Stenographisches Protokoll

107. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 22. Jänner 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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107. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 22. Jänner 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. Jänner 1998: 9.00 – 22.42 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1996

2. Punkt: Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 470/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft

6. Punkt: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1996)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird, und Bericht über den Antrag 158/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 467/1995, geändert wird, sowie den Antrag 446/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 467/1995, geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 548/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend die Gleichberechtigung von Schulkindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bezüglich der Schulbesuchsdauer

11. Punkt: Bericht über den Antrag 631/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Beibehaltung der Assistentenstellen an den Höheren Technischen Lehranstalten


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107. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Bericht über den Antrag 519/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 560/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Einführung einer "geschlechterbewußten Koedukation"

14. Punkt: Bericht über den Antrag 637/A (E) der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform

15. Punkt: Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen samt Formblätter

16. Punkt: Erste Lesung des Antrages 616/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 764/1996, geändert werden

17. Punkt: Erste Lesung des Antrages 625/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert werden

18. Punkt: Erste Lesung des Antrages 638/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend eine Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Staatsbürgerschaftsnovelle 1998)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 14

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3243/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 32

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 98

Redner:

Dr. Volker Kier 98

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 100

Emmerich Schwemlein 101

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 102

Dr. Helene Partik-Pablé 103

Dr. Martina Gredler 104

Mag. Terezija Stoisits 105

Antrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen, dem Umweltausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 565/A (E) betreffend die Errichtung einer 380-kV-Leitung in Österreich gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 24. März 1998 zu setzen 33


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107. Sitzung / Seite 3

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 33

Redner:

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 106

Georg Oberhaidinger 108

Karlheinz Kopf 108

Mag. Karl Schweitzer 110

Dr. Volker Kier 110

Andreas Wabl 111

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 112

Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen, dem Ausschuß für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 656/A (E) betreffend Novelle zum Waffengesetz gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 24. Feber 1998 zu setzen 33

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 33

Redner:

Mag. Terezija Stoisits 112

Anton Leikam 115

Paul Kiss 116

Franz Lafer 117

Hans Helmut Moser 118

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 119

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 120

Antrag der Abgeordneten Klara Motter und Genossen, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 445/A (E) betreffend Entkriminalisierung von Cannabis gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 24. März 1998 zu setzen – Ablehnung 33, 200

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 33

Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen, die Regierungsvorlage 771 d. B.: Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen, in der Fassung des Ausschußberichtes 1045 d. B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Außenpolitischen Ausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 58, 69

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Michael Krüger betreffend Erteilung eines Ordnungsrufes 77

Stellungnahmen des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend das Verlangen auf Erteilung eines Ordnungsrufes 77, 87

Antrag der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen, die Regierungsvorlage 842 d. B.: Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes 1047 d. B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Gleichbehandlungsausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 90, 93

Antrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen


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107. Sitzung / Seite 4

Verantwortlichkeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Kurdenmorden gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 200

Bekanntgabe 93

Ablehnung 200

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Worterteilung bei kurzen Debatten über Anfragebeantwortungen 101

Fragestunde (26.)

Umwelt, Jugend und Familie 14

Mag. Karl Schweitzer (190/M); Matthias Ellmauer, Ing. Monika Langthaler, Otmar Brix, Mag. Thomas Barmüller

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (188/M); Mag. Karl Schweitzer, Franz Stampler, Ing. Monika Langthaler, Mag. Thomas Barmüller

Klara Motter (193/M); Doris Bures, Franz Koller, Johann Schuster, Karl Öllinger

Karlheinz Kopf (186/M); Ing. Monika Langthaler, Mag. Thomas Barmüller, Dipl.-Ing. Werner Kummerer, Mag. Karl Schweitzer

Ing. Monika Langthaler (192/M); Dr. Volker Kier, Georg Oberhaidinger, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Georg Wurmitzer

Edith Haller (191/M); Ridi Steibl, Klara Motter, Karl Öllinger, Brigitte Tegischer

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 14

Ausschüsse

Zuweisungen 31, 193, 196, 199

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1996 (III-92/980 d. B.) 34

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 34

Ing. Kurt Gartlehner 36

Dr. Hans Peter Haselsteiner 37

Ernst Fink 41

Dr. Alexander Van der Bellen 43

Karl Gerfried Müller 44

Dkfm. Holger Bauer 45

Robert Sigl 47

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 47

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 49

Josef Edler 50

Hermann Mentil 51

Rainer Wimmer 52


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107. Sitzung / Seite 5

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 53

Hermann Böhacker 55

Annahme des Gesetzentwurfes in 980 d. B. 56

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (771 d. B.): Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen (1045 d. B.) 57

3. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (930 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (1046 d. B.) 57

Redner:

Herbert Scheibner 57

Dr. Michael Spindelegger 58

Dr. Gabriela Moser 60

Dr. Irmtraut Karlsson 62

Dr. Martina Gredler 63

Maria Rauch-Kallat 64

Mag. Walter Posch 65

Mag. Dr. Josef Höchtl 66

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 67

Genehmigung des Staatsvertrages in 1045 d. B. 69

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 69

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 69

Annahme des Gesetzentwurfes in 1046 d. B. 69

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über die Regierungsvorlage (842 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (1047 d. B.) 70

5. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 470/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (1048 d. B.) 70

Redner:

Edith Haller 70

Dr. Elisabeth Hlavac 71

Mag. Doris Kammerlander 72

Rosemarie Bauer 74

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 77

Anna Elisabeth Aumayr 78

Maria Schaffenrath 79

Elfriede Madl 81

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 82

Mag. Gisela Wurm 85

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 87

Ridi Steibl 88

Dr. Brigitte Povysil 89

Heidrun Silhavy 90

Edeltraud Gatterer 91


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107. Sitzung / Seite 6

Annahme des Gesetzentwurfes in 1047 d. B. 93

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1048 d. B. 93

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung (III-101 d. B.) über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1996) (981 d. B.) 94

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 94

Anton Leikam 96

Hans Helmut Moser 121

Paul Kiss 124

Mag. Terezija Stoisits 127

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 12


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107. Sitzung / Seite 7

9

Dr. Willi Fuhrmann 133

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung) 135

Dr. Willi Fuhrmann (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 135

Franz Lafer 135

Günther Platter 136

Dr. Volker Kier 138

Emmerich Schwemlein 140


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107. Sitzung / Seite 8

Karl Öllinger 140

Walter Murauer 144

Herbert Scheibner 146

Brigitte Tegischer 147

Dr. Harald Ofner 148

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 150

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 152

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 154

Matthias Achs 155

Karl Freund 156

Dr. Karl Maitz 157

Kenntnisnahme des Berichtes III-101 d. B. 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Novellierung des Waffengesetzes 1996 – Ablehnung 124, 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Amon, Mag. Walter Guggenberger und Genossen betreffend die Drogenpolitik der EU und Österreichs – Annahme (E 103) 151, 159

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (939 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird, und den Antrag 158/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 467/1995, geändert wird, sowie den Antrag 446/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 467/1995, geändert wird (1058 d. B.) 159

8. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (950 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (1059 d. B.) 159

9. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (941 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert wird (1060 d. B.) 159

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 548/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend die Gleichberechtigung von Schulkindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bezüglich der Schulbesuchsdauer (1061 d. B.) 159

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 631/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Beibehaltung der Assistentenstellen an den Höheren Technischen Lehranstalten (1062 d. B.) 159

12. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 519/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1019 d. B.) 159

13. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 560/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Einführung einer "geschlechterbewußten Koedukation" (1020 d. B.) 159

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 160

Mag. Dr. Josef Höchtl 161

Maria Schaffenrath 162

Dr. Dieter Antoni 164

Karl Öllinger 167

Katharina Horngacher 168

Elfriede Madl 169

Dr. Johann Stippel 170

Theresia Haidlmayr 171

Karlheinz Kopf 173

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 173

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 174

Dr. Robert Rada 176

Mag. Dr. Udo Grollitsch 177

Dr. Gertrude Brinek 178

Brunhilde Fuchs 179

Annahme der Gesetzentwürfe in 1058, 1059 und 1060 d. B. 179

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1058, 1061, 1062, 1019 und 1020 d. B. 179

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1020 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Förderung einer umfassenden Gleichstellung von Frauen und Männern im Bereich von Schule, Lehrer/innenbildung und Erwachsenenbildung (E 104) 180

14. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 637/A (E) der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform (1063 d. B.) 181

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 181

Dr. Gertrude Brinek 182

Dr. Dieter Antoni 183

Karl Öllinger 183

Dr. Christa Krammer 185

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1063 d. B. 186

15. Punkt: Regierungsvorlage: Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen samt Formblätter (837 d. B.) 186

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Redner:

Dr. Michael Krüger 186

Dr. Willi Fuhrmann 187

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 188

Genehmigung des Staatsvertrages in 837 d. B. 189

16. Punkt: Erste Lesung des Antrages 616/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 764/1996, geändert werden 89

Redner:

Mag. Terezija Stoisits 189

Dr. Johannes Jarolim 190

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 190

Dr. Alois Pumberger 191

Dr. Volker Kier 192

Mag. Johann Ewald Stadler 193

Zuweisung des Antrages 616/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 193

17. Punkt: Erste Lesung des Antrages 625/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert werden 193

Redner:

Mag. Terezija Stoisits 193

Dr. Günther Kräuter 194

Dr. Sonja Moser 195

Mag. Thomas Barmüller 195

Zuweisung des Antrages 625/A an den Verfassungsausschuß 196

18. Punkt: Erste Lesung des Antrages 638/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend eine Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Staatsbürgerschaftsnovelle 1998) 196

Redner:

Mag. Terezija Stoisits 196

Anton Gaál 197

Wolfgang Großruck 198

Dr. Volker Kier 199

Zuweisung des Antrages 638/A an den Ausschuß für innere Angelegenheiten 199


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107. Sitzung / Seite 9

Eingebracht wurden

Petition 32

Petition gegen eine essentielle Verschlechterung und Verbürokratisierung des Vereinslebens (Ordnungsnummer 37) (überreicht von Abgeordnetem Dr. Andreas Khol und sämtlichen Mandataren des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei)

Bericht 32

Vorlage 30 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 1997; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium zur Teilnahme am ÖPUL II (676/A) (E)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Verbot des Transportes von Kälbern bis zu einem Alter von 21 Tagen (677/A) (E)

Klara Motter und Genossen betreffend Pilotprojekte für eine ärztlich kontrollierte Heroinabgabe an süchtige PatientInnen (678/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz 1969 (BGBl. 1969/461) idgF, Arbeitsverfassungsgesetz 1974 (BGBl. 1974/22) idgF, das Arbeitsruhegesetz 1983 (BGBl. 1983/144) idgF, das Feiertagsruhegesetz 1957 (BGBl. 1957/153) idgF und das Urlaubsgesetz 1976 (BGBl. 1976/390) idgF geändert und das Öffnungszeitengesetz 1991 (BGBl. 1992/50) idgF sowie das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz 1984 (BGBl. 1984/129) idgF aufgehoben werden (Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz 1998) (679/A)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Reduzierung der CO2-Emission bei gleichzeitiger Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Förderung erneuerbarer Energieträger (680/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997) geändert wird (681/A)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend faire Pensionsanpassung – verfassungsrechtlicher Schutz der Pensionen (682/A) (E)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend die dienstrechtliche Einstufung der Fachhochschulabsolventen (683/A) (E)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste geändert wird (684/A)

Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Novellierung des Waffengesetzes 1996 (685/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Ewald Nowotny und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsatzbesteuerung von Mieten (3547/J)


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107. Sitzung / Seite 10

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Chipcard und Europäischer Notfall-Ausweis (Amtsblatt C 184 vom 23.7.86) (3548/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Strahlenschutz (3549/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Gesundheitsbericht – Strahlenschutz, 10 Jahre nach Tschernobyl (3550/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Zukunft des Vereinswesens in Österreich (3551/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend rechtsextreme Stammtisch-Kontakte des Polizeidirektors der BPD Salzburg, Karl Schweiger (3552/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 1998, GZ: 90200/74-7/97 vom 18.12.1997 Anfragebeantwortung 3140/AB (3553/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend "Beutekunst" aus Österreich im Louvre (3554/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Teilnahme Italiens und anderer an der Währungsunion (3555/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Strompreise für mittelständische Unternehmen (3556/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Asienkredite österreichischer Banken (3557/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend eine Aussage von Frau Staatssekretärin Dr. Benita Ferrero-Waldner (3558/J)

Franz Morak und Genossen an den Bundeskanzler betreffend den Presseclub Concordia (3559/J)

Maria Rauch-Kallat und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Art und Umfang ihrer Bemühungen um ein freiwilliges "Freisetzungsmoratorium" sowie Zweifel an der Rechtssicherheit (3560/J)

Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Spekulationen im internationalen Zahlungsverkehr (3561/J)

Ridi Steibl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Anzahl der Personen, die Angehörige pflegen (3562/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend steigende Schwierigkeiten im Strafvollzug (3563/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend ungesicherte Bahnübergänge im Burgenland (3564/J)


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107. Sitzung / Seite 11

Dr. Gertrude Brinek und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend vergünstigte Datenleitungstarife für die Schulen (3565/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Umsetzung des parlamentarischen Auftrages zur Vereinfachung der verkehrspsychologischen Untersuchung zur Erlangung eines Mopedausweises ab 15 Jahren im Interesse der Verkehrssicherheit (3566/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Transport von gefährlichen Gütern (3567/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Transport von gefährlichen Gütern (3568/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Kennzeichnung von Separatorenfleisch (3569/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Einführung des Rufnummernplanes 1998 (3570/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Gefahr, daß Österreichs Justizwesen zu einem Freimaurer-Biotop verkommt (3571/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Ausbildung von Frauen im Bundesheer (3572/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Echtheit eines Abkommens zwischen Ibrahim Rugova und Slobodan Miloševi% (3573/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Telefongebühren (3574/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Kampfpanzer Leopard II (3575/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Planstellen (3576/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend den Förderungsbericht 1996 (3577/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Auslastungsgrad privater Kurheime (3578/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Gesundheitsbericht – Strahlenschutz, 10 Jahre nach Tschernobyl (3579/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Transport von gefährlichen Gütern (3580/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Struktur des Forschungszentrums Seibersdorf (3581/J)


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107. Sitzung / Seite 12

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend österreichischen EU-Ratsvorsitz (3582/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Personalpolitik innerhalb der Post (3583/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anfragebeantwortung 3076/AB über den Verkauf der Bundesanteile der Bank Austria an ein Konsortium (3584/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Ergebnisse des Umweltgipfels von Kyoto (3585/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Auflösung der in Aktien veranlagten Pensionsrückstellungen der AMA (3586/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Entsandungsanlage Margaritze-Naßfeld (3587/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Entsandungsanlage Margaritze-Naßfeld (3588/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Entsandungsanlage Margaritze-Naßfeld (3589/J)

Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die "Affäre Teleges" (3590/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Grundsicherungs-Arbeitsgruppe im Sozialministerium (3591/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einleitung von Verhandlungen über ein Bundes-Sozialhilfegesetz (3592/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Streichung von drei Frauenprojekten zur Förderung der Qualifikationen von Frauen (VFQ) (3593/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Erfüllung der Entschließung des Nationalrates vom 11. Juni 1997 (E 60-NR/XX. GP) (3594/J)

Dr. Sonja Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Entsendung eines Verkehrsexperten nach Brüssel (3595/J)

Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gewinnverlagerung in "Steueroasen" (3596/J)

Maria Rauch-Kallat und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zukunft des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Österreich für Bio- und Gentechnologie (3597/J)


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107. Sitzung / Seite 13

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schwerpunktaktion Alkoholkontrolle (3598/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend das Verhalten beim EU-Ministerrat am 10. und 11. Dezember 1997 in Brüssel (3599/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Einziehung von Führerscheinen aufgrund der Terminnot bei Nachschulungen (3600/J)

Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend transeuropäische Netze (TEN) (3601/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Promilleregelung für Feuerwehrmitglieder (3602/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Bereitstellung von Budgetmitteln für Straßenbauvorhaben im Bundesland Steiermark (3603/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aufnahme von Fachhochschulabsolventen in den öffentlichen Dienst (3604/J)

Franz Kampichler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Verpflegungsentschädigung von Zivildienern (3605/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Harmonisierung der Visaverpflichtung in Tschechien (3606/J)

Dr. Erwin Rasinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Ausbildung zum Natur- beziehungsweise Heilpraktiker in Österreich (3607/J)

Karlheinz Kopf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend ausständige Statistik-Entlastungsoffensive (3608/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Zusammenlegung der Gendarmerieposten in Oberösterreich (3609/J)


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107. Sitzung / Seite 14

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und eröffne die 107. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet für den heutigen Sitzungstag sind die Abgeordneten Ing. Reichhold, Rossmann, Morak und Schwarzböck.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Regierungsmitgliedern wie folgt Mitteilung gemacht:

Die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Hostasch wird auch heute durch Frau Bundesministerin Dr. Prammer vertreten. Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Farnleitner wird durch Herrn Bundesminister Mag. Molterer vertreten.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt – um 9.01 Uhr – zur Fragestunde.

Ich beginne mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte, daß Kollege Mag. Schweitzer die von ihm schriftlich eingebrachte Anfrage an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie noch einmal formuliert. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

190/M

Werden Sie sich bei Ihren Ministerkollegen dafür einsetzen, daß der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten im Ministerrat der EU sein Vetorecht in der Frage der Osterweiterung ausübt, wenn die eintrittswilligen Staaten nicht vorher ihre Atomkraftwerke stillegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Danke, Herr Präsident. – Sehr verehrter Herr Abgeordneter Schweitzer! Die Frage wird sich so nicht stellen. Ich darf daran erinnern, daß ein Allparteienentschließungsantrag im Sommer letzten Jahres zustande gekommen ist, dem alle im Parlament vertretenen Parteien ihre Zustimmung geben konnten – auch die Ihre –, der Österreichs Antiatompolitik neu definiert, in dem klar festgestellt ist, daß Österreich nach wie vor das Prinzip verfolgt, ein kernkraftfreies Mitteleuropa anzustreben. Das ist ein mittel- und langfristiges Ziel, an dem wir festhalten und an dem wir natürlich auch im Zuge der Beitrittsverhandlungen für unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn festhalten werden, die in den nächsten Jahren stattfinden werden.


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Dazu gehört, daß wir im Rahmen dieser Beitrittsverhandlungen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt mithelfen, Energieeffizienzpotentiale in diesen Ländern zu bestimmen, Umstiegsszenarien zu definieren, Ausstiegsszenarien festzuschreiben und klarzumachen – hier sind wir nicht alleine, das wurde auch beim EU-Rat in Luxemburg im Dezember letzten Jahres festgestellt –, daß nukleare Sicherheit für die Europäische Union insgesamt, aber natürlich auch im Zuge der bevorstehenden Beitritte mancher mittel- und osteuropäischen Länder, vor allem einiger Nachbarländer von Österreich, eine große Rolle spielt.

Das ist klar, und die Einhaltung westlicher Sicherheitsprinzipien ist sicherzustellen. Das habe ich mehrmals unmißverständlich klargemacht. Das ist unsere Strategie. Wie gesagt: Ziel Nummer eins: ein kernkraftfreies Mitteleuropa und damit langfristig der Ausstieg aus der Kernkraft, was natürlich auch für die Beitrittskandidaten gilt.

Ziel Nummer zwei: daß jedenfalls als Minimalmaß westliche Sicherheitsprinzipien eingehalten werden. Das können und werden wir von den Beitrittskandidaten verlangen, das wird ein ganz wesentlicher Bestandteil der Politik Österreichs im Zuge der Beitrittsverhandlungen sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wie Sie jetzt auch mitgeteilt haben, war ein zentraler Bestandteil der letzten Regierungserklärungen der, daß die Bundesregierung mitgeteilt hat, ein AKW-freies Mitteleuropa anzustreben.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das Abstimmungsverhalten der ÖVP-Fraktion im Europäischen Parlament, die es mit ihrer Gegenstimme mehrfach geschafft hat, eine inhaltliche Veränderung des Euratom-Vertrages, die in diese Richtung gegangen wäre, zu verhindern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Das, sehr verehrter Herr Abgeordneter, ist Ihre Sicht, meine Sicht ist eine gänzlich andere. Es ist der Euratom-Vertrag auch ein Vertrag, der sehr viel mit Sicherheit und Kontrolle zu tun hat. So gesehen kann ich nur wiederholen: Ich sehe im Abstimmungsverhalten unserer Parlamentarier in Straßburg oder auch in Brüssel, also im Rahmen des Europäischen Parlamentes, keinerlei Abweichen von der österreichischen Antiatompolitik.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Ellmauer, bitte.

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Können zur Steigerung der Energieeffizienz in unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten auch Ressourcen der Europäischen Union herangezogen werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Das können sie, und das ist auch schon der Fall, sehr verehrter Herr Abgeordneter Ellmauer! Es ist richtig, daß die Steigerung der Energieeffizienz wahrscheinlich der wichtigste Schlüssel ist, um unsere Nachbarländer zu einem möglichst baldigen Ausstieg aus der Atomtechnologie, aus der Kernkraft zu motivieren.

Warum? – Wir schätzen, daß die Energieeffizienz eine um den Faktor zwei bis vier geringere ist, als das beispielsweise in Österreich der Fall ist, daß also, kurz gesagt, eine Halbierung oder auch noch mehr des Energieeinsatzes möglich sein sollte, ohne daß bei unseren Nachbarn deswegen ein Komfortverlust eintritt. Energie einfach effizienter einzusetzen ist der beste Weg, Energie zu sparen, und der beste Weg, aus der Kerntechnologie auszusteigen.

Es existieren zwei Programme auf EU-Ebene: für die mittel- und osteuropäischen Länder das PHARE-Programm, für die GUS-Länder das sogenannte TACIS-Programm. Ab dem Jahr 2000 stehen für die Beitrittskandidaten nicht weniger als 1,5 Milliarden Euro, also fast 20 Milliarden


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Schilling pro Jahr zur Verfügung, wobei der Schwerpunkt im Umweltbereich liegt, sodaß Mittel auf europäischer Ebene durchaus auch in sehr beachtlichem Ausmaß zur Verfügung stehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Frau Ing. Langthaler.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage bezieht sich auf das geplante Atomkraftwerk Temelin in Tschechien. Noch nie waren die Möglichkeiten so groß, tatsächlich eine Alternative in Tschechien anzubieten, wie anläßlich der Neuwahl im Sommer und der konkreten Änderung der Politik der Elektrizitätsunternehmen in Tschechien.

Wie sieht ein konkreter Vorschlag aus Ihrem Ressort aus, gerade jetzt in dieser günstigen Zeit Tschechien ein neues Angebot vorzulegen, um eine Alternative zu Temelin vorzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wie beurteilen Sie das, was die Tschechische Republik betrifft? – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Abgeordnete! Ich werde zumindest den Versuch unternehmen. Aber in der Tat bieten politische Veränderungen natürlich auch die Möglichkeit, daß sich Politiken ändern. Ich will jedenfalls nicht ausschließen, daß sich die Politik der tschechischen Regierung hinsichtlich Temelin verändert.

Wenn sich für uns konkrete Anzeichen ergeben, dann werden wir, so wie auch in ähnlich gelagerten Fällen, bereitstehen, um besonders intensiv das anzubieten, was wir anzubieten in der Lage sind, nämlich viel Know-how bezüglich Energieeffizienzsteigerungen.

Ich habe schon gesagt, in so gut wie allen mittel- und osteuropäischen Nachbarländern sind die Potentiale groß. Es gibt alternative Möglichkeiten zur Energieerzeugung. Das können erneuerbare Energieträger sein, das können aber auch Gas-Dampf-Alternativen sein, also fossile Energieträger, die aber trotzdem aus unserer Sicht mittelfristig vom ökologischen Standpunkt her jedenfalls der Kernkraft vorzuziehen sind.

Also seien Sie sich gewiß, daß die bilateralen Kontakte und die guten nachbarschaftlichen Kontakte zu unseren tschechischen Freunden auf der Basis stattfinden, daß wir jede Möglichkeit nutzen, um Temelin zur Sprache zu bringen und die Sorge Österreichs insgesamt, aber insbesondere unserer oberösterreichischen Landsleute vorzutragen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Kollege Brix, bitte.

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Bundesminister! Wird es nach Forderungen der Europäischen Union betreffend höheren Sicherheitsstandard bei den östlichen Kernkraftwerken auch eine Förderung geben, damit diese Kernkraftwerke nach westlichen Standards hergerichtet oder adaptiert werden können, beziehungsweise ist eine Adaptierung nach westlichem Sicherheitsstandard überhaupt möglich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ob, sehr verehrter Herr Abgeordneter Brix, solche Adaptierungen möglich sind, ob westliche Sicherheitsprinzipien erreichbar sind, wird im Einzelfall zu prüfen und auch durch Experten festzustellen sein. Aber wenn es nicht möglich ist, Beitrittskandidaten von der zu bevorzugenden Variante zu überzeugen, nämlich Kraftwerksblöcke stillzulegen, so halte ich es jedenfalls für besser, dann, wenn das möglich ist, westliche Sicherheitsprinzipien zu garantieren und das auch durch entsprechende Hilfen mitzufinanzieren.

Als Programmbasis dafür habe ich schon das PHARE-Programm genannt. Hier gibt es Mittel, aber ich bin heute nicht in der Lage, Ihnen zu sagen, wo es ein derartig konkretes Beispiel gibt, welche Mittel möglich sind und ob Experten die Möglichkeiten, westliche Sicherheitsprinzipien zu erreichen, anerkennen. Wir sind jedenfalls dann sehr skeptisch, wenn es darum geht, von russi


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scher, von sowjetischer Seite begonnene Reaktoren jetzt mit westlicher Technologie fertigzustellen, also sogenannte Hybridreaktoren zu machen. Österreich hat größte Zweifel, ob das eine geeignete Basis ist, Reaktoren, die westlichen Sicherheitsprinzipien genügen sollen, fertigzubauen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Kollege Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Auch der Oberösterreichische Landtag zweifelt daran, daß ein Umrüsten dieser Atomkraftwerke sinnvoll wäre, und er hat deshalb eine Resolution beschlossen, in der die Abgeordneten des Nationalrates aufgefordert werden, dafür einzutreten, daß die Bundesregierung die Verhandlungen betreffend den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union aussetzt und nicht führt, solange ein Ausstieg nicht konkret durchgeführt wird. Halten Sie das für durchführbar?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich habe schon ausgeführt, daß Österreich, wenn diese Verhandlungen beginnen werden – sie werden in den nächsten Monaten beginnen –, von Anfang an diesen Schwerpunkt im umweltpolitischen Bereich setzen wird: nukleare Sicherheit. Wir sind hier nicht alleine, es sind auch andere Länder der Europäischen Union – auch solche, die sich zumindest bis jetzt durchaus positiv zur Kernkraft äußern und selbst auch Kernkraft als Energiequelle nutzen – in hohem Maße an diesem Sicherheitsthema interessiert.

Es ist wichtig, diesbezüglich Allianzen zu suchen und Verbündete beim Vortragen eines solchen Themas zu haben, und das wird während der Beitrittsverhandlungen ein wichtiges Thema sein. Ein Aussetzen der Verhandlungen aus der Sicht Österreichs zu verlangen, steht jedenfalls auf Regierungsebene nicht zur Diskussion.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Zweites Thema: Kollege Dr. Keppelmüller, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

188/M

Halten Sie aufgrund der Vorkommnisse auf der Deponie Fronleiten eine Altlastensanierungsgesetz-Novelle für erforderlich?

Sie wissen, Hausmüll wird dort als Baumaßnahme des Deponiekörpers ALSAG-beitragsfrei gelagert.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich weiß das, sehr verehrter Herr Abgeordneter Keppelmüller! Wir halten das aber für eine falsche oder eine sinnwidrige Auslegung einer an sich klaren Gesetzesbestimmung und sind daher bei uns im Umweltressort nicht der Auffassung, daß hier eine Novelle zum Altlastensanierungsgesetz notwendig wäre.

Wir lassen daher zurzeit ein volkswirtschaftliches Gutachten erstellen, um nach § 68 AVG eine Aufhebung des an sich in Rechtskraft erwachsenen Bescheides der BH Graz-Umgebung zu erwirken. – Das auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist beim Verwaltungsgerichtshof, Herr Abgeordneter, nach meiner Kenntnis ein Verfahren anhängig, bei dem das Hauptzollamt Graz, das für die Einhebung der Altlastensanierungsbeiträge im Rahmen der Deponie Fronleiten zuständig ist, versucht, Parteienstellung in diesem Verfahren zu bekommen – Parteienstellung, die bis jetzt dem Hauptzollamt Graz nicht zuerkannt wurde. Das ist aus meiner Sicht der Stand.


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Wir sind jedenfalls der Auffassung, daß dieser Bescheid der BH Graz-Umgebung nicht dem ALSAG entspricht und daß die Entrichtung von Altlastensanierungsbeiträgen notwendig und rechtens wäre.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Kollege Schweitzer.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Im Lauf der letzten Jahre wurden gewaltige Altlasten aus Plastikmüll angehäuft: im Kremser Hafen, im Alberner Hafen, auf diversen Deponien in Österreich – in Summe mehr als 100 Millionen Tonnen, obwohl ein großer Teil dessen aufgrund der Verpackungsverordnung bereits verwertet sein müßte.

Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die in der Verpackungsverordnung festgeschriebenen Verwertungsquoten bis heute nicht erfüllt wurden und somit diese Verpackungsverordnung von den Verpflichteten nicht ernst genommen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Schweitzer! Sie haben wahrscheinlich gemeint 100 000 Tonnen und nicht mehrere hundert Millionen Tonnen, wie Sie das gesagt haben, aber da ist bloß der Faktor Tausend dazwischen.

In dem Rahmen spielt sich letztlich auch die Diskussion ab, die mir immer wieder über die Medien zugetragen wird, die von Ihrer Fraktion, wie ich meine, auch immer wieder politisch unterstützt wird. Wir sind jeder einzelnen Meldung, jedem einzelnen Hinweis nachgegangen im Hinblick auf mögliche strafbare Tatbestände, im Hinblick auf mögliche Umweltgefährdungen durch derartige Plastikmüllzwischenlagerungen beziehungsweise -ablagerungen. Wir sind trotz bestem Bemühen nicht fündig geworden. Wir konnten das bisher nicht nachvollziehen, was wir in den letzten Monaten immer wieder in manchen Medien Österreichs – teilweise auch unter Zitierung von politischen Erklärungen durch Sie, sehr verehrter Herr Abgeordneter, oder durch Mitglieder Ihrer Fraktion – lesen konnten. Wir können das nicht nachvollziehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage: Herr Kollege Stampler.

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Herr Bundesminister! Nachdem die Mülldeponie Fronleiten in meinem Wahlkreis ist, weiß ich, daß sie ordnungsgemäß geführt wird.

Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren: Wie hat sich das Aufkommen der ALSAG-Beiträge vom Jahr 1996 zu 1997 entwickelt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Stampler! Insgesamt erfreulich; das war durch die Anhebung der Altlastensanierungsbeiträge auch zu erwarten. Es ist das Aufkommen – obwohl die Ergebnisse des Monats Dezember 1997 noch nicht vorliegen – um rund 50 Prozent gestiegen. Die Zahlen sehen so aus, daß wir gegenüber 290 Millionen Schilling ALSAG-Beitragsaufkommen des Jahres 1996 im Jahr 1997 mit rund 450 Millionen Schilling rechnen können – 440 Millionen Schilling waren es per Ende November – und damit rechnen können, daß dieses Beitragsaufkommen im Jahr 1998 weiter steigen wird.

Ich danke dem Hohen Hause herzlich dafür, daß diese ALSAG-Novelle möglich war, weil sie uns etwas bessere Instrumente respektive etwas mehr Mittel in die Hand gibt, um die Altlastensanierung in Österreich, die in der Tat einen beachtlichen Rückstau aufweist – das ist auch nicht anders denkbar –, voranzutreiben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Ing. Langthaler, bitte.


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Abgeordnete Ing. Monika Langthaler
(Grüne): Herr Minister! Ich bin ein bißchen über Ihre Freude über die Erhöhung verwundert. Eine Ihrer Vorgängerinnen, Frau Dr. Flemming, hat davon gesprochen, daß man jedenfalls in Österreich 1 Milliarde Schilling an ALSAG-Einnahmen im Jahr brauchen würde, um dem Problem der Altlastensanierung in Österreich gerecht zu werden. Demgegenüber sind die von Ihnen zitierten Zahlen nach wie vor zu gering, um die vielen Altlasten in Österreich zu sanieren.

Denken Sie daran, in Ihrem Ressort die Altlastenbeiträge in den nächsten zwei, drei Jahren zu erhöhen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete Langthaler! Natürlich ginge es mit 1 Milliarde pro Jahr schneller als mit 500 Millionen pro Jahr für die Altlastensanierung. Das steht völlig außer Zweifel. Auf der anderen Seite war diese ALSAG-Novelle ein Kompromiß, der auch hier im Hohen Hause gefunden werden mußte. Ich hätte mir durchaus auch höhere Beiträge vorstellen können, aber das Ergebnis hat jedenfalls eine Verbesserung gebracht.

500 Millionen Schilling für 1998 in Aussicht zu haben, ist jedenfalls eine deutliche Verbesserung, und wir rechnen bis zur Jahrtausendwende mit weiteren Steigerungen des Altlastensanierungsbeitragsaufkommens, sodaß ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anlaß für eine neuerliche Diskussion um eine Erhöhung dieser ALSAG-Beiträge sehe, weil wir in der Novelle einen Stufenplan fixiert haben, der ohnehin noch in den nächsten Jahren gewissermaßen programmierte, gesetzlich fixierte Erhöhungen mit sich bringen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Fronleiten ist in seiner Müllpolitik überhaupt eigen, denn für hausmüllähnlichen Industrie- und Gewerbemüll aus Vorarlberg werden 900 S pro Tonne verlangt, für Müll derselben Kategorie aus der Steiermark 2 200 S.

Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Darf die Gemeinde Fronleiten ihre Preisgestaltung so machen, und haben Sie auf Bundesebene die Möglichkeit, bei einer solchen Preisgestaltung, die offensichtlich dem Mülltourismus Vorschub leistet, etwas zu unternehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Barmüller! Ich bin jetzt nicht in der Lage, die Zahlen, die Sie genannt haben, zu bestätigen. Aber wenn wir einmal davon ausgehen, daß es derartig unterschiedliche Verrechnungspreise gibt, so ist dazu zu sagen, daß ich unter der Voraussetzung der korrekten Abfuhr der Altlastensanierungsbeiträge – gerade das ist aus meiner Sicht im Rahmen der Deponie Fronleiten nicht oder jedenfalls nicht in vollem Ausmaß der Fall – und unter der Voraussetzung der Einhaltung anderer Bestimmungen keine Möglichkeit habe, einzugreifen. Man sollte auch vorsichtig sein, weil im Prinzip natürlich dem Wirken von Marktkräften auch im Bereich der Abfallwirtschaft aus meiner Sicht jedenfalls der Vorzug zu geben ist. Regulatorisch hier einzugreifen ist nicht immer die bessere Lösung, aber ich wiederhole: Ich sehe aus heutiger Sicht keine Möglichkeiten, Deponiebetreibern Preise vorzuschreiben, solange die Altlastensanierungsbeiträge abgeführt werden. Das, was wir mit diesen Altlastensanierungsbeiträgen aber sehr wohl tun und zum Teil auch geschafft haben, ist, ein ökologisches Element insofern einzuführen, als nach Deponieausstattung differenziert wird. Das heißt, solche Deponien, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, sind gezwungen, deutlich höhere Altlastensanierungsbeiträge abzuführen als neue, moderne Deponien, die dem Stand der Technik entsprechen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Wir kommen zum dritten Thema. Die Frage stellt Frau


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Abgeordnete Klara Motter. – Bitte sehr.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe folgende Frage an Sie:

193/M

Wie werden Sie gewährleisten, daß es bei der nötigen Reform der Familienbesteuerung zu keiner Mehrbelastung von Kinderlosen kommen wird, wie Sie in der "Pressestunde" vom 14. Dezember 1997 garantiert haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Abgeordnete Motter! Sie haben meine Antwort schon vorweggenommen, weil sich selbstverständlich an meiner Auffassung und Position nichts geändert hat. Es wird im Rahmen der Familiensteuerreform ganz sicher zu keiner Mehrbelastung von Kinderlosen in diesem Land kommen. Es ist dies, ohne jetzt Details der Verhandlungen mit Herrn Kollegen Edlinger bekanntgeben zu wollen oder zu können, auch überhaupt kein Gesprächsthema im Laufe der Verhandlungen gewesen, die bisher geführt wurden. Das heißt, ich kann Ihnen nochmals versichern, sehr verehrte Frau Abgeordnete Motter, daß im Zuge der Familiensteuerreform nicht an eine Mehrbelastung der Kinderlosen gedacht ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Können Sie auch ausschließen, daß es bei einer Reform der Familienbesteuerung zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Das kann ich ausschließen. Wenn Sie indirekt gesagt haben, daß diese Familiensteuerreform mit einer Erhöhung der Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds verbunden sein könnte – 4,5 Prozent werden von den Dienstgebern des Landes einbezahlt –, so muß ich betonen, daß das überhaupt kein Gesprächsthema ist und für mich nicht zur Debatte steht. Ich kann das ausschließen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Bures, bitte.

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundesminister! Wir wissen, daß von einem zusätzlichen Förderungsvolumen in Höhe von zirka 10 bis 12 Milliarden Schilling auszugehen ist. Ich habe jetzt gehört, woher Sie diese zusätzlichen Mittel nicht nehmen wollen.

Ich hätte daher die konkrete Frage: Woher soll dieser Mehraufwand, der notwendig ist, kommen, wenn Sie das Geld nicht aus dem FLAF, wo es vorhanden wäre, nehmen wollen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete! Zum einen handelt es sich nicht um Mittel zur Familienförderung, sondern um Mittel, die notwendig sind, um dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Familiensteuerreform zu genügen. Und das ist ein Unterschied, auf den ich hinweisen muß. Zum anderen sind im Familienlastenausgleichsfonds keinesfalls 10 bis 12 Milliarden Schilling vorhanden, sondern ist es so, daß der Familienlastenausgleichsfonds bis zum Jahr 1999 noch Schuldenrückzahlungen an das Budget zu leisten hat. Im Jahr 1999 wird erstmals ein Überschuß von geschätzten 2,8 Milliarden, im Jahr 2000 dann einer von 8,7 Milliarden vorhanden sein.

Die Finanzierungsfrage ist sicher die heikelste und die gravierendste Frage im Zuge dieser Familiensteuerreform, aber ich meine, daß das außer Streit gestellte Volumen in Höhe von 10 bis 12 Milliarden Schilling, das den Familien Österreichs zugute kommen wird, sehr beachtlich ist. Jedenfalls ist es mehr, als ich noch vor kurzer Zeit zu hoffen gewagt hätte. Und damit stehen


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die Gewinner dieser Familiensteuerreform fest, nämlich Österreichs Familien. Über die Finanzierung werden wir uns einigen, weil wir uns darüber einigen müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Koller, bitte.

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Wir von der FPÖ wollen keine chinesischen Verhältnisse. (Allgemeine Heiterkeit.) Herr Minister! Wenn Sie Ihr Versprechen aus der "Pressestunde" einlösen, dann frage ich Sie, ob das nicht zu Lasten der Mehrkinderfamilien geht und gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter! Meine Position und die Position meiner Fraktion ist, daß Mehrkinderfamilien keinesfalls schlechtergestellt werden sollen durch diese Familiensteuerreform. Daran halten wir fest, und ich meine, daß uns die Tatsache, daß insbesondere Mehrkinderfamilien in diesem Land armutsgefährdet sind, unterstützt.

Laut jüngsten Daten ist es so, daß das Risiko einer Familie mit drei Kindern, an die Armutsgrenze zu rutschen, fünfmal größer ist als das Risiko eines kinderlosen Paares. (Abg. Tegischer: Aber bei Ihnen nicht!) Bei mir nicht, Frau Kollegin! Ich danke für diesen Zwischenruf zur Information des Plenums. Aber meine Familie ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit vielen Familien, die tatsächlich materielle Probleme haben, und denen wollen wir helfen, um die geht es. Es geht nicht um meine Familie. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Abgeordneter Schuster, bitte.

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mitte Oktober des Vorjahres hat der Verfassungsgerichtshof Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes, die die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen für Kinder regeln, aufgehoben. Seither gibt es von allen politischen Parteien Vorschläge, wie das Erkenntnis ausgelegt werden könnte. Das Liberale Forum hat diesbezüglich ein Modell vorgestellt, nämlich daß Kinder reine Privatsache sind beziehungsweise Familien mit Studenten ab 19 Jahren keine Familienbeihilfe erhalten sollen.

Herr Bundesminister! Entspräche dieses Modell des Liberalen Forums auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ganz sicher nicht, sehr verehrter Herr Abgeordneter Schuster, und zwar deswegen nicht, weil Österreichs Familienpolitik und auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes davon ausgehen, daß es einen fairen Ausgleich zwischen jenen, die kinderlos bleiben, und jenen, die Kinder haben, die Verpflichtungen im Zuge der Erziehung haben, die Unterhaltsleistungen erbringen müssen, die auch Geld kosten, geben muß. Dieser sogenannte horizontale Ausgleich zwischen den Kinderlosen und den Eltern, dieser Lastenausgleich, ist unabhängig von der Einkommenshöhe erforderlich – verfassungsrechtlich und auch familienpolitisch.

Das Modell des Liberalen Forums hingegen geht davon aus, die Familienförderung erst dann greifen zu lassen, wenn sich Familien aus eigener Kraft nicht mehr helfen können, also sozial so schwach werden, daß der Staat hilfebringend einspringen muß. Das ist ein gänzlich anderer Denkansatz, der von mir nicht mitgetragen wird und der auch mit Österreichs traditioneller Familienpolitik nicht in Einklang zu bringen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Kollege Öllinger, bitte.


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Abgeordneter Karl Öllinger
(Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben gerade davon gesprochen, daß das Ziel einer Reform wäre, einkommensschwache Familien, also Mehrkinderfamilien, Alleinerziehende, vor Armut zu schützen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis den standesgemäßen Unterhalt und die Abgeltung dieses standesgemäßen Unterhalts als sein Ziel bezeichnet, als das Ziel dieser Reform.

Wie wollen Sie diese beiden Ziele, das von Ihnen und das des Verfassungsgerichtshofes, unter einen Hut bringen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Das Wort "standesgemäßer Unterhalt" findet sich im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht. In der Tat sagt der Verfassungsgerichtshof auch, daß Unterhaltsverpflichtungen, die ohnehin schon in der Zivilrechtssprechung gedeckelt sind – das heißt, Unterhaltsleistungen können zumindest im Normalfall 14 000 S pro Kind nicht überschreiten –, nur zur Hälfte steuerfrei gestellt werden müssen. Der Verfassungsgerichtshof zieht hier gewissermaßen eine Obergrenze von 7 000 S pro Kind und Monat ein. Und das ist wahrlich ein Betrag, der sich für Mittelstandsfamilien durchaus rechnen läßt, aber für mehr nicht.

Es geht bei diesem VfGH-Erkenntnis darum, aus verfassungsrechtlichen Gründen, Herr Abgeordneter Öllinger, den Mittelstandsfamilien unter die Arme zu greifen. Wir haben an vielen Beispielen, zuletzt auch im ORF gezeigt, gesehen, daß dies notwendig ist. Man könnte vielleicht auf den ersten Blick meinen: Ist es denn überhaupt notwendig, diesen Familien zu helfen? Aber das sind Mittelstandsfamilien, das sind Familien, die sich mit zwei, drei Kindern alles andere als leichttun, die gegenüber Kinderlosen ein deutliches Wohlstandsgefälle in Kauf nehmen müssen. Dort müssen wir aus verfassungsrechtlichen Gründen helfen.

Das hat die Koalition schon zu Beginn klargestellt – hier sind wir mit dem Koalitionspartner völlig einer Meinung –, daß wir das, was wir für die Mittelstandsfamilien tun, auch für die einkommensschwachen Familien tun werden. Es steht der Betrag eigentlich auch schon weitestgehend außer Streit: 500 S pro Kind und Monat, 6 000 S pro Kind und Jahr. Die Finanzierung selbst ist aus Sicht der Familien, aus Sicht der Mutter sekundär. Es geht darum, daß mit der Überweisung der Familienbeihilfen und des Kinderabsetzbetrages durch das Finanzamt ab 1999 jedes zweite Monat mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Tausender dazukommen wird. – 1 000 S alle zwei Monate, 6 000 S pro Jahr!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur vierten Anfrage. – Herr Abgeordneter Kopf, bitte.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

186/M

Welche Schlußfolgerungen ergeben sich aus Ihrer Sicht aus den Ergebnissen der Klimakonferenz in Kyoto für Österreich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Kopf! Die Industrieländer der Welt haben sich bei der Klimaschutzkonferenz in Kyoto im Rahmen des Kyoto-Protokolls verpflichtet, bis zum Jahre 2010 ihre Emissionen an Treibhausgasen um durchschnittlich 5,2 Prozent zu senken; die Europäische Union um 8 Prozent, die Amerikaner um 7 Prozent, die Japaner um 6 Prozent. Das ergibt für die Industrieländer insgesamt eine Reduktion um 5,2 Prozent.

Aus Sicht der Europäischen Union ergibt sich nunmehr, daß die Lastenverteilung innerhalb der Union neu zu definieren sein wird. Die Europäische Union ist mit einem Reduktionsziel von minus 15 Prozent nach Kyoto gegangen; das war das Mandat. Das Ergebnis von Kyoto ist jetzt


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zu diskutieren. Es ist zu prüfen, welche EU-Länder welche Lasten übernehmen sollen. Ich plädiere dafür, daß Österreich seine Verpflichtung innerhalb der Europäischen Union neu überdenken sollte. Ich plädiere aber gleichzeitig dafür, daß wir als nationale Selbstverpflichtung am sogenannten Toronto-Ziel festhalten, das heißt, daß wir für uns selbst in Eigenverantwortung danach trachten, unsere CO2-Emissionen – Kohlendioxid ist das wichtigste Treibhausgas – bis zum Jahr 2005 um 20 Prozent zu reduzieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Zusatzfrage: Gibt es schon konkrete Überlegungen Ihrerseits, mit welchen Maßnahmen wir dieses Toronto-Ziel speziell in Österreich erreichen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Es gibt konkrete Überlegungen und Maßnahmenpläne, die verfeinert und auf die Ergebnisse von Kyoto abgestimmt werden müssen, und zwar auf alle sechs Treibhausgase. Es geht nicht nur um Kohlendioxid, es geht auch um Methan, es geht um Lachgas, und es geht um drei weitere Gase. Es geht darum, diese Maßnahmenpläne zu einem nationalen Schwerpunktprogramm zu machen, das heißt Bund, Länder und Gemeinden müssen und sollen hier zusammenarbeiten. Das folgert schon daraus, daß sehr viel an Energieeffizienz auch in der Kompetenz der Länder liegt, wenn ich nur an den Bereich der Raumwärme, des Wohnhausbaues und damit auch der Wohnbauförderung denke. Hier wird es in den nächsten Monaten – ich gehe davon aus, bis Juni – auf europäischer Ebene zu einer Neuverteilung der Lasten kommen. Ich plädiere dafür, daß wir auch innerhalb dieser Monate innerösterreichisch eine Diskussion führen, um bis zum Sommer dieses Jahres Klarheit darüber zu haben, wie Österreich sein Ziel im Rahmen des Kyoto-Protokolls erreichen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Ing. Langthaler, bitte.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Es ist zweifellos sehr ambitioniert und sehr gut, wenn Österreich am sogenannten Toronto-Ziel festhält, und wir begrüßen Ihre Stellungnahme dazu sehr. Das Problem ist aber, daß der Verkehr und damit die CO2-Emissionen in Österreich immer mehr zunehmen.

Wie werden Sie als Umweltminister vor allem in diesem Bereich gegenüber Ihren Kollegen im Verkehrs- und Wirtschaftsressort aktiv werden, um den enormen Verkehrszuwachs in Österreich einzudämmen? Können Sie sich vorstellen, daß endlich interdisziplinär innerhalb der Bundesregierung bezüglich des Klimaschutzes gearbeitet wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Es ist richtig, Frau Abgeordnete Langthaler, daß der Verkehr der Hauptsorgenträger bei der Entwicklung des Kohlendioxids ist. Wir haben in diesem Bereich die größten Steigerungsraten zu verzeichnen, der Verkehr hat einen Anteil von rund 30 Prozent am gesamten CO2-Ausstoß.

Es beginnen sich die Dinge zu bewegen. Gemeinsame Tagungen der europäischen Umwelt- und Verkehrsminister hätte es vor kurzem noch nicht gegeben. Es ist so, daß auf meine Initiative hin die Europäische Union, die Kommission von einer freiwilligen Vereinbarung mit den europäischen Automobilherstellern abrücken wird, um den Verbrauch bis zum Jahr 2005 zu senken, um das Fünf-Liter-Auto auf die Beine zu stellen. Die Kommission wird dem Rat, also uns Umweltministern, bis Mitte dieses Jahres einen Richtlinienentwurf, also einen Gesetzentwurf in Richtung des Fünf-Liter-Autos präsentieren.

Es wird der Herr Verkehrsminister in den nächsten Monaten ein Nahverkehrsfinanzierungsgesetz vorlegen, das, wie ich höre, für Österreich große Bedeutung dahin gehend haben sollte, dem öffentlichen Nahverkehr mehr Nachdruck zu verleihen. Wir wissen, daß der Umstieg vom


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geliebten eigenen Auto auf effiziente Nahverkehrsmittel sehr viel an CO2-Einsparung bringen kann. Es ist aber so, daß die Szenarien im Verkehrsbereich, was Österreich betrifft, aber auch was Europa insgesamt betrifft, im Moment alles andere als ermutigend sind. Die Trendwende im Verkehr zu einer nachhaltigeren Entwicklung ist noch nicht erreicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Für die Frage, wie Österreich die in Kyoto festgelegten Ziele erreichen wird, ist der Verkehr sicher ein wichtiger Sektor. Der zweite wichtige Bereich wäre das Energieorganisationsgesetz, das jetzt erneut in Verhandlung steht, bei dem Ihr Partei- und Regierungskollege, Herr Bundesminister Farnleitner, vorgeschlagen hat, daß es eine prozentmäßige Festlegung für Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern geben soll. Das ist wieder herausreklamiert worden.

Werden Sie Herrn Bundesminister Farnleitner den Rücken stärken, damit eine bestimmte Prozentzahl an Energie, durch erneuerbare Energieträger in Österreich erzeugt, wieder im Entwurf zum Energieorganisationsgesetz verankert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Abgeordneter Barmüller! Ihre Zusatzfrage nimmt schon ein wenig die als nächstes vorgesehene Frage der Abgeordneten Langthaler vorweg. Ich darf aber klarstellen, daß ich den vorgesehenen Ansatz, den jedenfalls früher vorgesehenen Ansatz, nämlich die E-Wirtschaft zu einem Anteil der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energieträgern über die Wasserkraft hinaus – also alternativen erneuerbaren Energieträgern – von 1 Prozent per 1999, 2 Prozent per 2001 und 3 Prozent per 2003 zu verpflichten, für sehr zielführend gehalten habe, insbesondere auch dann, wenn die Nichterreichung dieses Zieles mit konkreten finanziellen Sanktionen, sprich Strafzahlungen, verbunden ist. Es ist dies einer meiner Kritik- und Vorschlagspunkte im Zuge des jetzt soeben zu Ende gegangenen Begutachtungsverfahrens. Ich werde diesen, aber auch andere Punkte, aber jedenfalls diesen Punkt im Rahmen der nun folgenden Beratungen – bevor dieser Gesetzentwurf dann in den Ministerrat kommt – mit meinem sehr geschätzten Herrn Kollegen Farnleitner erörtern und ihn noch einmal verdeutlichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Dipl.-Ing. Kummerer, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich rechne es Ihnen hoch an, daß Sie mehrmals deutlich gesagt haben, daß Sie in Österreich am Toronto-Ziel festhalten werden. Das ist ein Standpunkt, den ich teile und wo ich versuchen werde, Sie zu unterstützen. Es haben mehrere Institutionen angeboten, diesen Weg mitzugehen, zum Beispiel der Städtebund. 2005 wird bald kommen.

Die konkrete Frage, Herr Bundesminister: Welche Vereinbarungen beabsichtigen Sie mit den Ländern zu treffen, um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kummerer! Konkret habe ich vor, eine sogenannte Artikel-15a-Vereinbarung, das heißt einen Staatsvertrag des Bundes mit den Ländern, abzuschließen. Ich plädiere dafür, darin auch Maßnahmen festzuschreiben. Es ist klar, daß die Finanzierungsfrage geregelt werden muß. Das ist ein Punkt, der den Ländern Sorge bereitet. Aber wenn der von Ihnen angeschnittene Städtebund, der im Bereich der Länder einen nicht unwesentlichen Einfluß hat, auch konkret in Richtung des Toronto-Zieles zu arbeiten bereit ist, so ist das eine wichtige Unterstützung. Wie es im übrigen auch eine wichtige Unterstützung für mich durch das Hohe Haus wäre, wenn das Festhalten am Toronto-Ziel als weiterhin nationalem Ziel nach der Klimaschutzkonferenz in Kyoto wiederum bestätigt werden könnte.


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Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung brauchen, aber es sagen alle Experten, daß es noch nicht zu spät ist. Wir haben unsere CO2-Emissionen in den letzten Jahren zwar auf hohem Niveau, aber doch stabilisiert. Das ist ein erster Erfolg, wenn auch nur ein Teilerfolg. Ein konkretes Absenken unserer CO2-Emissionen durch weitergehende Energiesparmaßnahmen auf der einen Seite und durch mehr Umstieg auf erneuerbare Energieträger auf der anderen Seite haben wir aber noch nicht erreicht. Da bedarf es zusätzlicher Anstrengungen, und wenn der Städtebund hier mitzieht, so ist das sehr begrüßenswert.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Kollege Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche konkreten Vorschläge erwarten Sie von der Steuerreformkommission im Hinblick auf die Erreichung des Toronto-Ziels?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Abgeordneter Schweitzer! Ich erwarte mir konkret weitere Schritte zur Ökologisierung des Steuersystems, und ich glaube, die Zeit dafür ist mehr als reif. Es geht nicht nur darum, die Arbeitskosten zu entlasten, es geht auch darum, Energie stufen- und schrittweise zu verteuern. Es ist klar, daß das nicht im nationalen Alleingang geschehen kann, wir brauchen hier ein Mitziehen zumindest der wesentlichsten Partner, aber gleichzeitig auch Wettbewerbsländer in der Europäischen Union. Aber auch dort wird man Maßnahmen und Instrumente brauchen, um den Umstieg auf erneuerbare Energieträger zu bewerkstelligen, um Energie zu sparen. Auch dort ist die Ökologisierung des Steuersystems, sind die zu hohen europäischen Arbeitskosten ein Thema.

Das heißt kurz zusammengefaßt: Es geht um konkrete Schritte zu einer weiteren Ökologisierung des Steuersystems, wobei zwei Prämissen für mich wichtig sind: zum ersten zumindest im wesentlichen Aufkommensneutralität und zum zweiten eine Berücksichtigung ökologischer Kriterien. Das heißt, diejenigen Energieträger, die ökologisch stärker belastend sind, gehören stärker besteuert als diejenigen, die weniger belastend sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit haben wir diesen Fragenkomplex erledigt.

Das nächste Thema leitet Frau Abgeordnete Ing. Langthaler mit ihrer Frage ein.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

192/M

Wie beurteilen Sie den von Herrn Bundesminister Farnleitner vorgelegten Entwurf eines Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete Langthaler! Ich habe schon gesagt, daß ich es prinzipiell begrüße, daß auch der jetzige Entwurf den leichteren Marktzutritt für erneuerbare Energieträger festschreibt und forciert. Ich würde mir eine konkretere Anwendung, detailliertere Regelungen hier wünschen, insbesondere – ich darf das wiederholen – die Festschreibung des Zieles, bis zum Jahre 2003 einen Anteil von 3 Prozent erneuerbare Energieträger zur Stromerzeugung zu erreichen.

Warum? – Wir haben in Österreich eine große, auch technologiepolitische Chance. Biomasse kann und soll ein Technologieschwerpunkt für dieses Land sein. Wir sind in der Lage, aus Biomasse, also aus Holz, Wärme zu erzeugen. Das ist vom Rohstoff her in diesem Lande gut möglich, und das ist auch von den mittelständischen Industrieunternehmungen her möglich, die die Technik, die Kessel dafür zur Verfügung haben. Wir stehen jetzt am Beginn einer Technologie, die eine Stromerzeugung auch aus Holz, aus Biomasse, ermöglicht. Das sollte unterstützt werden, auch durch entsprechende Regelungen im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, kurz ELWOG, denn die Langfassung ist ja kaum auszusprechen.


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Ich meine aber auch, daß konkretere Vorgaben im Gesetz hinsichtlich des Nutzens von Energiesparpotentialen zweckmäßig wären. Ich meine, daß EVUs, die pro Jahr mehr als 10 Gigawattstunden Strom an das Netz abgeben, einer jährlichen Berichtspflicht unterliegen sollten, einer jährlichen Berichtspflicht hinsichtlich der Umweltverträglichkeit, hinsichtlich der Kostengünstigkeit und der effizienten Bereitstellung des Stroms. Ich meine, ohne Ihnen jetzt eine vollständige Wiedergabe meiner gutachterlichen Stellungnahme zumuten zu wollen, daß beispielsweise ein erleichtertes, ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bis zu einer Engpaßleistung von 5 Megawatt durchaus im Bereich des Möglichen wäre. Das war jetzt ein kurzer Abriß, ich lasse Ihnen aber gerne unsere umfassende Stellungnahme im Rahmen der Begutachtung zukommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Der Hintergrund dieser Frage ist natürlich, daß von seiten des Wirtschaftsministeriums immer wieder gesagt wird, daß Österreich sowieso mit Angeboten von extrem billigem Strom überschwemmt werden wird, die gerade auch aus Atomkraftwerken in Frankreich wie EdF etwa kommen.

Meine Frage in diesem Zusammenhang nochmals: Kann sich Ihr Ressort vorstellen, daß man auch darauf besteht, eine Abnahmegarantie in das Gesetz hineinzunehmen, gerade für Strom aus erneuerbaren Anlagen in Österreich, gekoppelt mit einer klaren, längerfristigen Einspeiseregelung, so wie es sie in Deutschland seit über fünf Jahren gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete! Jedenfalls geht es um die Vorgabe einer bevorzugten Abnahme von Strom aus alternativen erneuerbaren Energiequellen, wobei ich persönlich meine, daß der Wasserkraft hier eine entsprechende Vorrangstellung einzuräumen ist, sofern das aus EU-Kriterien heraus möglich ist.

Was den von Ihnen angesprochenen drohenden Stromimport aus Frankreich betrifft, möchte ich Ihnen mitteilen, daß mir Experten gesagt haben, das Risiko bestehe nicht, die Distanz sei zu groß. Aber insgesamt möchte ich gerade an dieser Stelle wiederholen: Der billigste Strom ist der nicht verbrauchte. Daß heißt, es sollten im Zuge der Diskussionen der letzten Monate auch die Aspekte der Energieeinsparung, der effizienten Nutzung von Strom Beachtung finden. Da wird es sicherlich auch darum gehen: Wie geht man mit Österreichs Netzen um? Ist man in der Lage, in Richtung einer Netzbetreibergesellschaft zu agieren oder zumindest eine Optimierung des österreichischen Stromverteilungsnetzes zu gewährleisten? All das werden Fragen sein, die in den kommenden Monaten bis zur endgültigen Beschlußfassung dieses Gesetzes aus meiner Sicht in der Diskussion betont werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Frage: Herr Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie wissen so gut wie jeder, der sich damit beschäftigt, daß die Behauptung, daß Atomstrom besonders billig ist, in erster Linie daher rührt, daß Atomstrom nicht zu seinen wahren Kosten dargestellt wird, insbesondere was die Endlagerung und die Risken anlangt.

Würden Sie es als richtigen Weg ansehen, daß man sich unter österreichischem Vorsitz in der EU massiv dafür einsetzt, daß ein stringentes Atomhaftpflichtgesetz kommt, damit Kostenwahrheit beim Atomstrom eingeführt wird, wodurch alternative Energieerzeugungsformen wirtschaftlicher und wettbewerbsfähiger gemacht würden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Kier! Ich teile Ihre Auffassung bezüglich der Kosten- und Preisentwicklung bei Atomstrom und all der Faktoren, die dabei nicht berücksichtigt sind, deswegen ist er ja so


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verhältnismäßig billig. Wir haben nicht ganz zufrieden zur Kenntnis nehmen müssen, daß Atomhaftungskonventionen auf internationaler Ebene in den letzten Monaten zwar gewisse Verbesserungen gebracht haben, aber bei weitem, was den Haftungsrahmen betrifft, noch nicht das erfüllen, was Österreich sich im Falle eines Schadens, beispielsweise eines GAU à la Tschernobyl, vorstellt. Wir wissen ja, wie viele tausend Milliarden an Schaden entstanden sind, die nicht abgedeckt waren und sind. Daher wird Österreich diesen Konventionen vorläufig nicht beitreten.

Der Weg, den die Bundesregierung nun beschreitet, ist der eines neuen österreichischen Atomhaftungsrechtes. Wir sind hier mit den Arbeiten recht weit fortgeschritten, die gemeinsam mit Herrn Justizminister Michalek, aber auch mit dem SPÖ-Klub durchgeführt werden, und ich denke, daß eine Regierungsvorlage über ein österreichisches Atomhaftungsrecht, das jedenfalls unserer Position und auch unserer eigenen Antiatompolitik entspricht, noch in den nächsten Monaten dem Hohen Haus zugeleitet werden kann.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Kollege Oberhaidinger, bitte.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Bundesminister! Aus Entwürfen anderer EU-Länder weiß ich, daß Strom aus erneuerbaren Energieträgern im besonderen der Vorrang gegeben wird. In welcher konkreten Form wird bei uns im Rahmen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes Strom aus erneuerbaren Energien ganz konkret Vorrang eingeräumt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sie wissen, Herr Abgeordneter Oberhaidinger, daß es vor einigen Monaten eine Diskussion hinsichtlich der Festlegung höherer Einspeisetarife für Strom aus alternativen Energiequellen gegeben hat. Es ist damals leider zu keiner Einigung gekommen. Ich habe die von der E-Wirtschaft vorgeschlagenen Tarife als zu gering erachtet. Ich habe in der Zwischenzeit mit Kollegen Molterer, mit unserem Landwirtschaftsminister, einen sogenannten Ökoenergiefonds ins Leben gerufen, der insgesamt 300 Millionen Schilling pro Jahr für erneuerbare Energieträger zur Verfügung stellt. Ich möchte aus Zeitgründen darauf nicht weiter eingehen, aber ich denke, das ist jedenfalls ein gewisser Fortschritt.

Wir werden jetzt in den Diskussionen der nächsten Wochen einen neuen Anlauf unternehmen, um das zu realisieren, was ich schon gesagt habe, nämlich eine Bevorzugung des Stromes aus alternativer Erzeugung zu gewährleisten. Das von mir angestrebte Ziel ist ein Weg dazu. Ich sage auch dazu, daß man sich aus wirtschaftlichen Gründen die Mengen anschauen muß. Es handelt sich ja um keine allzu großen Mengen, es handelt sich nicht um etwas, was jetzt auf den Strompreis insgesamt eine sehr negative Auswirkung hätte, wenn man bereit ist, für Strom aus Photovoltaik, für Strom aus Windenergie, aber auch für Strom aus Biomasse deutlich mehr zu bezahlen als eben für Strom aus anderen, aus konventionellen Energiequellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Abgeordneter Ing. Hofmann, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer Beantwortung zuvor festgestellt, daß das ELWOG, das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, den Zutritt alternativer erneuerbarer Energieträger forciert, und haben angeführt, daß sie sich dafür stark machen werden, einen Anteil von 3 Prozent bis zum Jahr 2003 quasi festzuschreiben. Ich stelle fest, daß im ELWOG Beschränkungen hinsichtlich der Leistungen bei Kraft-Wärme-Kopplung, bei der Windkraft, bei deren Engpaßleistung und ebenso bei der Photovoltaik vorgesehen sind. Ich frage, ob es nicht Sinn macht, die lang versprochene Energieeinspeisevergütungsregelung nun tatsächlich hier mit zu regeln.

