Es ist daher für uns selbstverständlich, dieser Regierungsvorlage unsere Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.


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19.50

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht heute um die Regierungsvorlage im Zusammenhang mit dem Übereinkommen zur Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes.

Ich möchte dazu festhalten, daß wir uns grundsätzlich für die Errichtung dieses Polizeiamtes aussprechen. Wir meinen, daß das ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Dritten Säule des Vertrages von Maastricht ist, nämlich eine weitere Form der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene im Bereich des Polizei- und des Justizwesens. Eine derartige Zusammenarbeit ist sicherlich notwendig, wenn man bedenkt, in welchem Maße sich die Kriminalität in der letzten Zeit entwickelt hat.

Im folgenden einige Zahlen zur Kriminalitätsstatistik aus unserem Land: Im Jahre 1996 stieg die Zahl der Drogendelikte um 66 Prozent, rund 1 600 Schlepper wurden festgenommen, über 13 000 Kraftfahrzeuge wurden gestohlen. Ich meine daher, daß es durchaus gerechtfertigt ist, eine Intensivierung in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität auf europäischer Ebene und im Zusammenwirken mit europäischen Dienststellen herbeizuführen.

Die Errichtung dieses Polizeiamtes ist folglich ein erster Schritt zur Kriminalitätsbekämpfung. Hiebei geht es um die Einrichtung eines Analysezentrums und eines Informationssystems. Ein zweiter Schritt, meine Damen und Herren und Herr Kollege Leikam, wird es sein, daß sehr wohl die Möglichkeit für polizeiliche Ermittlungen für die EUROPOL bestehen wird. Das steht zwar nicht in den Erläuternden Bemerkungen, aber ich darf Herrn Kollegen Leikam und auch den früheren Innenminister Löschnak auf den neuen Artikel K.2 des EU-Vertrages hinweisen, in dem nämlich folgendes steht – ich zitiere –:

"Der Rat fördert" – und das ist in Amsterdam beschlossen worden – "die Zusammenarbeit durch das Europäische Polizeiamt (EUROPOL) und geht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages insbesondere wie folgt vor:" – Und dann steht unter anderem unter Punkt b –:

"Er legt Maßnahmen fest, die es zum einen EUROPOL ermöglichen, sich an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten mit dem Ersuchen zu wenden, Ermittlungen in speziellen Fällen vorzunehmen und zu koordinieren ...". – Zitatende.

Das heißt sehr wohl, daß diese EUROPOL ... (Abg. Leikam: Mitgliedstaaten!)  – Na selbstverständlich, lieber Herr Kollege! Die EUROPOL kann Ermittlungen in Eigenregie innerhalb der nächsten fünf Jahre durchführen, das heißt, es kommt sehr wohl das operative Element hinzu. Es muß uns bewußt sein, daß damit ein europäisches FBI installiert wird, mit der Möglichkeit, daß innerhalb der nächsten Jahre Euro-Cops in Österreich Ermittlungen durchführen. Das ist ein Faktum.

Ich meine, daß, wenn die EUROPOL schon geschaffen wird, sie nicht in dieser Form entstehen darf. Es kann doch nicht so sein, daß die Einrichtung eines derartigen Polizeiamtes auf Kosten der Grund- und Freiheitsrechte der Menschen geht und daß der Rechtsstaat auf der Strecke bleibt. Daher werden wir Liberalen diesem Gesetzentwurf nicht unsere Zustimmung geben. Nach Lauschangriff und Rasterfahndung ist dies der nächste Anschlag auf die Freiheit der Bürger, daher wollen wir dieser Regierungsvorlage nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es gibt unserer Meinung nach drei Bereiche, in denen die Grund- und Freiheitsrechte eklatant verletzt werden. Das ist erstens der Bereich des Datenschutzes. Die Bestimmung bedeutet de facto, daß jeder erfaßt werden kann. Herr Kollege Leikam! Ich darf auf Artikel 10 dieser Konvention hinweisen. Darin steht nämlich, daß nicht nur Daten von Personen erfaßt werden, die kriminelle Handlungen getätigt haben, sondern auch Daten von Personen, die als Zeugen in Betracht kommen, oder von Personen, die Opfer einer Straftat werden könnten. – Ein jeder von uns kann als Opfer, Kontakt- oder Begleitperson in Betracht kommen. Damit ist generell der Schutz privater Daten ganz eklatant gefährdet.


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De facto besteht auch keine Möglichkeit, Informationen zu bekommen. Es gibt keine Verpflichtung, daß EUROPOL entsprechende Informationen an betroffene Bürger weitergibt. Kollege Leikam! Du schüttelst wieder den Kopf. Ich werde dir Artikel 19 vorlesen – ich zitiere –:

"Ist eine Mitteilung über die Daten im Recht des befaßten Mitgliedstaats vorgesehen, so wird diese verweigert, soweit dies für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben von EUROPOL erforderlich ist." – No na! Mit diesem Argument kann alles begründet beziehungsweise abgelehnt werden.

Ein weiteres Argument, mit dem ebenfalls alles begründet oder abgelehnt werden kann, ist der Schutz der Sicherheit der Mitgliedstaaten, der öffentlichen Ordnung oder die Bekämpfung von Straftaten. Das ist doch klar: Wenn eine Person als Zeuge, mögliche Begleitperson oder als was auch immer erfaßt werden kann, dann dient das aus der Sicht von EUROPOL zur Bekämpfung einer Straftat, und daher wird eine Auskunft verweigert. Das kann aber doch nicht Sinn und Zweck dieser Einrichtung sein!

Dasselbe gilt für die Formulierung "zum Schutz der Rechte und Freiheiten dritter Personen". Ich meine, daß es mit diesen Ausnahmebestimmungen de facto zu keiner Auskunft seitens EUROPOL kommen wird und daher die bürgerlichen Rechte eklatant eingeschränkt werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zweiter Bereich: Es gibt de facto keine demokratische Kontrolle dieser EUROPOL, auch nicht durch das Europäische Parlament. Es ist nur ein Bericht an das Europäische Parlament vorgesehen, aber dieses hat überhaupt keine Möglichkeiten, abzulehnen oder konkrete Maßnahmen zu setzen. Es gibt keine Kontrolle durch die nationalen Parlamente; das ist überhaupt nicht vorgesehen. Die Einbindung des Europäischen Gerichtshofes ist unzureichend geregelt. Es ist bekannt, daß die Möglichkeit einer Kontrolle nur bei Streitfällen zwischen den Mitgliedstaaten besteht und es daher keine Kontrolle nach einem Standard, wie wir ihn uns vorstellen, gibt; einem Standard, der auch eines demokratischen Rechtsstaates würdig ist. Das kann nicht akzeptiert werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dritter und letzter Punkt ist die Frage der Immunität, die den EUROPOL-Mitarbeitern zugestanden wird. Ich weiß, diese Frage werden wir noch gesondert beraten müssen, aber sie ist mit ein Grund dafür, warum wir die Errichtung dieses Amtes ablehnen. Diese Immunität geht so weit, daß die Mitarbeiter jeder Gerichtsbarkeit entzogen werden.

Die Aufhebung der Immunität ist Sache des Direktors der EUROPOL. Und folgendes finde ich ganz besonders "lustig": Er kann sie nur dann aufheben, "wenn es der Gerechtigkeit dient". Was heißt das? – Das ist eine Bestimmung, die völlig unverständlich ist, und daher wird es in der Tat zu keiner Aufhebung der Immunität kommen. Es wäre ein Mindesterfordernis, daß ein parlamentarischer Ausschuß eingerichtet wird, der sich mit dieser Frage konkret zu befassen hat und der dann als unabhängige Instanz darüber entscheidet, ob die Immunität einer bestimmten Person aufzuheben ist oder nicht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Weiters sind sämtliche amtlichen Papiere, Schriftstücke und andere amtlichen Materialien unverletzlich und stehen unter uneingeschränktem Schutz. Damit tritt folgende Situation ein: Es wird eine Immunität für die EUROPOL festgelegt, die über den gerichtlichen Schutz von Nachrichtendiensten hinausgeht! – Meine Damen und Herren! Das ist unzumutbar! Es ist inakzeptabel, wenn Polizeieinheiten eine derartige Immunität genießen, daß sie letztendlich zum Staat im Staat werden können – und das auch sein werden. Wir Liberalen wollen einer derartigen Entwicklung weder in Europa noch in Österreich Vorschub leisten. Wir werden diese Vorlage daher ablehnen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Platter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.00

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Da


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men und Herren! Terrorismus und die organisierte Kriminalität nehmen aufgrund der modernen technologischen Möglichkeiten an Umfang und Bedeutung in ganz besonderem Maße zu. Die organisierte Kriminalität in den westeuropäischen Staaten wird so gefährlich – ich möchte sagen: beinahe existenzbedrohend –, daß die Politik, aber auch die Strafverfolgungsbehörden umdenken müssen und sich nicht nur auf reines Reagieren beschränken dürfen.

Meine Damen und Herren! Auch in Österreich nimmt der Bereich der organisierten Kriminalität sehr bedenkliche Formen an. Der Anteil der organisierten Kriminalität an der Gesamtkriminalität beträgt zwischen 30 und 35 Prozent. Es ist leider Gottes zu befürchten, daß sich diese Tendenz noch verschlechtern wird. Ich bin daher der Meinung, daß die organisierte Kriminalität in Europa besser denn je blüht. Die Gewinne aus dem organisierten Verbrechen sind beträchtlich. Den volkswirtschaftlichen Schaden, der durch organisiertes Verbrechen eintritt, muß zweifellos jeder einzelne der Bürgerinnen und Bürger bezahlen, weil zwangsläufig die Versicherungsprämien angehoben werden müssen.

Meine Damen und Herren! Was das organisierte Verbrechen an Schaden anrichtet, möchte ich am Beispiel Rußland ganz kurz aufzeigen. Laut russischem Innenministerium gibt es in Rußland an die 8 000 kriminellen Vereinigungen: 8 000 kriminelle Vereinigungen, die legale wirtschaftliche und soziale Institutionen unterwandern, kriminelle Vereinigungen, die in Privatisierungsprogramme eingreifen und Einfluß auf private Unternehmen nehmen. Damit schrecken sie Investoren aus dem Ausland ab.

In Rußland sind etwa 35 000 Unternehmer und 400 Banken der organisierten Kriminalität zuzurechnen. Rund 80 Prozent der privaten Unternehmer müssen zwischen 10 und 20 Prozent ihrer Einkünfte an Verbrecherbanden bezahlen. Daraus sieht man, welche Bedeutung die organisierte Kriminalität für einen Staat hat und welche verheerenden Auswirkungen dadurch gegeben sind.

Wenn man nach Rußland sich Italien näher ansieht, so zeigt eine kürzlich erschienene Studie, daß das organisierte Verbrechen in Italien Geschäfte, Firmen und Finanzinstitute kontrolliert. Laut dieser Studie werden 20 Prozent der Baufirmen, 20 Prozent der Einzelhandelsgeschäfte, 25 Prozent des landwirtschaftlichen Großhandels und 50 Prozent der Finanzinstitute in Italien vom organisierten Verbrechen kontrolliert.

Meine Damen und Herren! Dieser Studie ist wirklich zu entnehmen, welche Auswirkungen die organisierte Kriminalität auf einen Staat hat. Herr Abgeordneter Moser! Aus diesem Blickwinkel muß man die heutige Abstimmung zum EUROPOL-Übereinkommen sehen. Verehrter Abgeordneter Moser! Ihre Ablehnung des EUROPOL-Übereinkommens kann ich nur so werten, daß Sie heute, an diesem "moserischen" Tag, zweifellos zu viele Themen im Kopf haben. Aber dafür habe ich heute Verständnis. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut, Günther!)

Meine Damen und Herren! EUROPOL ist im Aufbau begriffen. Insgesamt stehen 120 Verbindungsbeamte aus den EU-Ländern zur Verfügung, die aber keine operative Tätigkeit durchführen, wie heute hier behauptet wurde. Ich kritisiere aber, daß Österreich derzeit nur zwei Verbindungsbeamte in Den Haag hat. Herr Minister! Ich bin der Meinung, daß mit diesen beiden Beamten nicht das Auslangen gefunden werden kann. Daher ersuche ich Sie, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, damit künftig mehr gut geschulte und mehr gut trainierte Verbindungsbeamte von Österreich nach Den Haag geschickt werden, damit das Informationssystem hierher nach Österreich ebenfalls gut funktioniert. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich kurz anhand eines Beispieles die Notwendigkeit des EUROPOL-Übereinkommens unterstreichen. In Italien wurde gegen eine Mafia-Gruppierung, die weltweit im Drogenhandel und im Bereich der Waffenschieberei tätig war, ein Verfahren eingeleitet. Dieses Verfahren wurde von den Verbindungsbeamten in Den Haag durch Informationsaustausch unterstützt. Durch diese Informationen, aber auch durch die internationale Zusammenarbeit konnten andere Staaten eigene Ermittlungsverfahren durchführen und dort ansässige Straftäter festnehmen. Es wurden daraufhin Ermittlungen in Italien, Spanien, in den Niederlanden, in Belgien und Deutschland durchgeführt. Schließlich wurden insgesamt


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65 Tatverdächtige aus fünf EU-Mitgliedstaaten festgenommen. Maßgebend für diesen Erfolg war zweifellos EUROPOL.

Daher ist für mich und für die ÖVP die Zustimmung zum EUROPOL-Übereinkommen selbstverständlich. Ich fordere aber mehr österreichische Verbindungsbeamte in Den Haag. (Beifall bei der ÖVP.)

20.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.05

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Fünf Bemerkungen zum EUROPOL-Übereinkommen – da ich nicht alles wiederholen möchte, was Kollege Moser an inhaltlichen Bedenken schon vorgebracht hat – in aller Kürze.

Für mich als Grüne und für die grüne Fraktion steht außer Zweifel, daß im gemeinsamen Europa und in der Europäischen Union zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen selbstverständlich gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorgegangen werden muß. Das Unsicherheitsgefühl, das es in der Bevölkerung zum Teil gibt, hat man ernst zu nehmen. Daß deshalb gegen die Ursachen von Kriminalität intensiv vorzugehen ist, aber auch Präventionsmaßnahmen intensiv überlegt und umgesetzt werden müssen, ist gar keine Frage.

Herr Bundesminister! Deshalb würden wir uns wünschen, daß Sie diesem Bedarf nach Prävention aufgrund der Grenzöffnungen und zunehmender grenzüberschreitender Kriminalität, diesem Präventionsgedanken ganz besonderes Augenmerk schenken. Daß Polizeiarbeit und Polizeizusammenarbeit über Grenzen hinweg notwendig ist, steht ebenfalls außer Frage. An dieser Stelle möchte ich all das wiederholen, was ich Ihnen schon im Ausschuß gesagt habe. Aber die Damen und Herren – allzu viele sind nicht da – gehören nicht alle dem Innenausschuß an. So müssen es zwar diejenigen, die es schon einmal gehört haben, ein zweites Mal hören, aber für die anderen kann es auch recht lehrreich sein.

Es ist für mich wesentlich, festzustellen, daß die Zusammenarbeit von Polizei und Sicherheitsbehörden aufgrund der eben geschilderten Entwicklungen in Zukunft immer wichtiger werden wird, vor allem auch hin zu den östlichen Nachbarstaaten. Das ist wesentlich. Dabei muß diese Zusammenarbeit selbstverständlich so direkt, so flexibel, so ortsnah oder ortsgebunden und so unbürokratisch wie möglich sein. Das ist gar keine Frage.

Deshalb – das ist die zweite Bemerkung – meinen wir, daß es nicht EUROPOL braucht, sondern daß man jenes bestehende, relativ enge Geflecht von polizeilicher Zusammenarbeit – oder wollen Sie behaupten, daß es die polizeiliche Zusammenarbeit in der Vergangenheit nicht gegeben habe? –, also die bestehenden Mittel, die man zur Verfügung hat, weiter ausbaut.

Die Interpol ist ohne Zweifel eine sehr bewährte Zentrale für internationale Fahndungen und internationale Analysen von Kriminalität. Österreich nützt deren Mittel, und andere Länder tun es auch. Das ist nur ein Beispiel für internationale Zusammenarbeit, die schon besteht. Ich möchte in der Kürze nur ein zweites Beispiel nennen: die Financial Action Task Force der Generaldirektion VII. Diese ist zweifelsfrei auch eine Institution, die bewährt gute Arbeit geleistet hat. Es wäre notwendig, das zu fördern.

Nicht notwendig aber – damit komme ich zu dem Punkt, den Kollege Moser angesprochen hat – sind Institutionen wie die EUROPOL. Das ist für mich der wirklich entscheidende Punkt. Das habe nicht ich mir überlegt, oder das haben nicht die österreichischen Grünen sich überlegt, sondern das hat auch die Diskussion zum EUROPOL-Übereinkommen in Deutschland gezeigt.

Wenn man die Materialien zur Bundestagsdebatte anschaut, zeigt sich, daß die Stellungnahmen, die es dort gegeben hat, sowie die Argumente, die dort gefallen sind, für uns ganz gleich gelten. Nur haben wir in Österreich lange nicht die Tradition einer Diskussion über die


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Mißachtung und Verletzung verfassungsrechtlicher Grundlagen beziehungsweise von Grundwerten, wie es sie in Deutschland gibt. Bedauerlicherweise ist es auch dem deutschen Bundestag nicht gelungen, das EUROPOL-Übereinkommen zu verhindern. Österreich tut das zwar in der Regel, aber es müßte ja nicht jedes schlechte Beispiel nachahmen.

Keine Kontrollbefugnisse bei einer Institution wie der EUROPOL: Es ist meiner Ansicht nach irgendwie geradezu ein Schwindel in der Darstellung, daß in dem Übereinkommen, das uns schon im Ausschuß vorgelegen ist und über das heute abgestimmt wird, nirgends steht, daß sie operative Befugnisse hat (Abg. Dr. Feurstein  – auf die leeren Sitze der Grünen deutend –: Wo sind die grünen Abgeordneten, Frau Stoisits?) , aber jeder weiß – und Sie, Herr Bundesminister, wissen das viel besser als wir alle, weil Sie bei den Verhandlungen und bei den Ministerräten dabei sind –, daß im Rahmen der Regierungskonferenz diese Mittel schon längst vorgeschlagen worden sind und uns demnächst ins Haus stehen. Daher ist meiner Ansicht nach dieses Mittel so gefährlich, und deshalb lehne ich es aus tiefster Überzeugung ab.

Denn so freischwebende Behörden zuzulassen, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen – weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene durch die Europäische Union und das Europäische Parlament –, das ist eine Beschränkung demokratischer Mindeststandards.

Nunmehr knüpfe ich daran an, was uns im Rahmen der Diskussion über Lauschangriff und Rasterfahndung hier erzählt wurde: daß es selbstverständlich keine personenbezogenen Daten in Datenbanken geben werde. – Es mag sein, daß Ihre Beteuerungen für Österreich zutreffen. Ich kann das jetzt weder abschätzen noch bewerten, hege aber die Befürchtung, daß es nicht so ist. Auf europäischer Ebene aber wird das möglich sein, weil es nämlich ein Ziel der Aufgaben der EUROPOL sein wird, solche neuen, personenbezogenen Daten zu erfassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb ist es eigentlich unglaublich, daß man einer Behörde wie dieser, die sich nicht einmal der EU-Datenschutzrichtlinie unterwirft, diese Möglichkeiten gibt. Dort gibt es überhaupt keine Kontrolle. Alles wird außer Rand und Band geraten. Es steht doch in diesem Übereinkommen und in den Analysen, daß es nicht nur um Daten über Straftäter oder über Verdächtige geht, die analysiert, gesammelt und weitergegeben werden dürfen, sondern auch um Daten über sogenannte Risikogruppen. Auch über potentielle – nicht tatsächliche, sondern potentielle! – Zeugen dürfen Daten gesammelt und weitergegeben werden, selbstverständlich auch über Informanten, Opfer und Kontaktpersonen. Wie steht es da mit den Grundrechten? Was ist mit dem Grundrecht auf Datenschutz, wenn wir solche Übereinkommen schließen?

Herr Bundesminister! Deshalb mein Resümee: Ich lehne die Ratifizierung dieser Konvention ab, denn sie entspricht weder den Grundsätzen der österreichischen Bundesverfassung noch dem, was ich mir an europäischen Mindeststandards im Grundrechtsschutz vorstelle. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Trattner: Kein Beifall bei den Grünen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sind schon heimgegangen, die Grünen!)

20.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, daß die Diskussion im Vorlauf zu dieser Debatte und diese Debatte selbst durch Bedenken gekennzeichnet waren und sind, die in erster Linie darauf hinauslaufen, daß Souveränitätsrechte und Grundrechte eingeschränkt werden oder eingeschränkt werden könnten durch dieses Abkommen oder durch nachfolgende Abkommen, die dieses Abkommen ergänzen werden, oder daß datenschutzrechtliche Bestimmungen in Frage gestellt werden oder in Frage gestellt werden könnten, oder – wie zuletzt Frau Abgeordnete Stoisits bemerkte – daß demokratische Mindeststandards herabgesetzt werden oder herabgesetzt werden könnten. Ich bekenne mich dazu, daß solche Bedenken selbstverständlich ernst zu nehmen und voll auszudiskutieren sind.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das enthebt uns aber nicht der Aufgabe, am Grundsätzlichen nicht vorbeizugehen. Das Grundsätzliche ist wohl der Umstand – damit komme ich vorerst zum Befund –, daß die internationale, das heißt grenzüberschreitende Kriminalität zweifelsohne neue Dimensionen und neue Qualitäten bekommen hat und daß sie zunehmend überregional und damit auch grenzüberschreitend ist. (Abg. Dr. Schmidt: Unbestritten! Das stimmt!) Das ist zunächst der Befund, und darin sind wir uns ja einig.