Meine Frage: Werden Sie sich dafür stark machen, daß es hier zu einer tatsächlich vernünftigen Tarifgestaltung, etwa in der Größenordnung des durchschnittlichen Haushaltstarifes, kommt, sodaß der Zutritt erneuerbarer Energieträger tatsächlich auch möglich wird und dies zu keiner Feigenblattfunktion der bestehenden Energieproduzenten führt, die diese 3 Prozent erreichen werden, wenn es vorgeschrieben wird, ohne daß der Marktzugang gegeben wäre?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf mich in meiner Antwort kürzer fassen als Sie sich in Ihrer Zusatzfrage und darauf verweisen, was ich Herrn Abgeordneten Oberhaidinger geantwortet habe. Die Zielvorstellung habe ich, und ich denke, diese Diskussion ist ein guter Anlaß, einen neuen Anlauf zu nehmen, um Strom aus alternativen erneuerbaren Energiequellen zu bevorzugen, um diese Türe einen Spaltbreit zu öffnen, die wir dann ohnehin weiter öffnen müssen, denn daß insgesamt die Energieerzeugung aus alternativen Energiequellen forciert werden muß, das wissen wir spätestens seit Kyoto. Ich darf allerdings darauf verweisen, daß wir in Österreich von einer Situation ausgehen, wo immerhin gut zwei Drittel, in manchen Jahren sogar bis zu 70 Prozent, der Stromerzeugung aus der Wasserkraft kommen, also aus einem alternativen Energieträger.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Wurmitzer, bitte.

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Österreich ist bereits bisher Weltmeister gewesen, was den Einsatz erneuerbarer Energien anbelangt. Mit 24 Prozent ist die Quote Österreichs sechsmal so hoch als beispielsweise jene in Deutschland.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Welche konkreten Maßnahmen werden Sie zur Forcierung erneuerbarer Energieträger im Rahmen der Energiewirtschaft fordern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Wurmitzer! Ich darf darauf verweisen, daß wir, unabhängig von der Energiewirtschaft als solcher, 300 Millionen Schilling zur Förderung erneuerbarer Energieträger bereitstellen. Das bedeutet einerseits die Förderung von Biomasseheizwerken, aber auch von Biogasanlagen. Das bedeutet aber auch die konkrete Förderung von Windkraftanlagen, von Photovoltaikanlagen. Diese neue Zusammenarbeit zwischen dem Landwirtschaftsressort und uns bringt insbesondere solchen Betreibern, die nicht nur da oder dort angesiedelt sind, sondern wo sich Land- und Forstwirte auf der einen Seite, kommunale Abnehmer auf der anderen Seite und vielleicht ein gewerblicher Betreiber noch dazu zusammenfinden, eine deutliche Erleichterung im Vergleich zu vorher.

Abgesehen von dieser Ankündigung darf ich Ihnen sagen, daß wir im vergangenen Jahr konkret 238 Millionen Schilling an Fördermitteln für diesen Bereich der erneuerbaren Energieträger ausgeschüttet haben und damit knapp 300 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 915 Millionen Schilling, also knapp einer Milliarde, gefördert haben. Also es ist dieser Ökoenergiefonds etwas Neues, aber es ist nicht so, daß wir auf nichts aufbauen könnten. Die Förderung erneuerbarer Energieträger durch das Umweltministerium hat gute Tradition.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Wir behandeln noch die 6. Anfrage. Ich bitte um kurze Fragen und kurze Antworten. – Bitte, Frau Abgeordnete Haller.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

191/M

Inwieweit werden im Zuge der laufenden Verhandlungen zur Reform der Familienbesteuerung unter Hinzuziehung von Experten über die SP/ÖVP-Modelle hinaus alternative Familiensteuermodelle in Erwägung gezogen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete Haller! Die Koalitionspartner haben sich schon frühzeitig darauf geeinigt, am


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Prinzip der Individualbesteuerung festzuhalten und auf dieser Basis die Familiensteuerreform zu beraten. Ich kenne das Modell, das seitens der freiheitlichen Fraktion vorgeschlagen wird, es gibt auch andere Vorschläge. Ich bin überzeugt davon, daß diese Modelle und Techniken im Rahmen der parlamentarischen Ausschußberatungen in die Debatte einfließen werden und sicherlich auch in der Diskussion berücksichtigt werden. Aber das, was auf Regierungsebene, das, was zwischen den Koalitionspartnern diskutiert wird, ist eine Familiensteuerreform auf Basis der Beibehaltung der Individualbesteuerung, wobei die speziellen Belange der Familien durch eine Ausnützung der bestehenden Instrumente wie insbesondere von Absetzbeträgen, gekoppelt mit einer Negativsteuer – dann, wenn Absetzbeträge nicht in Anspruch genommen werden können, erfolgt eine Barauszahlung als Negativsteuer –, im Vordergrund stehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie kennen sicherlich auch Expertenmeinungen, die besagen, daß beide Modelle, die zur Diskussion stehen, also jenes der ÖVP und auch das der SPÖ, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht entsprechen würden. Es kann aber doch nur in Ihrem Interesse sein, Herr Bundesminister, den Familien in Zukunft nicht nur mehr Geld zuzugestehen, sondern auch eine erkenntniskonforme Lösung zu finden.

Haben Sie vor, den zu erwartenden politischen Kompromiß in den Verfassungsrang zu erheben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Auf den letzten Teil Ihrer Frage kann ich mit einem klaren Nein antworten. Das wird insbesondere von mir und meiner Fraktion ausgeschlossen, schon seit Anbeginn der Debatte. Ich hielte es für nicht gut, ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes mit einer Verfassungsbestimmung zu beantworten und damit die weitere Kontrolle durch die Verfassungsrichter auszuschließen. Das wollen wir im Bereich der Familienbesteuerung ganz sicher nicht.

Andererseits geht es bei der Familiensteuerreform darum, beides zu tun: einerseits den Familien mit einem Volumen von 10 bis 12 Milliarden Schilling zu helfen, mit aus meiner Sicht 6 000 S pro Kind und Jahr – das werden wir erreichen, ich bin hier zuversichtlich –, und auf der anderen Seite technisch eine Regelung zu finden, die, wie auch Finanzminister Edlinger gesagt hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Kontrolle der Verfassungsrichter standhalten wird. Beides sind Ziele, die wir uns gesteckt haben. Ich bin zuversichtlich, daß beide Ziele erreichbar sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Ridi Steibl, bitte.

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Bundesminister! Was halten Sie konkret von dem Vorschlag der SPÖ, die Mehrkinderstaffel abzuschaffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete Steibl! Ich habe schon darauf verwiesen, daß insbesondere die Mehrkinderfamilien Verlierer in unserer Wohlstandsgesellschaft sind und daß es nicht gut ist, wenn ein Armutsrisiko oder jedenfalls ein Wohlstandsverlust mit steigender Zahl der Kinder, die man hat, eintritt. Das ist familienpolitisch und auch insgesamt nicht gescheit. Wir haben klare Daten, daß Mehrkinderfamilien deutlich häufiger an oder unter die Armutsschwelle geraten, und bei allem menschlichen Glück und bei aller Freude, die solche Familien mit ihren Kindern haben und auch haben sollen, muß man in dieser Situation helfen.

Ich bin der Auffassung, daß sich die Koalitionspartner vor vier Jahren etwas dabei gedacht haben, als sie die Mehrkinderstaffel eingeführt haben. Dabei geht es ja nicht um sehr große Summen. Es geht um 175 S pro Monat und Kind mehr für das zweite Kind und um 350 S pro Monat


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und Kind mehr für das dritte und jedes weitere Kind. Das sind keine großen Beträge, damit hupft niemand sehr weit, vor allem nicht nach Mallorca und schon gar nicht in die Karibik.

Hier geht es aber auch darum, den Familien einen gewissen Vertrauensschutz zu gewähren: Das, was 1992/93 eingeführt wurde, wollen wir 1998 nicht abschaffen. Ich würde nicht einsehen, warum im Zuge der Familiensteuerreform, mit der wir den Familien ja helfen wollen, ausgerechnet die Mehrkinderfamilien fast Verlierer dieser Reform sein sollten. Das ist nicht meine Position. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Motter.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich sehe einen bescheidenen Bezug auf unser Familientransfermodell in einer Aussage von Ihnen, und zwar in der Aussage, daß Sie sich vorstellen können, bei hohen Einkommen keine Erhöhung der Familienbeihilfe vorzunehmen. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete Motter! Ich bin gefragt worden, wie das denn bei Einkommen jenseits von 1,5 Millionen Schilling sei, und in der Tat ist das nicht unsere Zielgruppe, wenn es um die Familiensteuerreform geht. Ich habe gesagt, daß es möglich sein muß, bei solchen Einkommen jedenfalls nichts Zusätzliches zu geben, wenn das verfassungsrechtlich geht, und zwar nichts Zusätzliches im Hinblick auf das, was wir für die Mittelstandsfamilien und die einkommensschwachen Familien vorsehen.

Denn das ist das Problem: Diese wenigen sehr gut verdienenden Familien – das sind ja nur einige tausend in Österreich –, diese Topverdiener haben relativ hohe Steuersätze, daher ist die Steuerfreistellung der Unterhaltsverpflichtung dort ein besonderes Problem. Also verfassungsrechtlich ist das sicherlich keine ganz einfache Sache. Dazu kommt noch, sehr verehrte Frau Abgeordnete, wie kaum jemand weiß, daß diese Topverdiener ja sehr hohe Beiträge an den Familienlastenausgleichsfonds zahlen, nämlich 4,5 Prozent ohne Höchstbeitragsgrundlage. Das heißt, jemand, der 1,5 Millionen Schilling pro Jahr verdient, zahlt ... (Abg. Dr. Kier: Die Unternehmer zahlen das, nicht die Verdiener!) Das ist insgesamt ein Aufwand, der eben bei solchen Einkommen zu entrichten ist. 4,5 Prozent sind fast 70 000 S pro Jahr, und solche Topverdiener bekommen ja ohnehin relativ wenig heraus.

Also es gibt hier eine Reihe von Beschränkungen, aber eines glaube ich erreichen zu können: daß wir für diese Topverdiener betragsmäßig jedenfalls nichts Zusätzliches geben müssen, wie wir das für die Mittelstandsfamilien und für die einkommensschwachen Familien tun. Das habe ich damit gemeint, und alles darüber Hinausgehende wäre verfassungsrechtlich aus meiner Sicht nicht in Ordnung und würde unserem Bestreben zuwiderlaufen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Herr Vizekanzler Schüssel hat in einem Presseinterview erklärt, er könne sogar sehr gut damit leben, wenn es zu keiner Einigung zwischen ÖVP und SPÖ käme, denn dann würde automatisch eine Freibetragsregelung in Kraft treten, die seiner Meinung nach die gerechteste Lösung wäre, um der Familienbesteuerung und diesem Erkenntnis zu entsprechen. Wie stehen Sie zu dieser Äußerung des Vizekanzlers?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Das ist eine völlig falsche Interpretation und eine völlig falsche Zitierung von Vizekanzler Schüssel.

Vizekanzler Schüssel hat gesagt, wenn es zu keiner Einigung kommt, dann tritt das in Kraft, was eben die Verfassungsrichter gesagt haben, nämlich eine Aufhebung der entsprechenden Paragraphen des Einkommensteuergesetzes und richtigerweise dann eine sehr weitgehende Ab


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zugsmöglichkeit der Kinderkosten für die österreichischen Familien. Und das würde Besserverdienenden in höherem Maße zugute kommen.

Das ist aber nicht unser Wunsch, das ist auch nicht der Wunsch von Vizekanzler Schüssel, sondern eine nüchterne Analyse dessen, was passiert, wenn wir uns nicht einigen. Wir wollen uns aber einigen, und ich bin zuversichtlich, wir werden uns einigen; schon alleine deswegen, weil eine Nichteinigung budgetär kaum zu verkraften wäre.

Experten gehen davon aus, daß die Kosten für das Budget bei einem schlichten Zurkenntnisnehmen des VfGH-Erkenntnisses ohne Sanierung 20 oder 30 Milliarden Schilling pro Jahr betragen würden. Also es gibt viele gute familienpolitische, aber auch budgetpolitische Gründe, uns zu einigen – und das wissen beide Koalitionspartner und auch der Finanzminister.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Tegischer, bitte.

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Minister! Es ist leider eine Tatsache, daß der Familienhärteausgleichsfonds nicht so greift, wie er greifen sollte, sei es aus bürokratischen Gründen oder aus Informationsmangel. Welche Überlegungen stellen Sie beziehungsweise Ihr Ministerium jetzt an, um besonders einkommensschwachen Jungfamilien zu helfen beziehungsweise diese finanziell zu unterstützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Abgeordnete Tegischer! Ich nehme da Bezug auf eine unserer letzten Diskussionen im Ausschuß und nehme gerne zur Kenntnis, daß auch die SPÖ-Fraktion meint, daß die Richtlinien dieses Familienhärteausgleichsfonds einer Revision bedürfen, jene Richtlinien, die uns nämlich dazu zwingen, nach wie vor die deutliche Mehrheit der einlangenden Anträge abzulehnen. Waren es im Jahr 1996 noch rund 80 Prozent der Anträge, die wir ablehnen mußten, waren es 1997 immerhin noch rund 70 Prozent. Also nur 30 Prozent der Antragsteller haben auch etwas bekommen. Das hat auch dazu geführt, daß die Mittel des Familienhärteausgleichsfonds gar nicht im vollen Ausmaße ausgeschöpft werden konnten.

Ich freue mich also über die Unterstützung durch Ihre Fraktion, diese Richtlinien praxis- und familiengerechter zu gestalten, und werde dann mit dem Herrn Finanzminister in Gespräche eintreten, um auch zu einer entsprechenden budgetären Absicherung solcher neuer Richtlinien zu kommen.

Ich halte es schlicht und ergreifend für nicht gescheit, daß eine deutliche Mehrheit von in Not befindlichen Familien aufgrund formeller Bestimmungen jetzt keine Hilfe erwarten kann, weil wir ihnen gar keine Hilfe geben dürfen. Richtlinien müssen praxisgerecht, menschengerecht, familiengerecht sein, und ich bin optimistisch, daß wir in Verhandlungen mit Ihnen, aber auch mit dem Finanzminister zu einer besseren und familiengerechteren Lösung für diesen Familienhärteausgleichsfonds kommen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Die Fragestunde ist damit beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die schriftliche Mitteilung, die hier im Sitzungssaal verteilt wurde.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


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Budgetausschuß:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 1997 (Vorlage 30 BA);

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 37 gegen eine essentielle Verschlechterung und Verbürokratisierung des Vereinslebens, überreicht vom Klubobmann Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Andreas Khol und sämtlichen Mandataren des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 672/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Beitritt Österreichs zur Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention),

Antrag 673/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend umfassenden Schutz für Wale;

Bautenausschuß:

Antrag 674/A der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1050 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) mit dem Internationalen Währungsfonds (1051 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Gesundheitsförderungsgesetz – GfG (1043 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Volksbegehren "Atomfreies Österreich" (1066 der Beilagen);

Verfassungsausschuß:

Volksbegehren "Schilling-Volksabstimmung" (1065 der Beilagen);

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 675/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend Errichtung von Fachhochschul-Studiengängen für Bildungsberufe, Sozialberufe und medizinische Berufe.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3243/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf jetzt einige weitere Mitteilungen machen.

Zunächst teile ich mit, daß mir gemäß § 92 der Geschäftsordnung das Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 3243/AB der Anfrage der Abgeordneten Dr. Heide


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Schmidt betreffend Aufenthaltserlaubnis für Studierende der Webster University durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Diese Kurzdebatte findet um 15 Uhr statt.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer beantragt hat, dem Umweltausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 565/A (E) der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend die Errichtung einer 380-kV-Leitung in Österreich eine Frist bis zum 24. März 1998 zu setzen.

In diesem Zusammenhang liegt das gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Diese kurze Debatte wird im Anschluß an die vorhin bekanntgegebene Debatte zur Anfragebeantwortung stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag erfolgt in unmittelbarem Anschluß an die Debatte.

Als nächstes teile ich mit, daß Frau Abgeordnete Mag. Stoisits beantragt hat, dem Innenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 656/A (E) betreffend Novelle zum Waffengesetz ebenfalls eine Frist zu setzen, und zwar bis zum 24. Februar dieses Jahres.

Auch hier liegt das Verlangen vor, eine Kurzdebatte durchzuführen. Diese Debatte wird im Anschluß an jene Kurzdebatte durchgeführt, die nach der Debatte über die Anfragebeantwortung stattfinden wird.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird in die Debatte eingebaut und am Ende derselben stattfinden.

Schließlich darf ich bekanntgeben, daß Frau Abgeordnete Motter beantragt hat, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 445/A (E) betreffend Entkriminalisierung von Cannabis eine Frist bis zum 24. März 1998 zu setzen.

Hier wurde keine Debatte beantragt, jedenfalls liegt mir ein solches Verlangen nicht vor. Daher erfolgt die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag nach Erledigung der Tagesordnung.

Soweit zum Ablauf der heutigen Sitzung über die Tagesordnung hinaus.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Tagesordnung selbst liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 4 und 5 sowie 7 bis 13 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten für die heutige Tagesordnung wie folgt erzielt: Eine Tagesblockredezeit von 9 Stunden wird vorgeschlagen, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Auch das ist nicht der Fall. Damit ist das vom Hohen Haus so festgelegt, und zwar einhellig.


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1. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1996 (III-92/980 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Verlangen auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Trattner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.13

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir feiern heute in gewisser Weise eine Premiere: Ich war es bisher gewohnt, daß wir den Bundesrechnungsabschluß immer zu mitternächtlicher Stunde abgeführt haben. Heute haben wir einmal die Möglichkeit, ihn zu einem Zeitpunkt abzuhandeln und zu diskutieren, zu dem er auch noch entsprechendes Interesse wecken sollte.

Zunächst einige generelle Anmerkungen zum Bundesrechnungsabschluß beziehungsweise zu den zeitlichen Rahmenbedingungen, die uns immer wieder vorgesetzt werden.

Herr Präsident! Es wäre gut und notwendig, den Bundesrechnungsabschluß zu jenem Zeitpunkt behandeln zu können, zu dem wir in die Budgetberatungen für das nächste Jahr eintreten. Es hat keinen Sinn, den Bundesrechnungsabschluß vier Monate später, als das Budget für das Folgejahr besprochen und beschlossen wird, zu behandeln. Es müßte doch möglich sein, den Bericht für das Budget spätestens im August in das Hohe Haus zu bringen beziehungsweise den Abgeordneten zur Verfügung zu stellen, damit der alte Rechnungsabschluß im Rahmen der Budgetberatungen auch als Grundlage für die nächsten Budgets herangezogen werden kann, um dann auch für die Zukunft Budgets zu erstellen, die eher den Tatsachen entsprechen und nicht zu sehr in das Land der Märchenwelt geraten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das ist eine gute Idee!)

Ich bin aber andererseits froh über den Bericht des Rechnungshofes, denn er hat eine Kritik angebracht, für die wir Freiheitlichen im Rahmen der Budgetdebatte immer kritisiert worden sind. Es hat immer wieder geheißen, die Oppositionsparteien – in erster Linie die Freiheitliche Partei – machen das Budget schlecht. Alles, was sie sagen, stimmt nicht, es wird etwas ganz anderes eintreffen. Der Herr Finanzminister – oder der ehemalige Finanzminister – ist, bevor er Bundeskanzler wurde, im Rahmen einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit getreten und hat sich dafür bedankt, daß der Budgetvollzug eingehalten worden ist, daß man nur zu einem Drittel Steuern erhöht und zu zwei Dritteln die Ausgaben gekürzt hat. Er hat gemeint: Was will denn die Oppositionspartei eigentlich? Der Budgetvollzug ist doch in bester Ordnung und bestens gelungen.

Tatsache ist – und hiefür bin den Damen und Herren des Rechnungshofes sehr dankbar –, daß eben durch den Rechnungshof entsprechende Kritik angebracht wird, und zwar wird auf die Tatsache verwiesen, daß es keine ausgabenseitige Budgetsanierung gibt. Man nimmt Bezug auf die Wifo-Studie, die besagt, es besteht zumindest ein Verhältnis 50 : 50; im OECD-Bericht steht sogar, daß es eine einnahmenseitige Budgetsanierung ist. In diesem Rechnungshofbericht steht also klipp und klar, was die Freiheitlichen immer wieder behauptet haben, und damit ist es jetzt endlich fixiert, daß die Budgetpolitik eine reine Steuererhöhungspolitik war und keine Ausgabenkürzungen beinhaltet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man sich ansieht, wie sich die Steuern gegenüber dem Jahr 1995 erhöht haben, braucht man nur auf den Rechnungsabschluß zu verweisen. Da bewegen sich die Mehreinnahmen gegenüber 1995 bei den direkten Steuern in der Größenordnung von 29,5 Milliarden Schilling, bei den indirekten Abgaben liegen sie bei 28 Milliarden. Das macht allein eine Summe von 57 Milliarden aus. Bei den sonstigen Erträgen beziehungsweise Privatisierungen hat man noch


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zusätzlich 4 Milliarden gegenüber 1995 eingenommen. Das heißt, über 60 Milliarden Schilling sind durch Mehreinnahmen hereingekommen.

Stellt man dem auch noch gegenüber – was man zwar nicht 1 : 1 machen kann –, daß der Konsolidierungsbedarf für das Jahr 1996 lediglich 60 Milliarden ausgemacht hat, dann kann man feststellen, daß dieser Konsolidierungsbedarf nur aufgrund von Steuererhöhungen erbracht worden ist.

Wir haben damals auch den Finanzminister kritisiert, daß der Vollzug beziehungsweise das Defizit in der von ihm dargestellten Form den Tatsachen wahrscheinlich nicht entspricht. Wir haben ihm damals Beispiele aufgezählt, etwa daß der Bund Rechnungen hintangehalten hat, daß er Überweisungen für Zahlungsverpflichtungen, die bereits in den Monaten des dritten Quartals des Jahres fällig gewesen wären, nicht durchgeführt hat, sondern diese Zahlungen erst im Jänner des Folgejahres angewiesen hat. Es wurde alles als Unsinn hingestellt.

Wenn ich den Gebarungserfolg durchsehe – und ich nehme als Grundlage wieder den Bericht des Rechnungshofes –, dann stelle ich fest, daß sich die offengebliebenen Verpflichtungen im Zeitraum 1996 von 8 Milliarden auf über 20 Milliarden erhöht haben. Das ist eine Zunahme von fast 12 Milliarden Schilling. Es kann also von einem ordentlichen Budgetvollzug keine Rede sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dieses Budgetdefizit, diese 89 Milliarden Schilling entsprechen also nicht den Tatsachen, sondern man müßte zumindest diese 12 Milliarden hinzuzählen, sodaß sich bereits ein Defizit von über 100 Milliarden ergibt.

Es geht daher auch darum, daß diese Budgetpolitik der reinen Steuererhöhung auch im EU-Raum zu einer Konsequenz geführt hat, und zwar dazu, daß diejenigen Länder, die eine hohe Steuer- und Abgabenquote haben, im Wirtschaftswachstum hintennachhängen und die Länder mit einer niedrigen Steuer- und Abgabenquote ein hohes Wirtschaftswachstum haben, wie zum Beispiel die Niederlande.

Und noch eine Mär, mit der man wirklich einmal aufräumen sollte: Sie haben immer wieder gesagt, Steuersenkungen führen zu Mindereinnahmen. Und wenn ich jetzt wieder den Rechnungshofbericht zur Hand nehme, so stelle ich fest, daß eines dezidiert drinnen steht – ich zeige das nur anhand eines kleinen Beispieles auf –: Bei der Schaumweinsteuer hat es Mehreinnahmen in der Größenordnung von 68 Millionen Schilling gegeben. Das ist auf eine überproportionale Zunahme des Umsatzes aufgrund der Steuersenkung zurückzuführen.

Das ist wieder ein Indiz dafür, daß eine Steuersenkung nicht zu Steuermindereinnahmen führt, sondern sie führt zu einem erhöhten Wirtschaftswachstum, zu mehr Arbeitsplätzen und damit indirekt zu höheren Steuereinnahmen, weil es eben weniger Arbeitslose gibt, die Wirtschaft wächst und die Nachfrage nach Konsumgütern und auch nach Investitionsgütern eine höhere ist, wodurch eine Freude bei den Unternehmern entstehen soll, auch zu investieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und deshalb: Reden Sie nicht immer nur herum, eine Steuerreform im Jahre 2000 zu machen! Nehmen Sie sich das Papier der Freiheitlichen zur Hand! Wir haben entsprechende Vorschläge formuliert im Rahmen der Unternehmensbesteuerung, der Nichtbesteuerung der nichtentnommenen Gewinne beziehungsweise einer Senkung der Lohnsteuer. Machen Sie es nicht für das Jahr 2000 oder 2001!

Sie lavieren jetzt herum, indem Sie andere Abgaben erhöhen beziehungsweise einführen wollen. Ziehen Sie dieses Programm im Sinne Österreichs durch, damit es zu einem gesunden Wirtschaftswachstum und zu Arbeitsplätzen für die Bevölkerung kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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10.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gartlehner. Wünschen Sie eine Redezeit eingestellt? – Bitte.

10.20

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich stelle den Aussagen meines Vorredners Gilbert Trattner von der freiheitlichen Fraktion Aussagen und Zitate des Internationalen Währungsfonds gegenüber, die sich auch mit dem Budgetvollzug in Österreich beschäftigt haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich erlaube mir hier mit freundlicher Genehmigung des Internationalen Währungsfonds zu bemerken, daß die bisherigen Budgetmaßnahmen beeindruckend waren. Die erfolgreiche Budgetkonsolidierung 1996 hat die Glaubwürdigkeit der Regierung deutlich erhöht. (Abg. Auer: Das mußt du ihm noch einmal sagen!) Infolge des vorhandenen Drucks, der in Richtung Steuererleichterungen geht, ist es sinnvoll, daß die Steuerreform auf das Jahr 2000 verschoben wird. Und so weiter und so fort. Ich könnte Ihnen heute hier noch sehr viele Zitate, die sehr positiver Art sind, des IWF, aber auch der OECD bringen.

Tatsache ist, daß das Jahr 1996 in der Geschichte der Republik Österreich wahrscheinlich jenes der schärfsten Budgetkonsolidierungsphase gewesen ist. Die Jahre 1996 und 1997 mit ihren Doppelbudgets und ihren Sparpaketen, die ja eine echte öffentliche Herausforderung gewesen sind, weil die Neuverschuldung auf 8 Prozent angewachsen wäre, fanden große Zustimmung in der Bevölkerung. Vor allen Dingen – das hat man ja dieser Bundesregierung nie zutrauen wollen oder immer unterstellt – erfolgten auch die Realisierung und der Vollzug in einer Präzision, die man dieser Bundesregierung nicht zugetraut hätte.

Meine Damen und Herren! Das Budgetdefizit wurde im Voranschlag mit 89,8 Milliarden Schilling angesetzt. Tatsächlich betrug der Erfolg 1996 89,4 Milliarden Schilling. Wir wissen seit einigen Tagen, daß auch die Vorhaben des Jahres 1997 ebenfalls mit dieser Präzision realisiert wurden. Dies ist aus mehreren Gründen objektiv beeindruckend, meine Damen und Herren, vor allem aber deshalb, weil ja andere Länder strengere Budgetmaßnahmen gesetzt und geringere Erfolge geerntet haben. Ich erinnere hier nur an die Bundesrepublik Deutschland, die mehrfach versucht hat, erfolgreich Budgetkonsolidierung zu betreiben. Es ist dort so nicht gelungen.

Ich glaube auch, daß man der Bundesregierung insgesamt großes Lob aussprechen muß, weil alle Ministerien, alle nachgelagerten Stellen, aber auch die beamteten Strukturen in ihrer Tätigkeit die Budgetziele erfolgreich realisiert haben, regelmäßiges Controlling erstmals in diesem Jahr 1996 begleitend eingesetzt wurde und der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Klima wirklich ein Meisterwerk am Ende des Jahres 1996 vorlegen konnte. (Abg. Böhacker: Wenn das ein Meisterwerk ist!) Natürlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie hat er das gemacht, Herr Kollege Böhacker? – Es war der Vollzug sehr präzise. Die gesteckten Einsparungsziele, die dahin gingen, im Bundesdienst 3 000 Stellen einzusparen, wurden erfüllt, sogar übererfüllt. 3 159 Stellen wurden tatsächlich eingespart. Sie erinnern sich sicherlich an das Lehrerpaket, an die Stabilisierung der Kosten bei den Landeslehrern. Auch hier gab es ein Agreement mit den Bundesländern, allfällige Mehrkosten, die über den Budgetrahmen hinausgehen, selbst zu tragen. Daher erfolgten auch keine Kostensteigerungen in diesem Bereich. Es ist gelungen, innerhalb eines Jahres die Zahl der Frühpensionierungen massiv zu reduzieren. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter lag in Österreich bereits bei 56,4 Jahren. Innerhalb eines Jahres wurde es auf 58,1 Jahre hinaufkatapultiert, wobei es das Ziel der Bundesregierung ist, das tatsächliche Pensionsantrittsalter dem gesetzlichen weitestgehend anzunähern.

Ein weiterer Punkt war auch, daß die Finanzierungskosten für die Staatsverschuldung sehr günstig gehalten wurden und somit gegenüber dem Bundesvoranschlag 2,5 Milliarden Schilling weniger an Kosten für Zinsen und Verwaltungsabgaben aufgelaufen sind. Und all das ohne den budgetierten CA-Verkauf, der erst 1997 finanzwirksam wurde.

Mit einem Wort, meine Damen und Herren: Ich glaube, wir können uns bei dieser Bundesregierung, bei den Beamten unserer Bundesverwaltung und in allen Ministerien, bei allen politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Landesebene – sie würde ich hier miteinschließen –


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sehr herzlich bedanken. Das Jahr 1996 war wirklich ein starkes, ein sehr erfolgreiches Jahr. Das Jahr 1997 mit dem neuen Finanzminister wurde, wie wir inzwischen wissen, ebenfalls sehr erfolgreich abgeschlossen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

10.26

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Rechnungsabschluß 1996 vorerst das aus unserer Sicht Positive: Herr Niederwieser, wir schließen uns an, wir haben es nicht notwendig, Kritik künstlich herbeizuführen, das wäre ein Mißverständnis. Wir kritisieren ja nicht des Kritisierens wegen, sondern weil wir glauben, daß es Punkte gibt, über die man diskutieren sollte und wo vielleicht eine unterschiedliche Meinung besteht.

Am formellen Rechnungsabschluß nehmen wir keinen Anstand, wir haben die Kritikpunkte bei der Budgetdebatte geäußert. Wir glauben, daß das Budget nicht richtig war. Aber das in unseren Augen nicht richtige Budget wurde ordnungsgemäß vollzogen. Erfreulicherweise haben sich, Herr Staatssekretär, die Plus und Minus ausgeglichen. Die Fehleinschätzungen auf der positiven wie auf der negativen Seite ergeben eine Saldogröße von 400 Millionen – zum Glück auf der positiven Seite. Daher ist das in Ordnung, und das ist auch anzuerkennen und zu erwähnen.

Wenn wir etwas tiefer in diesen Rechnungsabschluß beziehungsweise in den Bericht des Rechnungshofes hineingehen, dann möchte ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Trattner im großen und ganzen anschließen. Er hat die wesentliche Passage, die auch in unseren Augen bemerkenswert ist und die wir uns auch nochmals in Erinnerung rufen sollten, richtig zitiert. Das Wesentliche nur in einem Punkt: Der Rechnungshof vertritt die Auffassung, daß mit einnahmenseitigen Maßnahmen eine nachhaltige Budgetkonsolidierung nicht erzielt werden kann, weil diese nichts an den Ursachen des Ausgabenüberhangs zu ändern vermögen. Lineare Ausgabenkürzungen und undifferenzierte Aufnahmesperren im öffentlichen Dienst stellen dabei nach Ansicht des Rechnungshofes keinen tauglichen Lösungsansatz dar.

Nun, meine Damen und Herren, wir Liberale haben dem nichts hinzuzufügen. Aber, Herr Kollege Gartlehner, ich halte es wirklich für unzumutbar, daß Sie, wenn Sie als Regierungskoalition einer Kritik des Rechnungshofes ausgesetzt sind, "ins Ausland flüchten". Ich bitte Sie, sich dies das nächste Mal auch zu überlegen, denn Sie sind ja Regierungsparteien und haben zwei Möglichkeiten: Sie können sich entweder ausländische Experten nehmen – dann sagen Sie aber dem Herrn Fiedler, er solle heimgehen, er sei nicht mehr erforderlich – oder Sie halten sich an die Kritik des Herrn Fiedler, denn es handelt sich beim Rechnungshof um ein teures und wirkungsvolles Instrument in dieser Republik. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn der Fiedler oder der Rechnungshof etwas sagt, das IfW aber etwas ganz anderes, dann müßten Sie, so meine ich, einmal bekennen, woran Sie sich orientieren wollen. Solange Sie sich dazu nicht eindeutig äußern, hoffe ich zumindest, daß es der Rechnungshof und keine andere Instanz ist. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.)

Auch wir glauben, daß der Rechnungshof in diesem Punkt einfach den Kern der Sache trifft. Wenn Sie, Herr Kollege Gartlehner, sagen, 1996 war eben das große Reformjahr, das Jahr der Budgetkonsolidierung, dann muß ich sagen, formaliter haben Sie recht, Sie haben das Budgetdefizit gesenkt. Sie haben es gesenkt und haben die Bereitschaft der Bevölkerung erwirkt, das mitzutragen, indem Sie ihr vorgegaukelt haben, Sie hätten mindestens zwei Drittel an ausgabenseitigen Einsparungsmaßnahmen und maximal ein Drittel an einnahmenseitigen Maßnahmen vor. Erinnern Sie sich an die Äußerungen von Schüssel, auch von Finanzminister Klima, und ich weiß nicht, wer sich da noch aller geäußert hat, aus denen das ganz eindeutig hervorgegangen ist.

Sie haben wie immer oder wie fast immer eben nur die halbe Wahrheit gesagt. Man kann auch sagen, Sie haben wieder einmal geschwindelt. Schüssel hat doch recht gehabt, als er von einem


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"Schwindelbudget" gesprochen hat. Sie haben sich schon so an das Schwindeln gewöhnt, daß es Ihnen gar nicht mehr auffällt.

Tatsache ist, und alle drei Oppositionsparteien haben das zeitgerecht aufgezeigt, Sie sagen der Bevölkerung nicht die Wahrheit und Sie greifen in die Taschen der Bürger, um sich vorübergehend Luft zu schaffen. Jeder, der sich mit Budgetfragen auseinandersetzt, weiß ... (Abg. Dr. Nowotny: Kürzungen von Sozialausgaben haben keinen Effekt auf den Bürger?)  – Nein, Herr Kollege Nowotny, die haben auch Auswirkungen auf die Bürger, aber den Bürgern ist die Wahrheit zumutbar. Sie brauchen sie doch nicht zu belügen, Herr Professor! (Beifall beim Liberalen Forum.) Warum tun Sie das? Selbstverständlich. Sie gehen hin und sagen, ein Drittel ausgabenseitig ... (Abg. Dr. Nowotny: Beherrschen Sie Ihre Sprache!)

Herr Professor Nowotny! Ich war doch öfter dabei. Sie waren doch einer jener, die gesagt haben, ich lege meine Hand ins Feuer, es ist eine Budgetsanierung, die ausgabenseitig erfolgen wird. (Abg. Dr. Nowotny: Eine sozial gerechte!) Hier im Rechnungshofbericht steht die Wahrheit, lesen Sie nach, es war eine einnahmenseitige Sanierung, und das wollten Sie der Bevölkerung nicht sagen. Sie hatten Angst, Sie würden politische Konsequenzen zu tragen haben. Diese Angst hatten Sie zu Recht, Herr Kollege Nowotny. (Beifall beim Liberalen Forum.) Und es wäre Ihnen auch recht geschehen. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist der Unterschied: Sie wollen die Sozialausgaben kürzen!)

Unterstellen Sie mir doch nicht etwas! Ich möchte eine Budgetsanierung haben, und zwar eine einnahmenseitige, reformbestimmte Budgetsanierung, aber nicht eine Wischiwaschi-, eine Reförmchenpolitik, wie Sie sie betreiben.

Dann möchte ich noch etwas sagen: Wenn schon Reförmchenpolitik, weil die Kraft nicht da ist, Herr Kollege Nowotny, dann sollte man sich wenigstens trauen, es zuzugeben (Beifall beim Liberalen Forum) , denn das Schlimmste ist, wenn man dann, wenn man selbst nicht in der Lage ist, irgend etwas zu bewirken, sich selbst erfolgreich belügt, denn dann glaubt man es am Schluß selbst, und Sie gehören dazu. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Nowotny: Aber Sie trauen sich nicht konkret zu sagen, was Sie kürzen wollen!) Herr Kollege Nowotny! Auch wenn Sie unsere Vorschläge nicht lesen und nicht aufgreifen, muß ich sagen, wir trauen uns schon lange. Das verwechseln Sie. (Abg. Dr. Nowotny: Jetzt haben Sie die Chance! So genau nehmen Sie es nicht! Was wollen Sie kürzen?)

Herr Kollege Nowotny! Was wollen Sie denn noch gutreden? Meine Feststellung ist: Sie haben bei der Budgetdebatte 1996 der Bevölkerung und diesem Hohen Haus versprochen, Budgetmaßnahmen zu setzen, die im Ausmaß von zwei Dritteln ausgabenseitig determiniert sind. (Abg. Dr. Nowotny: Sozial gerecht!) Sie waren das. Herr Kollege Nowotny! Sie, der Herr Bundesminister, der Herr Bundeskanzler, haben das versprochen. Sie haben dieses Versprechen wieder einmal – für uns ist das ja keine Überraschung – nicht gehalten, und der Rechnungshof hält Ihnen nunmehr den Spiegel vor. Lesen Sie es nach, dann gehen Sie in sich und tun Sie Buße! Das wäre das einzige, was Ihnen anstehen würde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun zurück zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Gartlehner. Es stört mich diese Zwiespältigkeit. Ich habe nichts dagegen, Sie können die Wahrheit sagen. Ich muß Ihnen doch zuhören, auf Ihre Ausführungen replizieren. Es tut mir einfach leid. Sie können mir doch nicht zumuten, daß ich das alles anhöre und dann nicht frage: Wozu tun Sie das, Herr Gartlehner? Schauen Sie, es sind ohnehin nicht viele Abgeordnete anwesend. Sagen Sie doch die Wahrheit, das ist viel gescheiter. Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen. Das ist fast eine Beleidigung, denn ich muß mich fragen, warum Sie mir das antun. Also bitte, Herr Gartlehner, schwindeln Sie in Zukunft nicht mehr bei solchen Sachen, es würde Ihnen gut anstehen. (Abg. Dr. Maitz: So etwas Arrogantes! – Abg. Dr. Nowotny: Wenn Sie uns sagen, was Sie sozial kürzen wollen, dann ist das auch eine nette Geste!)

Im Gegensatz zu Ihnen möchte ich keine Kürzungen im Sozialbereich, Herr Nowotny. Haben Sie das noch nicht verstanden? Sie glauben, weil ich eine andere Rolle spiele, befürworte ich Kürzungen im Sozialbereich. Nein, ich glaube, daß Sie Kürzungen im Sozialbereich wollen. Sie


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haben sogar bewiesen, daß Sie sie wollen, denn Sie haben entsprechende Gesetze in diesem Parlament verabschiedet, die die Ärmsten der Armen getroffen haben. (Beifall beim Liberalen Forum.) Die Stimme dafür haben Sie von den Liberalen nicht bekommen und von mir auch nicht. Also tun Sie nicht so, als würden wir Kürzungen im Sozialbereich befürworten und Sie das Füllhorn ausschütten! (Abg. Dr. Nowotny: Deshalb stört Sie ...!)

Mich stört gar nichts. Ganz im Gegenteil, Herr Kollege Nowotny, ich habe heute das Privileg, ich kann volle 20 Minuten mit Ihnen streiten. (Abg. Dr. Nowotny: Wunderbar!) Geben Sie mir noch ein Argument, dann bekommen Sie auch die entsprechende Antwort.

In diesem Budgetkonsolidierungsreigen der letzten zwei Jahre sollten sich die Sozialdemokraten wirklich einmal überlegen, wem sie das Prädikat Sozialkürzungen zuerkennen. Ich sage Ihnen, das sind Sie. Das Ticket, Herr Kollege Nowotny, haben Sie, unerheblich, in welchem Bereich, ob das bei den Mindestrentnern oder bei den Sozialhilfeempfängern ist, und so weiter und so fort, es waren Ihre Beschlüsse. (Abg. Dr. Nowotny: Alles ausgabenseitig!)

Herr Kollege Nowotny! Obwohl Sie diese schmerzlichen ausgabenseitigen Maßnahmen getroffen haben, haben Sie trotzdem zur Notbremse der einnahmenseitigen Sanierung greifen müssen, dies, obwohl Sie es anders versprochen haben, weil Sie ausgabenseitig gar nicht den Spielraum hatten oder ihn sich nicht geschaffen haben. Dann sollten Sie der Bevölkerung einfach sagen: Es tut uns leid, ausgabenseitig ist nicht mehr drinnen gewesen, wir müssen euch leider ein bißchen schröpfen! Da ein bißchen, dort ein bißchen, das ist in Ordnung, Sie können es doch vertreten, Sie sind an der Macht und Sie sind an der Regierung, nur schwindeln sollten Sie nicht. (Abg. Dr. Nowotny: Sagen Sie doch etwas Inhaltliches!)

Sie sollten nicht sagen, es ist eine ausgabenseitige Sanierung, wenn Sie in Wahrheit Steuern erhöhen, Belastungen einführen, den Wirtschaftsstandort schwächen und so weiter, Herr Kollege Nowotny. Das ist nicht redlich! (Abg. Dr. Nowotny: Sie haben 20 Minuten Zeit, um zu erklären ...!)

Herr Kollege Nowotny! Noch einmal: Sie haben Sozialdemontage betrieben und sind trotzdem auf keinen grünen Zweig gekommen. Sie haben Einnahmen erhöht bis dorthin, wo die Unerträglichkeit beginnt, und haben trotzdem keine nachhaltige Budgetsanierung erreicht. Sie haben alle Sünden begangen, ohne etwas zu erreichen. Und der Rechnungshofbericht sagt es Ihnen. Wenn Sie – wie Kollege Gartlehner – der Meinung sind, er irre sich und er sei nicht kompetent genug, dann sollten Sie diesem Hohen Haus erklären, warum wir den Rechnungshof noch unterhalten, Herr Kollege Nowotny. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Nowotny: Trotz 20 Minuten Redezeit sind Sie nicht imstande, konkrete Vorschläge zu machen!)

Was ich Ihnen gebe, Herr Kollege Nowotny, ist immer noch meine Sache. Sie müßten sich – und dazu habe ich Sie schon oft genug eingeladen – einmal die Zeit nehmen und auch die inhaltlichen Aussagen studieren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Herr Kollege Nowotny! Sie können dann herausgehen und auf meine Ausführungen replizieren. Ich leihe mir von Andreas Khol oder von Peter Kostelka den Platz aus, und dann behandeln wir das Thema umgekehrt.

Herr Kollege Nowotny! Sie haben der Bevölkerung eine ausgabenseitige Budgetsanierung vorgegaukelt. Sie haben eine Reformpolitik versprochen, aber nicht eingehalten. Das, was Sie hier schönreden wollen, Ihre Flucht ins Ausland, um dort positive Expertenmeinungen herbeizuführen, ändert nichts daran. Wir haben einen Reformstau, wir haben Handlungsbedarf, und diese Koalition zeigt sich zunehmend als reformunfähig. Es mag sein, daß Sie das selbst bedauern, das ist aber eine Tatsache.

Ich darf Sie daran erinnern: Sie haben eine Pensionsreform beschlossen, die den Namen nicht verdient. Sie wissen, Sie haben einen eigenen Experten geladen, haben dessen Vorschläge allesamt oder zumindest zum Großteil verworfen und haben keine Pensionsreform zustande gebracht. Die wenigen Schritte, die Sie gesetzt haben, haben Sie so gesetzt, daß Sie noch dreimal wiedergewählt werden können, vielleicht mit Hilfe eines Bundeskanzlerbriefes, in dem es heißt:


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Macht euch keine Sorgen, die Pensionen sind ohnehin sicher! Kein Mensch glaubt es Ihnen, Herr Kollege Nowotny, und kein Mensch kann es Ihnen glauben.

Es gibt keine Reformschritte in der öffentlichen Verwaltung. Herr Kollege Gartlehner! Wenn Sie 3 000 abbauen, obwohl Sie 30 000 abbauen müßten, dann würde das, so meine ich, nicht einmal die Benotung fünf verdienen. Das wird schon gar nicht mehr benotet. Das ist so schwach und so schlecht, daß man darüber nicht mehr reden muß.

Herr Kollege Gartlehner! Wenn Sie erwähnen, daß Sie es zustande gebracht haben, daß ein Teil der Überstunden, die die Lehrer nicht geleistet haben, auch nicht mehr bezahlt wird, dann, muß ich sagen, sollten Sie in diesem Kontext nicht vergessen: Das ist keine besondere Leistung. Es ist kein Sanierungsschritt und auch kein Reformschritt.

Wir haben keine Bildungsreform, die diesen Namen verdient. Wir haben keine nachhaltige Reformierung des Gesundheitswesens. Das wissen Sie alle, und das wird uns auf den Kopf fallen. Wir werden darüber in diesem Haus zu diskutieren haben. Wir haben keine taugliche Reform, und ich befürchte, die im Gang befindliche Debatte über Familientransfermaßnahmen wird kein echter Reformschritt sein, sondern es wird ein fauler Kompromiß sein, der den beiden Koalitionsparteien jeweils die eigene Klientel beläßt.

Wenn Herr Kollege Stummvoll gestern an anderer Stelle erklärt hat, wir haben die Gewerbeordnung reformiert, dann muß ich sagen, es ist fraglich, wer diese Reform als solche erkannt hat. Jetzt rede ich noch gar nicht davon, ob er sie anerkannt hat, denn es ist schon schwierig, sie überhaupt zu erkennen, da die Spuren, die hier vorhanden sind, dermaßen dünn sind, daß es sich um einen besonders aromatischen Stoff handeln müßte, daß man sie erkennen kann. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Spärlich!)

Meine Damen und Herren! Ich danke vielmals für die Pause. Ich kann Herrn Nowotny jetzt wieder drei Minuten geben. Ich komme nun zu einem Thema, bei dem wir, Herr Nowotny, vielleicht eher einer Meinung sind.

Ich glaube, ich diskutiere heute den dritten Rechnungsabschluß im Hohen Haus, und zwar das erste Mal meiner Erinnerung nach als Tagesordnungspunkt 1 um 10.15 Uhr, sonst normalerweise immer um 23 Uhr oder später. Das ist ja für den Rechnungsabschluß bezeichnend. Es ist auch bis zu einem gewissen Grade Geschichtsforschung; jeder hat Ausreden, warum es anders gekommen ist, et cetera, pp.

Wir Budgetsprecher haben uns zusammengesetzt. Auch wir Liberalen haben Vorschläge gemacht und gesagt: Wir möchten gerne, daß die Rechnungsabschlüsse eines Jahres gemeinsam mit dem Budget des übernächsten Jahres diskutiert werden, sodaß ein Rechnungsabschluß, ein Budget, das in Vollzug steht, und ein Bundesvoranschlag für das nächste Jahr vorliegen, den wir beschließen sollten.

Ich meine, es gebietet einfach die Vernunft – das kann in der Politik nicht anders sein als in der Wirtschaft –, daß man dann besser über etwas reden kann, wenn man eine taugliche Unterlage hat. Wir haben zwar alle Budgets im Hinblick auf ein abgeschlossenes Jahr, aber ohne Unterlagen diskutiert; ein Budget stand noch im Vollzug. Ich sehe einfach nicht ein – auch vom Fristenlauf her nicht –, daß das nicht möglich sein sollte. Wir sind sehr weit gekommen. Ich meine, auch Herr Präsident Fiedler hat sich grundsätzlich positiv geäußert und gesagt: Wenn die Fristenfrage mit den Ansichten des Rechnungshofes einigermaßen übereinstimmend ist – und das sollte bei einem normalen Budgetjahr, wenn es im Herbst diskutiert wird, ohne Probleme der Fall sein –, könnte das angestrebt werden.

Das wäre einmal der erste Schritt. Dieser ist nach meinem Dafürhalten ein Gebot der Stunde. Wer sich nicht daran halten will, wer Ausreden oder Begründungen findet – wie es in der Politik ja sehr häufig der Fall ist –, warum es nicht geht, statt darüber nachzudenken, was man machen muß, damit es geht, handelt nach meinem Dafürhalten fahrlässig. Das sollte man nicht tun, überhaupt dann nicht, wenn man über viele hundert Milliarden Schilling diskutiert, denn man


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trägt eine gewisse Verantwortung – zumindest in meinen Augen. – Das wäre also der erste Schritt.

Zum zweiten Schritt, meine Damen und Herren: Dieses Parlament beziehungsweise dieser Plenarsaal bieten häufig ein Bild des Jammers. (Abg. Scheibner: Sie sind überhaupt nie da!) Auch heute, würde ich sagen, ist es ein Bild des Jammers, Herr Kollege Niederwieser. Jeder hat etwas zu tun. Wer nichts zu tun hat, liest Zeitung, und andere Abgeordnete sind in der Cafeteria. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Herr Kollege Scheibner! Das hat nichts damit zu tun, daß ich oder Sie nicht da sind. Das ist kein persönlicher Angriff, ich stelle nur etwas fest: Dieser Plenarsaal bietet häufig ein Bild des Jammers, und wenn Sie es mir nicht glauben, lesen Sie es bitte in den Zeitungskommentaren nach. (Abg. Dr. Ofner: Sie sollten wissen, warum es so ist!) Herr Kollege Ofner! Ich mache es so wie Sie, Ihr Kollege Haider und viele andere: Wir teilen uns die Zeit ein. Das tun Sie und einige andere Ihrer Fraktion ja auch. (Abg. Dr. Ofner: Was soll dann der Wirbel? Dann lassen Sie es bleiben!)

Ich will ja keinen Wirbel. Ich stelle nur fest, daß das Plenum ein Bild des Jammers bietet; es ist vor allem während der Budgetdebatte ein besonderes Bild des Jammers. (Abg. Haigermoser: Es sind eh alle da!) Nicht heute, heute sind wir gerade bei der Behandlung des Tagesordnungspunktes 1, es ist 11 Uhr vormittag, und alle sind anwesend. Das ist überhaupt bei den Freiheitlichen bewundernswert, die, so wie die Liberalen, geschlossen da sind – also wunderbar. (Abg. Haigermoser: Rechnen Sie es aus!) Im Prozentsatz gesehen, meine Herren! Kollege Haigermoser – noch einmal –, das ist kein Angriff gegen Sie. Das Plenum bietet, wie gesagt, ein Bild des Jammers, insbesondere bei der Budgetdebatte.

Die Budgetsprecher aller Fraktionen haben sich daher zusammengesetzt – auch jener der Freiheitlichen war dabei – und haben ein Konzept erarbeitet, wie die Budgetdebatte gestrafft werden, was man besser oder anders machen könnte. Wir haben gesagt: Kürzen wir die Budgetdebatte im Plenum auf zwei Tage, das ist machbar. Es gab andere Stimmen aus den Regierungsparteien; Kollege Neisser hat zum Beispiel gemeint, es müßte auch in einem Tag gehen. Unser Vorschlag war: zwei Tage, Ausweitung der Budgetdebatte in den Ausschußsitzungen, zum Teil öffentlich, Verzicht auf ein Schein-Hearing, das nichts bringt, und so weiter.

Es war für mich eine große Freude und auch eine positive Überraschung, als ich über die Weihnachtsfeiertage die Reaktionen dazu gelesen habe. Kollege Khol, Kollege Neisser und auch andere haben sich positiv geäußert und dem Vorschlag zugestimmt. Jetzt muß ich leider sagen: Es wäre schön gewesen. In der Zwischenzeit wurde uns schon wieder erklärt, warum es nicht geht. Niemand hat uns aber gesagt, wie es gehen könnte, niemand hat uns erklärt, was wir tun müßten, damit es geht. Es hat uns auch niemand erklärt, was wir tun müssen, um das Bild des Jammers zu vermeiden, damit wir unser Image in der Öffentlichkeit verbessern (Abg. Dr. Ofner: Sagen Sie, daß wir bis halb zwei Uhr in der Nacht dasitzen, Herr Kollege!) , damit wir eine Reputation, die nicht nur für uns persönlich unangenehm, sondern auch demokratiepolitisch höchst bedenklich ist, vermeiden können.

Das, meine Damen und Herren, möchte ich hier gesagt haben, denn ohne Geschäftsordnungsreform in Sachen Bundesrechnungsabschluß wird dieses traurige Bild der Abgeordneten fortgesetzt werden. Glauben Sie mir: Irgendwann einmal wird die Bevölkerung empfinden, daß sie "die" nicht braucht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fink. Er wird voraussichtlich 10 Minuten sprechen. – Bitte.

10.45

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Wenn man heute die Oppositionsredner gehört hat, dann mußte man feststellen, es muß ihnen wahnsinnig weh tun, daß wir – die Regierungsparteien – mit den Budgets 1996 und 1997 im Rahmen liegen. Sie hätten es nämlich gerne gesehen, daß wir mehr Defizit erwirtschaften. (Abg. Dr. Haselsteiner: Aber ganz im Ge


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genteil: Ich habe gesagt, ich freue mich! Haben Sie nicht zugehört? Waren Sie noch nicht da am Anfang?)

Ich darf Sie aber, Herr Kollege Trattner, noch an folgendes erinnern – man muß das öfter tun und wiederholen –: Auch Herr Professor Bernd Genser, der von Ihrer Partei als Experte beim Budgethearing nominiert wurde, der voriges Jahr, also 1997, gesagt hat, daß die Konsolidierung des Budgets ein beachtlicher Kraftakt, ein Stabilisierungserfolg und eine anerkennenswerte Leistung ist, hat recht gehabt. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Dr. Haselsteiner! Auch Herr Universitätsprofessor Dr. Friedrich Schneider, der Experte des Liberalen Forums, hat recht, wenn er feststellt, daß die Erreichung des Maastricht-Ziels durch die Bundesregierung einen großen Erfolg darstellt.

Ich muß aber zirka zwei Jahre nach Erstellung des Budgets 1996 in Erinnerung rufen, warum es zu diesem Erfolg gekommen ist: Die Österreichische Volkspartei hat im Jahre 1995 dem Budgetkonzept des damaligen Finanzministers Staribacher die Zustimmung verweigert, weil es massive Steuererhöhungen, Einmaleffekte von 50 Milliarden Schilling und nur eine marginale Einsparung von ungefähr 10 Milliarden Schilling beinhaltet hat. Die ÖVP hat damals im Interesse der wirtschaftlichen Gesamtlage Österreichs die politische Notbremse gezogen.

Sie werden sich erinnern: Finanzminister Staribacher wußte bereits im Juni 1995, daß die Prognosen für das Budgetdefizit 1996 nicht bei 96 Milliarden Schilling, sondern bei 173 Milliarden Schilling liegen. Trotzdem hat er noch im September 1995 behauptet, es fehlen nur 30 Milliarden Schilling. Am nächsten Tag sagte er, es werden ungefähr 50 Milliarden Schilling sein. Die ÖVP konnte und wollte diesen Kurs nicht mittragen. Staribachers Budget hätte eine neue Belastungswelle hervorgerufen, die eigentlichen Probleme wären nicht beseitigt worden. Daher war die Nationalratswahl im Jahre 1995 für die österreichische Sozial- und Wirtschaftspolitik eine historische Richtungsentscheidung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Das ist lächerlich, was Sie gesagt haben!)

Unser konsequenter Wirtschaftskurs hat die dringend notwendige Wende bewirkt. Das Beharren auf einem Konsolidierungskurs mit dem Grundsatz, das Ziel durch nachhaltige Ausgabenkürzungen zu erreichen, beweist nun auch der vorliegende Bundesrechnungsabschluß 1996.

Diese Konsolidierungspolitik hat – wie der Bundesrechnungsabschluß 1996 zeigt – ein beachtliches Ergebnis erzielt. Das Budgetdefizit, das 1995 noch 117,9 Milliarden Schilling ausmachte, wurde um 24,2 Prozent auf 89,4 Milliarden Schilling reduziert. Im Jahre 1996 sanken die Budgetausgaben gegenüber 1995 um 1,3 Prozent, die Einnahmen stiegen um 2,9 Prozent. Beachtlich ist, daß die im Bundesvoranschlag für 1996 vorgesehene Defizitreduktion sogar übertroffen wurde; dies, obwohl die Ausgaben um 2,3 Milliarden Schilling höher waren als budgetiert. Das Defizit lag schließlich um 400 Millionen unter dem präliminierten Abgang. Ohne Reservenbildung – 5,9 Milliarden Schilling wurden einer Rücklage zugeführt – hätte sich der Abgang 1996 auf 83,5 Milliarden Schilling verringert und wäre um 6,3 Milliarden Schilling unter dem ursprünglich geplanten Nettodefizit gelegen.

Die negativen Erwartungshaltungen der Opposition konnten den konsequenten Konsolidierungskurs nicht aufhalten. Den Vogel mit seiner Kritik zu den Budgets 1996 und 1997 hat Herr Abgeordneter Böhacker abgeschossen, indem er damals sagte: Den Vogel abgeschossen hat Klima, weil er das Defizit mit nur 96 Milliarden Schilling budgetierte. (Abg. Auer: Das muß ein Vogel sein!) Er hat dann weiter die Frage gestellt, ob man schon jeden Realitätssinn verloren hätte. – Herr Kollege Böhacker, Ihr Versuch, die Arbeit dieser Bundesregierung in Mißkredit zu bringen, ist komplett danebengegangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Budget 1996 wurde die erfolgreiche Sanierung des Staatshaushaltes begonnen. Sie wurde und wird 1997 und 1998 fortgesetzt. Auch das Budget 1999 ist vom Bestreben um Budgetkonsolidierung geprägt. Das erklärte und vorrangige Ziel, an der Wirtschafts- und Währungsunion teilzunehmen, wird damit erreicht. Mit den fortgeführten Reformmaßnahmen wird es der Bundesregierung gelingen, wieder den erforderlichen budgetpolitischen Spielraum zu erlangen und den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern. –


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Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Du hast es Ihnen gut reingesagt!)

10.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

10.52

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Rechnungshofpräsident! Vorweg folgendes: Die Grünen werden routinegemäß dem Bundesrechnungsabschluß nicht zustimmen, aber Sie müssen das nicht mißverstehen. Das geht in keiner Weise gegen Ihre Beamten im Rechnungshof, die wie immer gute Arbeit geleistet haben, aber die Zustimmung der Grünen könnte politisch mißverstanden werden, und zwar als Ex-post-Zustimmung zum Budget 1996. Das können wir natürlich nicht tun.

Ich möchte auch positiv vermerken, daß einige Anregungen in den Rechnungsabschluß 1996 aufgenommen worden sind, die wir im Jahr davor vorgeschlagen haben, wie zum Beispiel nicht nur die verbale Erläuterung der Bedeutung des Primärdefizits, sondern auch dessen quantitative Darstellung. Es sind auch die Darstellung des Maastricht-Defizits und der Maastricht-Verschuldung dort zu finden, wobei mir aufgefallen ist, daß die Defizitdaten der Länder und Gemeinden für das Jahr 1996 noch nicht enthalten sind, was darauf hindeutet – was wir ohnehin alle wissen –, daß die Länder und Gemeinden mit ihren Verschuldungs- und Defizitdaten sehr stark in Verzug sind.

Ich kann auch den Damen und Herren der Regierungsparteien nur empfehlen, den kurzen Kommentar auf Seite 28 des Rechnungsabschlusses zu lesen. Kollege Nowotny hat ihn bereits gelesen, weil er sich doch so gegen das, was Herr Haselsteiner gesagt hat, gewehrt hat. Es handelt sich um einen kurzgefaßten, komprimierten Kommentar, der an sich völlig in Ordnung ist und im übrigen auch keine alleinige Erfindung des Rechnungshofes darstellt. Dort werden ja Herr Kollege Lehner vom Wifo, der OECD-Bericht und der Internationale Währungsfonds zitiert. Es ist also nicht so, daß dies völlig in der Luft hängt. Doch dazu werde ich nicht mehr Stellung nehmen, denn Herr Kollege Haselsteiner hat dies bereits zur Genüge getan.

Ich möchte Sie, Herr Staatssekretär Ruttenstorfer, vielmehr auf Seite 50 im Rechnungsabschluß hinweisen. Dort finden Sie nämlich die Tabelle über die Abgabenrückstände und die Guthaben der Abgabepflichtigen. Ich würde den Rechnungshofpräsidenten bitten – hier liegen nur die nackten Daten vor –, ob der Bericht es auch ein wenig kommentieren könnte, warum diese Dynamik bei den Abgabenrückständen entstanden ist, bei den Steuerguthaben hingegen nicht. Wenn man diese Tabelle näher betrachtet, dann kann man erkennen, daß in der letzten Zeile – Entwicklung der Guthaben von Abgabepflichtigen für die Jahre 1995 beziehungsweise 1996 – 15 Milliarden Schilling aufscheinen. Diese 15 Milliarden Schilling sind genau der Grund, warum wir uns im Rahmen der Debatte über das Budget 1998 gestritten haben; deswegen gestritten haben, weil im Budget für 1998 Finanzminister Edlinger diese 15 Milliarden Schilling plötzlich als normale Steuereinnahmen verbucht hat, was in all den Jahren davor nicht der Fall war. Sie wurden als Steuereinnahmen verbucht, obwohl es sich ökonomisch gesehen de facto um einen zinsenfreien Kredit der Abgabepflichtigen an den Staat handelt und sie rein wirtschaftlich gesehen sicher keine Steuereinnahmen im üblichen Sinne sind.

Daraus folgt – und das war immer wieder Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Minister Edlinger und mir –, so habe ich behauptet, daß diese 15 Milliarden Schilling nicht defizitwirksam sind, das heißt, das echte Defizit des Jahres 1998 in Wirklichkeit um 15 Milliarden Schilling höher als offiziell ausgewiesen beziehungsweise um 0,6 Prozent des BIP höher ist. Das folgt – so meinte ich damals – aus der Philosophie der Maastricht-Abgrenzung, über die man nun lange streiten kann; aber die Maastricht-Abgrenzung eines Defizits folgt nun einmal dem sogenannten Accrual-Prinzip und nicht dem Cash-Prinzip, während das Finanzministerium so tut, als wäre das Cash-Prinzip das normale und übliche. Das Argument des Herrn Minister Edlinger war immer folgendes: Das mag schon sein, aber das ist Maastricht-konform, denn alle anderen Staaten – ich glaube, mit Ausnahme Italiens – tun das auch.


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Ich habe dieses Argument zur Kenntnis genommen, auch wenn es immer schon mehr der politischen Rationalität verpflichtet war als der Sachlogik: Nur weil es alle so machen, muß es noch lange nicht Maastricht-konform sein. Ich habe jedoch auch immer folgendes dazugesagt: Ich gebe zu, EUROSTAT hat schon öfter unverständlich entschieden, aber daß das Maastricht-konform sein soll, werde ich erst dann glauben, wenn ich es von EUROSTAT schriftlich habe. In der Zwischenzeit habe ich es schriftlich von EUROSTAT bekommen. Ich empfehle Ihnen sehr, Herr Staatssekretär, die "Eurostat-News-Release" vom 17. Dezember 1997 zu lesen. Dort geht es darum, wie Ausschüttungen der Zentralbank an den Staat budgetmäßig behandelt werden sollen, und um Fälligkeitstermine für Steuern und wie sie sich auf das Defizit auswirken.

Meines Erachtens ist es eindeutig, daß bei den Produktions- und Einfuhrsteuern – das heißt in erster Linie bei der Mehrwertsteuer – die Verbuchung zum Zeitpunkt der Entstehung der Transaktion zwingend ist. Sie haben da keinerlei Spielraum, mit 13. Überweisungen oder sonstigen Fragen der Kassenwirksamkeit der Besteuerung herumzutun. Es kommt einzig und allein auf den Zeitpunkt der Transaktion an. Insoweit also die Steuerguthaben Mehrwertsteuern sind – und ich nehme an, der größte Teil dieser Guthaben sind Mehrwertsteuereinnahmen –, sind diese 15 Milliarden Schilling, die Sie als Einnahmen verbuchen, nicht Maastricht-konform.

Ähnlich – wenn auch mit einer anderen Begründung – verhält es sich mit den Einkommensteuern und dem Rest von Vermögensteuern – in Österreich sind es vor allem Einkommensteuern. Ich will Sie jetzt nicht mehr mit diesen technischen Details behelligen. Es kommt mir nur darauf an, zu sagen: 15 Milliarden Schilling beim Defizit 1998 fehlen Ihnen jetzt plötzlich wieder. Ich bin sehr gespannt darauf, welche Phantasie Sie – in Verbindung mit dem bekannten Sachverstand der Beamten des Finanzministeriums – walten lassen werden, um diese 15 Milliarden Schilling doch wieder Maastricht-konform als Einnahmen wirksam sein zu lassen. Man lernt ja immer wieder etwas dazu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

10.59

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Österreich gehört zu den wohlhabendsten Staaten und kann auf einen sehr positiven Aufholprozeß in den letzten Jahrzehnten verweisen. Wir sind zu Recht stolz auf die Leistungen der Österreicherinnen und Österreicher. Unser Land ist das drittreichste der Europäischen Union. Aber um unter den besten zu bleiben, um künftige Fehlentwicklungen und Notprogramme zu vermeiden, mußten rasch Reformen umgesetzt werden. Eine Fortführung höherer Defizite hätte den finanz- und wirtschaftspolitischen Spielraum stark verringert und auf längere Sicht zu einer unfinanzierbaren Budgetbelastung geführt. Die Regierung hat trotz vieler Unkenrufe der Opposition verantwortungsvoll gehandelt.

Was den verbalen Ausritt von Kollegen Haselsteiner, der jetzt offensichtlich nicht mehr im Saal ist, betrifft: Herr Haselsteiner! Wenn wir den Berichten über Ihre riesigen Gewinne Glauben schenken dürfen, dann kann die österreichischen Steuer- und Wirtschaftspolitik nicht so schlecht sein, wie Sie das heute hier von diesem Rednerpult aus durch Ihre schon bekannte Schwarzweißmalerei darzustellen versuchten.

Der Bundesrechnungsabschluß 1996 bescheinigt einen absolut positiven Weg, einen Weg, der die Sicherung und Erhöhung des Wohlstandes, die Verbesserung der Beschäftigungslage insgesamt, die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie die langfristige Finanzierung unseres Sozialstaates in den Vordergrund gestellt hat.

Gerade das Jahr 1996 war ja ein Jahr der Weichenstellungen für die Zukunft unseres Landes. In den letzten Jahren hat sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte stark geöffnet. Dies hat zu einem Anstieg des Defizits geführt. Es mußten also gegensteuernde Maßnahmen gesetzt werden, die 1996 erstmals auch voll gegriffen haben.


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1996 wurden zwar gegenüber dem Bundesvoranschlag die Ausgaben um 2,3 Milliarden Schilling überschritten, jedoch gab es auch Mehreinnahmen von 2,7 Milliarden Schilling, was schlußendlich das Budget um zirka 400 Millionen Schilling entlastet hatte.

An dieser Stelle möchte ich vor allem den vielen Finanzbediensteten für ihre durch die immer schnellebigere Steuergesetzgebung oft nicht einfache Tätigkeit danken (Beifall bei der SPÖ), und natürlich will auch ich die großteils gute Steuermoral unserer Bürger hervorheben.

Die derzeitige Wirtschaftslage in Österreich erfordert eine innovative Wirtschafts- und Finanzpolitik, die von der Bundesregierung und dort vor allem vom Finanzminister betrieben wird. Denn nur damit sichern wir die Zukunft Österreichs als Sozialstaat, als wirtschaftlich gesundes Unternehmen und als politisch stabiles Land in Europa.

Aufgrund dieser positiven Entwicklung stimmen wir Sozialdemokraten dem Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1996 auch gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten? (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Bitte 8 Minuten einstellen!)  – Bitte, 8 Minuten.

11.03

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Rechungshofpräsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Es war zu erwarten, daß die Sprecher der Regierungsfraktionen den Rechnungsabschluß 1996 in den schönsten Farben schildern werden, denn es ist ja tatsächlich, Herr Kollege Auer, der Nettoabgang im Vergleich zu 1995 geringer geworden. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Ihr Kollege Fink gehörte auch zu dieser Kategorie. Herr Kollege Gartlehner hat in dem Zusammenhang sogar von einem "Meisterwerk" gesprochen.

Herr Kollege Gartlehner! Das habe ich von Ihnen nicht erwartet, weil ich Sie als einen kompetenten, sachkundigen und auch relativ nüchternen Menschen schätze. Von einem "Meisterwerk" kann in dem Zusammenhang wirklich keine Rede sein. Ich weiß nicht, Herr Kollege Gartlehner, ob Sie beispielsweise den jüngsten Wirtschaftsbericht der OECD gelesen haben. Daß Sie sich den Bericht des Internationalen Währungsfonds einverleibt haben, das habe ich gehört. Sie haben ihn nur nicht ganz zu Ende gelesen oder etwas überlesen, was ich für Sie dann noch nachtragen werde.

Jedenfalls, Herr Kollege Gartlehner und alle anderen lieben Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, steht in diesem Wirtschaftsbericht der OECD drinnen, daß das Konsolidierungsprogramm – und ich zitiere – "vorwiegend kurzfristig angelegt ist, etwa, weil eine Reihe vorgezogener, saldoverbessernder Steuereinnahmen in späteren Jahren zu saldoverschlechternden Einnahmenausfällen führen werden". – Sie wissen genau, welche Maßnahmen das sind. Ich kann sie in 8 Minuten jetzt nicht im Detail aufzählen.

Zweitens: Herr Kollege Gartlehner! Das Zitat des Internationalen Währungsfonds, das Sie gebracht haben, stimmt. Es stimmt aber auch meines, mit dem Ihnen der Internationale Währungsfonds das Märchen zerstört, daß der optisch einwandfrei dastehende Sanierungserfolg durch den geringeren Nettoabgang überwiegend durch anhaltend wirkende strukturelle Einsparungen erzielt worden sei. Dieses Märchen zerstört er Ihnen, indem er sagt: "Das österreichische Ergebnis wurde stärker durch Steuererhöhungen" – sprich Belastungen; Bauer – "als durch Ausgabenkürzungen" – sprich Einsparungen; Bauer – "erreicht." Das muß man dazusagen. Das hat der Internationale Währungsfonds auch gesagt.

Der Rechnungshof sekundiert hier mit folgenden Klarstellungen, wonach mit diesen einnahmenseitigen Maßnahmen – wörtliches Zitat – "eine nachhaltige Budgetkonsolidierung nicht erzielt werden kann" – Ende des Zitats des Rechnungshofes –, weil diese richtigerweise eben nichts an den Ursachen des Budgetschlamassels ändern können. Denn wenn Sie vorwiegend einnahmenseitig sanieren und damit an den Ursachen, die zu diesen Ausgabenüberhängen geführt


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haben, nichts ändern, werden Sie in wenigen Jahren – ich nehme an, in zwei bis drei Jahren, also nach den Wahlen; da kann ich Sie beruhigen, das ist schon richtig –, spätestens nach den nächsten Wahlen, also im Jahre 2000 oder 2001, wieder in etwa dort stehen, wo Sie im Jahre 1996 angefangen haben.

Dann schreibt Ihnen der Rechnungshof in bemerkenswerter Offenheit und Klarheit noch folgendes ins Stammbuch – ich zitiere wieder –: "Als Ausweg werden die Ausgliederung von Schulden- und Gebührenhaushalten, Vermögensveräußerungen, die Neuberechnung des Bruttoinlandsprodukts unter Einschluß der Schwarzarbeit oder andere verrechnungstechnische Maßnahmen versucht."

Also der Rechnungshof sagt Ihnen jetzt als dritte Stelle – wenn Sie schon mir, was ich irgendwie noch verstehe, natürlich Kompetenz über ein gewisses Maß hinaus nicht zubilligen wollen, ihm können Sie diese nicht so ohne weiteres absprechen wie einem Oppositionspolitiker – nach der OECD und nach dem Internationalen Währungsfonds, daß dieses Ergebnis zum ersten über die nur kurzfristig wirkenden einnahmenverbessernden Maßnahmen und zum zweiten eben nur durch – ich muß mich jetzt nicht so diplomatisch ausdrücken wie der Rechnungshof, er sagt Maßnahmen, ich sage Tricks – Tricks erreicht wurde.

Der Rechnungshof führt dann in dem Zusammenhang weiter aus: "Diese mögen zwar geeignet sein, das rechnerisch statische Ergebnis" – und daran gibt es nichts zu deuteln, das ist so! – "in die gewünschte Richtung der Erreichung der Maastricht-Kriterien zu lenken". Das ist geschehen. Das haben Sie erreicht. Das soll auch anerkannt und festgestellt werden.

Nur sagt dann der Rechnungshof weiter – ich sage es auch, aber ich berufe mich auf den Rechnungshof, weil Sie ihm das eher abnehmen als mir; ich verstehe das ja –: "Das vermag" – also diese Maßnahmen, wie er meint, diese Tricks, wie ich sage – "jedoch weder etwas am grundlegenden Problem der wachsenden Staatsverschuldung zu ändern noch den wachsenden Finanzbedarf zur Erfüllung des Schuldendienstes zu bedecken. Zu ihrer Eindämmung wären nachhaltige Strukturreformen und effiziente Verfahrensabläufe unverzichtbar." – Zitat des Rechnungshofes. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Herr Kollege Edler! Ich nehme an, Sie sind der deutschen Sprache genauso mächtig, wie ich mir einbilde, daß ich es bin. Er sagt nicht, das ist geschehen, sondern das müßte man tun. Das ist damit gemeint. Er stellt daher fest, Sie haben es nicht getan, sondern sich eben vorwiegend – ich sage ohnehin nicht "ausschließlich", sondern "vorwiegend" – auf einnahmenseitige Maßnahmen beschränkt.

Das heißt, ihr habt Steuern hinaufgesetzt und dadurch natürlich einen verbesserten Saldo beim Nettoabgang erzielt. Das ist es, und das bringt auch etwas. Natürlich, wenn es politisch umsetzbar ist, wenn es wirtschaftspolitisch verträglich ist, bringt es auch etwas. Es ändert aber am Grundproblem nichts.

Ich sage Ihnen eines: Sollten Sie mit Ihrer Partei im Jahre 1999 wieder die nächste Bundesregierung bilden (Zwischenruf des Abg. Edler – ich sage "sollten" –, dann werden Sie, das garantiere ich Ihnen, wieder mit den gleichen Problemen konfrontiert sein und wieder die gleichen Maßnahmen setzen müssen. Sie haben nichts Entscheidendes verändert mit dem, was Sie getan haben.

Hohes Haus! Das ist in etwa, was ich in den wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen, in meiner Rede zum Rechnungsabschluß 1996 unterbringen kann beziehungsweise unterbringen wollte, Herr Kollege Gartlehner.

An den vordergründig ausgewiesenen Saldoverbesserungen im Nettodefizit gibt es nichts zu rütteln. Das ist so, das ist erreicht worden. Sie haben damit das Maastricht-Kriterium erfüllt. Das aber als "Meisterwerk" zu loben, dazu besteht meines Erachtens wirklich kein Anlaß, Herr Kollege Gartlehner. Es ist bestenfalls – bestenfalls! – ein nicht ganz gelungenes Gesellenstück geworden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.12


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Stenographisches Protokoll
107. Sitzung / Seite 47

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Sigl. – Sie wünschen eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.12

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Prä-sident des Rechnungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Im Frühjahr des Jahres 1996 hat der damalige Finanzminister Mag. Viktor Klima hier im Hohen Haus in seiner Budgetrede erklärt, daß das Budget 1996 ein Konsolidierungsbudget sein wird, um für die nächsten Jahre den Haushaltsspielraum für öffentliche Leistungen in künftigen Budgets, den sozialen Frieden und Stabilität, den Wirtschaftsstandort Österreich und damit die hohe Beschäftigung, den starken Schilling und die Kreditwürdigkeit Österreichs auf den internationalen Kapitalmärkten zu sichern.

Hohes Haus! Wie wir nun aus dem Bundesrechnungsabschluß 1996 ersehen können, geben die bisher erzielten Ergebnisse durchaus Anlaß, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Der Bundesrechnungsabschluß 1996 dokumentiert eindeutig die teilweisen wirtschaftlichen Erfolge dieser damaligen vorausschauenden Finanzpolitik des heutigen Bundeskanzlers. Gleichzeitig sollte aber nicht unerwähnt bleiben, daß vor allem das Verständnis vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger für das Konsolidierungsprogramm 1996 ein wesentlicher Beitrag zu diesen budgetpolitischen Erfolgen war. Jedenfalls sollte auch die beachtenswerte Ausgabendisziplin der Länder und Gemeinden hervorgehoben werden. Durch Bundesminister Edlinger wird dieser erfolgreiche Weg der Budgetkonsolidierung nun weiter fortgeschrieben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrechnungsabschluß 1996 ist für mich ein Indikator für den stetigen Aufschwung auf dem österreichischen Markt. Nach einer eher gedrückten ökonomischen Phase in den vergangenen Jahren, bedingt durch die Weltwirtschaftslage und durch strukturelle Änderungen wie Ostöffnung, Globalisierung und westeuropäische Integration, können wir nun die positive Entwicklung einiger Wirtschaftskennzahlen verfolgen.

Zum Beispiel veränderten sich die Verbraucherpreise um 3 Zehntelprozent gegenüber 1995, und zwar von 2,2 auf 1,9 Prozent. Damit ist Österreich zu einem der preisstabilsten Länder in der Europäischen Union geworden.

Unwesentlich ist meiner Ansicht nach auch nicht der Rückgang der passiven Leistungsbilanz in Höhe von 5 Milliarden Schilling. Hauptursache für diese Änderung ist neben den dynamischen Entwicklungen der Importe vor allem die gleichbleibende Exportsteigerungsrate gegenüber 1995.

Hohes Haus! Abschließend möchte ich noch bemerken, daß durch die diversen Initiativen der Bundesregierung – hier sei nur die Export- oder Technologieoffensive genannt – Österreich weiterhin eines der wohlhabendsten Länder der Welt sein wird. Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, um den erfolgreichen österreichischen Weg, der auch durch diesen Bundesrechnungsabschluß 1996 bestätigt wird, weiter fortsetzen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

11.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Schreiner hat sich als nächster zu Wort gemeldet hat. Sie wollen mit 4 Minuten Redezeit auskommen. – Bitte.

11.15

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Sigl! Nehmen Sie einmal wirklich die rosarote Brille herunter! Ich weiß schon, daß man von seiten der Regierungsparteien diesen Rechnungsabschluß in den höchsten Tönen loben will. (Abg. Edler: Kollege Schreiner! Sprechen Sie über das Positive auch! Probieren Sie es einmal!) Aber, Herr Kollege, ich versuche, Ihnen nur vier Alarmzeichen darzulegen.


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107. Sitzung / Seite 48

Herr Staatssekretär! Trotz aller Bemühungen ist es nicht gelungen, das strukturelle Defizit wirklich einzudämmen. Das ist ein Alarmzeichen für die Zukunft, das ist ein Alarmzeichen für die nächsten Generationen, die das zu bezahlen haben. – Das ist der erste Punkt.

Herr Staatssekretär! Ein zweiter Punkt: Wenn man sich das Budget und auch den Rechnungsabschluß ansieht, so erkennt man, es gehen in etwa 15 Prozent des Sozialproduktes dafür auf, die gigantische Summe für öffentliche Pensionsaufwendungen zu bezahlen. Sie negieren die freiheitlichen Vorschläge in Richtung eines Drei-Säulen-Modells. Sie machen eine Pensionsreform, die zum Reförmchen wird.

Das Alarmierende ist, Herr Staatssekretär, daß 2,5 Prozent für Arbeitslosenunterstützung aufgewendet werden. Was ist, Herr Staatssekretär, wenn in den nächsten Jahren die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen wird? Wie können Sie dieses Geld ausgabenseitig aus dem Budget herausnehmen, ohne daß Sie die Einnahmen erhöhen? Das nenne ich ökonomische Scharlatanerie, weil das strukturelle Defizit wieder ansteigen wird.

Herr Staatssekretär! Dritter Punkt: Mehr als die Hälfte der gesamten Staatsausgaben sind Sozialtransfers. Der Staat, der an sich Güter und Dienstleistungen von der Wirtschaft bestellen soll, ist bei diesem Ausgabenrahmen unter 50 Prozent gedrückt, weil alles andere im Sozialtransfer untergeht. Keine ausgabenseitige Reform!

Herr Staatssekretär! Ein vierter Punkt: eine klare Diskussion auch hier im Haus, wann endlich eine Steuersenkung kommt. Ein durchschnittlich gut verdienender Österreicher, der zwischen 350 000 S und 600 000 S Jahreseinkommen hat, muß mit dem Grenzsteuersatz bei der Lohnsteuer, mit den zu leistenden Sozialversicherungsbeiträgen und plus der Arbeiterkammerumlage zusammengerechnet 56 Prozent an Abgaben bezahlen. Von 1 000 S kassieren der Fiskus und die Institutionen 559,50 S, der Rest bleibt ihm. Dazu sage ich nur einen Satz: Alle Macht der Bürokratie, alle Belastungen den arbeitenden Menschen! Das ist auch ein Resultat Ihrer Budgetpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Zum Schluß kommend ein paar Überlegungen, wie wir uns vorstellen – und diese freiheitlichen Vorschläge sind Ihnen schon mehrmals von diesem Pult aus erläutert worden –, das Bundeshaushaltsrecht einer Reform zuzuführen. Ich glaube, daß wir in diesem Haus statt dem Budgetausschuß, der an sich nur Berichte entgegennimmt, einen wirklichen Haushaltsausschuß brauchen, der wirklich transparent für die Mitglieder des Hauses und auch für die Öffentlichkeit eine begleitende Kontrolle der Ausgaben vornimmt. Wir brauchen ein Instrument, um einen Leistungsanreiz auch für die Beamten zu schaffen, damit sie nicht im November, Dezember das ausgeben, was sie ausgeben müssen, um nächstes Jahr einen gleich hohen Ansatz vorzufinden.

Damit meine ich auch einen Leistungsanreiz zum Sparen, Herr Staatssekretär, zum Sparen, und zwar dergestalt, daß jemand auch Beträge, die er verbrauchen könnte, in das nächste Haushaltsjahr übertragen kann, ohne daß sofort die "Keule" kommt, daß sein Etat gekürzt wird, und auch in der Form, daß ein Beamter eine Bonifikation bekommt, wenn er wirklich spart. Das würde auch das strukturelle Defizit absenken, und eine solche Absenkung ist für die finanzielle Situation der zukünftigen Generationen in dieser Republik dringend notwendig.

Weiters, Herr Staatssekretär – ich habe das gestern schon erwähnt –, ist eine Ausgabenkontrolle notwendig, eine Kontrolle auch für Ausgaben jenseits dieses Haushaltes der Republik Österreich. Damit meine ich alle Transferleistungen in die EU, in internationale Institutionen, wie ich das gestern bereits ausgeführt habe. Pro Minute zahlen wir 145 000 S über die EU Spanien in alle Förderungstöpfe – auch aus österreichischen Steuergeldern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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107. Sitzung / Seite 49

11.2
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107. Sitzung / Seite 50

1

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer. – Bitte.

11.21

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Herr Präsident! Hohes Haus! Da in der Diskussion nicht nur Fragen der Ordnungsmäßigkeit des Abschlusses berührt wurden, sondern auch budgetpolitische Fragen, erlaube ich mir doch drei kurze Bemerkungen.

Zum ersten bin ich dankbar, daß eigentlich von allen Rednern anerkannt wurde, daß die Verringerung des Nettodefizits von etwa 118 Milliarden Schilling auf 89 Milliarden im Jahre 1996 und schließlich auf 67 Milliarden Schilling für 1997 eine wesentliche Verbesserung der Budgetsituation darstellt. Diese Senkung um 50 Milliarden Schilling bedeutet, daß das Nettodefizit von etwas mehr als 5 Prozent auf deutlich unter 3 Prozent, nämlich auf 2,7 Prozent, gesenkt wurde und wir dadurch die Maastricht-Kriterien erreichen. Das ist aber nicht das Ziel, sondern wir haben dies getan, weil wir die zukünftige Finanzierung unseres Landes auf eine gesunde Basis stellen wollen. Ich glaube, das wird auch allgemein anerkannt, nicht nur vom Internationalen Währungsfonds und der OECD, sondern, wie die Diskussion zeigt, auch von der Europäischen Union.

Der zweite Punkt, der in der Diskussion wesentlich kritischer beleuchtet wurde, ist die Frage, wie dieses Ziel erreicht wurde. Ich bekenne mich dazu, daß es ausgabenseitig erreicht werden sollte und auch erreicht wurde. Ich glaube, daß man bei solchen Diskussionen sehr sorgfältig vorgehen muß. Man kann nicht einfach aus einem Vergleich der beiden Abschlüsse 1995 und 1996 erkennen, wo diese Verbesserung erreicht wurde. Man muß die Einnahmenseite etwas genauer betrachten, und dann wird man unschwer erkennen, daß zum Beispiel im Jahr 1995 eine besonders tiefe Basis auf der Einnahmenseite bei der Einfuhrumsatzsteuer vorhanden war.

Man muß aber auch die Ausgabenseite näher betrachten und fragen: Wie hätten sich die Ausgaben entwickelt, wäre es nicht zu diesen Konsolidierungsmaßnahmen gekommen? Man kann die Rückschlüsse nicht aus einem einfachen Vergleich der beiden Jahre allein ziehen. Ich bin insofern sehr dankbar, als der Rechnungshof dies erst jetzt sehr sorgfältig und im Detail zu analysieren beginnt, weil auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, wo die Veränderungen vorgenommen wurden. Ich bin sicher, daß, wenn diese Arbeit durchgeführt sein wird, erkannt werden wird, daß auch auf der Ausgabenseite sehr, sehr maßgebliche Schritte unternommen wurden und daß auch diese Seite sehr maßgeblich zur Budgetkonsolidierung beigetragen hat.

Der dritte Punkt ist, daß ich selbstverständlich konzediere, daß damit die Arbeit der Stabilisierung des Budgets auf keinen Fall noch abgeschlossen ist, sondern wir müssen uns weiterhin bemühen, dies zu tun, aber nicht durch Rücknahme der Sozialtransfers, sondern, im Gegenteil, durch weitere Kontrolle der Kosten des Staates, der Ausgaben. Wir sind dabei, die Verwaltungsreformbemühungen, die ja letzten Endes am ehesten geeignet sind, das strukturelle Defizit zu senken, voranzutreiben. Wir sind dabei, Ressort für Ressort durchzugehen, um zu schauen, ob es nicht Aufgaben gibt, die der Staat heute nicht mehr selbst durchführen sollte, die besser durch den Markt erledigt werden. Wir sind dabei, Ressort für Ressort durchzusehen, ob es nicht Gebiete gibt, wo wir die Aufgabe besser oder bürgernäher durchführen können.

Und wir sind auch dabei, die modernsten Instrumente in der Verwaltung zur Anwendung zu bringen, denn es kann dieses Einsparen natürlich auch nicht auf dem Rücken der öffentlich Bediensteten ausgetragen werden, sondern wir müssen versuchen, durch modernste Instrumente auch in diesem Bereich die Arbeitsverdichtung hintanzuhalten und zu trachten, effizienter zu werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Insgesamt gesehen glaube ich, daß es uns, wenn wir auch auf der Ausgabenseite mit Maß und Ziel weiterarbeiten, gelingen wird, die Basis für eine noch gesündere Entwicklung der Staatsausgaben zu legen, und das wird es uns dann auch erlauben, Steuerreformen mit dem Ziel einer Steuerentlastung der Wirtschaft und aller Bürger in verantwortungsvoller Weise durchzuführen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Staatssekretär.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte.

11.26

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Bundesrechnungsabschluß 1996 aus Sicht des Rechnungshofes, und es ist sicherlich legitim, wenn seitens der Opposition dazu auch kritische Anmerkungen gemacht werden. Es muß aber auch legitim sein, daß wir als Regierungsparteien auch internationale Vergleiche heranziehen und feststellen, daß unser Konsolidierungskurs erfolgreich ist. Das lassen wir uns auch nicht nehmen!

Ich kann nur gratulieren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, daß wir es gemeinsam geschafft haben. Es war sicherlich ein hartes Ringen, und es ist vor allem auch der österreichischen Bevölkerung zu danken, die diesen sicherlich schmerzlichen Konsolidierungskurs mitgetragen hat.

Es wurde von meinen Vorrednern bereits angesprochen, daß das seinerzeitige Verhandlungsteam, bestehend aus Klima, Ditz, Stix, Schausgruber, sich wirklich mutig bemüht hat, diesen Konsolidierungskurs einzuleiten, und dieser Kurs wird unter der derzeitigen Bundesregierung erfolgreich durchgesetzt. Die Bewertungen des vorläufigen Abschlusses 1997 haben gezeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind, meine Damen und Herren.

Ich glaube, es sollte auch betont werden, daß wir diesen österreichischen Weg, diesen berühmten österreichischen Weg fortgesetzt haben, daß wir versucht haben, bis zur letzten Minute zu verhandeln. Es ist manchmal ein Ende der Verhandlungen gefordert worden, aber wir haben gemeint, verhandeln zu müssen, bis es eine Einigung gibt. Ich glaube, daß das durchaus positiv zu sehen ist. Wir haben den Verhandlungstisch gewählt und nicht die Straße, meine Damen und Herren. Das, was sich im internationalen Bereich in diesem Zusammenhang abspielt – ich erinnere daran, welche Bewegungen es in Deutschland gegeben hat, in Italien, zuletzt in Frankreich, was uns mit großer Sorge erfüllt –, ist uns so erspart geblieben.

Kurz drei Anmerkungen, meine Damen und Herren: Neben der Konsolidierung ist es für uns Sozialdemokraten, ja ich glaube, für die gesamte Bundesregierung selbstverständlich, daß wir uns verstärkt für Beschäftigungsprogramme einsetzen und diese auch tatsächlich umsetzen. Wir wissen, daß es viele Projekte gibt, die fertig sind, die ausgeplant sind, für die es Finanzierungspläne gibt, die nicht realisiert werden können, weil es im Verfahren noch einige Probleme gibt. Ich glaube, wir sind gemeinsam gefordert, diese Projekte auch tatsächlich umzusetzen. Das ist wichtig für die Wirtschaft und für die Arbeitsplätze, besonders auch für die Bauwirtschaft. Ich als Eisenbahner freue mich besonders, wenn immer mehr Eisenbahnstrecken ausgebaut werden, und es könnten wesentlich mehr Eisenbahnstrecken ausgebaut werden, wenn es nicht Einsprüche gäbe. Diese Investitionen, meine Damen und Herren – wir haben das durchrechnen lassen –, würden bis zu 60 Prozent als Steuerquote in den Staatshaushalt beziehungsweise in den Topf der Sozialversicherung zurückfließen und sicherlich die Kaufkraft der Bürger stärken. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: So einfach ist das!)

Eine zweite Anmerkung, meine Damen und Herren: Die Steuerleistung hat – und das möchte ich auch von meiner Warte aus kritisch betrachten – eine Höhe erreicht, besonders was die Lohnsteuer betrifft, die problematisch ist. Viele Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben sagen uns: Diese kalte Progression ist für uns nicht mehr vertretbar.

Wir fordern auch eine Steuerreform ein. Der ÖGB, die Arbeiterkammer haben das angesprochen, und die Regierung hat das auch zu ihrer Fahnenfrage gemacht. Es wird in diesem Zusammenhang vom Jahr 2000 gesprochen. Es muß nicht nur zu einer Entlastung des Kostenfaktors Arbeit kommen, es muß auch zu einer wesentlichen Entlastung besonders der Lohnsteuerquote für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen, damit die Kaufkraft gestärkt und somit auch die Nachfrage angeregt wird.

Zur Steuer: Auch diese Frage wurde von Finanzminister Edlinger und auch von anderen Mitgliedern der Bundesregierung in den letzten Monaten angesprochen. Es muß auch innerhalb der EU zu einer Steuerharmonisierung kommen. Es ist nicht einzusehen, daß heute um Wirtschaftsstandorte gerungen wird, indem man die Steuerbelastung senkt, um so Betriebe abzuwerben.


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107. Sitzung / Seite 51

Das wäre der falsche Weg, ein Weg, den wir aus österreichischer Sicht sicherlich nicht mittragen könnten.

Eine dritte und letzte Bemerkung: Meine Damen und Herren! Die Entwicklung ist derzeit positiv, und wir haben gestern gehört, daß es bei den Exportraten eine Steigerung bis zu 30 Prozent gibt und daß sich auch das Wirtschaftswachstum positiv darstellt. Wir müssen diese Chancen gemeinsam nützen. Daher wird es notwendig sein, die anstehenden Reformen, wie es der Staatssekretär bereits angesprochen hat, weiterhin umzusetzen. Aber noch wesentlicher wird es sein, daß wir bei der Qualifikation besonders unserer Jugend, sei es in der schulischen oder in der beruflichen Ausbildung, bei der Lehre, wirklich keine Mittel scheuen, daß wir genügend Mittel einsetzen, um unseren jungen Menschen eine gute Ausbildung und dem Arbeitsmarkt, der Wirtschaft eine gute Qualifikation anbieten zu können. Das ist auch für die internationale Wirtschaft wichtig, damit es wieder verstärkt zur Ansiedlung von Betrieben kommt.

Privat oder Staat – das darf für uns kein Gegensatz sein. Vor allem die Entwicklung in Südostasien, wo fast alles privatisiert worden ist, bis hin zur sozialen Vorsorge, hat gezeigt, wohin das führt und dort jetzt den Ruf nach dem Staat laut werden lassen. Diesen Weg wollen wir nicht gehen. Der Staat hat seine Verantwortung wahrzunehmen, aber was nicht notwendigerweise von seiten des Staates durchgeführt werden muß, sollen selbstverständlich Private machen, um die Leistung für die Bürgerinnen und Bürger auch effizienter anzubieten. Der Staat soll sich jedoch nicht aus allen Bereichen zurückziehen.

Zusammenfassend, meine Damen und Herren: Der Bundesrechnungsabschluß 1996 ist von meiner Warte aus positiv zu bewerten. Es ist das sozusagen auch eine Aufforderung, erfolgreich weiterzuarbeiten. Dieser Aufforderung sollten wir nachkommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mentil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.33

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Der Überblick über den Bundesrechnungsabschluß 1996 ist interessant, aufschlußreich, und es ist gut, daß es den Rechnungshof gibt, denn er bestätigt die Kritik der Opposition und widerlegt die Schönfärberei der Repräsentanten der sozialistischen Koalitionsregierung.

Es stimmt auch, daß die Bundesrechnungsabschlüsse 1995 und 1996 nicht vergleichbar sind; da beginnt ja schon die Budgetmanipulation, beziehungsweise wird mit nackter Gewalt versucht, die Konvergenzkriterien zu erreichen. Die beiden Rechnungsabschlüsse sind deshalb nicht vergleichbar, weil ja ab 1. Mai 1996 diverse Ausgliederungen erfolgt sind. Es ist aber trotzdem interessant, denn wenn Sie in dieser Broschüre auf Seite 5 den Abschnitt "Einnahmen aus öffentlichen Abgaben" lesen, dann haben Sie hier dokumentiert, daß nicht eingespart, sondern abkassiert wurde. Sie sehen das deutlich am überdimensional gestiegenen Steueraufkommen in allen Bereichen, und das ist ein eindeutiger Beweis dafür, daß da kassiert und nicht gespart wurde.

Hochinteressant wird es aber auf Seite 9, wenn wir zu den Verpflichtungen des Bundes kommen. Wenn wir uns die offenen Verpflichtungen des Bundes ansehen, wird deutlich, daß diese um 11 714 000 000, also um 133 Prozent, nämlich von 8 805 000 000 im Jahr 1995 auf 20 519 000 000 im Jahr 1996, gestiegen sind. Der Volksmund würde sagen, das ist ein Schuldenbeutel, der das macht, der nicht bezahlt, obwohl die Zahlungen anstehen, obwohl er dazu verpflichtet ist.

Diese enorme Steigerung zeigt, wie Sie es angelegt haben, Ihr Budgetziel zu erreichen. Wir glauben aber, daß das nicht der richtige Weg ist, daß Sie das irgendwann einmal einholen wird und Sie damit in den kommenden Jahren konfrontiert sein werden. Ein ewiges Verschieben und Verlagern von Zahlungsverpflichtungen in dieser Form ist nicht möglich.


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107. Sitzung / Seite 52

Sie haben es ja bei den Schulden des Bundes genauso gemacht: Die nicht fälligen Finanzschulden sind enorm gestiegen, sonstige fällige Schulden sind enorm gestiegen. Sie haben also überall dort nicht gehandelt, wo Sie aufgrund einer korrekten Zahlungsmoral zu handeln gehabt hätten.

Die teilweise unverständlichen Ansätze im Budget für 1996 sind geradezu erschütternd. Sie setzen 1,2 Milliarden im Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an, brauchen Sie aber nicht. Es ist mir unverständlich, mit welcher Oberflächlichkeit an ein solches Zahlenwerk herangegangen wird. Ich meine, da fehlt die Sorgfalt.

Die Rahmenbedingungen, die Sie beispielsweise für Betriebsgründungen oder für eine Gründerwelle geschaffen haben, sehen beispielsweise so aus, daß Sie minus 260 Millionen Schilling für BÜRGES-Aktionen zur Verfügung haben, weil Sie sich nicht einigen konnten, wie Sie diese Konzeption gestalten beziehungsweise wie Sie das weiter vorantreiben, wie Sie das organisieren sollen. Das ist in einer Zeit, in der wir Jungunternehmer brauchen, horrend, unverständlich und verantwortungslos.

Und das zieht sich weiter durch. Das geht bis zum Eich- und Prüfungswesen, wo Sie aufgrund eines Stellenplans keine Budgetkorrekturen machen konnten. Das sind Dinge, bezüglich derer Ihnen einfach der Mut oder die Fähigkeit fehlt, Voraussetzungen zu schaffen, um wirksam Budgets erstellen zu können. Es läuft einem wirklich der kalte Schauer über den Rücken, wenn man diese Dinge näher betrachtet. Der Reformstau, der sich da gebildet hat, der Verzug, in den Sie da in Richtung Veränderung des Systems der Strukturen geraten sind, ist gigantisch. Ich bin wirklich gespannt, wann Sie das in Angriff nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

11.38

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Rechnungsabschluß 1996 stand ja heute schon über weite Strecken im Kreuzfeuer der Kritik, und gerade deshalb, glaube ich, ist es notwendig, daß ich ein paar Eckpunkte des erfolgreichen Rechnungsabschlusses noch einmal anspreche.

Herr Dr. Haselsteiner, auch wenn Sie hier heraußen einen Kopfstand machen, wird es Ihnen nicht gelingen, die erfolgreiche Budgetpolitik madig zu machen, wird es Ihnen nicht gelingen, die erfolgreiche Budgetpolitik anders darzustellen. Die Zahlen sprechen eine ganz eindeutige Sprache.

Nun zu den Fakten, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Die Horrorszenarien, die seinerzeit bei der Budgeterstellung von der Opposition immer wieder gezeichnet wurden, sind – erstens – nicht eingetroffen, zweitens ist das geplante Nettodefizit geringer ausgefallen als angenommen. Das heißt, die prognostizierte Neuverschuldung liegt bei 3,7 Prozent, was bedeutet, daß sie so eingehalten worden ist, wie sie im Voranschlag festgeschrieben wurde. Im wesentlichen heißt das, daß mit dem Budget 1996 – und das ist heute schon etliche Male angesprochen worden – der Konsolidierungskurs eingeleitet wurde, ein Konsolidierungskurs, der nachhaltig ist, und das ist entscheidend. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen heute – die Fakten liegen bereits auf dem Tisch –, daß die Nettoverschuldung im Jahre 1997 deutlich unter der 3-Prozent-Marke liegt – es werden 2,7 Prozent sein – und daß im heurigen Jahr, also 1998, das Defizit weiter zurückgehen wird. Es ist halt einfach schwer zu widerlegen, daß die Strukturreformen, die im Jahre 1996 eingeleitet wurden, erfolgreich umgesetzt worden sind. Das Ergebnis liegt uns vor, es gibt daran nichts zu deuteln. Das ist einfach so, und das ist auch erfreulich!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser offensiven Politik wird Spielraum für die Zukunft geschaffen – übrigens ein Spielraum, der immer wieder von den Oppositionsparteien ein


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107. Sitzung / Seite 53

gefordert wurde –, denn wir brauchen in Zukunft mehr freie Mittel für sinnvolle Investitionen, wir brauchen mehr Mittel für Beschäftigung und Ausbildung.

Wir gehen da einen erfolgreichen Weg – auch im europäischen Konsens –, denn schauen wir uns doch an, wie die Budgetpolitik der anderen europäischen Staaten ausschaut. Ich glaube sagen zu können, daß wir internationale Vergleiche absolut nicht zu scheuen brauchen.

Ich darf abschließend noch einmal festhalten: Das Budget 1996 hat gehalten, die Nettoverschuldung fiel geringer aus als veranschlagt. Das ist eine erfolgreiche Budgetpolitik mit Weitblick. Diesem Bundesrechnungsabschluß kann man daher nur die Zustimmung geben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich der Herr Präsident des Rechnungshofes Dr. Fiedler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Präsident.

11.42

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Bundesregierung hat sich für das Jahr 1996 die Budgetkonsolidierung zum obersten Ziel gesetzt, und es ist daher naheliegend, daß der Bundesrechnungsabschluß, der ja ein Spiegelbild des Budgetvollzuges dieses Jahres darstellt, darauf eingeht und daß der Rechnungshof dazu einige Bemerkungen im Bundesrechnungsabschluß anbringt.

Es ist von meinen Vorrednern bereits sehr viel dazu ausgeführt worden, ob dieses Ziel nun erreicht wurde und wie es erreicht wurde. Wenn man den Bundesrechnungsabschluß liest, wenn man sich die Daten näher ansieht und die Ziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, damit vergleicht, so wird man sehen, daß für den Rechnungshof selbst weder ein besonderer Grund für Euphorie noch für Resignation besteht.

Für den Rechnungshof ist positiv zu vermerken, daß, was das Jahr 1996 in der Budgeterstellung, aber auch im Budgetvollzug anlangt, ein grundsätzliches Umdenken zu registrieren ist, daß man von der Denkweise der Jahre davor abgegangen ist und daß man sich als Ziel die Erreichung der Maastricht-Kriterien vorgegeben hat.

Wenn man nun die Maastricht-Kriterien im einzelnen einer näheren Prüfung unterzieht, so wird man feststellen, daß das öffentliche Defizit im Jahre 1996 gegenüber den Vorjahren gesenkt werden konnte, daß allerdings die 3 Prozent, die Maastricht vorgibt, noch nicht erreicht werden konnten. Wenngleich die Zahlen für das Jahr 1997 noch nicht endgültig vorliegen, ist absehbar, daß das Jahr 1997 noch bessere Zahlen ausweisen dürfte. 1996 wurden jedenfalls die 3 Prozent noch nicht erreicht, aber es ist eine nicht unbeträchtliche Senkung des öffentlichen Defizits zu registrieren, und zwar – wie der Rechnungshof meint – durchaus positiv zu registrieren.

Die Gründe, die für dieses Absenken maßgeblich sind, sind mehrfacher Art. Der Rechnungshof verfällt da nicht in eine Schwarzweißmalerei, sondern er bemüht sich – und hat dies auch im Bundesrechnungsabschluß zum Ausdruck gebracht –, alle Möglichkeiten, die von ihm erhoben wurden, anzuführen. Es ist zweifellos so, daß eine Einnahmensteigerung dadurch zustande gekommen ist, daß die Abgabenquote erhöht wurde. Dies war auch in den Zielsetzungen der Bundesregierung verankert. Ob nun tatsächlich das Verhältnis ein Drittel einnahmenseitig, zwei Drittel ausgabenseitig erreicht werden konnte, mag im Moment dahingestellt bleiben. Der Rechnungshof hat Quellen angeführt, die dieses Verhältnis bestreiten. Er selbst wird es im Laufe dieses Jahres noch näher untersuchen.

Als zweiter Grund dafür, daß die Maastricht-Kriterien erreicht beziehungsweise eine Annäherung an diese Kriterien erreicht wurde, ist zweifellos auch das gute Ergebnis, das die Länder und Gemeinden eingebracht haben, anzuführen. Denn für das Maastricht-Kriterium des öffentlichen Defizits sind nicht nur die Schulden des Bundes, ist nicht nur das Defizit des Bundes, sondern sind die Defizite aller Gebietskörperschaften maßgebend. Da haben sich zweifellos die guten Ergebnisse der Länder und Gemeinden positiv ausgewirkt. Man sollte also insoweit diese posi


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107. Sitzung / Seite 54

tive Entwicklung nicht ausschließlich auf das Konto des Bundes schreiben, denn da sind zweifellos andere Einflüsse in größerem Ausmaß maßgeblich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein dritter Grund dafür, daß das Maastricht-Kriterium annäherungsweise erreicht werden konnte, sind die Einsparungen, die vorgenommen werden konnten, Einsparungen, die allerdings – und auch dies bringt der Rechnungshof im Rechnungsabschluß zum Ausdruck – im wesentlichen linear vorgenommen wurden und nicht aufgrund einer tiefgehenden Aufgabenkritik. Dazu meint der Rechnungshof, daß diese Aufgabenkritik in der Zukunft nicht fehlen sollte und nicht fehlen darf. Nur mit einer wirklich tiefgreifenden Aufgabenkritik, quer durch die gesamte Verwaltung, wird sich ein dauerhafter Erfolg einstellen können, sowohl was die Budgetkonsolidierung anlangt als auch was die Erreichung der Maastricht-Kriterien betrifft.

Eine Strukturreform in der öffentlichen Verwaltung erscheint mir daher unabdingbar; das kann nicht oft genug wiederholt werden. Der Rechnungshof hat dies bereits in den vergangenen Jahren getan, und er registriert positiv, daß man im Jahre 1996 doch zumindest Ansätze gezeigt hat, daß man seine Mahnungen der vergangenen Jahre ernst nimmt. Nach Meinung des Rechnungshofes ist allerdings noch viel zu wenig geschehen.

Da von einer Strukturreform in der öffentlichen Verwaltung gesprochen wurde, erlaube ich mir anzumerken, daß mit einer bloßen oder auch flächendeckenden Abschaffung des Berufsbeamtentums in der öffentlichen Verwaltung zweifellos nicht das Auslangen gefunden werden können wird. Ich halte dies im Zusammenhang mit Budgetkonsolidierung und Strukturreformmaßnahmen sogar für etwas Untergeordnetes. Sicherlich wird man damit nicht das Auslangen finden können.

Letztlich war für eine Verbesserung hinsichtlich des Maastricht-Kriteriums "öffentliches Defizit" auch maßgeblich, daß verrechnungstechnische Maßnahmen angewendet wurden, wie dies auch im Rechnungsabschluß vom Rechnungshof zur Darstellung gebracht wurde. Ich möchte betonen, daß es sich dabei durchaus um legale verrechnungstechnische Maßnahmen handelt, ich möchte aber gleichzeitig auch hinzufügen, daß diese verrechnungstechnischen Maßnahmen eine tiefgreifende Strukturreform nicht ersparen können. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, durch dauerhafte derartige Maßnahmen eine Budgetkonsolidierung erreichen und damit eine Strukturreform aufschieben zu können.

Der öffentliche Schuldenstand stellt das zweite fiskalische Maastricht-Kriterium dar. Auch insoweit war es Ziel der Bundesregierung, durch das Budget 1996 eine Verbesserung zu erreichen. Dies ist nicht eingetreten. Im Jahre 1996 sind die öffentlichen Schulden gestiegen, und zwar bis zirka 70 Prozent. Wenn es zutrifft, daß die Zahlen für das Jahr 1997 in dieser Hinsicht eine Verbesserung ausweisen, wird der Rechnungshof dies mit Zufriedenheit zur Kenntnis nehmen, er wird sie zuvor allerdings auch einer Überprüfung unterziehen.

Ich möchte, was die öffentlichen Schulden insgesamt anlangt, doch auch eine Warnung anbringen. Man hat in der jüngsten Vergangenheit mehr Wert auf die Erreichung des öffentlichen Defizits – also der berühmten 3 Prozent – gelegt und vielleicht weniger auf die Erreichung des Maastricht-Kriteriums des öffentlichen Schuldenstandes von 60 Prozent. Ich möchte deshalb warnen, weil der öffentliche Schuldenstand letztlich auch dafür maßgeblich ist, wie hoch der Aufwand für die Verzinsung der Finanzschuld ist, denn – auch dies hat der Rechnungshof im Bundesrechnungsabschluß zum Ausdruck gebracht – bereits im letzten Jahr hat die Verzinsung der Finanzschuld ein höheres Ausmaß erreicht als das Wirtschaftswachstum.

Man sollte daher auch weiterhin daran arbeiten, den öffentlichen Schuldenstand insgesamt zu senken, was im Jahre 1996, das ja heute zur Diskussion steht, noch nicht erreicht werden konnte.

Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, daß Belastungen des Bundes, des Bundeshaushaltes in indirekter Form, auch durch die Haftungen und die außerbudgetären Finanzierungen bestehen. Diesbezüglich bieten die Maastricht-Kriterien keinen Anker, um insoweit eine zuverlässige Aussage vornehmen zu können, daß allein mit dem Erreichen dieser Maastricht-Kriterien auch in anderer Weise, nämlich in Ansehung der Haftungen und der außerbudgetären Finanzie


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107. Sitzung / Seite 55

rungen, bereits eine Besserung erreicht worden wäre. Der Rechnungshof hat dies in der Vergangenheit immer wieder angemahnt. Er wird dies auch in der Zukunft tun.

Zweifellos ist positiv zu vermerken, daß die monetären Maastricht-Kriterien erreicht wurden, und zwar nicht erst im Jahre 1996, sondern schon davor, und es ist eigentlich nie zur Diskussion gestanden, daß diese Kriterien verfehlt werden könnten.

Wenn man also ein kurzes Resümee ziehen will, so ist – auch von seiten des Rechnungshofes – positiv auszuführen, daß ein Umdenken stattgefunden hat, daß man doch, wie ich meine, ernsthaft darangegangen ist, eine Budgetkonsolidierung vorzunehmen, daß allerdings noch keine strukturelle Budgetsanierung und auch noch keine strukturelle Reform der öffentlichen Verwaltung stattgefunden hat, die zweifellos noch nachzuholen sein wird. Es wurden daher im Jahre 1996 einige wesentliche Schritte gesetzt, die vom Rechnungshof begrüßt werden. Es sind allerdings noch viele Schritte zu setzen, hinsichtlich derer sich sowohl die Bundesregierung als auch der Nationalrat darüber im klaren sein müssen, daß es noch großer Anstrengungen bedarf, um das vorgegebene Ziel zu erreichen.

Der Rechnungshof wird weiterhin ein Auge darauf haben, daß dieses Ziel erreicht wird, daß die Bemühungen, die von der Verwaltung, von der Regierung, vom Nationalrat unternommen werden, auch dazu beitragen, daß die Budgetkonsolidierung, so wie wir sie alle wollen, ins Werk gesetzt werden kann.

Ich möchte allerdings daran erinnern, daß es nicht nur darum gehen kann, einmal ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das heute noch nicht erreicht worden ist – das möchte ich hier nochmals betonen –, sondern daß – und auch dies verlangt der Vertrag von Maastricht – es sich um eine nachhaltige Budgetkonsolidierung handeln muß. Und auch insoweit sind wir aufgerufen, das Unsere dazu beizutragen, damit dies erreicht werden kann.

Insgesamt gesehen stellt daher der Bundesrechnungsabschluß 1996 eine Zwischenmarkierung auf einem Weg dar, der unserer Ansicht nach in die richtige Richtung geht, dessen Ziel allerdings noch in weiter Ferne liegt. Dieses zu erreichen wird es noch großer Bemühungen bedürfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Präsident.

Als vorläufig letzter Redner in dieser Debatte ist jetzt Herr Abgeordneter Böhacker zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.53

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Es ist interessant, daß die Österreichische Volkspartei zu diesem Thema nur einen Redner stellt. Aber wahrscheinlich will sich die ÖVP von diesem "Klima-Budget 1996" absentieren und auch die politische Verantwortung dafür nicht übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Fink hat mich direkt angesprochen und meine Ausführungen zum Budget 1996 als falsch hingestellt. (Abg. Schwarzenberger: Was ja auch stimmt!) Herr Kollege Fink! Ich glaube, Sie haben nicht verstanden, was wir gesagt haben. Wir haben gesagt: Unter Ausblendung der Einmaleffekte der Vorgriffe ist das tatsächliche Budgetdefizit, das administrative Budgetdefizit wesentlich höher. Und nun hören Sie gut zu, Herr Kollege Fink, was der Rechnungshof dazu sagt: Bereinigt um budgetäre Einmaleffekte ergibt sich ein Nettodefizit von 125,3 Milliarden Schilling im Jahr 1995 und 95,4 Milliarden Schilling im Jahr 1996. Das BIP-relevante Defizit lag in beiden Jahren also erheblich über dem administrativen Haushaltsabgang. – Nicht mehr und nicht weniger drückte die Kritik der Freiheitlichen aus. Und der Rechnungshof hat diese nun bestätigt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Zunächst aber, Herr Präsident des Rechnungshofes, einen Dank an Sie und Ihre Mitarbeiter, die Sie in Ihrer zusammenfassenden Schlußbemerkung auf Seite 28 objektiv, sachlich, korrekt, ohne Schönfärberei, ohne Hickhack die Fakten auf den Punkt gebracht haben.

Wenn nun Sie, Kollege Gartlehner, meinen, das sei doch alles nicht so, muß ich Sie doch fragen: Wollen Sie dem Rechnungshof und seinen Mitarbeitern die fachliche Kompetenz abstreiten, oder glauben Sie wirklich, der Rechnungshof erledigt die Aufgaben der Opposition? – Mitnichten. Beide Annahmen müssen oder können nur falsch sein.

Meine Damen und Herren! Der Bundesrechnungsabschluß 1996 ist der in Zahlen gegossene Beweis, daß wir Freiheitlichen mit unserer Kritik am Rechnungsvoranschlag 1996 recht hatten. Jede andere Darstellung geht an der Realität vorbei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Politische Aussagen kann man interpretieren, Zahlen aber sind Fakten, die man weder gesundbeten noch krankjammern kann. Dieser Bundesrechnungsabschluß ist aber auch ein Beweis dafür, daß die sozialistische Bundesregierung mit ÖVP-Restbeteiligung den österreichischen Bürgern im Zusammenhang mit dem Belastungspaket die Unwahrheit gesagt hat. Der Präsident des Rechnungshofes hat es bestätigt: Viele Quellen deuten darauf hin, daß das Verhältnis ein Drittel Einnahmenerhöhung zu zwei Dritteln Ausgabeneinsparungen nicht gehalten hat. Das Verhältnis ist genau umgekehrt.

Dieser Rechnungsabschluß ist aber auch der Beweis dafür, daß buchhalterische Tricks, Schönung, Verstecken von Schulden durch Ausgliederung und dergleichen mehr nicht dazu führen, daß das Problem der explodierenden Staatsverschuldung gelöst wird.

Außerdem haben wir davor gewarnt, durch Vorgriffe auf künftige Budgets das Budget 1996 zu schönen. Sie von der Bundesregierung haben Ihre politische Glaubwürdigkeit verpfändet. Sie haben gesagt, daß es sich um Einmalmaßnahmen handelt – und was haben Sie getan? – Beim Budget 1998 haben Sie dieses Versprechen gebrochen und damit ... (Abg. Dr. Kostelka spricht mit auf der Regierungsbank sitzenden Mitgliedern der Bundesregierung.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter! – Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bitte Sie, wenn ein Redner der Opposition spricht, die Gespräche mit den Regierungsmitgliedern auf der Regierungsbank zu unterlassen. Herr Klubobmann Kostelka, bitte.

Herr Abgeordneter Böhacker, bitte setzen Sie fort!

Abgeordneter Hermann Böhacker (fortsetzend): Klubobmann Kostelka nimmt wahrscheinlich gerade Nachhilfeunterricht in Budgetkunde beim Herrn Staatssekretär, wo er sicher etwas lernen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich komme zum Schlußsatz, Herr Präsident. Ich habe gesagt, diese Regierung hat ihre politische Glaubwürdigkeit verpfändet, indem sie versprochen hat, daß es zu keinen weiteren Belastungen kommen wird. Sie hat dieses Versprechen gebrochen und damit ihre politische Glaubwürdigkeit verloren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Einmal mehr!)

11.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung ist nicht gewünscht.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 980 der Beilagen.

Wer dem seine Zustimmung gibt, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Mehrheit. Dem Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1996 wurde mehrheitlich die Genehmigung erteilt.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

2. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (771 der Beilagen): Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen (1045 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (930 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (1046 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, sodaß wir sogleich in die Debatte eingehen können.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Scheibner als erstem Redner das Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. (Abg. Scheibner  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja!) Wie Sie wollen, Herr Abgeordneter. (Abg. Scheibner: Ist leider so kurz!) Gut.

12.00

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der heute zur Diskussion stehende Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen ist selbstverständlich – auch aus Sicht der Freiheitlichen – vom Inhalt her absolut zu begrüßen, ist er doch ein weiterer Schritt zur Ächtung von Atomversuchen und damit auch von Atomwaffen insgesamt. Leider muß man feststellen, daß die Problematik von Atomwaffen und auch die Möglichkeit ihres Einsatzes nach wie vor aktuell ist, daß viele Staaten in der Welt über Atomwaffen verfügen, und zwar auch Staaten, die politisch als äußerst problematisch einzustufen sind, wo eine Kontrolle der Atomwaffen nicht sichergestellt ist und auch die Gefahr besteht, daß diese Waffen in Hände krimineller Organisationen gelangen.

Fraglich ist allerdings, ob durch derartige Abkommen, an die sich natürlich vor allem die demokratische Staatengemeinschaft gebunden fühlt, auch Länder mit problematischen Regimen zum Abbau von und zum Verzicht auf Atomwaffen gezwungen werden können. Trotzdem sagen wir vom Inhalt her selbstverständlich ja zu diesem Vertrag.

Allerdings haben wir massive Probleme – und deshalb können wir hier im Plenum so wie schon im Ausschuß diesem Staatsvertrag nicht zustimmen – mit der Vorgangsweise, wie diese Materie im innerstaatlichen Recht behandelt wird. Herr Außenminister, wir haben im Ausschuß darüber sehr ausführlich diskutiert und gesagt, daß wir zwei Probleme mit der Umsetzung dieses Vertrages haben.

Es ist klar, daß grundsätzlich jede Änderung eines derartigen Staatsvertrages der Genehmigung des Nationalrates bedarf. Bei diesem Abkommen, bei dem es um eine Modifizierung der Anhänge geht, gibt es aber die Möglichkeit eines verkürzten Verfahrens, was bedeutet, daß der Nationalrat keine Möglichkeit hat, diese Änderung mitzudiskutieren und auch zu beschließen. Sie, Herr Bundesminister, haben gesagt, die drei Monate, die dafür Zeit wären, seien zu kurz, um diese Materie zu diskutieren und sie dann dem Nationalrat zur Beschlußfassung vorzulegen. Wir sind nicht dieser Meinung. Wir glauben, wenn Ihr Ressort nicht so lange brauchen würde, um Staatsverträge oder Abkommen im Parlament einzubringen – in der Vergangenheit gab es da Fristen bis über ein Jahr –, dann wäre das sicherlich doch möglich. Es müßte ja der National


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rat diese Anträge nicht im Plenum diskutieren, sondern es könnte der Hauptausschuß damit befaßt werden.

Sie haben aber die Regelung getroffen, den Artikel VII, der genau dieses modifizierte Verfahren enthält, als Verfassungsbestimmung zu statuieren, und das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß wir heute hier im Nationalrat aufgerufen sind, im Sinne einer Verfassungsbestimmung, eines Verfassungsgesetzes, also des höchstrangigen Gesetzes in unserer Rechtsordnung, unsere eigenen Rechte zu beschneiden. Als überzeugter Parlamentarier kann ich dieser Vorgangsweise nicht zustimmen, zumal wir doch immer kritisiert haben, daß mit der Möglichkeit, einfache Gesetze in den Verfassungsrang zu erheben, ohnehin Mißbrauch betrieben wird. – Das zum einen.

Zum zweiten aber glauben wir, daß dem Bedarf und der Vorschrift des Artikels 50 B-VG nicht Genüge getan wird, daß nämlich diese Verfassungsbestimmungen ausdrücklich als solche bezeichnet werden müssen. Wir haben im Ausschuß kritisiert, daß der Beschluß des Ausschusses diese Bezeichnung nicht enthält. Der Verfassungsdienst hat uns eine merkwürdige Interpretation dargetan, er hat nämlich gesagt, das sei nicht notwendig, es reiche, wenn dieser Beschluß im Parlament mit Zweidrittelmehrheit gefaßt wird, denn dann könne man ja sehen, daß es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt.

Herr Außenminister! Es ist wohl klar, daß das ein Unsinn ist, denn dann wären ja alle Gesetze, die einstimmig oder mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden, automatisch Verfassungsgesetze.

Man hat jetzt im Ausschußbericht etwas dazugeflickt, was in Wahrheit nicht der Beschlußlage des Ausschusses entspricht. Deshalb sind wir der Meinung, daß der Beschluß, so wie er herbeigeführt worden ist, verfassungswidrig ist, und wir stellen daher den Antrag, die gegenständliche Regierungsvorlage 771 der Beilagen, in der Fassung des Ausschußberichtes 1045 der Beilagen, zur weiteren Behandlung an den Außenpolitischen Ausschuß rückzuverweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.05

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit ganz wesentlichen Fragen des vorliegenden Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearwaffentests befassen. Dieser Vertrag ist der Ausfluß eines langjährigen Verhandlungsprozesses. Das Ergebnis liegt jetzt auf dem Tisch, und dieses Ergebnis hat, wie ich meine, den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Es geht dabei nicht nur darum, Versuche zu verbieten, sondern es geht auch darum, sie zu kontrollieren.

Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders positiv erwähnen, daß es gelungen ist, daß Österreich als Sitzstaat für dieses Abkommen auserwählt worden ist, daß in Österreich das technische Sekretariat untergebracht ist und daß wir Österreicher bei diesem wichtigen Übereinkommen – und da stimme ich mit Ihnen völlig überein, Kollege Scheibner – auch eine Rolle in der Staatengemeinschaft zuerkannt bekommen haben.

Meine Damen und Herren! Es dreht sich im internationalen Geflecht nicht das Länderroulette, und irgendwo bleibt ein Land übrig, in dem ein solches Übereinkommen ausgeführt und überwacht werden soll, sondern die Tatsache, daß es in Wien, in der UNO-City, ein technisches Sekretariat zur Überwachung der Ausführung dieses Übereinkommens gibt, ist Ausfluß eines langjährigen Verhandlungs- und Überzeugungsprozesses. Ich möchte für meine Fraktion schon festhalten, daß wir es mit besonderer Genugtuung zur Kenntnis nehmen, daß Österreich bei diesem Übereinkommen eine klare Rolle in der Staatengemeinschaft zuerkannt bekommen hat. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Das ist natürlich auch ein Verdienst des Herrn Bundesministers und seiner Mitarbeiter im Außenamt. Ich möchte das ausdrücklich festhalten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die beiden Kritikpunkte, die Kollege Scheibner hier vorgebracht hat, sind interessant. Der eine ist meiner Meinung nach jedoch eine juristische Kleinigkeit. Ob der Ausschuß in seinem Bericht wirklich das Wort "verfassungsändernd" drinnen hat oder nicht – wichtig ist doch, was der Nationalrat beschließt, ob etwas verfassungsändernd ist oder nicht. Das ist doch das Entscheidende! (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Alles andere ist eine juristische Streitfrage. Ich gebe zu, darüber kann man diskutieren, für uns als Parlamentarier muß allerdings klar sein, daß der Inhalt das Wesentliche ist. (Abg. Scheibner: Es gibt aber die Verfassung!)

Zur inhaltlichen Kritik, die Sie hier vorgebracht haben, möchte ich auch klar Stellung nehmen. Sie haben im Ausschuß und auch jetzt im Plenum ein wenig den Eindruck erweckt, als würde die Verwaltung eine Klausel in einen Vertrag aufgenommen haben, die es ihr ermöglicht, ein Abkommen leichtfertig ohne die Zustimmung des Nationalrates zu ändern. (Abg. Scheibner: Das habe ich nicht gesagt!) In Wahrheit geht es darum (Abg. Scheibner: Es geht um das Prinzip! Sie reden immer über den Verfassungsbogen!) , daß verwaltungstechnische, daß organisatorische Maßnahmen, die in diesem Übereinkommen in Fülle im Anhang enthalten sind, auch in einem sehr kurzfristigen Prozeß in der Staatengemeinschaft geändert werden können.

Dazu darf ich festhalten: Uns ist es wichtiger, über Außenpolitik zu reden, als darüber, ob eine seismologische Überwachungsstation in Turkmenistan, in Madagaskar oder in Sri Lanka auf dem 36. oder auf dem 37. Breitengrad steht. (Abg. Scheibner: Es geht um den Grundsatz!) Für uns ist es nicht wichtig, darüber im Nationalrat zu sprechen, sondern für uns ist die Außenpolitik das Zentrum. Da unterscheiden wir uns von der FPÖ! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Die Verfassung hat immer zu gelten!)

Damit komme ich zu einem weiteren sehr entscheidenden Anlaß, über ein Problem zu reden, das gerade unsere Außenpolitik bestimmt. Die in der zweiten Gesetzesvorlage enthaltenen Änderungen im Konsulargebührengesetz sind ja in einem weiteren Zusammenhang zu sehen: Sie sind verursacht durch unsere Mitgliedschaft bei Schengen, und das ist der entscheidende Fortschritt und für uns auch eine neue Situation, in der wir uns bewegen müssen. Ich möchte gar nicht auf die Details eingehen, sondern nur zwei Ausflüsse aus dieser neuen Situation kurz beleuchten.

Das eine ist, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union mittlerweile durch unser Zutun eine neue Dimension und eine neue Qualität erreicht hat. An dieser Stelle möchte ich auch sagen, daß das erste sichtbare Zeichen, das diesbezüglich gesetzt wurde, die Teilnahme der Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner im Rahmen der Troika an der Mission in Algerien war, und das beleuchtet diese neue Qualität. Ich möchte dazusagen, daß sie ihren Auftrag sehr gut erfüllt hat, wenngleich die Mission insgesamt – und das war zu erwarten – nicht den Erfolg gebracht hat, daß die Massaker aufhören. Aber der entscheidende Punkt ist doch wohl der, daß wir die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU so verstehen, daß wir versuchen, vor Ort, in den Ländern, in denen die Probleme entstehen und beispielsweise Flüchtlinge sozusagen aus dem Land getrieben werden, Maßnahmen zu setzen.

Wir haben nichts davon, daß wir nur eine Einwanderungspolitik betreiben und reglementieren, sondern wir sollten Sorge dafür tragen, daß in Ländern wie Algerien oder der Türkei nicht Zustände herrschen, daß Menschen geradezu vertrieben werden – aus Sorge um ihr Leben und um ihre Rechte. Das ist für mich eine neue Dimension und ein neuer Auftrag, den wir als Österreicher im Rahmen der Troika sehr wohl wahrnehmen müssen.

Ich möchte noch eine zweite Bemerkung, die mir ebenfalls wichtig erscheint, dazu machen. Wir sind mit einer internationalen kriminellen Organisation konfrontiert, die den Leuten das Geld aus der Tasche zieht und sie dann im jeweiligen "verheißungsvollen" anderen Land ihrem Schicksal überläßt. Die Schlepperorganisationen sind ein wesentlicher Grund dafür, daß wir heute mit


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diesen Problemen konfrontiert sind, die wir auch vor den Toren Österreichs zu spüren bekommen. Ich halte es daher für eine sehr wichtige Initiative, gegen dieses Schlepperunwesen vorzugehen und es völkerrechtlich und strafrechtlich zu kriminalisieren und mit aller Macht der Staatengemeinschaft dagegen vorzugehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Ich möchte in diesem Zusammenhang die Initiative, die Österreich vor der UN-Generalversammlung gesetzt hat, hervorheben. Sie ist Ausdruck dafür, daß Österreich auch als kleines Land in der Staatengemeinschaft Akzente setzt, die eine sehr nachhaltige Wirkung nicht nur auf uns, sondern auf die Staatengemeinschaft insgesamt haben.

Die Bekämpfung des Schlepperunwesens wird eine der zentralen Fragen sein, wie wir am Weltgeschehen mitwirken und wertvolle Initiativen setzen können. Ich darf Sie dazu beglückwünschen und Ihrem Haus dazu gratulieren, daß das in dieser Form gelungen ist. Wie ich höre, gibt es sehr positive Reaktionen darauf. Eine ganze Reihe von Initiativen von österreichischer Seite wurde dazu aufgegriffen, und es gibt schon die nächsten Schritte, wie man das in die Realität umsetzen kann.