Von diesem Befund ausgehend, muß man die entsprechenden Schlußfolgerungen ziehen. (Abg. Dr. Schmidt: Da scheiden sich die Geister!) Dabei scheinen wir uns nicht einig zu sein, da scheinen wir getrennte Wege zu gehen. Ich möchte diese Schlußfolgerungen ein bißchen stärker ausleuchten. Denn es ergibt sich die Frage: Welche Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung?

Erste Möglichkeit: Man beläßt es so, wie es jetzt ist, das heißt, man läßt alles beim alten. In diesem Fall kann meiner Ansicht die Kriminalität nur ansteigen, und gleichzeitig wird die Aufklärungsrate herabgesetzt werden. Denn zumindest in bezug auf die Vergangenheit kann ich sagen, daß ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich sage, daß sich die Mitarbeiter in der Exekutive wirklich hundertprozentig in der Vergangenheit eingesetzt haben, sich jetzt einsetzen und sich auch in Zukunft einsetzen werden, um die neuen Formen der Kriminalität in den Griff zu bekommen. Das bedeutet, daß man mit dem vorhandenen Instrumentarium sicherlich nicht das Auslangen wird finden können.

Die zweite Möglichkeit: Man versucht daher, die Bekämpfung der geschilderten Formen der Kriminalität – im Befund sind wir uns ja einig – durch neue Mittel zu intensivieren, zu aktivieren und zu verändern. Da wird es wohl nicht ausreichen – damit beziehe ich mich wieder auf Frau Abgeordnete Stoisits –, sich auf Interpol zu berufen, eine reine Informationszentrale, die Daten weitergibt, aber sonst nichts. Erst in den letzten Jahren hat es Ansätze zur Analyse gegeben, aber keine gemeinsamen Aktionen. Insbesonders solche aber sind notwendig und werden in Zukunft von noch viel größerer Notwendigkeit sein.

Ich denke daher, daß man bei Anerkennung sowohl der bilateralen als auch der multilateralen Bindungen oder Vereinbarungen, die man bisher hat, über diesen Austausch von Daten und Analysen wird hinausgehen müssen. Das muß man wirklich rechtzeitig bereden und beraten, denn das kommt auf uns zu, und zwar unausweichlich. Daher hilft der Hinweis – und damit komme ich ein drittes Mal auf meine Vorrednerin zu sprechen – auf Deutschland nicht weiter. Wie ich hörte, haben sich auch Frankreich und Großbritannien geziert, dazu weitere Schritte ins Auge zu fassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Da muß man fragen, warum sich diese großen Nationen innerhalb der EU geziert haben, weitere Schritte zu setzen: weil sie als Große in dieser Hinsicht ganz einfach keine Einschränkungen hinnehmen wollen. Gerade das ist ein Zeichen für die vielen Kleinen – und wir zählen zu ihnen, aber nicht nur wir, sondern dazu gehören zum Beispiel auch die Dänen und die Belgier –, daß sie offenbar neue Formen finden und neue Wege gehen müssen. Das sollte man meiner Ansicht nach rechtzeitig erkennen. Diese Diskussion muß man führen, und dann wird sich ein Teil der Fragen, die hier eingangs gestellt wurden – ich betone nochmals: zu Recht, denn das muß man ausdiskutieren –, von selbst beantworten.

Ich begrüße es daher, daß der erste Schritt mit diesem EUROPOL-Übereinkommen gesetzt wird, und ich gehe davon aus, daß weitere Schritte folgen werden. Das zu verneinen, wäre wirklich eine Fehleinschätzung. Sie werden folgen, und darauf muß man sich rechtzeitig einstellen. Unsere Fraktion ist darauf eingestellt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.19

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Es besteht ja wohl kein Zweifel daran, daß meine Fraktion daran interessiert ist, die organisierte


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Kriminalität besser zu bekämpfen, und daß die Weitergabe von Daten und so weiter eine der Möglichkeiten ist, die sogenannte Nacheile zu verbessern.

Ich bin nicht der Meinung der Frau Abgeordneten Stoisits, die in einer abweichenden persönlichen Stellungnahme behauptet hat, es gebe schon genügend Institutionen für die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit; es wäre daher entbehrlich, mit der EUROPOL eine neue zentrale Bürokratie zu errichten. – Das glaube ich wirklich nicht, sondern ich denke, daß es notwendig ist, gerade international Daten weiterzugeben und einen gewissen Informationsfluß herzustellen.

Aber uns stört – wie schon mein Kollege Lafer gesagt hat – vor allem die Einräumung der Immunitäten für die EUROPOL-Beamten, die zwar nicht heute hier beschlossen wird, die aber mit dieser heutigen Regierungsvorlage untrennbar verbunden ist. Wir wollen ganz einfach nicht die Katze im Sack kaufen. Wir wollen nicht haben, daß die EUROPOL-Beamten Immunitäten bekommen, sodaß sie überhaupt nicht mehr der österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegen.

Es konnte nicht erklärt werden, warum die EUROPOL-Beamten solche Immunitäten genießen sollen. Dafür gibt es überhaupt keine logische Erklärung. Eine Behauptung, die unter Umständen auftaucht, könnte sein, daß die EUROPOL-Beamten besser und ungestörter arbeiten können, wenn sie nicht von einer Strafanzeige bedroht werden. Aber das gilt, bitte schön, genauso für die nationalen Beamten. Die nationalen Beamten haben genauso mit schwerer Kriminalität zu tun, sodaß dann der gesamte Exekutivbereich aus der Gerichtsbarkeit ausgenommen werden müßte, wenn gesagt wird: Es könnte den gesamten Apparat lahmlegen, würden diese Beamten nicht immun sein. Das heißt also, diese Erklärung wäre nicht wirklich logisch.

Wahrscheinlich hat man es sich eben so ausgehandelt, weil die EUROPOL – so wie die Diplomaten – einen besseren Standard haben und deshalb alle Immunitäten und Privilegien genießen will. Das aber wollen wir wirklich nicht, und schon deshalb lehnen wir diese Regierungsvorlage ab.

Tatsächlich ist, wie mein Vorredner gesagt hat, geplant, die EUROPOL später zu einer operativen Einheit auszugestalten. Das sagt auch der jetzige Chef der europäischen Polizei, Jürgen Storbeck. Er sagt, im Augenblick wäre er zwar überfordert, gäbe es bereits einen operativen Einsatz, aber auf der zweiten Stufe im Ausbau des gesamten EUROPOL-Systems werde man selbstverständlich nicht umhin können, so zu handeln, wie schon Herr Abgeordneter Löschnak gesagt hat. Gerade dann aber, wenn die EUROPOL-Beamten im nationalen Bereich tätig sein sollen, kann ich diese Immunität schon überhaupt nicht einsehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind auch hinsichtlich der Datensammlung skeptisch. Denn es sollen nicht nur die einer Straftat Verdächtigen in die Dateien aufgenommen werden, sondern auch Informationspersonen, Begleitpersonen und Kontaktpersonen. Sie alle sollen aufgenommen werden, und das erscheint uns zu weitgehend, und zwar auch insofern, als man immer damit rechnen muß, daß diese Datensammlungen in die Hand von Leuten geraten, die mißbräuchlich damit umgehen. Das ist der zweite Grund dafür, daß wir diese EUROPOL-Regierungsvorlage ablehnen.

Was uns außerdem stört, ist, daß keine Richtlinien vorliegen, nach denen die Dateien aufgebaut sind. Diese Richtlinien soll es erst später geben. Daher wissen wir gar nicht, nach welchen Gesichtspunkten die Daten gesammelt und nach welchen Gesichtspunkten sie danach eingesetzt werden. Das scheint uns wirklich ein sehr großes Manko zu sein.

Ein weiterer Punkt ist, daß uns die parlamentarische Kontrolle zu gering ist. Das Europäische Parlament hat praktisch keine Kontrolle über die EUROPOL. Man kann nur über den nationalen Kontaktbeamten das nationale Parlament mit der Sache befassen. Aber das nationale Parlament ist sehr, sehr weit weg von der EUROPOL, und deshalb halten wir die Kontrolle für nicht ausreichend.

Wir denken daher, daß diese Regierungsvorlage, daß der vorliegende Entwurf demokratiepolitisch bedenklich ist. Deshalb lehnen wir diesen Entwurf ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.23


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte, Herr Minister.

20.24

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich kann vieles, was hier an Kritik geäußert wurde, in keiner Weise teilen, und meiner Ansicht nach ist diese Kritik in manchen Bereichen sehr überzogen. Ich möchte versuchen, jetzt meinen Standpunkt und meine Sicht der Dinge darzustellen.

Richtig ist – das ist von einer Vielzahl von Abgeordneten gesagt worden –, daß wir uns einer Internationalisierung der Kriminalität in einem Ausmaß gegenübersehen, wie es in den letzten Jahren uns allen nicht bewußt geworden ist. Die internationale Kriminalität, das organisierte Verbrechen hat die besten Experten, die besten Wissenschaftler, die beste Technik und anscheinend unermeßliche Geldmittel zur Verfügung. Die Geldmittel, die sie mit dem organisierten Verbrechen gewinnt, werden neuerlich für Verbrechen eingesetzt. Darum muß jedem von uns bewußt sein, daß ein Land allein nicht erfolgreich gegen die organisierte Kriminalität arbeiten kann, und darum denke ich, daß es notwendig und wichtig war, daß im Juli 1995 die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dieses europäische Polizeiamt eingerichtet haben.

Welche Aufgaben hat dieses europäische Polizeiamt? – Das Ziel von EUROPOL ist, die Zusammenarbeit zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, des Drogenhandels und aller Formen der internationalen organisierten Kriminalität zwischen den Behörden der europäischen Staaten zu verbessern. EUROPOL ist also nach seiner Konzeption als eine Zentralstelle für den polizeilichen Informationsaustausch und für die Verbrechensanalyse gedacht. Durch die Einrichtung von EUROPOL wird – davon bin ich überzeugt – die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit verbessert werden.

Selbstverständlich, Frau Abgeordnete Stoisits, gibt es diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Aber viele von Ihnen erliegen einer Illusion, wenn sie glauben, daß diese immer funktioniert. Ich möchte vorschlagen – und werde mir auch erlauben, diese Einladung auszusprechen –, daß Vertreter des Innenausschusses aus allen Parteien nächstes Jahr gemeinsam mit mir als Minister EUROPOL besuchen, um sich in Den Haag vor Ort darüber zu informieren und auch zu sehen, welche Schwierigkeiten es im Informationsaustausch gibt und wie schwerfällig und träge es sich gestaltet, notwendige Informationen von einem anderen Land zu bekommen.

Zum nächsten Punkt, der für mich ebenfalls sehr wichtig ist: Ich sehe nicht die Gefahr des "gläsernen Menschen", wie sie hier dargestellt wurde. (Abg. Dr. Schmidt: ... in fünf Jahren!) Überhaupt habe ich manchmal das Problem, daß gerade diejenigen, die den "gläsernen Menschen" darstellen – Frau Abgeordnete Schmidt –, in der alltäglichen politischen Praxis mit dem politischen Gegner nicht so sanft umgehen (Abg. Dr. Schmidt: Das passiert uns schon!) und daß vieles, was sie in der Theorie darlegen, in der Praxis dann ganz anders aussieht. Ich sehe den "gläsernen Menschen" vor allem deshalb nicht, weil es nicht möglich sein wird, daß EUROPOL unkontrolliert Daten ermittelt und daß Daten unkontrolliert miteinander verwoben werden. EUROPOL hat keine exekutiven Befugnisse und wird auch nach dem Vertrag von Amsterdam keine exekutiven Befugnisse haben. Es ist eine Mär, wenn jemand behauptet, daß es nach dem Vertrag von Amsterdam exekutive Befugnisse geben werde.

Was wird es nach dem Vertrag von Amsterdam geben, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Im wesentlichen vier Punkte: EUROPOL soll ermöglicht werden, die Vorbereitung spezifischer Ermittlungsmaßnahmen der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten zu unterstützen und die Koordinierung und Durchführung solcher Ermittlungsmaßnahmen zu fördern. Exekutive Befugnisse werden nach dem Vertrag von Amsterdam den Beamten nicht eingeräumt.

Zweitens: EUROPOL soll es ermöglicht werden, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu ersuchen, Ermittlungen in speziellen Fällen vorzunehmen, wenn EUROPOL von Trends beispielsweise international organisierter Kriminalität erfährt.


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Drittens soll erreicht werden, daß es neben der polizeilichen Kooperation auch eine bessere Zusammenarbeit und ein besseres Verbindungsnetz zu den Justizbehörden gibt.

Viertens soll ein Forschungsnetz mit dem Ziel eingerichtet werden, Dokumentation und Statistik über grenzüberschreitende Kriminalität zu erreichen, selbstverständlich in anonymisierter Form. Dabei ist ebenfalls sehr wichtig: Wenn das nach dem Vertrag von Amsterdam wirklich kommen sollte, Herr Abgeordneter Kier, dann bedarf es dafür meiner Meinung nach eines neuen Rechtsaktes. Das heißt, darüber werden wir hier in diesem Haus – so wie insgesamt in den 15 nationalen Parlamenten – wieder miteinander diskutieren müssen. Darum sehe ich die Gefahr nicht, die da an die Wand gemalt wird: Wir können dem zwar jetzt zustimmen, weil es keine exekutiven Befugnisse gibt, aber nach dem Vertrag von Amsterdam werden fünf Jahre danach die alle kommen. – Die kommen nicht!

Wenn es wirklich dazu kommen sollte – das kann ich nicht ausschließen –, daß sich die polizeiliche Zusammenarbeit im gemeinsamen Europa irgendwann einmal so intensiviert, daß es auch zu einer exekutiven Zusammenarbeit kommt, dann muß das wieder hier in diesem Haus und auch in den anderen Parlamenten beschlossen werden. Das heißt, ich sehe die Gefahr nicht gegeben, die da allzuoft an die Wand gemalt wird.

Der nächste Punkt, den ich für sehr wichtig halte, ist die Diskussion über die Immunität. Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat darüber gesprochen. Frau Abgeordnete, Sie haben völlig recht: Selbstverständlich gehört das zusammen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Geben Sie mir nicht immer recht, tun Sie etwas!) Wir hätten darüber gemeinsam diskutieren sollen, und ich habe auch vor Durchführung der Sitzung des Innenausschusses darum gebeten, daß das so diskutiert wird. Mir ist vom Parlament mitgeteilt worden, daß das nicht geht, weil es zu spät eingebracht worden ist und die Abgeordneten der Freiheitlichen Partei sich gegen eine gemeinsame Befassung ausgesprochen haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber sonst knallen Sie uns alles hin! Sonst richten Sie sich doch nie nach unseren Wünschen!) Ich habe das zur Kenntnis genommen.

Frau Abgeordnete! Meines Wissens ist es so, daß ein zusätzlicher Punkt nur dann auf die Tagesordnung eines Ausschusses genommen werden kann, wenn alle Fraktionen zustimmen. Da die Freiheitlichen nicht zugestimmt haben, ist dies gar nicht möglich gewesen. Aber darauf will ich mich gar nicht ausreden, Frau Abgeordnete ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir haben sogar den Sicherheitsbericht verlangt und dazureklamiert! Plötzlich werden wir die "bösen" Verhinderer!) Frau Abgeordnete, ich habe mehreres dazureklamiert, und das wurde leider abgelehnt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann liegt es an Ihnen!)

Ich will mich also wirklich nicht auf die Freiheitlichen ausreden, sondern nur sagen: Ich hätte diesen Punkt gerne auf der Tagesordnung gehabt; ich habe auch darum gebeten. Diesem Wunsch wurde aber seitens des Parlaments leider nicht entsprochen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sollten einen besseren Kontakt zu Fischer herstellen!) Ich habe einen guten Kontakt zu ihm, danke. Aber bin ich sehr froh darüber, wenn Sie mir helfen würden, daß der Kontakt zum Parlament noch besser wird.

Aber was meiner Meinung nach noch wichtiger ist – und das möchte ich auch klar sagen –: Natürlich, Frau Abgeordnete, können wir über die Immunität der EUROPOL-Beamten reden. Ich habe überhaupt kein Problem damit. Ich brauche deren Immunität nicht unbedingt, aber wenn wir darüber reden, dann seien wir doch so ehrlich und reden über die Immunität aller europäischen Beamten und Beamtinnen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich bin sofort dafür!) Ich sehe nämlich nicht ein, daß einseitig EUROPOL-Beamte keine Immunität zugeordnet bekommen, aber alle anderen europäischen Beamtinnen und Beamten solch eine Immunität haben. Wie ist das zu rechtfertigen? – Ich stimme Ihnen sofort dahin gehend zu, daß man da eine klare Regelung für alle trifft. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Staatsanwälte sind immer Beamte! Das sollten Sie schon wissen!) Dabei geht es nicht nur um die Beamten der Europäischen Union, sondern auch um die Bediensteten der Vereinten Nationen.

Schlußendlich möchte ich noch etwas sagen, was für mich klar ist und was ich hier als Verwendungszusage geben möchte: Falls es wirklich einmal so kommen sollte, daß die Befugnisse von


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EUROPOL ausgedehnt werden, muß natürlich auch automatisch über die Immunität der Beamten mitdiskutiert werden. Das eine kann mit dem anderen nicht verbunden werden. Aber das ist nur für die Zukunft gedacht.

Einen weiteren wichtigen Punkt möchte ich noch anführen: Ich sehe das, was hier bezüglich Kontrollmechanismen an die Wand gemalt wird, nicht. Erstens: Zur Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sieht das EUROPOL-Übereinkommen sowohl ein nationales als auch internationales Organ vor. Beide Organe überwachen die Einhaltung der Bestimmungen über die Rechte auf Auskunft, Berichtigung und Löschung von Daten. Als nationale Kontrollorganisation und -instanz bietet sich für Österreich die Datenschutzkommission an. Auf internationaler Ebene wird EUROPOL eine gemeinsame Kontrollinstanz einrichten, die sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt.

Als weitere Rechtsschutzinstanz wird es den Europäischen Gerichtshof geben. Es wird sich – das möchte ich auch ganz klar sagen, wie ich es auch schon im Innenausschuß getan habe – Österreich während seiner EU-Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 1998 bemühen, zu erreichen, daß die Kontrollbefugnisse für das Europäische Parlament auch für EUROPOL gelten werden. Und ich bin überzeugt davon, daß uns das auch gelingen wird.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist EUROPOL meiner Überzeugung nach kein "Staat im Staat", schafft keinen "gläsernen Menschen", sondern ist ein wichtiges Instrument zur Vorbereitung und Koordinierung spezifischer Ermittlungen gegen organisierte Schwerkriminalität. Auch wir in Österreich können die Augen vor der Zunahme organisierter, internationaler Kriminalität nicht verschließen. Wir können nur gemeinsam auf europäischer Ebene gegen diese Formen des Verbrechens vorgehen und grenzüberschreitend auf Basis des Rechtsstaates versuchen, verstärkt zusammenzuarbeiten. Ich sehe dieses Abkommen in diesem Sinne und bitte Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.34

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eines ist leider Gottes Faktum: Wir alle müssen zur Kenntnis nehmen, daß es zunehmend internationale, skrupellosere organisierte Kriminalität gibt, die unsere Grundrechte, unsere Freiheiten einschränkt. Die Österreichische Volkspartei tritt mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und dem Beitritt zu EUROPOL für die Sicherung von Grundrechten ein. Soviel nur, damit dieser Stellenwert einmal klargestellt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Europäische Union ruht im wesentlichen auf drei Säulen, deren Stärke unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Wirtschafts- und Währungsunion festigt sich rasch und konkret, was wir auch begrüßen. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gewinnt an Konturen. Es ist sicher auch hoch an der Zeit, die dritte Säule zu festigen; mit Schengen und EUROPOL nimmt die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Justizpolitik Gestalt an. Wir brauchen diese Stärkung zur Sicherheit Österreichs und dessen Bürger, aber auch der gesamten Union.

Das Übereinkommen betreffend Errichtung eines EU-Polizeiamtes zielt darauf ab, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit – wie heute schon betont wurde – aller europäischen Kräfte zur Bekämpfung schwerwiegender Formen internationaler Kriminalität zu institutionalisieren. Es geht also nicht um einfache Vergehen, es geht nicht um Willkür, wie hier immer wieder behauptet wurde. Es geht nicht um Banalitäten, sondern um jene Kriminalität, die sich international organisiert und der unbedingt Paroli geboten werden muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Artikel 2 dieses Übereinkommens werden die Ziele explizit aufgezählt: Es geht darum, die Leistungsfähigkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten und ihre Zusammenarbeit zu verbessern. Dem kann nur zugestimmt werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Bekämpfung grenzüberschreitender, schwerster Kriminalität, wobei tatsächliche Anhaltspunkte für diese Or


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ganisationsstruktur vorliegen müssen. Von einem Überwachungsstaat à la George Orwell kann da wahrlich keine Rede sein!

Ein erster Schritt zur Zusammenarbeit mit der europäischen Polizei EUROPOL erfolgte im Drogenbereich. Der diesbezügliche Datenabgleich wird auf die genannten Kriminalitätsfelder erweitert. EUROPOL hat zwar keine operativen und exekutiven Aufgaben, kann aber nationale Erkenntnisse bündeln und analysieren, Lageberichte erarbeiten und den Mitgliedsstaaten Ergebnisse übermitteln.