Ich möchte abschließend auch eine Bemerkung im Zusammenhang mit dem heurigen Jahr machen. Das Jahr 1998 hat für Österreich die tragende Rolle im Rahmen der Europäischen Union, nämlich die Präsidentschaft, zum Inhalt. Ich meine, daß wir gerade deshalb am Beginn dieses Jahres auch in diesem Hohen Haus darüber – aber nicht nur über die Inhalte – diskutieren sollten, wenngleich ich Sie, Herr Bundesminister, ersuche, noch einmal zu aktualisieren, was im Hinblick auf den Vorstoß der Bundesregierung in Richtung Verhandlungen um eine neue Strukturpolitik und ein Sonderprogramm für die Erweiterungsverhandlungen in bezug auf die Grenzregionen in Österreich gerade jetzt durch die Medien gegangen ist. Aber ich meine, daß wir uns auch darauf besinnen sollten – da appelliere ich insbesondere an die Opposition –, daß in diesem Jahr Österreich im Mittelpunkt steht und nicht das parteipolitische Hickhack da und dort. Besonders die Freiheitliche Partei – darum möchte ich sie ersuchen – sollte in diesem Jahr ihrem Slogan "Österreich zuerst" wirklich Rechnung tragen und nicht durch Störmanöver versuchen, die österreichische Präsidentschaft und damit das Bild Österreichs, das wir Europa bieten, zu stören. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich würde mir für dieses Jahr wirklich wünschen, daß wir in der Außenpolitik und in dem großen Vorhaben Österreichs, die Präsidentschaft der Europäischen Union erfolgreich zu gestalten, einig sind. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich möchte der Vollständigkeit halber festhalten, daß der Rückverweisungsantrag, den Herr Abgeordneter Scheibner eingebracht hat, geschäftsordnungskonform überreicht wurde und mit in Behandlung steht.

Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.14

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Verbot von Nukleartests ist für Österreich, wie ich meine, eine Selbstverständlichkeit. Die Ratifizierung dieses internationalen Vertragswerkes ist die klare Konsequenz der österreichischen Antiatompolitik. Es ist notwendig, daß möglichst viele Staaten diesen Vertrag möglichst rasch ratifizieren, damit dieses Verbot in Kraft tritt und ein weiterer wesentlicher Schritt für die Abrüstung unternommen wird.

Wir haben dabei einen langen Weg vor uns, und zwar einen Weg, wo die Rolle Österreichs ganz maßgeblich sein soll, wo die Rolle Österreichs als atomfreies Land vorantreibend wirken soll, wo Sie, Herr Außenminister, vom Parlament und, wie ich glaube, auch von der Bevölkerung den Auftrag haben, wirklich offensiv, vor allem was atomkraftwerksfreie Nachbarstaaten anlangt, Außenpolitik zu betreiben und die Präsidentschaft in der EU dann auch in diese Richtung zu nützen.


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Gerade vor diesem Hintergrund – die Grünen stehen deshalb diesem Verbot sehr positiv gegenüber – erscheint mir die Haltung der Freiheitlichen dazu sehr bedenklich und sehr merkwürdig. (Abg. Scheibner: Sie verstehen es nicht!) Es werden formale Argumente herangezogen. Es wird verfassungspolitisch argumentiert. Sie machen die Atompolitik, Sie machen das Verbot von Atom- und Nuklearversuchen mehr oder weniger zur Tribüne beziehungsweise zum Schauplatz für ein Kräftemessen zwischen Exekutive und Legislative. Ich halte das für den falschen Schauplatz. Für mich ist die Atompolitik jener Schauplatz, wo in Österreich alle fünf Parteien mit vereinten Kräften an einem Strang ziehen sollten (Abg. Scheibner: Dann soll man das verfassungsgemäß beschließen!) , damit wir das, was wir in Österreich erreicht haben, auch gesamteuropäisch und möglichst auch weltweit durchsetzen können. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht um das Vorantreiben der Abrüstung und um ein Vorantreiben der Schaffung eines atomfreien Kerneuropa. Aber Sie versuchen, das Ganze zum Schauplatz für kleine Tauziehaktionen zu machen, wo ohnehin nichts zu holen ist. Sie desavouieren damit die gemeinsame österreichische Haltung. Ich glaube, das müßte Ihnen schon zu denken geben.

Was ist denn der reale Hintergrund dieser Ihrer Vorgangsweise? Sie argumentieren hier am Rednerpult formal. Wenn man aber in die Debatte im Ausschuß hineinhorcht oder hineinhorchen läßt, dann erkennt man die realen Hintergründe (Abg. Scheibner: Sie waren gar nicht im Ausschuß!) , und die bestehen darin – bitte, lassen Sie sich das sagen! –, daß Sie oft gegen Abrüstungsschritte agieren (Abg. Scheibner: Wo? – Abg. Dr. Karlsson: Genau das ist es ja!), daß Ihre Politik eine Rüstungspolitik umfaßt, daß Ihre Politik der Abrüstung entgegenwirkt. (Abg. Scheibner: Das ist ein Unsinn, was Sie da sagen!)

Darf ich Sie an Ihr Verhalten beim Chemiewaffenverbot erinnern? – Sie waren dagegen. Oder wie war Ihr Verhalten beim Anti-Personen-Minen-Verbotsgesetz? – Sie waren dagegen. (Abg. Scheibner: Wo?) Ihre jetzige Gegnerschaft gegenüber diesem Verbot von Nukleartests reiht sich in die Kette von Verhaltensweisen (Abg. Scheibner: Es ist ein völliger Unsinn, was Sie da sagen!) , die dokumentiert, daß Sie an und für sich eine rüstungsfreundliche Politik, eine abrüstungsfeindliche Politik betreiben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Wenn Sie es nicht verstehen, dann sprechen Sie besser nicht dazu!)

Ich glaube, das ist ein deutliches Zeichen dafür, daß Sie sich nicht nur teilweise außerhalb des Verfassungsbogens stellen, sondern daß Sie jetzt auch einen neuen Bogen eröffnen, bei dem Sie ebenfalls außerhalb stehen, nämlich außerhalb des Antiatombogens, hinsichtlich dessen ansonsten zwischen den österreichischen Parteien im Nationalrat Konsens herrscht. Das gibt mir sehr zu denken. (Abg. Scheibner: Denken Sie weiter, vielleicht kapieren Sie es dann!)

Jetzt möchte ich kurz noch – Ihre formalen Geistesritte interessieren mich nicht mehr, es geht um reale Hintergründe – auf die Aufgabe Österreichs im Rahmen der EU-Präsidentschaft, zur außenpolitischen Schlüsselstellung beziehungsweise zum Akzentesetzen innerhalb der österreichischen Außen- und Antiatompolitik zu sprechen kommen.

Sie alle wissen, daß derzeit in Südböhmen, in Temelin der Kraftwerksbetreiber !EZ vor einem finanziellen und technischen Desaster steht. Die Chance, daß Temelin nicht in Betrieb geht, daß dieses Atomkraftwerk beziehungsweise die Baustelle mehr oder weniger zugesperrt wird, war noch nie so groß wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Jetzt – daher, Herr Außenminister, mein dringender Appell – besteht die historisch einmalige Chance, daß durch ein entsprechendes Angebot zur Umrüstung beziehungsweise zur Umstrukturierung der Energiepolitik in unserem Nachbarstaat Temelin wirklich nicht in Betrieb gehen kann, der Baustopp endgültig wird.

Bitte wirken Sie zusammen mit Umweltminister Bartenstein und Landeshauptmann Pühringer – ich nenne extra nur ÖVP-Politiker – dahin gehend, daß in den nächsten zwei Monaten auch von seiten der österreichischen Bundesregierung ein Umstiegsszenario mit ganz konkreten Angeboten, und zwar auch kreditmäßig in Form von EU-Krediten et cetera, den böhmischen Verhandlungspartnern unterbreitet wird. Das ist für Sie die Profilierungschance, die Sie als Außenminister dringend brauchen, damit wir endlich einmal das Gefühl haben, daß Sie aktiv, offensiv eine Sache in die Hand nehmen.


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Nehmen Sie bitte die Sache bezüglich Temelin in die Hand! Setzen Sie einen weiteren Schritt – nicht nur bei der Abrüstungsfrage, sondern auch bei der Umrüstungsfrage der AKWs! Ich hoffe, Sie schaffen es. (Beifall bei den Grünen.)

12.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karlsson zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.20

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Entgegen der Ansicht meines Vorredners, des Abgeordneten Spindelegger, handelt es sich beim gegenständlichen Abkommen leider nicht um ein umfassendes Atomwaffenverbot, sondern nur um ein Abkommen zum Verbot von Nukleartests. Das ist leider nur ein Schritt in die richtige Richtung. Daher sind auch die Bedenken des Abgeordneten Scheibner, daß es da zu Terrorismus und so weiter kommen könnte, nicht Gegenstand dieses Abkommens.

Dieses Abkommen ist sogar ein exemplarisches, da es im Gegensatz zu anderen UN-Abkommen, die oft nur politische Willenserklärungen sind, ganz genaue und konkrete Kontrollschritte vorsieht. Die Kontrollschritte laut Anlage 1 und Anlage 2 zum Protokoll sind Teil des Abkommens.

Damit kommen wir zu dem Punkt, der jetzt in formaler, nicht in inhaltlicher Hinsicht so heftig diskutiert wird. Sie kritisieren, daß Anlage 1, Anlage 2, Teil I und Teil III des Protokolls sozusagen durch Verfassungsänderung in die Verantwortung der Regierung gehoben und nicht mehr dem Nationalrat vorgelegt werden.

Es stellt sich nun die Frage, was in diesen Teilen – alle anderen Teile des Abkommens müssen, wenn sie geändert werden, selbstverständlich in den Nationalrat kommen – enthalten ist. Zu diesen Teilen gehört eine Liste der seismologischen Stationen. Das heißt, wenn diese Liste geändert werden soll, müßten wir das – wenn wir Ihrem Wunsch nachgeben – im Nationalrat per Gesetz beschließen. Das sehe ich mir an, wie man sich damit lächerlich macht, wenn dann gefragt wird: Warum muß der österreichische Nationalrat beschließen, daß Nowosibirsk statt Irkutsk zur seismologischen Station gemacht wird?

Ich halte sogar die Berichtspflicht, die wir dem Außenminister für genau diese technischen Fragen auferlegt haben, für etwas übertrieben; aber gut, soll eben so sein. Soweit zum Formalen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Besser, er muß berichten!) Okay, besser, er berichtet uns über Nowosibirsk als überhaupt nicht.

Aber wir dürfen – ich befürchte, das ist im Beitrag des Herrn Spindelegger ein bißchen angeklungen, hoffe aber, daß ich mich irre – uns jetzt nicht zurücklehnen. Dieser Schritt ist einer von insgesamt sechs Schritten, welche die Canberra-Kommission – eine Kommission der australischen Regierung mit internationalen Experten – vorgeschlagen hat, um die Atomwaffen insgesamt der Abrüstung zu unterwerfen. Denn es geht nicht an – diese Gefahr ist sehr groß und steigt täglich –, daß die Welt atomar verseucht wird, nicht etwa, weil es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommt, sondern aus reiner Schlamperei. (Beifall der Abg. Dr. Krammer. )

Derzeit verrotten die Atom-U-Boote vor sich hin. Dagegen muß unbedingt und schnellstens ein weiterer Schritt gesetzt werden, und darin besteht das Problem. Es sind auch – darüber sollten wir uns keiner Illusion hingeben – scharfgemachte Atomwaffen in verschiedenen Teilen der Welt stationiert. Wozu? – Das wäre der erste Schritt, den die Canberra-Kommission empfiehlt: diese scharfgemachten Waffen zu deaktivieren, damit nicht durch einen Unglücksfall ein Atomkrieg ausgelöst wird.

Auf den zweiten Schritt möchte ich hier besonders aufmerksam machen, weil man immer wieder sagt: Was nützt es denn, wenn die Leute Unterschriften sammeln und sich engagieren? Das hilft ja gar nichts! – Wir haben voriges Jahr erlebt, daß der Atomraketen-Stützpunkt Greenham Common – wo vor allem Frauen jahrelang protestiert haben, den sie belagert haben, wo sie


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verhaftet oder weggewiesen wurden, um den herum man einen Stacheldrahtwall nach dem anderen gezogen hatte – wieder das geworden ist, was er ursprünglich war, nämlich ein Park. Jetzt können dort nicht mehr Atomraketen auf Lastwagen paradiert werden, sondern dort spielen wieder Kinder und gehen Leute spazieren.

Das zeigt, was jeder von uns, was der Widerstand jedes einzelnen von uns und was jeder Protest auch bewirken kann. Deshalb möchte ich, daß wir den heute debattierten Atomteststoppvertrag zum Anlaß nehmen, es uns zur Aufgabe zu machen, auf die internationale Umsetzung der weiteren fünf Schritte der Canberra-Kommission hinzuwirken und nicht zu warten, bis ein Unglück passiert, das möglicherweise nicht mehr eingedämmt werden kann.

Ein Wort zum Konsulargebührengesetz, der zweiten in Behandlung stehenden Gesetzesmaterie: Dies ist eine Anpassung infolge unserer Mitgliedschaft zum Schengener Abkommen. Ich denke, daß wir – vor allem unsere Europaparlamentarier – eine Aufgabe in Angriff nehmen sollten, die guter österreichischer Gepflogenheit zu bilateralen Vereinbarungen entspricht, vor allem gegenüber kleinen Staaten, die von österreichischen Touristen besucht werden und in denen österreichische Wissenschaftler tätig sind. Ich denke dabei an den Staat Saint Lucia mit seinen 200 000 Einwohnern, in dem Österreicher Ausgrabungen durchführen und der ein Reiseziel vieler Touristen ist. (Abg. Dr. Gredler: Eine schöne Insel!) Kleine Staaten wie dieser sollten aus der Visapflicht – auch im europäischen Rahmen – ausgenommen werden. Denn selbst wenn sich alle 200 000 Saint Lucianer auf den Weg nach Europa machen, wird das verkraftbar sein. (Abg. Dr. Gredler: Das ist sehr nett!)

Ich denke, daß wir dieses Anliegen an unsere Europaparlamentarier weiterleiten müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

12.27

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! (Abg. Dr. Khol: Bonjour, Madame!) Ich möchte zuerst kurz die Bedenken kommentieren, die von den Kollegen Scheibner, Haider und Jung in einem Minderheitsbericht geäußert worden sind.

Ich hätte mir eine Ausschußfeststellung darüber gewünscht, daß der Minister zu informieren hat, also sozusagen einen Sprung zu qualitativer Verbesserung. Aber deswegen grundsätzlich einen Vertrag abzulehnen, der ein Verbot von Nuklearversuchen zum Inhalt hat, halte ich für eine schlechte Vorgangsweise. (Abg. Scheibner: Wir wollen ihn ja sanieren!) Wir sind nicht der Ansicht, daß er nicht verfassungskonform zustande gekommen ist, aber darüber haben wir eine andere Sicht der Dinge.

Bezüglich des Vertrages selbst möchte ich Ihnen einige Anregungen mitteilen, die im Europäischen Parlament zu hören waren. In einem Seminar der Liberalen Fraktion im Europäischen Parlament Ende November letzten Jahres sagte der – unter anderen eingeladene – ehemalige Direktor der Pugwash-Bewegung, Professor Calogero, daß die USA sich auf drei Ziele fokussieren sollten: Erstens sollten sie die Universalität als eines der Prinzipien für nukleare Entwaffnung der Welt anerkennen, zweitens sollte ein glaubhaftes Überprüfungsszenario eingeleitet werden, und drittens ginge es um die Einführung der moralischen Idee der atomfreien Welt. Das halte ich für ein sehr schönes Anliegen, das wir unterstützen sollten.

Weiters nahm an dieser Tagung Professor Rotblat teil, der Träger des Friedensnobelpreises 1995. Professor Rotblat fordert die USA ebenfalls zur sofortigen Reduktion der Atomwaffen auf. Er verlangt ein Bekenntnis dazu, diese Waffen nicht als erster zu benutzen, und trifft darüber hinaus die Feststellung, daß Atomwaffen noch nie einen Krieg verhindert haben. Daher forderte er das Europäische Parlament auf, die NATO von der Initiative für ein No-first-use-Treaty zu überzeugen. Das halte ich für eine sehr gute Idee, die wir im österreichischen Parlament weiter verfolgen sollten. Wir sollten es erreichen, ein No-first-use-Treaty in der Welt zu


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etablieren, damit man ein bißchen mehr das Gefühl haben kann, daß diese Waffen uns nicht so schwer bedrohen.

Damit komme ich zu dem Punkt, der mir der schwierigste zu sein scheint. Pakistan und Indien haben schon verkündet, daß sie diesen Vertrag nicht unterzeichnen werden. Stellen Sie sich bitte vor, was geschieht, wenn diese benachbarten Staaten gegeneinander Krieg führen: Dann kommt es dort zu einem Atomdesaster ersten Ranges! Ich halte es für eine der primären Aufgaben der österreichischen Außenpolitik, sich insbesondere auf jene Länder zu konzentrieren, die diesen Vertrag nicht unterzeichnen wollen, damit sie von der internationalen Gemeinschaft dazu gedrängt werden, es doch zu tun. Denn es sind nun einmal wirklich gefährliche Waffen, von denen wir sprechen, gefährliche Waffen, die uns alle umbringen können. In dieser Hinsicht müßten die Vertreter der österreichischen Außenpolitik meiner Ansicht nach etwas beitragen.

Nun einige Worte zu dem, was Kollege Spindelegger über die Mission von Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner gesagt hat. Erstens möchte ich dieser Frau dafür danken, daß sie so mutig ist. Es war sicherlich nicht angenehm für sie – das hat ihre Körpersprache im Fernsehen gezeigt –, unter den dort gegebenen unsicheren Verhältnissen tätig zu sein. Ich denke, sie wußte wirklich nicht genau, ob sie aus dieser Situation heil herauskommen wird oder nicht.

Die Mission an sich ist allerdings gescheitert, das sagt die Staatssekretärin selbst und das sagen auch andere. Allein schon zu dulden, daß Algerien uns vorschreibt, wen wir zu entsenden haben, damit die Algerier überhaupt mit der Europäischen Union diskutieren, halte ich für eine Zumutung. Zweitens kann man, nachdem eigentlich alle konkreten Vorschläge, die von der Europäischen Union vorgebracht wurden, einfach weggewischt worden sind und kein Interesse gefunden haben, nicht davon sprechen, wie es jetzt von manchen getan wird, die Mission sei irgendwie doch ein Erfolg gewesen. Ich glaube das nicht.

Herr Spindelegger! Man sollte sich eingestehen, daß es diesmal überhaupt nichts gebracht hat. Weiterhin sind Menschen ermordet worden. Auf diese Weise werden wir leider Gottes keinen Druck auf Algerien ausüben können, dafür werden wir uns etwas anderes überlegen müssen. Denn zur systematischen Exterminierung von Journalistinnen und Journalisten, die dort betrieben worden ist – bis jetzt sind über 60 Journalistinnen und Journalisten ermordet worden –, hat die algerische Regierung einiges beigetragen. Ihr gegenüber sollten wir meiner Ansicht nach wesentlich strenger und selbstbewußter auftreten. (Abg. Dr. Spindelegger: Es war ein Versuch!)

Sie haben auch gesagt, wir sollten die Probleme mit der Migration dort lösen, wo sie entstehen. Damit habe ich kein Problem. Reden wir doch über den Tibet-Antrag, der im Ausschuß herumliegt! Leider ist Herr Kollege Schieder nicht da, aber Herr Kollege Cap wird es ihm sicherlich mitteilen können. Reden wir über den Tibet-Antrag, statt ihn dauernd zu vertagen! Genau dort besteht ja eine unerträgliche Situation. Reden wir über die Kurden! Reden wir darüber, wie wir sie integrieren können: jene Kurden, die nicht wissen, ob sie nicht schon morgen ermordet werden. Reden wir darüber, wie wir diese Last in der Europäischen Union gleichmäßig verteilen können!

Aber was geschieht wirklich? – Man vertagt. Man sagt, man wird einen globalen Menschenrechtsantrag stellen. Dieser wird irgendwann einmal kommen, und darin wird alles möglichst schmuseweich formuliert sein. Das halte ich nicht für die Position, die Österreich einnehmen sollte. Wir haben durch die heutige internationale Vernetzung die Möglichkeit, viel forscher aufzutreten und uns klarer auszudrücken: Gegen Atomwaffen und für Menschenrechte! (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Rauch-Kallat ist die nächste Rednerin. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.34

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der heute zur Behandlung stehende Gegenstand sieht ein weltweites Verbot aller Atomwaffen


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tests sowie von Nuklearexplosionen zu friedlichen Zwecken vor. Dieser Gegenstand hat daher sehr hohe sicherheitspolitische Bedeutung, denn "keine Tests" bedeutet selbstverständlich auch: keine Weiterentwicklung der Atomwaffen. Jene Tests, die nach diesem Vertrag noch erlaubt sein werden, dienen jeweils nur zur Überprüfung der Aktionsfähigkeit der bestehenden Waffen im Labor.

Gleichzeitig hat dieser Vertrag auch umweltpolitische Bedeutung, weil damit weltweit sicher eine geringere Strahlenbelastung zu erreichen sein wird. Weiters kann eine Minimierung der ökologischen Risken, die durch solche Nukleartests entstehen, erreicht werden.

Abgeordneter Spindelegger hat es schon gesagt: Es war ein sehr großer Erfolg Österreichs, daß seine Kandidatur für den Sitz der CTBTO in Wien erfolgreich verlief. Das war nicht zuletzt ein großer Erfolg des österreichischen Außenministers und Vizekanzlers, der Staatssekretärin und der Beamten des Hauses, denen ich hiermit sehr herzlich dafür danken möchte.

Dieser Sitz in Wien bedeutet nämlich, daß eine wichtige neue internationale Organisation in Wien angesiedelt wird, eine internationale Organisation, die derzeit schon rund 100 Mitarbeiter beschäftigt und bis Jahresende 1998 auf 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwachsen wird. Allein im Jahr 1998 werden zirka 150 Sitzungen und rund 450 Expertentreffen in Wien stattfinden, zu denen Teilnehmer aus allen Ländern der Erde anreisen und damit auch Gäste dieses Landes sein werden. Sie werden selbstverständlich auch den Tourismus in der Konferenzstadt Wien beleben. Ein weiterer Vorteil ist die aktive Mitarbeit Österreichs am Aufbau dieser Organisation, und dies ist auch im Hinblick darauf von Bedeutung, wie sich der in Verhandlung stehende Vertrag entwickeln wird.

Eine rasche Ratifizierung dieses Vertrages durch Österreich erscheint aus fünf Gründen sehr wichtig: erstens als politisches Signal einer möglichst raschen Erreichung einer großen Anzahl von Ratifikationen bis zur ersten Überprüfungskonferenz im Jahr 1999, zweitens zur Erzeugung eines innerhalb der EU akkordierten politischen Drucks auf die Nichtunterzeichnerstaaten, drittens wegen der politischen Signalwirkung der Ratifikation des Sitzstaates – es liegen ja schon jetzt acht Ratifikationen vor, unter anderem aus Japan und der Tschechischen Republik, sodaß es wichtig ist, daß Österreich sehr rasch ratifiziert –, viertens zur Schaffung eines günstigen Klimas für weitere atomare Abrüstungsschritte durch einen zügigen Ratifikationsprozeß sowie fünftens und letztens zum Zweck der Bekräftigung der strikten Ablehnung von Atomtests durch Österreich, die ja vollen Rückhalt unter der österreichischen Bevölkerung genießt.

Letztendlich bedeutet dieser Vertrag die konsequente Fortsetzung der klaren österreichischen Antiatompolitik. Auch Frau Abgeordnete Moser hat schon darauf hingewiesen, daß die Bedrohungen nicht nur durch Nukleartests gegeben sind, sondern auch durch unsichere Kernkraftwerke im grenznahen Bereich. Daher ist es besonders wichtig, daß dieser Bereich im Zuge der EU-Erweiterung angesprochen wird. Es ist Außenminister Schüssel zu verdanken, daß es gelungen ist, die Sicherheit der Kernkraftwerke als Kriterium in das Positionspapier zur Erweiterung der Europäischen Union aufzunehmen.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, daß es wohl kaum gelingen wird, die Kernkraftwerke im grenznahen Bereich in Mittel- und Osteuropa auf einen der EU genügenden Sicherheitsstandard zu bringen, was bedeuten würde, daß mittelfristig auch die Schließung solcher Kernkraftwerke erreicht werden könnte. Auf jeden Fall ist es sehr wichtig, den Kampf Österreichs um ein kernkraftfreies Mitteleuropa und eine kernkraftfreie Welt weiterzuführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.39

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Dem vorliegenden umfassenden Atomteststoppvertrag ging ein jahrzehntelanges Ringen voran. Hunderttausende Menschen sind nicht nur durch Atombombenabwürfe und Reaktorunfälle getötet


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beziehungsweise gesundheitlich schwerstens geschädigt worden, sondern auch durch Nuklearversuche, sei es auf Mururoa, in Kasachstan oder in Nevada. Dabei sind die Langzeitfolgen aufgrund der enormen Halbwertszeiten – diese beträgt zum Beispiel bei Plutonium 24 000 Jahre – noch gar nicht abschätzbar. Und es waren nicht x-beliebige Kleinstaaten, die das veranstaltet haben, sondern es waren die Großmächte.

Umso erstaunlicher ist es, daß die internationale Staatengemeinschaft 50 Jahre gebraucht hat, um Nuklearversuche zu unterbinden. Paradoxerweise war es 1954 Indien – der Staat, der sich jetzt weigert, zu ratifizieren –, das einen ersten Vorschlag zu einem Abkommen über ein Atomtestverbot machte. 1958 wurde von den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und Großbritannien in Genf eine erste Atomteststoppkonferenz eröffnet, wobei sich die USA und die UdSSR zusätzlich auf ein Moratorium verständigten sowie weiters darauf, über direkte Inspektionen von Testgeländen, Überwachungskommissionen und andere Kontrollmaßnahmen zu verhandeln.

Der nächste Versuch einer Beschränkung von Atomwaffentests führte im Juli 1963 zu einem Abkommen zwischen den USA und der UdSSR über ein teilweises Testverbot in der Atmosphäre, unter Wasser und im All. Infolgedessen kam es für die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion und Großbritannien schließlich zum Ende aller Tests in der Atmosphäre. 1974 wurde dieses Abkommen ergänzt durch ein Abkommen über unterirdische Atomwaffenversuche mit einer Sprengkraft von über 150 Kilotonnen TNT.

Aber erst dank einer von der Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedeten Resolution erhielt die Abrüstungskonferenz in Genf 1993 ein nachdrückliches Mandat zu Verhandlungen über ein allgemeines Teststoppabkommen, was China und Frankreich allerdings nicht daran gehindert hat, seine Atomwaffenversuche fortzusetzen. Erst 1995 haben sich die Vereinten Nationen mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution dafür stark gemacht, die Verhandlungen auf der Genfer Abrüstungskonferenz so rechtzeitig abzuschließen, daß dieses Teststoppabkommen der 51. Sitzung der UNO-Vollversammlung vorgelegt werden konnte. Dieses wurde mittlerweile von über 100 Staaten unterzeichnet und von einigen Staaten ratifiziert, sodaß die hauptsächlichen Verpflichtungen des Vertrages demnächst aufleben werden.

Das Abkommen verpflichtet die Mitglieder des Vertrages, alle Nuklearversuche einzustellen, und es verpflichtet sie auch, die Anlagen und sämtliche Vorkommnisse einer internationalen Kontrolle zu unterziehen, eigene Inspektoren zuzulassen und ein internationales Verifikationssystem auf der Basis seismischer, radionukleider, hydroakustischer und Infraschallüberwachung zu schaffen.

Erfreulich ist – wie gesagt –, daß der Sitz dieser Kontrollorganisation Österreich beziehungsweise Wien sein wird, wo Synergien mit der IAEO genützt werden können. Es ist daher zu hoffen, daß möglichst alle Staaten der Staatengemeinschaft das Vertragswerk umgehend ratifizieren, um den Unsinn von Nuklearversuchen ein für allemal zu unterbinden. Angesichts der Bedeutung dieses Vertragswerks und im Sinne der angestrebten effizienten Handhabung desselben halte ich die Erhebung des Artikels VII in den Verfassungsrang für eine Marginalie. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordneten Dr. Höchtl das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. (Abg. Dr. Höchtl: 3 Minuten genügen!) Gut, 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.43

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz zum zweiten Punkt dieser Diskussion Stellung nehmen, nämlich zur Novellierung des Konsulargebührengesetzes.

Diese ist notwendig, weil mit der Inkraftsetzung des Schengener Übereinkommens auch die entsprechende Neufestlegung für die Ausstellung von Sichtvermerken mittels Konsulargebühren erforderlich geworden ist. Eine Änderung mußte vorgenommen werden, weil eine einheitliche Festlegung auf Basis des ECU für alle Schengen-Staaten erfolgt ist. Daraus hat sich die Not


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wendigkeit einer Novellierung ergeben, und mit deren Inkrafttreten per 1. März 1998 können die neuen Tarife eingehoben werden.

Weiters ist zu erwähnen, daß diese Gebühren in manchen der Vertretungsbehörden nicht in den Landeswährungen, sondern in konvertiblen, also in Hartwährungen eingehoben werden. Ich halte das für sinnvoll, weil es bei der Unsicherheit mancher Währungen zweifellos zu beträchtlichen Verlusten kommen könnte, und das läge sicherlich nicht im Interesse des Budgets und der Einnahmen.

Da wir es – im Interesse der gesamten Rahmenpaketsänderungen im Rahmen des Schengener Abkommens – für notwendig halten, dies zu beschließen, werden wir dieser Novelle selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Schüssel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

12.46

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich allen Fraktionen für ihre inhaltlich positiven Stellungnahmen zu dieser Stärkung des internationalen Amtssitzes Wien danken. Wien wird jetzt tatsächlich die Welthauptstadt im Kampf gegen die Atombombe, gegen Atombombenversuche und gegen die unbefugte Weitergabe von Atomtechnologie.

Wir haben gestern eine weitere Initiative abschließen können. Die erste Institution, die wir von der EU nach Wien verlegt bekommen haben, das Büro gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, hat eine zweitägige Versammlung abgehalten. Präsident Neisser und ich haben an den Eröffnungssitzungen teilgenommen. Ich werte das als sehr positive Elemente. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben im Dezember einen großen internationalen Erfolg dadurch errungen, daß – meiner Erinnerung nach – 125 Länder den Anti-Landminen-Vertrag unterzeichnet haben. Auch wir werden ihn möglichst bald – ich hoffe, noch im Februar – dem Hohen Haus zumitteln, und ich ersuche dringend um ehebaldige Ratifizierung. Die Bundesregierung hat am Dienstag in der Ministerratssitzung beschlossen, für den Fonds zur Beseitigung von Landminen eine Spende, eine finanzielle Kontribution in Höhe von 16 Millionen Schilling beizutragen, damit wir nicht nur – wie andere Nationen – den Vertrag ratifizieren, sondern auch etwas tun im Hinblick auf die Dutzenden Millionen Landminen, die heute weltweit verlegt sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Dritter Bereich: Einige Redner haben bereits erwähnt, daß wir in der Außenpolitik auf sehr konsequente Nachbarschaftspolitik setzen. Erst heute war der kroatische Außenminister in Wien, und es gab sehr gute Gespräche. Vorige Woche war der slowenische Außenminister in Wien, und mit ihm gab es – wie manche wissen – ein sehr heikles und wichtiges Gespräch. Ich freue mich, dem Hohen Haus aus erster Hand berichten zu können, daß wir einen wirklich großen Schritt vorwärts gekommen sind. Zum ersten Mal hat Slowenien offiziell die Existenz einer deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien anerkannt. Das wird in einem eigenen Kulturabkommen verankert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es soll erstmals eine österreichische Schule in Slowenien errichtet werden. Ich möchte Unterrichtsministerin Gehrer besonders dafür danken, daß sie diese wichtige Initiative spontan und freimütig unterstützt hat. Der slowenische Außenminister hat zugesagt, auf privater, individueller Basis die offenen Denationalisierungsanträge gemeinsam mit einem von mir bestellten Vertrauten durchzugehen, sodaß auch in dieser Hinsicht eine positive Stellungnahme erreicht wird. Slowenien hat offiziell seine Unterstützung für die Olympia-Kandidatur von Klagenfurt für das Jahr 2006 zum Ausdruck gebracht, und das ist für die Kooperation der Regionen Kärnten und Slowenien von überragender Bedeutung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich meine, daß sich damit die – hoffentlich von allen Fraktionen gemeinsam getragene – außenpolitische Grundlinie, die ja keine parteipolitische sein darf, bewährt hat: daß wir unaufgeregt, konsequent und engagiert gute Nachbarschaftspolitik auf bilateraler Basis betreiben, auf diese Art und Weise gute, konstruktive und tragfähige Lösungen erreichen und dies nicht mit multilateralen Erweiterungsprozessen vermischen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Letzter Punkt: Algerien. Ich danke dafür, daß einige Sprecher das Engagement und die Präsenz der Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner gelobt haben. Ich kann dem wirklich beipflichten. Sie ist eine absolut mutige Frau. Denn diese äußerst schwierige Mission ist unter einem denkbar ungünstigen Stern gestanden. Sie hat eine unglaublich große Beachtung in der Presse gefunden und ist zum Teil unter extrem schwierigen Sicherheitsbedingungen vor sich gegangen. Klammer auf: Für uns ist es intern wohl auch notwendig, daß wir unsere Vertreter mit für solch spezifische Missionen geeigneten Sicherheitsmaßnahmen ausstatten, was diesmal nicht der Fall war und mir persönlich sehr leid tut. Das müssen wir wirklich besser machen.

Ich möchte an dieser Stelle Benita Ferrero-Waldner sehr danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob wir hinsichtlich des Levels des Besuchs gegenüber den Algeriern nachgegeben haben. Ich würde das umdrehen. Meine Linie war es von Anfang an – auch jene der Staatssekretärin –, daß dieser Besuch aus vielen Gründen auf politischer Ebene stattfinden soll. Selbstverständlich kann man ihn auch auf einem anderen Level stattfinden lassen, aber weil dies primär politischen Dialog mit der algerischen Regierung voraussetzt, war es intern immer unsere Meinung – wir haben auch recht behalten –, daß dies ein Besuch entweder auf Minister- oder Juniorministerebene – damit sind die Staatssekretäre gemeint – sein soll. Daher war es richtig, daß die Präsidentschaft der Briten dann auf die einzig mögliche Präsenz umgestiegen ist.

Zur Frage: War es ein Erfolg oder ein Mißerfolg? – Ich würde, meine Damen und Herren, sehr vorsichtig sein bei der Bewertung eines solches Besuches, und zwar aus einem einfachen Grund: Kurzfristig gesehen und gemessen an der von allen, glaube ich, geteilten Erwartung, daß die Massaker aufhören, die in den letzten fünf Jahren 80 000 unschuldigen Menschen in Algerien das Leben gekostet haben, in der Erwartung, daß humanitäre Hilfe geleistet wird, daß die Flüchtlinge und die Opfer ausreichende Hilfe von der Union und von der internationalen Staatengemeinschaft bekommen, daß ein politischer Dialog mit den oppositionellen Kräften begonnen wird, daß die Demokratisierung des Landes in den Vordergrund gerückt wird, daß die UNO-Hochkommissärin für Menschenrechte und Flüchtlingswesen Zugangsrechte hat und untersuchen darf, unter der Annahme, daß es eine verbesserte Polizeikooperation gibt, um auch dem Terrorismus den Boden zu entziehen, unter der Annahme, daß all das möglich ist, war die Mission kein Erfolg. – Kurzfristig gesehen!

Nur: Wir haben vorher wissen müssen und auch gewußt, daß durch einen 24stündigen Besuch die Erreichung dieser Erfolgslatte nicht möglich sein wird. Frage: Hätte deswegen die Staatssekretärin oder hätte die Troika nicht fahren sollen, obwohl alle in Algerien, vor allem die Bevölkerung, aber auch die Opposition, darauf gehofft und gewartet haben, daß diese verstärkte europäische Präsenz endlich – ich sage: um Jahre zu spät – kommt? – Die Antwort darauf ist ein klares Nein.

Es war richtig, hinzufahren. Ich meine, es war wichtig und notwendig, zu verlangen, daß man Zugang zu Flüchtlingslagern, zu Spitälern bekommt – leider ist es nicht gelungen –, daß man Gespräche mit der Opposition führt, daß man Gespräche mit den unabhängigen Zeitungsherausgebern führen kann, was gelungen ist. Das sind mutige Leute, die unter sehr schwierigen Umständen ihr Amt ausüben und ihre Verantwortung wahrnehmen.

Insofern, meine ich, war es wichtig, daß dieser Beginn eines Dialogs, dieser Beginn eines verstärkten Engagements der Europäischen Union gesetzt wurde, und ich bin stolz darauf, daß


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Österreich in dieser ersten Mission in der Troika durch die Staatssekretärin mit vertreten war. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Ein Schlußwort seitens der Berichterstattung wurde nicht gewünscht.

Die Abstimmung erfolgt über jeden Ausschußantrag getrennt.

Zum Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen in 771 der Beilagen haben die Abgeordneten Scheibner und Genossen einen Rückverweisungsantrag gestellt.

Ich lasse daher zunächst über diesen Rückverweisungsantrag abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Rückverweisungsantrag ist abgelehnt.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des vorliegenden Staatsvertrages: Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen, dessen Artikel VII Abs. 8 lit. d und e verfassungsändernd sind, in 771 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Hinblick auf die genannten verfassungsrechtlichen Bestimmungen stelle ich zunächst fest, daß die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten gegeben ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages die Genehmigung zu erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung wurde mit Mehrheit erteilt, wobei ausdrücklich festgehalten wird, daß das verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelquorum gegeben ist.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, wobei auch in diesem Zusammenhang ausdrücklich festzustellen ist, daß das verfassungsrechtlich gebotene Zweidrittelquorum gegeben ist.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses im Sinne des Art. 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, daß die Kundmachung der französischen, spanischen, russischen, chinesischen und arabischen Sprachfassungen des Staatsvertrages durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 930 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1046 der Beilagen angeschlossenen Abänderung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


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Jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, mögen ein Zeichen geben. – Auch in dritter Lesung ist dieser Entwurf mehrheitlich angenommen.

Damit sind die Tagesordnungspunkte 2 und 3 beendet.

4. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über die Regierungsvorlage (842 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (1047 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 470/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (1048 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir beginnen daher sofort mit der Debatte.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. Frau Abgeordnete! Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten verlangt. – Bitte.

12.59

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die sexuelle Belästigung ist derzeit ein Thema, mit dem sich die Weltpresse beschäftigt. Ob nun der amerikanische Präsident zu Recht oder zu Unrecht beschuldigt wird, ob er ein- oder mehrmals Schuld auf sich geladen hat, ob ihn sein Folgeverhalten letztlich die Präsidentschaft kosten wird, wird uns die Zukunft zeigen. Im ersten Fall, jenem der Paula Jones, befindet sich das Verfahren gegen ihn derzeit vor einem Zivilgericht – vorher ist es zwei Jahre lang durch die sogenannte Ethikkommission gegangen.

Ich weiß, daß das amerikanische Recht mit dem österreichischen nicht vergleichbar ist, und möchte auch nicht die Frage stellen, ob das amerikanische Rechte den betroffenen Frauen bessere Möglichkeiten bietet, zu ihrem Recht, zu einer finanziellen Entschädigung zu kommen, oder nicht. Ich möchte nicht einmal Parallelen zwischen den Fällen Clinton und jenem des österreichischen Bundesministers Hesoun herstellen, obwohl das schon sehr interessant wäre, denn ich glaube, daß in diesem Zusammenhang in Österreich sehr viel unter den Tisch gekehrt wurde.

Aber man muß doch das Recht haben, auch im Bereich der österreichischen Frauenpolitik über verschiedene Lösungsansätze nachzudenken. Wenn man sich anschaut, wie die Debatte über die sogenannte kleine Novelle – sie wurde von der Frau Bundesministerin so bezeichnet – dieses Gleichbehandlungsgesetzes erfolgt ist, mit welcher Larmoyanz und Einseitigkeit österreichische Frauenpolitik insgesamt erfolgt, muß man sagen: Dieses Recht muß man uns Freiheitlichen einfach zugestehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Zwei Jahre hat die Debatte über die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft gedauert. Die ÖVP-Damen hatten anfangs den Standpunkt vertreten, daß drei Büros insgesamt genug wären, in der Zwischenzeit haben sie diesen Standpunkt aber anscheinend aufgegeben – wieder einmal. Denn die vorliegende Novelle ermächtigt den Herrn Bundeskanzler, insgesamt neun Büros allein durch Verordnung zu installieren. Selbstverständlich wird das eine Sache der finanziellen Prioritätensetzung sein, denn die ganze Sache würde 27,3 Millionen Schilling


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kosten. Man argumentiert ja auch, daß man aus Kostengründen vorerst nur eine erste Anwaltschaft in Innsbruck zu installieren gedenkt.

Aber: Eines zeigt diese Novelle ganz klar und deutlich: Man hat vor, in Österreich einen neuen Apparat, eine neue Organisation aufzubauen – die ist natürlich auch in einer gewissen Weise parteipolitisch beeinflußbar. Ich muß daher schon fragen – meine Frage richtet sich ein bißchen an Rosemarie Bauer –: Wo sind denn die in diesem Zusammenhang erhobenen Forderungen der ÖVP-Damen geblieben? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Was habt ihr denn dafür bekommen, daß ihr dieser Regelung zugestimmt habt?

Wir Freiheitliche wollen jedenfalls nicht akzeptieren, daß man nicht einmal gewillt ist, im Gleichbehandlungsausschuß Alternativvorschläge zu überprüfen. Schon eineinhalb Jahre lang liegt ein freiheitlicher Vorschlag auf Überprüfung – nur auf Überprüfung! – eines Alternativvorschlages im Ausschuß. Zu den Argumenten, mit denen man das entschuldigt, muß ich schon sagen: Das kann nicht unseren freiheitlichen Vorstellungen von einer gemeinsamen Frauenpolitik entsprechen.

Es stellt sich nämlich schon die Frage, ob die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes nur in einer eigenen Kommission und eben unter Installierung eines neuen Apparates möglich ist. Es gibt Alternativen – das steht fest –, und daher waren auch die Argumente sehr schwach.

Frau Ministerin Prammer hat gemeint, daß es für Anwälte zu schwierig wäre – ich zitiere sie wortwörtlich –, sich ins Thema der Gleichbehandlung zu vertiefen. Aber auch du, Kollegin Bauer, hast wortwörtlich gesagt: Normale Anwälte sind dazu nicht in der Lage! Frau Kollegin Schaffenrath hat es ein bißchen billiger gegeben, sie hat gesagt: Es gibt bei Anwälten eine gewisse Hemmschwelle! – Dazu muß ich sagen: Das sind gravierende diskriminierende Äußerungen gegenüber der österreichischen Anwaltschaft, letztlich auch gegenüber Anwältinnen, die wir nicht akzeptieren wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb werden wir dieser Novellierung nicht zustimmen. Unsere Zustimmung wird nur zu den Punkten 1 und 2 der Regierungsvorlage erfolgen, die eine Präzisierung der sexuellen Belästigung durch Dritte zum Inhalt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.04

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Kern der Novelle, die wir heute beschließen sollen, ist die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Das ist eine langjährige Forderung, die wir jetzt erfüllen können. Ich bin sehr froh darüber.

Es gibt einen Antrag der Freiheitlichen, dem wir nicht zustimmen; die Argumente sind bereits im Ausschuß vorgebracht worden. Es geht nicht darum, Anwälte zu diskriminieren – das ist eine Unterstellung, die ich zurückweisen möchte –, sondern darum, ein Instrument, das wir haben und das sich sehr bewährt hat, auf die anderen Bundesländer auszudehnen.

Ich möchte die Gelegenheit nützen und der Gleichbehandlungsanwältin, Frau Dr. Leitner, sehr, sehr herzlich für ihr Engagement und ihren Einsatz für die Frauen danken. (Beifall bei der SPÖ und dem Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, es ist wirklich wichtig, zu zeigen, was die Gleichbehandlungsanwältin mit einem sehr kleinen Apparat – Sie haben hier von einer Ausweitung des Apparates gesprochen; die Gleichbehandlungsanwältin hat kaum Mitarbeiterinnen – für die Frauen schafft, wie sehr sie sich einsetzt, wie sehr sie sich bemüht, die Situation der Frauen zu verbessern, und auf jedes einzelne Anliegen, auf jede einzelne Frau sehr konkret eingeht. Ich finde, daß das eine große Leistung ist, und meine, daß es wichtig ist, das auch in den anderen Bundesländern, außerhalb von Wien, verstärkt durchzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)


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Die Diskussionen, die wir im Zusammenhang mit dem Frauen-Volksbegehren führen, zeigen uns, daß es gerade im Hinblick auf "gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit" und Fragen des Arbeitsrechts wichtig ist, die Position, die Möglichkeiten der Gleichbehandlungsanwältin zu stärken. Diesbezüglich ist ja eine weitere, eine größere Novelle geplant. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, die rechtlichen Möglichkeiten der Gleichbehandlungsanwaltschaft auszudehnen.

Wir wissen, daß gerade in einer Zeit, in der Arbeitsplätze rar sind, ein sehr großer Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einwirkt, daß sich viele Frauen nicht zu sagen trauen: Ich werde diskriminiert! Ich werde benachteiligt, ich gehe jetzt zur Gleichbehandlungsanwältin, zum Arbeitsgericht, ich lasse mir das nicht gefallen!

Es ist daher wichtig, daß die Gleichbehandlungsanwältin von sich aus tätig werden kann, daß sie zum Beispiel auch eine aktive Klagslegitimation bekommt, daß sie die Möglichkeit bekommt, auch ohne vorherige Zustimmung des Unternehmers in einen Betrieb zu gehen, Betriebe zu besuchen, daß sie einfach eine stärkere Position bekommt und nicht immer nur gemeinsam mit einer konkreten Frau aktiv werden kann, da sich eben viele Frauen aufgrund der Arbeitsplatzsituation, des Drucks, den es auf sie gibt, nicht trauen, ihre Anliegen tatsächlich durchzusetzen.

Frau Bundesministerin! Ich weiß, daß geplant ist, in nächster Zeit eine größere Novelle vorzulegen. Es gibt dazu eine ganze Reihe von Wünschen der Gleichbehandlungsanwaltschaft – uns wurde erst vor kurzem ein Bericht zugeleitet, in dem diese Wünsche auch aufgelistet sind. Diese Wünsche sind sehr ernst zu nehmen. Mir gefällt sehr viel von dem, was da verlangt wird, und ich hoffe daher, daß wir noch heuer eine weitere Novelle beschließen können, die den Frauen in ihrer sehr, sehr schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt hilft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

13.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

13.09

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die kleine Novelle – fast möchte ich sagen: endlich – im Parlament und endlich zur Beschlußfassung vorliegen. Wenn ich das mit dem Tempo vergleiche, das oft bei anderen Gesetzesvorlagen vorherrscht, und dem Druck, rasch und schnell zu entscheiden, der bei anderen Gesetzesvorlagen auf uns lastet, und auch damit, daß das Begutachtungsverfahren oft sehr rasch durchgezogen wird, dann muß ich sagen: Es besteht da ein ziemlich starkes Ungleichgewicht.

Diese kleine Novelle war relativ lange in Diskussion, in Begutachtung, und von der Begutachtung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie in den Nationalrat und in den Ausschuß gekommen ist, ist noch einmal mehr als ein Jahr vergangen – wenn ich mich recht erinnere.

Worauf ich hinaus möchte, ist das, was in der Frauenpolitik und bei diesem Thema wieder augenscheinlich geworden ist: Bei allen Gesetzen, die diese Materie betreffen, die sozusagen ins Herz der Frauenpolitik treffen, dauert es eigentlich ziemlich lange, bis es zu Änderungen und Novellierungen kommt. Ich möchte als Appell an meine Kolleginnen, an die Frauen unter den Abgeordneten, vorausschicken: Wir müssen uns das wirklich einmal anschauen, unter die Lupe nehmen und selbst sagen: Es kann nicht so weitergehen, daß immer dann, wenn eine Materie die Frauenpolitik betrifft, diese Materie aus unerklärlichen Gründen auf die lange Bank geschoben wird! Ganz genau lassen sich die Gründe dafür ja nie eruieren.

Letztendlich geht es aber darum, daß wir Gesetze haben – wie auch das vorliegende Gleichbehandlungsgesetz –, bei deren Anwendung wir merken, daß da oder dort Korrekturen und Verbesserungen vorgenommen werden müssen, und daß es dann aber so lange dauert, bis diese Korrekturen durchgeführt werden, daß es im Prinzip zu einem Rückschritt, zu einer Rückentwicklung im frauenpolitischen Bereich kommt.


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Wir sollten bedenken, daß sogar richtige gesetzliche Ansätze nichts bewirken und nicht helfen, wenn wir sie nicht ständig evaluieren und sehr rasch auf dabei gewonnene Erkenntnisse reagieren.

Ein solcher Punkt ist eben die Regionalisierung. Wir diskutieren seit Jahren über die Regionalisierung. Wir entnehmen seit Jahren den Berichten der Gleichbehandlungsanwältin so etwas wie einen Hilfeschrei: Das geht nicht mehr, die vorhandene Kapazität ist überschritten! Dies gilt auch – ich darf einen Vorgriff auf den Gleichbehandlungsbericht, den wir ja auch noch im Ausschuß und im Plenum behandeln werden, machen – für den neuen Bericht. Auch diesmal steht drinnen, daß eine weitere Einschränkung vorgenommen werden muß. Nicht nur, daß keine Beratungsgespräche außerhalb Wiens mehr durchgeführt werden können, auch das Versenden von entsprechenden Informationsmaterialien muß eingeschränkt werden, weil es einen so starken Andrang, eine so große Nachfrage nach der Gleichbehandlungsanwaltschaft gibt.

Damit komme ich auch gleich auf den Antrag der FPÖ zu sprechen. Ich habe diesen Antrag nach unseren Ausschußberatungen noch einmal genau durchgeschaut und mir die Materie noch einmal ganz genau überlegt, und möchte versuchen, Ihnen die Argumente aus meiner Sicht und, wie ich meine, aus der Sicht der Mehrheit darzulegen.

Eine der Errungenschaften der Einrichtung der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der Einsetzung der Gleichbehandlungsanwältin ist es, eine Person mit dieser Aufgabe zu beauftragen, die nur diese eine Aufgabe hat, um damit so etwas wie Unabhängigkeit und, soweit dies möglich ist, Objektivität zu gewährleisten. In dem Moment, in dem ein Anwalt, eine Anwältin in mehrere Verfahren, in mehrere Klagen und so weiter verwickelt ist – die unter Umständen auch Materien sind, die Frauen betreffen –, können Objektivität und Unabhängigkeit sicher nicht mehr in diesem Ausmaß gewährleistet sein. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ungeheuerlich! – Abg. Dr. Graf: Das ist eine Unterstellung!) Aber eine Person, die nur für diese Aufgabe da ist, gewährleistet das einfach.

Ich unterstelle niemandem etwas – (Abg. Dr. Graf: Selbstverständlich!) hören Sie mir in Ruhe zu! –, ich sage nur, daß eine Person, die dezidiert mit nur einer Aufgabe beauftragt ist, klarerweise in einem weitaus höheren Ausmaß eine Gewährleistung für Unabhängigkeit und eine möglichst objektive Beratung in einer sehr heiklen Situation darstellt. (Abg. Dr. Graf: Wollen Sie damit sagen, daß ein Anwalt nicht unabhängig ist?!)

Wenn Sie den Bericht durchlesen, ihn vor allem unbefangen lesen, dann werden Sie erkennen, daß ein Anwalt nicht diese Gewährleistung für die Unbefangenheit geben kann. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber es gibt auch noch ein pragmatisches Argument – Sie brauchen sich nicht aufzuregen –: Lesen Sie den Gleichbehandlungsbericht, der jetzt vorliegt, dann werden Sie sehen, daß diese Gleichbehandlungsanwältin in einem Ausmaß mit diesen Fragen befaßt ist, das gar keine andere, weitere Tätigkeit zuläßt. Nicht einmal Beratungen außerhalb Wiens sind mehr möglich, weil sie in einem solch hohen Ausmaß konsultiert und aufgesucht wird. (Abg. Dr. Graf: Weil es nur eine gibt in ganz Österreich! Aber es sollte 3 500 geben!)

Aber selbst dann – ich kann Ihnen prophezeien, daß das kommt –, wenn wir uns in der Situation befänden, daß wir in allen Bundesländern und Landeshauptstädten Gleichbehandlungsanwaltschaften hätten – ich hoffe, das wird sehr bald der Fall sein –, würde sich die Situation nicht ändern, denn die Erfahrung, die wir hier gemacht haben, zeigt: Ist eine solche Stelle erst einmal eingerichtet, dann wird sie auch frequentiert, und zwar immer häufiger frequentiert, weil die Diskriminierungen der Frauen am Arbeitsplatz einfach ein Ausmaß angenommen haben – auch was die Qualität der Diskriminierungen betrifft –, das solche Beratungen, Unterstützungen und dann auch Schritte der Gleichbehandlungskommission erforderlich macht. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte dem diesbezüglichen Bericht nicht allzu sehr vorgreifen, aber eines wird klar, wenn man sich diesen anschaut: Es ist kein taugliches Mittel, andere Stellen damit zu beauftragen. Schon gar nicht sollten Kammern oder unabhängige Verwaltungssenate damit beauftragt wer


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den; darauf möchte ich gar nicht eingehen. Die einzige Möglichkeit ist eine rasche Regionalisierung.

Ich möchte hier noch einmal deponieren: Die erste Stelle in Tirol kann nur der Anfang sein! Wir erwarten uns, daß 1999 mindestens zwei weitere Stellen der Gleichbehandlungsanwaltschaft eingerichtet werden, denn das ist dringend notwendig. Diese Erwartung haben wir, und das sollte, wie ich meine, auch als Ergebnis der gemeinsamen Beratungen der nächsten Wochen und Monate klar als Mehrheitswille hervorgehen.

Der zweite Bereich, der mir sehr wichtig ist und den ich noch tangieren möchte, ist die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Die kleine Novelle sieht dazu auch nur eine kleine Änderung vor. Ich möchte aber noch einmal betonen, daß es dringend notwendig ist, entsprechende Regelungen zu treffen, vor allem was den Kündigungsschutz und auch die Verlagerung der Beweislast hin zur Glaubhaftmachung betrifft. Das sind zwei Bereiche, die – das erkennt man, wenn man diesen Bericht liest – so wichtig sind, daß wir nicht länger darauf warten sollten.

Sollte eine große Novelle wieder so lange Zeit in Anspruch nehmen, weil es sich dabei um ein komplexes legistisches Werk handelt, dann plädiere ich dafür, daß eines der Ergebnisse unserer Beratungen im Unterausschuß sein sollte, im Frühjahr eine Novelle vorzulegen und in Begutachtung zu geben, die diese Punkte herausgreift. Die sexuelle Belästigung ist ein Umstand, der zum Himmel schreit! Ich möchte das jetzt nicht näher ausführen, weil das Thema heute nicht im Mittelpunkt steht, aber Sie wissen davon, weil wir seit Jahren darüber reden. Zum Glück werden immer mehr Frauen durch die öffentliche Debatte dazu ermutigt, mit Beschwerden zur Gleichbehandlungsanwältin zu kommen, den Umstand zu benennen und zu definieren. Besonders wichtig ist, daß sie zur Anwältin kommen, bevor sie gekündigt werden beziehungsweise bevor Schritte gesetzt werden, vor allem seitens des Arbeitgebers, die unwiderruflich sind.

Es ist nach wie vor so, daß bei sexueller Belästigung der Großteil der Arbeitsverhältnisse früher oder später mit der Auflösung des Dienstverhältnisses zum Schaden des Opfers, nämlich der Frau, endet. Das ist ein Umstand, den wir nicht Jahr für Jahr beim Studium des Berichtes einfach nur zur Kenntnis nehmen dürfen, sondern einer, der dringend einer Regelung bedarf, etwa durch eine weitere Novelle dieses Gleichbehandlungsgesetzes.

Ein Ergebnis haben die Beratungen im Zuge des Frauen-Volksbegehrens bereits gezeigt: daß auch bei der Vergabe angesetzt werden sollte und dringender Handlungsbedarf besteht, weil Bestimmungen, die an und für sich im Gleichbehandlungsgesetz enthalten sind, wie etwa die Beachtung des Gleichbehandlungsgesetzes auch bei der öffentlichen Vergabe und bei Förderungen, nicht eingehalten werden. Dies ist möglich, weil es keine abrufbare Berichtspflicht gibt. Allein dieser kleine Punkt bezüglich der Berichtspflicht für Betriebe, vor allem wenn es um Förderungen und Vergaben geht, bedarf einer ganz dringenden Novellierung.

Ich möchte hier gar nicht alles aufzählen, ich denke, es war höchst an der Zeit, daß es zu dieser kleinen Novelle gekommen ist, aber das kann nicht alles sein. Wir warten, wie gesagt, bis März die Ergebnisse der Beratungen ab. Wir hoffen, daß wir Anträge vorlegen können, die von mehreren Fraktionen unterstützt werden, sonst werden wir allein noch vor dem Sommer entsprechende Anträge einbringen. (Beifall bei den Grünen.)

13.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

13.20

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich geht es – das haben meine Vorrednerinnen schon festgestellt – um zwei Dinge: zum einen um eine Satzeinfügung und Präzisierung im Gleichbehandlungsgesetz, und zwar betreffend die sexuelle Belästigung durch Dritte. Das ist eine Änderung, die wir sehr begrüßen und die einfach aufgrund praktischer Fälle zur Notwendigkeit geworden ist. Der zweite wesentliche Punkt, der heute hier zur Verhandlung steht, ist die Ermächti


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gung zur Erweiterung und zur Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Zweifellos ist auch das ein richtiger Schritt.

Ich darf in diesem Zusammenhang Frau Kollegin Haller ins Gedächtnis rufen, daß wir unsere diesbezügliche Position nicht verlassen haben. Bei der Beschlußfassung über das Gleichbehandlungsanwaltschaftsgesetz haben wir festgestellt, daß wir damit Neuland betreten. Es ist schon damals im Raum gestanden, daß wir mit der punktuellen Schaffung einer Anwaltschaft in Wien nicht auskommen werden, und wir haben damals gesagt, daß wir noch abwarten möchten und die Entwicklung beobachten wollen.

Ich bekenne mich heute genauso wie damals dazu, in einem ersten Schritt – natürlich unter Beachtung der finanziellen Gegebenheiten und Möglichkeiten –, ähnlich wie bei der Schaffung der Finanzlandesdirektionen, zum Beispiel für Wien, Niederösterreich und das Burgenland gemeinsam eine solche Stelle einzurichten, das heißt, gemeinsam für jeweils drei Bundesländer einen Schwerpunkt zu errichten und dann, wenn notwendig, einen weiteren Ausbau bis hin zu einer Anlaufstelle in jedem Bundesland in Angriff zu nehmen.

Ich glaube, es braucht nicht näher erläutert zu werden, warum wir mit einer Stelle in Wien allein nicht auskommen können. Das sagt uns die Gleichbehandlungsanwältin, und wir kennen aus den Berichten auch die Zahl der Hilfe- und Beratungssuchenden. Man muß grundsätzlich ein bißchen eingehender über die Aufgaben reden.

Ich glaube, daß es für eine Frau oder einen Mann – die Gleichbehandlungskommission steht ja auch Männern offen und wird auch von Männern genutzt – grundsätzlich schwierig ist, eine solche Anlaufstelle aufzusuchen. Manchen ist es vielleicht nicht zumutbar oder sie trauen sich gar nicht, die weite Reise anzutreten. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Westen wissen, wovon ich rede und was es heißt, fünf, sieben oder acht Stunden unterwegs zu sein, um überhaupt einmal zu einer Anlaufstelle zu gelangen. Wir finden es daher sehr sinnvoll, diese sozusagen erste Zelle in Tirol einzurichten, um den Menschen in den westlichsten Bundesländern die Möglichkeit zu geben, ihr Recht zu suchen und auch durchzusetzen.

Außerdem ist das beratende Element sehr wesentlich. Es kommt ja nicht immer zu einem Verfahren, zu einer anwältlichen Durchsetzung, sondern es gibt sehr viele reine Beratungsfälle. Mehr als 2 100 Menschen, habe ich gelesen, haben die Stelle aufgesucht und dort Rat erbeten, aber letztendlich wurden nur 50 Verfahren eingeleitet. Daran erkennt man, daß viele Fälle nicht weiter zu verfolgen sind und ad acta gelegt werden können.

Es ist aber wichtig, daß jeder, der sich ungleich behandelt fühlt und in diesem Zusammenhang Rat und Hilfe sucht, auch tatsächlich eine Anlaufstelle findet, die ihn effizient vertritt und die sich auch – dieses Kompliment habe ich schon im Ausschuß gemacht –, wie dies derzeit die Gleichbehandlungskommission mit ihrer Anwältin tut, explizit für ihre Mandanten einsetzt, die die Sachlage wirklich prüft. Man könnte sagen, daß diese Anwältin sozusagen im Schaufenster steht und sich ein anderes Verhalten gar nicht leisten kann, aber ich muß betonen, daß sie sich wirklich korrekt bemüht, mittels unzähliger Recherchen und unter ungeheuer hohem Aufwand, von der Zeugenanhörung bis hin zum Betriebsbesuch, zur Recherche vor Ort, die Wahrheit herauszufinden. Und wenn man von dieser Situation ausgeht, dann muß man verstehen, daß Alternativen, die vielleicht billiger wären, weit weniger effizient wären.

Frau Kollegin Haller hat uns einiges vorgeworfen, und ich weise das zurück. Ich frage Sie von den Freiheitlichen: Macht ihr das als Partei? – Mein lieber Koalitionspartner SPÖ, für den Fall, daß ihr einmal die Koalition wechseln wollt, kann ich euch nur warnen: Da wächst ein Früchtchen heran! (Lebhafter Protest und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Nur deshalb, weil wir bei unserer Meinung geblieben sind, wurden wir von den Freiheitlichen gefragt, was wir vom Koalitionspartner dafür bekommen hätten, daß wir unsere Zustimmung geben. Das war doch ohnedies immer unsere Meinung! Ich muß sagen, das empört mich zu Recht! Ihr Freiheitlichen braucht gar nicht empört zu sein. (Beifall bei der ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Entschuldigen Sie, wenn man versucht, uns in diesem Punkt quasi eine Packelei zu unterstellen ... (Abg. Madl: Das ist eine Unterstellung!) Lesen Sie nach, was Frau Kollegin Haller gesagt hat. Sie hat gefragt: Was habt ihr denn gekriegt dafür? Was habt ihr denn ausverhandelt? – Das war eine Unterstellung! Seid nicht so empört! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen sowie Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Aber ich bin ohnedies nicht überrascht darüber, daß ihr bei diesem Beschluß nicht mitgeht, da die FPÖ in entscheidenden Fragen bereits zur Neinsagerpartei geworden ist (Beifall bei der ÖVP)  – egal, ob das Europa betrifft, den Euro oder sonst etwas. Auf alles, was in Richtung Zukunft weist, gibt es von euch ein klares Nein. Euer Modell, euer Vorschlag, daß man die Anlaufstelle bei einem Anwalt vor Ort einrichten könnte, ist ja nur das Feigenblatt, das ihr euch vorhaltet! Damit ihr kein klares Nein sagen müßt, laßt ihr euch eben eine Alternative einfallen.

Im ersten Augenblick – das gebe ich zu – habe ich gedacht, diesen Vorschlag muß man sich anschauen. Aber nur dann, wenn man der Auffassung ist, daß das Frauenrecht und die Vertretung der Frauen in der Anwaltskanzlei so nebenbei "mit dem kleinen Finger" erledigt werden kann, findet man Gefallen an diesem Modell! (Abg. Madl: Damit diskriminieren Sie alle Anwälte! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Frau Kollegin Madl! Wir diskriminieren die Anwälte nicht.

Ich kenne einen Anwalt, dessen Kanzlei auf dem Lande angesiedelt ist und der seine Fälle im Bauverfahren, im Genossenschaftsrecht, was Wien betrifft, einem Spezialisten vor Ort gibt. Er sagt zu seinem Wiener Kollegen: Ich gebe dir diesen Fall ab, nimm ihn, du bist dort der Praktiker und wirst ihn gewinnen. Was ist daran negativ? (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Frau Madl! Sie verstehen davon einen Schmarrn! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann Ihnen sagen, so, wie Sie sich das vorstellen, kann es jedenfalls nicht gehen. Außerdem soll das als eine Art Verfahrenshilfe bezahlt werden. Wissen Sie, wieviel man dafür zahlt? – Ich weiß gar nicht, ob das billiger ist. (Abg. Dr. Graf: Was kostet die Behörde?!)