Es geht für Österreich nun darum, die Kräfte, die Informationen von EUROPOL zu nutzen, deren System in Anspruch zu nehmen. Nach dem letzten Bericht, Herr Bundesminister, aus dem Jahre 1996 hat Österreich nur 75 mal angefragt; vergleichbare Staaten wie Holland oder Belgien hingegen haben bis zu 180 mal die Informationen und das Potential von EUROPOL genutzt. Ich denke, da sollte sich Österreich doch verstärkt anmelden.

EUROPOL, geschätzte Damen und Herren, kann eine stärkere Waffe gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus werden. Im Sicherheitsbericht wird darauf hingewiesen, daß die organisierte Kriminalität an der Gesamtkriminalität einen Anteil von 30 bis 35 Prozent hat. Und es wird weiters festgestellt, daß die organisierte Kriminalität über unbegrenzte Geldmittel, moderne Technik und auch Logistik verfügt, daß sie Gewinne von mehreren 100 Milliarden Dollar macht. Noch einmal: weltweite Gewinne über mehrere 100 Milliarden Dollar. Alle Bürger zahlen den Preis dafür. Die Bedrohung ist langfristig gesehen eben nicht nur materiell, sondern wirklich tiefgreifend und besorgniserregend: Der Rechtsstaat ist gefährdet und wird durch Korruption und Subventionsbetrug untergraben.

Herr Bundesminister! Da die Bedrohung in hohem Maße aus Osteuropa und den ehemaligen Staaten der Sowjetunion kommt, ist es für die Sicherheit in Österreich höchst notwendig, diesbezüglich gerade mit osteuropäischen Staaten zu kooperieren. Ich ersuche Sie, beim dortigen Aufbau einer effizienten und unbestechlichen Exekutive beziehungsweise Justiz mitzuwirken.

Ich darf abschließend den bayerischen Innenminister Beckstein zitieren und mich vollinhaltlich seinen Aussagen anschließen: EUROPOL kann nur dann funktionieren und zu einem brauchbaren Werkzeug gegen die organisierte Kriminalität werden, wenn der internationale Datenausgleich und -austausch ohne Bürokratie und nationalstaatliche Ängstlichkeiten erfolgt. (Beifall bei der ÖVP.)

20.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das Zitat des bayrischen Innenministers zum Abschluß der Rede des Kollegen Murauer war nicht sehr beruhigend. Ich bin durchaus der Meinung, daß es überall Tendenzen einer überschießenden Bürokratie gibt, aber: Eine Polizeibehörde ganz ohne Bürokratie, ohne geregelte Abläufe, ohne Möglichkeit der Kontrolle, das wird vermutlich nicht so gemeint gewesen sein. Ich möchte mich daher von der Schlußbemerkung meines Vorredners ausdrücklich distanzieren. Bei aller Distanz zur Bürokratie: Ganz ohne Verfahrensordnungen kommen wir nicht aus. Daher stellen Aussagen von Innenministern, es gäbe nur dann Effizienz, wenn Polizeibehörden auf internationaler Ebene ganz ohne Bürokratie und ungezwungen zusammenarbeiten könnten, geradezu eine gefährliche Drohung dar. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

Ich möchte aber zum eigentlichen Punkt kommen. Kollege Löschnak und viele andere haben heute den Befund die internationalen Kriminalität betreffend treffend geschildert. Im Befund scheint große Übereinstimmung vorzuherrschen. Es gibt auch die grundsätzliche Übereinstimmung, daß man Verbrechern auf derselben Ebene entgegentreten muß, auf der sie stattfinden: Wenn also Verbrecher auf internationaler Ebene agieren, dann muß ihnen auch auf internationaler Ebene entgegengetreten werden.


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Es geht aber, so meine ich, gar nicht so sehr um das Ob, sondern um das Wie. Und da sind ein paar Auffassungsunterschiede auszuräumen. Es wird immer erzählt, daß das, was bei EUROPOL geschieht, keine "operativen Tätigkeiten" seien. – Das ist ein Spiel mit Worten. Wenn man unter "operativer Tätigkeit" das konkrete Einschreiten von Exekutivbeamten vor Ort, Elemente wie Schußwaffengebrauch oder dergleichen versteht, dann ist es vielleicht noch akzeptabel, daß das, was da geschieht, tatsächlich keine operativen Tätigkeiten sind. Wenn man aber begreift, daß in einer Informationsgesellschaft, in einer Gesellschaft der vernetzten Welten, in einer Gesellschaft, in der immaterielle Kontaktaufnahmen, die nur noch auf der Ebene von Netzwerken und Datenaustausch laufen, die eigentlichen operativen Tätigkeiten sind, nämlich die leitenden operativen Tätigkeiten, dann kann man sich nicht damit zufriedengeben, daß da ein europäisches System ohne jede begleitende Kontrolle geschaffen wird. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

Natürlich wollen auch wir Liberalen, daß die Polizei international zusammenarbeitet, daß sie Fakten- und Informationsaustausch betreiben kann. Es stellt sich aber schon die Frage, welche Daten abgeglichen oder ausgetauscht werden. Über das Wetter wird man sich vermutlich nicht unterhalten, sondern eher über harte Fakten. Aber sind es "harte" oder "weiche" Daten, wenn über die Umgebung, über Begleitpersonen, über Kontaktpersonen, über Opfer und Zeugen sowie über deren besondere Eigenschaften bis hin zu ihrer Zugehörigkeit zu Organisationen Daten gesammelt werden: über Mutmaßungen, Vermutungen und "Auskünfte" vom Hörensagen? – Das sind "weiche" Daten.

Wenn sich aber internationale Polizeiorganisationen über "weiche" Daten zu verständigen beginnen, wird die Sache schon etwas kritischer. Darüber sind wir uns wohl einig, denn da wird nämlich vielleicht auch die persönliche Vorliebe des N.N. oder die persönliche Versponnenheit der A.B. zu einer dieser Daten. Es geht doch auch um die Prophylaxe.

Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, nur zu reagieren, hat Kollege Platter gesagt: Wir müssen doch schon vorausschauend Daten sammeln, die vielleicht später einmal benötigt werden könnten. – Das sind also prophylaktische Datensammlungen, und diese Daten werden vernetzt. Hoffentlich werden sie vernetzt, denn es geht doch um internationale Zusammenarbeit. Damit werden aber sozusagen neue Daten erzeugt. Vernetzung von Daten heißt Schaffung von Datenhierachien. Das alles sind sehr scharfe Waffen, und das ist eine Art von operativer Tätigkeit.

Ich bitte Sie: Denken Sie einmal in neueren Begriffen, in Begriffen der modernen Kommunikationsgesellschaft! Das ist bereits eine operative Tätigkeit. Nicht nur das Stanzen von Blech oder das Verhaften von Menschen sind operative Tätigkeiten: Auch das Entwickeln von Datenhierachien, die Pflege von Daten und ihr Abgleich ist eine spezifische Form von operativer Tätigkeit. – All das geschieht ohne jegliche Kontrolle, und diese mahnen wir ein. Das geschieht doch ohne jeglichen grundrechtlichen Schutz, ohne korrespondierende Grundrechte auf europäischer Ebene, ohne europäischen Grundrechtskatalog als Pendant zu EUROPOL auf derselben Ebene, ohne durchsetzbare Rechtszüge, ohne Anrufungsmöglichkeiten des EuGH und ohne jegliche begleitende richterliche Kontrolle, ohne demokratische Kontrolle und unter Ausschaltung der Strafverfolgungsbehörden. Die Polizei ist so letztlich eine Strafverfolgungsbehörde ihrer selbst. Und das ist bitte eher ein Polizei- als ein Rechtsstaat, und deswegen haben wir Bedenken, Kollege Löschnak. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir wissen schon, daß bei der Verbrechensbekämpfung selbstverständlich mit adäquaten Mitteln vorgegangen werden muß, das heißt aber noch lange nicht, daß man mit beliebigen Mitteln operieren darf. "Adäquat" heißt nur: auf der selben Ebene, aber nicht unter Aufgabe der eigenen rechtlichen Grundsätze. Das ist die Befürchtung, und das ist nicht irgendeine Befürchtung.

Noch etwas nicht Unwesentliches: Bundesminister Schlögl hat gemeint, es werde der Setzung neuer Rechtsakte bedürfen. (Bundesminister Mag. Schlögl spricht mit der bei der Regierungsbank stehenden Abg. Madl.) Herr Bundesminister Schlögl ist jetzt leider anderweitig beschäftigt. Ich würde Sie wirklich bitten, Herr Bundesminister, Ihre Aufmerksamkeit kurz vom sicher sehr wichtigen Gespräch mit Kollegin Madl ab- und mir zuzuwenden, denn von Ihrem Sektionschef werden Sie das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, nicht hören. Dieser wird als Mitglied des


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Apparates, um den es geht, selbstverständlich interessensgeleitet argumentieren. Sie aber, Herr Minister, sind sozusagen der politische Beamte im Innenministerium, und Sie haben die Ministerverantwortlichkeit dem Hohen Hause gegenüber – und nicht Ihre Beamtenschaft!

Wenn Sie, Herr Bundesminister, meinen, es werde neuer Rechtsakte bedürfen, so haben Sie nur in einem ganz bestimmten Ausmaß recht: Wenn der externe Handlungskatalog zu erweitern sein wird, wird es neuer Rechtsakte bedürfen. Wenn aber die innere Gestaltung des mächtigsten aller Werkzeuge, nämlich einer Datenhierachie, einer Datensammlung "weicher" Daten, vernetzter Daten ansteht, brauchen Sie keine neuen Rechtsakte mehr, denn da hat die Republik Österreich – trotz Einstimmigkeitsprinzips in der dritten Säule – ihre politische Verantwortung bereits abgegeben. Dort ist das letzte Wort schon gesprochen worden.

Sagen Sie mir doch, wer dieses System kontrollieren wird: Unsere heimische Exekutive wird EUROPOL qualitativ kontrollieren? – Da lachen nicht einmal Sie selbst! Erinnern Sie sich daran, in welchem EDV-Zustand sich Ihr Ministerium und Ihr gesamter Apparat heute noch befindet! Sie können doch nicht erwarten, daß irgend jemand hier im Hause glaubt, daß unsere durchaus tüchtigen, fleißigen Kolleginnen und Kollegen im Innenministerium in der Lage sein werden, das hypernationale Konstrukt EUROPOL qualitativ zu hinterfragen; das werden sie sicherlich nicht können.

Wir haben keine parlamentarische Kontrolle über EUROPOL, wir haben keine begleitende richterliche Kontrolle, und es werden auch die Strafverfolgungsbehörden abgeschafft. Es gibt diesbezüglich auch keine Mitwirkungsmöglichkeit der Staatsanwaltschaft. (Bundesminister Mag. Schlögl: Wir wollen sie aber!) Es wird da ein Konstrukt geschaffen, das in sich selbst so mächtig sein wird, daß es über uns nur lachen wird! Glauben Sie mir das!

Da ich in meinem beruflichen Feld gerade mit solchen Informationssystemen zu tun habe, sage ich Ihnen aus tiefster Überzeugung: Nein, die werden nicht einmal über uns lachen, denn die bauen sich ihre eigene Datenburg.  – Sie werden draußen stehen und nicht mehr hinein können, denn was letztlich in den inneren Strukturen von Datenverarbeitung tatsächlich abläuft, das kennen letztlich nur ganz wenige – und nicht einmal diejenigen, die direkt in der EUROPOL die Verantwortung haben, überblicken das tatsächlich. Da bilden sich Subsysteme von Leuten heraus, wobei die EUROPOL-Beamtenschaft diese Subsysteme nicht einmal im dienstrechtlichen Sinne kontrollieren kann, geschweige denn daß das im richterlichen Sinne geschieht. Da gackern wirklich die Hühner. Sie schaffen die Andockstelle für internationale Kriminalität. Fällt Ihnen das überhaupt nicht auf? – Sie denken offenbar, daß dort nur gute, edle und anständige Menschen arbeiten; daß Menschen nur deswegen dort arbeiten, weil sie einen Eid auf Recht und Ordnung geschworen haben. – Auch diese müssen bitte kontrolliert werden!

Glauben Sie mir: Es wird dort ein derart großes Kapital aufgebaut, das geradezu einen Riesenköder für die internationale Kriminalität darstellt. Es ist ganz leicht, dort Daten anzuzapfen. Dazu braucht man keine Mikrofilme und keinen James Bond mit seiner kleinen Kamera, sondern dazu genügt eine kleine Datenleitung.

All das, was EUROPOL weiß, wissen auch die anderen. Herr Bundesminister, wissen Sie nicht, daß das so ist? Halten Sie die EUROPOL für ein unsinkbares Schiff? Und all das ohne richterliche Kontrolle, ohne demokratische Kontrolle und unter Abschaffung der Strafverfolgungsbehörden!

Wenn sich jemand darüber beunruhigt zeigt, dann geschieht dies, glauben Sie mir, nicht, weil er, wie manche meinen, gegen Recht und Ordnung ist. Gerade der liberale Rechtsstaat lebt davon, daß das Recht zu seinem Recht kommt und daß die Ordnung demokratisch kontrolliert wird. Recht und Ordnung sind teilweise mißbrauchte Begriffe, mißbraucht von jenen, die unter Recht und Ordnung Polizeistaat und Abschaffung von Kontrolle verstehen. Wir leben davon, daß wir die Spielregeln einhalten; und wir leben davon, daß bei wir bei der Bekämpfung der Kriminalität selbst nicht womöglich unsere eigenen Rechtsgrundsätze aufgeben. Deswegen sind wir immer um den berühmten einen Schritt langsamer als die Kriminellen, die nicht an diese Spielregeln gebunden sind. Das ist der Preis der Freiheit! Aber deswegen gleich die Verantwortung abzu


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liefern und sie den Datenverarbeitern zuzuschieben und zu hoffen, daß das gut geht, kommt mir so vor, als ob jemand, wenn irgendwo Gas ausströmt, denkt: Es wird schon niemand mit einer brennenden Zigarette vorbeigehen. – Das ist leichtsinnig!

Es geht hier nicht um den "gläsernen Menschen". Herr Bundesminister, Sie meinen, wir fürchten uns davor, daß es in diesem Fall um die Problematik des "gläsernen Menschen" geht: Hier geht es bereits um den skelettierten Menschen. Sie haben ihn grundrechtlich bis auf das Skelett heruntergefahren. Da sieht man schon durch die Rippen durch. Und Sie merken es noch nicht! (Abg. Tichy-Schreder: Filetiert!) Frau Kollegin Tichy-Schreder meint wahrscheinlich, was ich hier sage, sei zu theatralisch, aber glauben Sie mir: Das ist das eigentliche Problem! All das, was hier gemacht wird, wäre dann erträglich, wenn es begleitend kontrolliert würde, aber es wird nicht begleitend kontrolliert. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Moralinsauer!) Das ist nicht moralinsauer, Frau Kollegin Tichy-Schreder! Wenn Sie meinen, daß das moralinsauer ist, dann, muß ich sagen, tun Sie mir leid, tut mir Ihre Partei leid und diese Republik auch, denn Sie haben nennenswert das Sagen in dieser Republik. Jemandem, der meint, wenn sich die Liberalen um den Rechtsstaat und um die Grundrechte Sorgen machen, das sei moralinsauer, muß ich sagen: Das gilt vielleicht in Ihrer katholischen Welt, in meiner Welt gilt das nicht. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Puttinger vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.52

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das heute zu beschließende Dokument über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes ist ein bedeutender Schritt für ein sicheres Europa und damit auch für ein noch sichereres Österreich. (Beifall bei der ÖVP.) Ich bin froh darüber, daß dieses Übereinkommen heute vom Parlament beschlossen werden wird, und hoffe, daß auch die anderen Unterzeichnerstaaten – soweit es noch nicht geschehen ist – dieses so rasch wie möglich ratifizieren.

Auf den Inhalt möchte ich jetzt weniger eingehen. Durch die vorgesehene intensive Zusammenarbeit der EU-Staaten wird jedenfalls jeglichen Formen der organisierten Kriminalität der Kampf angesagt. Und das ist wichtig! Dies ist dringlicher denn je! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist eine Tatsache – und ich will nur einige Beispiele aufzählen –, daß in Österreich der Anteil der organisierten Kriminalität schon 30 bis 35 Prozent beträgt. Tatsache ist, daß die organisierte Kriminalität in Osteuropa beängstigende Ausmaße angenommen und seit dem Jahre 1990 bis heute eine zehnfache Steigerung erfahren hat. Im Jahre 1990 gab es 700 organisierte Gruppen, derzeit sind es 8 000. 140 dieser Organisationen operieren im Ausland, 70 davon alleine in Deutschland. In Italien wird gegen 478 Gruppierungen, in den Niederlanden gegen 74, in Belgien gegen 84 Gruppierungen ermittelt; dort sind auch 1 200 Tatverdächtige registriert.

Um diesen bedenklichen europäischen Entwicklungen entgegenzuwirken, wurde die EUROPOL geschaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es reicht bis zum Jahre 1991 zurück, als am 9. Dezember in Maastricht erstmals der Begriff "EUROPOL" genannt wurde. Im Jahre 1993 wurde eine Ministervereinbarung über die Schaffung einer EUROPOL-Drogenstelle getroffen. Ende des Jahres 1994 kam es zu einer Ausweitung des Aufgabengebietes über strahlendes Material, Schlepperkriminalität, Verschiebung von Kraftfahrzeugen, Geldwäscherei, und im Jahre 1996 wurde hier auch der Menschenhandel eingeschlossen. Am 10. März 1995 wurde die EDU, die European Drug Unit, geschaffen.

Ich meine, wir kommen nicht darum herum, eine Institution zu schaffen und zu unterstützen, die all diese Positionen für uns berücksichtigt. (Beifall bei der ÖVP.)


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EUROPOL hat – darüber kommen auch Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Liberalen, nicht herum – wie Interpol keine operativen Aufgaben. Das übersehen die meisten Kritiker, die sich dazu versteigen, EUROPOL als eine Mischung aus FBI und dem Agenten 007 zu sehen. Kollege Kier ist leider nicht anwesend; er hat sich in den "Salzburger Nachrichten" derart geäußert. Sich dazu zu versteigen, solch eine Einrichtung als FBI und 007 zu bezeichnen, finde ich einfach abstoßend.

Ganz im Gegenteil: Die Kompetenzen der Euro-Cops sind derzeit und in absehbarer Zukunft in keiner Weise mit jenen der nationalstaatlichen Polizeibehörden und schon gar nicht mit jenen des FBI oder anderer derartiger Institutionen zu vergleichen. Datenaustausch, Datensicherung und nicht unmittelbare Täterverfolgung sind Aufgaben dieses Polizeiapparates. Es sind keine Razzien und Verfolgungsjagden in Sicht, bei denen die EUROPOL-Spezialisten zum telegenen Einsatz auffordern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Informations- und Analysesystem sind jene Positionen, die als Ziele ausgebaut werden sollen. Zur endgültigen Verwirklichung von EUROPOL sind noch viele rechtliche Schritte zu setzen. Ich denke da an Personalstatut, Finanzordnung, Amtssitzabkommen, Geschäftsordnung und viele andere. Es sind aber auch beträchtliche finanzielle Investitionen zu tätigen. Ich bin davon überzeugt, daß sich dieser Aufwand lohnen wird. Ein freies Europa ohne Grenzkontrollen fordert seinen Preis, damit die Sicherheit der Bürger der EU, also auch jene der Österreicher, gewährleistet werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um ein internationales Abkommen, und ich darf folgenden Zusatzantrag dazu einbringen.

Zusatzantrag

der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Puttinger, Anton Leikam und Genossen zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (767 der Beilagen) betreffend ein Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (EUROPOL-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich (984 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung gemäß § 76 Abs. 3 GOG beschließen:

"Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG wird das vorliegende Vertragswerk dadurch kundgemacht, daß dessen Fassungen in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache – mit Ausnahme der nur in deutscher Sprache vorliegenden Erklärung der Republik Österreich zu Art. 2 des EuGH-Protokolls – zur Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtigen Angelegenheiten aufliegen."

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

20.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Antrag, den Herr Abgeordnete Puttinger soeben verlesen hat, der sich auf § 76 Abs. 3 der Geschäftsordnung stützt, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung ist nicht gewünscht.


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104. Sitzung / Seite 184

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Vertragswerkes in 767 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Ausschußantrag ist mehrheitlich angenommen.

Ich lasse jetzt über den vorliegenden Antrag gemäß § 76 Abs. 3 der Geschäftsordnung abstimmen, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu beschließen, daß das vorliegende Vertragswerk dadurch kundgemacht wird, daß dessen Fassungen in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache – mit Ausnahme der nur in deutscher Sprache vorliegenden Erklärung der Republik Österreich zu Artikel 2 des EuGH-Protokolls – zur Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtigen Angelegenheiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

18. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (895 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Änderungen des am 9. Oktober 1992 in Salzburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn (987 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (343 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (982 der Beilagen)

20. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (557 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (983 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 18 bis 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Achs das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.01

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In einer Zeit dynamischer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse ist auch im Bereich der Sicherheit Flexibilität im Denken und Handeln angesagt. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat gezeigt, daß zur Aufrechterhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus immer wieder neue Schwerpunkte gesetzt werden müssen, so zum Beispiel im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)


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In diesem Zusammenhang stellt das erweiterte Schubabkommen mit Ungarn einen wesentlichen Schritt zu noch mehr Sicherheit in unserem Lande dar. Durch die bisherige Sonderregelung mit Ungarn betreffend Drittstaaten-Ausländer hat es in der Praxis immer wieder Probleme bei der Rückstellung illegaler Grenzgänger gegeben. Denn die große Zahl jener Personen, die Ungarn illegal als Transitland nutzten, waren davon nicht betroffen.

Das von Innenminister Karl Schlögl und seinem ungarischen Amtskollegen unterzeichnete Abkommen wird diese Situation bereinigen und beachtliche Erleichterungen in der Schubpraxis bringen, da in Hinkunft lediglich der illegale Grenzübertritt für die Rückübernahme maßgeblich ist. Dadurch wird sichergestellt, daß in Zukunft die Abschiebung illegal eingereister Personen rascher und effizienter gehandhabt werden kann.

Meine Damen und Herren! Ein paar Worte zur Kritik unseres Koalitionspartners betreffend Schubabkommen, vor allem zu Kollegen Paul Kiss. Lieber Pauli, hier sei klargestellt, daß weder der Innenminister noch der burgenländische Landeshauptmann für die Verzögerung der Ratifizierung verantwortlich gemacht werden können, da internationale Abkommen eindeutig in die Zuständigkeit des Außenministeriums fallen. Zur Untermauerung meiner Behauptung zitiere ich den zuständigen Referatsleiter des Innenministeriums, der folgendes geschrieben hat: Nach der am 17. April 1997 erfolgten Unterzeichnung wurde der zuständige Referatsleiter des Außenministeriums mehrmals unter Hinweis auf die bisherige Praxis ersucht, dem BfI entsprechende Vorwürfe zukommen zu lassen. Diesem Anliegen wurde nicht entsprochen. – Soweit zur Klarstellung der Tatsache, wer für die Verzögerung der Ratifizierung verantwortlich ist.

Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der letzten Jahre macht deutlich, daß illegale Grenzübertritte zu einer zentralen Frage der Sicherheit geworden sind. Seit 1991, also seit es einen verstärkten Grenzschutz gibt, sind rund 44 000 illegal eingereiste Personen aufgegriffen worden. Das ist ein Zeichen für die gute Arbeit, die gemeinsam von Grenzdienst, Zoll und Bundesheer zur Sicherung unserer Grenzen geleistet wurde.

Seit der Öffnung der Ostgrenzen Ende der achtziger Jahre haben sich verstärkt auch kriminelle Organisationen die neuen Freiheiten zunutze gemacht, wie es heute schon des öfteren erwähnt wurde. Die verstärkte Kontrolle der Außengrenzen und die verbesserte Zusammenarbeit durch das Schengener Informationssystem sorgen aber dafür, daß diese neuen Freiheiten nicht zum Freibrief für verbrecherische internationale Organisationen werden. Neben Schengen gilt es auch weiterhin, auf anderen Ebenen die Zusammenarbeit mit anderen Staaten auszubauen. Denn grenzüberschreitendes Sicherheitsdenken darf sich nicht allein auf Institutionen beschränken.

Darüber hinaus muß es ein Anliegen sein, insbesondere die Kooperation mit unseren Nachbarn zu verbessern. Das Schubabkommen mit Ungarn ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir insbesondere die Situation an unseren Ostgrenzen gut bewältigen können. Denn Inhalt dieses Abkommens ist auch eine Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit, und nur dadurch kann die illegale Migration erfolgreich und effizient bekämpft werden.

Die Erfahrungen vergangener Jahre zeigen, daß auf die großen Fragen der Sicherheit nur eine gemeinsame Antwort die richtige sein kann. Gute Beispiele dafür sind auch das Übereinkommen, das der Innenminister in der Vorwoche mit dem Schweizer Bundespräsidenten Koller getroffen hat, oder das am 18. Juni dieses Jahres unterzeichnete Abkommen mit Kroatien. Österreich hat schon in der Vergangenheit bewiesen, meine Damen und Herren, daß es auf dem Gebiete der Sicherheit zu den führenden Ländern der Welt gehört. Das zeigt sich an den niedrigen Kriminalitätsraten und hohen Aufklärungsquoten, die wir den Sicherheitsberichten der letzten Jahre entnehmen können.

Wir Sozialdemokraten stehen daher für die Fortsetzung eines klaren sicherheitspolitischen Weges. Wir stehen für einen professionellen Schutz unserer Außengrenzen, für den Ausbau der technischen Möglichkeiten und nicht zuletzt für eine erweiterte internationale Zusammenarbeit in allen Bereichen der Sicherheit. Nur so, meine Damen und Herren, können wir den Menschen in unserem Land weiterhin ein Höchstmaß an Schutz und Sicherheit bieten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.08


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

21.08

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich gebe zu, Kollege Achs, daß es eine schwere Geburt gewesen ist, bis wir zur Beschlußfassung über das Schubabkommen betreffend illegale Grenzgänger zwischen Österreich und Ungarn am heutigen Tag gekommen sind. Ich gebe auch zu, daß es Teil eines politischen Hickhacks zwischen den beiden Koalitionsparteien gewesen ist, vornehmlich zwischen mir und dem burgenländischen Landeshauptmann.

Ich stimme überein mit dem, was Kollege Achs über die Intention dieses Abkommens gesagt hat. Selbstverständlich, genau das wollen wir letztlich alle! Ich stimme auch darin überein, daß es gut ist, wenn es eine Kooperation zwischen Nachbarstaaten gibt. Aber mein Ansatzpunkt für die Kritik war ein völlig anderer.

Es war der burgenländische Landeshauptmann Karl Stix, der behauptet hat, die ungarischen Nachbarn seien es, welche die Ratifizierung dieses Schubabkommens verzögert hätten. Er hat gleichsam behauptet, dies wäre ein unhöflicher Akt, dies wäre etwas, das Nachbarn in dieser Form nicht erlaubt sei. Ich war nur derjenige, der gesagt hat: Herr Landeshauptmann, das stimmt so nicht! Nicht unsere ungarischen Freunde sind es gewesen, die die Beschlußfassung der Ratifizierung dieses Abkommens verhindert haben. Nein, sie haben ihre Arbeit, sie haben ihre Hausaufgabe erledigt, Kollege Achs. Wir selbst sind es gewesen, und wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht.

Ich habe durchaus nicht die Schuld zugewiesen: ob es das Innenministerium war oder das Außenministerium, ob es Innenminister Schlögl gewesen ist oder Außenminister Schüssel. Ich habe nur gesagt: Solche Art, Freunden und Nachbarn die Schuld zuzuweisen, die nachweislich ihre Aufgabe erledigt haben, ist nicht korrekt und nicht fair! Das habe ich kritisiert, und dazu stehe ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Wahr ist, daß wir alles unterstützen, was an Gemeinsamkeiten in dieser Richtung vorhanden ist. Wir unterstützen, daß der Innenminister ein Abkommen mit dem ungarischen Innenminister Gabor Kuncze geschlossen hat. Wir unterstützen, daß es darüber hinaus auch unseren Grenzorganen möglich wird, illegale Grenzgänger auf legale Art und Weise aufzugreifen, aber vor allem die illegalen Grenzgänger in einer Form wieder zurückzustellen, wie es rechtsstaatlich notwendig ist.

Was ist denn bisher passiert, Kollege Achs? – Die Frauen und Männer, die in den Bezirksverwaltungsbehörden diese Arbeit zu bewältigen hatten, wußten nicht ein noch aus. Mangels rechtlicher Voraussetzungen waren sie gezwungen, Grenzgänger, die nachweislich rechtswidrig dieses unser Land betreten haben, freizulassen und sie im Raum Burgenland, Niederösterreich, Wien oder Steiermark herumschwirren zu lassen.

Das ist ein Zustand, den niemand will: Keine politische Partei in diesem Land will das, und auch die Bürger in diesem Land wollen das nicht! Das führt nicht nur zur Verunsicherung der Exekutivbeamten, sondern das verunsichert selbstverständlich auch die Bevölkerung. Das lehnen wir ab, denn das ist eine verantwortungslose Vorgangsweise, werte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser  – in Richtung Grüne –: Aber sie wollen das schon so haben!) Möglicherweise wollen sie es. Aber ich unterstelle es ihnen nicht. (Abg. Haigermoser: Ich schon!) Möglicherweise. (Abg. Dr. Petrovic: Und Sie werden es verhindern!)

Was wir gesagt haben, dient – wie auch die mehrmalige Aufforderung an den Innenminister – dazu, diesen Zustand hintanzuhalten, der nicht tragbar und nicht haltbar ist. Herr Bundesminister! Es wird Zeit, daß wir uns in bezug auf unsere Schubunterkünfte wirklich wieder anstrengen. Es wird Zeit, daß wir neue Schubunterkünfte und darin die entsprechenden Haftplätze planen und errichten. Denn es kann nicht so sein, daß der Schubtourismus – nämlich illegale Grenzgänger quer durch Österreich zu verbringen: aus Tirol ins Burgenland, aus der Steiermark nach Niederösterreich oder aus Oberösterreich nach Wien – zur Aufgabe der österreichischen


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Exekutive wird. Sie hat wahrlich andere Aufgaben: Sie hat für die Aufrechterhaltung von Recht, Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Land für unsere Menschen zu sorgen! (Beifall bei der ÖVP.)

Das also, Herr Bundesminister, ist die Aufforderung, das ist die Einladung: Stellen wir die entsprechenden Schubhaftplätze zur Verfügung! In der letzten Sitzung des Innenausschusses waren wir gemeinsam der Auffassung, 250 an der Zahl bräuchten wir, um das Problem administrieren zu können, und damit das auch in einer Form über die Bühne geht, von der man sagen kann: Auch Illegale sind Menschen. Auch Illegale haben einen Anspruch darauf, entsprechend untergebracht zu werden und den Formalitäten entsprechend – aufgrund dieses Abkommens wird das ab 1. Jänner nächsten Jahres möglich sein – abgeschoben zu werden. Das ist der Weg, für den die ÖVP eintritt. Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, zu handeln. (Beifall bei der ÖVP.)

21.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Partik-Pablé. – Bitte.

21.12

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Schon im Oktober 1992 hat es ein Abkommen mit Ungarn über die Rücknahme von Grenzgängern gegeben. Dieses Abkommen hat offensichtlich mehr schlecht als recht funktioniert, denn immer wieder hat man von den Grenzbeamten Klagen darüber gehört – Herr Kollege Kiss hat das auch angeschnitten –, daß es einfach nicht möglich war, illegale Grenzgänger wieder über die Grenze zurückzuschieben. Das heißt, die Ungarn haben diese Leute nicht genommen.

Herr Minister! Ich war vor einer Woche in Nickelsdorf. Dort haben sich die Beamten darüber beklagt, daß sie rennen und bitten müssen und daß es vom Gutdünken des ungarischen Beamten abhängt, ob er die illegalen Grenzgänger zurücknimmt oder nicht. Manche nehmen sie zurück; manche nehmen sie nicht zurück. Das heißt also, daß die Situation wirklich äußerst unbefriedigend war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unter diesen Umständen ist es besonders verwerflich, daß Sie selbst – das haben Sie ja zugegeben – die Ratifizierung verzögert haben. Herr Abgeordneter Achs! Es ist gar nicht nötig, daß Sie den Herrn Minister hier sozusagen heraushauen. Der Herr Minister gesteht ohnehin immer alles, was in seinem Bereich an Fehlern anfällt. Sie glauben immer wieder, Sie müßten ihn verteidigen, und schreiten zu ungeheuren Aktionen, und dann gibt der Herr Minister selbst zu, wo der Fehler gelegen ist. Sie haben meiner Ansicht nach übersehen, daß dieses Abkommen vom Außenministerium schon unterschrieben war, und haben daher nicht dafür gesorgt, daß der parlamentarische Weg beschritten wird.

Herr Minister! In diesem Zusammenhang werfe ich Ihnen schon eine gewisse Laxheit vor. Offensichtlich negieren Sie das Problem der illegalen Grenzübertritte, obwohl Sie praktisch tagtäglich in der Zeitung lesen, daß schon wieder 10, 20 oder 30 Illegale aufgegriffen worden sind. Wäre Ihnen nämlich dieses Problem wirklich wichtig, dann könnte es nicht passieren, daß Sie dieses Abkommen ganz einfach liegenlassen und nicht weiterleiten. Das möchte ich Ihnen zum Vorwurf machen, sehr geehrter Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Richtig!)

Leider Gottes muß ich Ihnen auch zu den Abkommen, die wir unter diesen Tagesordnungspunkten beschließen werden, einen Vorwurf machen, Herr Minister. Wir beschließen heute großzügige Hilfeleistungen im Falle von Unfällen und Katastrophen im Zusammenhang mit Slowenien und mit Ungarn. Herr Minister! Diese Vereinbarungen wären wirklich der ideale Anlaß gewesen, insbesondere mit Slowenien über die Atomkraftwerke zu sprechen. Meiner Meinung nach hätten Sie eine solche Hilfeleistung nur dann zusagen sollen, wenn auch die Slowenen ihrer Informationspflicht über Atomkraftwerke nachkommen.

Man weiß, daß das Atomkraftwerk Krško eine große Gefahr für Österreich darstellt. Die Landeshauptfrau der Steiermark hat wiederholt urgiert, daß Slowenien nicht die Berichtspflicht erfüllt. Es werden keine Gutachten weitergegeben, und es werden Verträge nicht erfüllt, die mit Österreich abgeschlossen worden sind. Was würde denn näherliegen, als gerade den Abschluß eines


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104. Sitzung / Seite 188

solchen Abkommens, in dem Österreich großzügige Hilfe verspricht, zum Anlaß zu nehmen, zu sagen: Haltet wenigstens eure Pflichten ein, die in einem Vertrag festgelegt sind! – Das haben Sie nicht getan, sehr geehrter Herr Minister!

Sie haben auch mit Ungarn dieses Thema nicht angeschnitten, obwohl es auch in Ungarn Atomkraftwerke gibt, die keine moderne Sicherheitsausrüstung haben. Es gibt Kraftwerke, die enorm gefährlich sind. Wahrscheinlich müssen wir nach einem Reaktorunfall dann aufgrund dieses Hilfeleistungsvertrages einschreiten, nur weil diese Länder ihrer Verpflichtung aus abgeschlossenen Verträgen nicht nachkommen.

Herr Minister! Wir haben im Ausschuß eingewilligt, daß wir allen diesen Abkommen zustimmen. Während ich mir das angesehen habe, habe ich diese Zustimmung wirklich schon bereut. Ich denke, man kann ganz einfach nicht etwas versprechen und unsere Hilfeleistungen zusagen – wir sind immer die Großzügigen –, während die Staaten, von denen wir enorm bedroht werden, nicht einmal minimale vertragliche Verpflichtungen einhalten.

Mit Ach und Krach werden wir heute zustimmen, aber ich bitte Sie, daß Sie, wenn Sie in Zukunft solche Verträge abschließen, auch schauen, was in den anderen Ressorts vor sich geht und wo man Österreich nützlich sein kann. Ich bitte Sie, nicht nur an Ihr Ressort zu denken und etwas zu versprechen, das sicherlich gut und sehr menschlich ist, aber auf der anderen Seite eine Bedrohungssituation für Österreich offenläßt, mit der wir nicht leben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte. (Abg. Haigermoser  – auf die Unterlagen des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Freund deutend –: Vorbereitet ist er für 10 Minuten!)

21.18

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag mit den Abkommen mit Ungarn und Slowenien über gegenseitige Hilfeleistungen bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen beschäftigen.

Sehr erfreulich ist, daß diese beiden Regierungsvorlagen inhaltlich in der Realität bereits angewandt werden. Das heißt, daß in der Vergangenheit bei Katastrophen oder sonstigen Unglücken die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Ländern Ungarn und Slowenien bestens funktioniert hat. Selbstverständlich muß das auch in Zukunft bei nuklearen Unfällen – sollte es zu derartigen Unglücksfällen kommen – so sein, denn die Informationspflicht muß gewahrt sein und gewahrt bleiben.

Österreich hat mit fast allen seinen Nachbarstaaten derartige Abkommen abgeschlossen und damit gute Erfahrungen gemacht. Mit der heutigen Novelle hängen wir unserer Praxis mit Ungarn und Slowenien sozusagen ein verbessertes formales Mäntelchen um.

Österreich ist als verläßlicher, guter und hilfsbereiter Nachbar bekannt. Die neuen Übereinkommen sehen vor, daß beim Grenzübertritt der Hilfsmannschaften keine Reisedokumente mehr erforderlich sind, auch nicht beim Einsatz von Luftfahrzeugen und so weiter. Dadurch, daß gewisse Grenzformalitäten erleichtert werden oder überhaupt wegfallen, kann in Zukunft die Hilfe noch rascher, zuverlässiger und effektiver erfolgen. Das darf selbstverständlich keine Einbahn sein, sondern das muß auch von der anderen Seite her so gewährleistet sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Wichtig ist auch, daß dieser ständige und enge Informationsaustausch zwischen Ungarn und Österreich sowie zwischen Slowenien und Österreich über die Staatsgrenzen hinweg vor allem zur Vorbeugung gegenüber solchen Katastrophen besser funktioniert.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf etwas hinweisen, was ich heute schon bei der Behandlung des Zivildienstgesetzes gesagt habe: Ich bin


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stolz darauf, daß wir hier in Österreich ein zuverlässiges und gut organisiertes Rettungs- und Hilfewesen aufgebaut haben, das jederzeit einsatzbereit ist. Neben den hauptberuflich Tätigen bewähren sich dort in besonderer Weise die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Durch den vorbildlichen Einsatz der Rettungsdienste, der Feuerwehren sowie aller sonstigen Einsatzkräfte konnte bereits viel Menschenleben gerettet werden und konnten insbesondere auch viele Sachwerte vor noch größerem Schaden bewahrt werden. Die ÖVP bekennt sich dazu. Als Beispiel möchte ich die Hochwasserkatastrophe im heurigen Sommer nennen. Naturkatastrophen können nicht verhindert werden, aber durch rechtzeitigen Informationsaustausch und schnellere Hilfe kann das Ausmaß solcher Katastrophen stark vermindert werden.

Deshalb stimme ich gerne diesem Abkommen zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.


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104. Sitzung / Seite 190

21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

21.21

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Als Grenzlandabgeordnete der Südweststeiermark begrüße ich das Abkommen zwischen unserem Land und Slowenien über die gegenseitige Hilfestellung bei Katastrophen und Unglücksfällen. Die zwischenstaatlichen Beziehungen sind außerordentlich gut, und ich hatte schon die Ehre, auf politischer Ebene Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen aus Slowenien zu pflegen. Gerade in grenznahen Zonen ist ein grenzübergreifender Kontakt etwas ganz Alltägliches. Ich konnte mich weiters davon überzeugen, Herr Bundesminister, daß auch die Exekutivbeamten sehr gute Zusammenarbeit pflegen.

Mir wurde auch berichtet, daß die Ausstattung der Exekutivbeamten auf slowenischer Seite einen sehr hohen Standard aufweist. Das erleichtert selbstverständlich die Arbeit. Gerade Slowenien gibt sich Mühe, einen allgemeinen EU-Standard zu erreichen, damit eine Mitgliedschaft möglichst bald erfolgen kann. Das ist aus meiner Sicht durchaus zu begrüßen, obwohl ich glaube, daß als eine Voraussetzung für die Grenzregion ein eigenes EU-Zielgebiet für Stützungsprogramme einzurichten wäre. Damit könnten nämlich auch Konflikte vermieden werden, die bei wirtschaftlichen Nachteilen auftreten können. Ich denke, gegenseitige Akzeptanz ist eine Voraussetzung für gute Zusammenarbeit.

Aber ich muß als Grenzlandabgeordnete sagen, daß die größten Ängste unserer Bevölkerung – Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat das schon angesprochen – selbstverständlich den große Gefahrenherd betreffen, den das Atomkraftwerk Krško darstellt. Der Reaktor ist ja nur 80 Kilometer Luftlinie von der steirischen Grenze entfernt. Die steirischen Politiker und Politikerinnen haben schon des längeren ein Frühwarnsystem für eventuelle Zwischenfälle gefordert, und ich schließe mich dem vollinhaltlich an. Denn gerade auf solche Katastrophen wären wir nicht ausreichend vorbereitet, um Schaden abwenden zu können.

Damit haben Sie schon recht, Frau Abgeordnete, nur wird der Innenminister allein das Problem nicht lösen können. Ein Ausstieg aus der Atomkraftgewinnung – da bin ich ganz bei Ihnen, wir müssen da alle einander Rückendeckung geben – ist aus unserer Sicht die einzig verläßliche Gefahrenbekämpfung, wie ich einmal annehmen möchte. Allerdings – auch das müssen wir erkennen – müssen wir die Partner bei einem eventuellen Ausstieg im eigenen Interesse bestmöglich unterstützen. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Im übrigen schließe ich mich den Aussagen der Vorredner an: Auch ich hoffe weiterhin auf gute Zusammenarbeit mit Slowenien, und ich hoffe, daß möglichst wenig Katastropheneinsatz notwendig sein wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)

21.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lafer. Er hat das Wort.

21.24

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Parfuss, ich muß Ihre Aussage ebenso unterstützen, wie Sie hier angeführt haben, daß das Problem mit dem Kraftwerk Krško nicht nur die steirischen Abgeordneten betrifft, sondern insgesamt die Abgeordneten und die Bevölkerung in den Grenzlandregionen, sei es im Burgenland, in der Steiermark oder in Kärnten. Es stimmt, was Sie gesagt haben: Der Herr Bundesminister wird sicherlich nicht allein das Problem lösen können. Aber er sitzt in der Bundesregierung, und die Bundesregierung müßte schon soweit sein, dieses Problem wirklich in Angriff zu nehmen und einer Lösung zuzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich habe eine spezielle Frage zu diesen beiden Abkommen. Das eine Abkommen – das ist die Beilage 343, ausgedruckt am 29. Oktober 1996 – enthält im Allgemeinen Teil der Erläuterungen unter den Regelungsschwerpunkten eine demonstrative Aufzählung der Einsatzarten: Bekämpfung von Bränden, nuklearen und chemischen Gefahren und so weiter. So steht es in der Fassung aus dem Jahr 1996. Hingegen fehlt dieser Passus in dem beinahe wortidentischen Text des Abkommens in 557 der Beilagen, das Slowenien betrifft.