Wissen Sie, wieviel es kosten würde, wenn der Anwalt genauso recherchierte wie die Gleichbehandlungskommission?! – Er muß ja recherchieren, er muß auch zur Arbeiterkammer gehen und all das machen, was jetzt zentral geschieht. Geht er in den jeweiligen Betrieb oder holt er sich Leute von dort, bezahlt er die auch? – Ich stelle mir das in der Praxis undurchführbar vor, und letztendlich würde es mindestens genauso viel wie das jetzige System kosten. (Lebhafter Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Natürlich unterstelle ich euch das nicht, aber die Devise der Anwälte lautet nun einmal: "Nur keinen Streit vermeiden!" (Abg. Dr. Graf: Das ist unrichtig, was Sie da sagen!)

Ich meine, die Frauen sind bei manchen Anwälten und in anderen Durchsetzungsfällen sehr wohl gut aufgehoben, aber in dieser Causa braucht man eine Spezialisierung. Diese kann man nicht in einem Kurs lernen und dann die Frauen vertreten, sondern dabei geht es um ein reguläres Verfahren. Es geht auch um eine Anlaufstelle, um Beratung, die man bewerben kann und von der die Frauen wissen, daß sie dorthin gehen können, daß sie dort breitgefächert Rat und Hilfe von verschiedenen Spezialisten bekommen! Das kann ein normaler Anwalt nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten des Liberalen Forums. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dazu stehe ich und dabei bleibe ich!

Es gefällt mir, daß ich euch ein bisserl erregt habe, denn es war mir bei dieser Thematik sowieso schon ein bisserl zu ruhig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe auch Frau Kollegin Kammerlander nicht verstanden. Ich weiß nicht, worin der Rückschritt bestehen soll. Sie hat diesen Punkt eigentlich nicht aufgeklärt, sie hat nicht gesagt, worin der Rückschritt liegt. (Abg. Madl: Die lacht Sie schon aus!) Ich glaube, wir bewegen uns sehr wohl vorwärts. Daß es aufgrund der Erfahrungen, die wir gewonnen haben, die eine oder andere Änderung geben muß, ist unbestritten. Aber, wie gesagt, vor fünf Jahren haben wir in diesem Bereich völlig neuen Boden betreten.


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Uns geht es in diesem Fall eigentlich um nichts anderes, als daß Frauen und Männer – "Männer" muß man immer dazusagen – zu ihrem Recht kommen und eine klare Anlaufstelle haben, wo Spezialisten für ihr Recht eintreten. Es ist auch wichtig – das ist auch im Interesse der Arbeitgeber –, daß in diesen Fällen nicht nur Recht gesprochen wird, sondern daß die Fälle auch breit aufgeklärt und wirklich gründlich untersucht werden. Das muß auch im Interesse aller Frauen und Männer in diesem Hause sein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.29


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Krüger gemeldet. – Bitte.

13.29

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Bauer hat, bezogen auf unsere Abgeordnete Edith Haller, gesagt: "Da wächst ein Früchtchen heran!" Ich beantrage die Erteilung eines Ordnungsrufes und stelle hier ausdrücklich fest, daß, wenn eine derartige Wortmeldung von einem männlichen Kollegen, bezogen auf eine weibliche Kollegin, gefallen wäre, mindestens 20 Damen dieses Hohen Hauses mit Recht den Rücktritt dieses Abgeordneten verlangt hätten! Es war dies ein absoluter Tiefpunkt, und ich beantrage daher die Erteilung eines Ordnungsrufes. (Beifall bei den Freiheitlichen.  – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

13.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Dr. Krüger! Es wird dazu Einsicht in das Protokoll genommen werden. Das Präsidium wird dann darüber entscheiden.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben 2 Minuten Redezeit, ich möchte Sie aber vorsorglich darauf aufmerksam machen, daß diese Redezeit nicht verlängert wird, auch wenn Sie mehr als eine Behauptung berichtigen. Sie haben 2 Minuten Redezeit, wie viele Berichtigungen Sie auch immer vorbringen wollen.

13.30

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Hohes Haus! Erste Berichtigung: Frau Kollegin Kammerlander hat hier vom Rednerpult aus behauptet, daß Anwälte nicht unabhängig und nicht unbefangen in Fragen der Gleichbehandlung agieren. – Diese Behauptung ist unrichtig.

Ich behaupte hier nicht nur, sondern ich weiß, daß gerade der Anwaltsstand wahrscheinlich der einzige wirklich unabhängige Berufsstand überhaupt noch ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Der Anwalt hat keine öffentlich-rechtliche Altersversorgung, der Anwalt hat keine öffentlich-rechtliche Krankenkasse.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Graf! Das geht über eine tatsächliche Berichtigung klar hinaus. Ich möchte Sie auch nicht auf die Anwaltsordnung bezüglich Reklame für Ihren Stand aufmerksam machen.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Der Anwalt ist ausschließlich seinem Mandanten gegenüber verpflichtet, und im Falle von Kollisionen wird er das Mandat ablehnen; das kommt immer wieder vor. Der Anwalt ist auch in Fragen der Gleichbehandlung unabhängig.

Zur zweiten Berichtigung, zur Kollegin Bauer: Kollegin Bauer hat gesagt, ein Anwalt kann Fragen der Gleichbehandlung nicht wahrnehmen. Das ist unrichtig. Ein Anwalt ist zur Durchsetzung von gesetzlichen Ansprüchen berufen. Anwälte machen dies seit über 200 Jahren in der derzeitigen Form sehr erfolgreich und überaus im Interesse der Mandanten.

Ich würde Sie daher ersuchen, derartige berufspolitische Untergriffe zu unterlassen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Aumayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Mertel: Bitte nicht schreien! – Abg. Aumayr: Das wäre eine Möglichkeit, Frau Kollegin!)

13.32

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Kollegin Bauer und die Damen von allen anderen Fraktionen! Was glauben Sie, wie erfolgreich die Frauenpolitik in diesem Hohen Haus sein wird, wenn wir so miteinander umgehen? Frau Kollegin Bauer, Sie stehen hier heraußen und sagen zur Frau Kollegin Madl: Sie verstehen einen Schmarrn davon! Zum lieben Koalitionspartner sagen Sie: Was Sie sich da für Früchtchen heranzügeln! (Abg. Rosemarie Bauer: Habe ich nicht gesagt!) Was ist das für eine Diktion, Frau Kollegin Bauer?

Im Interesse einer erfolgreichen Frauenpolitik ersuche ich Sie wirklich, sich diesbezüglich zurückzuhalten, nur im Interesse einer gemeinsamen erfolgreichen Frauenpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Solange in diesem Gleichbehandlungsausschuß – das gilt auch für Sie, Frau Kollegin Mertel (Abg. Dr. Mertel: Ich gebe Ihnen recht!)  – solch ideologische Gräben aufgerissen werden und wir es nicht schaffen, aufeinander zuzugehen, werden wir in der Sache nicht weiterkommen. Ich möchte das nur anhand einiger Beispiele klarmachen: Kinderbetreuungsscheck. Wenn wir das fordern, dann sagen Sie: Nein, kein Kinderbetreuungsscheck, wir brauchen zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen. Wenn wir über eine Pension für Mütter diskutieren, sagen Sie: Das nächste, was die Freiheitlichen fordern werden, wird das Mutterkreuz sein. Oder: Erhöhung des Wochengeldes für Bäuerinnen. 15 Jahre hat es gedauert, bis es endlich um 50 S erhöht wurde. Von der SPÖ bekommen die Bäuerinnen ausgerichtet, das sei viel zu viel. Oder: Karenzgeld für Selbständige – da findet überhaupt so etwas wie ein Klassenkampf statt. Und solange wir diese Gräben nicht überwinden, werden wir Schwierigkeiten haben, eine erfolgreiche Frauenpolitik zu machen.

Jetzt noch kurz zu den Gleichbehandlungsanwaltschaften. Frau Bundesministerin! Die Frau, die wirklich am meisten diskriminiert ist, sind eigentlich Sie. Sie sind zwar Frauenministerin, aber für Frauenangelegenheiten ist aufgrund des Bundesministeriengesetzes einzig und allein der Herr Bundeskanzler zuständig. Er kann Weisungen geben, ob oder wann irgendwo eine Gleichbehandlungsanwaltschaft installiert wird. Sie müßten zuallererst einmal schauen, daß Sie Ihre Diskriminierung beseitigen, denn erst dann könnten Sie glaubwürdig gegen die Diskriminierung von Frauen kämpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die von Ihnen vorgebrachten Argumente für die Ablehnung des Vorschlages, Kammern oder Anwälte mit Gleichbehandlungsfragen in den Bundesländern zu betrauen, kann ich nicht nachvollziehen; auch Ihre nicht, Frau Kollegin Bauer und Frau Kollegin Kammerlander. Wieso kann man sagen, Anwältinnen oder Anwälte sind niemals in der Lage, die Frauen ordentlich zu vertreten, weil die Materie so kompliziert ist? Schauen Sie bitte einmal nach Amerika: Seit Jahren vertreten dort die Anwältinnen und Anwälte die Frauen in Gleichbehandlungs- beziehungsweise Diskriminierungsfragen – und sehr erfolgreich! Davon können wir nur träumen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich muß Ihnen noch etwas sagen: Wir Freiheitlichen gehen einen völlig anderen Weg. Wir haben in Oberösterreich eine Frauenlandesrätin, und zwar Ursula Haubner, die ihre freien Kapazitäten und ihr Büro für einen wöchentlichen Sprechtag zur Verfügung stellt. An diesem Sprechtag sind eine Juristin und auch eine Sekretärin anwesend, und die Frauen können jederzeit hinkommen und sich dort beraten lassen. (Abg. Rosemarie Bauer: Das machen andere schon lange!) Was machen Sie dann mit den Gleichbehandlungsanwaltschaften in den Bundesländern? Die haben doch überhaupt keine Rechte, sie müssen alles an die Kommission weiterleiten. (Abg. Rosemarie Bauer: Aber nein!)

Sie fordern ständig neue bürokratische Hürden, die mit Kosten verbunden sind – und die Frauen bleiben dabei auf der Strecke. Bestehende Institutionen stellen Sie einfach in Abrede, wie die


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Tätigkeit im Büro der Frau Landesrätin Haubner. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Machen Sie es so wie die freiheitliche Frauenlandesrätin: Öffnen Sie Ihre Büros, stellen Sie Ihre freien Kapazitäten für die Frauen zur Verfügung, dann können wir wirklich etwas bewegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Schaffenrath vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.37

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Aumayr, ich gebe Ihnen recht: Die Frauenministerin hat auch meiner Ansicht nach viel zuwenig Kompetenzen. Ich kann mich allerdings schon daran erinnern, daß von seiten der FPÖ auch schon gesagt wurde, daß wir eine Frauenministerin überhaupt nicht mehr benötigen. (Abg. Madl: Ohne Kompetenzen!) Ich bin gerne bereit, dafür einzutreten – weil mir Gleichbehandlung so wichtig ist –, daß die Frauenministerin aus dem Bereich des Bundeskanzleramtes herausgelöst wird und ihr jede Menge Kompetenzen gegeben wird, die sie braucht. Ich freue mich heute schon auf Ihre Unterstützung. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir können uns durchaus auch eine Gleichbehandlungsministerin vorstellen, da gibt es bei den Frauen großen Handlungsbedarf. Mit eigenen Kompetenzen und mit eigenen finanziellen Mitteln hätte die Ministerin sicher einen erweiterten Gestaltungsbereich. Darüber sind wir uns einig.

Zur Frau Kollegin Bauer, die jetzt leider nicht mehr hier ist. Ich kann ihr schon erklären, was Kollegin Kammerlander wahrscheinlich meinte, als sie sagte, durch diese lange Dauer, bis es zu einer Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaften gekommen ist, wäre ein Rückschritt in Frauenangelegenheiten bemerkbar. Das deshalb, weil es eben in dieser Zeit durchaus häufig die Situation gegeben haben kann, daß Frauen, die im Erwerbsleben diskriminiert waren, wegen der großen Entfernung zu Wien nicht die notwendige Unterstützung erreichen konnten und einen Rückschritt in ihrer persönlichen beruflichen Laufbahn akzeptieren mußten.

Was ich aber nicht verstehen kann – das sage ich der Ordnung halber hier von dieser Stelle aus, ich sage es vor den leeren Bänken der Grünen, aber immerhin für das Protokoll –, ist, daß sich die Grünen hier in dieser Debatte als KontrarednerInnen gemeldet haben, obwohl sie beiden Ausschußberichten ihre Zustimmung erteilen werden. Ich frage nach den Hintergründen, die Antwort werde ich jetzt an dieser Stelle nicht bekommen.

Zur kleinen, wirklich sehr kleinen Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes. Frau Ministerin! Es ist erfreulich – was lange währt, wird endlich gut –: Wir bekommen jetzt zumindest in Tirol eine Gleichbehandlungsanwältin. Die Kosten sind vergleichsweise gering, wenn ich daran denke, was dadurch für Frauen alles geleistet werden kann. Ich hätte mir aber gewünscht, daß die Formulierung in diesem Gesetz betreffend die Absicht, auch in anderen Bundesländern eine Gleichbehandlungsanwaltschaft einzurichten, deutlicher ausgefallen wäre und daß wir uns selbst einen ganz konkreten Zeitrahmen vorgegeben hätten, innerhalb welchem wir dann die Regionalisierung vorantreiben wollen.

Ich bin froh darüber, daß es gelungen ist, den Aufgabenbereich der Regionalanwältin klar zu definieren. Ich glaube, das war wichtig. Es wäre sicher nicht gut gewesen, aufgrund der Gemütslage des Bundeskanzlers oder auch aufgrund der momentanen budgetären Situation diese Aufgaben jeweils über eine Verordnung neu festlegen zu lassen.

Es gibt weitere positive Aspekte wie die Klarstellung im Bereich der sexuellen Belästigung. Ich empfinde es auch als durchaus positiv, daß in dem Gesetz anerkannt wird, daß Beamtentum, wenn es um die Besetzung von Positionen geht, nicht unbedingt gegeben sein muß, sondern auch andere qualifizierte Personen zum Zug kommen können.

Ich hoffe, daß es bei der großen Novelle, die auch schon sehr, sehr lange angekündigt ist, wirklich zur Umsetzung der konkreten Punkte kommt. Über die Vorgangsweise und über die konkre


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ten Vorstellungen werden wir sicher noch ausführlich diskutieren. Sie haben gesagt, Sie werden zügig und rasch arbeiten und auch die Parteienvorstellungen einarbeiten. Ich werde Sie gegebenenfalls – ich hoffe, es nicht tun zu müssen – daran erinnern, denn ich möchte nicht, daß es zwei weitere Jahre dauert, denn wir haben in diesem Bereich wirklich Handlungsbedarf.

Jetzt zum Antrag der Freiheitlichen, der hier so viele Emotionen hervorgerufen hat. Frau Kollegin Haller – ich sehe sie jetzt leider nicht im Saal – hat gemeint, es ginge nicht so sehr um die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaften, im Mittelpunkt frauenpolitischer Überlegungen müßten doch die wirtschaftliche Situation und die Lage der Frau stehen; zumindest habe ich das gestern hier so verstanden. Dazu muß ich folgendes sagen: Das ist doch untrennbar mit Gleichbehandlungsanwaltschaften verbunden, denn wenn ich die Frau in ihrer Erwerbstätigkeit schützen will, wenn ich sie vor Diskriminierungen schützen will, bei der Einstellung, bei der Beförderung, beim Weiterkommen, dann brauche ich diese Gleichbehandlungsanwaltschaften, weil nur diese einen fairen Zugang und eine faire Behandlung in der Wirtschaft letztendlich sicherstellen können, und davon sind auch das Einkommen und die wirtschaftliche Situation der Frau abhängig.

Kollegin Haller hat nicht recht, wenn sie sagt, wir wären nicht gewillt gewesen, diesen Alternativvorschlag zu diskutieren. Es geht hier nicht um Unterstellungen, von welcher Seite auch immer, aber schauen wir uns Ihren Antrag noch einmal genau an: Sie haben sich jetzt auf die Möglichkeit eingeschossen, Gleichbehandlungsfragen über Rechtsanwälte abwickeln zu lassen. In Ihrem Antrag schreiben Sie, daß das ein unabhängiger Verwaltungssenat machen könnte. Dazu muß ich sagen: Sie haben schon eine, wie ich glaube, kuriose Vorstellung von den Aufgaben eines unabhängigen Verwaltungssenates. Laut Ihrem Entschließungsantrag könnten die Kammern mit Gleichbehandlungsangelegenheiten betraut werden. Ich hätte da wenig Vertrauen, denn gerade unsere Kammern – ich sage es noch einmal – sind ausgesprochen männlich dominiert. Die Wirtschaftskammer würde ich in diesem Zusammenhang als ausgesprochen ungeeignet erachten.

Zu den Rechtsanwälten. Ich gehe davon aus, daß Rechtsanwälte in der Lage wären, sich die fachliche Kompetenz für die Behandlung aller Gleichbehandlungsfragen zu erarbeiten, und ich gehe ausdrücklich davon aus, daß die Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in der Lage wären, die notwendige Sensibilität in diese Sache einzubringen – ich gestehe das den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen zu –, aber wenn sich die FPÖ mit den grundsätzlichen Aufgaben der Gleichbehandlungsanwältin identifiziert – das hat Sie ja getan –, dann sage ich ihr: Das können auch die kompetenten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen nicht leisten. Sie müssen mir einmal erklären, wie Rechtsanwälte zu schriftlichen Stellungnahmen kommen, wie Betroffene, sage ich jetzt, in Verdacht Stehende über Rechtsanwälte gezwungen werden können, weitere Auskünfte zu geben, wie sie zu einer Auskunftspflicht gegenüber diesem Rechtsanwalt gezwungen werden können. Dazu müßten wir diesen Rechtsanwälten eine Art Behördencharakter geben, und damit wären wir wieder am Anfang der Diskussion.

Darin, daß die Behandlung von Gleichbehandlungsfragen zeitaufwendig ist, sind wir uns einig. Und wenn man sich die Stundensätze von Rechtsanwälten vor Augen führt, dann kommt man, so glaube ich, zu der Erkenntnis, daß wir mit einer Gleichbehandlungsanwaltschaft in jedem Bundesland – also mit acht zusätzlichen – immer noch kostengünstiger davonkommen.

Wenn Gleichbehandlungsfragen einem Rechtsanwalt übertragen werden, dann könnte das nur vor Gericht ausgetragen werden, weil man nur über das Gericht eine Auskunftspflicht erwirken kann. Ich glaube aber nicht, daß es sinnvoll ist beziehungsweise daß Frauen wollen, daß diese Angelegenheiten im Rahmen einer Gerichtsverhandlung ausgetragen werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich komme noch einmal auf die große Novelle zurück, und ich ersuche Sie noch einmal, sich diesbezüglich wirklich einzusetzen und diese Sache voranzutreiben.

In diesem Zusammenhang muß ich schon noch ein paar Worte zu den gestrigen Aussagen des Herrn Bundeskanzlers im Rahmen der Aktuellen Stunde sagen. Der Herr Bundeskanzler ver


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suchte, es von der Regierungsbank aus so darzustellen, als wäre es seine persönliche gute Tat, seine persönliche Leistung, daß erst vor kurzem wieder zwei Sektionsleiterposten mit Frauen besetzt wurden (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel )  – es ist schön, ja –, aber: Wir haben ein Bundesgleichbehandlungsgesetz, wir haben Frauenförderpläne, und anscheinend – darin geben Sie mir sicherlich recht – hätte er nur unter Beugung dieser Gesetze eine andere Entscheidung treffen können. Das war daher keine gute Tat, sondern dringend erforderlich und notwendig. Das heißt aber nicht, daß ich mich nicht auch darüber freue, daß wir hier langsam vorankommen. Aber diese beiden nun von Frauen besetzen Positionen auf höchster Ebene sind noch nicht in der Lage, den "traurigen" Prozentsatz der Frauen, die derartige Positionen innehaben, ein bißchen zu schönen. Darüber, so glaube ich, sind wir uns wohl alle einig. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Er hat freudestrahlend gesagt, das wäre in seiner Zeit gelungen. – Ich weiß nicht, was er sich erwartet hat, aber ich habe es in der Situation als nicht angebracht erachtet.

Wenn wir über Gleichbehandlung reden, möchte ich schon noch einmal auf die gestrige Abstimmung im Zusammenhang mit der Bestellung eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes aufmerksam machen. Wenn wir von Gleichbehandlung reden, wenn wir uns hier darin einig sind, daß Gleichbehandlung ein wichtiges politisches Ziel ist, vor allem die Umsetzung in die gesellschaftliche Realität, dann habe ich schon auch Probleme mit der SPÖ, denn von ihr würde ich mir erwarten, daß sie nicht so rasch ein Anliegen, für das sie in der Öffentlichkeit steht, nämlich bei gleicher Qualifikation von Kandidaten sich für eine Frau zu entscheiden und damit die Frauenquote in den höchsten Ebenen zu erhöhen, aufgibt, daß sie es nicht fast diskussionslos zugunsten eines schwarz-roten Proporzes in der Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofes hintanstellt. Es tut mir leid, daß sie es getan hat, und das ist kein glückliches Signal. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Madl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.48

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Schaffenrath und auch Frau Kollegin Bauer! Sie reden der Regionalisierung das Wort, Sie wollen so schnell wie möglich eine Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft in ganz Österreich. Warum wollen Sie das? – Um den Frauen den weiten Weg zu ersparen, die viele Zeit, die sie aufwenden müssen, wenn sie etwa von Vorarlberg nach Wien fahren müssen. Das alles wollen Sie ihnen ersparen. Aber unser Antrag zielt ja darauf ab, daß man sofort in ganz Österreich eine Regionalisierung durchführen kann. In der jetzt vorliegenden Gesetzesvorlage ist vorgesehen, daß jetzt einmal eine Gleichbehandlungsanwaltschaft ganz im Westen errichtet wird. Dazu ist zu sagen, daß die Kärntner, die Steirer dann noch genauso weit haben werden, ob sie nach Wien oder nach Tirol fahren; das habe ich auch schon im Ausschuß gesagt.

Die Idee ist ja die, daß man bestehenden Institutionen, Rechtsanwälten, RichterInnen, StaatsanwältInnen – die gibt es auch noch, stellen Sie sich vor! –, das gleiche Instrument in die Hand geben könnte, das man jetzt der Gleichbehandlungsanwältin in Tirol in die Hand gibt. Mit diesem Instrument könnten sie dann recherchieren und auch die Auskunftspflicht in den Betrieben erwirken. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Frau Kollegin! Wir reden über Dinge, die an und für sich noch nicht so wichtig sind, weil man vorher noch etwas zu erledigen hätte. Schauen Sie sich die Erläuterungen zu dieser Regierungsvorlage an. Darin steht, daß eine Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorerst nur in einem Bundesland vorgesehen ist. Und weiter heißt es, daß die Einleitung eines Verfahrens gemäß den §§ 5 und 6 nicht auf die Regionalbüros übertragen werden kann. Das heißt, eine Regionalisierung der Überprüfung einer Beschwerde durch die Gleichbehandlungskommission selbst ist nicht vorgesehen.


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Das bedeutet, daß die Tirolerin überprüft, recherchiert, sich die Anliegen anhört, ermittelt und dann zur Gleichbehandlungsanwaltschaft nach Wien fährt, wo beraten wird, ob man das der Kommission vorstellen soll. Wieviel Zeit dadurch vergeht, ist ungeheuerlich! Das könnte eine Anwältin vor Ort viel rascher erledigen, Frau Kollegin. Das muß ich Ihnen auch sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schaffenrath: Es gibt moderne Technologien!)

Wenn man sich den Gleichbehandlungsbericht 1996 anschaut, wird man überhaupt total desillusioniert (Abg. Schaffenrath: Wie wollen Sie den Anwalt ausstatten? Erklären Sie mir das!), denn darin steht – Frau Kollegin, hören Sie einmal zu! –: "Frauen, die sich zur Beratung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden, erwarten gleichsam Genugtuung für das in der Vergangenheit erlittene Unrecht." Dann steht noch: "Derartige Erwartungen können nicht erfüllt werden." – Das steht im Gleichbehandlungsbericht 1996! (Abg. Dr. Mertel: Das ist ja entsetzlich!) Selbstverständlich! Wollen Sie es sehen? (Abg. Dr. Mertel: Warum ist mir das entgangen?)

Wofür habe ich dann eine Gleichbehandlungsanwaltschaft, wenn ich von vornherein schon weiß, daß derartige Erwartungen nicht erfüllt werden können? (Abg. Schaffenrath: Sind Sie sicher, daß Sie die Aufgaben verstanden haben?) Wissen Sie auch, warum derartige Erwartungen nicht erfüllt werden können? Die Antwort darauf steht auch drinnen (Abg. Schaffenrath: Sind Sie sicher, daß Sie die Aufgaben der Gleichbehandlungsanwaltschaft verstanden haben?): weil schon aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen oft keine Genugtuung möglich ist. – Und damit bin ich jetzt beim wunden Punkt.

Frau Bundesministerin! Sie sollten eher das Gleichbehandlungsgesetz so ändern und novellieren (Abg. Dr. Mertel: Streichen!), daß man eine rechtliche Handhabe hat, Betriebe, Körperschaften, Gebietskörperschaften bestrafen zu können. Aber das ist jetzt nicht der Fall. Wenn man diese Fälle durchschaut, kann man feststellen: Es ist bei Diskriminierungen letztendlich immer wieder der Arbeitgeber in dieser Gebietskörperschaft derjenige, der gewonnen hat. Die betroffene Frau wurde finanziell ein bißchen getröstet, aber was das für ihre berufliche Laufbahn in Zukunft bedeutet, das brauche ich Ihnen nicht zu erklären.

Das bedeutet, wir brauchen unbedingt einen Maßnahmenkatalog. Damit, Frau Bundesministerin, können Sie gleich bei den Kammern und Sozialversicherungen, den Gemeinden, den Ländern und den öffentlichen Körperschaften des Bundes anfangen, denn dort – das wissen alle Frauen ganz genau; ich habe schon öfter mit betroffenen Frauen gesprochen – erfolgen die echten Diskriminierungen. Aber die werden niemals aufgedeckt, die können gar nicht aufgedeckt werden, hier kann auch keine Abhilfe geschaffen werden, solange es keine gesetzliche Handhabe gegen den Dienstgeber gibt.

Das sollte die Aufgabe sein, dann hätten Regionalanwaltschaften auch Sinn. Daß diese aber die Frauen, die zu ihnen kommen, nur vertrösten, letztendlich für sie jedoch nicht das machen können, was sie für nötig erachten, ist zu wenig, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Schaffenrath.  – Abg. Madl: Wir brauchen eine tatsächliche Gleichbehandlung! – Abg. Schaffenrath: Aber die Regionalanwältin kann etwas erreichen! – Abg. Madl: Nur bei sexueller Belästigung!)

13.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

13.53

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich vorerst auf ein paar Bemerkungen einiger Abgeordneter eingehen.

Frau Abgeordnete Madl! Wir haben ein Gleichbehandlungsgesetz des Bundes, wir haben mittlerweile erfreulicherweise neun Gleichbehandlungsgesetze der Länder (Abg. Madl: Aber nur bei sexueller Belästigung!), aber heute und hier diskutieren wir ein Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft. Ich komme auch noch auf die öffentlich Bediensteten zu sprechen und möchte gar nicht bestreiten, daß wir auch in anderen Bereichen, so auch im öffentlichen Dienst,


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immer wieder einiges zu tun haben werden. Deshalb bin ich sehr froh zu hören, daß es durchaus jetzt schon Zustimmung gibt, die Gleichbehandlungsanwaltschaft in Zukunft stärker mit Kompetenzen auszustatten, ihr und auch der Kommission bessere und stärkere Möglichkeiten der Umsetzung dessen, was sie gefunden, was sie entschieden haben, zu geben, denn das bedeutet in Zukunft natürlich auch mehr und bessere Rechte für die Frauen.

Das alles wird im Rahmen einer großen Gesetzesnovelle zu diskutieren sein und gehört mit zu den Punkten, die schon vorab in Gesprächen behandelt werden und wurden.

Frau Abgeordnete Aumayr! Es freut mich sehr, wenn Sie sagen, Sie würden ein eigenes Frauenministerium unterstützen. Ich hoffe, daß ich diese Unterstützung von allen erhalten werde, sollte ich tatsächlich ein Ministerium mit allem Drumherum in Anspruch nehmen. Das würde natürlich auch wesentlich mehr Personal und vieles andere mehr bedeuten. Die Zugehörigkeit zum Bundeskanzleramt hat ja auch einen ganz pragmatischen Hintergrund, nämlich die Nutzung von vorhandenen Ressourcen, nicht automatisch nur eine Einschränkung der Kompetenzen.

Die Beispiele, die gebracht wurden, sind meines Erachtens heute und hier im Rahmen dieser Gesetzesnovelle zu diskutieren, deuten aber auch alle schon auf einen weiteren und wesentlichen Schritt für die Zukunft hin.

Frau Abgeordnete Schaffenrath! Ich glaube auch, daß Frauenförderung ein umfassender Begriff sein muß und auch umfassend verstanden werden muß. Trotzdem möchte ich heute gerne den Herrn Bundeskanzler noch einmal in seinen Intentionen unterstützen, denn diese beiden Sektionsleiterinnen, die er gestern genannt hat, sind zwei von sieben und nicht zwei von 84. Und wenn zwei von sieben Sektionen von Frauen geleitet werden, so ist das schon ein wesentlicher und wichtiger Schritt, den die doch wesentlichste und wichtigste Stelle, nämlich das Bundeskanzleramt, gesetzt hat. Das bedeutet eine Herausforderung für alle anderen Ressorts, dies auch zu tun und nachzuziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die heutige Novelle – das ist schon diskutiert worden – steht natürlich im Zeichen der Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft, und ich weiß, daß es sehr wichtig sein wird, hier die richtigen und wesentlichen Schritte zu setzen.

Ich bin froh, wenn der Beschluß gefaßt sein wird und wir mit unseren Vorbereitungsarbeiten, die wir natürlich schon begonnen haben, weitermachen können und tatsächlich auch mit der Errichtung und Einsetzung dieser regionalen Anwaltschaft in Tirol – das brauche ich nicht mehr geheimnisvoll zu sagen, wir alle wissen ja, wo sie sein wird – beginnen können, sodaß dieses Projekt zügig umgesetzt werden kann.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch gerne meine Überlegungen dartun, wie es weitergehen soll. Genau die Installierung dieser Regionalanwaltschaft soll unser Muster dafür sein, wie wir zügig – nicht auf die lange Bank geschoben – auch in anderen Bundesländern, in anderen Regionen zu derartigen Einrichtungen kommen.

Ich betrachte trotzdem diese erste Regionalanwaltschaft Tirol als Projekt, dem viele andere Projekte in anderen Bundesländern folgen sollen. Insofern bekenne ich mich auch zu diesem ersten Schritt, der nicht nur aus finanziellen Überlegungen so gesetzt wurde, sondern auch aus inhaltlichen. Das wird auch von der Gleichbehandlungsanwältin – das hat sie immer wieder betont – unterstützt. Weitere Regionalanwaltschaften müssen natürlich unmittelbar darauf folgen.

Ich glaube auch, daß es, wenn wir das Gleichbehandlungsgesetz diskutieren, notwendig ist, den anderen Bereich mit hereinzunehmen. Heute wurde schon mehrfach gesagt, daß die große Gleichbehandlungsnovelle anstehe, meines Erachtens steht auch eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes des Bundes an. Diesbezüglich stehe ich mit den Gleichbehandlungsbeauftragten der verschiedenen Ressorts natürlich in sehr engem Kontakt, und wir werden versuchen, bis April/Mai eine Position zu diskutieren und darzulegen, wie wir dort die nächsten und wesentlichen Schritte setzen können.


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Ein ganz besonderer Punkt springt ins Auge, nämlich die sexuelle Belästigung durch Dritte, die heute geklärt werden soll. Das ist im anderen Gesetz – um nur ein Beispiel zu nennen – nicht beinhaltet, und es wäre wohl ein logischer Schluß, hier gleich nachzuziehen.

Ich glaube auch, daß eine konsequente Personalpolitik das einzige zentrale Modell sein muß und sein kann, um zu Chancengleichheit zu kommen – im öffentlichen Dienst genauso wie in der Privatwirtschaft. Aus diesem Grund ist es natürlich notwendig, sich in vielfältigster Art und Weise daranzumachen, den Frauen die besseren Chancen zu geben. Dabei geht es nicht darum, hier ein Geplänkel abzuführen, sondern es geht darum, die Maßnahmen, die immer wieder gefordert, die immer wieder in den Raum gestellt werden, auf deren Effizienz zu überprüfen und dann auch die nötige Entscheidung zu treffen, um sie auch wirklich umzusetzen.

Der rechtliche Rahmen ist ein wesentlicher Bestandteil, der natürlich noch weiter ausgebaut werden muß.

Die betriebliche Frauenförderung – ich möchte auch heute noch einmal darauf eingehen – ist ein zweites Standbein. Wir haben auf der einen Seite den rechtlichen Rahmen, das Gleichbehandlungsgesetz, darüber hinaus ist es aber, glaube ich, sehr, sehr notwendig und wichtig, die Unternehmen, die Betriebe, die Wirtschaft zu motivieren, Frauenförderung auch ernst zu nehmen und Frauenförderung auch durchzuführen, zu leben, zu tun.

Da gibt es natürlich viele Appelle, und da gibt es natürlich auch die Überlegungen im Hinblick auf etwaige Ressourcenvergeudung und vieles andere mehr. Aber ich glaube auch, daß es notwendig sein wird, hier der Wirtschaft eine entsprechende Unterstützung anzubieten, eine inhaltliche Unterstützung, vielleicht dort oder da auch Anreize aus dem wirtschaftlichen Aspekt heraus.

Aus diesem Grund freue ich mich sehr, daß die Sozialministerin – der Bundeskanzler hat es gestern auch erwähnt – und ich einer Meinung darüber sind, daß wir auch im Rahmen der Arbeitsverfassung, des Arbeitsverfassungsgesetzes, der Frauenförderung und den Frauenförderplänen in Zukunft einen wesentlicheren, einheitlicheren und eindeutigeren Standpunkt mitgeben wollen und das auch dokumentieren wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Bereich, der mir sehr am Herzen liegt und in dem ich gerade dabei bin, das auch rechtlich überprüfen zu lassen: Wir reden – wir haben das auch im vergangenen Jahr getan – immer häufiger von den atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Wir haben im vergangenen Jahr mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz die geringfügig Beschäftigten in das Sozialrecht – im Arbeitsrecht wären sie ja eigentlich verankert – mithereingenommen. Es handelt sich aber nicht nur um diese geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, sondern auch um viele andere, um immer neue Ausformungen. Und hier geht es darum, auch diese unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit und der Frauengleichbehandlung zu betrachten. Diesbezüglich werde ich entsprechende Überlegungen anstellen und sie natürlich auch Ihnen präsentieren, wie wir auch diese Frauen mit in ein Netz nehmen können, um sie nicht jenen Kräften auszusetzen, die bewirken, daß sie die Schwächeren sind und nicht entsprechend eingebunden sein können.

Im Rahmen des nationalen Aktionsplanes zur Beschäftigung, der ja jetzt gerade in Erarbeitung, in Bearbeitung ist, ist es mir ganz besonders wichtig, nicht nur bei diesem vierten Pfeiler anzusetzen, nicht nur bei der Chancengleichheit, bei der Frauenförderung anzusetzen, sondern wirklich auch das Mainstreaming in allen drei anderen Bereichen zu beachten. Es wird nicht angehen, Frauen, Frauenförderung nur unter einem Aspekt zu diskutieren und alle anderen Aspekte außer acht zu lassen, sondern da geht es wirklich darum, bei jedem Maßnahmenplan, bei jedem Aktionsprogramm, in jeder einzelnen Facette genau hinzuschauen und zu überprüfen, ob wir tatsächlich auch die Frauen mitberücksichtigt haben, ob Frauen von diesen einzelnen Maßnahmen auch mitprofitieren können oder nicht. Das bedarf des genauen Hinschauens, und ich bin überzeugt davon, daß wir auch hier gute, ganz besonders für die Frauen gute Aktionspläne zustande bringen werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr ist zum Thema Frauen sehr oft und sehr intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert worden, und ich stelle immer wieder fest, daß die Rechte der Frauen zwar gerne in den Mund genommen werden, daß Frauen zwar immer mehr in den Mittelpunkt des öffentlichen Geschehens gestellt werden, daß aber das, was dahintersteckt an Ideen, was auch tatsächlich an Bekenntnis da ist, zum Teil sehr große Widersprüchlichkeiten enthält. Ich persönlich habe es schon einmal hier im Hohen Haus gesagt, und ich möchte mich da wiederholen: Nicht jede gutgemeinte Maßnahme muß schon automatisch gut sein.

Aus diesem Grund ist es notwendig, all diese Vorschläge, diese Überlegungen in die Diskussionen miteinzubringen, aber vorweg zu schauen: Geht es tatsächlich in die Richtung, in die wir gehen wollen, und können wir mit den einzelnen Maßnahmen tatsächlich auch das Ziel erreichen? Und dann stellt sich natürlich die große Frage: Wie sieht dieses Ziel aus, das wir formuliert haben und das jede und jeder einzelne für sich formuliert hat? Ich habe es für mich formuliert, und die Wünsche der jungen Frauen sagen es sehr eindrucksvoll: Die jungen Frauen bekennen sich in einem übergroßen Ausmaß zu ihrer Berufstätigkeit, zu einer Berufstätigkeit, die nicht nur phasenweise, sondern zeit ihres Lebens aufrecht sein sollte. Daß sie daraus natürlich auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ableiten, ist klar.

Geben wir diesen Frauen vor allen Dingen die Chance, in ihrer Berufstätigkeit zu bleiben und gar nicht erst die Gefahr eingehen zu müssen, womöglich durch einzelne, nicht klug überlegte Schritte oder Maßnahmen ins Out gedrängt zu werden. Wir brauchen Maßnahmen, um sie in ihren Berufswelten, an ihren Arbeitsplätzen, in ihrem Fortkommen, in ihren Aufstiegschancen zu festigen. Dann, glaube ich, haben wir auch der Forderung Rechnung getragen, die die jungen Frauen an die Politik stellen, nämlich der Forderung der Berufszentriertheit, der Forderung, daß sie selber genauso ein Recht auf Arbeit, ein Recht auf Beschäftigung haben. Dieses Recht soll wohl im Mittelpunkt all dessen stehen, und dazu brauchen wir auch diese heutige Gleichbehandlungsgesetznovelle, dazu brauchen wir auch eine große Gleichbehandlungsgesetznovelle.

Ich wiederhole hier mein Angebot und meine Vorstellungen, jetzt nach dieser Beschlußfassung sehr rasch auch mit den einzelnen Parteien Kontakt aufzunehmen, einmal die Nachricht darüber zu vernehmen, was an Wünschenswertem da ist, und hier eine sehr zügige Debatte zu führen, um dieses Jahr 1998 wirklich auch dazu zu nützen, mit der großen Gleichbehandlungsgesetznovelle nicht nur weiterzukommen, sondern auch einen Schlußpunkt setzen zu können.

Ein weiteres großes Projekt, eine Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz des Bundes, sollte auch 1998 das Licht der Welt erblicken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.07

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auch ich bin sehr froh darüber, daß wir heute die Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz beschließen. Daß damit einhergeht, daß eine Regionalanwältin in einem Bundesland installiert wird – auch darüber bin ich froh. Und daß dies in Tirol, in Innsbruck sein wird, das freut mich ganz besonders, aber nicht nur aus lokalchauvinistischen Gründen, sondern auch aus sehr sachlichen Gründen.

Diese sachlichen Gründe möchte ich hier kurz darstellen. Ich habe mir die Zahlen angesehen: Salzburg, Tirol und Vorarlberg haben zusammen ungefähr gleich viele Einwohner wie Wien. Wenn ich mir dann ansehe, wie viele Menschen diese Gleichbehandlungsanwaltschaft in letzter Zeit in Wien in Anspruch genommen haben, dann sieht es so aus, daß die Wienerinnen die Gleichbehandlungsanwaltschaft – also Rat, Hilfe, Begleitung – neunmal so oft in Anspruch nahmen wie die Frauen und Männer in den anderen Bundesländern.

Hier ist Handlungsbedarf gegeben, denn es kann ja wirklich niemand ernstlich meinen, daß die Diskriminierungstatbestände, die dieses Gesetz regelt, in den westlichen Bundesländern


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weniger häufig gesetzt werden als im Osten des Landes. (Abg. Dr. Lukesch: Warum eigentlich nicht, Frau Kollegin?)

Wenn nun Frau Abgeordnete Madl – sie ist es, glaube ich, gewesen – beziehungsweise die "F" im Gleichbehandlungsausschuß schon Angst gehabt hat, daß hier Politbüros installiert werden, und andererseits der Vorschlag gekommen ist, man sollte sich doch das oberösterreichische Beispiel genauer ansehen, dann frage ich mich schon: Wenn eine Frau, die sich verletzt fühlt, die glaubt, daß sie anhand eines Gleichbehandlungsgesetzes recht bekommen sollte, Rat und Tat bei einer Landesrätin sucht, die sehr wohl einer Partei angehört (Abg. Aumayr: Dort sitzt eine Juristin!) , dann weiß ich nicht, ob die Unabhängigkeit in diesem Ausmaß gegeben ist. (Abg. Aumayr: Nein, dort sitzt eine Juristin, Frau Kollegin!) Sie haben gesagt: eine Juristin, die Frau Landesrätin und noch jemand. Ich habe ja zugehört! (Abg. Aumayr: Die Landesrätin stellt die Institution zur Verfügung, die Ressourcen, und dort sitzt eine Anwältin!) Okay, danke für Ihre Auskunft.

Andererseits möchte ich sagen, daß es sehr wohl einen guten Grund hat, wenn man Regionalbüros installiert – so wie es jetzt geplant ist –, weil es um Spezialisierung geht, weil, wenn eine Frau die Gleichbehandlungsanwältin, die Regionalanwältin, aufsucht, es ja nicht automatisch darum geht, daß sie ein kontradiktorisches Verfahren anstrebt. Es geht um Hilfe und darum, festzustellen, ob es sich überhaupt um einen Tatbestand handelt, der rechtlich verfolgt werden kann. Es geht auch darum, aufzuzeigen und Signale zu setzen, daß es kein Kavaliersdelikt ist, wenn Frauen diskriminiert werden. Dabei, meine ich, ist die Regionalanwaltschaft nicht die schlechteste Einrichtung. Überlegen Sie sich das vielleicht noch einmal! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch einmal zum Thema Regionalanwaltschaften: Ich bin froh darüber – wir haben lange dafür gekämpft –, daß jetzt endlich der erste Schritt gemacht worden ist, daß der Posten einer Gleichbehandlungsanwältin geschaffen wird. Weitere sollen und werden folgen. Das ist schon von Frau Ministerin Prammer gesagt worden und steht auch in den Berichten. – Gut so.

Ich möchte nur noch kurz zwei weitere Punkte ansprechen. Erstens wird nun auch geregelt, daß Auskunftspersonen, die vor die Gleichbehandlungskommission geladen werden, Anspruch auf Reisekostenvergütung haben. Das finde ich richtig, und es ist auch wichtig für die Sachverhaltsdarstellung, damit ein Sachverhalt wahrheitsgetreu wiedergegeben werden kann und die Aussagen entsprechenden Einfluß auf eine etwaige Entscheidung haben.

Ein meiner Ansicht nach sehr wichtiger und wesentlicher Punkt bei der Novellierung dieses Gesetzes ist noch jener, daß eine Klarstellung in bezug auf sexuelle Belästigung dahin gehend erfolgt, daß die sexuelle Belästigung durch Dritte explizit – das heißt also, nicht nur, wenn zum Beispiel der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin sexuell belästigt, sondern auch dann, wenn die Belästigung vom Kunden oder Arbeitskollegen ausgeht – in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, die Schuldhaftigkeit jedoch nicht unbedingt gegeben sein muß. Das halte ich für eine wichtige Maßnahme.

Die Frage der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ist nicht nur ein Problem, das einige Feministinnen sozusagen als Steckenpferd betreiben. Ich möchte dies an einem Beispiel illustrieren: Mir ist vor einigen Tagen zu Ohren gekommen, daß man, wenn man die Nummer 1611 anrief, bisher immer folgendes hören konnte: Platz soundso, Klappe X meldet sich, und dann hieß es: "Auskunft". – Nun, bei der Post und Telekom Austria ist es aber so, daß, wenn man beispielsweise in Tirol die Nummer 1611 wählt, die Telefonistin mit freundlicher Stimme fragt: "Was kann ich für Sie tun?" – Durch diesen Satz allein fühlen sich offensichtlich nicht wenige Österreicher – vor allem nächtens – dazu aufgefordert, anzügliche Bemerkungen und Obszönitäten, mit denen die Telefonistinnen konfrontiert werden, von sich zu geben. Das zeigt einerseits ein eigenartiges Sittenbild unsere Gesellschaft und wirft andererseits die Frage auf: Wie kommen die Telefonistinnen dazu, sich solche Äußerungen anhören zu müssen? – Daher ein Aufruf an die Post und Telekom Austria, diesen Satz vielleicht – ich hätte auch nicht gedacht, daß das ein mißverständlicher Satz sein könnte – umzuformulieren, alle "Mißverständnisse" auszuräumen, damit so etwas nicht mehr passieren kann.


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Abschließend: Ich bin froh darüber, daß wir heute dieses Gesetz beschließen werden und stimme dem mit Freude zu. (Beifall bei der SPÖ.)

14.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

14.14

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Einleitend möchte ich nur festhalten, daß ich es immer wieder bedauere, daß sich in solch wichtigen Fragen so wenige Männer engagieren. Ich meine, daß Gleichbehandlung wirklich Partner beiderlei Geschlechts bedingt, und der Ausschuß heißt ja auch Gleichbehandlungsausschuß. Wir Freiheitlichen sehen das so.

Jetzt möchte ich gleich zum Thema Gleichbehandlungsanwaltschaft und deren Regionalisierung kommen. Ziel ist doch, daß so rasch und flächendeckend wie möglich Frauen, wenn sie sich bedrängt, sexuell genötigt oder diskriminiert fühlen, Rat und Hilfe finden. Dabei kann man zwei Wege gehen: Ein Weg ist jener über staatliche Institutionen, über Büros, über Infrastruktur, über Kosten, über – ich würde fast sagen – Politbüros. Ein zweiter Weg könnte unter Einbindung eines flächendeckenden Systems, das es bereits gibt, gegangen werden.

Wir Freiheitlichen haben hier in erster Linie an die Anwälte und Anwältinnen gedacht, die durchaus qualifiziert wären, diesen Fragen nachzugehen. Die 3 500 österreichischen Anwältinnen und Anwälte werden sich für diese Vorgangsweise – vor allem jener der ÖVP, die sagt: Ihr seid ja gar nicht für diese spezielle Materie qualifiziert, seid nicht unabhängig und gar nicht in der Lage, diese Arbeit zu tun; ihr behandelt eure Klienten nur nebenbei – sehr "bedanken". Es wird viel Geld kosten, diesen 3 500 Anwälten persönliche Briefe zu schreiben. Doch das werden wir halt tun müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir Freiheitlichen haben in unserem Antrag festgehalten, daß auch andere Institutionen, die über qualifizierte Juristen und die Möglichkeit verfügen, diese Tätigkeit auszuführen, da einbezogen werden könnten. Ich muß ehrlich fragen: Was spricht denn dagegen? – Je länger die Diskussion darüber andauert, desto mehr fühle ich mich in meiner Argumentation bestätigt, insbesondere was die Beratungsfälle betrifft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Leider konnten wir Freiheitlichen keinerlei Bereitschaft der anderen Parteien erkennen, sich Alternativen zu überlegen. Von Ihnen von der linken Reichshälfte haben wir aber ohnehin nichts anderes erwartet, denn Sie denken eben in diesen Strukturen: Büros, Politbüros, Politposten, mehr Staat, mehr Bürokratie, aber von der ÖVP und von den Liberalen sind wir ganz besonders enttäuscht, weil diese sich ja immer als Hüter des freien Zugangs zur Privatwirtschaft, zu Anwälten und zu freien Berufen gerieren. In Wirklichkeit haben sie jedoch keinerlei Flexibilität gezeigt und denken in genau denselben Schemata, wie wir sie von den Sozialisten gewöhnt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie unseren Weg gingen, hätten Sie jetzt nicht nur eine Gleichbehandlungsanwältin im Westen Österreichs, sondern mit einem Schlag vielleicht sogar 3 500, denn so viele Anwälte gibt es nämlich in Österreich. Mit Ihrer Haltung erweisen Sie den Frauen keinen guten Dienst; davon bin ich überzeugt.

Zum Schluß noch folgender Appell: Mögen sich in Zukunft mehr Männer für diese Frage begeistern! Ich persönlich würde mir wünschen, daß in Zukunft auch mehr Männer diese Einrichtungen nützen und sich zu ihrem Recht verhelfen lassen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich – nach Einsicht in das Protokoll – feststellen, daß kein Anlaß besteht, Frau Abgeordneter Rosemarie Bauer einen Ordnungsruf zu erteilen, wie es zuvor begehrt wurde.


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Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.18

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn man diese Diskussion sehr aufmerksam verfolgt, kommt man immer mehr zu dem Schluß, daß gerade die FPÖ wirklich Nachhilfeunterricht in diesem Bereich benötigt (Abg. Madl: "Selbstverständlich"! – Abg. Silhavy: Das wird aber nichts nutzen!)  – das kann sehr wohl sein –, denn es ist so, daß die österreichische Frauenpolitik gerade durch die Gleichbehandlungsgesetze in den Ländern, durch das Bundesgleichbehandlungsgesetz (Abg. Madl: Zahnlos! So wie das Rauchverbot!) und durch die Frauenreferentinnen in den Ländern getragen wird, die es schon seit dem Jahre 1980 gibt. Oberösterreich war übrigens nicht das erste Bundesland mit einer Frauenreferentin, sondern erst das dritte. Man muß auch dazu sagen, daß diese "Erfindung" – unter Anführungszeichen – der Frau Landesrätin Haubner keine neue Erfindung ist, sondern daß es in den Bundesländern selbstverständlich eine juristische Beratung gibt. (Abg. Aumayr: Wo?)

Frau Kollegin Aumayr! Wissen Sie das nicht? Waren Sie nicht beim Frauenreferentinnen-Kongreß? Juristische Beratung gibt es in Vorarlberg, in Tirol, in Salzburg, in der Steiermark, in allen Bereichen. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Frauenreferentinnen in den Ländern werden genauso benötigt wie die Interventionsstellen für andere Bereiche, wie zum Beispiel Frauenhäuser, weil es diesbezüglich noch ein Manko gibt. Ich meine, wenn man diese Diskussion über die Anwälte so auf den Punkt bringt, muß man annehmen, daß die Anwälte zuwenig Arbeit haben (Abg. Aumayr: Reden Sie nur so weiter, damit das alles im Protokoll steht!) , und damit sie genug Arbeit haben, sollten sie – vom Staat verordnet – noch die Arbeit von Gleichbehandlungsbeauftragten dazubekommen.

Das ist doch absurd! Als Frauenreferentin muß ich bei bekannten Anwälten schon bis zu einem Monat warten, bis sie einmal Zeit haben, eine Erstberatung vorzunehmen. Die zweite Beratung wird ohnehin schon verrechnet. Ich meine, daß die Anwälte genug Arbeit haben, daß sie nicht unbedingt noch diese Arbeit übernehmen müssen, sondern daß es sehr wohl angebracht ist, dafür dezidiert die Stelle einer Gleichbehandlungsanwältin einzurichten, die sich dieser Aufgabe voll und ganz widmen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Frau Kollegin, damit liegen Sie völlig daneben!)

Ich meine, daß es Ihnen nämlich nicht wirklich darum geht, Frauenpolitik ein Stück weiterzubringen, sondern um verschiedene Positionen – was auch gerechtfertigt ist –, aber gerade in Zeiten wie diesen ist es notwendig, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen.

An dieser Stelle möchte ich zu den Ausführungen der Frau Kollegin Kammerlander kommen, die ja immer nur dann im Saal ist, wenn sie zum Rednerpult schreitet, und ihr sagen, daß es nicht gut ist, daß alles schlechtgemacht und krankgejammert wird. Ich habe manchmal das Gefühl, sie meint, daß es sowieso nur mehr die Grünen und die Liberalen seien, die Frauenpolitik machen. (Abg. Dr. Gredler: Danke!) Doch das ist nicht so! Ganz dezidiert: Das ist nicht so! (Zwischenruf der Abg. Madl. ) Frauenpolitik tragen wir alle gemeinsam, sehr wohl auch sehr stark in den Regierungsparteien. Die ÖVP weiß, was in der praktischen Umsetzung notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich lade Sie daher ein: Kommen Sie einmal eine Woche lang in ein Frauenreferat! Gehen Sie mit mir in Betriebe! Ich meine, in Wien ist die Situation leichter als zum Beispiel in Bad Radkersburg oder in einer anderen grenznahen Region. Wir wollen mit den Frauen, die diese Arbeit verrichten, vor Ort sprechen und deren Bedingungen verbessern. (Abg. Dr. Gredler: Gestern abend haben Sie das vergessen!)

Abschließend: Wir wissen – das trifft auch auf die Behandlung des Frauen-Volksbegehrens
zu –, daß es wichtig ist, zuerst Expertinnen und Experten anzuhören und erst dann zu entscheiden. (Abg. Hans Helmut Moser: Wo war gestern Ihre Frauenpolitik? Wo war die Frauenpolitik bei der Bestellung eines Verfassungsrichters?) Ich bitte darum, daß gewisse Kolleginnen und


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Kollegen nicht ans Rednerpult gehen und behaupten, wir würden die Verhandlungen verschleppen, sondern vielleicht doch zu sagen, wie der demokratische Weg vor sich geht. Dann ginge es nämlich auf diesem Weg, auf dem noch einiges zu verändern ist, einiges aber bereits vorhanden ist – das muß man auch sehen –, schneller voran. (Beifall bei der ÖVP.)

14.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

14.22

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es gibt zu diesem Thema ein gutes Zitat, das da lautet: Denn die, die Gleichheit und Gerechtigkeit wollen, sind nur die Schwachen, während sich die Starken über diese Dinge keinen Kummer machen.

Es ist daher unbestritten wichtig, daß die Gleichbehandlungsanwaltschaft den Schwachen schnelle, effiziente und kompetente Hilfe zukommen läßt. (Abg. Dr. Mertel: Recht haben Sie!) Danke dafür, daß Sie mir recht geben. Es freut mich, wenn das aus diesen Reihen kommt. Wenn sich aber die gedachte Hilfe für diese Schwachen als kompetenzloses Bürokratiemonster entpuppt, ist überhaupt niemandem geholfen: weder dem Hilfesuchenden noch dem Steuerzahler.

Betrachten wir diese Sache doch einmal genauer! Nehmen wir an, daß am Arbeitsplatz eine Frau ihrem männlichen Kollegen gegenüber benachteiligt ist. Was tut sie also? – Sie geht zum Regionalbüro. Eines gibt es in Wien, eines ist in Tirol in Planung. Dort meldet sie die Benachteiligung der Regionalanwältin, die den Fall aufnimmt. Diese meldet den Fall der Gleichbehandlungsanwältin, die diesen prüft. Diese wiederum meldet ihn der Gleichbehandlungskommission. Wissen Sie, wie lange die Kommission im Schnitt dazu braucht? – Sechs Monate!

Jetzt kommt es noch viel dicker: Diese Kommission gibt dann einen Bericht – in diesem Fall über die Arbeitsplatzthematik – ab. Es wundert mich sehr, Frau Ministerin Prammer, daß Sie diesen Gesetzestext offensichtlich nicht genau kennen, denn das, was Sie zuerst bezüglich der Strafmaßnahmen angesprochen haben, betrifft nur die sexuelle Belästigung. Diesbezüglich gibt es sehr wohl Strafmaßnahmen, nicht aber bei der ganzen Arbeitsplatzthematik. Das heißt, diese Kommission gibt einen Bericht ab, aber es können überhaupt keine Strafsanktionen, keine Strafmaßnahmen erfolgen. Das heißt weiters, daß diese Frau ohnehin wieder durch einen Anwalt mit einer zivilrechtlichen Klage vorgehen muß.

Jetzt frage ich Sie: Verstehen Sie das unter einer schnellen, effizienten und kompetenten Hilfe? – Das kann ich mir nicht vorstellen. Das bedeutet also, daß Sie nicht wirklich für die schwachen Bürger, die ich eingangs erwähnte, sondern für kompetenzlose Büros sind. Und das ist es, wogegen wir uns wehren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Das läuft nicht so ab!) Sie sind für Kommissionen, in denen die Interessenvertretungen der Interessenvertretungen sitzen. Das ist doch ein langer, bürokratischer, aufwendiger und ineffizienter Weg. Die ganze Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft macht doch nur dann Sinn, wenn sie flächendeckend ist. Da geben Sie mir ja alle recht.

Wissen Sie, was das die Bürger kostet? – Das kostet insgesamt 27 Millionen Schilling. Ein einzelnes Büro kostet, wenn noch, wie gefordert, eine Sekretärin bereitgestellt wird, 4,6 Millionen Schilling. Das sind doch alles Steuergelder! Da muß man sich doch überlegen, wie das finanziell günstiger und auch effizienter gestaltet werden kann.

Am Ende dieser Regierungsvorlage, meine Damen und Herren, geben Sie sich selbst den Todesstoß. Dort steht zu lesen, daß EU-Konformität gegeben sei. Warum ist EU-Konformität gegeben? – Weil es sich lediglich um organisatorische Maßnahmen handelt.

Meine Damen und Herren! Diese Frauen und Männer brauchen keine Organisation, keine Bürokratie, sondern Hilfe.


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Aber Sie sprechen – zu meinem großen Erstaunen – niedergelassenen AnwältInnen sogar die Kompetenz ab. (Abg. Gatterer: Wer sagt das?) Ich habe darüber – und das wird Ihnen schon ein bißchen weh tun, glaube ich – auch die Anwaltskammer informiert. Die Antwort der Anwaltskammer – ich zitiere – war folgende: Ich stimme Ihnen auch zu, daß Mitglieder unseres Berufsstandes jedenfalls jede erforderliche Qualifikation haben, rechtliche Vertretungen zu übernehmen. (Abg. Rosemarie Bauer: Das wissen wir jetzt schon!)

Ich möchte jetzt nicht noch einmal den gesamten Antrag des Kollegen Schöggl erklären; Sie wissen ja ohnehin darüber Bescheid. Ich habe jedenfalls bei diesen AnwältInnen eine kurze Blitzumfrage gemacht, um sie zu einigen Themen der Gleichbehandlung zu befragen. Ich habe sie gefragt, ob sie sich in Gleichbehandlungsfragen qualifiziert fühlen. – Na selbstverständlich! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dr. Maitz: Haben sie die Zeit? Und was kostet es?) Ich habe gefragt, welche juristischen Schritte sie noch setzen würden. – Sie haben folgendermaßen geantwortet: Je nach Fall ist der zivilrechtliche Weg mehrheitlich zur Geltendmachung möglich. – Sie alle wissen, daß ein Nichtanwalt ja nicht einmal eine Feststellungsklage einbringen kann.

Und was war die Problematik, die diese AnwältInnen aufgezeigt haben? – Der lange Rechtsweg, die Kostenfrage und die Beweislast.

Meine Damen und Herren! Ihr gesamter Antrag ist unausgegoren, weshalb ich folgenden Antrag stelle:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil, Anna Elisabeth Aumayr, Elfriede Madl, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Kollegen betreffend eine Rückverweisung gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Regierungsvorlage 842 der Beilagen, Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (1047 der Beilagen), wird zur weiteren Behandlung an den Gleichbehandlungsausschuß rückverwiesen."

*****

Diskutieren wir noch einmal darüber! Bisher haben mich Ihre Argumente überhaupt nicht überzeugt. (Abg. Dr. Mertel: Glauben Sie, daß wir das jemals schaffen?)

Wir Freiheitlichen können insgesamt einer Gesetzesvorlage nicht zustimmen, die unserer Meinung nach wiederum nur zur Ruhigstellung einer Wählergruppe dient und den wiederholten Versuch darstellt, staatliche Einflußnahme in einzelne Lebensbereiche der Bürger zu verstärken.

Unserer Ansicht und meiner Ansicht nach steht gerade im Falle der Hilfestellung die Frau im Mittelpunkt. Wir Freiheitlichen suchen einen unbürokratischen Weg und eine effiziente, kompetente sowie finanzierbare Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

14.28

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Mit der Einsetzung der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Jahre 1991 haben wir ein damals bereits bestehendes Gesetz mit Leben erfüllt. Ich möchte, weil es in diese heutige Diskussion hineinpaßt, doch noch einmal replizieren, daß, als im Jahre 1992 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und der Grünen das Gleichbehandlungspaket im Parlament beschlossen wurde, das das Bundesgesetz über die unterschiedlichen Altersgrenzen von weiblichen und männlichen Sozialversicherten, das Bundesgesetz über Berichte betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen


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und die arbeitsrechtlichen Begleitgesetze, durch die insgesamt 14 Bundesgesetze novelliert wurden, beinhaltet, dies ein gewaltiger Fortschritt auf gesetzlicher Ebene war, ein Fortschritt, der damals ebenfalls nicht von der FPÖ mitgetragen wurde, weil sie auch damals dagegen gestimmt hat. (Abg. Dr. Graf: Wir wollten weitergehen!)  – Das ist immer Ihre Ausrede, wenn Sie nichts tun wollen.

Dennoch zeigt sich für Frauen im täglichen Leben, daß zwar in vielen Bereichen eine gute gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, daß es aber Umsetzungsprobleme gibt, wie wir beispielsweise nach wie vor an den Einkommensbenachteiligungen erkennen müssen. Frauen geht es aber im Alltagsleben darum, Hilfe zu bekommen, um den täglichen Benachteiligungen entgegenwirken zu können und Umsetzungsmöglichkeiten für bestehende Gesetze zu haben.

Ein Zeichen für diesen Hilfeschrei ist das Frauen-Volksbegehren. Eine wirksame Maßnahme ist aber erst die gesetzliche Voraussetzung für die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Zahlreiche Gründe dafür wurden in dieser Diskussion bereits angeführt. Auch die Berichte über die Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft begründen, wieso diese regionalen Gleichbehandlungsstellen benötigt werden.

Ich habe mich heute sehr über den engagierten Beitrag der Kollegin Bauer gefreut, weil mir das gezeigt hat, daß sich die ÖVP mit diesem Thema sehr genau beschäftigt hat und sich, obwohl sie früher auch andere Alternativen entwickeln wollte, jetzt – offensichtlich in Erkenntnis der Notwendigkeit – mit Vehemenz und Elan für diese regionalen Gleichbehandlungsstellen einsetzt. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. )

Zur FPÖ möchte ich schon sagen, Herr Kollege Schöggl: Es wäre eigentlich angebracht – das würde ich mir von jemandem mit einem gewissen Zivilisationsgrad erwarten –, wenn man eine Institution wie die Gleichbehandlungsanwaltschaft in Zusammenhang bringt mit Politbüros und sie damit zu diskreditieren versucht, daß man sich dann bei den Vertreterinnen dieser Institution auf das höflichste für diesen verbalen Ausrutscher entschuldigt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. )

Sie haben diesmal wieder einen Antrag eingebracht, von dem Sie selber wußten, daß er nicht umsetzbar ist. Aber um ja nicht zustimmen zu müssen und um nicht bekennen zu müssen, daß Sie eigentlich gegen diese Einrichtung sind, was ja auch Ihre Ausrutscher vorhin gezeigt haben, bringen Sie einen Antrag ein, über den ich mich gar nicht weiter unterhalten will, obwohl mir genügend Argumente dagegen einfallen. (Abg. Haller: Schwach!) Schwach, liebe Frau Kollegin Haller, ist auch, wenn Sie sich hierher stellen und von Frauengleichbehandlung reden, obwohl eine Ihrer ersten Forderungen war, das Bundesministerium für Frauenangelegenheiten abzuschaffen, wenn ich Sie daran erinnern darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch der Hinweis in Ihren Ausführungen, Bund, Länder und Gemeinden in die Pflicht zu nehmen, und, obwohl wir heute über ein Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft diskutieren, von den Unternehmern kein Wort zu sagen, das zeigt Ihre ganze Gesinnungshaltung. Herr Kollege Gaugg hat es uns sogar schriftlich gegeben: Die Freiheitlichen vertreten hier in diesem Haus die Interessen der Unternehmen. Sie haben das heute hier wieder eindeutig bekannt. (Abg. Dr. Graf: Und Sie vertreten die Interessen der Behörden!)