Ich möchte gern wissen, warum das so ist, da es an und für sich zwei gleiche Abkommen sind, nur daß eben in einem dieser Passus fehlt. Das betrifft genau das, was von Frau Kollegin Parfuss angesprochen wurde: daß es im slowenischen Bereich mit dem Kraftwerk Krško zu Problemen kommen kann – dort hat es auch schon Probleme gegeben – und daß dieser Teil hier nicht geregelt worden ist. Es gibt dazu sogar noch einen Beschlußantrag des Steiermärkischen Landtages, der einstimmig beschlossen worden ist und in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes vom 24. Jänner 1996 zur Ratifizierung vorzulegen. Das liegt also schon fast zwei Jahre zurück.

Herr Bundesminister! Auf die Gefahren des Kraftwerks Krško brauche ich Sie wirklich nicht aufmerksam zu machen, da sie hinlänglich bekannt sind. Ich möchte Sie ersuchen, hier eventuell eine Stellungnahme darüber abzugeben, aus welchem Grund es Unterschiede zwischen den zwei Verträgen gibt und wieso gerade im Abkommen mit Slowenien hinsichtlich des Kraftwerkes Krško dieser Punkt fehlt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesen Tagesordnungspunkten nicht vor.

Diese Debatte ist geschlossen.

Von seiten der Berichterstatter wird kein Schlußwort gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung, wobei wir über die einzelnen Ausschußanträge getrennt abstimmen werden.

Als erstes stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen mit der Regierung der Republik Ungarn über Änderungen des am 9. Oktober 1992 unterzeichneten Abkommens in 895 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diese Genehmigung erteilen wollen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist – mit einer Gegenstimme – beschlossen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des Staatsvertrages mit der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen die Genehmigung zu erteilen.


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104. Sitzung / Seite 191

Einzelne Artikel dieses Staatsvertrages sind verfassungsändernd. Mit Rücksicht auf diese verfassungsändernden Bestimmungen stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung fest, daß das erforderliche Quorum gegeben ist.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluß dieses Staatsvertrages mit Ungarn die Genehmigung zu erteilen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Ich stelle fest, daß dieser Staatsvertrag einstimmig  – das inkludiert die Zweidrittelmehrheit – beschlossen ist.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des Staatsvertrages mit der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen die Genehmigung zu erteilen.

Auch dieser Staatsvertrag enthält verfassungsändernde Bestimmungen. Auch hier stelle ich nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung fest, daß das Quorum gegeben ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Staatsvertrag mit Slowenien zustimmen, dies durch Erheben von den Sitzen zu bekunden. – Ich stelle fest, daß der Staatsvertrag mit Slowenien einstimmig genehmigt ist.

Damit haben wir diese Punkte der Tagesordnung erledigt. Ich danke dem Herrn Innenminister.

21. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (898 der Beilagen): Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997; über den Antrag 181/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 geändert wird und über den Antrag 193/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 und das Gesetz vom 1. August 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozeßordnung) geändert werden (1002 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt kein Wunsch auf mündliche Berichterstattung vor. Wir gehen daher in die Beratungen ein.

Erster Kontraredner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

21.31

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! "Erweiterte Wertgrenzen-Novelle" ist ein zu bescheidener Ausdruck für die Vorlage, um die es hier geht. Da ist sehr viel darin verpackt. Man hat den Eindruck, es solle auch das eine oder andere darin verborgen sein, sonst hätte man eine zutreffendere Bezeichnung gewählt.

Es ist – ich schicke das voraus – aus der Sicht der Freiheitlichen und auch vor allem aus meiner persönlichen Sicht kein gutes Gesetz. Es ist vom Ansatz her bedenklich. Das hat nichts mit der Gestaltung, der legistischen Formulierung oder Ähnlichem zu tun, aber die Tendenz, die diesem Gesetz innewohnt, kann man, wenn man aus der Praxis kommt, nicht wirklich gutheißen.

Kern der Regelung ist, daß die Anrufung des Obersten Gerichtshofes, also der dritten Instanz in Zivilsachen, außerordentlich erschwert werden soll, daß sie in viel weniger Fällen, als dies derzeit möglich ist, in Zukunft geschehen können soll – und das alles unter dem Titel, daß das Personal überlastet sei und daß man ihm Arbeit abnehmen müsse.


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104. Sitzung / Seite 192

Da fängt einmal das Grundsätzliche an: Ich meine, daß die Justiz eine zu heikle Materie ist, als daß man deshalb, weil Beamte – mag es auch noch so zutreffen – überlastet sind, einfach einen Teil der Instanzenanrufungsmöglichkeiten wegnimmt, einfach die Einzelfallgerechtigkeit entsprechend reduziert.

Wenn man heutzutage wirklich feststellen muß, daß in ganz besonders wichtigen Bereichen der Justiz – der Oberste Gerichtshof gehört zweifellos zu diesen Bereichen – zu viel zu tun ist, daß auf die einzelnen Referenten in den Senaten zu viele Akten entfallen, dann muß man sich etwas anderes einfallen lassen. Meinetwegen muß man vier, fünf, sechs oder sieben Planstellen für einen weiteren Senat dazunehmen; darauf wird es wirklich nicht ankommen. Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß man auf Dauer so vorgeht, daß man dann, wenn man den Eindruck hat, da seien Mitarbeiter, die zu viel zu tun haben, einfach den Instanzenzug weitgehend einschränkt und damit die Einzelfallgerechtigkeit ganz deutlich reduziert. Das ist ein Weg, den zu gehen mir sehr bedenklich erscheint; ich wiederhole das. Und das wird sich – aus der Praxis heraus beobachtet – nachteilig auswirken, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um ganz konkret zu werden – ich möchte mir und vor allem auch Ihnen die sehr komplizierten Regelungen zu erzählen ersparen –: Alles in allem wird es eine absolute Wertuntergrenze von 260 000 S für die Anrufung des Höchstgerichtes geben; derzeit sind es 50 000 S. Das ist also eine Verfünffachung, das muß man sich einmal vorstellen! Das bedeutet zunächst einmal, daß auf diesem Sektor ausgeräumt wird. Das heißt, mit 50 000 S war das noch ein Streitwert, den ein "normaler" Bürger auch irgendwann einmal erlebt hat; aber bei 260 000 S heißt das, der Oberste Gerichtshof ist, wenn man das etwas "locker" formuliert, in Zukunft nur mehr für die "reichen Leute" da. Die, die um weniger prozessieren, weil sie nicht um viel prozessieren können, weil sie nicht viel haben und auch nicht viel zu bekommen haben, haben keine Chance, zum Obersten Gerichtshof zu gelangen!

Das führt aber nicht nur zu dem Umstand, daß denen, die nicht wirklich um viel Geld prozessieren, die dritte Instanz verschlossen bleibt, sondern das führt auch dazu, daß bei den vier Oberlandesgerichten in allen übrigen Angelegenheiten Endstation ist. Das heißt: In Innsbruck, Linz, Graz, Wien ist in Zukunft für die meisten Zivilprozesse, wenn sie überhaupt dort hinkommen, Endstation. Das führt natürlich zu einer regionalen Differenzierung der Rechtsprechung, was auch nicht gerade unbedenklich erscheint. Also nicht nur, daß man nicht mehr bis zum OGH hinaufkann, ist es auch noch so, daß sich die Rechtsprechung – wie das in Strafsachen heute schon der Fall ist – nun auch in Zivilsachen auseinanderentwickeln wird.

Man hat sich überall bemüht, Euro-gerecht umzurechnen, das heißt, alles muß durch 13 dividierbar sein. Man hat dabei offensichtlich übersehen, daß man mittlerweile schon mit 14 rechnen müßte, weil ja die Relation nicht mehr 1 zu 13 sondern 1 zu 13,85 oder 13,95 oder ähnlich ist, aber so ist man auch auf die merkwürdigen 260 000 S als Untergrenze gekommen.

Man hat dabei völlig übersehen, daß man auf diese Art und Weise in einer ganz wichtigen Materie überhaupt nicht mehr zum Obersten Gerichtshof kommt, nämlich überall dort – und das ist den Politikern sehr wohl bekannt –, wo es um den Komplex Widerruf einer Behauptung, Unterlassung dieser Behauptung und Veröffentlichung des Widerrufes geht. Da ist eine Höchstwertgrenze eingezogen worden.

Ich habe den Eindruck, manche Herren im Ministerium haben nicht wirklich realisiert, daß das da dazupaßt, weil man mir in der Ausschußsitzung widersprochen hat: Aber deshalb, weil manche früher mißbräuchlich erpresserisch hohe Streitwerte eingesetzt haben – ein Baumeister, kann ich mich erinnern, hat einmal einen Journalisten "niedergebügelt", indem er mit einem Streitwert von 200 Millionen Schilling geklagt hat –, wurde jetzt einmal die Grenze mit 240 000 S eingezogen, das heißt, auf diesem Sektor wird man in Zukunft nicht den Obersten Gerichtshof anrufen können. Das ist außerordentlich bedauerlich, weil es sich um eine wichtige Materie handelt. Die Rechtsprechung wird sich also auseinanderentwickeln, eben je nach Oberlandesgerichtssprengel. Ich meine, man muß da vorsichtiger vorgehen, als das derzeit der Fall ist.


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Das zeigt sich aber auch im "kleineren" Bereich: Derzeit gibt es die sogenannte Bagatellgrenze, unter der es praktisch keine Berufungsmöglichkeit gibt, wenn man von Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung absieht. Aber dort, wo es in der Regel darauf ankommt – Beweiswürdigung und ähnliche Dinge –, gibt es nichts mehr, ist es jetzt schon so, daß man bedauerlicherweise häufig beobachten muß, daß dann, wenn der Streitwert unter der Bagatellgrenze liegt, der Richter oft den Eindruck hat: Da muß ich mich nicht sehr anstrengen, denn es gibt keine Möglichkeit, irgend etwas gegen das Urteil zu machen. – Da hebt man das gleich auf 26 000 S an! 26 000 S sind für einen armen Teufel, der um so wenig Geld prozessieren muß, schon sehr viel. Er hat in Zukunft überhaupt keine Rechtsmittelmöglichkeit, keine praktische Rechtsmittelmöglichkeit mehr, denn daß bei solchen Dingen wirklich Nichtigkeit oder unrichtige rechtliche Beurteilung zum Tragen käme, ist äußerst selten der Fall und außerordentlich unwahrscheinlich.

Wer glaubt, wenn man eingebaut hat, daß es in Zukunft anstelle der derzeit doch recht gut funktionierenden außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof einen Antrag geben soll, wenn das Urteil "negativ" ist, daß sich nämlich derjenige, der verloren hat, noch einmal an ein und denselben Richter wendet und versucht, ihm sozusagen ins Gewissen zu reden: Überlege es dir doch noch einmal; ich bringe dir noch Argumente, ich will dich noch umstimmen; wer also glaubt, daß das irgendeine praktische Bedeutung hätte, hat das Rechtsleben von innen noch nicht beobachtet.

Wenn ich heute in einem Zivilverfahren verspielt habe, ich die schriftliche Urteilsausfertigung bekomme und anschließend den Antrag an ein und denselben Richter stelle – also ein nicht aufsteigendes Rechtsmittel –, es sich doch noch einmal zu überlegen, dann wird das je nach Temperament des Richters Heiterkeit oder äußersten Unwillen hervorrufen ob der Vermessenheit, ihm zu unterstellen, daß er sich geirrt haben könnte.

Alles in allem geht es um eine Entlastung von einigen wenigen Mitarbeitern im Justizbereich, aber unter Inkaufnahme einer ganz massiven Verschlechterung der Einzelfallgerechtigkeit. Das ist kein parteipolitisches Problem, sondern das kann sich doch in Wahrheit in diesem Staat niemand wünschen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sozusagen in einem Aufwaschen wird auch gleich – wenn auch nicht wirklich ausnahmslos, aber praktisch schon – die mündliche Berufungsverhandlung in Zivilsachen abgeschafft: unter der Vorgabe, daß die Anwälte in diesen Verhandlungen ohnehin so wenig geredet hätten, sodaß man das gleich ganz abschaffen könne. – Dabei wird völlig übersehen, daß von den jeweiligen Senatsvorsitzenden immer deutlich darauf hingewiesen wurde, daß ja ohnehin alle aus dem Senat den Akt so genau kennen und ihn studiert haben, daß man doch wirklich nicht noch etwas vorzutragen braucht. Aber wenn man jetzt nach der praktischen Abschaffung der ersten Tagsatzung auch an die Abschaffung der mündlichen Berufungsverhandlung in Zivilsachen geht, bedeutet das, daß man sich von dem Weg abwendet, der aus dem Mittelalter der Rechtspflege in die Neuzeit geführt hat, als Ende des vergangenen Jahrhunderts der damalige Justizminister Klein das Aktenverfahren der alten Zeiten abgeschafft und die Mündlichkeit eingeführt hat.

Meine Damen und Herren! Man könnte sich mit diesem starken Konvolut (der Redner blättert in seinen Unterlagen) von Seite zu Seite in ähnlichem Stil befassen. Ich persönlich möchte es dabei bewenden lassen, zu sagen: Wir dürfen diesen Weg nicht beschreiten. Es ist nicht gut, daß wir im Begriffe sind, es zu tun, aber wir dürfen es nicht weiter so halten, daß wir nämlich dann, wenn Mitarbeiter der Justiz den Eindruck haben, überlastet zu sein – weil sie es glauben oder es wirklich so ist –, uns nicht bemühen, innerhalb der Justiz Abhilfe zu schaffen, sondern einfach die Instanzenmöglichkeiten kürzen und damit die Einzelfallgerechtigkeit reduzieren. Das ist ein Weg, über den ich wirklich traurig bin. Und ich sehe das gar nicht politisch, aber: Wir müssen uns alle miteinander gegen solche Tendenzen wenden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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21.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

21.41

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme dem Kollegen Ofner zu, daß jene Fragen, über die wir im Justizausschuß und in Gesprächen zwischen den Parteien sehr ausführlich diskutiert haben, sicher keine parteipolitischen sind.

Das ist eher eine Frage des Zugangs zu folgendem Problem: Wie möchte man es in diesem Fall schaffen, daß die rechtsunterworfene Bevölkerung auf vernünftige Art und Weise zu ihrem zivilrechtlichen Anspruch und zu vernünftigen Fristen kommt? – Wenn es ein Faktum ist, daß der Oberste Gerichtshof massiv überlastet ist, kann man natürlich den Weg beschreiten, den Kollege Ofner vorgeschlagen hat, daß man nämlich noch einen Senat schafft und vielleicht dann, wenn man nach einem Jahr oder zwei (Abg. Dr. Ofner: Das dauert länger!) oder noch mehr Jahren daraufkommt und in Kauf nimmt, daß es immer länger dauert, bis jemand zu einem rechtskräftigen Urteil kommt, etwas unternimmt. Das ist ein Weg, den zu verlangen durchaus legitim ist, nur: Wir Sozialdemokraten sind eben nicht der Auffassung, daß das der richtige Weg ist.

Ich erinnere etwa an die vielen Diskussionen, die wir zu Justizfragen geführt haben, bei denen massivst beklagt wurde, daß es auch bis hin zur Rechtsverweigerung empfunden werden kann, wenn ein Staatsbürger zu lange nicht zu seinem Urteil kommt: so oder so.

Wenn man sich jetzt daher überlegt, die zweite Instanz aufzuwerten und den Obersten Gerichtshof so zu entlasten, daß man ihn in der Tat nur für "erhebliche Rechtsfragen" heranzieht – ich weiß, Kollege Ofner, daß du das weißt, aber man muß es für die Nicht-Insider in Justizfragen klarstellen –: Es ist nicht so, daß die ordentliche Revision durch diese Wertgrenzen-Novelle beschränkt wird, sondern diese hat es bisher auch unter 50 000 S nicht gegeben; jetzt wird sie halt unter 52 000 S nicht möglich sein. (Abg. Dr. Ofner: Wird es gar keine mehr geben!) Ich komme gleich zu diesem Punkt.

Sicher wird – wenn wir das beschließen, was ich ja annehme – eine sogenannte außerordentliche Revision dann nicht möglich sein, wenn der Streitwert unter 260 00 S liegt, und wenn das Oberlandesgericht oder das Gericht zweiter Instanz – also auch schon in einem Senatsverfahren, bei einem Urteil, das von einem Richtersenat gefällt wurde – die Auffassung vertritt, es handle sich hiebei um keine so erhebliche Rechtsfrage, sodaß man außerordentlicherweise trotzdem noch zum Obersten Gerichtshof gehen kann.

Die Frage ist, ob man das für richtig hält oder nicht. Wir von der SPÖ meinen, daß es sinnvoll ist, den Obersten Gerichtshof dafür freizumachen, daß er für erhebliche Rechtsfragen in Zivilrechtssachen, in Außerstreitsachen genügend Zeit, Kapazität und Intensität hat, diese zu lösen.

Eine Richtigstellung muß ich auch noch anbringen: Die mündliche Berufungsverhandlung wird nicht abgeschafft, wenn dieses Gesetz beschlossen wird. (Abg. Dr. Ofner: De facto!) Darüber müssen wir uns schon in einer Juristendiskussion, einigen, wenn jetzt der Zwischenruf "de facto" gekommen ist. Jeder wird jederzeit – auch nach dieser Novelle – natürlich das Recht haben, eine mündliche Berufungsverhandlung zu beantragen, und er wird sie auch bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 6 Minuten Redezeit sind sehr kurz. – Ich habe Wert darauf gelegt, diese für das Rechtsschutzempfinden der Menschen wichtige Frage aus Sicht der SPÖ klarzustellen. Wir haben noch viele andere Punkte in diese Wertgrenzen-Novelle verpackt. – Das rote Licht hier blinkt schon wieder. Ich muß daher schon zum Ende meiner Ausführungen kommen.

Ich möchte nur schnell noch zwei Sätze dazu sagen, daß wir zwei Anträge, nämlich den meines Kollegen Keppelmüller und den der Kollegin Stoistis, miterledigt haben, die sich mit dem Segment der Kostenfrage befassen. Meine Damen und Herren! Daß diese Anträge einfach miterledigt werden, heißt nicht, daß sie für schlecht, verwerflich oder ähnliches gehalten werden, sondern das hat folgenden Grund: Wir wissen, daß über massives Drängen seitens der Politik das Justizministerium mit der Rechtsanwaltskammer, mit dem Rechtsanwaltskammertag noch im Frühsommer nächsten Jahres eine Novelle zur Rechtsanwaltsordnung und eine Gesamt


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revision, eine Gesamtnovelle zum Kostenrecht, zum Anwaltstarif einbringen wird. Daher ist es uns gefährlich erschienen, einen Teilbereich herauszunehmen und eine Gesamtreform dieses anwaltlichen und notariellen Kostenrechtes zu präjudizieren, weil das dann die Gesamtreform erschweren würde.

Meine Damen und Herren! Noch ein Satz zu den Fragen, die Kollege Ofner angeschnitten hat – ob diese Verschärfung der Möglichkeiten gescheit ist oder nicht –: Was die außerordentliche Revision anlangt, haben wir es für richtig gehalten, einen Entschließungsantrag aus dem Justizausschuß zur Beschlußfassung vorzuschlagen, wobei wir evaluieren wollen, ob der Weg, den die Mehrheit für richtig gehalten hat, auch wirklich der richtige gewesen ist. Wir werden uns die Ergebnisse später anschauen. Sollten wir daraufkommen, daß nicht wir von der SPÖ recht gehabt haben, sondern die Meinung, die Kollege Ofner vertreten hat, Zuspruch findet, werden wir uns für die Zukunft etwas anderes überlegen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoistis. – Bitte.

21.47

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Ofner hat jetzt für jene, die gerichtskundig, die Juristen oder in rechtlichen Berufen tätig sind, Erläuterungen dazu gegeben, welche seine Bedenken bei dieser Erweiterten Wertgrenzen-Novelle sind.

Ich möchte meine Bedenken, die ich größtenteils mit ihm teile, so zusammenfassen, indem ich sage: Es gibt ein Prinzip in der Strafjustiz, das lautet: "Im Zweifel für den Angeklagten." (Abg. Dr. Krüger: Aber auch im Zivilprozeß!) Wenn es um die Änderung von Wertgrenzen geht, meine sehr geehrten Damen und Herren, müßte man eher – diesem erstgenannten Prinzip folgend – sagen: Im Zweifel immer für die Partei und für die Möglichkeit, Rechtsmittel zu erheben, im Zweifel immer für die Ausweitung von Rechtsmitteln – und nicht für deren Einschränkung. Herr Bundesminister! Diesem Prinzip wird die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle nicht gerecht – und deshalb letztendlich auch unsere Skepsis und Ablehnung.

Verehrter Herr Kollege Dr. Fuhrmann! Sie haben versucht, eine Erklärung dafür zu geben, warum man genau dieses Modell der Einschränkung bei der außerordentlichen Revision gewählt hat. Das Argument ist ja die Entlastung des Obersten Gerichtshofes. Wir Grünen haben – Herr Dr. Ofner hat das auch ausgeführt – immer die Frage gestellt, und ich stelle sie jetzt wieder, warum man zur Entlastung des OGH, die zweifelsohne notwendig ist, nicht einen anderen Weg geht. Hier geht es im wesentlichen darum, daß der Glaube an die Rechtssicherheit letztlich auch etwas Wichtiges für den Wirtschaftsstandort Österreich ist. Dieser Glaube an die Rechtssicherheit und an die Raschheit, mit der Verfahren abgeführt werden, kann nicht immer nur darin bestehen, indem man sagt: Die Belastung, die Mehrbelastung des Obersten Gerichtshofes ist sehr hoch, also entlasten wir ihn und schieben diese Verantwortung auf die nächst unterliegende Instanz, nämlich auf Gerichtshöfe zweiter Instanz, die sich mit diesen Problemen beschäftigen sollen.

Ich habe hier deshalb meine Zweifel, weil ich es irgendwie schon kommen sehe, daß man in ein paar Jahren, und zwar genauso massiv, wie man jetzt den Ruf nach Entlastung des OGH erhoben hat, auch den Ruf nach einer Entlastung der Gerichtshöfe zweiter Instanz erheben wird. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das verteilt sich ja auf viele! Das wissen Sie!) Das verteilt sich zwar, aber die Arbeit muß ja von Leuten verrichtet werden, nämlich von Richtern. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das haben wir ja versprochen! Das muß jetzt so sein! Bevor es zum Obersten Gerichtshof kommt, ist es schon dort!)

Ich frage mich, warum man nicht den Weg gegangen ist und geschaut hat, wie die Lage beim Obersten Gerichtshof eigentlich ist und wie hoch dort die Arbeitsbelastung ist. Die Belastung ist – das wissen Sie, Herr Dr. Fuhrmann, als Anwalt sicherlich – zwischen den Straf- und Zivilsenaten höchst unterschiedlich. In diesem Zusammenhang an eine Umschichtung zu denken, wäre ein Weg gewesen, um diese Regelungen, die wie gesagt, im Zweifel weniger Rechtssicherheit bedeuten, nicht treffen zu müssen.


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Ich meine, daß die Erwartbarkeit der Raschheit einer Entscheidung und vor allem auch das Prinzip der Stetigkeit einer Rechtsprechung etwas ist, was nun durch dieses Versprengen auf die Oberlandesgerichte nicht gewährleistet ist. Das ist der wesentlichste Grund, warum wir uns gegen diese Novelle aussprechen.

Im übrigen halte ich auch nichts von dem Argument, daß man diese Umstellungen schon wegen der Währungsunion machen muß. – Ich weiß wirklich nicht, warum man das vorauseilend machen will! (Abg. Dr. Fuhrmann: Das ist eine Anpassung an den Geldwert! Das haben wir immer schon gemacht!) Bezüglich dieser Anpassungen hätte man ja noch eineinhalb Jahre, in denen sie aller Voraussicht nach noch bestehen und dann erst die tatsächliche Umstellung erfolgen wird, abwarten können.

Eine weitere Bemerkung – ich habe das schon im Ausschuß gesagt –: Immer dann, wenn man sich mit Gesetzesmaterien beschäftigt, kommt man auf irgendwelche Skurrilitäten, und eine dieser Skurrilitäten ist die Tatsache, daß es in Österreich ein Gesetz gibt, das tatsächlich die Bezeichnung "Reichshaftpflichtgesetz" trägt, das auch abgeändert wird; nämlich in dem Sinne abgeändert wird, daß Haftungshöchstgrenzen angehoben werden, was gerechtfertigt, notwendig und wichtig ist, aber: Man kam bei dieser Abänderung überhaupt nicht auf die Idee, daß ein "Reichshaftpflichtgesetz" in einem Land, das nächstes Jahr ein wichtiges Republiksjubiläum feiern wird, nicht unbedingt ein angebrachter Terminus ist.

Herr Bundesminister! Da Sie diese Gelegenheit versäumt haben: Ich erwarte als überzeugte Republikanerin, daß man sich jetzt im Justizministerium ernsthaft darüber Gedanken macht, solche Relikte aus unserer Rechtsordnung, die sich auf Zustände im Sinne des Kaiserreiches des 19. Jahrhunderts beziehen, zu beseitigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch eine letzte Anmerkung zu meinem eigenen Antrag, der hier, wie es so schön heißt, "miterledigt" wurde. Der Problemkreis Ehescheidung und die damit verbundenen Verfahrenskosten sind ein absolut virulentes Problem. Bedauerlicherweise steigt die Zahl der Scheidungen, die Kosten steigen aber auch. Am meisten an strittigen Scheidungen verdienen Anwälte.

Herr Minister! Ich unterstütze Ihre Bestrebungen, die Sie zusammen mit dem Rechtsanwaltskammertag initiiert haben, sich dieses Problems anzunehmen. Betroffen sind von diesen jetzigen Mißständen – ich nenne es so – jene, die sich scheiden lassen, wenn schwarze Schafe in der Anwaltskammer letztendlich Unsummen am Leid und Elend von Betroffenen verdienen. Wohl niemand läßt sich aus Jux und Tollerei scheiden. Vor allem jene, die so hohe Kosten zu zahlen haben, kommen immer zum Handkuß. Ich hoffe diesbezüglich auf ein ernsthaftes Verhandlungsergebnis im nächsten Jahr.

Meine Damen und Herren! Nichtsdestotrotz meine ich, daß der Problembereich dieses wortidentischen Antrages von Kollegen Dr. Keppelmüller und mir – das hat nicht nur mit Rechtsanwalttarifen zu tun – wirklich ernst zu nehmen ist; dabei geht es ja auch um Gerichtsgebühren. Nicht nur die Anwälte verdienen bei Unterhaltsverfahren, sondern auch die Gerichte. Klagt man 3 000 S Unterhalt im Monat ein, beläuft sich die Gerichtsgebühr für diesen Betrag von 3 000 S auf über 6 000 S. Das ist ein wirklich krasses Mißverhältnis. Hier hoffen wir auf eine zufriedenstellende Regelung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

21.56

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Diese Novelle ist textmäßig einigermaßen umfangreich, wiewohl nur einige Kernbereiche die Gemüter im Ausschuß und bei den Vorberatungen so richtig erregen konnten, und dazu gehört die Neuregelung bezüglich des Zugangs zum OGH. Die anderen Wertgrenzen, die die gerichtlichen Zuständigkeiten betreffen – die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, Zivil- und Handelssachen, die Regelungen bezüglich sonstiger Verfahrensbeschleunigungen –, waren bei weitem nicht so angetan, hier unterschiedliche Posi


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tionen offen zutage treten zu lassen wie eben die Neuregelung, die außerordentliche Revision dahin gehend einzuschränken, daß sie nur mehr bei einer Streitwertgrenze von über 260 000 S zulässig ist.

Unbestritten bei allen Punkten war, daß die Belastung des OGH eine Grenze erreicht hat, bei der Handlungsbedarf besteht – noch dazu, da außerordentliche Revisionen zu 80 Prozent ungerechtfertigt passieren. Das heißt, der OGH wird angerufen und er weist diese meist wegen ungerechtfertigtem Rekursantrag zurück. Daraus ergibt sich aber auch der Umkehrschluß, daß 20 Prozent dieser Anträge entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sehr wohl zulässig waren und vom OGH auch für zulässig erklärt wurden. Diese 20 Prozent sind derzeit in etwa rund 180 Verfahren, denen man in Hinkunft – rein theoretisch – einen Rechtsmittelzugang zum Höchstgericht abschneidet.

Aus meiner Sicht ist zudem auch der Umstand bedeutsam, daß der OGH nicht nur Rechtsmittelinstanz ist und Rechtsfragen entscheidet, sondern auch wesentliche Aufgaben in bezug auf eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung wahrnimmt, sodaß die Oberlandesgerichte sozusagen unter dem Dach des OGH zu einer einheitlichen Rechtssprechung kommen.

In Vorbereitung auf diese Novelle wurden diese neuen Maßnahmen heftigst kritisiert, nicht nur von Herrn Kollegen Ofner und Frau Kollegin Stoisits, sondern auch die Wirtschaft und die Rechtsanwaltschaft haben massive Kritik angebracht – nicht einhellig, sich aber doch massiv medial artikuliert –, weil man der Ansicht ist, daß damit der Rechtsschutz, der Rechtszugang einfach abgeschnitten werde.

Der Vorschlag des Kollegen Ofner, der auch von anderen Abgeordneten gekommen ist, nämlich einen zusätzlichen Senat einzurichten und damit die Arbeitsfülle des OGH aufzuteilen, soll auch im internationalen Vergleich betrachtet werden. Es gibt bereits jetzt schon mit der Struktur und Kapazität in Österreich ein Höchstgericht, das nicht nur im Spitzenfeld liegt, sondern das gemessen an der Bevölkerung der größte Gerichtshof Europas ist. Da zu fordern, ihn noch auszuweiten, ist vielleicht nicht ganz der richtig Weg.

Um aber den berechtigten Rechtsschutzinteressen in gleichem Maße zu begegnen wie dem berechtigten Wunsch auf Entlastung des OGH von unzulässigen Beschwerden, wird in Zukunft ein Abänderungsantrag an das Rekursgericht zulässig sein. Damit kann die Berufungsinstanz die Entscheidung auf Abschneiden des außerordentlichen Rechtsweges noch einmal überdenken und die Beweggründe und Argumente des Rechtsmittelwerbers prüfen.

Zugegeben: Ob sich dieses Instrument bewährt oder inwiefern lediglich Beharrungsbeschlüsse gefaßt werden, interessiert uns als Gesetzgeber schon heute. Deshalb haben wir der Novelle einen Entschließungsantrag angeschlossen, und wir wollen besonderes Augenmerk darauf legen, wie dieses Instrument tatsächlich angewandt wird. Auch wollen wir in Hinkunft wissen, ob die einheitliche Rechtssprechung der Oberlandesgerichte dadurch gefährdet scheint oder ob sie beibehalten wird. Maßnahmen, die zur Verfahrensbeschleunigung dienen, sind grundsätzlich zu begrüßen, jedoch soll die Parteienautonomie im Zivilverfahren nicht durch amtswegige Entscheidungen massiv eingeschränkt werden.

Daher haben wir etwas, das im Entwurf ursprünglich enthalten war, nämlich die amtswegige Zurückweisung eines Beweises, nicht aufgenommen. Denn die Beweisanträge sollen der Parteienautonomie überlassen bleiben, auch wenn sich dadurch das Verfahren verzögert.

Da ich keine Zeit mehr habe, überlasse ich die Ausführungen zu den neuen Haftungsregeln meinen KollegInnen. Auch diese Regeln sind ein sehr bedeutendes Teilstück dieses Gesetzes. (Beifall bei der ÖVP.)

22.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

22.02

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fekter hat die Metapher vom "Dach" des Obersten Gerichts


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hofes bemüht, das die Oberlandesgerichte abdeckt, und innerhalb dieses "Daches" soll sich dann eine einheitliche Rechtsprechung festigen beziehungsweise entwickeln.

Frau Kollegin! Schauen Sie sich doch bitte diese Novelle an! Eines ist klar, nämlich die Grenze von 260 000 S, und man kann es drehen und wenden, wie man will: Wenn das Oberlandesgericht nicht will, dann ist bei einem Streitwert bis 260 000 S beim Oberlandesgericht Schluß. Das ist vollkommen klar. Nur über 260 000 S ist die Gewähr gegeben, daß man über das Rechtsmittel einer außerordentlichen Revision in jedem Fall zumindest bis zum Obersten Gerichtshof kommt.

Nun hat der Justizsprecher der ÖVP, Herr Dr. Graff, in der "Presse" von einer "Gerichtsbarkeit nur für die Reichen" gesprochen. (Abg. Dr. Brinek: Der ehemalige!) Verzeihen Sie, Sie haben recht: Der frühere Justizsprecher der ÖVP, Dr. Graff, hat in der "Presse" vom Montag, dem 1. Dezember 1997, selbst davon gesprochen, daß diese Zivilprozeßnovelle eine "Gerichtsbarkeit nur für die Reichen" bedeutet. – Insofern möchte ich die Ausführungen unseres Justizsprechers Dr. Ofner unterstreichen. Gerichtsbarkeit nur für die Reichen, sagt Dr. Michael Graff. Er hält überdies die Zugangsbeschränkung für verfassungswidrig und kritisiert sie mit drastischen Worten. Er spricht von einer "Rechtsverweigerung für den Normalbürger" und der bereits erwähnten Rechtssprechung für die Reichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom Entschließungsantrag wurde hier gesprochen, demgemäß man sich ansehen werde, wie sich das entwickelt und ob die Oberlandesgerichte auf Vorhalte der Rechtsmittelwerber, daß keine Revision zugelassen wurde, entsprechend reagieren. Man überprüft das, oder wie es so schön heißt: Man evaluiert dies. Das ist – ich habe ihn bereits im Ausschuß so genannt – ein Entschließungsantrag des schlechten Gewissens. Daß heute das Justizministerium die Entwicklung ... (Abg. Dr. Fuhrmann: Nein! Ein Entschließungsantrag des Verantwortungsbewußtseins!) Ein Entschließungsantrag des schlechten Gewissens! Herr Kollege Fuhrmann! Wenn ich Sie ansehe, und Sie sagen, es ist ein Entschließungsantrag der Verantwortung (Abg. Dr. Fuhrmann: Des Verantwortungsbewußtseins!) , und Sie lachen dabei, dann weiß ich, daß die ehrliche Seite, die bei Ihnen zweifellos vorhanden ist, hier die Oberhand behält. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Entschließungsantrag des schlechten Gewissens, denn eines ist klar, sehr geehrter Herr Justizminister: Die Damen und Herren des Justizministeriums sind Spezialisten, die ständig die Gerichtsbarkeit beobachten – nicht überwachen, sondern beobachten. Das ist überhaupt keine Frage. Daher braucht man keinen Entschließungsantrag zu machen, der vorsieht, daß man sich das ansehen wird. Wahr ist vielmehr, daß diese Erweiterte Wertgrenzen-Novelle tatsächlich eine massive Zugangsbeschränkung zum Obersten Gerichtshof bewirkt.

Jetzt hat man hier den Druck nach unten auf die Oberlandesgerichte verstärkt. Man versucht, den Obersten Gerichtshof teilweise zu entlasten. Wieso das notwendig sein soll, kann ich aus der Praxis nicht nachvollziehen, weil der Oberste Gerichtshof wirklich relativ rasch entscheidet. Man versucht, diesen gesteigerten Anfall den Oberlandesgerichten überzustülpen, indem man sagt, sie sollen aussprechen, ob die Revision für zulässig erklärt wird oder nicht. Wenn sie es für nicht zulässig erklärt, dann soll der Berufungswerber noch einmal die Möglichkeit haben, zu sagen: Liebes Oberlandesgericht, ich bin nicht einverstanden mit deinem Ausspruch, daß die Revision nicht zulässig sein soll. Du hast dich geirrt, bitte schau’ dir das noch einmal an. – Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch wirklich eine Augenauswischerei der besonderen Art! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn wir kennen das aus der Praxis, und es ist auch menschlich verständlich: Wenn sich heute ein Drei-Richter-Senat mit einem Rechtsmittel befaßt und zu dem Ergebnis kommt, daß es nicht berechtigt ist, und wenn er weiters zu dem Ergebnis kommt, daß keine Frage einer außerordentlichen Bedeutung vorliegt, die den Zugang zum Obersten Gerichtshof ermöglichen könnte ... (Abg. Dr. Fekter: Dann gibt es immer noch die Amtshaftung!) Wenn also das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis kommt, daß eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt wird, dann ist es eine reine Augenauswischerei und direkt eine Pflanzerei, dem Rechtsmittelwerber zuzumuten, noch einmal eine Eingabe an das Oberlandesgericht zu richten – "Bitte überleg dir das noch


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einmal, du hast dir das nicht angesehen" – und ihn sogar noch damit zu belasten, daß zugleich eine komplette Revision vorzulegen ist. (Abg. Dr. Fuhrmann: Erlauben Sie mir noch einen Zwischenruf: Ist die Vorstellung im Verwaltungsgerichtshof eine Pflanzerei?)

Also nicht nur Angaben über Gründe, wieso das Oberlandesgericht irrt, sondern darüber hinaus bürdet man dem Rechtsmittelwerber eine sündteure Revision auf, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beim Oberlandesgericht verworfen beziehungsweise nicht zugelassen wird. (Abg. Dr. Fekter: Das wissen Sie ja gar nicht! Das muß ja nicht sein!) Daher ist unter 260 000 S beim Oberlandesgericht Schluß, und dieses "Dach", verehrte Kollegin Fekter, ist ein sehr, sehr schmales "Satteldach", und außerhalb werden sich eben Partikularentscheidungen der vier Oberlandesgerichte herausbilden. – All das geht zu Lasten der Einheitlichkeit in der Rechtssprechung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf diesen Debattenbeitrag weiters zum Anlaß nehmen, darauf hinzuweisen, daß im Abänderungsantrag der Regierungsparteien, der im Ausschuß noch eingebracht wurde, auch eine Art Mogelpackung enthalten ist, und zwar eine massive Mogelpackung. Man hat damit auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes reagiert, welche die Bestimmungen über die Wertabhängigkeit der Eingabengebühr beziehungsweise der Eintragungsgebühr von Kapitalgesellschaften und die Erhöhungsbeschlüsse von Kapitalgesellschaften als EU-Gesetz-widrig aufgehoben hat.

Diese Judikatur ist nicht aus Bosheit der Verwaltungsrichter so ausgefallen, sondern weil der Verwaltungsgerichtshof sagt, daß in dieser Hinsicht EU-Widrigkeit vorliegt. Der Gesetzgeber hat diese EU-Richtlinie verschlafen, und diese Rechtssprechung führt dazu, daß Tausende Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die seit 1. Jänner 1985 eingetragen wurden, legitimerweise ihre Gebühren zurückverlangen können. (Abg. Dr. Fekter: Aber keine dieser Gesellschaften erwartet, daß sie gratis eingetragen wird!) Jetzt aber findet sich da im Abänderungsantrag ganz verschämt eine Bestimmung, die wieder einmal die Verfassung und das grundsätzliche Verbot der Rückwirkung eines Gesetzes – das unter dem Gesichtspunkt der Gleichheitswidrigkeit zweifellos releviert werden kann – leider mit Füßen tritt; auch wenn Ihnen, Herr Justizminister – Sie haben das gesagt – der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat. (Abg. Dr. Fekter: Aber der Gleichheitsgrundsatz ist hier unangebracht!)

Was wir von Verfassungsgutachten des Bundeskanzleramtes zu halten haben, wissen wir doch zur Genüge. Daher stehen wir ja dauernd vor dem Verfassungsgerichtshof, und daher werden ununterbrochen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Ich garantiere Ihnen: Das Privatradiogesetz wird im § 10 und in anderen Bestimmungen auch wieder aufgehoben werden, und zwar trotz der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie dieser Vorlage zustimmen, stimmen Sie auch der rückwirkenden Inkraftsetzung eines Gesetzes zu, das den einzelnen Bürger beziehungsweise die Gesellschaft, die eingetragen wurde, rechtswidrigerweise und rückwirkend mit Gebühren belastet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Entlastet!)

22.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

22.11

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorliegende Erweiterte Wertgrenzen-Novelle verfolgt zunächst das Ziel, die geltenden zivilrechtlichen Wertgrenzen unter Berücksichtigung der Geld- und Einkommensentwicklung, aber auch der geänderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Das ist um so dringlicher, als einzelne Wertgrenzen nicht nur seit der letzten Anpassung 1989, sondern schon seit 1983, 1976, ja sogar 1970 unverändert geblieben sind.


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Die Anpassungen sind weitgehend unter Berücksichtigung des Faktors 13 Euro-orientiert. Das heißt, Frau Abgeordnete, daß sie im Zuge der Euro-Umstellung zum 1. Jänner 2002 unschwer – also ohne größere innere Wertveränderungen – auf runde Euro-Beträge umgestellt werden können. Unter diesen Gesichtspunkten sind insbesondere auch die derzeitige bezirksgerichtliche Wertgrenze von 100 000 S auf 130 000 S und die Wertgrenze der Anwaltspflicht von 30 000 S auf 52 000 S angehoben worden.

Da im Vorfeld dieser Debatte kritisiert wurde, daß in diesem Zusammenhang die Wertgrenze der Anwaltspflicht von 30 000 S auf 52 000 S angehoben wurde, möchte ich darauf hinweisen, daß die 30 000 S-Wertgrenze seit dem Jahre 1976 unverändert geblieben ist, weshalb sich mit Rücksicht auf die inzwischen erfolgte Geldwertveränderung von etwa 108 Prozent eine Anhebung auf bloß 52 000 S als außerordentlich maßvoll darstellt.

Die vorliegende Wertgrenzen-Novelle ist – wie ihre Vorläuferin – ebenfalls erweitert, und zwar insofern, als sie eine Reihe von über bloße Wertanpassungen hinausgehende Regelungen trifft. Insbesondere enthält sie auch Maßnahmen zur Beschleunigung des Zivilverfahrens, ohne daß damit der Rechtsschutz unangemessen beeinträchtigt wird. So soll etwa ein Anreiz geschaffen werden, auf vermeidbare Berufungsverhandlungen zu verzichten, ohne der Partei – dies könnte den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ofner entnommen werden – das Recht hierauf zu nehmen. Auch die kritisierte Verschärfung der Präklusion wegen Verschleppungsabsicht nach § 179 ZPO ist sehr vorsichtig und aus Sicht des Rechtsschutzes völlig unbedenklich formuliert.