Wir vertreten die Interessen der Frauen. Wir versuchen, Frauen gleiche Chancen zu ermöglichen. Wir waren im Jahr 1992 ausschlaggebend dafür, daß dieses Gleichbehandlungspaket zustande kam, wir sind für weitere Novellen eingetreten, und wir werden auch weiterhin für einen Fortschritt in der Gleichbehandlung in diesem Staat Sorge tragen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.32

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Die ÖVP bekennt sich zur Regionalisierung – wir haben hier im Haus bereits zwei Jahre über dieses


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Thema gesprochen –, denn es geht nicht an, daß eine bestehende Bundeseinrichtung zu 80 Prozent von Frauen und auch einigen Männern um Hilfe gebeten wird, die in Wien und Wien Umgebung leben. Ich glaube, es ist höchste Zeit, daß wir im Rahmen einer Regionalisierung versuchen, auch die Frauen in den Bundesländern besser zu unterstützen, zu ihrem Recht zu kommen. Deshalb ein bedingungsloses Ja zur Forderung nach Regionalisierung! (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den freiheitlichen Kollegen möchte ich gerne folgendes sagen: Für die ÖVP kann ich unterstreichen, daß Anwälte und Anwältinnen in diesem Land wertvolle Dienste leisten (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sie kriegen die Kurve nicht mehr!) und daß sich jetzt schon viele Frauen, die in ihrem Recht bestätigt werden wollen, an Anwälte wenden. Sie haben aber auf etwas vergessen, was im Bericht der Gleichbehandlungsanwältin ein wertvolles Element ist, nämlich auf die Zusammenschau: Welche Frauen melden sich? Wo sind die großen Probleme auch im rechtlichen Bereich? Wie schaut das regional aus? Das ist etwas, was wir mit Anwälten nicht erreichen würden. Zu erfahren, wo die Frauen der Schuh drückt, ist jedoch eine sehr wertvolle Grundlage für unsere Arbeit. Deswegen ist eine zentrale Stelle auch so wichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Das wird doch jetzt auch schon gemacht!)

Zur Kollegin Aumayr. Ich sehe ein, Sie sind sehr stolz, daß Sie jetzt in Oberösterreich eine Landesrätin haben, die diese Agenden mit betreut. Es ist dies in allen anderen Bundesländern seit Jahren üblich. Es ist auch ihre Aufgabe, daß sich Frauen an sie wenden können. Auch alle Politikerinnen sind Anlaufstellen. Die Gleichbehandlungsanwältin stellt für uns alle eine wertvolle Hilfe dar, um den Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen.

Ich möchte nun vor allem auf die Frau Bundesministerin eingehen. Frau Bundesministerin, ich als Kärntner Abgeordnete möchte Sie direkt ansprechen. Sie haben gesagt, die Bewußtseinsbildung sei sehr wichtig. Ich glaube, der wichtigste Schritt, um Frauenförderung zu betreiben, um die Gleichheit der Frauen zu erreichen, ist das Bewußtsein, daß Frauen jetzt noch Unterstützung brauchen.

Es gibt in Kärnten einen ÖGB-Sekretär, Rudolf Biesenberger, der sich öffentlich – in vielen Medien war das wochenlang zu lesen – für Männerrechte stark gemacht hat. (Abg. Gaugg: Das ist Schnee von gestern!) Er beklagt sich, daß es keine Männerförderungsmaßnahmen gibt, daß es keine Gleichbehandlungsbeauftragten für Männer gibt, und natürlich sollte es für mißhandelte Männer ein Männerhaus geben. (Abg. Gaugg: Warum nicht?) Ich bedauere erstens einmal, daß von einem wichtigen Vertreter der ArbeitnehmerInnen – um einen solchen handelt es sich bei einem ÖGB-Sekretär – solche öffentlichen Aussagen kommen. Ich bedauere weiters – wahrscheinlich habe ich es überhört –, daß auch von der stellvertretenden Klubobfrau, einer wichtigen Gewerkschafterin, eine Aussage in diese Richtung gekommen ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Ich glaube, Frau Ministerin, Sie müßten da aktiv werden, denn es ist zu wenig, einen Gewerkschaftssekretär, der öffentlich die Frauenförderung kritisiert, auf einen bezahlten Urlaub zu schicken. Ich weiß nur aus den Medien, er sei dienstfrei gestellt gewesen ohne Streichung der Bezüge. (Abg. Gaugg: Er arbeitet schon wieder!) In diesem Fall hat niemand Ausgleichszahlungen für die Dienstfreistellung leisten müssen, wie das bekanntlich bei Ihrem Kollegen, nehme ich an, eben so ist. (Abg. Gaugg: Sie werden mir nichts unterstellen!) Sie teilen vermutlich diese Meinung, Herr Gaugg. (Abg. Gaugg: Keine Ahnung! Total ahnungslos!) Ich glaube, es ist sehr wichtig, daß wir versuchen, weiterhin Meinungsbildung zu betreiben.

Ich möchte zum Schluß, da meine Redezeit schon zu Ende geht, noch auf den Sozialbericht 1996 verweisen, in dem schwarz auf weiß steht: "Der mittlere Verdienst bei Männern liegt unter Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten bei 27 100 S um 44 Prozent über dem der Frauen. Männliche Angestellte verdienen um zwei Drittel (66 Prozent) mehr als weibliche Angestellte, männliche Arbeiter um rund drei Fünftel (57 Prozent) mehr als Arbeiterinnen."


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Ich glaube, man braucht hier nicht zu polemisieren, man muß sich nur den neuen Sozialbericht anschauen, dann weiß man, daß es noch viele Schritte, nicht nur so kleine wie diesen, brauchen wird, um eine Gleichberechtigung der Frauen in Österreich zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es gibt kein Schlußwort der Berichterstatterin.

Wir treten daher jetzt in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, zu diesem Zweck den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zum Gesetzentwurf betreffend eine Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes in 1047 der Beilagen haben die Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen einen Rückverweisungsantrag gestellt.

Ich lasse daher zunächst über diesen Rückverweisungsantrag abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die ihm beitreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Dieser Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1047 der Beilagen.

Hiezu hat die Abgeordnete Haller ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Gesetzentwurfes gestellt.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über die Ziffern 1 und 2 in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 1048 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Schließlich teile ich noch mit, daß die Abgeordneten Moser und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur politischen Verantwortung der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Kurdenmorden einzusetzen.


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Die Durchführung einer Debatte hierüber wurde nicht verlangt.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung (III-101 der Beilagen) über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1996) (981 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé vor. Angezeigt wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.40

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben in den letzten Monaten sehr oft über Sicherheitsprobleme debattiert. Dabei habe ich gesehen, wie Sie von allen anderen Parteien am liebsten das Thema "Sicherheit in Österreich" diskutieren. Am allerliebsten wollen Sie gar nicht darüber reden, welche Gewalttaten, welche Verbrechen, welche Gefahren es in Österreich gibt, sondern in allererster Linie wollen Sie nur darauf verweisen, daß im Ausland alles viel schlechter sei und daß in Österreich alles so wunderbar laufe.

Frau Kollegin Stoisits zum Beispiel sieht die alleinige Gefahr im Straßenverkehr. Das Gefährlichste, was es gibt, sind die Autos. Die andere Kriminalität existiert für sie gar nicht. Daß im Jahr 1996 485 000 Delikte begangen worden sind, existiert beispielsweise für Frau Stoisits gar nicht, daß 102 000 Verbrechen verübt worden sind, das interessiert Frau Stoisits nicht.

Sogar Herr Abgeordneter Leikam, Sicherheitssprecher der SPÖ, möchte nicht über die organisierte Kriminalität, über die Drogenkriminalität reden. Ganz im Gegenteil: Mich hat er bei der letzten Debatte angegriffen, weil ich zweimal hintereinander die organisierte Kriminalität im Parlament zur Diskussion gestellt habe. Klar, es ist Ihnen unangenehm, über dieses Thema zu reden! Sie haben Ihre gesamte Redezeit dafür aufgewendet, mit der Österreichischen Volkspartei über das Vereinsgesetz zu debattieren. So sehen Sie die Sicherheitsproblematik, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Abgeordneter Kiss! Sie nicken jetzt, weil Sie sich noch an diese wirklich unerquickliche Debatte erinnern können. (Abg. Kiss  – in Richtung SPÖ –: Das war eine Kontroverse zwischen uns!) Aber Sie machen es ja nicht anders. Das eine Mal sehen Sie die Verhältnisse als sehr alarmierend an, das andere Mal, wenn Sie sich beim Koalitionspartner wieder "einhauen" wollen, sagen Sie: Es ist in Österreich ohnehin alles wunderbar geregelt. Also auf Sie kann man sich auch nicht verlassen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, Sie sollten einmal darüber nachdenken. Egal, ob jetzt die Kriminalität um 0,2 Prozentpunkte höher oder geringer ist, wir sollten darüber reden, wie wir den neuen Erscheinungsformen der Kriminalität begegnen können, wie wir dieser Bedrohungslage Herr werden können.

Der Herr Justizminister hat neulich im Ausschuß gesagt, wir kämpfen mit traditionellen Mitteln gegen neue Täter und gegen neue Gefahren. Darauf sollten wir Parlamentarier uns einstellen und nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als ob es keine organisierte Kriminalität, keine Drogenkriminalität und so weiter gäbe. (Ruf bei der SPÖ: Datenklau!)


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Ich glaube, das sollten Sie wirklich beherzigen. Ich weiß schon, Sie von der SPÖ befinden sich sozusagen in einer Zwickmühle, gerade was die Drogenkriminalität anlangt. Die sozialistischen Abgeordneten in der EU machen eine beinharte Politik in Richtung Drogenliberalisierung. Sie wollen, vor allem vertreten durch die sozialistische Abgeordnete Maria Berger, daß in Österreich die Drogen freigegeben werden, daß Haschisch freigegeben wird, daß es Heroin auf Krankenschein geben soll. Das vertreten Sie in der EU, während Sie hier in Österreich – zumindest jetzt noch – schauen müssen, daß Sie irgendwie über die Runden kommen, denn auch bei Ihnen gibt es noch einige vernünftige Abgeordnete, wie zum Beispiel Frau Dr. Pittermann, die davor gewarnt hat, wie gefährlich es wäre, die Drogen freizugeben.

Ich kann mir daher schon vorstellen, daß Sie lieber über alles diskutieren wollen, nur nicht über die wirklich anstehende Probleme der Drogenkriminalität und anderer Kriminalitätsformen. Ich meine, das, was sich diesbezüglich in der Sozialistischen Partei abspielt, ist wirklich sehr problematisch und gefährlich. Erst kürzlich hat eine Untersuchung gezeigt, daß fast alle Heroinabhängigen über Haschisch eingestiegen sind. Haschisch ist nach wie vor die klassische Einstiegsdroge, und trotzdem wird von Ihren sozialistischen Abgeordneten in der EU die Freigabe von Haschisch enorm propagiert.

Herr Minister! Sie schweigen dazu. Sie haben sich überhaupt noch nicht geäußert zu dem, was sich da in Brüssel abspielt. Es würde mich schon interessieren, was Sie eigentlich dazu sagen. Oder fürchten Sie sich? Wollen Sie vor den sozialistischen Abgeordneten des Europaparlaments nicht Farbe bekennen und sagen, daß in Österreich zumindest eine sehr starke Opposition vorhanden ist, die verhindern wird, daß die Drogen freigegeben werden? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder sind Ihre Beteuerungen, wir hätten die Drogenproblematik nicht im Griff, schon ein verbales Entgegenkommen diesen sozialistischen Tendenzen? Es ist ja immer so, daß man, wenn man sagt, man habe irgendeine gefährliche Entwicklung nicht im Griff, als Ausweg meint: Dann legalisieren wir sie eben. Ist es das, was Sie sich für Österreich vorstellen? Aber eines sage ich Ihnen, Herr Minister: Da werden Sie mit dem erbittertsten Widerstand von uns Freiheitlichen rechnen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Über die organisierte Kriminalität spreche ich heute nicht, obwohl ich dies für notwendig hielte, denn ich möchte mir nicht von Herrn Kollegen Leikam sagen lassen müssen, das sei ein Thema, über das schon so oft im Parlament geredet wurde. Aber, Herr Minister, ich möchte ein anderes Thema mit Ihnen besprechen. Sie ziehen durch ganz Österreich, sind immer freundlich, sagen jedem alles zu, loben jeden, geben sogar mir recht (Abg. Öllinger: Das wäre ein Problem!) , um sich überall Liebkind zu machen. Nur, Herr Minister: Ich bemerke immer wieder, daß Sie das, was Sie versprechen, überhaupt nicht einhalten. Sie sind wirklich der größte Ankündigungsminister, den es je gegeben hat. Ich möchte Ihnen das anhand einiger Beispiele aufzeigen.

Sie wissen ganz genau, daß es seit Jahren zu wenig Schubhaftplätze gibt. Im Sommer haben Sie gesagt, Sie bauen ein Containerdorf gleich beim Flughafen. Daraus wurde nichts, denn die Medien haben sich dann auf Sie eingeschossen, und Sie haben sofort einen Rückzieher gemacht. Man hat nichts mehr davon gehört. Im Herbst, als das Problem noch dringender geworden war, haben Sie gemeint, man müsse die Länder auffordern, Schubhafträume zu schaffen. Dann hat man wieder nichts mehr davon gehört. Jetzt haben Sie im Bundesrat verkündet, es gebe 60 Schubhafträume, es werde alles besser werden.

Tatsächlich, Herr Minister, ist auf diesem Sektor ein Chaos ausgebrochen. Die Polizeigefangenenhäuser sind bummvoll. Verwaltungshäftlinge können überhaupt nicht mehr aufgenommen werden. In Graz müssen Verwaltungsstrafen stoßweise in den Papierkorb geworfen werden, weil die Straftäter ihre Strafe nicht absitzen können, und zahlen können sie sie auch nicht. Aber Sie haben überhaupt nichts in der Richtung geplant, was mit den Schubhäftlingen zu passieren hat.

Das ist das Fazit Ihrer Ankündigungspolitik: daß die Abschiebungsbedürftigen weiterhin herumlaufen und nirgendwo einen Schubplatz haben, daß die Straftäter keinen Haftplatz haben, wenn


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sie festgenommen worden sind, und daß Verwaltungsstraftaten nicht verbüßt werden können. So schaut die Situation aus! Ich könnte die Liste der Beispiele fortsetzen, wenn ich nicht eine so geringe Redezeit hätte.

Ich möchte zum Abschluß folgendes sagen: Gerade im Fremdenbereich, wo Sie versprochen haben, Sie werden Akzente setzen, klappt es überhaupt nicht. Die Fremdenpolizei kann nicht mehr sinnvoll arbeiten, weil sie fast kein Personal hat. Eine Krisensitzung jagt die andere. Trotzdem ist es mit Ihrer Einwilligung dazu gekommen, daß in Wien die Erstaufenthaltsbewilligungen ebenfalls die Fremdenpolizei zu erledigen hat. Wie glauben Sie denn, daß die Leute das machen sollen? Und dann wundern Sie sich noch, wenn sich vereinzelt Fremdenpolizisten oder überhaupt Polizisten an die Medien oder an einen Politiker wenden, an die Öffentlichkeit gehen, um ihrem Frust freien Lauf zu lassen! Genauso war es auch. Wir haben eine anonyme Mitteilung bekommen, daß die Verhältnisse in Graz und in Salzburg derart katastrophal sind, daß ein sinnvolles Arbeiten nicht mehr möglich ist.

Herr Minister! Ich ersuche Sie, von Ihrer Ankündigungspolitik abzugehen und zu einer konkreten, ausführenden Politik zu kommen, insbesondere auf dem Gebiet des Fremdenrechts. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leikam. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

14.50

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann trotzdem nicht umhin, auch einige Feststellungen zu meiner Vorrednerin, Frau Kollegin Dr. Partik-Pablé, zu machen, so sehr sie sich auch davor fürchtet, daß ich auf Ihre Rede eingehe. (Abg. Dr. Graf: Sie war hervorragend! Ganz hervorragend!)

Sie hat nicht dasselbe gesagt wie das letzte Mal, das ist schon einmal erfreulich, sie hat heute neue Aspekte hinzugefügt, wenngleich ich schon einiges vermißt habe, vor allem das, was in den letzten Wochen Thema der Freiheitlichen gewesen ist. Ich hätte mir erwartet, daß das heute auch Thema der Sicherheitsdebatte hier im Parlament sein würde, nämlich die Vorkommnisse in Salzburg. Dazu hat es eine Fülle von Presseaussendungen der Freiheitlichen Partei gegeben. Wir hätten heute auch gerne über den Inhalt dieser Aussendungen diskutiert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Da gibt es sehr vieles zu diskutieren. Kollege Haigermoser, ich weiß, daß Sie da ein schlechtes Gewissen haben. Das ist auch durchaus verständlich, wenn man weiß, was alles passiert ist. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Dr. Partik-Pablé! Wenn Sie sagen, daß es innerhalb der SPÖ in manchen Bereichen problematische und gefährliche Ansichten gibt, so darf ich doch daran erinnern, daß Sie in dieser Salzburger Affäre ganz großen Erklärungsbedarf haben, denn wenn nur ein kleiner Teil davon stimmt, was die österreichischen Medien über diesen Skandal berichten, dann, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, haben Sie gewaltigen Erklärungsbedarf in dieser Frage. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ein Polizeiskandal! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Denn das, was dort passiert ist, ist anscheinend Methode bei Ihnen, meine Damen und Herren! Das hat in Kärnten begonnen, als Haider Landeshauptmann war. Mit seiner Bespitzelungsaktion, mit einem öffentlichen Aufruf zum Denunziantentum in Kärnten hat es begonnen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Das hat sich fortgesetzt bis zum Datenklau in der Salzburger Landesregierung, bis zur illegalen Weitergabe von Daten aus dem Bereich der Salzburger Polizeidirektion, und das hat sich, wenn Sie so wollen, erst vor zwei Tagen fortgesetzt mit dem Aufruf, in Graz – wohl im Hinblick auf die Grazer Gemeinderatswahl – Hilfssheriffs einzusetzen, was wiederum nichts anderes bedeutet, als das Spitzeltum für die Freiheitliche Partei noch weiter auszubauen und auszudehnen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das, meine Damen und Herren, lehnen wir von der Sozialdemokratischen Partei ab! Wir wollen eine Sicherheitspolitik, die auf solchen Vorgaben aufgebaut ist, nicht. Wir glauben, diese gehört der Vergangenheit an – alles hat es schon gegeben in der Geschichte, alles war schon vorhanden –, wir glauben aber, daß diese unglückselige Zeit längst Vergangenheit ist. Wir überlassen es den Freiheitlichen, solche Zustände herbeizuführen. Wir werden mit aller Entschiedenheit dagegen auftreten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Partik-Pablé! Sie werfen uns vor, anläßlich des Sicherheitsberichtes immer wieder einen Blick in das Ausland zu machen, wie schlecht es dort und wie gut es bei uns ist. Das sind nun einmal Fakten, über die man nicht hinwegsehen kann! Wir machen eben, wie man im internationalen Vergleich ersehen kann, eine ganz hervorragende Sicherheitspolitik in diesem Lande. Wir sind im oberen Bereich angesiedelt. (Beifall des Abg. Schwemlein. ) Wir sind nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. Das ist Faktum. Das sind Tatsachen, die man nicht beiseite schieben kann.

Natürlich vergleichen wir auch, wie es in den anderen Ländern ausschaut, aber das tun Vertreter Ihrer Partei auch. Denn gerade der Herr Weinmeister hat gemeint, man möge doch einmal einen Blick nach New York werfen, wie radikal man dort die Sicherheitspolitik in den letzten Jahren gestaltet hat. Das wäre auch das Modell für die österreichische Sicherheitspolitik. – Das kann wohl nur ein freiheitliches Modell sein, aber doch kein Modell, wie wir es in einem demokratischen Staat haben wollen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann es nicht sein. Wir sind stolz, in einem Land zu leben, das eine gute Lebensqualität und auch ein großes Maß an innerer Sicherheit bietet. Wir in Österreich können beides in großem Umfang genießen. Wir sind in einem sicheren Land, und wir haben auch eine gute Lebensqualität. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sicherheitsbericht 1996, der übrigens sehr rasch ins Parlament gekommen ist – ich möchte auch das sehr lobend erwähnen, weil es bei den Berichten der letzten Jahre immer wieder auch andere Diskussionen gegeben hat –, zeigt eine Fortsetzung der positiven Tendenz in der Sicherheitspolitik. Zum fünften Male hintereinander kann der Innenminister dem Parlament einen Bericht vorlegen, der darlegt, daß die Gesamtkriminalität im Sinken und die Aufklärungsquote im Steigen ist. Zum fünften Male hintereinander! Das ist eine beachtliche Leistung von jenen, die die Rahmenbedingungen für die Politik in diesem Lande erstellen, aber auch eine beachtliche Leistung jener fast 33 000 Exekutivbeamten, die in diesem Lande einen sehr schwierigen Dienst für die Öffentlichkeit und für die Sicherheit erbringen. Einen herzlichen Dank diesen Exekutivbeamten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß schon, daß zum Sicherheitsgefühl nicht nur der Polizei- oder Gendarmeriebeamte allein beiträgt, sondern da ist das gesamte Umfeld zu bewerten. Dazu gehören die soziale und die wirtschaftliche Sicherheit genauso, dazu gehört der Erhalt des Arbeitsplatzes, dazu gehört die Ausbildung, dazu gehört aber auch die Integrationspolitik. Ich sage das sehr bewußt, weil gerade dieser Bereich oft zu Auseinandersetzungen führt. Wenn alles paßt, dann, so glaube ich, ist auch das Ergebnis so, wie wir es in unseren Punkten festgehalten haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die kommenden Wochen haben wir drei Schwerpunkte, die wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner einer Behandlung zuführen wollen. Es geht darum, die Sicherheitsakademie in Österreich zu verwirklichen, es geht darum, die Reform der Staatspolizei voranzutreiben, und es geht darum – wir werden bei einem anderen Punkt noch Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen –, auch eine weitere Novelle zum Waffengesetz umzusetzen. Alle diese drei Punkte sind auf einer guten Schiene, und wir sind zuversichtlich, daß wir zu einem guten Ergebnis kommen können.

Ich möchte nur noch einmal sagen: Wir in Österreich können glücklich sein, in einem so sicheren und in einem so guten Land leben zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

14.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet wäre nun Herr Abgeordneter Moser, aber ich nehme an, daß er erst nach den eingeschobenen Debatten sprechen will.


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107. Sitzung / Seite 98

Hohes Haus! Ich schlage daher vor, da der Herr Bundesminister Schlögl im Saale weilt, daß wir mit der Anfragebesprechung jetzt beginnen und nicht bis 15 Uhr unterbrechen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 3243/AB

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche nun die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 6 und kündige an, daß wir zur kurzen Debatte über eine Anfragebeantwortung kommen, nämlich die des Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 3243/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodaß sich eine Verlesung durch einen der Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, ausgenommen der Erstredner, dem zur Begründung 10 Minuten zur Verfügung stehen. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Als Erstredner gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Wie gesagt, Ihre Redezeit beträgt maximal 10 Minuten.

14.58

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anfragebesprechung, die wir beantragt haben, hat einen tieferen Hintergrund. Ich meine, die bloße Anfragebeantwortung durch den Herrn Bundesminister für Inneres, für sich genommen und isoliert betrachtet, wäre so, wie sie ist, in Ordnung gewesen, wenn sich nicht doch etwas gezeigt hätte, was wir für diskussionsbedürftig halten, nämlich der Umstand, daß derselbe Sachverhalt, nämlich die Tatsache, daß in Wien an einer Zweigstelle einer ausländischen Universität junge Menschen studieren, vom Bundesministerium für Inneres völlig anders qualifiziert wird als vom Bundesministerium für Wissenschaft.

Ich möchte dazu auch gleich am Beginn festhalten, daß man, wenn man die Anfragebeantwortung in die Hand nimmt und auch Geschäftszahlen von Bundesministerien zu lesen versteht, sieht, daß diese Anfragebeantwortung in ihrer Textierung aus der Sektion III des Innenministeriums stammt, das heißt, aus jener Sektion, der der hier im Haus schon vielfach zitierte Sektionschef Matzka vorsteht.

Jetzt ist das durchaus ein vernünftiger Vorgang, und es ist allgemein üblich, daß der sachlich zuständige Bereich eines Ministeriums mit der materiellen Bearbeitung einer solchen Anfrage befaßt wird. Hier allerdings hat diese ganze Sache eine überschießende Tendenz bekommen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Es ist richtig, daß Sie Ihre Beamten einsetzen, um sich die Antworten vorbereiten zu lassen. Aber es ist aus meiner Sicht nicht richtig, daß die Beamten letztendlich abschließend bestimmen, welche Antwort Sie geben, und das ist in diesem Fall überdeutlich erkennbar. Sie werden hier sozusagen von Ihren Beamten vorgeführt wie ein Tanzbär. Das finde ich ganz schade. Denn Sie können selbst nicht glauben, Herr Bundesminister, daß jemand, der an einer solchen Einrichtung studiert, aus den Gründen, die in dieser Anfragebeantwortung angegeben sind, kein Mensch ist, der unter die Bestimmungen des Gesetzes fällt, die sich mit dieser Frage beschäftigen.

Diese Bestimmungen lauten ganz eindeutig in § 7 Abs. 1 beziehungsweise dann Abs. 4 Ziffer 1, daß Drittstaatsangehörige eine Aufenthaltserlaubnis – technische Regelung in diesem Fall – dann bekommen, wenn ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung dient. – In Ihrer Anfragebeantwortung führen Sie weitschweifig aus, was unter Studierenden zu verstehen ist, und verwenden daher Begrifflichkeiten, die gar nicht den verba legalia entsprechen. Das heißt, Sie finden eine Interpretation, die der Versteinerungstheorie des


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Verfassungsgerichtshofes nahe kommt, und vielleicht ist es dem federführenden Sektionschef Matzka ein Bedürfnis, in den Verfassungsgerichtshof zu wechseln. Hier hat ihn schon die Feder geführt, und es ist schon ein bißchen durchgeschlagen. (Abg. Schwemlein: Geh!)

Herr Kollege Schwemlein! Sagen Sie nicht geh! Jemand, der die Gesetze so positivistisch und so nach rückwärts gewendet auslegt, wie es in dieser Anfragebeantwortung geschehen ist, steht einfach im Verdacht, daß er beweisen will, daß er noch tüchtiger ist als tüchtig. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Diese Art von Tüchtigkeit – und das noch dazu im Bereich von Abgrenzungsfragen beim Aufenthalt – ist im Begriff, Österreichs guten Ruf in Richtung Menschenrechte schwerstens zu beschädigen. Glauben Sie mir das bitte! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es wird in der Begründung der Anfragebeantwortung ausgeführt, daß in Analogie zu den früheren Regelungen das so auszulegen und nicht das zuständige Wissenschaftsministerium zu befragen ist, was es davon hält, wenn ausländische Universitäten in Österreich Dependancen errichten und damit für mehr Leben und für mehr Vielfalt sorgen und außerdem – wenn Sie mir die Bemerkung gestatten – auch wirtschaftlich attraktiv für uns sind, weil eine hier existierende ausländische Bildungseinrichtung allemal Geld ausgibt und für Anstöße auch für unseren Wohlstand sorgt. Wir wären gut beraten, würden wir danach trachten, daß möglichst viele solche ausländische Universitäten hier Dependancen errichten können. Es würde vielleicht auch der Vielfalt der Bildungseinrichtungen dienen und wäre vielleicht auch ein Qualitätsansporn für manchen universitären Bereich bei uns, der gelegentlich vor sich hinsumpert.

Aber es geht noch weiter: In der Anfragebeantwortung von Bundesminister Einem zum Thema hat er angekündigt, es werden Gespräche zwischen seinem Ressort und dem Innenministerium stattfinden, um diese Abgrenzungsfrage zu lösen. – Diese Gespräche können offenbar noch gar nicht stattgefunden haben. Oder vielleicht haben sie stattgefunden. Jedenfalls war die Antwort des Innenministeriums apodiktisch. Sie hat nicht darauf Bezug genommen, daß es hier um eine Frage geht, die zwischen zwei Ressorts unter Umständen einer Abklärung bedarf. Denn ein Studium ist es auch dann, wenn die Universität, an der man studiert – in diesem Fall die Niederlassung einer ausländischen Universität bei uns –, nach anderen Studienrechten arbeitet als unsere hohen Schulen.

Sie werden mir nicht erzählen wollen, daß eine amerikanische Universität keine Universität ist. Sie ist vielleicht im Rechtssinn einer österreichischen Universität keine Universität. Es bedarf bestimmter Anerkennungsmechanismen, wenn man dort oder da graduiert hat. Aber das ist keine Interpretation, die im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht zulässig ist, wenn hier nur steht: zum Zwecke eines Studiums oder einer Schulausbildung. – Das ist keine zulässige Interpretation. Denn hier steht nicht: zum Zwecke eines Studiums an einer inländischen autorisierten Universität. – Es steht hier nicht: zum Zwecke einer Schulausbildung an einer öffentlichen Volksschule oder einer öffentlichen Hauptschule oder an einer ganz bestimmten Form der BHS oder AHS, sondern es steht hier: Studium oder Schulausbildung.

Wenn dann in der Anfragebeantwortung in dieser Form einschränkend operiert wird, dann ist das symptomatisch für die gesamte Ausländerpolitik. Das ist symptomatisch! Es wird nur gesucht, wie man etwas verhindern kann. Wir haben erst vor kurzem in diesem Haus eine andere Bestimmung neu beschlossen – mit Ihrer Mehrheit, gegen unsere Stimmen wurde sie beschlossen –, nämlich daß auch Praktikanten künftig auf die Bundeshöchstzahl angerechnet werden. Das heißt also, auch Menschen, die zum Zwecke von Praktika hier sind, werden auf die Beschäftigungsquoten angerechnet. Menschen, die ihre Ausbildung in Form von Praktika hier machen, werden auf die Quote angerechnet.

Hier, wo es erstmals im neuen Recht gelungen wäre, Studierende, Menschen, die ein Studium betreiben oder Schulen besuchen, aus den Quotenregelungen herauszunehmen, war das Innenministerium ausschließlich darauf bedacht, einen Weg zu finden, wie man diese Studierenden an einer ausländischen Universität mit einer hier betriebenen Zweigstelle wieder unter eine Quote bringt. Dabei handelt es sich insgesamt bei allen dort studierenden Menschen um


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700 Köpfe, davon sind 30 Prozent, das heißt über 200, Österreicher und 500 Nichtösterreicher, und davon stammt ein großer Teil aus dem EU-Raum. Es geht daher um eine ganz geringfügige Zahl.

Trotzdem wird offenbar nach dem Motto "Wehret den Anfängen" vorgegangen. Es könnten bildungsinteressierte, junge, weltoffene Menschen in Österreich ihre Ausbildung machen wollen. Das muß man verhindern, denn das könnte sonst unter Umständen irgendeinen Dammbruch bedeuten. Dabei wissen Sie ganz genau, daß durch unser Regime, dadurch, daß wir Aufenthaltsrecht und Beschäftigungsbewilligungen voneinander trennen – wir Liberale bekämpfen das –, ohnedies gewährleistet ist, daß Menschen, die an der Webster University studieren, nicht arbeiten dürfen. Sie haben das von Ihnen befürchtete Problem bei Studenten ohnedies nicht.

Trotzdem wird hier vorsichtshalber so gearbeitet. Ich finde, der Herr Bundesminister wäre uns eine ergänzende Antwort schuldig, warum er eine solche Anfragebeantwortung liefert, ohne offenbar mit seinem Regierungskollegen und Fraktionskollegen und Amtsvorgänger Einem gesprochen zu haben! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Sie wollen noch nicht jetzt sprechen. Da muß ich erst in der Geschäftsordnung nachschauen, ob das geht. – Bitte, Herr Minister.

15.08

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte noch die Reden der anderen Abgeordneten der politischen Parteien hören und dann erst meine Stellungnahme abgeben. Aber wenn es so üblich ist, dann bin ich gerne bereit, auch sofort Stellung zu beziehen.

Herr Abgeordneter Kier! Ich bin in dieser Frage nicht persönlich mit Herrn Bundesminister Einem im Gespräch gewesen, aber es haben die zuständigen Beamten, unter anderem der von Ihnen erwähnte, "geliebte" Sektionschef Dr. Matzka, mit den Beamten des Wissenschaftsministeriums Gespräche geführt. Unter anderem haben diese Gespräche auch dazu gedient, diese Anfragebeantwortung zwischen dem Wissenschaftsministerium und dem Innenministerium zu akkordieren. (Abg. Dr. Schmidt: Das spricht für sich! – Abg. Mag. Peter: Das Ergebnis befriedigt nicht!) – Ich wollte nur mitteilen, wie es gelaufen ist.

Meine Aufgabe kann es nicht sein, Herr Abgeordneter, daß ich ständig die Wünsche und Bedürfnisse des Liberalen Forums oder anderer Parteien befriedige, denn sonst wird ... (Abg. Dr. Schmidt: Das eine oder andere Mal würde schon genügen! – Abg. Dr. Gredler: Nur der Betroffenen vielleicht!)

Auf das möchte ich jetzt eingehen. Das ist ein sehr guter Einwurf gewesen. Es geht darum, daß wir eine akzeptable und praktikable Lösung finden.

Wir vom Innenministerium – hier schließe ich mich der Meinung unserer Beamten an – sind der Ansicht, daß hier die Bestimmungen des § 7 Abs. 4 Ziffer 1 des Fremdengesetzes sehr klar auf die einschlägigen Bestimmungen des Hochschulgesetzes auszulegen sind und daß das Studium an der Webster Universität nicht als ein Studium im Sinne der österreichischen Rechtsordnung eingeschätzt werden kann.

Wenn wir das tun würden, dann hätte das auch Auswirkungen auf alle anderen Universitäten beziehungsweise Schulen, also auch auf ausländische Universitäten und ausländische Schulen. (Abg. Dr. Lukesch: Wäre das so schlecht?)

Ich glaube, daß es notwendig und wichtig ist, daß man hier eine bestimmte gesetzliche Regelung neu schafft. Ich sehe derzeit keine Möglichkeit ... (Abg. Kiss: Die politischen Verhandlungen sind aber in diese Richtung gegangen! Das haben wir gewollt! Die Intention war, auch ausländischen Studierenden an ausländischen Universitäten die Möglichkeit des Studiums in Österreich zu geben!)


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Da ich nicht glaube, eine rechtliche Änderung in den nächsten Wochen und Monaten durchführen zu können, bin ich davon ausgegangen, daß man mit den Verantwortlichen der Webster Universität die entsprechenden Möglichkeiten sondiert und überlegt, wie eine praktikable Lösung gefunden werden kann. Und wenn wir diese Möglichkeit gefunden haben, wollen wir auch gleichzeitig versuchen, unter Umständen eine rechtliche Änderung zu machen.

Herr Abgeordneter Kiss! Ich habe vor einigen Wochen bereits zugesagt, daß die Auswirkungen des neuen Fremdenrechts und des neuen Asylrechts ungefähr nach zehn Monaten, zwölf Monaten einer gemeinsamen Begutachtung unterworfen werden, und wenn wir sehen, daß gewisse Dinge nicht praktikabel sind, egal von welcher Seite man diese Dinge sieht, sollten wir versuchen, eine entsprechende Novellierung der beiden Gesetze einzuleiten.

Mit den Vertretern der Webster Universität hat am 25. November aufgrund der Anfrage des Liberalen Forums ein Gespräch stattgefunden, und ich glaube, daß ein befriedigendes Ergebnis erzielt werden konnte. Ich möchte nur aus dem Brief zitieren, den wir am 27. November 1997 von der verantwortlichen Direktorin bekommen haben. Sie schreibt: Die Lösung, die Sie uns angeboten haben, ist für uns äußerst zufriedenstellend, und wir danken Ihnen sehr für Ihre Bemühungen, den derzeit betroffenen Studierenden zu helfen. Bei unserer nächsten Besprechung, die jetzt irgendwann im Jänner stattfindet, werden wir Ihnen ein paar Vorschläge darlegen, wie wir Ihnen in bezug auf den Status der einzelnen Studierenden die höchstmögliche benötigte Sicherheit gewährleisten können. Wir respektieren Ihre Verantwortlichkeit in Sachen Sicherheit und sind davon überzeugt, Ihren Anforderungen, aber auch den Anforderungen der Webster Universität entsprechen zu können. (Abg. Dr. Kier: Welche Lösung ist das, wenn sie gesetzeskonform ist?)

Wir versuchen, über die Zuwanderungsquote, über die Quote im Bereich der sich privat Aufhaltenden eine Lösung zu finden und dafür die entsprechende Zustimmung zu bekommen. Das ist die Zwischenlösung, die wir als praktikabel empfinden. So haben die wenigen Studierenden – Sie haben recht, Herr Abgeordneter Kier, daß es nur wenige sind, die von dieser Lösung betroffen sind – die Möglichkeit, über die Webster Universität in Österreich zu studieren. Wir werden versuchen, im Laufe des Jahres 1998 eine entsprechende gesetzliche Möglichkeit zu finden, die gewährleistet, daß künftig diese Frage, die eine geringe Anzahl an Studierenden betrifft, zu keinem Problem mehr wird. (Beifall bei der SPÖ.)

15.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich habe mit der Worterteilung deswegen gezögert, weil nach Artikel 57a GOG die Wortmeldung eines Ministers nicht zwingend ist und daher auch nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen muß. Wir haben aber in der Präsidialsitzung vom 10. Oktober 1996 Einvernehmen darüber erzielt, daß bei Kurzdebatten über Anfragebeantwortungen zunächst der Antragsteller beziehungsweise ein Abgeordneter, der das Verlangen unterzeichnet hat, das Wort ergreift. Daran soll in der Regel die – erste – Wortmeldung des zuständigen Regierungsmitgliedes anschließen. Das habe ich im Kopf gehabt, und das war der Grund für mein Zögern, aber der Herr Minister war ohnehin bereit dazu.

Wir gehen in der Rednerliste weiter. Die Redezeiten betragen nun 5 Minuten. Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

15.14

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kier! Es ist zweifelsfrei zulässig, wenn Sie in der Bewertung der Anfragebeantwortungen Unterschiede erkennen. Aber eines soll gleich vorweg klargestellt sein: Es gibt in der Auseinandersetzung mit diesem Thema keine Widersprüche, Herr Kollege Kier! Nein, es gibt keine Widersprüche. (Abg. Dr. Kier: Lesen Sie die Anfrage an Einem!)

Was bei Betrachtung an Notwendigkeit vorliegt, ist erstens: Klarerweise ist diese Frage nach den Studierenden der Webster Universität zum einen nach bildungspolitischen Überlegungen zu beantworten und zum anderen – so wie auch die Anfrage an den Herrn Innenminister gerichtet wurde – auf der Grundlage der Fremdengesetze zu beantworten. Es ist jedermann hier im


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Hause bekannt, daß die Sozialdemokratie daran interessiert war und ist, daß sich ausländische Universitäten in Österreich etablieren. Es ist unbestritten, daß wir daran interessiert sind, daß ein sehr breit gefächertes Bildungsangebot in Österreich zur Verfügung steht. Es ist aber auch Tatsache, daß dieses klarerweise überprüft werden muß, und daher hat man sich auch im Koalitionsübereinkommen darauf verstanden, ein Anerkennungsverfahren einzurichten.

Wenn irgendwelche Selbstverwirklicher in Österreich ein Institut aufmachen und auf diese Art und Weise ausländische Studierende nach Österreich holen wollen, dann wird es wohl zulässig sein, daß wir das überprüfen. Ich will jetzt keinen einzigen Bereich abqualifizieren, aber wenn sich dann irgendein Pseudoesotheriker in Österreich, Herr Kollege Lukesch, niederläßt und Ausländer hereinholt – wie immer jetzt die Qualität dieser Ausbildungen oder des Studiums sein soll (Abg. Dr. Lukesch: Das ist doch in diesem Fall überhaupt nicht geprüft worden! – Abg. Dr. Gredler: Daß sie anerkannt werden! – Abg. Dr. Kier: Im Sitzstaat müssen sie anerkannt sein!) –, dann wird es wohl zulässig sein, daß wir das überprüfen, daß wir das hinterfragen und daß wir uns zu einem Anerkennungsverfahren verstehen.

Meine Damen und Herren! Daher ist zusammengefaßt zu den beiden Anfragebeantwortungen und zu den Ausführungen des Kollegen Kier zu sagen: Unsere Verhandlungen gehen in die Richtung, daß wir zum Anerkennungsverfahren kommen. Und die Bemühungen des Herrn Innenministers gehen, wie er bereits gesagt hat, in jene Richtung, zu schauen, daß auch diese ausländischen Studierenden die Möglichkeit haben, diese hochqualifizierten Bildungsstätten zu nutzen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.17

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! An sich sehen Sie mich hier schwer verärgert stehen, und zwar aufgrund dessen, wie die Webster Universität seitens der zuständigen Ministerien behandelt wird. Ich mußte mich eines Besseren belehren lassen: Es sind die Beamten. Es waren nicht die Minister, die für diese Interpretation unserer gültigen Gesetze verantwortlich sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber ich will mein Temperament ein bißchen zügeln. Denn ich bin froh darüber, daß der Herr Bundesminister angekündigt hat, daß er im Falle der Webster Universität einen Weg finden wird, im Rahmen einer Quote ein Zulassungsverfahren zu ermöglichen. Herr Bundesminister! Ich darf aber bestätigen und im Gegensatz zu Kollegen Schwemlein sagen, daß das nicht die Intention des neuen Fremdengesetzes war. Das war sie mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Kier! Die Versteinerungstheorie zieht hier nicht, denn wenn man sich dieses Ge-setz und speziell § 7 anschaut, dann wird man sehen, daß dieses Hohes Haus etwas anderes wollte. Man wollte die Öffnung dieses Landes für internationale Universitäten und für die internationale scientific community. (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! In meinen Augen sitzt heute hier der falsche Minister, denn nicht Sie tragen die primäre Verantwortung, daß dieser Fall so gelaufen ist, wie er gelaufen ist. Und ich kann unmittelbar an meine Ausführungen von gestern abend anschließen. Hier müßte der frühere Innenminister Caspar Einem sitzen. Erinnern wir uns zurück: Wie war denn das? – Zuerst gab es – ich sage das ein bißchen locker – das Löschnak-Regime: Studierende wurden voll in die Ausländerquote eingerechnet. Dann kam der ÖVP-Wissenschaftsminister, und die ÖVP hat sich immer eingesetzt, daß Studenten etwas anderes sind als arbeitssuchende und integrationssuchende Menschen. Es wurde ein vorläufiger Ausweg in Form einer Studentenquote geschaffen. Das war aber keine befriedigende Lösung.

Das war immer nur ein Provisorium, weil man gesagt hat, man muß ohnehin das Fremdenrecht, das Aufenthaltsrecht völlig neu konzipieren. Dann kam das Regime Einem als Innenminister. Und da haben wir – ich bin gemeinsam mit Paul Kiss ein Zeuge der Verhandlungen – diesen § 7


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ausgearbeitet, der es ermöglichen sollte, daß Studenten aus dem Ausland, aus einem Nicht-EU-Land, die in Österreich studieren – wir haben mit Absicht nicht gesagt: an einer österreichischen Universität, Hochschule oder Fachhochschule studieren! –, außerhalb der Quote zuzulassen sind. Ihre Aufenthaltsberechtigung wäre nach dem Status: Seid ihr jetzt Studenten oder seid ihr keine Studenten?, zu beurteilen.

Und dieses Gesetz vollzieht jetzt Herr Bundesminister Schlögl ohne Absprache und Rücksprache mit Wissenschaftsminister Einem, der an sich mit uns diese positive Bestimmung des § 7 verhandelt hat, aber sie in keiner Weise durchsetzt.

Noch ein Punkt kommt hinzu, Hohes Haus. Ich lese Ihnen vor und erinnere vor allem die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion daran, was in unserem Regierungsübereinkommen steht. Darin befindet sich ein Ansatz, mit dem all diese Probleme gelöst werden könnten – elegant und ohne weiteres Wenn und Aber und ohne Rechtsunsicherheit. Darin steht: Schaffung eines gesetzlichen Anerkennungsverfahrens für private und/oder ausländische Universitäten und Hochschulen. Ich habe es gestern schon gesagt: Der Minister ist säumig, säumig, säumig! Wie lange wollen wir die Internationalisierung unserer Wissenschaftslandschaft noch hinauszögern, wie oft sollen wir uns – die Webster Universität ist nur ein Beispiel; an meiner Heimatuniversität wird die University of Notre Dame von diesen Bestimmungen bedroht – international noch blamieren?

Ich bitte die Damen und Herren der Bundesregierung, entsprechend dem Regierungsüberein-kommen eine saubere Lösung zu finden, die der Internationalität der österreichischen Wissenschaft und natürlich auch unserer Bereitschaft, ausländische Universitäten und Studierende zu empfangen, gerecht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé vor. – Bitte.

15.23

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, niemand hier im Hohen Haus kann den Freiheitlichen oder mir vorwerfen, daß wir hinsichtlich der Aufenthaltsbewilligung von Ausländern zu großzügig wären, ganz im Gegenteil: Wir vertreten hier eine sehr restriktive Linie. Und wir haben auch immer die Meinung vertreten, daß es nicht richtig ist, eine Quotenfreiheit für Studenten zuzulassen, sondern wir sind auf dem Standpunkt gestanden, daß selbstverständlich auch für Studenten eine Quote festgelegt werden muß, weil wir ganz genau wissen, daß auch Studenten häufig die Aufenthaltsbewilligung oder den Aufenthalt dazu benützt haben, um hier zu arbeiten, in Österreich zu bleiben und nicht mehr zurückzukehren. Wie gesagt, das war unser Standpunkt.

Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, daß ab 1. Jänner 1998 eine andere Regelung besteht, daß Studierenden ohne Anrechnung auf eine Quote der Aufenthalt in Österreich gestattet ist. Und ich glaube, daß es unbedingt notwendig und auch rechtstheoretisch gesehen absolut gerecht und richtig ist, wenn auch Studierende einer Privatuniversität die Möglichkeit haben, sich in Österreich für die Dauer des Studiums niederzulassen. Daß man hier eine Ausnahme macht, wenn es um die Webster Universität geht, das sehe ich überhaupt nicht ein, vor allem, wenn man weiß, daß die Webster Universität seinerzeit von der österreichischen Bundesregierung eingeladen worden ist, hier eine Außenstelle zu errichten. Jetzt ist die Webster Universität dieser Einladung nachgekommen, und dann sagt man, die Studierenden müssen eine Niederlassungsbewilligung haben.

Herr Minister! Ich glaube, es ist wirklich dringend notwendig, daß man eine Regelung schafft, die im Hinblick auf die anderen Studierenden gerecht und auch dem internationalen Niveau Österreichs angepaßt ist.

Herr Abgeordneter Lukesch! Die Gefahr eines Verlustes des internationalen Ansehens sehe ich allerdings angesichts der geübten Vorgangsweise nicht, denn immerhin sind in Österreich ungefähr 15 bis 20 Prozent der Gesamtzahl der Studierenden ausländische Studierende, und das


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entspricht durchaus dem internationalen Niveau. Das heißt also, daß unsere Universitäten international genauso frequentiert sind wie andere Universitäten auch. Daher müssen wir uns diesbezüglich nichts vorwerfen lassen. Im konkreten Fall glaube ich allerdings, daß es notwendig ist, hier wirklich anders vorzugehen.

Herr Minister! Wir öffnen unsere Tore allen möglichen Leuten, die illegal hier in Österreich sind, die kriminell werden – und bei Studenten, die in einem ganz konkreten Auftrag kommen, sind wir plötzlich kleinlich. Ähnliches spielt sich beispielsweise auch bei Hotelfachschulen ab. Da müssen auch immer wieder Kämpfe durchgeführt werden. Diese Schüler, die Österreich Geld bringen, die das Ansehen Österreichs in die ganze Welt tragen, müssen dafür kämpfen, daß sie eine Aufenthaltsbewilligung bekommen.

Ich glaube, es ist dringend notwendig, daß wir die Seriosität der Universitäten hinterfragen, daß wir darauf schauen, ob sie in ihrem Heimatland anerkannt sind, ob sie auch den Erfordernissen unserer Universitäten entsprechen. Dieses Verfahren ist aber durchaus praktikabel und durchführbar, und ich glaube, dann sollten wir auch entsprechend großzügig handeln.

Ich glaube, daß wir uns da keine zusätzlichen Probleme einhandeln würden, was wir aber mit sehr vielen Ausländern, denen wir großzügig gegenüberstehen, sehr oft tun. Das haben Sie auch schon öfters angeschnitten, wenn Sie beispielsweise sagen, Sie wissen ganz genau, daß 700 kriminelle Asylanten in Österreich leben, die Sie aber nicht abschieben können. Und auf der anderen Seite ist man so penibel, wenn es um Studenten geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

15.27

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mit der Antwort, die uns der Herr Bundesminister gegeben hat, ein Problem. Es geht nicht um Quoten auf oder zu. Die "Quotengymnastik" hat im studentischen Bereich nichts zu suchen. Es geht darum, daß wir andere Lösungen finden und daß wir das umsetzen, was wir für Studentinnen und Studenten vorgesehen haben. Und da bin ich ausnahmsweise einmal mit Herrn Lukesch einer Meinung. Ich habe noch nie eine Rede von ihm gehört, die ich von A bis Z unterschreiben könnte, heute war es der Fall. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister Einem hat in seiner Beantwortung der Anfrage gesagt: Aus Sicht meines Ressorts müßte dazu das Fremdengesetz 1997 entweder in dem Sinne ausgelegt werden, daß unter Studium jedes in Österreich auf einer anerkannten Hochschule durchgeführte Studium verstanden wird, ohne daß es sich zwingend um eine österreichische Hochschule handelt, oder es müßte mit einer Novelle verdeutlicht werden. Er will keine Quoten, Herr Bundesminister, sondern er will Studenten als Studenten behandelt haben, und zwar egal, ob sie an österreichischen Hochschulen studieren oder an jenen Hochschulen, die wir auch anziehen wollen. Nicht nur die Webster Universität ist davon betroffen, sondern auch andere Hochschulen, die ein Standbein in Europa haben wollen, wollen wir anziehen, weil wir dadurch an Internationalität gewinnen und eine Position in Zentraleuropa bekommen, die uns wirtschaftlich wirklich notwendig erscheint. Daher sollten wir etwa Jungmanager an fremden Universitäten in Österreich ausbilden lassen – diese bezahlen ja auch noch Geld dafür!

Frau Kollegin Partik-Pablé! Ich glaube nicht, daß wir einfach sagen könnten, damit lassen wir unter Umständen einen hohen Prozentsatz an Kriminellen herein. Diese fremden Hochschulen, die sich in Österreich niederlassen wollen, sind oft kostenpflichtig. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das habe ich gar nicht gesagt!) Sie haben Ihr Mißtrauen gegenüber Ausländern allgemein zum Ausdruck gebracht. Und dieses Mißtrauen habe ich eigentlich nicht. Ich glaube, daß Ausländer, wenn sie zu uns kommen, im Prinzip etwas Gutes wollen. Entweder wollen sie arbeiten oder wollen sie studieren. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollen andere auch!) Ausnahmen gibt es bei den Österreichern, und Ausnahmen gibt es auch bei den Ausländern. Es aber so darzustellen, als wäre es Allgemeingut, ist wohl übertrieben. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben das nicht verstanden!)


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Ich möchte Ihnen mitteilen, welchen Brief unsere Fraktion erhalten hat; er ist an unsere Bundessprecherin Dr. Heide Schmidt gegangen. In diesem Brief ist die Rede von vielen internationalen Unternehmen, die ihre Zentrale für Zentraleuropa hier eingerichtet haben und der österreichischen Wirtschaft viel Positives bringen, viele Arbeitsplätze und so weiter.

Ich möchte betonen, daß diese Idee unterstützt wurde von der Fulbright-Commission, dem Institut für Staats- und Politikwissenschaft, dem Institut für Politikwissenschaft, der Austria Collegialität, der Werbeagentur Puttner und Partners, Aerospace, Chrysler, Estée Lauder, Coca-Cola Österreich, Professor Herbert Krejci, Philips, 3 M, Glaxo, EA-Generali – man könnte diese Liste fast unendlich fortsetzen. Und dann ist unter anderem auch die Rede von den Kindern von Mitarbeitern, die internationale Schulen und Universitäten hier in Österreich besuchen wollen, an denen Englisch unterrichtet wird oder in englischer Sprache unterrichtet wird. Weiters müssen internationale Organisationen die Möglichkeit haben, ihre internationalen, österreichischen und osteuropäischen Mitarbeiter in englischem Management auszubilden, Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten, um die Kompetenz des Unternehmens weiter ausbauen zu können.

Genau das forcieren wir. Wir wollen diese Leute ja hier haben. Aber was haben wir? – Wir haben die Quotenblockade. Das ist das Problem. Wir haben die Quotenblockade im Bildungssektor, wenn es um Ausländer geht. Das kann wirklich nicht unser Zugang sein!

Herr Präsident! Ich komme zum Schluß. Dieser Brief wurde uns von Herrn Professor Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof geschickt, seines Zeichens Bundesrat der ÖVP. Ich nehme an, er ist es noch immer, zumindest ist mir nicht bekannt, daß er zu uns übergewechselt wäre. Er unterstützt also dieses Vorhaben. Vielen potentiellen Studierenden aus Nicht-EU-Ländern, die in ihrer Heimat vom guten Ruf der Webster Universität gehört und sich entschlossen haben, an der Webster Universität zu studieren, werden keine Studienvisa genehmigt, schreibt er. Und er bittet uns um Unterstützung und sagt: Ich bitte Sie daher, die Bemühungen der Webster Universität hinsichtlich der Gleichstellung mit der österreichischen Universität in bezug auf die Erteilung von Studienvisa zu unterstützen.

Herr Bundesrat der ÖVP Mautner Markhof! Wir tun das gerne. Ich hoffe nur, daß Sie direkt Kontakt mit Ihrem zuständigen Minister aufnehmen. Es ist unglaublich, daß man das nicht anerkennen wird. Sie lassen sich von Herrn Matzka blockieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

15.33

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Also so aufgeklärt wie dieser Fall ist noch kaum einer im Nationalrat gewesen. Da haben sich zwei im stillen Kämmerlein – so still war es gar nicht – etwas ausgemacht. Der eine Teil sagt: Es war unsere Absicht!, der andere Teil widerspricht dem nicht.

Herr Bundesminister! Ich weiß nicht, was Sie von uns im Nationalrat wollen, wenn Sie uns sagen, wir sollen eine Gesetzesänderung machen – wenn Sie mit einem Satz, einem wörtlichen oder einem schriftlichen, genau diese Intention, die Sie verfolgen, schon längst hätten Praxis werden lassen können. Eine klare, kurze, knappe Weisung über die Auslegung dieser Gesetzesstelle reicht. Sie brauchen uns hier nicht damit zu behelligen.

Ich hege ja einen ganz anderen Verdacht, Herr Minister. Ich hege den Verdacht, daß hier mutwillig und schikanös gehandelt wird, denn was gibt es Schöneres, als daß sich der Direktor der Webster University – ich weiß nicht, ob das ein Mann oder eine Frau ist – fünfmal zum Herrn Bundesminister, gar nicht zum Herrn Bundesminister, zum Herrn Sektionschef begeben muß und sich dort devot zu verhalten hat, weil es ja um etwas Existentielles geht? Das ist manchem vielleicht angenehm, wenn er sich so feudal hinstellen und ein guter Mensch sein kann, weil man ein paar Studierenden ein Recht gibt, das sie nach der Intention des Gesetzgebers ohnedies hatten.


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Herr Minister! Das ist für mich nach dem, was ich jetzt die letzte halbe Stunde gehört habe, die einzige Erklärung für dieses Verhalten. Geschätzter Herr Minister! Ich kann Ihnen nur empfehlen: Hören Sie nicht sosehr auf den Herrn Sektionschef Matzka, hören Sie mehr auf Ihr Herz, hören Sie vor allem mehr auf Ihr politisches Hirn, und handeln Sie danach! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Anträge liegen mir keine vor, daher schließe ich diese Debatte.

Kurze Debatte über Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächstes gelange ich zu der Debatte betreffend den Antrag des Abgeordneten Mag. Schweitzer, dem Umweltausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 565/A (E) betreffend Errichtung einer 380-kV-Leitung eine Frist bis 24. März 1998 zu setzen.

In diesem Falle wird nach Schluß der Debatte die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam: Erstredner 10 Minuten, alle weiteren Redner 5 Minuten.

Es wurde mir soeben mitgeteilt, daß der Abgeordnete Hofmann als Erstredner das Wort wünscht. Er erhält es daher auch. – Bitte sehr.

15.36

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema 380-kV-Leitung beschäftigte dieses Haus schon mehrmals. Es wurden Überlegungen ausgetauscht über jene Leitung, die von Wien-Südost bis zum Kainachtal führen soll, und wir haben uns bereits sehr ausführlich über die Sinnhaftigkeit dieses Projekts unterhalten.

Ich darf nun die Zeit zurückdrehen und daran erinnern, wie Verbund-Generaldirektor Fremuth die Linie vorgab, als er gesagt hat – ich habe es noch im Ohr –, Österreich müsse zur Stromdrehscheibe Europas werden. In diesem Lichte ist wohl auch die Beauftragung der Gutachter, Professor Edwin und Professor Glavitsch, zu sehen, die letztlich zum Schluß gekommen sind, den sofortigen und uneingeschränkten Bau dieser 380-kV-Leitung zu empfehlen, und zwar, wie es in dem uns übermittelten Gutachten heißt, im gesamtösterreichischen Interesse.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es stellt sich allerdings die Frage nach dem Blickwinkel und die Frage nach der Bewertung dieser – ich wiederhole es – Experten für Energieübertragungssysteme.

Die Freiheitlichen, namentlich meine Kolleginnen und Kollegen Apfelbeck, Schöggl, Lafer, Koller und Rossmann, haben am 26. August 1996, also vor rund eineinhalb Jahren, einen Antrag eingebracht, der – man höre und staune! – nun am 29.1.1998 eine Behandlung im Wirtschaftsausschuß erfahren soll, einen Antrag betreffend die Erstellung neuerlicher, mit gesamtheitlicher Betrachtung ausgestatteter Gutachten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Behandlung dieses Antrages erfolgt im Jänner des Jahres 1998!

Wir Freiheitlichen wollen keinen Bau einer Leitung, die sich letztlich als Atomstromschiene vom Norden zum Süden unseres Landes, als Schiene für Atomstrom von Tschechien, von Slowenien, von den Ostkraftwerken in Richtung Italien darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist keine Frage der erforderlichen Leitungskapazitäten, die angeblich verfügbar gemacht werden müssen. Da geht es um Zehnerpotenzen, was den tatsächlichen Bedarf anbelangt und das, was man hier zu bauen gedenkt beziehungsweise im Burgenland bereits errichtet.

Ich frage Sie: Was will man tatsächlich? Was bezweckt man mit dieser Leitung? Macht es Sinn, damit sinnvolle dezentrale Stromerzeugungen, die sich in den verschiedenen Bereichen etablieren könnten, die sinnhaft wären, die einen Einstieg für erneuerbare Energie ermöglichen würden, zugunsten dieser Atomstromschiene vom Norden in den Süden unseres Landes aufzugeben? (Ruf bei der ÖVP: Wasserkraft ist auch erneuerbare Energie!)

All das ist auch und besonders im Licht der letzten Ereignisse im Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile der ESTAG an die Electricité de France zu sehen. Sie wissen, wer das ist: ein Atomstromproduzent oder der europäische Atomstromproduzent. Der wird diese Atomstromschiene genauso benutzen.

Und Sie wissen auch ganz genau, daß die EdF den Strom, den sie verkauft, nicht in Frankreich produziert, sondern daß sie sehr wohl auch, quasi unterwegs, Strom zukauft, und zwar aus jenen billigen und von uns nicht erwünschten und letztlich auch bekämpften Atomkraftwerken in Slowenien, in Tschechien, in Ungarn und so weiter.

Und Sie wissen auch, obwohl der Herr Klubobmann der ÖVP Briefe an seine burgenländischen und steirischen Freunde geschrieben hat, in denen er versichert hat, es sei gar nicht möglich, hier eine Verbindung herzustellen, daß das möglich ist. Es ist über Györ möglich, und Sie können letztlich gar nicht verhindern, daß Atomstrom nach Österreich kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kopf: Was hat das mit dem Antrag zu tun? Die Verbindung gibt es ja schon!)

Ich weiß, sehr geehrte Damen und Herren der ÖVP, daß Sie es nicht wünschen, daß der Strom ein "Mascherl" erhält. Ich sage Ihnen: Wenn Sie wollen, dann hat der Strom ein "Mascherl", dann ist über ein Rechenmodell festzustellen, wieviel Atomstrom tatsächlich durch unsere österreichischen Leitungen, durch die Leitungen jenes Landes, dessen Bevölkerung sich gegen Atomstrom ausgesprochen hat, fließt. Es müssen nur die entsprechenden Daten zur Verfügung gestellt werden, was man bislang aus gutem Grund, wie ich meine, eben weil man es nicht will, unterlassen hat.

Ich frage Sie: Wollen Sie diese Schiene? Wollen Sie diese Atomstromschiene? – Ich sage Ihnen dazu: Nein! Österreich sagt nein zur Kernkraft. Wir sagen nein, und wir Freiheitlichen sagen das nicht nur, sondern wir setzen uns auch tatsächlich dafür ein: Nein zu Strom aus Kernkraftwerken – er hat ein "Mascherl".

Kollege Schweitzer und ich haben am 9.7. einen Entschließungsantrag eingebracht mit dem Ersuchen um Zuweisung an den Umweltausschuß. Wir wollen, daß der Bau, der im Burgenland begonnen hat, gestoppt wird. Wir wollen, daß nicht sozusagen über den Bürger hinweg Leitungen gebaut werden. Es ist die Trassenführung nicht geklärt. Es gibt soundsoviele Einsprüche, das wissen Sie. Es gibt zig Einsprüche von Gemeinden, die sich dagegen ausgesprochen haben, und die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen ist bis zum heutigen Tage der Bevölkerung, den Gemeinden in der Steiermark und auch im Burgenland nicht vermittelbar gewesen. Wir wollen eine Prüfung hinsichtlich der ökologischen und ökonomischen Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens haben. Wir wollen ... (Abg. Koppler: Wir wollen einen Strom!) Wir wollen selbstverständlich Strom, und der Kollege Koppler weiß ja, daß wir davon reichlich anzubieten haben. Aber was wir nicht wollen, das ist der Atomstrom, gegen den sich alle Österreicher und offensichtlich auch alle Parteien ausgesprochen haben. Sie aber handeln entgegen dem. – Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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15.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. Redezeiten ab jetzt: 5 Minuten.

15.44

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es irgendwie eigenartig, daß mein Vorredner, Kollege Hofmann, zwar Fremuth noch im Ohr hat, aber nicht mehr im Ohr hat – und das ist im Entschließungsantrag nachzulesen –, daß sowohl der Wirtschaftsminister als auch die Verantwortlichen des Verbunds zum Beispiel erklärt haben, daß es keine Anbindung, keine 380-kV-Leitung in die Slowakei geben wird. Das vergißt man also.

Ich möchte an dieser Stelle auf den Widerspruch aufmerksam machen, in dem man sich da ganz leicht verfangen kann. Wir fordern zum Beispiel von den Slowenen bezüglich Krško den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie. Wenn wir tatsächlich Ersatzstrom liefern wollen, dann brauchen wir leistungsfähige Anlagen, leistungsfähige Leitungen. Wie wir dieses Problem in Zukunft lösen werden, gerade in der Steiermark, das wird sich weisen. Es sind Gutachten in Auftrag gegeben worden, und wir werden dafür eintreten, daß jedenfalls die Erstellung dieser Gutachten abgewartet wird, und dann werden die notwendigen Entscheidungen fallen.

Aber jetzt ganz konkret zum Kollegen Schweitzer – du hast ja leider deinen Antrag nicht selbst begründen können –, zur Situation im Burgenland. Ich darf daran erinnern, daß im Burgenland das Baubewilligungsverfahren nach dem Starkstromwegegesetz bezüglich der von dir angesprochenen Leitungsabschnitte abgewickelt, erledigt ist, und zwar geschah das schon im Jahre 1995. Auch die naturschutzbehördliche Bewilligung, die uns auch hier im Hause des öfteren beschäftigt hat, wurde 1995 erteilt.