Eines der wichtigsten, heute in allen Beiträgen diskutiertes Anliegen der Gesetzesvorhaben ist eine sachgerechte, notwendige Entlastung des Obersten Gerichtshofes, der eine personelle Ausstattung und Anrufbarkeit aufweist, wie sie im europäischen Vergleich – bezogen auf die Einwohnerzahl – im absoluten Spitzenfeld gelegen ist. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, daß bei Aufrechterhaltung seiner derzeitigen starken Belastung die bisherige Qualität der Rechtsprechung sowie die im internationalen Vergleich noch relativ geringe Verfahrensdauer für die Zukunft nicht mehr gewährleistet werden kann.

Das 1983 eingeführte und 1989 ausgebaute Zulassungsrevisionsmodell hat sich bewährt. Das gilt vor allem auch für die Beurteilung der Gerichte zweiter Instanz, ob eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gegeben ist und sohin die Voraussetzungen für ein ordentliches Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof vorliegen. Der Oberste Gerichtshof nimmt von den von den zweiten Instanzen zugelassenen ordentlichen Rechtsmitteln etwa 95 Prozent an und teilt damit deren Ansicht, daß eine erhebliche Rechtsfrage tatsächlich vorliegt. Umgekehrt weist der Oberste Gerichtshof durchschnittlich 80 Prozent aller erhobenen außerordentlichen Rechtsmittel mit der Begründung zurück, daß eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung tatsächlich nicht vorliegt.

Mit Rücksicht auf diesen Befund hat es sich zur Entlastung des Obersten Gerichtshofes angeboten, seine Anrufbarkeit in jenem Bereich zurückzudrängen, in dem er schon bislang in 80 Prozent der erhobenen außerordentlichen Revisionen deshalb zu Unrecht angerufen wurde, weil – wie die Gerichte zweiter Instanz bereits zuvor richtig erkannt hatten – keine erhebliche Rechtsfrage vorgelegen ist. Es werden daher für den Bereich des streitigen Zivilverfahrens für den Bereich zwischen 52 000 S und 260 000 S – darüber hinaus ändert sich ja überhaupt nichts hinsichtlich des Systems ordentlicher und außerordentlicher Revision – die Aussprüche der zweiten Instanz, wonach über keine erhebliche Rechtsfrage zu entscheiden war und deshalb kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist, künftig prinzipiell für verbindlich erklärt, sodaß in einem solchen Fall der Oberste Gerichtshof auch mit keiner außerordentlichen Revision angerufen werden kann.

Es stimmt aber nicht, daß die Parteien bis 260 000 S – wie heute gesagt wurde – keine Chance haben, zum Obersten Gerichtshof zu kommen, da sie ja über die ordentliche Revision sehr wohl zum OGH gelangen. Es stimmt auch nicht, daß bei den von Herrn Abgeordneten Ofner angesprochen Widerrufs- und Unterlassungsansprüchen überhaupt nicht an den Obersten Gerichtshof gekommen werden kann, weil diese Ansprüche mit 240 000 S oder 120 000 S gedeckelt sind. Da wird die – unter Anführungszeichen – "Deckelung" nach dem Rechtsanwaltstarif mit der


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Bewertung des Streitgegenstandes für das Verfahren verwechselt. (Abg. Dr. Ofner: Du darfst das nicht erhöhen!) Du kannst es ja höher bewerten, Herr Abgeordneter, na selbstverständlich: Wenn es höheren Wert hat, dann ist es ein höherer Wert.

Die der in der zweiten Instanz unterlegenen Partei eröffnete Möglichkeit, sich nach einem solchen Unzulässigkeitsausspruch nochmals an die zweite Instanz mit dem Antrag zu wenden, die Anrufung des Obersten Gerichtshofs doch zuzulassen, ist keineswegs bloße "Augenauswischerei" oder "Pflanzerei", Herr Abgeordneter Dr. Krüger, sondern erscheint schon deshalb sinnvoll, weil die Partei damit erstmals Gelegenheit erhält, zur Feststellung der Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs mit der zweiten Instanz sozusagen in einen Dialog einzutreten. Daß in einem solchen Antrag nicht nur zu begründen ist, warum doch eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt, sondern die ordentliche Revision auch gleich auszuführen ist, entspricht dem schon jetzt für die außerordentliche Revision geltenden System und beugt Verfahrensverzögerungen vor. (Abg. Dr. Krüger: Ein anderer Senat befaßt sich damit, aber nicht derselbe!)

Ihrem Einwand, die zweite Instanz werde wohl kaum von der einmal erklärten Meinung, die Revision sei unzulässig, abweichen, ist entgegenzuhalten, daß die Argumente der Antragsteller sicherlich besonders genau und sorgfältig geprüft und keinesfalls – wie Sie behaupten – von vornherein verworfen werden, unterliegen doch die Gerichte zweiter Instanz – im Gegensatz zum Obersten Gerichtshof – in der von ihnen künftig unanfechtbar zu lösenden Frage der Revisionszulässigkeit der Amtshaftung. (Abg. Dr. Ofner: Also bitte!)

Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für Justiz wird – Entschließungsantrag ja oder nein – die Erfahrungen mit diesem Modell im Sinne der vorgesehenen Wünsche des Parlaments eingehend beobachten. Sollte sich dieses Modell so bewähren, wie wir das erwarten, so wird eine Ausdehnung auch auf die Arbeits- und Sozialgerichte ins Auge gefaßt werden.

Ein Wort noch zur sogenannten rückwirkenden Salvierung der Firmenbuchgebühren: Die Richtlinien – das wissen Sie genau – verlangen keineswegs, daß die Eintragungen von Kapitalgesellschaften oder Kapitalerhöhungen kostenlos sind. Sie dürfen nur nicht wertabhängig sein, sondern müssen aufwandbezogen sein. Nun hat das Hohe Haus mit Wirksamkeit vom 1. Oktober dieses Jahres eine neue Regelung für Firmenbucheintragungen eingeführt, die aufwandbezogene Fixgebühren vorsehen. Im Rahmen dieser Wertgrenzen-Novelle soll nunmehr klargestellt werden, daß diese Gebührenansätze auch für die Eintragungen vor dem 1. Oktober 1997 eine angemessene Abgeltung des dem Gericht entstandenen Aufwandes darstellt.

Sollte im konkreten Fall der nach alter Rechtslage zu entrichtende Gebührensatz niedriger sein, so soll jedoch nur dieser niedrigere Gebührensatz gelten. Es ist daher materiell gesehen keineswegs eine rückwirkende Einführung einer Gebührenpflicht, sondern nur eine Klarstellung darüber, wo die Angemessenheit in der aufwandbezogenen Vergebührung gegeben ist und wo nicht. (Abg. Dr. Krüger: Ein Unterlaufen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes!) Nein – oder man kann auch sagen: Er hätte den Europäischen Gerichtshof zu einer Vorabentscheidung anrufen können, was er nicht getan hat.

Abschließend möchte ich im Hinblick auf den – wie ich höre – zu erwartenden Gentechnikhaftungs-Entschließungsantrag noch kurz ein paar Worte zur Reform der Gefährdungshaftung sagen. Die in der vorliegenden Wertgrenzen-Novelle vorgenommenen Adaptierungen des noch immer "Reichshaftpflichtgesetz" heißenden Gesetzes und einiger anderer Gesetze bringen wesentliche Verbesserungen im Interesse der Geschädigten mit sich. Weitere Neuregelungen sind schon geplant. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den gerade in Diskussion befindlichen Entwurf eines Gentechnik-Haftungsgesetzes und auf die Debatte um die Neugestaltung der Atomhaftung.

Zum Entwurf eines Gentechnik-Haftungsgesetzes möchte ich nur soviel sagen: Das Bundesministerium für Justiz hat vor dem Sommer dieses Jahres einen Diskussionsentwurf für ein Gentechnik-Haftungsgesetz erstellt, der eine verschuldensunabhängige Haftung für Schäden aus Tätigkeiten mit gentechnisch veränderten Organismen vorsieht. Dieser Entwurf wurde in einer


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im Bundesministerium für Justiz eingerichteten Arbeitsgruppe, der Vertreter der mitbetroffenen Ressorts sowie aller angesprochenen Interessenskreise angehören, eingehend beraten und aufgrund der Beratungsergebnisse in zahlreichen Punkten modifiziert. Nach weiteren Besprechungen und Modifizierungen wird auf dieser Basis ein Ministerialentwurf entstehen und Ende Jänner dem Begutachtungsverfahren zugeleitet werden. Ich gehe davon aus, daß wir im April kommenden Jahres dem Ministerrat einen Vorschlag für eine Regierungsvorlage werden unterbreiten können, sodaß wir hoffen, den uns – wie ich höre – in diesem Entschließungsantrag vorgegebenen Zeitrahmen einhalten zu können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

22.23

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich darf in dieser beschaulichen Debatte kurz noch einmal die Frage relativieren, ob es durch die geänderte Regelung bei der Anrufung des Obersten Gerichtshofes tatsächlich eine Rechtsbeschneidung geben wird. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man die Frage der Rechtsstaatlichkeit tatsächlich nur über den Instanzenzug und darüber definieren kann, daß es drei Instanzen geben muß.

Kollege Krüger! Ich konzediere Ihnen, daß ich auch nicht sehr glücklich darüber bin, daß dies über einen Wert definiert wird. Aber ich denke, grundsätzlich muß man sich damit auseinandersetzen, ob es tatsächlich so sein muß, daß grundsätzlich eine große Anzahl von Entscheidungen zum Obersten Gerichtshof kommen müssen, weil man schlicht und einfach glaubt, Oberlandesgerichte könnten das nicht lösen. Ich konzediere allerdings, daß man sich mit dieser neuen Regelung sicherlich auch eine gewisse Bewußtseinswandlung erwarten muß.

Diese erwartete Bewußtseinswandlung bedeutet, daß das funktioniert, wovon Sie vorhin gesprochen haben: Es gehe schon rein menschlich nicht, weil es unvorstellbar sei, daß ein Oberlandesgerichts-Senat, nachdem er in einer Sache einmal entschieden hat, bei neuerlicher Vorlage dieser Unterlage anders entscheidet. Ich denke, man müßte auch dort davon ausgehen, daß es ganz einfach möglich sein kann und möglich sein muß, im Rahmen einer Auseinandersetzung vor einem dann letztinstanzlichen Gericht zu erwarten, daß es auch dort ein Eingehen auf Argumente geben kann, die zu einer Änderung dieser Haltung führen können, nicht nur deshalb, weil es dort ja auch noch die Amtshaftung gibt, sondern auch deshalb, weil man davon ausgehen kann, daß diese letztgerichtlichen Entscheidungen selbstverständlich entsprechend publiziert und auch Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sein werden.

Ich denke daher, man muß davon ausgehen, daß dieser neue Komplex, diese neue Regelung in sich ein komplett neues Modell ist, das eine neue Herausforderung an alle Beteiligten darstellt. Ich bin der Ansicht, daß es in diesem Licht gerechtfertigt ist, auf der einen Seite zu sagen, daß das zu schaffen ist – denn ich glaube, es wird möglich sein, daß man dem bei Oberlandesgerichten entsprechend Rechnung trägt –, und auf der anderen Seite hier legitimerweise einen Entschließungsantrag zu stellen und zu sagen: Wir wollen uns anschauen, ob es tatsächlich so kommen wird.

Das ist nicht der Ausdruck eines schlechten Gewissens, sondern das ist einfach die Umstellung auf ein neues System. Ich denke, das müssen wir uns hier bewußt machen: eine Umstellung auf ein wirklich völlig neues System, und dabei gehört überprüft, ob es tatsächlich so kommt, wie wir uns das vorstellen. Ich denke, die hemmungslose Ausweitung von Senaten beim OGH ist sicherlich nicht der entscheidende Punkt, der unbedingt anzustreben ist.

Kurz noch ein Wort zur inländischen Gerichtsbarkeit, das heute noch nicht erwähnt worden ist: Wir brauchen jetzt – im Gegensatz zu früher – aufgrund der Wertgrenzen-Novelle keinen Inlandsbezug mehr. Die inländische Gerichtsbarkeit kann davon auch ausgehen, wenn es eine örtliche Zuständigkeit allein in Österreich gibt und wenn es eine Vereinbarung eines Gerichtsstandes nach 104 JN auch in Österreich gibt. Damit fällt sehr viel Unsicherheit weg, die in der Vergangenheit gerade bei internationalen Beziehungen vorhanden war. Ich denke, daß auch


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dabei ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung gegangen worden ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Er hat das Wort.

22.27

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! "Dann dauert es halt ein bißchen länger" hat Herr Abgeordneter Ofner in einem Zwischenruf zu Herrn Abgeordneten Fuhrmann gesagt und hat damit nicht die Dauer der heutigen Debatte gemeint, sondern folgendes: Wenn man nicht die zu beschließenden Maßnahmen vornimmt, sondern es beim alten läßt, dauern die Verfahren beim Obersten Gerichtshof eben etwas länger. – Ich sage, das ist durchaus ein Standpunkt, über den man diskutieren kann.

Die Rechtssicherheit hat nun einmal mehrere Voraussetzungen, und diese können durchaus in Konkurrenz zueinander stehen. Sie sind von vielen Voraussetzungen in der Justiz abhängig. Der Zugang zum Recht, auch zum Rechtsmittel – da gebe ich den Oppositionsabgeordneten durchaus recht – ist zu überlegen. Aber mindestens genauso wichtig – auch wenn ich das jetzt gar nicht höher bewerten will – ist die Qualität der Rechtsprechung, und für einen Großteil der Parteien ist es sicherlich auch die Dauer: wie lange es dauert, bis man zu seinem Recht kommt oder auch erfährt, daß man nicht recht hat. Das kann sich durchaus in Bereichen ober- und unterhalb der Wertgrenze abspielen.

Es kann von ausschlaggebender Bedeutung für die Rechtssicherheit sein – ich denke, daß erfahrene Anwälte das wissen –, wenn für Klienten das Verfahren fast uninteressant wird, weil es schon so lange gedauert hat. Da geht man nun einen Weg, mit dem man auch eine gewisse Hoffnung verbindet, daß er verantwortungsvoll wahrgenommen wird und funktioniert. Bisher sind an sich nicht zulässige außerordentliche Rechtsmittel zu 80 Prozent erfolglos geblieben, 20 Prozent waren trotzdem erfolgreich. Aber Kollege Krüger weiß auch: Wer sich darüber beschwert hat und vorstellig wird, muß gleich eine komplette, teure Revision mit vorlegen – schon bisher mußte es auch für die 80 Prozent erfolglosen außerordentlichen Rechtsmittel jeweils eine ausformulierte Revision sein. (Abg. Dr. Krüger: Die hat eine gewisse Chance gehabt!)

Die war zwar vergeblich, Herr Kollege Krüger, aber auch nicht umsonst. Sie war nicht für den Hugo; sie war vielleicht für den Michael. Ich will jetzt dahingestellt lassen, welchen ich da meine. Ich meine, umsonst war es mit Sicherheit nicht, sondern es war eine teure Sache und vielleicht eine teure Illusion. Sie sagen, er hat die Möglichkeit gehabt, aber zum Teil hat er sich der Illusion hingegeben, der Oberste werde es noch einmal umschmeißen – und zu 80 Prozent hat er es nicht getan. (Abg. Dr. Ofner: Zu 20 Prozent hat er Erfolg gehabt!)

Zu 20 Prozent hat er Erfolg gehabt – ja, Kollege Ofner, du hast recht, und jetzt kommt es: Wir glauben, es wird damit besser funktionieren. – Die Opposition aber sagt nein. (Abg. Hans Helmut Moser: Glauben heißt nicht wissen!) Ja, richtig: Glauben heißt nicht wissen, Kollege Moser. Ich heiße nicht Kier, der im vorhinein alles besser weiß, der zehnmal am Tag redet und zu jedem Thema alles ganz genau weiß. (Beifall bei der ÖVP.) Ich glaube, daß es besser funktionieren wird. Ich weiß es nicht. Die Opposition sagt, es wird schlechter funktionieren. (Abg. Dr. Krüger: 20 Prozent wurden gewonnen!) Okay, Kollege Krüger: Sie sagen, es wird schlechter funktionieren, und die Oberlandesgerichte werden es nicht zulassen. Wir von der Regierungsmehrheit nehmen die Oppositionskritik durchaus ernst und sagen: Wir wollen das evaluieren, wir wollen in zwei Jahren genau wissen, wie es dann aussieht.

Doch Kollege Krüger nennt das einen Entschließungsantrag des "schlechten Gewissens". (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Das ist ein Entschließungsantrag des Ernstnehmens der Kritik, des Ernstnehmens einer anderen Meinung, ein Entschließungsantrag der besonderen Vorsicht. – Sie aber haben von "Augenauswischerei" geredet, und deshalb möchte ich nochmals betonen: Wir Abgeordneten von den Regierungsparteien bringen einen Entschließungsantrag der besonderen Vorsicht ein, und wir wollen es genau wissen. Wir hoffen, diese Maßnahmen


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werden zu mehr Rechtssicherheit führen, und wir stimmen daher diesem Gesetzentwurf zu. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Jawohl!)

22.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

22.31

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, daß die heutige Diskussion so unter dem Stichwort geführt wird: Wie kommt man zum Obersten Gerichtshof? – Ich meine – Kollege Jarolim hat das ja bereits deutlich gemacht –, es geht nicht darum, wie man zum Obersten Gerichtshof kommt, sondern es geht schlichtweg darum, wie Arbeitnehmer und Konsumenten zu ihrem Recht kommen.

Meiner Auffassung nach wird der Zugang zum Recht nicht etwa durch Zulassungsbeschränkungen zum Obersten Gerichtshof vereitelt, sondern durch die teilweise enormen Prozeßkosten. Bei Beratungen in der Arbeiterkammer machen wir die Erfahrung, daß – unabhängig vom System der Verfahrenshilfe – jene Menschen, denen in bestimmten Angelegenheiten keine Verfahrenshilfe gewährt wird, schon deswegen keinen Zugang zum Recht haben, weil bei seriöser Aufklärung durch Rechtsanwälte, durch rechtsfreundliche Berater, bereits das erörterte Prozeßkostenrisiko abschreckt.

Ein Schadenersatzprozeß wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers verursacht binnen Kürze bei entsprechendem Streitwert Prozeßkosten in der Höhe von 300 000 S bis 500 000 S. Dasselbe gilt etwa auch für Auseinandersetzungen in Bauangelegenheiten. Ich meine daher, es müssen Überlegungen angestellt werden, damit nicht ausschließlich das Prozeßkostenrisiko, und zwar im kleinen Bereich, eine dominante Abschreckung für den rechtsuchenden Bürger ist. Wir werden daher darüber nachdenken müssen, wie wir den prätorischen Vergleich ausbauen können oder im Bereich der Schlichtungsstellen und Schiedspersonen zu neuen Erkenntnissen kommen. (Abg. Dr. Krüger: In der AK!) Daher ist das Bild des gut informierten, rechtskundigen, streitbaren Konsumenten, der zudem finanzstark genug ist, einen Zivilprozeß zur Klärung unsicherer Ansprüche zu führen, weiterhin innerhalb weiter Kreise der Bevölkerung Fiktion.

Lassen Sie mich aber auch etwas Positives herausstreichen, nämlich die Regelungen im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, bei denen es darum geht, daß Arbeitnehmer endlich Verzugszinsen auf vorenthaltenen Lohn erhalten. Arbeitsgerichtsverfahren wurden in den letzten Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren, von den Unternehmern dazu mißbraucht, eine Stundung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern zu erreichen. Die Neuregelung führt nun zu einer klaren Verzugszinsenregelung für Arbeitnehmer.

Abschließend darf ich noch folgendes festhalten: Mit dieser Wertgrenzen-Novelle 1997 wird der Rechtszugang nicht beschränkt. Wir müssen allerdings weiter überlegen, wie wir unser Rechtssystem in den nächsten Jahren ausbauen, um insbesondere auch internationalen Bedürfnissen zu entsprechen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

22.35

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Krüger, ich meine, die Kolleginnen und Kollegen wollen heute nicht mehr in den Gesetzestext schauen, sondern viele sehen schon auf die Uhr. Ich möchte daher versuchen, in aller gebotenen Kürze einige Gedanken einzubringen.

Mit der vorliegenden Wertgrenzen-Novelle sollen zeitgerechte Wertgrenzen hergestellt werden. Es wird aber auch der zukünftigen Entwicklung dadurch Rechnung getragen, daß auf die zu erwartende Einführung des Euro heute schon Rücksicht genommen wird und Werte entsprechend festgelegt werden. Besonders schön kommt das hinsichtlich der Zuständigkeit der Bezirks


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gerichte zum Ausdruck, wo die Grenze von 100 000 S auf 130 000 S erhöht wurde. Ich begrüße – im Gegensatz zu Präsident Klingler – diese Aufwertung der Bezirksgerichte sehr, eine Aufwertung, die mir immer ein Anliegen war. Und wenn die Ausstattung der Bezirksgerichte – wie Präsident Klingler meint – nicht entsprechend ist, so muß das eben angeglichen werden.

Im Interesse der Wirtschaft, aber auch vieler Rechtsuchenden, hätten wir von der ÖVP es gerne gesehen, wenn die Grenze für den Anwaltszwang auf diesen Wert angeglichen worden wäre, aber wahrscheinlich wird auch da ein ähnliches Argument gelten wie beim Zugang zum Obersten Gerichtshof.

Eine Reihe von Bestimmungen betrifft die Straffung des Verfahrens. Ich meine, auch die neue Bestimmung für die Berufungsanmeldung fällt unter diese Kategorie, weil es wahrscheinlich vernünftiger ist, ein Protokoll zur Verfügung zu haben und dann zu entscheiden, ob eine Berufung angemeldet wird oder nicht. Es liegt aber vor allem am Justizminister und an der Justizverwaltung, Vorsorge dafür zu treffen, daß man diesem Ziel durch nicht zu lange Schreibfristen gerecht werden kann.

Wir von der ÖVP bekennen uns auch, Herr Kollege Maier, zur Erhöhung der Verzinsung von Entgeltansprüchen in jenen Fällen, in denen der Schuldner in böser Absicht und ohne Grund keine Zahlung leistet. Wir hätten aber da die Umkehr der Beweislast nicht akzeptieren können, weil wir nicht von vornherein annehmen wollen, daß Leistungen nur deshalb einbehalten werden, um Zinsgewinne und Vermögensvorteile zu erzielen. Vielmehr stehen doch oft vertretbare Rechtsansichten hinter der Einbehaltung eines Bezuges, die eben im Zuge des Sozialgerichtsverfahrens geklärt werden sollen.

Insgesamt, meine Damen und Herren, bringt die vorliegende Novelle nicht nur eine Anpassung der im Justizverfahren anzuwendenden Wertgrenzen an die heutige Zeit, sondern sie beinhaltet auch wesentliche Ansätze zur Straffung und somit zur Verkürzung zivilgerichtlicher Verfahren. Es wird nun an den Gerichten liegen, diese neuen Möglichkeiten im Sinne einer kundenorientierten Justizverwaltung auch zu nutzen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

22.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Begeisterung zu diesem Tagesordnungspunkt hält sich natürlich in Grenzen (Abg. Dr. Stummvoll: Unsere auch!) , nachdem mein Antrag, mit dem ich schon seit 1963 zum dritten Mal versuche, durchzukommen, nicht enderledigt wurde. (Abg. Schwarzenberger: 1993! Das wären 34 Jahre!) 1993. Entschuldigung! Sehr aufmerksam aber, Herr Kollege, sehr aufmerksam!

Ich bin guten Mutes. Meine politische Planung für dieses Haus läuft etwa bis zum Jahre 2003; also zehn Jahre wären ein überschaubarer Rahmen. Ich bin ähnlich wie Frau Kollegin Stoisits optimistisch – nach Äußerungen des Herrn Justizministers, meines Fraktionsführers im Justizausschuß und meines Klubobmannes –, daß sich da wirklich etwas bewegt, da die Rechtsanwaltskammer schon eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, um ihre Tarifsituation generell zu überlegen. Es wird vielleicht auch dazu kommen – so hoffe ich beziehungsweise werde ich dafür kämpfen –, daß bei Unterhaltsforderungen nicht zwölf mal drei, sondern vielleicht nur mal zwölf gerechnet wird.

Ich bin überzeugt davon, daß in den Gesprächen, die im nächsten Jahr stattfinden werden, sich insbesondere auch die Vertreter des "kleinen, einfachen" Mannes – ich denke da etwa an den Kollegen Krüger – sehr darum bemühen werden, daß man zu vernünftigen, neuen Rechtsanwaltstarifen kommen wird, sodaß den einfachen, "kleinen" Leuten tatsächlich geholfen wird und es nicht so ist wie bei manchen Scheidungsprozessen, daß manche vor dem Nichts stehen. Ich baue da sehr stark auf den Kollegen Krüger, aber auch auf den Kollegen Ofner, die mit ihrer


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Erfahrung vielleicht gemeinsam oder auch nicht tätig werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Wir werden hoffentlich vernünftige Lösungen im Sinne der "kleinen", "einfachen" Leute zustande bringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

22.40

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Wertgrenzen-Novelle enthält auch wesentliche Änderungen im Haftungsbereich. Die Haftungshöchstgrenzen sind derzeit an der Untergrenze angesiedelt, daher wäre eine bloße Inflationsanpassung sicherlich unbefriedigend gewesen. Daher wurde das Eisenbahnhaftpflichtgesetz den sonstigen Verkehrshaftpflichtgesetzregeln angepaßt: Den Opfern eines Eisenbahnunglücks stehen nun jährliche Rentenansprüche bis zum Höchstmaß von 260 000 S zu.

Erheblich erhöht wurde auch die Atomhaftpflichthöchstgrenze, und zwar von 500 Millionen Schilling auf 1,5 Milliarden Schilling. Damit kann das mögliche Schadenspotential der noch in Österreich in Betrieb befindlichen Kernkraftanlagen sowie der Transport radioaktiver Materialien abgedeckt werden.

Nunmehr wird im Rahmen des Besonderen Ausschusses zur Behandlung des Gentechnik-Volksbegehrens im Zuge der Diskussionen um Freisetzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auch die Lösung der Haftungsfrage im Bereich der Gentechnik von allen Abgeordneten als besonders dringlich empfunden. Ich erlaube mir daher, folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Heinz Gradwohl und Kollegen betreffend "Gentechnikhaftung" zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (898 der Beilagen): Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997 (1002 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, bis längstens 15. April 1998 dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Regelung von Haftungsfragen im Rahmen des Gentechnikgesetzes vorzulegen."

*****

Ich darf Sie, Herr Minister, sehr herzlich ersuchen, diesem Entschließungsantrag nachzukommen, weil es, gerade was Freisetzungen anlangt, notwendig wäre, sehr rasch gesetzliche Regelungen und Rechtssicherheit für alle Betroffenen zu schaffen. Mit dieser Fristsetzung könnte es uns gelingen, noch vor dem Sommer hier im Hohen Hause eine entsprechende Regelung zu treffen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen zunächst ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1002 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf in 1002 der Beilagen eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß auch jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1002 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich darf bitten, daß Sie, meine Damen und Herren, die dieser Entschließung zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Die Entschließung ist mit Mehrheit angenommen. (E 98.)

Es liegt mir auch der Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend Gentechnikhaftung vor.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Dies ist gleichfalls mit Mehrheit beschlossen. (E 99.)

22. Punkt

Bericht des Justizausschusses, über die Regierungsvorlage (883 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997 – UrhG-Nov 1997) (1001 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Erster Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Morak. – Bitte.

22.42

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Bereich der Lehrkassettenabgabe haben wir uns mit Aufteilungen unter den Kreativen, unter den Filmurhebern auseinanderzusetzen. Dazu zählen Regie, Schnitt, Kamera, Architekt, Kostüme und Produzenten, zu Anteilen von je 50 zu 50 Prozent.

Zugegebenermaßen ist die Aufteilung unter den Kreativen offen, wenn die Schauspieler in den Bereich der Kreativen hineinwollen.

Der Status des Urheberrechtes liegt bei uns unterhalb des europäischen Standards. In Ungarn, Italien, Deutschland, in den skandinavischen Ländern, in Belgien und Holland sind diese Ansprüche gesetzlich geregelt. Im Bereich der Musik ist es bei uns klar akzeptiert, daß auch die Urheberrechte der Interpreten in der LSG abgerechnet und abgegolten werden. Im Bereich des Films fehlt eine längst fällige Gleichstellung quasi der Wort- mit den Musikinterpreten.

Eine gesetzliche Vorlage ist in Vorbereitung. Sie soll in Begutachtung gehen, und nach zahlreichen Gesprächen, die ich mit Schauspielern geführt habe, werden die Schauspieler in diesem Bereich nicht nachlassen. Vertröstungen sind mehr als nicht angebracht, ORF hin oder her. Das gleiche gilt auch für Rechte der Schauspieler in der Kabelverwertung.

Ich möchte noch kurz über das Ausstellungsrecht ein paar Dinge sagen. Herr Kollege Krüger hat sicher recht, daß das ein komplexes Thema ist. Es sei zu komplex, meint er, für den Kulturausschuß. Das ist möglicherweise eine Vermutung, die sich auch bewahrheiten kann. Sicher ist, daß sich der Justizausschuß in diesem Bereich nicht mit Ruhm bekleckert hat. Wenn man den Urheberrechtsexperten zuhört, merkt man, daß dieser Gesetzentwurf eine gewisse Phantasie beinhaltet. Phantasie bedeutet: Es ist das schlimmste, was man über ein Gesetz sagen kann. Meistens, wenn man mit Urheberrechtlern redet, beginnen sie mit ihrer Judikatur aus dem Jahre 1936 und reden über die mittelbaren Erwerbszwecke einer unentgeltlich im Park spielenden Kurkapelle. Das Ganze endet bei der Erklärung des Dr. Walter, der aus den Bestimmungen


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des § 16b, um den es hier geht, auch Urheberrechtsansprüche bei Theatern – vom Burgtheater bis zum Kellertheater – aus Kostüm und Bühnenbild nachzuweisen gedenkt.

Daß ursprünglich intendiert war, daß einige kleine Institute urheberrechtlich Geld abführen müssen, wie etwa das Ferdinandeum oder das Kunstforum, scheint bei der Entschlossenheit des Dr. Walter nicht wirklich zuzutreffen. Wenn ich daran denke, daß demnächst die Museen in die Vollrechtsfähigkeit gehen, meine ich, daß es diesbezüglich sehr interessante Prozesse geben wird. Zahlen werden das ganz sicher die Urheber, die Theater und die Ausstellungshallen müssen.

Wir von der Volkspartei beurteilen diesen § 16b sehr skeptisch, und wir werden dazu im Kulturausschuß auch Stellung nehmen. Wir meinen, daß es sicher keine Strafsteuer auf moderne Kunst geben soll. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

22.48

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur vorliegenden Regierungsvorlage nur wenige Worte sagen, da mit ihr in erster Linie die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz von Datenbanken umgesetzt wird.

Datenbanken sind ja auch bisher schon durch das Urheberrechtsgesetz und durch das Berner Übereinkommen geschützt. Daher bringt die Richtlinie nur geringfügige Änderungen und Klarstellungen, und das war auch im Ausschuß völlig unbestritten.

Die Diskussion, die zum Thema Urheberrecht abgeführt wurde und durchaus kontroversiell war, hat in Wirklichkeit andere Fragen betroffen, und zwar die Frage des Ausstellungsrechtes und der Vergütungsansprüche für Filmschauspieler.

Das sind zwei Themen, die vor allem kulturpolitisch von grundsätzlicher Bedeutung sind. Wir von der SPÖ waren auch der Auffassung, daß sie daher einstweilen zurückgestellt werden und später nochmals, nach einer Diskussion der Kulturpolitiker, behandelt werden sollten. Darüber hat eigentlich Einvernehmen bestanden, aber es wurde dann doch ein Abänderungsantrag eingebracht, dem wir jedoch nicht zustimmen konnten, da wir meinen, daß es notwendig ist, diese grundsätzlichen Fragen einmal seitens der Kulturpolitik abzuklären und dann im Justizausschuß wieder zu behandeln.

Ich gebe zu, daß diese Fragen schon recht lange hin und hergeschoben werden und meine daher, daß es notwendig ist, bald zu einer Lösung zu kommen. Es wird bereits an einer weiteren Novelle zum Urheberrechtsgesetz gearbeitet, da das ein Rechtsbereich ist, in dem es ständig Änderungen gibt, in dem ständig Anpassungen an die technische Entwicklung, an die Entwicklung bei den Kommunikationstechniken erfolgen müssen. Daher denke ich, daß es möglich sein wird, im Einvernehmen mit den Kultursprechern zu einer Lösung zu kommen, die den Interessen aller Betroffenen Rechnung trägt. (Beifall bei der SPÖ.)

22.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

22.51

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Kollegin Hlavac hat angeführt, daß die Umsetzung der EU-Richtlinie über den Schutz von Datenbanken im Ausschuß unstrittig war. Die Debatte – und ich meine, auch die Abstimmung – ist doch von größerem Interesse, weil es darum geht, den Filmschauspielern zu einer Stärkung ihrer Leistungsschutzrechte aus ihrem Schaffensbereich zu verhelfen.

Meine Damen und Herren! Wir haben bereits im Ausschuß einen Abänderungsantrag eingebracht, wonach Filmschauspieler bessergestellt werden sollen. Dabei handelte es sich um einen Antrag, der von der Interessenvertretung der Filmschauspieler vorbereitet wurde, der inhaltlich,


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was die formale Ausgestaltung anlangt, durchaus kritisiert werden kann. Wir haben uns daher erlaubt, für das Plenum einen Antrag vorzubereiten, der der Formulierung des Justizministeriums im Verhältnis eins zu eins entspricht und von der ich annehme, daß sie sorgsam erfolgt ist.

Sie können heute Flagge zeigen. Es ist das eine Nagelprobe, auch für den Kollegen Cap. Herr Kollege Cap, sagen Sie mir jetzt, ob Sie für die Filmschauspieler eintreten: ja oder nein? Wenn Sie für die Künstler eintreten – Sie sagen ja, daß Sie für die Künstler eintreten –, müssen Sie heute für diesen Abänderungsantrag stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ähnliches gilt für Herrn Kollegen Morak. Wenn er sich für seine Berufskollegen vom Film einsetzt, muß er für diesen Abänderungsantrag stimmen. Denn folgendes ist klar: Durch diesen Abänderungsantrag werden nicht nur die Bühnenschauspieler in ihrer Rechtsstellung gestärkt – man kann darüber diskutieren, ob sie bisher eine bessere Rechtsstellung hatten –, sondern vor allen Dingen nun auch die Filmschauspieler. Ich bin wirklich gespannt darauf, Herr Kollege Cap, mit welcher Begründung Sie als Kultursprecher der SPÖ den Filmschauspielern gegenübertreten und sagen: Na, leider, es war nichts, wir können leider nicht zustimmen! (Abg. Mag. Stadler: Es ist noch Zeit vorhanden! Zeit genug!)

Herr Kollege Cap! Sprechen Sie doch zu diesem Tagesordnungspunkt! Sie sind ja ohnehin dafür bekannt, Bocksprünge zu machen. Vielleicht überwinden Sie sich, stimmen diesem Antrag auch zu und tun etwas für die Filmschauspieler! Tun Sie doch etwas für die Kulturschaffenden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß Ihnen bei dieser Gelegenheit ein Bonmot erzählen. Es gab kürzlich eine Diskussion beim Verband der bildenden Künstler. Dort ging es um die Anerkennung von Sponsoring-Ausgaben für die Bildende Kunst. Siehe da, alle waren dafür; plötzlich auch Kollege Cap. Stellen Sie sich das einmal vor! Kollege Cap, der gebetsmühlenartig immer wieder gegen Kunstsponsoring durch den privaten Sektor aufgetreten ist. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Auf einmal war er dafür!

Aber was dem Faß den Boden ausschlägt, ist: Kollege Cap hat die Stirn, in einem Interview mit der "Presse" zu behaupten, daß er immer für das Kunstsponsoring war und die Freiheitlichen jetzt auf diesen Zug aufgesprungen seien. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Cap! Hiemit haben Sie wirklich das letzte Quentchen an Vertrauenswürdigkeit verloren. (Abg. Haigermoser: Das ist ja das Politchamäleon römisch eins!) Ihre Glaubwürdigkeit ist damit, so meine ich, zur Gänze verlorengegangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich komme nun zur Verlesung folgenden Antrages:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Krüger, Dr. Ofner und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997 – UrhG-Nov 1997), 883 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 1001 der Beilagen.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Nach Ziffer 1 wird folgende Z 1a eingefügt:

(Abg. Dr. Nowotny: Wieviel Euro kostet das? Wer zahlt denn das?)

"1a § 69 Abs. 1 lautet:


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"(1) Die Verwertungsrechte der im § 66 Abs. 1 genannten Personen, die an der Herstellung eines gewerbsmäßig hergestellten Filmwerks oder anderen kinematographischen Erzeugnissen in Kenntnis dieses Zweckes mitgewirkt haben, stehen dem Inhaber des Unternehmers (Filmhersteller beziehungsweise Hersteller) zu. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche dieser Personen stehen ihnen und dem Filmhersteller beziehungsweise Hersteller je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind und der Filmhersteller beziehungsweise Hersteller mit diesen Personen nichts anderes vereinbart hat."

2. Artikel 4 wird folgender Absatz 4 angefügt:

"(4) § 69 Abs. 1 UrhG in der Fassung des Ausschußberichtes gilt für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke und andere kinematographische Erzeugnisse, mit deren Aufnahme nach dem 31. Dezember 1997 begonnen worden ist. Für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke und andere kinematographische Erzeugnisse, die nach 1. Jänner 1996 veröffentlicht worden sind und mit deren Aufnahme vor dem 31. Dezember 1995 begonnen worden ist, gilt 69 Abs. 1 UrhG in der Fassung dieses Gesetzes (Abg. Dr. Nowotny: Die Kosten werden gewaltig steigen! Das ist absurd!) mit der Maßgabe, daß den in § 66 Abs. 1 UrhG genannten Personen der folgende Anteil an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen zusteht: Für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1998 beträgt der Anteil 9,9 Prozent, für das Jahr 1999 und die folgenden Jahre bis zum Jahr 2004 vergrößert sich der Anteil jährlich um 3,3 Prozent und beträgt ab dem Jahr 2005 33 Prozent.

*****

Ich habe nur Sorge, Herr Kollege Cap, mit welcher Stirn Sie der Frau Michaela Rosen beispielsweise oder anderen Exponenten der Filmwirtschaft und der Filmschaffenden gegenübertreten werden. (Abg. Dr. Nowotny: Wer trägt die Kosten? – Die Zuschauer tragen die Kosten!) Sie werden erhöhten Erklärungsbedarf haben, wenn Sie eine Verbesserung der Lage der Kunstschaffenden und Filmschaffenden ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Die restliche Redezeit der grünen Fraktion beträgt 3 Minuten. – Bitte.

22.58

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von den Grünen werden dieser Novelle zum Urheberrechtsgesetz selbstverständlich zustimmen, weil es sich dabei um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt. Selbstverständlich haben auch wir nichts dagegen einzuwenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber das, was Herr Dr. Krüger, dem Sie nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt haben, hier moniert hat, hat einen sehr ernsten Hintergrund. Im Jahre 1994 – falls sich der eine oder die andere daran erinnert – hat es eine Urheberrechtsgesetz-Novelle gegeben. Im Jahre 1996 hat es wieder eine gegeben, und im Jahre 1997 gibt es abermals eine. Das Anliegen, das die österreichischen Filmschauspieler und Filmschauspielerinnen haben, ist nicht neu. Es wurde uns die beiden vorherigen Male bereits zugetragen, und wir wurden gebeten, eine Präzisierung dieses Gesetzes vorzunehmen.

Diesmal, so schien es, würde sich der Verband der österreichischen Filmschauspieler und Filmschauspielerinnen durchsetzen, weil alle Justizsprecher auf ihrer Seite waren (Abg. Dr. Nowotny: Das ist doch eine absurde Idee!) , und zwar sowohl Frau Dr. Fekter als auch Herr Dr. Fuhrmann. – Aber siehe da, es kamen Briefe von der Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien (Abg. Dr. Nowotny: Lobbies!) , vom Verband österreichischer Film- und Videoproduzenten – das riecht alles nach Geld – und vom ORF (Abg. Dr. Nowotny: Gott sei Dank! Zu Recht! Sie sind doch nur für Ihre Lobby!) , und man ist sofort wieder von den gegebenen Zu


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sagen abgerückt. Das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, was mich stört, weil das genau die Linie ist, bei der eine kleine Gruppe von österreichischen Bürgern und Bürgerinnen, nämlich die Filmschauspieler und Filmschauspielerinnen, die nicht eine so wohlorganisierte, geldträchtige Lobby hinter sich haben (Abg. Dr. Nowotny: Die Zuschauer sind es doch!) wie die drei genannten Verbände, einfach ignoriert werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Ich meine, daß an dem, was im Ausschuß und in den Vorbesprechungen versprochen wurde, kein Weg vorbeiführt und diese berechtigten Forderungen in einer gesetzlich kompatiblen Form umgesetzt werden müssen. Mir ist es egal, Herr Dr. Fuhrmann, wie man es macht, aber mir scheinen die Ansprüche, die sie haben (Abg. Dr. Nowotny: Völlig falsch!) – Ministerialrat Auer vom Justizministerium hat das bestätigt –, berechtigt zu sein. (Abg. Dr. Nowotny: Nein!) Diese Forderung muß auch bei Ihnen Gehör finden.

Deshalb, meine Damen und Herren, wollte ich Ihnen sagen, daß es mich stört, daß man – in diesem Fall nicht auf Zuruf, sondern auf "Zubrief" – so heftig reagiert und daß Sie die berechtigten Interventionen, die mündlich vorgetragen wurden – was bei Schauspielern doch wirkungsvoll sein müßte –, ignoriert haben. (Abg. Dr. Nowotny: Wir sind die Zuschauer!)

Ich hoffe auf diese Novelle im Frühjahr, und ich hoffe auch, daß im Zusammenhang mit der nicht zufriedenstellenden ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend):  ...Regelung bei der Ausstellungsvergütung Vorschläge, die unter anderem Herr Kollege Dr. Cap gemacht hat, ernsthaft diskutiert und bei der nächsten Novelle umgesetzt werden. (Beifall bei den Grünen.)

23.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 883 der Beilagen.

Es liegt ein Abänderungsantrag des Abgeordneten Krüger vor.

Ich werde zunächst über diesen Antrag Krüger auf Einfügung einer Z 1a abstimmen lassen und dann über den Rest des Gesetzentwurfes.

Wir kommen also zur Abstimmung über den Zusatzantrag, der sich auf die Einfügung einer neuen Z 1a in Artikel I und die Einfügung eines neuen Abs. 4 bezieht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zugleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung beschlossen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


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Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, daß die Selbständigen Anträge 652/A bis 656/A und die Anfragen 3416/J bis 3429/J eingelangt sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, 12. Dezember 1997, 9 Uhr, ein. Die Tagesordnung ist schriftlich verteilt worden. Einwendungen dagegen wurden keine erhoben. Diese Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 23.03 Uhr