Mein Vorredner, Kollege Hofmann, hat von den vielen Beschwerden gesprochen, vor allem von den Beschwerden vieler Gemeinden beim Verwaltungsgerichtshof. Es hat konkret nur eine Gemeinde Beschwerde eingebracht: Die Gemeinde Pilgersdorf hat eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht. (Abg. Mag. Schweitzer: Und in der Steiermark?) Von der Steiermark reden wir nicht, das warten wir bitte ab! (Abg. Mag. Schweitzer: Ach so? Dort hören wir auf mit der Leitung?!) Das ist heute auch nicht Sache. Wir reden jetzt vom Burgenland, weil im Zusammenhang mit Burgenland, Kollege Schweitzer, von dir ganz konkret ein Baustopp gefordert wird. Wie gesagt, im Burgenland sind die Verfahren abgewickelt, sind alle rechtlichen Verfahren endgültig erledigt. Der Bau wurde mittlerweile begonnen, und ich habe mir schildern lassen, daß die Bauvergabe 1997 erfolgte und die Bauabwicklung im guten Einvernehmen mit den betroffenen Anrainern über die Bühne geht.

Zur Fristsetzung selbst möchte ich anmerken, daß ein Antrag, eben der vorhin zitierte zum Thema 380-kV-Leitung, am nächsten Donnerstag im Wirtschaftsausschuß behandelt wird, und darüber hinaus besteht die Absicht, diesen Antrag im Umweltausschuß, der einige Wochen später tagen wird, ebenfalls in Verhandlung zu nehmen. Ich glaube daher, daß einer Fristsetzungsdebatte zu diesem Thema die Grundlage fehlt. Meine Fraktion lehnt diesen Antrag ab. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte sehr.

15.48

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei einem Projekt wie diesem, nämlich der 380-kV-Leitung, die Basis dieses Antrages ist, gibt es naturgemäß verschiedenste Interessen, die sehr kontroversiell sein können und in diesem Fall auch sind.

Zum einen ist da die Verbundgesellschaft, die nicht nur das Interesse, sondern auch den Auftrag hat, in Österreich Versorgungssicherheit herzustellen, was die Stromversorgung anbelangt. Es ist nicht damit getan, daß man, wie es jeder gerne hätte, seinen Strom aus der Steckdose bezieht, sondern er muß ja auch irgendwo produziert und vor allem auch dorthin transportiert werden. (Abg. Wabl: Diese Argumentation erinnert ein bißchen an frühere Zeiten! Vor 1978 hat man so argumentiert!) Diese Versorgungssicherheit ist – und dazu gibt es Gutachten, die das auch belegen, Herr Kollege Wabl – in ausreichendem Maße eben nur sicherzustellen, wenn diese


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Leitung gebaut wird. Das ist völlig klar, wenn man die Situation in Gesamtösterreich, aber auch in der Steiermark oder im Burgenland im Detail betrachtet.

Es gibt ernstzunehmende Bedenken, was den Import von Atomstrom anbelangt. Wir haben uns damit bereits im Jahre 1995 auseinandergesetzt, eben auch auf Basis dieses Projektes, lieber Kollege Schweitzer, und wir haben im Umweltausschuß und dann auch im Plenum gemeinsam einen Entschließungsantrag beschlossen, der schließlich auch die Entscheidung der Verbundgesellschaft beinflußt hat, die Verbindung Stupava–Bisamberg aus dem ganzen Netz herauszunehmen, sodaß diesen Bedenken der Boden entzogen ist beziehungsweise ihnen auch Rechnung getragen wurde.

Umgekehrt könnte man natürlich auch – der Kollege Oberhaidinger hat schon darauf hingewiesen – fragen: Wie schaut es denn bei Krško aus? Wenn wir dort jemals ernsthaft daran denken, Ersatzlieferungen vorzunehmen, dann werden wir eine Leitung brauchen, um diese Stromversorgung sicherstellen zu können. Hintragen werden wir den Strom ja nicht können.

Was die Trassenführung und das Problem in der Steiermark anbelangt, so gibt es vor Ort sehr ernstzunehmende Bedenken der jeweils Betroffenen. (Abg. Mag. Schweitzer: Aha!) Aber so einfach kann man es sich in der Politik, lieber Kollege Schweitzer, halt nicht machen. Es gibt übergeordnete Interessen und Notwendigkeiten, in diesem Fall Versorgungssicherheit bei der Stromversorgung, es ergeben sich daraus natürlich lokal für den einzelnen auch Belastungen. Es gibt jetzt aber neuerdings eine Untersuchung des Joanneum-Research, die belegt und aufzeigt, daß es Möglichkeiten der Trassenführung gibt. Die Akzeptanz auf Basis dieser Untersuchung ist auch schon um einiges größer, als sie es noch auf Basis der alten Untersuchung und der alten Trassenführung war.

Die steirische Landesregierung hat – richtigerweise, wie ich meine – erneut ein Gutachten in Auftrag gegeben, um das nochmals untersuchen zu lassen. Und wir werden sicherlich gut daran tun – und auch der Herr Wirtschaftsminister wird das tun –, auch diese Studie noch abzuwarten, bevor für den nächsten Bauabschnitt in der Steiermark das Genehmigungsverfahren entsprechend abgewickelt wird. Es gibt andere Bedenken in bezug auf Gesundheit für Anrainer und so weiter. Auch dazu gibt es Studien, die eindeutig belegen, daß diese Angst, diese Befürchtung in diesem speziellen Fall unbegründet ist.

Also schlußendlich: Was bleibt von dem Ganzen übrig? Der Antrag auf Baustopp und dem auch noch eine Fristsetzung hinzuzufügen, das kann sich ja nur auf das Burgenland beziehen, wo jetzt schon gebaut wird. Da frage ich mich schon! Wenn ich nicht schon drei Jahre dem Nationalrat angehören würde und nicht schon so manches von euch erlebt hätte, Karl Schweitzer, dann würde ich mich ja noch wundern. Aber so wundere ich mich nicht mehr darüber, daß euch der Rechtsstaat so wenig wert ist. Es gibt – bis zum Obersten Gerichtshof – durchgefochtene oder jedenfalls entschiedene Verfahren, eine rechtsgültige Entscheidung, und es ist eine Baubewilligung vorhanden; und dann den Minister beauftragen zu wollen, den Rechtsstaat zu beugen ... (Abg. Wabl: Das hat man doch beim Ennstal gesehen! Von wegen rechtsgültige Entscheidung!) Es wundert mich nicht, daß dies von euch kommt. Ich verwahre mich allerdings dagegen, so etwas zum Gegenstand eines Antrages zu machen. Diesem werden wir sicherlich nicht zustimmen können.

Und was die Steiermark anbelangt, habe ich schon darauf verwiesen, daß wir diese Studie (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , die die steirische Landesregierung in Auftrag gegeben hat, gerne noch abwarten werden, und ich glaube, mehr an Seriosität im Handling eines so schwierigen Verfahrens kann man wirklich nicht verlangen. Wir lehnen euren Fristsetzungsantrag ab, weil er jeder Grundlage entbehrt. (Beifall bei der ÖVP.)


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15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Er hat es jetzt schwer! – Abg. Mag. Schweitzer: Na freilich, ich habe es immer schwer!)

15.53

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch gut, daß ich erst nach den Rednern der SPÖ und ÖVP zu diesem Thema spreche, um einmal vorneweg festhalten zu können: Kopf spricht – leider Gottes muß ich das meinem geschätzten Kollegen Kopf einmal sagen – etwas uninformiert zum Thema, und Kollege Kiss als Burgenländer, der zu allem lacht, lacht meistens uninformiert. Er hat es heute wieder einmal bewiesen: uninformiert. (Abg. Kopf: Na hallo!)

Aber das ist ja nicht das erste Mal, daß ihr bei solchen Themen relativ uninformiert seid. (Abg. Kopf: Beweis antreten!) Mein Kollege Hofmann hat bereits darauf hingewiesen, daß natürlich die Atomstromproblematik mit dieser 380-kV-Leitung in Zusammenhang zu bringen ist und diese Problematik auch zu sehen ist, was die "Atomstromautobahn" durch Österreich betrifft. Aber das ist nicht Gegenstand dessen, was ich jetzt als Debattenbeitrag bringen werde.

Kollege Kopf! Die ÖVP – die steirische ÖVP –, das entnehme ich einer Zeitung, hat beim Verfassungsgerichtshof eine Verfassungsklage eingebracht, weil die Verfassungsmäßigkeit des Starkstromwegegesetzes in diesem Zusammenhang angezweifelt wird. – Das zum ersten. (Abg. Kopf: Angezweifelt!)

Dieses Verfahren ist doch wohl abzuwarten. Kollege Kopf! Es kann ja nicht so sein, daß wir jetzt im Burgenland die Fundamente und die Masten hingestellt bekommen und Kollege Oberhaidinger meint, das sei in Ordnung, und an der Grenze Burgenland/Steiermark heißt es dann: Stopp!, weil sich herausstellt, daß das Ganze nicht verfassungskonform ist, weil diese Verfassungsklage dazu führen wird, daß es dieses Erkenntnis gibt. – Das zum einen. (Abg. Kopf: Das behauptest du! Bist du Verfassungsrichter?)

Zum zweiten, Kollege Kopf: Es gibt in der Steiermark 200 Gemeinden, die eine Initiative zur Änderung des Naturschutzgesetzes hinsichtlich der Erteilung einer Bewilligung eingeleitet haben. Der gesamte steirische Landtag steht hinter dieser Initiative und wird das Naturschutzgesetz so abändern, daß aufgrund des Naturschutzgesetzes eine Bewilligung für diese Leitung beschlossen werden müßte. Diese Bewilligung wird es nicht geben, also wird durch das geänderte steirische Naturschutzgesetz verhindert, daß es zu einem Weiterbau dieser Leitung kommt.

Und zudem, Herr Kollege Kopf, gibt es Volksbefragungen in mehr als 100 Gemeinden – sowohl in Gemeinden, die unter Umständen von der direkten Trassenführung betroffen werden, als auch in Anrainergemeinden –, bei denen sich die befragte Bevölkerung in den meisten Fällen zu 100 Prozent gegen den Bau dieser Leitung ausgesprochen hat. Es gibt auch in mehr als 100 steirischen Gemeinden entsprechende Gemeinderatsbeschlüsse.

Das heißt also: Da soll gegen den Willen der gesamten Bevölkerung eines betroffenen Bereichs ein Projekt durchgedrückt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das gelingen wird. Deshalb sehe ich als Burgenländer ein Problem, wenn mit dem Bau der Leitung im Burgenland bereits begonnen wurde, obwohl in der Steiermark noch nicht einmal die geringsten Voraussetzungen für den Weiterbau dieser Leitung vorhanden sind. Und ein zweites Zwentendorf können und wollen wir uns nicht leisten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben uns schon einmal blamiert mit der Zwentendorf-Ruine! Wir brauchen keine 380-kV-Ruine im Burgenland, nur weil Sie so kurzsichtig sind und Ihre steirischen ÖVP-Freunde offensichtlich mehr Weitblick haben als Sie hier in Wien im Parlament! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Zweytick: Sag das dem Verbund! – Abg. Dr. Khol: Schweitzer, du hast nicht gedacht!)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

15.57

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist beeindruckend, wie merkwürdig die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien mit einem Fristsetzungsantrag umgehen. Ich meine, es ist schon wich


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tig, daß man sich in diesem Zusammenhang vielleicht auch über den Gegenstand äußert. Aber, Herr Kollege Kopf, wenn Sie all das, was Sie gesagt haben, ernst meinen und das hier im Rahmen einer Fristsetzung diskutieren, warum sind Sie dann dagegen, daß die antragstellende Fraktion will, daß das im Rahmen einer Debatte über diesen Antrag diskutiert wird? Fristsetzung bedeutet ja nur eine Beschleunigung der Abläufe.

Es ist gerade aus oppositioneller Sicht ein absolut legitimes Anliegen, daß das, was man in Form eines Entschließungsantrages im vorliegenden Fall thematisiert wissen will, auch thematisiert werden kann. Der Fristsetzungsantrag, bei dem die Debatte dann auch über den Gegenstand selbst geführt wird, ist ja eine Notwehrmaßnahme im Rahmen der Möglichkeiten, sich von diesem Pult aus zu äußern.

Daher: Wenn das alles stimmt, Herr Kollege Kopf, was Sie sagen, wenn das alles stimmt, Herr Kollege Oberhaidinger, was Sie sagen, warum sind Sie dann dagegen, daß das debattiert wird? Wenn Sie sosehr an die Kraft Ihrer Argumente und möglicherweise auch an die Kraft Ihrer Mehrheit glauben, warum sind Sie dann dagegen, daß das diskutiert wird? (Abg. Kopf: Weil man es nächste Woche im Wirtschaftsausschuß behandeln wird!) Es ist ein legitimes Anliegen, daß so etwas rechtzeitig diskutiert wird und nicht, nachdem alles gelaufen ist. Und dann heißt es: Ja, leider, jetzt ist es zu spät. Jetzt ist euer Antrag nicht mehr von Bedeutung, weil zuviel Zeit vergangen ist.

Es geht darum, daß, wenn dem Hohen Haus ein Antrag vorliegt und man das Gefühl hat, es dauert zu lange, es das legitime Recht ist, eine Fristsetzung zu verlangen. Und weder der Kollege Oberhaidinger noch der Kollege Kopf haben sich zum Aspekt der Fristsetzung geäußert. Sie haben nur materiell erklärt, warum der Antrag schlecht ist. Das mag Ihre Meinung sein, aber warum haben Sie kein Interesse daran, daß der Antrag in normalen Zeitabläufen diskutiert werden kann? – Wir werden in guter Tradition diesem Fristsetzungsantrag unsere Zustimmung geben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

16.00

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fristsetzungsantrag des Abgeordneten Mag. Schweitzer wird von uns unterstützt werden, und zwar aus dem einfachen Grund, daß es nicht angeht, daß dieser Antrag, der bereits drei Monate diesem Hohen Haus vorliegt, einfach ignoriert wird. Aber wenn man die Rede des Kollegen Kopf gehört hat, dann weiß man, warum er schon drei Monate abliegt.

Meine Damen und Herren! Was bedeuten im Zusammenhang mit einem Stromprojekt "übergeordnete Interessen", die Herr Kopf hier ins Treffen geführt hat? – Wenn Hunderte Gemeinden sagen, sie wollen die 380-kV-Leitung, diesen Atomtransit durch die Steiermark nicht, dann stellt sich die Frage: Was sind nun diese "übergeordneten Interessen"?

Herr Kopf! Herr Kollege Zweytick! Sie werden es besser wissen. Sie haben kurz vor Weihnachten sicher mit dem Wirtschaftslandesrat Payerl gesprochen. Da wurde wahrscheinlich über die "übergeordneten Interessen" gesprochen. Da gibt es eine Zauberformel: Electricité de France, jene "kleine" französische Firma, die sich bemüht, mit "kleinen" Anlagen Strom zu erzeugen und den südeuropäischen Markt irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Da sind "kleine" Staatsfirmen aus Frankreich, die sich in Österreich im Altlastensektor und im Abwassersektor als private Personen eingekauft haben. Das ist Privatisierung à la Österreich! Österreichische Unternehmen werden unter dem Titel der Privatisierung verkauft mit der Begründung: Wir brauchen es ja für das Budget!, und dann kommen sie unter den Einfluß der französischen Staatsindustrie. (Abg. Zweytick: 25 Prozent! Ein Viertel!) Herr Zweytick! Herr Kopf! Wenn das die "übergeordneten Interessen" sind, dann sagen Sie das bitte den Gemeinden und den Bürgermeistern im Burgenland und in der Steiermark, damit sie wissen, woran sie mit Ihrer Politik sind! (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Ich sage hier etwas Ketzerisches und Mißverständliches: Mich stört nicht der Atomstrom, der ist vom anderen Strom nicht zu unterscheiden, sondern mich stört, daß jetzt die Energiepolitik von der französischen Atomindustrie beherrscht wird. Das ist das eigentliche Ärgernis, der eigentliche Skandal, den wir haben! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Gaugg. ) Herr Maitz! Deshalb hat eine Milliarde mehr herausgeschaut. Ich möchte nicht wissen, für wen und für welche Parteien noch. (Abg. Dr. Maitz: Für die Steiermark!)

Meine Damen und Herren! Das ist das Problem! Eine Staatsfirma kann es sich leisten, in der Kriegskasse Milliarden zu haben und zu sagen: Wir zahlen immer eine Milliarde mehr als der Bestbieter! – Ist das freie Marktwirtschaft, Herr Maitz? Ist das die Privatisierung à la Steiermark? Aber wir kennen die "übergeordneten Interessen", die hier zitiert werden, meine Damen und Herren. Das ist die Energiepolitik der ÖVP! Und die SPÖ schaut zu, denn sie hat ja die ÖVP im Zusammenhang mit der CA und der Bank Austria schon zu sehr gequält, und deshalb muß sie jetzt ein bißchen nachgeben und der ÖVP in der Steiermark ein bißchen entgegenkommen. Das wird dann auch noch mit Lokalpatriotismus untermalt, und zwar unter dem Motto: Wir wollen eine steirische Lösung haben! Die Steirer hatten ja immer schon eine gute Beziehung zu den Franzosen! Das hat noch mit den Napoleonischen Kriegen zu tun, mit dem Frieden zu Leoben! Deshalb wollen wir jetzt die Franzosen bei uns haben!

Meine Damen und Herren! Die Franzosen sind ganz liebenswerte Menschen, aber wenn das Schule macht und wenn das Ihre "übergeordneten Interessen" sind, dann weiß ich, warum der Antrag im Ausschuß verschimmelt und warum die österreichische Alternativenergiepolitik im Keller ist und wir hier um ein paar lächerliche Millionen Schilling streiten und der Herr Bartenstein sich hier herstellt und sagt: Selbstverständlich, das Toronto-Ziel müssen wir erreichen!

Ja, ich weiß schon, wie das mit dem Toronto-Ziel ist: Da sollte man noch einmal mit dem Chirac und den Chefs der EdF reden, damit man weiß, wie man das Toronto-Ziel erreicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Sie können die Bevölkerung eine Zeitlang beschwindeln, Sie können die Bevölkerung eine Zeitlang hinters Licht führen – aber nicht für ewig! (Beifall bei den Grünen.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Umweltausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 565/A (E) eine Frist bis zum 24. März 1998 zu setzen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

*****

Wir gelangen als nächstes zur Kurzdebatte über den Antrag der Frau Abgeordneten Mag. Stoisits, dem Innenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 656/A (E), Waffengesetznovelle, eine Frist bis zum 24. Feber 1998 zu setzen.

Auch über diesen Antrag wird die Abstimmung nach Schluß dieser Kurzdebatte stattfinden.

Das Wort erhält als erste die Antragstellerin, das ist die Frau Abgeordnete Stoisits. Ihre Redezeit in der Fristsetzungsdebatte beträgt 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.06

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr tragische Ereignisse haben vor einigen Wochen – es war vor Weih


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nachten – in Österreich eine Welle ausgelöst, wo in der Politik so etwas, wie man es jetzt auf neudeutsch gerne nennt, wie "Handlungsbedarf" geortet wurde. Alle direkt und indirekt betroffenen Ressortchefs, vom Kanzler über den Innenminister bis zum Jugendminister, haben Handlungsbedarf geortet und festgestellt, daß jetzt in Österreich – ah!, der Herr Bundesminister Mag. Schlögl ist da, ich habe ihn nicht begrüßt, ich habe nur auf die Regierungsbank geschaut – schnell gehandelt werden muß.

Es schien so, als hätte die Koalitionsregierung aus der leidigen Sache rund um die 0,5-Promille-Abstimmung im Nationalrat – leidig in dem Sinn, daß das ja über Jahre verzögert wurde, bis es dann doch zu einem positiven Ende gekommen ist – gelernt. Die ersten Berichte, die es über die Erfahrungen gibt, zeigen, wie recht die Damen und Herren, die sich dafür eingesetzt hatten – nicht die Damen und Herren im Nationalrat, sondern jene, die auf die Straße gingen –, hatten.

Eine ähnliche Stimmung und eine ähnliche Situation gab es rund um die tragischen Vorfälle in den letzten Jahren. Es war nicht ein großer Unfall, sondern es waren mehrere Vorfälle, bei denen – und das ist das Stichwort – mit legalen Waffen Menschen in Österreich schwer zu Schaden gekommen sind, und zwar so schwer, daß es mehrere Tote gegeben hat. Wohlgemerkt, meine Damen und Herren: mit legalen Waffen! Menschen, die berechtigt sind, eine Faustfeuerwaffe zu besitzen, sie zu Hause zu haben, haben in Ausnahmesituationen zum Teil schwerste Verbrechen verübt. Welcher Schluß wurde aus dieser Situation in der Politik gezogen? – Da gehört etwas geändert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor Weihnachten schien es, als würden während der Weihnachtsfeiertage die Köpfe rauchen und als würden wir uns bereits nach Weihnachten mit dieser Problematik beschäftigen. Ich weiß wohl, daß der geortete Handlungsbedarf unterschiedlich intensiv war. Aber niemand – vor allem nicht der Innenminister – hat gesagt: Es ist in Österreich alles in Ordnung! Der Innenminister war einer der vehementesten Vertreter jener, die gesagt haben: Jetzt muß weiter etwas geschehen.

Die Grünen haben vor Weihnachten, darauf hoffend, daß Sie das, was Sie versprechen, tatsächlich umsetzen, einen Entschließungsantrag eingebracht, in welchem sie dargelegt haben, was ihre Absicht bei der inhaltlichen Ausgestaltung dieses sogenannten Handlungsbedarfs ist: Die Grünen wollen ein generelles Waffenverbot im Sinne eines generellen Verbots für den Erwerb, die Einfuhr, den Besitz und auch das Führen von Schußwaffen.

Wir Grünen wollen – und da sind wir realistisch – selbstverständlich für bestimmte Gruppen Ausnahmen von diesem generellen Verbot des privaten Waffenbesitzes. Wir wollen Ausnahmen für Mitglieder traditioneller Schützenvereine. Wir wollen auch Ausnahmen für Sportschützen. Wir wollen Ausnahmen für Menschen, die von Berufs wegen Waffen zu tragen haben, wie Angehörige von Schutz- und Wachgesellschaften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen selbstverständlich auch Jägern nicht das Recht nehmen, Waffen zu besitzen. Es wäre doch wohl ein bißchen weltfremd, würde man auch diesen Gruppen den Waffenbesitz generell untersagen wollen.

Aber Bedingung für diese Ausnahmen ist für uns selbstverständlich, daß ein besonderes Augenmerk auf das gelegt wird, was das Wesentliche ist, nämlich auf den Umstand: Was passiert mit Waffen von Sportschützen und von Jägern und von Wachpersonal, wenn sie nicht dabei sind, sie in Ausübung der Tätigkeit, für die sie sie haben, zu verwenden? Dann müssen sie nämlich so sicher aufbewahrt werden, daß es möglichst gänzlich verhindert werden kann, daß sie mißbräuchlich verwendet werden. Mir erscheint es logisch, daß ich, wenn ich eine Angehörige beziehungsweise ein Mitglied eines Schützenvereines bin, die Waffe nur im Schützenverein gebrauche, nämlich dort, wo ich damit schieße, und daß die Waffe dann im Schützenverein in entsprechenden Räumlichkeiten verwahrt wird. Ähnliches gilt für Sportschützen, und ähnliches gilt auch für Wachpersonal.

Bei Jägern sollte man auch ein Auge darauf haben, die Zahl der Langfeuerwaffen, die sie besitzen dürfen, zu beschränken. Es ist nicht ganz einsichtig, daß Jäger solche Waffen in unbegrenzter Zahl besitzen dürfen.


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Auch gilt es, ein Auge darauf zu haben, daß nicht mit der Ausrede, man wolle Waffen nur sammeln und man täte es aus Liebhaberei und als Hobby, zu oft der eigentliche Grund verdeckt wird. Ich habe nichts dagegen, daß jemand Waffen sammelt. Aber dann soll sich der betreffende Waffenbesitzer an Waffen, die schußuntauglich oder sozusagen nicht mehr ihrer Zweckbestimmung dienlich sind, ergötzen, wenn es bloß darum geht, Waffen zu sammeln, zu horten, dabei einer Liebhaberei nachzugehen. Das ist etwas ganz Wesentliches!

Meine sehr Geehrten! Für uns ist auch wichtig – diese Forderung ist in unserem Entschließungsantrag auch enthalten –, daß selbstverständlich die körperliche und die psychische Eignung jener Menschen, die eine Waffenbesitzberechtigung in Österreich erlangen wollen, festgestellt werden muß. Da muß selbstverständlich auch das, was bei jedem Führerschein Bedingung ist, abgetestet werden. Denn: 200 PS unter der Motorhaube zu haben, ist dem Besitz einer Waffe gleichzusetzen. Man muß sich natürlich auch beim Fahren eines Autos auskennen und etwas über den Motor wissen. Genauso sollten jene Menschen, die berechtigt sind, eine Waffe zu tragen, ausreichende Kenntnisse in Waffen- und Schießkunde besitzen.

Meine Damen und Herren! Das sind die Forderungen, die die Grünen in einem Entschließungsantrag zusammengefaßt haben. Bis jetzt gibt es auf parlamentarischer Ebene keine Reaktion darauf von seiten der Regierungsfraktionen, und zwar auch im Ausschuß nicht. Ich frage mich, meine sehr geehrten Damen und Herren: Worauf warten Sie noch? Warten Sie auf ein neues Mauterndorf? Warten Sie, bis wieder ein Kind an Schußwaffen kommt und damit Unheil anrichtet? Das sind ja keine Spintisierereien von Grünen, sondern Sachen, die in der Vergangenheit vorgefallen sind. (Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen auf den nächsten Unglücksfall nicht warten, sondern wir wollen, daß hier im Nationalrat seriös, ruhig und sachlich der schon mehrmals apostrophierte Handlungsbedarf diskutiert wird. Deshalb ersuchen wir Sie, der Fristsetzung zuzustimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen jetzt auch folgendes, weil wir uns in gewisser Weise auch in einer Debatte über den Sicherheitsbericht befinden: Wenn das, was der Herr Bundesminister zwar heute noch nicht, aber in der Vergangenheit schon mehrmals gesagt hat und heute auch sicher wieder sagen wird und was auch ich in meiner Wortmeldung sagen werde, stimmt, nämlich daß wir in einem sicheren Land leben, daß die österreichischen Sicherheitsbehörden wie Gendarmerie und Polizei im Sinne des Schutzes der österreichischen Bevölkerung, im Sinne des subjektiven Sicherheitsbedürfnisses der Österreicher, auch, um dieses zu steigern, hervorragende Arbeit leisten, also wenn dem so ist, und daran zweifle ich nicht, dann ist dies für mich das allerbeste Argument, darüber nachzudenken, darüber zu diskutieren – und ich stelle diese Forderung auf –, ob es nicht endlich an der Zeit wäre, ein generelles Verbot von Schußwaffen für Private zu beschließen. Denn niemand kann den einzelnen Bürger und die einzelne Bürgerin besser schützen als jene Personengruppe, die das von Berufs wegen gelernt hat und deren Aufgabe es ist, und das ist in Österreich – um das jetzt simpel zu sagen – die Polizei.

Meine Damen und Herren! Noch eine Mitteilung an Sie. Ich weiß nicht, ob auch andere Kolleginnen und Kollegen in den letzten Monaten Briefe zum Thema "Waffen: generelles Verbot oder nicht?" bekommen haben. Der Herr Vorsitzende des Innenausschusses nickt. Ich jedenfalls habe viele Briefe von Menschen, die sich vehement für eine liberale Handhabung in der Frage des Waffenbesitzes aussprechen, bekommen. Diese Briefe kamen ausschließlich von Männern. Es hat mir keine einzige Frau geschrieben, daß sie ein liberales – so wird es ja genannt – Waffenrecht will. Ich sage Ihnen: Es ist ein Männerproblem! Es ist das, was sozusagen den Machismo am radikalsten zum Ausdruck bringt. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Petrovic. ) Das bestärkt mich, meine Damen und Herren, ungemein in der Forderung, daß da etwas geschehen muß.

Herr Bundesminister! Sie sind zwar nicht für das Parlament verantwortlich, und Sie sind jetzt deshalb hier, weil wir uns auch in einer Sicherheitsdebatte befinden, aber Ihr Anliegen ist es ja – ich habe es oft genug gehört –, daß da etwas weitergeht. Unterstützen Sie jetzt Ihre Fraktion


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und damit auch den Innenausschuß, daß da wirklich etwas geschieht. Der Antrag der Grünen ist eine Diskussionsgrundlage. Das, was wir öffentlich angekündigt haben und was unsere Schlußfolgerung aus Ihrem Nichthandeln sein wird, ist bekannt. Das ist notwendig. Wenn Sie die heutige Ausgabe des "Kurier" aufschlagen, dann werden Sie sehen, daß dort mit großen Lettern steht: 77 Prozent der Österreicher für ein strengeres Waffengesetz.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Mag. Terezija S toisits (fortsetzend): Angesichts dieses Umstandes, Herr Bundesminister, könnten Sie sich doch wirklich einmal ganz ehrlich bestätigt sehen und auf dieser Ebene weitertun. Und die ÖVP zu überzeugen, wird doch wohl kein Problem sein – bei 77 Prozent! (Beifall bei den Grünen.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anton Leikam. – Bitte.

16.17

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann meiner Vorrednerin, der Kollegin Stoisits, insofern recht geben, als es tatsächlich seit Sommer 1997 in Österreich eine zum Teil sehr emotional geführte Diskussion gibt, die sich mit einer Verschärfung des derzeit gültigen Waffengesetzes beschäftigt. Ich muß auch bestätigen: Ja, auch ich bekomme sehr viele Briefe, allerdings von beiden Seiten. Ich bekomme sehr viele Briefe von Leuten, die keine Verschärfung des Waffengesetzes haben wollen. Das sind in der Regel Mitglieder von organisierten Vereinen, Schützenvereinen, Sportschützenverbänden und ähnlichen Vereinen. Ich bekomme aber nicht weniger Briefe von Leuten, die sich für eine drastische Verschärfung des Waffengesetzes aussprechen und die haben wollen, daß es in Österreich überhaupt keine Waffen in privaten Händen gibt. Das, was in zwei unabhängig voneinander durchgeführten Meinungsumfragen in der letzten Zeit – und mit gestrigem Tag auch medial – bekanntgeworden ist, geht in diese Richtung, nämlich, daß etwa zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung haben wollen, daß sich zumindest wesentlich weniger Waffen in privaten Händen befinden.

In der Tat haben einige schlimme Ereignisse, wie etwa jene in Zöbern, in Mauterndorf und in Mödling, im letzten Jahr mit dazu beigetragen, daß die Stimmung für ein Verbot des Waffenbesitzes oder für eine Verschärfung des Waffengesetzes natürlich noch wesentlich stärker geworden ist. Es ist wirklich nicht einzusehen – vielleicht sehen es nur ganz wenige ein –, daß sich in Österreich etwa sechsmal so viele Waffen in privaten Händen befinden, als zum Beispiel das gesamte Bundesheer und die Exekutive insgesamt besitzen. Es versteht wirklich kaum ein Mensch, schon gar nicht einer, der sich ernsthaft mit diesen Problemen beschäftigt, daß das in einem Land, das zu einem der sichersten der Welt zählt, in einem Land mit sinkender Kriminalitätsentwicklung und mit steigender Aufklärungsquote, tatsächlich möglich ist.

In unserem Land hat in den letzten fünfzehn Jahren eine Aufrüstung mit Waffen in privaten Händen stattgefunden, die unverständlich ist. Das ist ein Umstand, den die wenigsten begreifen. Daher haben auch wir, die sozialdemokratische Parlamentsfraktion, uns Gedanken darüber gemacht, wie wir eine Verschärfung des Waffengesetzes zustande bringen können. Derzeit befinden wir uns in Verhandlungen mit dem Koalitionspartner.

Kollegin Stoisits! Ich kann eigentlich jede Zeile von dem, was Sie in Ihrer Begründung im Entschließungsantrag enthalten haben, unterstreichen. Unsere Meinungen liegen da nicht allzuweit auseinander. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, eine Verschärfung des Waffengesetzes recht bald zu erreichen.

Ich will jetzt gar nicht auf die Details eingehen, die wir in einer Novelle des Waffengesetzes behandelt haben wollen. Vor allem wollen wir, daß es weniger Waffen im privaten Haushalt gibt und daß es nur mehr ein Waffendokument gibt. Warum soll es eine Waffenbesitzkarte, einen Waffenpaß und was auch immer geben? Wir wollen, daß es nur mehr eine Waffenkarte gibt. Wir wollen, daß der Zugang zu den Waffen deutlich erschwert wird. Wir wollen auch, daß die


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Aufbewahrung und die Kontrolle der Waffen besser werden. Und wir wollen auch – diesbezüglich hat es bisher keine Annäherung mit dem Koalitionspartner gegeben –, daß eine sogenannte Waffenabgabe in einer Verschärfung des Waffengesetzes enthalten ist.

Wir sind zuversichtlich, daß gerade die in den letzten Tagen bekanntgewordene Umfrage da wirklich zu einem raschen Handeln führen wird, daß es recht bald zu einer Novelle des Gesetzes kommen wird. Ich verstehe nur nicht ganz, warum nun in einem Fristsetzungsantrag die Frist, die ursprünglich in einem Antrag der Grünen, der im Dezember eingebracht und begründet worden ist, mit 31. März 1998 gesetzt wurde, um einen Monat vorverlegt wird. Ich meine, daß, wenn man ernsthaft verhandelt, dieses eine Monat auch nicht mehr ausschlaggebend sein kann.

Ich lade wirklich alle Fraktionen ein, gemeinsam an einer sinnvollen Verschärfung des Waffengesetzes mitzuwirken. (Beifall bei der SPÖ.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

16.22

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Stoisits! Ich sage es zum wiederholten Male, und ich deponiere es einmal mehr hier: Ihr Ansatz zum Thema Waffen greift für mich, greift für die ÖVP zu kurz! Sie gehen von einem sehr kleinen Segment aus und übersehen das wirkliche Problem, das Ganze. Ich möchte es mit Argumenten belegen:

Wir sind der Meinung – und die ÖVP steht dafür ein –, daß das gesamte Problem am Thema Gewalt aufzuhängen ist. Wir sagen, daß Gewalt kein Mittel zur Konfliktlösung ist. Dort müssen wir ansetzen! Wir sagen unter anderem – die Untersuchungen belegen es ja –, daß täglich im ORF, in unserem Fernsehen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene mit 70 Morden und mit 100 Toten geradezu überschüttet werden. – Wenn das nicht der richtige Ansatz ist, welcher dann, Kollegin Stoisits?! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In unserer Analyse, Kollegin Stoisits, machen wir dann natürlich den zweiten Schritt. Wir sagen: Was ist die Waffe, die wir einsetzen wollen, das Mittel, um diesen Zweck zu erreichen? – Es kann doch nur Erziehung sein, die wir in unserer Gesellschaft in die Hand nehmen, die wir in unserer Verantwortung in die Hand nehmen, eine Erziehung unserer Kinder, unserer Jugendlichen hin zu mehr Friedfertigkeit. Sie werden doch nicht glauben, daß mit dem Verbot von Waffen das ganze Problem gelöst ist! Sie greifen mit Ihren Argumenten zu kurz, Frau Kollegin Stoisits! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mag. Firlinger und Meisinger. )

Ich sage Ihnen auch folgendes: Wir werden Ihren Entschließungsantrag ablehnen. Die ÖVP befindet sich derzeit in konstruktiven Verhandlungen mit der SPÖ. Wir wollen uns keinen Termin aufzwingen lassen, und wir werden uns keinen Termin aufzwingen lassen. Wir lassen uns von Ihnen nicht unter Druck setzen. Wir verhandeln unter dem Aspekt, eine bestmögliche Lösung zu finden, und nicht unter dem Aspekt, eine schnelle Lösung zu finden! (Beifall bei der ÖVP.)

Wie schaut diese bestmögliche Lösung aus der Sicht der ÖVP aus? – Wir sind überzeugt, daß wir den richtigen Ansatz haben.

Frau Kollegin Stoisits! Wenn es stimmt, daß Gewalt kein Mittel zur Konfliktlösung ist, wenn es stimmt, daß wir eine Erziehung zur Friedfertigkeit brauchen, dann glauben wir, daß jene Menschen, die in einem Rechtsstaat leben, sehr wohl das Recht haben, auf legale Art und Weise etwas in der Hand zu haben, was ihnen der Gesetzgeber einräumt, nämlich Waffen. 327 000 Österreicherinnen und Österreicher haben eine Waffenbesitzkarte oder einen Waffenpaß. 327 000 Frauen und Männer haben sich registrieren lassen, sind mit Namen und Adresse bekannt. 327 000 Österreicherinnen und Österreicher wollen Sie kriminalisieren. Das lassen wir nicht zu! Da können Sie versichert sein! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Meisinger. )


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Aus dieser Position heraus – und wir haben es dem Koalitionspartner klar und eindeutig gesagt, und der Herr Minister Schlögl wird es bestätigen, sollte er zu diesem Thema das Wort ergreifen – sagen wir ja zu Waffen für verläßliche Menschen, ja zu Waffen für Menschen, von denen wir wissen, wer sie sind, ja zu Waffen für Personen, von denen wir wissen, daß sie die Waffen ordnungsgemäß verwahren, ja zu Waffen für Personen, die auch die entsprechende Kontrolle über sich ergehen lassen, ja zu Waffen für Menschen, die bereit sind, sich einer Prüfung zu unterziehen, ja zu Waffen für Menschen, die wissen, wie man mit einer Waffe umgeht, sowohl theoretisch als auch praktisch. Dazu sagen wir ja! Zu Ihren Ansätzen sagen wir nein! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Stoisits! Sie meinen, das Problem wäre gelöst – und das ist dieser Ihr zu kurz gegriffener Ansatz –, wenn wir das Verbot des privaten Waffenbesitzes einführen. Das ist falsch! Dagegen sind wir. Dagegen werden wir uns in dieser Koalition auch auf Dauer stark machen, und es wird mit der ÖVP keine Lösung geben, die ein Verbot von Waffen in privaten Händen in Österreich in Zukunft zum Inhalt hat. Glauben Sie mir das, Kollegin Stoisits! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun wende ich mich dem Kollegen Leikam zu. Kollege Leikam! Diese Koalitionsregierung ist angetreten mit dem Vorhaben: keine Steuern, keine Abgaben in dieser Legislaturperiode! Sie wiederholten zum x-ten Male Ihre Forderung nach einer Waffenbesitzabgabe. Ich sage Ihnen: Sie ist für mich nichts als heiße Luft! Wir akzeptieren diese Ihre Forderung nicht! Wir haben es auch in den internen Gesprächen immer wiederholt. Wir haben gesagt: Waffensteuer: nein! Das kommt für uns nicht in Frage! Denn das, was Sie mit einer Waffensteuer erreichen würden, ist ja genau das, was wir nicht wollen. Eine Waffensteuer ist kontraproduktiv, sie bringt die Menschen in die Illegalität, und der Weg in die Illegalität ist genau das, was ein Rechtsstaat nicht will. Glauben Sie mir das, Herr Kollege Leikam! (Beifall bei der ÖVP.)

Zusammengefaßt: Ja zu allen vernünftigen, konstruktiven Gesprächen! Ich glaube, daß mir das der Herr Minister bestätigen wird. Das Klimatische in den Verhandlungen um das Waffengesetz stimmt. Aber dieses neue, seit einem halben Jahr in Kraft befindliche Waffengesetz ist modern, streng, kann sich international sehen lassen und geht in manchen Teilen über EU-Richtlinien hinaus. Was wollen wir noch mehr? Herr Innenminister, wenden Sie es entsprechend an! (Beifall bei der ÖVP.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lafer. – Bitte.

16.27

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die unendliche Geschichte "Waffengesetz" wird wieder einmal im Parlament diskutiert. Aber gehen wir zurück zum Anfang.

1995: Vorfälle mit Pumpguns – Novellierung des Waffengesetzes.

Weitere Vorfälle mit Waffen – neues Waffengesetz 1996.

Was sind die Schwerpunkte dieses neuen Waffengesetzes? – Einführen des Verläßlichkeitstests bei einer genehmigungspflichtigen Waffe. Die bis dahin unter verbotenen Waffen geführten Tränengassprays et cetera werden nicht mehr verboten, sie unterliegen nun der Abgabebeschränkung. Die Zahl der grundsätzlich zu genehmigenden Waffen liegt nicht höher als bei zwei; die sogenannte Abkühlphase. Meldung der vorhandenen Waffen als Teil der Übergangsbestimmungen. Scharf genug, möchte man meinen, doch dem ist nicht so!

Was führte wieder zu dieser Debatte, zu der Sie heute mit dem Fristsetzungsantrag und auch mit dem Entschließungsantrag beitrugen? Ist es der Vorfall in Mauterndorf, wo wieder ein Täter mit einer illegalen Waffe eine Straftat begangen hat, der nachweislich illegal einem Schützenverein angehört hat, der nachweislich schon einmal wegen eines Vorfalles mit seiner Waffe zur Anzeige gebracht worden ist? Wir sind wieder einmal dort angelangt, wo wir immer hinkommen:


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Anlaßgesetzgebung, Anlaßgesetzgebung, Anlaßgesetzgebung! Das ist nicht die Lösung, der wir Freiheitlichen zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schauen wir uns doch einmal die Tatsachen an und beleuchten wir jene Staaten, in denen ein Waffengesetz oder ein absolutes Waffenverbot eingeführt worden ist! In New York, wo alle Waffen, sogar Klappmesser, verboten sind, geschehen trotzdem tausend Gewaltverbrechen mit Schußwaffen. In Texas wurde das strengere Waffengesetz aufgehoben, was dazu geführt hat, daß von 1992 bis 1997 die Zahl der Straftaten um 13 bis 53 Prozent gesunken ist. Eine US-Studie beweist, daß man in den 19 Waffenverbotsstaaten, wäre das Führen von Waffen erlaubt gewesen, 1 570 Morde, 4 377 Vergewaltigungen und 12 000 Raubüberfälle hätte verhindern können. Das sind die Fakten, die beweisen, daß ein absolutes Waffenverbot absolut nichts bringt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das soll jetzt kein Plädoyer für Waffen sein – selbstverständlich ist jeder Tote einer zu viel –, aber es ist erwiesen, daß 99 Prozent der Schußwaffenmißbräuche mit illegal im Besitz befindlichen Waffen begangen werden und nicht mit legal gemeldeten Waffen. Das bedeutet: Würden wir die Waffen total verbieten, würde der Schwarzmarkt immens zunehmen, die Verkaufszahlen würden explodieren. Nach der Meinung der freiheitlichen Fraktion wäre es sinnvoller, eine umfassende und vor allem genaue Aufklärung über den Gebrauch, die Handhabung und sichere Verwahrung der Waffe in Verbindung mit Kontrollen durchzuführen.

Es ist ja nicht anzunehmen, daß der Österreicher ein Waffennarr ist, sondern man muß die Ursache für das Bedürfnis, sich im Bedarfsfall selbst schützen zu können, woanders suchen. Wird durch die entsprechende Sicherheitspolitik das Sicherheitsgefühl gestärkt, so wird auch bei den Bürgern das Bedürfnis, sich selbst schützen zu können, sinken, und dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Der Ansatz ist daher nicht ein totales Waffenverbot oder die Entwaffnung der Bürger nach dem Motto: Weniger Waffen bedeuten weniger Kriminalität!, sondern umgekehrt. Deshalb werden wir Freiheitliche diesem Fristsetzungsantrag und diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser. – Bitte.

16.31

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In der jetzigen Debatte geht es um einen Fristsetzungsantrag der Grünen, nämlich dahin gehend, daß der gegenständliche Entschließungsantrag, der im Dezember des vergangenen Jahres eingebracht wurde, bis spätestens Ende Februar im Ausschuß beraten wird. Dieser Antrag ist legitim, er ist aus meiner Sicht berechtigt, und das ist auch der Grund dafür, daß wir dem Fristsetzungsantrag zustimmen werden.

Wir brauchen heute noch nicht inhaltlich über diesen Antrag zu diskutieren, denn es geht jetzt nicht um die materielle Seite dieses Gesetzes, aber eines ist schon evident: Es macht durchaus Sinn – Herr Kollege Kiss, darin gebe ich dir recht –, das Gesetz, das erst Mitte des vergangenen Jahres in Kraft getreten ist, im Lichte der Entwicklungen der letzten Zeit kritisch zu beurteilen, kritisch zu bewerten. Es ist legitim, bei jenen Punkten, hinsichtlich derer wir der Meinung sind, daß eine Änderung notwendig ist, daß eine Verschärfung erforderlich ist, daß wir den einen oder anderen Aspekt nicht ausreichend berücksichtigt haben, die entsprechenden Korrekturen und Änderungen am geltenden Waffengesetz vorzunehmen. Daher brauchen wir die Diskussion darüber im Ausschuß, dort soll sie geführt werden, und dort sollen dann auch die Positionen auf den Tisch gelegt werden.

Ich bedauere es, meine Damen und Herren, daß uns bis heute noch nicht die Position der beiden Koalitionsparteien zur Kenntnis gebracht wurde. (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. ) Wir kennen die eine oder andere Aussage in der Öffentlichkeit, aber es ist notwendig, daß wir endlich einmal auf parlamentarischer Ebene ein "Papier" bekommen. (Abg. Kiss  – ein Blatt Papier


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zeigend –: 10-Punkte-Programm der ÖVP!) Lieber Kollege Kiss! Das ist dein 10-Punkte-Programm der ÖVP, aber das, was wir parlamentarisch beraten müssen, sind Abänderungsvorschläge zum geltenden Gesetz. Diese Abänderungsvorschläge, Herr Kollege Kiss, müssen auf den Tisch, die haben wir von der Koalition noch nicht bekommen; zumindest wir haben sie noch nicht bekommen.

Ich darf den Herrn Kollegen Leikam und auch den Herrn Kollegen Kiss ersuchen, da ja die Regierungsparteien anscheinend schon anhand konkreter Unterlagen Verhandlungen führen, auch die Opposition einzubinden, sodaß wir die Möglichkeit bekommen, zu den Änderungsvorschlägen konkret Stellung zu nehmen!

Auch wir sind der Auffassung – das möchte ich heute im Zuge dieser Debatte abschließend feststellen; ich habe ja die Möglichkeit, im Rahmen der Debatte zum Sicherheitsbericht darauf noch einzugehen –, daß eine Verschärfung des Waffengesetzes erforderlich ist. Wir meinen, daß ein totales und generelles Waffenverbot das Problem nicht wirklich löst, weil auf der einen Seite die Gefahr besteht, daß dadurch eine Flucht in die Illegalität stattfinden wird, und auf der anderen Seite Gewalt als solche nicht wirklich verhindert werden kann. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Lieber Herr Kollege Kiss! Gewalt ist ein soziales Phänomen, und ich gebe dir recht, wenn du meinst, daß wir in diesem Zusammenhang vor allem bei der Erziehung und bei der Bildung, aber auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht ansetzen müssen.

Wichtig ist – und das erscheint mir von großer Bedeutung –, daß der Zugang zum Waffenbesitz eingeschränkt wird und daß insbesondere überprüft wird, ob die bisher ausgegebenen Dokumente betreffend den Waffenbesitz noch notwendig sind. Diesbezüglich sollte eine Überprüfung durchgeführt werden. Ich werde heute einen entsprechenden Antrag einbringen, weil ich meine, daß es sehr wichtig ist, daß die Zahl der Waffen, die sich in den österreichischen Haushalten befinden, reduziert wird. Das wäre meiner Meinung nach mit ein Beitrag, die Gewalt in Österreich zu minimieren beziehungsweise weniger Delikte in Form von Anwendung von Gewalt mittels Schußwaffen zu haben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

16.36

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wenn wir zuwarten, bis alle Menschen auf der ganzen Welt so eine Gesinnung und Geisteshaltung haben wie Mahatma Gandhi oder Mutter Theresa – ich würde mir das ja sehr wünschen –, dann müssen wir sehr lange warten, und die Bevölkerung wird sich fragen, was das Parlament macht.

Herr Abgeordneter Kiss! Ich kenne keinen Antrag – auch keinen Ihrer ORF-Kuratoren –, Filme, die zu Gewalt auffordern oder geeignet sind, die Gewaltbereitschaft zu erhöhen, aus dem Programm zu verbannen. Ich würde mir wünschen, daß der ORF seinen Bildungs- und Kulturauftrag wieder ernster nehmen kann und auch die finanziellen Möglichkeiten dazu hat. Es hindert Sie niemand daran, in dieser Hinsicht Initiativen zu ergreifen. Ich nehme an, daß Ihnen das ganze Haus zustimmen würde. (Abg. Dr. Khol: Wir werden Sie beim Wort nehmen! Der Antrag ist im Ausschuß!) Aber es besteht wirklich kein Grund, eine andere Maßnahme im Zusammenhang mit einer lebensgefährlichen Praxis hintanzuhalten und zu verzögern. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Es gibt mehr Tote durch Drogen, und trotzdem wollen Sie Drogen freigeben!)

Aus den Reihen der ÖVP war hier immer wieder der Zwischenruf zu hören: Gibt es noch eine Selbstverantwortung? – Einerseits denke ich, daß Sie die Besitzer – ich verwende da bewußt die männliche Form – von Waffen in einer Scheinsicherheit wiegen, sodaß manche von ihnen, die sich vielleicht wirklich gefährdet fühlen, glauben, daß sie durch den Besitz oder das Tragen einer Waffe sicher sind. Ich glaube, daß auch das ein Gefahrenmoment und ein großer Irrtum ist.


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Zum anderen aber frage ich: Welche Selbstverantwortung? Wer empfindet so im Hinblick auf Selbstverantwortung? – Meine Herren! Das ist ein rein männlicher Begriff von Selbstverantwortung. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Herr Abgeordneter Kiss! Die ÖVP verwendet sonst bei den Debatten in der Regel – ich passe diesbezüglich sehr genau auf – immer nur die männliche Form, heute aber haben Sie gesagt: Es gibt 327 000 Besitzerinnen und Besitzer von Waffen. Herr Abgeordneter Kiss! Sagen Sie doch einmal, wie viele davon männlich und wie viele davon weiblich sind. Dann wird sich ja ganz genau herausstellen, wo wir in diesem Bereich ein statistisches Problem und einen Nachholbedarf haben. (Abg. Kiss: Kollegin Petrovic! 28 Prozent weiblich, 72 Prozent männlich!)

Das ist eine männliche Vorstellung von Selbstverantwortung, und diese hat eine Ähnlichkeit – das scheint tiefenpsychologisch begründet zu sein; ich erspare mir die Ausführungen dazu – mit dem bei Tieren auftretenden – ich stelle hier nicht diese Vergleiche an – Imponiergehabe. Bei Männern scheint das – das ist statistisch erwiesen – weit häufiger mit sehr vielen PS, großen Kalibern oder scharf gemachten Hunden oder sonst irgend etwas zu tun zu haben, also mit irgend etwas außerhalb der eigenen Person, mit irgend etwas, was einen stark, groß und mächtig erscheinen läßt, obwohl es in Wirklichkeit vielleicht nicht ganz so ist.

Der weibliche und der vernünftige männliche Begriff von Selbstverantwortung sieht anders aus, und in diesem Zusammenhang haben Sie einen großen Nachholbedarf in diesem Lande.

Wir haben in Österreich noch immer ein sehr zünftisches Gewerbewesen. Es gibt viele Leute, die sich auf unbürokratischem Wege selbständig machen wollen, aber das geht nicht in unserem Lande, da irgendwelche Fachverbände dagegen sind.

Wer war dagegen, daß wir beim Studium, bei den Fächerkombinationen wirklich liberalisieren? – Die ÖVP war dagegen! (Abg. Dr. Lukesch: Nein, das stimmt nicht!)

Die alten Menschen, die behinderten Menschen wollen selbstbestimmt, selbstverantwortlich leben, aber man sperrt sie in Betreuungseinrichtungen und nimmt ihnen ihre Selbstverantwortung. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dort haben Sie Handlungsbedarf – nicht bei der Selbstbestimmung hinsichtlich des Schießgewehrs! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen noch etwas – das ist jetzt vor allem an die Adresse des Herrn Bundesministers und an jene der Sozialdemokratischen Partei gerichtet –: Gerade in dieser Plenarsitzung – es reiht sich ein Punkt an den anderen – sagen Sie, daß Sie der Fristsetzung nicht zustimmen werden, weil Sie intensiv und länger verhandeln wollen. Aber Sie haben ja gehört: Es besteht keine Bereitschaft! Es ist keine Bereitschaft vorhanden! – Gentechnik, Tierschutz, Frauenangelegenheiten: Immer wieder bekommen Sie die gleiche Antwort. Da frage ich mich: Wie geht die Sozialdemokratische Partei damit um? Spielen wir jetzt eineinhalb Jahre Wahlkampf, oder sagen Sie: Wir täten ja so gerne, aber die lassen uns schon wieder nicht!? Wie geht die stärkste Fraktion in diesem Lande damit um?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Sie werden diesen Schlußsatz noch öfter von mir hören: Ich wünsche mir von Ihnen einmal so viel Einsatzfreude und Kampfbereitschaft wie bei Ihrer Machtpolitik, wie bei den Anteilen an der Bank Austria. Gehen Sie so in der Waffencausa vor! (Beifall bei den Grünen.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Innenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag betreffend Novellierung des Waffengesetzes eine Frist bis zum 24. Feber 1998 zu setzen.


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Ich bitte, daß jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen wollen, ein Zeichen geben. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir nehmen die Verhandlungen über den Punkt 6 der heutigen Tagesordnung – es ist dies der Sicherheitsbericht – wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zur Diskussion steht der Sicherheitsbericht, und ich meine, daß es notwendig ist, die Emotionen wieder ein bißchen zurückzunehmen und die Diskussion auf sachlicher Basis zu führen, weil es gerade bei einer solch sensiblen Materie wichtig ist, auf der Grundlage von Fakten zu argumentieren und die Emotionen, wie gesagt, zurückzustellen.

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute zum ersten Mal einen Sicherheitsbericht, der doch eine gewisse Aktualität hat. Zum ersten Mal wurde ein Sicherheitsbericht nach einer vertretbaren Zeitspanne dem Parlament vorgelegt, sodaß wir die Diskussion darüber im Ausschuß sehr rasch führen konnten und schon jetzt hier im Plenum darüber debattieren können. Ich erwarte, Herr Bundesminister, daß wir den Sicherheitsbericht für das Jahr 1997 noch innerhalb des ersten Halbjahres, noch vor den Sommerferien des Parlaments ins Hohe Haus bekommen und dann im Herbst umgehend mit der Debatte beginnen und die Diskussion abschließen können.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns den vorliegenden Sicherheitsbericht anschauen, müssen wir feststellen, daß die Kriminalität in Österreich ein hohes Niveau aufweist, daß sie aber, zumindest was das Jahr 1996 betrifft, gegenüber 1995 gleichgeblieben ist beziehungsweise auf der einen Seite eine leicht sinkende Tendenz aufweist und auf der anderen Seite – und das ist sehr positiv; es ist notwendig, auch das zu sagen – eine steigende Aufklärungsquote.

Es ist erfreulich, daß die Zahl der Delikte der Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit der Weitergabe von Falschgeld wesentlich zurückgegangen ist, ebenso die Zahl der Delikte in den Bereichen Körperverletzung und fahrlässige Körperverletzung und die Zahl der Tötungsdelikte sowie die Zahl der Delikte im Bereich der Sachbeschädigung. Es ist aber bedauerlich – auch das muß hier gesagt werden –, daß wir in Österreich eine sehr starke Zunahme in den Bereichen Suchgiftkriminalität, Beischlaf und Unzucht mit Unmündigen, aber auch im Bereich Diebstahl, Bandendiebstahl haben.

Ich glaube, daß es notwendig ist und Sinn macht, diesen Sicherheitsbericht ernsthafter zu analysieren und auf der Grundlage dieses Sicherheitsberichtes entsprechende Konsequenzen beim Einsatz der Exekutive und bei der Setzung von Schwerpunktmaßnahmen zu ziehen.

Es ist schon zu fragen, warum wir gerade in diesen Bereichen eine steigende Kriminalität zu verzeichnen haben. Ich glaube, daß sich einerseits doch die Arbeit der Exekutive positiv auszuwirken beginnt, daß Maßnahmen, die in der Vergangenheit gesetzt wurden, zu greifen beginnen – auch das soll hier festgehalten werden.

Andererseits glaube ich, daß auch die gesellschaftspolitische Entwicklung dazu beigetragen hat, daß man hinsichtlich bestimmter Delikte, bestimmter Vorgänge, die sich im Kreise der Familie abspielen, doch ein gewisses Tabu gebrochen hat, daß man offen darüber spricht und die entsprechenden Delikte auch zur Anzeige bringt. Dies ist positiv und soll auch so bleiben.

Weiters muß man fairerweise heute hier feststellen, daß aus diesem Sicherheitsbericht auch hervorgeht, daß wir in einem sicheren Land leben. Auch ich bin der Meinung, daß Österreich zu den sichersten Ländern in Europa gehört. Ein paar Vergleiche dazu: In der Bundesrepublik


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Deutschland kommen auf 100 000 Einwohner vier Tötungsdelikte, in der Schweiz  drei und in Österreich etwa zwei. Oder im Bereich der Diebstähle: Pro 100 000 Einwohner werden in der Bundesrepublik Deutschland über 4 400 Delikte begangen, in der Schweiz 4 000 und in Österreich "nur" – unter Anführungszeichen, denn auch das ist zu hoch! – 2 700.

Wir leben in einem sicheren Land, und die Bevölkerung hat ein sehr hohes Maß an Vertrauen gegenüber der Exekutive. Das muß man von dieser Stelle aus sagen und der Exekutive für die erbrachte Leistung und auch dafür, daß es ihr gelungen ist, ein sehr hohes Maß an Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen, einen Dank aussprechen. Im Rahmen eines Rankings haben immerhin 67 Prozent die Polizei an erster Stelle gereiht, dahinter kommt die Nationalbank und abgeschlagen das Parlament. Als Offizier bedauere ich, daß auch das Bundesheer weiter hinten gereiht wurde.

Die Bevölkerung bringt der Exekutive großes Vertrauen entgegen, und es ist alles daranzusetzen, Herr Bundesminister, daß dieses Vertrauen erhalten bleibt und nicht verlorengeht!

Herr Bundesminister! Ich darf Sie daher wirklich ersuchen, in diesem Sinne etwas zu unternehmen und rigoros gegen jene schwarzen Schafe vorzugehen, die drauf und dran sind, dieses gute Image der Exekutive zu zerstören. Dazu gehören auch jene Exekutivbeamten, die für die bereits andiskutierte Affäre im Zusammenhang mit dem Datenklau im Bereich der Polizeidirektion Salzburg verantwortlich sind. Das, Herr Bundesminister, sind kriminelle Handlungen! Da liegt ein klares Vergehen gegen die Dienstpflichten vor, und daher erwarten wir von Ihnen, daß Sie mit aller Schärfe vorgehen – nicht nur was diese Beamten betrifft, sondern generell. Dort, wo ein eklatanter Bruch der Dienstpflichten begangen wird, muß man rigoros vorgehen. Scheuen Sie sich nicht, die betroffenen Beamten dann aus dem Dienst zu entlassen beziehungsweise zu suspendieren! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Schwemlein. )

Ich glaube aber auch, daß es notwendig ist, im Bereich der inneren Führung der Exekutive Maßnahmen zu setzen. Herr Bundesminister! Gerade das Beispiel des Datenklaus zeigt, wie notwendig eine verstärkte Dienstaufsicht der vorgesetzten Offiziere ist. Auf diese Art wäre es durchaus möglich gewesen, schon frühzeitig zu erkennen, wer zu ganz bestimmten Anlässen besonders viele Datenabfragen vornimmt, und zu hinterfragen, warum diese Häufigkeit gegeben ist.

Ich erwarte daher von Ihnen, daß Sie eine verstärkte Dienstaufsicht Ihrer Polizeioffiziere anordnen. Ich erwarte, daß man konkrete Maßnahmen zur Supervision der Beamten setzt. Es ist auch bekannt, daß gerade Exekutivbeamte eine Betreuung brauchen. Sie müssen die Möglichkeit haben, ihre Probleme in einem Gespräch mit Vorgesetzten, mit Psychologen auszusprechen, sozusagen loszuwerden.

Ich meine, daß es auch notwendig ist, die Ausbildung im Exekutivbereich zu verbessern. Vom Kollegen Leikam ist die Einrichtung der Sicherheitsakademie bereits angesprochen worden. Herr Bundesminister! Was die Sicherheitsakademie betrifft, haben Sie uns hier im Hohen Hause im Ausschuß zugesagt, daß diese geschaffen wird. Sie haben es auch der Traiskirchener Bevölkerung zugesagt. Ich vermisse aber noch immer die Vorlage jener gesetzlichen Grundlagen, die es ermöglichen, daß wir ein entsprechendes Gesetz betreffend die Schaffung einer Sicherheitsakademie hier in diesem Hohen Hause beschließen. Ich erwarte mir von Ihnen, daß wir demnächst zu diesbezüglichen Gesprächen eingeladen werden und daß, wenn es keine Gespräche im Vorfeld gibt, zumindest der Entwurf der Koalitionsparteien eingebracht wird, damit wir auf der Grundlage dieses Entwurfes die weitere Diskussion führen können. Herr Bundesminister! Ich erwarte von Ihnen, daß wir innerhalb der nächsten paar Monate zu einer Beschlußfassung über dieses Gesetz kommen.

Ich weise auch darauf hin, daß es wirklich notwendig ist, die Arbeitsbedingungen der Exekutivbeamten zu verbessern. Herr Bundesminister! Legen Sie größeren Wert auf die Ausstattung der verschiedenen Gendarmerieposten und Dienststellen! Da ist Handlungsbedarf gegeben. Es ist unbedingt notwendig, entsprechende Investitionen und Verbesserungen vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß es keinen Sinn macht und eigentlich unverantwortlich ist, wenn man in Fragen der Sicherheit durch Angstparolen versucht, die Situation entsprechend


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negativ darzustellen, oder wenn man die Situation durch Herauspicken einzelner Aspekte etwas verzerrt darstellt. Ich meine, daß dabei ein gewisser Trend zu berücksichtigen beziehungsweise zu beachten ist. Wenn man sich diesen Trend ansieht, dann erkennt man, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Es ist nicht notwendig, nach mehr Polizei, nach mehr Exekutive zu rufen, denn im internationalen Vergleich hat Österreich einen sehr hohen Anteil an Polizeibeamten. Ich habe eine Aufstellung mitgebracht. Demnach liegen wir nach Italien und nach Portugal in Europa an dritter Stelle. Auf 100 000 Einwohner kommen in Italien 454 Polizisten, in Portugal 448 Polizisten und in Österreich 411 Polizisten.

Meine Damen und Herren! Das ist ein sehr hoher Anteil an Exekutivbeamten. Ich meine, daß es notwendig sein wird, diese Exekutivbeamten vielleicht besser einzusetzen und durch interne Organisationsmaßnahmen, durch Strukturmaßnahmen dafür zu sorgen, daß mehr Exekutivbeamte im Außendienst sind, daß die Patrouillentätigkeit verbessert wird und daß auch im Bereich der Gendarmerieposten und der Polizeidienststellen vor Ort eine personelle Verdichtung erfolgt.

Daß es damit nicht zum besten steht, zeigt eine Aufstellung, die wir aus dem Bereich Wien haben. In Wien gibt es beispielsweise 101 Wachzimmer. In diesen 101 Wachzimmern sind immerhin fast 6 000 Wachebeamte im Einsatz. Von diesen 6 000 Beamten befinden sich 243 Beamte in Ausbildung. Aber auf Streife, im Außendienst sind lediglich 3 700 Beamte eingesetzt, das heißt, nur knapp über 60 Prozent.

Herr Bundesminister! Es ist einfach nicht vertretbar, daß sich fast 40 Prozent der Beamten im Innendienst befinden. Es muß möglich sein, durch Strukturmaßnahmen, durch Verbesserungen im Bereich der Organisation vor Ort, im Bereich der Dienststellen, der Gendarmerieposten, eine Verdichtung herbeizuführen. Da besteht Handlungsbedarf, und ich erwarte von Ihnen, daß Sie die entsprechenden Maßnahmen und Schritte setzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es ist auch notwendig, daß auch die Exekutive einen Beitrag zur Prävention leistet. Es müssen schon im Vorfeld zur Straftat Maßnahmen gesetzt werden, die einen potentiellen Täter daran hindern, das Delikt zu begehen. Der Sicherheitsbericht zeigt ganz klar jene Bereiche auf, in denen man präventiv ansetzen muß, nämlich im Bereich der Jugendkriminalität, im Bereich der Suchtgiftkriminalität und auch im Bereich der organisierten Kriminalität.

Bei den Ursachen spielen sicherlich auch gesellschaftspolitische Probleme eine Rolle. Wir haben in Österreich eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, wir haben zerrüttete Elternhäuser, und es fehlen die Vorbilder. Dadurch und aufgrund der vielen äußeren Einflüsse, die auf die jungen Menschen besonders stark einwirken, ist es irgendwie logisch, daß sich das Gewaltpotential erhöht hat und daß leider auch die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, gesunken ist. Da ist die Exekutive aufgerufen, ganz konkrete Maßnahmen zu setzen.

Herr Bundesminister! Ich erwarte mir von Ihnen, daß gerade für diese Bereiche, vor allem für die Jugendszene, besonders geschulte Beamte eingesetzt werden. Wir brauchen besondere Einheiten, die in der Jugendszene den Kontakt mit der Jugend suchen und herstellen. Vor allem müssen wir regionale Schwerpunkte setzen, weil es sich zeigt, daß die Regionen eine unterschiedliche Entwicklung aufweisen. Bestimmte Regionen haben eine besonders hohe Kriminalitätsrate. Daher sind ganz gezielte Maßnahmen erforderlich und aufgrund der konkreten Unterlagen zu setzen.

Ich möchte zu diesem Bereich des Sicherheitsberichtes abschließend feststellen: Es ist insgesamt eine durchaus positive Entwicklung zu verzeichnen. Es wird aber notwendig sein, gezielte Maßnahmen zu treffen, Schwerpunkte zu setzen, was den Einsatz der Exekutive betrifft, um die im Prinzip erkennbare positive Entwicklung weiter zu verstärken. Vielleicht können wir Liberalen dann einem der nächsten Sicherheitsberichte unsere Zustimmung geben. So wie sich die Situation derzeit darstellt, ist das noch nicht der Fall.

Herr Bundesminister! Ich darf abschließend noch auf einen Punkt verweisen. Es wurde vorhin das Problem der Schußwaffen angesprochen. Wir Liberalen sind der Meinung, daß es notwen


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dig ist, das Waffengesetz zu verschärfen. Ich habe bereits ausgeführt, warum ein totales Verbot nicht zum erwünschten Ziel führen würde. Ich halte ein solches Verbot für unrealistisch. Es wird besonders darauf ankommen, die bereits vorhandene Zahl von Waffen zu reduzieren. Das ist das Wichtigste, das sollten wir uns bei einer Novelle zum Waffengesetz vornehmen!

Ich möchte nun einen diesbezüglichen Entschließungsantrag einbringen. Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hans Helmut Moser, Helmut Peter und PartnerInnen betreffend Novellierung des Waffengesetzes 1996

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, im Rahmen einer notwendigen Novellierung des Waffengesetzes 1996 vorzusehen, daß waffenrechtliche Urkunden, die vor dem Inkrafttreten des geltenden Waffengesetzes ausgestellt wurden, bis Ende des Jahres 1999 als verfallen gelten und neue waffenrechtliche Dokumente nur mehr auf der Grundlage des Waffengesetzes 1996 befristet auf fünf Jahre ausgestellt werden."

*****

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß damit die Möglichkeit besteht, die bestehende hohe Zahl von Urkunden zu sichten und dafür zu sorgen, daß nur jene Personen wieder waffenrechtliche Dokumente bekommen, die tatsächlich einen Beweis dafür liefern können, daß sie ein objektives Sicherheitsbedürfnis haben, das von der Exekutive nicht bewältigt werden kann, und die daher einen berechtigten Anspruch auf eine Waffe geltend machen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, diesem unserem Antrag zuzustimmen. Dem Sicherheitsbericht werden wir keine Zustimmung geben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Antrag ist nach ausführlicher Darstellung des Problems ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiss. Die Redezeit ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.59

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Werte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach Meinung der Österreichischen Volkspartei – und ich streiche das ganz bewußt am Beginn meiner Ausführungen heraus – ist der vorliegende Sicherheitsbericht ein Bericht, wie er vorbildlicher nicht sein könnte.

Ich habe schon in der Sitzung des Innenausschusses gesagt: Die Qualität dieses Berichts kann sich sehen lassen! Sie kann sich vor allem im Vergleich zu anderen Berichten anderer Ministerien sehen lassen! Ich möchte ausdrücklich den beiden Ministern namens der ÖVP für die gute Zusammenarbeit ein Dankeschön sagen, möchte aber auch den Beamten danken, die diese Qualität in den Bericht eingebracht haben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Summe der aufgefächerten Themenfelder kann ich als Sicherheitssprecher allein natürlich nicht bestreiten. Wir haben uns mit den Kollegen im Innenausschuß ausgemacht, daß jeder von uns zu einem anderen thematischen Schwerpunkt reden wird. Ich beschränke mich auf einige wenige. Da ist erstens die generelle Zahl der Delikte laut Statistik, nämlich 500 000 Delikte in Österreich im Jahr 1996. Ich komme zweitens auch darauf zu sprechen, was die ÖVP zum Waffengesetz sagt; da wiederhole ich mich eigentlich, weil ich erst vor einer halben Stunde zum Entschließungsantrag der Grünen darüber geredet habe. Ich will außerdem die Initiative unseres

 


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Vizekanzlers und Außenministers hervorstreichen, der sich ganz massiv in der letztjährigen 52. UNO-Generalversammlung für eine Verschärfung der Bestimmungen gegen den internationalen Menschenschmuggel ausgesprochen hat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Sicherheitsbericht 1996 hat einige klare Analysen gebracht, und er bringt auch ehrliche Schlußfolgerungen. Ich meine, daß es Aufgabe einer Koalitionsregierung ist, genau diese Ehrlichkeit mit Zahlen an den Tag zu legen, und ich bin froh darüber, Herr Innenminister, daß dieser Sicherheitsbericht nicht nur nicht geschönt ist, sondern zum ersten Mal Themenbereiche aufgreift, die unangenehm sind – unangenehm für die SPÖ und auch nicht angenehm für die ÖVP, obwohl wir grundsätzlich einen anderen Zugang haben, wenn wir über Fremdenkriminalität oder über Jugendkriminalität reden.

Die Meinung der ÖVP zum Sicherheitsbericht läßt sich in einigen wenigen Sätzen zusammenfassen. Wir sagen, daß wir mit 500 000 Delikten zwar eine leicht sinkende Tendenz haben, daß es aber ein unverändert hohes Niveau an Delikten in Österreich gibt. Das macht uns nicht nur nicht glücklich, sondern wir sagen: Dort muß angesetzt werden, dort haben wir den Hebel anzusetzen, damit die Zahl der Verbrechen und Vergehen in Österreich niedriger wird. 500 000 Delikte in Österreich sind zuviel, 500 000 Delikte pro Jahr sind für die Bevölkerung nicht zumutbar! Diese Zahl von 500 000 Delikten muß drastisch gesenkt werden! Dann haben wir unseren politischen, vor allem den sicherheitspolitischen Auftrag erfüllt. Dafür setzt sich die ÖVP in dieser Regierung massiv ein. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Es ist uns angenehm, daß ein sozialistischer Innenminister das Thema Fremdenkriminalität anspricht. (Zwischenruf des Abg. Müller. ) Dies ist ein zugegebenermaßen unangenehmes Thema, wird aber im Bericht so ehrlich analysiert und offen dargelegt – auch in der Schlußfolgerung genauso, wie wir es auch sehen – und letztlich auch so plakativ dargestellt, daß man die entsprechenden Weichenstellungen vornehmen kann.

Es nützt nichts, wenn wir sagen, in urbanen Bereichen gibt es kein Problem mit Ausländern. Dieser Sicherheitsbericht sagt klar und deutlich, daß dort der Hebel anzusetzen ist, daß wir dort mit der Exekutive, mit Schwerpunktaktionen, mit Integrationsrichtlinien entsprechende Maßnahmen zu setzen haben, um die Fremdenkriminalität in den Griff zu bekommen.

Es ist außerdem die Jugendkriminalität, die uns Sorge macht. Ich möchte dazu nur folgende Zahlen nennen: Die 14- bis 25jährigen haben 1996 fast 10 Prozent aller Delikte begangen – das ist ein erstaunlich hoher Prozentsatz. Der Jugendkriminalität als gesellschaftlichem Problem in seiner Gesamtheit werden wir uns zu stellen haben.

Der Exekutive möchte ich namens meiner Fraktion ausdrücklich ein Lob für ihren Einsatz aussprechen. 1996 wurden immerhin 51,1 Prozent aller Verbrechen und Vergehen in Österreich von unseren Gendarmen und Polizisten aufgeklärt. Ich denke, das verdient einen Applaus, werte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Weil ich in der Angelegenheit des Waffengesetzes bereits die grundsätzliche Position der ÖVP deponiert habe, möchte ich mich zum Waffengesetz in einigen anderen Themenfeldern einbringen. (Der Redner blickt grüßend zur Galerie hoch.) An der Seite von Frauen sitzt heute der Bürgermeister von Jois, aus meinem Heimatland, dem Burgenland, selbst Sportschütze, mit dem ich vor kurzem ein Gespräch zu diesem Thema geführt habe. Herr Bürgermeister Hoffmann ist einer von jenen, die mich darin bestärkt haben, daß die Linie der ÖVP die richtige ist. Ich möchte sie nur nochmals kurz in Erinnerung rufen. (Abg. Mag. Stoisits: Weil er zufällig auch ein ÖVPler ist!)

Kolleginnen und Kollegen! Wenn die SPÖ mit der ÖVP in Verhandlungen steht, dann machen wir in diesen Verhandlungen eines klar und unmißverständlich deutlich: Es gibt ein Waffengesetz, das seit 1. Juli, also seit einem halben Jahr, in Kraft ist. Es ist ein neues, modernes und strenges Waffengesetz, das in weiten Bereichen über die EU-Richtlinien hinausgeht, wenn wir beispielsweise an die Verläßlichkeitsprüfung denken. Dieses Gesetz ist von einem sozialisti


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schen Innenminister namens Caspar Einem auf die Schiene gestellt worden, von Caspar Einem, der das Liebkind der Linken – auch der Grünen – gewesen ist. Vielleicht ist es deswegen nicht verwunderlich, daß bei der damaligen Abstimmung im Parlament auch die Grünen für dieses neue, moderne, strenge Waffengesetz gestimmt haben, also für jenes Waffengesetz, von dem Sie von den Grünen jetzt sagen, es müsse novelliert werden, es müsse verschärft werden, obwohl es noch vor einem Jahr in der parlamentarischen Diskussion von Ihrem Sicherheitssprecher Anschober hier von diesem Pult aus über den grünen Klee gelobt wurde! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Was für eine heuchlerische Erregung!)

Wir sagen: Es kann doch wohl nicht so sein, daß ein Gesetz schon novelliert wird, bevor es überhaupt in seinen gesamten Auswirkungen exekutiert ist. Zum Beispiel läuft die Frist für die Erfassung und die Nacherfassung von Langwaffen bis 30. Juni 1998, das heißt, die Eigentümer von Langwaffen haben noch ein halbes Jahr lang Gelegenheit, sie der Behörde zu melden.

Derzeit, so hören wir von den MitarbeiterInnen in den Bezirksverwaltungsbehörden, in den Magistraten, haben summa summarum erst etwa 3 Prozent all jener Frauen und Männer, die Langwaffen haben, diese Meldung bereits vollzogen. Warum erst 3 Prozent? – Die Antwort liegt auf der Hand: Weil wir, die politischen Parteien, die politischen Vertreter des Landes, die Menschen, die Langwaffen haben und die Meldung abgeben müßten, permanent verunsichern! Und gegen diese permanente Verunsicherung von rechtstreuen Bürgern, von ordentlichen Bürgern, von rechtschaffenen Bürgern spricht sich die ÖVP massiv aus! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Ist es gesetzwidrig oder nicht?!)

Sie sind es, Kollege Öllinger ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger. )  – Ja, ja, Kollege Öllinger. Sie sind es, die Grünen sind es, die damit auch gleichzeitig den Zug in die Illegalität begünstigen. Merken Sie denn nicht, wohin Sie gehen, wohin Sie die Menschen treiben? – Ihr Ansatz ist ein grundsätzlich falscher! Ihr Ansatz ist deswegen falsch, weil er auf genau dem insistiert, was wir nicht wollen. Er begünstigt nämlich die Illegalität, die automatisch zu unkontrollierter Kriminalität führt.

Wir wollen, daß ordentliche Bürger in einem ordentlichen Verfahren zur ordentlichen Aufbewahrung, zur kontrollierten Aufbewahrung verpflichtet werden, daß sie aber darüber hinaus diese Waffen dann auch in einer Weise verwenden können, die nicht nur im theoretischen, sondern auch im praktischen Bereich nachvollziehbar ist. Das ist unser Credo: Wir dürfen verläßliche Bürger, 327 000 Frauen und Männer, die in Jagdvereinen, in Sportschützenvereinen und so weiter oder auch einfach Sammler sind, nicht kriminalisieren! Sie, die Grünen, kriminalisieren sie aber sehr wohl, und dagegen verwahren wir uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wolfgang Schüssel, der diese Linie mitträgt, hat darüber hinaus auch eine Initiative gegen die internationale organisierte Kriminalität, einen der großen Problembereiche der Kriminalität an sich, gesetzt. Er war es, der in der Angelegenheit des Menschenschmuggels gesagt hat, daß die Sanktionen gegen den Menschenschmuggel in Zukunft nicht jene treffen sollen, die die Ärmsten der Armen sind und aus aller Herren Länder in die Festung Europa wollen, sondern jene, die mafiose Organisationen bilden, um diese Ärmsten der Armen auszupressen, um ihre verzweifelte Lage auszunützen, um von ihnen Geld zu verlangen und sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die sogenannten reichen Länder zu schicken, wo die Trauben aber so hoch hängen, daß man sie möglicherweise nicht erreichen kann.

Wir unterstützen diese Initiative unseres Bundesparteiobmannes, Vizekanzlers und Außenministers massiv! Ich lade alle in diesem Parlament vertretenen Parteien ein, diese Initiative mitzutragen. Denn wir sind der Auffassung, daß dieser Weg, den wir gehen, als ÖVP in der Koalition und als Koalitionspartei im Sicherheitsbereich, der richtige ist. (Beifall bei der ÖVP.)


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17.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

17.09

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine Herren Bundesminister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – (Die Rednerin blickt grüßend zur Galerie.) Selbstverständlich begrüße auch ich den Herrn Bürgermeister von Jois, meinen Landsmann, der zufällig kein Grüner ist, sehr herzlich!

Herr Bürgermeister! Ich hatte zwar noch keine Gelegenheit, mit Ihnen zum Thema Waffengesetz und bezüglich strengerer Bestimmungen und einer besseren Kontrolle zu diskutieren, aber, sehr geehrter Herr Bürgermeister, ich habe meinen Standpunkt schon vorhin dargelegt und muß mich jetzt ähnlich wiederholen wie Herr Kollege Kiss in seinen Ausführungen. Aber vielleicht kann ich ein bißchen präziser werden.

Ich möchte zum Beispiel etwas näher darauf eingehen, was es tatsächlich mit dieser vom Kollegen Kiss angedeuteten Diskrepanz auf sich hat. Herr Kollege Kiss hat ja mehrfach auf die Hunderttausenden ordentlichen Bürger hingewiesen – er kann das Wort gar nicht oft genug sagen! –, auf die ordentlichen Österreicher, auf das ordentliche Verfahren, auf die Leute, die alle so ordentlich sind! – Ich sage Ihnen etwas, meine Damen und Herren: Ich kann das Wort "ordentlich" nicht mehr hören, wenn ich daran denke, daß im Zusammenhang damit Menschen sterben!

Was ist "ordentlich" daran, daß mit legalen Waffen, an die Kinder herankommen, weil sie nämlich nicht ordentlich verwahrt werden, Menschen umgebracht werden? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Daran ist nichts Ordentliches, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Hier geht es darum, daß es offensichtlich angebracht ist, ganz cool und ganz sachlich ein Thema zu diskutieren, das schon seinerzeit bei der Novellierung des Waffengesetzes – das ist noch nicht lange her, das war ungefähr vor einem Jahr – angeklungen ist. Es hat auch damals schon diesen sprichwörtlichen Handlungsbedarf gegeben, und es wurde auch gehandelt und das Waffengesetz verschärft. Damals ist alles rund um das Stichwort Pumpguns abgehandelt worden.

Herr Bundesminister! Es war nicht nur die Skepsis, sondern auch eine gewisse Ratlosigkeit, die sich damals aufgrund der Tatsache breitgemacht hat, daß so viele Waffen im Besitz von Menschen sind, die nicht sorgsam damit umgehen. Es gab damals eine große Skepsis, ob die gesetzlich festgeschriebene Rückgabe dieser Waffen auch funktionieren wird. Und es ist jetzt angebracht, sich darüber Gedanken zu machen, ob der Weg, der damals eingeschlagen wurde, wirklich zu 100 Prozent der richtige ist. Er ist aber jedenfalls, was die Tendenz angeht, zweifelsfrei in die richtige Richtung gegangen.

Herr Kollege Kiss! Wir Grüne – aber das läßt er in seiner selektiven Wahrnehmung, wenn es um Berichte aus dem Innenausschuß geht, immer unter den Tisch fallen, wie das auch heute der Fall gewesen ist – haben schon damals weit strengere Forderungen aufgestellt. Wir haben uns leider nicht durchgesetzt, aber jetzt stellen wir sie auch wieder auf.

Es ist nicht apodiktisch, wenn man sagt, man will darüber diskutieren, ob es tatsächlich notwendig ist, daß man in Österreich so einfach und ganz legal zu so vielen Waffen kommt. Mir, Herr Kollege Kiss, macht diese Zahl von über 300 000 angst. Mir macht es angst, daß so viele Menschen Schußwaffen besitzen, daß so viele Menschen zu Hause irgendwo im Kastl, in der Kredenz, vielleicht unter dem Kopfpolster Faustfeuerwaffen haben. Das macht mir angst. Es macht mir deshalb angst, weil ich Angst um diese Menschen habe, die diese Instrumente, die zu Mordinstrumenten werden können, in ihrem Haushalt haben, wo viele Kinder leben und wo man einfach nicht genug aufpassen kann.

Meine Damen und Herren! Ein Letztes zur Waffendiskussion: Wenn 77 Prozent der Österreicher für ein strengeres Waffengesetz sind, dann sollte die Politik das ernst nehmen. Ich lese heute in der Zeitung, daß es Verhandlungen zwischen den Sicherheitssprechern von SPÖ und ÖVP gibt, und in der Folge sind Gespräche auf Ebene der Parteispitzen geplant. Aber nach dem, was heute vor allem aus dem Mund des Sicherheitssprechers der ÖVP zu hören war, frage ich mich,


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worüber dort verhandelt wird. Denn all das, was der Sicherheitssprecher der SPÖ, Kollege Leikam, hier vorgetragen hat, hat Herr Kollege Kiss ganz apodiktisch zurückgewiesen. Jetzt frage ich mich tatsächlich, worüber da geredet wird. Sind das nicht wieder nur Luftblasen, die zur Beruhigung in die Welt gesetzt werden?

Aber nichtsdestotrotz, Herr Bundesminister, reden Sie bitte mit der ÖVP, denn selbst ÖVPler sind manchmal einsichtig. Man hat es bei der Promillediskussion gesehen: Selbst noch so sture ÖVPler haben sich zu einem Umdenken bewegen lassen. – Kolleginnen der ÖVP, fühlen Sie sich nicht angesprochen, ich meine wirklich nur die Männer, denn eine Aussage einer weiblichen ÖVP-Politikerin ist mir in diesem Zusammenhang noch nicht zu Ohren gekommen, was sehr für die Damen in der ÖVP spricht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt kurz zu zwei anderen Punkten innerhalb des Komplexes Sicherheit in Österreich. Ich habe eine Frage an den Herrn Innenminister zum Thema Schengen. Herr Minister! Wir sind jetzt bei Schengen dabei, und ich habe da ein Problem. Nicht, daß ich das Problem hätte, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich tue es, so wie ich auch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zur Kenntnis genommen habe, obwohl ich nicht dafür war. Es ist ein Faktum, und dieses Faktum ist in meinen Augen auch nicht in Frage zu stellen, aber das, was ich jetzt von Ihnen erwarte, ist Information.

Herr Bundesminister! Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden völlig im Regen stehengelassen. Und das ist einzigartig, denn in der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel werden die Parlamentarier selbstverständlich darüber informiert, was sich im Rahmen des Vorsitzes beim Exekutivausschuß von Schengen abgespielt hat. Wir haben keine Informationen bekommen, und ich glaube, daß sie notwendig wären. Ich glaube, daß sie auch im Lichte dessen notwendig wären, was sich in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der Flucht von Kurden nach Italien abgespielt hat.

Herr Bundesminister! Jetzt muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen, was für mich am allerärgerlichsten ist, jetzt gar nicht so sehr aus der Sicht der Menschenrechtssprecherin: Wenn verantwortliche Politiker bei der österreichischen Bevölkerung den Eindruck zu erwecken versuchen, daß wir zwar bei Schengen sind, aber wenn wir wollen, gilt das alles wieder nicht. Sie haben ja ganz heftig die Vorteile dieses Beitritts den Menschen zu erklären versucht und in einer gut gelungenen PR-Aktion die Grenzbalken am Flughafen entfernt, es war ein großes Tamtam, und jeder hat schon die positiven Seiten von Schengen zu verstehen geglaubt. Aber jetzt geht der Innenminister her und sagt: Entschuldigung, jetzt gibt es 700 kurdische Flüchtlinge in Apulien, jetzt ist alles anders. Was ist schon Schengen? Wenn wir wollen, ist alles wieder anders.

Und die Leute glauben Ihnen womöglich auch noch, Herr Bundesminister, weil Sie diese Akte gesetzt haben, weil plötzlich am Reschen wieder kontrolliert wird. Man hat versucht – ohne daß es meine Überzeugung war –, in einer aus Ihrer Sicht gelungenen Aufklärung Menschen für etwas zu gewinnen, wo es eine völlige Verunsicherung gibt. Das ist das, was mir Kopfzerbrechen bereitet. Das ist nämlich eine Art von Zickzackpolitik, von Verunsicherung, wo ich mich frage: Wem soll sie nützen außer jenen, die in diesem Land nationalistischen Gefühlen, rassistischen, unterschwellig antisemitischen Tendenzen Vorschub leisten? Das ist die große Gefahr.

Ich möchte jetzt nicht wiederholen, wie Sie und Ihr Amtskollege aus der Bundesrepublik Deutschland von zahlreichen Medien, von oppositionellen, aber auch nichtoppositionellen Politikern in Österreich im Zusammenhang mit Ihrer Reaktion auf die kurdischen Flüchtlinge in Italien bezeichnet wurden: von "Rambo" auf- und abwärts.

Herr Minister! Das ist ein ganz ernstes Problem, und darin, wie es vermittelt wurde – da geht es mir noch gar nicht um die Hilfestellung für den einzelnen –, sehe ich eine Gefahr, die weitaus größer ist, was den Gefühlsbereich angeht, als die potentielle Gefahr, die abgewehrt werden soll. Aber, Herr Bundesminister, Sie haben sich ja zu Wort gemeldet und daher noch Gelegenheit, darauf einzugehen.

Meine Damen und Herren! Bei einem, was mein Landsmann, Kollege Kiss, gesagt hat, möchte ich anschließen, nämlich beim Dank an die österreichische Exekutive. Ich bin jedes Jahr, immer


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wieder, wenn der Sicherheitsbericht ins Parlament kommt, von den hohen Aufklärungsquoten beeindruckt, und ich stehe nicht an zu sagen, daß ich mich freue, daß die österreichischen Sicherheitsbehörden und jeder einzelne Bedienstete in sehr vielen Bereichen hoch motiviert sind und daß die Aufklärungsquoten ein Zeugnis davon ablegen. Und ich glaube, daß wir hinsichtlich der Motivation der Sicherheitsbediensteten diesen Weg weitergehen sollten.

Der Herr Bundesminister für Justiz sollte meines Erachtens nach dem Studium des Sicherheitsberichtes bezüglich zweier Punkte in sich gehen, nachdenken und dann handeln, zweier Punkte, die seit vielen Jahren hier moniert werden. Der eine Punkt ist das Mißverhältnis bei der Untersuchungshaft, das trotz U-Haft-Reform immer noch besteht. Es geht darum, daß die Untersuchungshaft in den westlichen Bundesländern weniger oft verhängt wird als in den östlichen Bundesländern. Der zweite Punkt, der aus dem Sicherheitsbericht 1996 herauslesbar ist, ist die dramatische Entwicklung im Bereich der bedingten Entlassung. Diese war noch nie auf einem so niedrigen Stand wie im Jahr 1996. Und da hat der Herr Bundesminister für Justiz zweifelsfrei auch Handlungsbedarf. Ich meine, daß er als verantwortlicher Ressortchef dieser Entwicklung gegensteuern muß und dieses Instrument, das ein so wichtiges und notwendiges ist, nicht verkommen lassen darf. Darum würde ich ihn ersuchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Lassen Sie sich von den noch so ausgefeilten und mit großer Vehemenz vorgetragenen Worten meines Landsmannes Kiss nicht entmutigen, sondern eher aufstacheln, was das Ausfeilen Ihrer Argumente bei diesen Gesprächen, wenn sie ernsthaft gemeint sind, von der unteren Ebene bis zur Parteispitze betrifft. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Bleiben Sie friedfertig! – Abg. Schwarzenberger: Wollen Sie Kriege schüren?)

17.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Herr Minister, bitte.

17.22

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die bisherige Diskussion der fünf Redner der politischen Parteien, die im Nationalrat vertreten sind, aber auch der Sicherheitsbericht 1996 beweisen ohne Zweifel – und ich glaube, das ist über alle Parteigrenzen hinweg anerkannt – zwei Tatsachen:

Erstens, daß die österreichische Exekutive offensichtlich in den letzten Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet hat (Beifall bei SPÖ und ÖVP) und daß die Beamtinnen und Beamten, die in diesem Bereich tätig sind, mit ganzer Kraft für die Sicherheit dieses Landes arbeiten.

Zweitens haben alle Debattenredner – direkt oder indirekt – zubilligen müssen, daß wir in den letzten Jahren im Gegensatz zu manchen anderen Ländern in Europa und auf dieser Welt eine sinkende Kriminalitätsrate und eine steigende Aufklärungsquote zu verzeichnen haben. Das ist ein Faktum, auf das wir auch sehr, sehr stolz sein können, und ich bin auch stolz darauf, daß wir diese hervorragende Arbeit unserer Exekutive zu verdanken haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das eine hängt mit dem anderen natürlich sehr stark zusammen. Wir haben im vergangenen Jahr eine Aufklärungsquote von 51,1 Prozent gehabt, und im Jahre 1997 werden wir eine ähnlich hohe Aufklärungsquote haben. Damit sind wir an zweiter Stelle in Europa, was die Aufklärungsquote betrifft. Und wenn ich mir gleichzeitig anschaue, wie viele Polizeikräfte in Österreich auf die Einwohner kommen und das international vergleiche, dann zeigt sich, daß wir, auch was das betrifft, deutlich im Vorderfeld liegen. Österreich hat 26 808 Polizeikräfte. Da sind die Verwaltungsbediensteten und eine Reihe von anderen Bediensteten des Innenministeriums, die in anderen Bereichen tätig sind, gar nicht mit eingerechnet. Also es handelt sich bei dieser Zahl von 26 808 nur um die im Exekutivdienst Tätigen. Das heißt, auf einen Polizisten kommen 300 Einwohner, und das ist im internationalen Vergleich ein Spitzenwert – ein Spitzenwert auch im Vergleich zu unseren unmittelbaren Nachbarländern.

Die relativ niedrige Zahl an Verbrechen und Delikten, die wir hier in Österreich haben, hängt auch damit zusammen, daß wir eine sehr hohe Anzahl von Polizeikräften, von Exekutivkräften


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haben und daß wir eine flächendeckende Stationierung von Polizeiwachstuben, von Gendarmeriedienststellen haben. Diese Flächendeckung ist sehr, sehr wichtig. Ich darf hier versichern, daß ich in der nächsten Zukunft alles tun werde, um diese hohe Anzahl von Polizeiwachstuben und Gendarmeriedienststellen auch in Zukunft zu erhalten, weil ich glaube, daß das sehr, sehr notwendig und wichtig ist, um den direkten Kontakt mit der Bevölkerung zu haben, die entsprechenden Informationen zu bekommen und auch die direkte Anlaufstelle für die österreichische Bevölkerung zu sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was vielleicht auch wichtig ist – und das sollte man auch sehr deutlich sagen –: In Österreich kommen auf 100 000 Einwohner 6 000 Verbrechen und Vergehen, und auch das ist eine Zahl, die international gesehen sehr, sehr gut ist. Es gibt nur sehr wenige Länder, die eine ähnlich niedrige Anzahl von Verbrechen und Vergehen pro 100 000 Einwohner haben, und wir werden natürlich auch versuchen, diese niedrige Häufigkeitszahl in den nächsten Jahren zu erhalten.

In der heutigen Debatte ist eine Vielzahl von Kritik, aber auch von Lob gekommen, und wie es so üblich ist, setzt sich der zuständige Minister natürlich mit der Kritik auseinander und geht auf das Lob, das von den einzelnen Abgeordneten gekommen ist, nicht in diesem Ausmaß ein.

Der erste Bereich, der mir sehr, sehr wichtig ist, ist die Frage der Drogenkriminalität. Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Ich möchte Ihnen sagen, daß die österreichische Exekutive im Bereich der Drogenkriminalität auf drei Maßnahmen setzt: erstens auf die Prävention, zweitens auf die Therapie und drittens auf die Repression. Alle drei Dinge sind meiner Meinung nach sehr eng miteinander verbunden, und diese drei Maßnahmen entsprechen auch dem Grundsatz des neuen Suchtmittelgesetzes. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gehen Sie doch auf das ein, was Ihre sozialistischen Kollegen im EU-Parlament machen!) Und ich darf Ihnen auch versichern, daß sowohl in Österreich als auch im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit die Sicherheitsexekutive den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Bekämpfung der großen Verteiler und der großen Händlerorganisationen legt (Beifall bei der SPÖ), daß wir aber natürlich auch mit aller Kraft gegen die kleinen und mittleren Suchtgifthändler und gegen die kleine und mittlere Suchtgiftkriminalität vorgehen. Das ist auch einer der Gründe, wieso im Jahre 1996 diese Verbrechenstatbestände und Vergehenstatbestände eine Steigerung von mehr als 32 Prozent aufweisen.

Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, daß im Sicherheitsbericht 1997 nochmals eine deutliche und dramatische Steigerung bei diesen Tatbeständen zu finden sein wird, weil wir gerade in den letzten Monaten gigantische Erfolge gehabt haben und eine Reihe von Drogenhändlerringen, vor allem in Niederösterreich, aber auch in anderen Bundesländern, ausheben konnten. Und je erfolgreicher, je aktiver die österreichische Exekutive im Bereich der Bekämpfung der Drogenkriminalität ist, desto mehr Anzeigen haben wir und desto schlechter ist natürlich der Sicherheitsbericht. Aber ich bin froh, daß wir diese Erfolge haben und bekenne mich auch dazu.

Ich darf Ihnen auf Ihre Frage sagen: Natürlich lehne ich mit ganzer Kraft und entschieden die Freigabe von Haschisch ab. Ich glaube, daß es ein Fehler wäre, wenn Haschisch freigegeben würde, denn ich bin überzeugt davon, daß eine Freigabe einen noch leichteren Einstieg in härtere Drogenkriminalität bedeuten würde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Und was sagen Sie zur Frau Maria Berger, zu Ihrer sozialistischen Kollegin?)

Ich habe hier meine Position als Mitglied der österreichischen Bundesregierung, als Innenminister, aber auch meine persönliche Position dargelegt, und ich glaube, es muß genügen, wenn ich hier eine sehr deutliche und klare Aussage treffe.

Es gibt in jeder politischen Bewegung zu verschiedenen Fragen unterschiedliche Ansichten und Meinungen, und ich glaube, diese unterschiedlichen Ansichten und Meinungen sollten auch offen ausdiskutiert werden. Ich bin nicht der Ansicht, daß man hier jemanden verurteilen soll, weil er eine andere Meinung hat. Ich halte eine Freigabe von Haschisch, von Suchtgiftmitteln für falsch und schädlich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Zur Frage der Schubhaft und der Kritik, daß wir zuwenig Schubhaftplätze haben. Sie sagen mir da nichts Neues, Frau Abgeordnete. Das weiß ich selbst, und wir alle sind darum bemüht, eine Lösung zu finden. Wir haben diesbezüglich auch bereits einiges umgesetzt, gerade in der letzten Zeit, und ich möchte es Ihnen nochmals aufzählen.

Erstens: Derzeit sind gerade 16 zusätzliche Haftplätze für Schubhäftlinge in Bludenz in Fertigstellung. Diese 16 zusätzlichen Haftplätze werden im Monat März dieses Jahres übergeben werden.

Zweitens: Wir planen, 66 zusätzliche Schubhaftplätze im Polizeigefangenenhaus in Salzburg zu errichten. Mit dem Land Salzburg sind wir uns über die Finanzierung de facto bereits einig. Noch in der ersten Jahreshälfte 1998 wird mit dem Bau dieser 66 Schubhaftplätze begonnen werden.

Drittens: Ebenfalls im heurigen Jahr werden im Polizeigefangenenhaus in Wien bis zu 90 zusätzliche Schubhaftplätze in verschiedenen Bauetappen errichtet werden, sodaß es zu einer deutlichen Entlastung kommen wird.

Schließlich sind wir derzeit dabei, Frau Abgeordnete, im Burgenland, genauer: in Eisenstadt, 30 weitere Schubhaftplätze zu errichten, was dort sehr ... (Abg. Kiss: Der Landeshauptmann spricht von 60!) In der ersten Etappe sind es 30 Plätze; in einer weiteren Etappe wollen wir noch einmal 30 errichten. Die 30 Plätze, die in der ersten Etappe geplant sind, sollen noch im ersten Halbjahr 1998 fertiggestellt werden. Ich erwarte mir, Frau Abgeordnete, daß Sie uns bei der Errichtung von Schubhaftplätzen unterstützen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es von der Freiheitlichen Partei in Eisenstadt eine Bürgerinitiative gegen die Errichtung dieser Schubhaftplätze. Ich halte es nicht für richtig, wenn auf der einen Seite kritisiert wird, daß es zuwenig Schubhaftplätze gibt, und auf der anderen Seite, wenn man solche errichten möchte, von derselben politischen Bewegung eine Bürgerinitiative dagegen gestartet wird.

Das heißt zusammengefaßt: Wir tun alles, um zusätzliche Schubhaftplätze verfügbar zu machen. Ich gehe davon aus, daß wir bis Jahresende an die 150 bis 160 zusätzliche Plätze geschaffen haben werden und im Jahr 1999 die restlichen schaffen werden. Wir werden auch im Bereich des Flughafens Schwechat eine kleine Schubhaftanstalt errichten müssen, nicht ganz so groß, wie ursprünglich geplant, aber sicherlich auf eine Art, welche die Errichtung von 50 bis 100 Schubhaftplätzen ermöglicht. Das soll in Modulbauweise geschehen, und ich nehme an, daß es uns gelingen wird, dieses Ziel bis 1999 zu erreichen.

Weiters möchte ich auf etwas hinweisen, das ebenfalls besonders wichtig ist: Schubhäftlinge sind keine Straftäter, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern Schubhäftlinge sind Menschen, die eine Verwaltungsübertretung ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, die Straftäter können nicht eingesperrt werden, weil alles schon voll ist!) Das sind Menschen, die eine Verwaltungsübertretung begangen haben. Das sind Menschen, die ohne Genehmigung illegal in unser Land eingereist sind. (Abg. Mag. Stadler: Das ist auch eine Straftat! Eine Verwaltungsstraftat!) Darum tue ich alles, was nötig ist, damit wir diese Menschen so schnell wie möglich wieder in ihre Länder zurückschicken können. Deshalb werden auch so schnell wie möglich – in den nächsten Monaten – mit den betroffenen Nachbarstaaten die erforderlichen internationalen Abkommen abgeschlossen werden.

Ich möchte weiters – um das dem Abgeordneten Kiss ganz klar zu sagen – der Initiative von Vizekanzler Schüssel zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität jede Unterstützung von meiner Seite zusichern. Es ist vollkommen richtig, daß die Schlepperkriminalität der lukrativste Zweig der internationalen Kriminalität, der organisierten Kriminalität geworden ist. Mit äußerst geringem Aufwand und wenig Risiko wird an der Not und am Elend von vielen Menschen sehr, sehr viel Geld verdient. Dieses Geld – Millionen, wenn nicht Milliarden Schilling – wird in weiterer Kriminalität – ob das Drogenhandel, erzwungene Prostitution, Kfz-Schieberei oder vieles mehr ist – wieder eingesetzt. Diese Initiative halte ich für besonders wichtig, damit Menschenschmuggel in jedem Staat der Welt geächtet wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir müssen gemeinsam darauf hinwirken, daß über die UNO entsprechende Strafbestimmungen in den betroffenen Ländern geschaffen werden. Wir haben ja bereits im vergangenen Jahr


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die Strafbestimmungen für Schlepperei deutlich verschärft, und ich hoffe, daß in den kommenden Prozessen die Schlepper die entsprechenden Strafen bekommen werden. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 1 500 Schlepper in Österreich festgenommen. Ich hoffe, daß durch entsprechende Strafmaßnahmen auch eine abschreckende Wirkung erreicht wird.

Zur Frage der Novellierung des Waffengesetzes ist ohnehin bereits ausführlich diskutiert und Stellung genommen worden. Ich möchte feststellen, daß aus meiner Sicht drei Dinge erforderlich sind; und es ist notwendig, daß wir den Mut haben, die entsprechenden Schritte zu setzen.

Erstens sollte meiner Ansicht nach der Erwerb von Waffen für den Privatbesitz in Zukunft deutlich erschwert werden. Ich gehe davon aus, daß die Sicherheitslage der Republik Österreich in keinem Verhältnis zu der hohen Anzahl von Waffen steht, die es in den privaten Haushalten gibt. Aus einer Studie geht hervor, daß Österreich von allen Staaten der Welt den sechsthöchsten Anteil an Waffen in Privatbesitz hat. Aber eine Waffe in Privatbesitz bedeutet nicht höhere Sicherheit, sondern das Gegenteil ist der Fall. (Abg. Mag. Stadler: Das ist der Grund dafür, daß wir ein so sicheres Land sind!)

Gerade im Gegenteil: Alle Erfahrungen zeigen, daß eine Waffe im Privathaushalt eher mehr Unsicherheit bedeutet. Es gibt viel bessere Mittel, sich zu schützen. Ich möchte jedem Abgeordneten den kriminalpolizeilichen Beratungsdienst ans Herz legen; dieser gibt entsprechende Hilfestellung. (Abg. Jung: Wenn Sie in Wien 20 Minuten auf eine Funkstreife warten müssen, Herr Minister, wie machen Sie das dann? – Abg. Leikam: Selber schießen? Ja? – Abg. Mag. Stadler: Blecha fragen!)

Ich möchte Ihnen sagen: Jede Sicherung der Wohnung und des Hauses mit einer Alarmanlage oder mit entsprechenden Türschlössern, ein Hund oder beispielsweise Pfeffersprays in Privatbesitz – diese werden mit dem neuen Waffengesetz ermöglicht – bringen viel mehr Sicherheit als eine Waffe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist unrealistisch!)

Zweitens ist es meiner Ansicht nach wichtig, daß die österreichische Exekutive anlaßlos kontrollieren kann, wie die Waffe im Privathaushalt verwahrt wird.

Drittens vertrete ich den Standpunkt, daß die psychologischen Tests auch auf alle jene Waffenscheinbesitzer auszudehnen sind, die den Waffenschein schon früher erworben haben, und daß klargestellt werden muß, daß psychologische Tests nicht beliebig durchgeführt und wiederholt werden können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann müssen Sie dafür sorgen, daß Polizisten äußerln führen können, wenn Sie sagen, daß sich jeder einen Hund nehmen muß!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Schengen möchte ich der Frau Abgeordneten Stoisits klar sagen, daß eine Bilanz über den Vorsitz Österreichs im Schengener Exekutivausschuß derzeit von meinem Ministerium vorbereitet wird. Ich nehme an, daß diese Bilanz in den nächsten Tagen allen Mitgliedern des Innenausschusses zugestellt werden wird. Darüber hinaus darf ich feststellen, daß ich vor jeder Sitzung des Schengener Exekutivausschusses, in der Österreich den Vorsitz hatte, die Abgeordneten des Innenausschusses über den Inhalt der Tagesordnung und die entsprechenden Initiativen Österreichs genau informiert habe. Ich denke, daß wir damit dem Informationsbedarf mehr als Genüge getan haben, und kann Ihnen versichern, daß ich diese Informationstätigkeit auch in den nächsten Monaten aufrechterhalten werde.

Ich komme zum letzten Punkt, zur Frage der Kurdenflüchtlinge, die Anfang dieses Jahres in Süditalien gestrandet sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre erstens falsch, dieses Problem ausschließlich auf kurdische Flüchtlinge zu reduzieren. Den Informationen meines Kollegen aus Italien nach sind nicht nur Kurden geflüchtet, sondern auch eine Reihe von Menschen anderer Nationalitäten und aus anderen Staaten. Ein Teil dieser Menschen – ich möchte jetzt nicht bewerten, wie groß dieser Teil ist – ist nicht aufgrund politischer Verfolgung geflüchtet, sondern das waren Wirtschaftsflüchtlinge oder – das ist wahrscheinlich ein besserer Ausdruck – Armutsflüchtlinge, die ihre persönliche wirtschaftliche und soziale Situation verbessern wollten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja das, was wir immer sagen! Es sind oft Abenteurer!)


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Österreich hat nicht seine Grenzen dichtgemacht. Österreich hat folgendes verlangt, Frau Abgeordnete: daß Italien all den Menschen, die nach Süditalien geflüchtet sind, die Möglichkeit eines ordentlichen Asylverfahrens gibt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum bekennen Sie sich nicht zum Dichtmachen?) Es kann nicht so sein, daß ein Land sagt: Wir nehmen die Flüchtlinge nicht auf, sondern erlassen einen Abschiebungsbescheid und sagen, daß sie innerhalb von 14 Tagen das Land zu verlassen haben. Wenn das geschieht, ist klar, daß diese Menschen weiterwandern: nach Mitteleuropa und nach Westeuropa und damit auch nach Österreich.

Daher ist es notwendig und wichtig gewesen, daß Italien von österreichischer Seite deutlich aufgefordert worden ist, daß jeder, der dort gelandet ist, auch die Möglichkeit eines ordentlichen Asylverfahrens bekommt. Unser Druck hat wesentlich dazu beigetragen, daß Italien sich schließlich dazu bereit erklärt hat. Ich denke, das war notwendig, wichtig und richtig. Denn in Italien gab es im vergangenen Jahr lediglich 1 700 Asylverfahren, meine sehr geehrten Damen und Herren, wogegen in Österreich im gleichen Jahr fast 7 000 Asylansuchen gestellt wurden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da sieht man, wo sie hingehen!) Allein diese Zahl beweist schon, daß sehr viele Menschen in Italien landen und anschließend weiterwandern.

Es muß unsere Aufgabe sein, die EU-Außengrenze sehr genau zu kontrollieren. Wenn die Gefahr besteht, daß es innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu grenzüberschreitender Kriminalität oder illegaler Einreise und Einwanderung kommt, ist es Aufgabe der Sicherheitsorgane sowie Aufgabe des Ministers, entsprechende Schritte dagegen zu setzen. Das war immer so vereinbart und ist ein Bestandteil von Schengen. Schengen heißt nämlich nicht nur gute Kontrolle der Außengrenzen gegen grenzüberschreitende Kriminalität und gegen illegale Einreise, sondern Schengen heißt auch Zusammenarbeit der europäischen Mitgliedstaaten, damit es durch Grenzöffnung und Reisefreiheit nicht zu weniger, sondern zu mehr Sicherheit kommt.

Immer dann, wenn diese Sicherheit gefährdet ist und die Möglichkeit illegaler Einreise besteht, ist es die Aufgabe der österreichischen Sicherheitsorgane, tätig zu werden. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Seien Sie vorsichtig, sonst sind Sie bald in einem rechtsextremen Land!) Darum wird es an der deutschen und der italienischen Grenze in den nächsten Monaten und Jahren Kontrollen in Form der Schleierfahndung und in Form entsprechender Ausgleichsmaßnahmen geben, damit die Sicherheit in unserem Land auf diesem Niveau erhalten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne lege ich gemeinsam mit meinem Kollegen den Sicherheitsbericht 1996 mit einigem Stolz vor. Ich denke, daß dieser Sicherheitsbericht sich sehen lassen kann und deutlich aufzeigt, daß Österreich eines der sichersten Länder Europas ist. Unsere gemeinsame Aufgabe sollte es sein, diesen hohen Sicherheitsstandard auch in den nächsten Jahren zu erhalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.41

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Bevor Kollegin Stoisits den einen Satz über die Praxis bei bedingten Entlassungen durch die Gerichte gesagt hat, war ich der Meinung, ich würde der erste sein, der sich zu diesem Sicherheitsbericht auch mit der Justiz befassen wird. Ich bin es also nicht ganz und möchte gleich an Stoisits anschließen.

Sie hat recht: Es ist in der Tat feststellbar, daß unsere Gerichte eine sehr restriktive Praxis bei den bedingten Entlassungen eingeschlagen haben. Diese Praxis ist massiv schlechter als zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Schweiz. Aber meiner Ansicht nach liegt das ein bißchen in einer Richtung, die wir auch bei der Judikatur des Obersten Gerichtshofes über die Anwendung des § 42 StGB sehen, also beim Freispruch wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat. Es ist tatsächlich feststellbar, daß das in der Judikatur nicht ganz so herauskommt, wie es sich der Gesetzgeber bei den entsprechenden Gesetzen vorgestellt hat.


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Ich füge in diesem Zusammenhang hinzu, daß auch in diesem Bereich – ebenso wie in anderen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde – im Sicherheitsbericht erhebliche regionale Unterschiede konstatiert werden. Das berühmt-berüchtigte Ost-West-Gefälle schlägt offensichtlich auch bei der Praxis der Durchführung von bedingten Entlassungen durch. – Meine Damen und Herren! Es ist ein Ceterum censeo bei generellen Justizdebatten – sei es, daß wir zum Budgetkapitel "Justiz" reden, oder sei es beim Sicherheitsbericht –, daß irgendeiner der Redner dieses Ost-West-Gefälle anspricht und darauf hinweist, daß es unbefriedigend ist.

Ich weiß schon, daß es aufgrund der Gerichtsorganisation mit den vier Oberlandesgerichtssprengeln dazu kommt. Das werden wir nicht per Dekret oder per Gesetz ändern können. Aber es muß immer wieder darauf hingewiesen und auch darauf hingearbeitet werden, daß es nicht sein kann, daß zum Beispiel ein Verdächtiger, der das Pech hat, im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien verdächtig geworden zu sein, viermal stärker gefährdet ist, in Untersuchungshaft genommen zu werden, als einer, dem das im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck passiert, weil eben im Sprengel des Wiener Oberlandesgerichtes jeder siebente Verdächtige in Untersuchungshaft kommt, hingegen im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck nur jeder dreißigste. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber das hängt sicher auch mit dem Material zusammen! – Abg. Mag. Stadler: Die Statistiken sind mit Vorsicht zu lesen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Liebe Frau Kollegin Partik-Pablé! Ich gehe davon aus, daß Sie jetzt nicht als Sicherheitssprecherin, sondern aus Ihrer Profession als Richterin gesprochen haben. Ich möchte doch sehr hoffen, liebe Frau Kollegin Partik-Pablé – ich unterstelle Ihnen da nichts –, daß wir beide einer Meinung sind, daß der Ausdruck "Material" für Verdächtige, der aus einer bestimmten Geisteshaltung kommt, in diesem Zusammenhang ein bißchen unglücklich gewählt ist. Denn es handelt sich um Menschen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn Sie mich nur schulmeistern können!) Nein! Das war doch wirklich nett formuliert. (Abg. Dr. Nowotny: Statt daß Sie sich schämen!)

Frau Kollegin Partik-Pablé! Mir widerstrebt es eben, wenn im Zusammenhang mit Menschen – notabene mit Menschen, denen die Freiheit genommen wird – von "Material" gesprochen wird. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Terminus für das Aktenmaterial! – Abg. Dr. Nowotny: Menschenmaterial! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber man sieht, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß 5 Minuten in der Tat sehr kurz sind. Erlauben Sie ... (Abg. Haigermoser: Das ist ein Angriff gegen eine unabhängige Richterin!) Nein, das war es nicht! Hört doch auf! Frau Kollegin Partik-Pablé braucht von euch nicht gegen mich verteidigt zu werden. Reden wir über die Inhalte weiter. (Abg. Mag. Stadler  – in Richtung des Abg. Dr. Nowotny –: Ein ahnungsloser Professor sind Sie! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist in der Tat etwas, das wir uns als Politiker, als Justizpolitiker immer wieder vornehmen sollten: Wir sollten darauf hinarbeiten, daß in diesem Bereich österreichweit halbwegs gleiche Verhältnisse herrschen. Dabei bin ich mir allerdings bewußt, daß es in den verschiedenen Regionen möglicherweise auch eine unterschiedliche Kriminalitätsanfälligkeit gibt. Aber das ist zuviel: Viermal soviel ist schlicht und ergreifend zuviel!

Ich möchte mit einem positiven Ansatz schließen – das Licht am Rednerpult leuchtet schon rot, und ich möchte die 5 Minuten Redezeit nicht zu weit überschreiten –, und zwar hinsichtlich des Häftlingsstandes im internationalen Vergleich. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war in vergangenen Jahren bei solchen Debatten stets ein unerfreulicher Diskussionspunkt, wenn wir darauf hinweisen oder zur Kenntnis nehmen mußten, daß Österreich – zum Beispiel noch vor zehn Jahren – von allen Europaratsstaaten die höchste Gefangenenrate hatte. Das war ein unrühmlicher erster Platz, den wir eingenommen hatten.

Über die vergangenen zehn Jahre kann man erfreulicherweise feststellen, daß wir uns aufgrund der legistischen Maßnahmen, aufgrund der Rechtsreformen, aber sicherlich auch aufgrund eines gewandelten Bewußtseins, was das Einsperren von Menschen in diesem Lande betrifft –


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ich erwähne hier als Schlagwort nur die Reform der Untersuchungshaft –, laut der jüngsten dazu verfügbaren Studie per 1. September 1995 auf einem anderen Niveau befinden. Wir liegen nämlich nicht, wie vor zehn Jahren, mit unrühmlichen 102,5 Menschen auf 100 000 Einwohner in Haft an der Spitze, sondern jetzt nehmen wir mit 76 je 100 000 Einwohner, die – aus welchen Gründen auch immer – in Haft sind, in Europa eine Position ein, von der ich denke, daß wir uns darüber freuen können. Das hat uns im Rahmen der demokratischen Länder des Europarates endlich von dieser Spitzenposition weggeführt und läßt uns eine Position einnehmen, auf die wir stolz sein können.

Mit dieser positiven Bemerkung möchte ich meinen Debattenbeitrag schließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.48


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé begehrt eine tatsächliche Berichtigung.  – Frau Abgeordnete, bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

17.48

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Der Herr Abgeordnete Fuhrmann hat mir unterstellt, ich hätte von Menschenmaterial gesprochen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das haben Sie!) Tatsächlich habe ich von Material gesprochen und habe selbstverständlich Aktenmaterial gemeint. (Abg. Dr. Fuhrmann: Nein! – Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny.  – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Die gekünstelte Aufregung von Herrn Professor Nowotny und von Herrn Abgeordneten Fuhrmann ist daher völlig überflüssig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fuhrmann: Ich beantrage eine persönliche Erwiderung!)

17.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Abgeordneter Fuhrmann, eine persönliche Erwiderung.

17.49

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Ich werde versuchen, mich ganz genau an die Regeln der Geschäftsordnung zu halten. Frau Kollegin Partik-Pablé hat mir vorgeworfen, ich hätte ihr einen unwahren Vorwurf gemacht. (Abg. Mag. Stadler: So ist es!) Das kann ich persönlich erwidern. Alle, die im Saal waren, haben gehört, daß sie von verdächtigem Material gesprochen hat, und Verdächtige sind Menschen. Ich lasse mich nicht der Unwahrheit zeihen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das ist ja noch unmöglicher!)

17.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Lafer zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Stadler  – in Richtung des Abg. Dr. Fuhrmann –: So ein Wortverdreher will Richter werden! – Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Bitte, meine Damen und Herren! Herr Kollege Lafer, bitte warten Sie ein wenig! (Die Unruhe im Saal nimmt ab.) Ich bitte Sie jetzt, mit Ihrem Beitrag zu beginnen.

17.50

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! – Herr Bundesminister, Sie haben vorhin in Ihrem Debattenbeitrag diesen Sicherheitsbericht als ein gutes Werk gelobt und auch erwähnt, daß Sie darauf sehr stolz sind. (Abg. Mag. Stadler: Herr Kollege Fuhrmann! Schicken Sie Ihre Rede auch nach Straßburg an den Europäischen Gerichtshof als Bewerbungsunterlage!) Diesem Lob kann man zustimmen und es auch weitergeben, denn in diesem Sicherheitsbericht sind wirklich Fakten, Tabellen und Überlegungen enthalten, wie es sich für einen modernen Sicherheitsbericht gehört. Aber ... (Abg. Haigermoser  – in Richtung des Abg. Dr. Fuhrmann –: Armes Europa! – Abg. Mag. Stadler: Weil er keine Publikationsliste hat, hat er seine Reden dorthin geschickt! Diese Rede sollten Sie hinschicken! – Abg. Dr. Nowotny: Wollt ihr nicht zuhören? – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lafer hat es sich verdient, daß alle zuhören! – Bitte.

Abgeordneter Franz Lafer (fortsetzend): Die Frage, die wir Freiheitlichen uns dabei stellen, ist, ob der Wahrheitsgehalt in diesem Sicherheitsbericht auch gegeben ist. Herr Bundesminister! Ich möchte Ihnen zwei Argumente nennen, die aus meiner Sicht – da ich damit persönlich zu tun hatte – sehr bedenkenswert sind und mich zu der Überzeugung bringen, daß in diesen Fällen nicht ganz dem entsprochen wird, was im Sicherheitsbericht festgehalten ist.

Sie haben vorhin den kriminalpolizeilichen Beratungsdienst angeführt und ihn als wesentlich besseres Element dargestellt als die Verläßlichkeit der einzelnen Personen, die Waffen besitzen. Dieser Beratungsdienst mag ja in einzelnen Dienststellen hervorragend ausgerüstet sein, aber aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen folgendes sagen: Ich habe zweimal Ausstellungen und den Tag der offenen Tür organisiert und mußte dabei feststellen, daß man mit dem Material, mit dem unser kriminalpolizeilicher Beratungsdienst ausgerüstet ist, nichts mehr anfangen konnte. Es war völlig überaltert und entsprach nicht mehr den modernen Anforderungen.

Ein zweiter Punkt, Herr Bundesminister: Sie haben auch anläßlich der Beratungen im Bundesrat zum Sicherheitsbericht Stellung genommen, und dort wurde Ihnen der Vorwurf gemacht, daß Daten geschönt worden seien. Darauf haben Sie geantwortet: Ich möchte diesen Vorwurf zurückweisen, vor allem deswegen, weil es nicht stimmt, daß einzelne Delikte zu Serien zusammengefaßt werden. – Das steht im Protokoll.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Vorschriften hinweisen – ich weiß, daß wir schon oft genug darüber diskutiert haben –, die aus dem Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 21. Dezember 1994 stammen. Demnach erfolgt bei Suchtgiftdelikten sehr wohl eine Zusammenfassung in der Weise, daß in der kriminalpolizeilichen Statistik mehrere Übertretungen als eine Übertretung ausgewiesen werden.

Weiters konnte ich feststellen, daß in den Dienstvorschriften beziehungsweise in den ökonomischen Vorschriften der Gendarmerie zum Tätigkeitsnachweis unter Punkt 3 unter anderem folgendes steht: Ergibt sich ein Verbrechenstatbestand lediglich aus der Summierung mehrerer Vergehenstatbestände, dann bleibt das auch unberücksichtigt. – Oder: Bei fortgesetzten oder Seriendelikten ist nur ein bekanntgewordener Fall anzunehmen, sofern eine Sammelanzeige erfolgt. (Abg. Jung: Hört, hört!) Im Dienstbehelf ist sogar ein Beispiel über einen Briefträger angeführt, der 300 Delikte begangen hat; trotzdem wird das nur als ein Delikt ausgewiesen. (Abg. Jung: Da muß man des Wahnsinns sein!)

Das sind Dinge, die diesen Sicherheitsbericht selbstverständlich in Frage stellen. Ich freue mich schon auf die Arbeitsgruppe, die Sie einberufen wollen, um den Tätigkeitsnachweis wie auch die Belastungsstudie zu hinterfragen und neu zu ordnen, damit hier wirklich einmal ein der Wahrheit entsprechender Sicherheitsbericht vorgelegt werden kann.

In diesem Fall behaupte ich aus meiner Sicht und auch aus der Sicht der Praxis, daß darin einige Statistiken und Zahlen geschönt worden sind. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordneten Platter das Wort. Herr Abgeordneter, Ihre freiwillige Redezeitbeschränkung lautet auf 5 Minuten. – Bitte.

17.54

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die heutige Debatte zum Sicherheitsbericht zum Anlaß nehmen, auch auf einige aktuelle Themen einzugehen.

Da ich nun ganz kurz zum Waffengesetz Stellung nehmen werde und heute mit einem Trachtensakko bekleidet bin, möchte ich folgende Erklärung abgeben: Ich bin kein Jäger, ich bin kein


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Tiroler Schütze, und ich habe selbst keine Waffe; aber es trifft natürlich zu, daß ich die Jäger und die Tiroler Schützen sehr schätze.

Meine Damen und Herren! Wie alle Abgeordneten hier im Hohen Haus bedauere selbstverständlich auch ich es, wenn es in unserem Land zu Gewaltverbrechen mit verheerenden Auswirkungen kommt. Wenn solch grauenvolle Straftaten mit Schußwaffen geschehen, läuft man zweifellos Gefahr, daß man unter dem Eindruck dieser aufsehenerregenden Straftaten und Bluttaten den Boden der Sachlichkeit verliert. Man läuft darüber hinaus aber auch Gefahr, daß überzogene Gesetze geschmiedet werden, und man läuft außerdem Gefahr, daß man durch diese überzogenen Gesetze teilweise das Gegenteil bewirkt. Ich bin daher sehr froh darüber, daß unser Sicherheitssprecher Paul Kiss hier und heute unmißverständlich gesagt hat, daß er sich gegen jede Gesetzesänderung ausspricht; vielmehr solle man das seinerzeit beschlossene Gesetz vollziehen. Ich schließe mich vollinhaltlich dem an, was Sicherheitssprecher Kiss gesagt hat, und lehne ebenfalls eine Gesetzesänderung ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Glauben Sie denn, daß durch die Entwaffnung der legalen Waffenbesitzer auch nur eine Bluttat mit Schußwaffen verhindert werden kann? (Abg. Haidlmayr: Mehrere!) Glauben Sie tatsächlich, Herr Abgeordneter Leikam, glauben Sie ernsthaft, daß etwa durch eine Waffensteuer, die zweifellos eine finanzielle Belastung der rechtstreuen Waffenbesitzer darstellt, die Straftaten mit Schußwaffen zurückgehen werden? – Ich denke, meine Damen und Herren, daß all diese Vorschläge von den eigentlichen Problemen ablenken. Durch die Verschärfung des Waffengesetzes wird der illegale Waffenbesitz stark zunehmen und daher die Kontrolle für die Exekutive schwieriger. Das ist keine Lösung, das kann es nicht sein, diesen Intentionen können wir nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leikam: Ihr werdet euch noch wundern!)

Sehr verehrter Herr Minister! Ich habe wirklich und ehrlich die große Befürchtung, daß Waffenbesitzer ihre Waffen nicht mehr melden werden. Denn sie werden die Sorge haben, daß in der ersten Phase eine Waffensteuer eingeführt wird und im nächsten Schritt die rechtstreuen Waffenbesitzer ihre legalen und gemeldeten Waffen zurückgeben müssen beziehungsweise daß diese Waffen eingezogen werden. Herr Minister! Es ist selbstverständlich leichter, rechtstreue Waffenbesitzer zu kriminalisieren, als wirkungsvoll gegen illegale Waffen und kriminelle Gewalttäter vorzugehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Seit Wochen überschattet eine allfällige Novellierung des Waffengesetzes die österreichische Innenpolitik. Man redet überhaupt nicht mehr darüber, wie sich die Kriminalität in Österreich entwickelt hat. Wenn auch vom Jahr 1993 bis zum Jahr 1995 leichte Rückgänge bei der Gesamtkriminalität zu verzeichnen sind und im Jahr 1996 ein Rückgang von 0,2 Prozent festzustellen ist, so vergißt man dabei, daß wir auf einem insgesamt sehr hohen Niveau liegen. Betrachtet man das Basisjahr 1975, so ist die Gesamtkriminalität in diesen 25 Jahren um 73 Prozent gestiegen. Insbesondere in den letzten zehn Jahren gab es eine kontinuierliche Steigerung bei der Gesamtkriminalität. So haben zum Beispiel von 1991 auf 1992 die Verbrechen um 14,6 Prozent zugenommen.

Darüber hinaus beträgt trotz der hervorragenden Arbeit der Sicherheits- und Exekutivbeamten der Anteil der nicht aufgeklärten Verbrechen zwei Drittel: Zwei Drittel der Verbrechen in Österreich werden nicht aufgeklärt. Besonders drastisch ist der Anstieg im Bereich der Bandenkriminalität, beim Suchtgiftmißbrauch sowie auch beim Suchtgifthandel. Wenn ich auf diese Entwicklung hinweise, so möchte ich damit keineswegs Österreich als ein unsicheres Land bezeichnen. Im Gegenteil: Österreich ist Gott sei Dank ein sicheres Land.

Trotzdem vermisse ich konkrete Vorschläge und Maßnahmen des Innenministeriums für eine effizientere Verbrechensbekämpfung. (Abg. Dr. Partik-


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Pablé: Das fordere ich auch immer!) Herr Minister! Effiziente Verbrechensbekämpfung heißt: Personalausbildung, -ausstattung und
-ausrüstung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei mir sagt er immer: Das ist die böse Opposition!) Deshalb ersuche ich darum, uns mitzuteilen, wie die Personalsituation – nicht nur an der Grenze, sondern auch im Landesinneren – in den nächsten Jahren aussehen wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihr tut ihn ja immer nur streicheln!)  – Ich habe keine Zeit, darauf einzugehen, ich muß fertigsprechen.

Welche Ausbildungsmöglichkeiten werden die Kriminalisten künftig haben? Herr Minister, glauben Sie nicht auch, daß beim Einsatz der Exekutive eine Prioritätenverschiebung in Richtung Kriminalitätsbekämpfung notwendig ist, wenn in Österreich zwei Drittel der Verbrechen ungeklärt sind? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die müssen Strafmandate ausstellen!)

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend die Bemerkung, daß es zum Vereinsrecht, zum Waffengesetz vom Innenministerium und vom Sicherheitssprecher Leikam eine Menge von Vorschlägen gibt, meinem Gefühl nach zu viele Vorschläge, aber bei der Kriminalitätsbekämpfung vermisse ich manchmal diesen Ehrgeiz. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Kier, Sie sind der nächste. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte, daß sich die Debatte weiter ruhig entwickelt, und werde vier kurze Notizen in diese eintragen:

Punkt eins: Waffengesetz. Wer in diesem Haus verkennt, daß es notwendig ist, daß hier die Ordnung verbessert wird, der macht einen Fehler. Ich glaube, der Antrag, den Kollege Moser vom Liberalen Forum bereits eingebracht hat, könnte den Weg weisen, wie man diese Pattstellung, die es hier offenbar gibt, überwindet: auf der einen Seite die Sozialdemokratie, die meint, das mit Steuern, Verboten und Hausdurchsuchungsmethoden in den Griff zu bekommen – wobei ich stark bezweifle, ob das überhaupt wirken würde –, und andererseits eine zu starke Laisser-faire-Tendenz, die ich jetzt niemandem zuordne. Aber dazwischen läge der Weg, sozusagen die Waffenbewirtschaftung im Sinne von Erlaubnissen durch ablaufende Fristen, durch eine neue Evidenznahme der Bestände, durch das Gespräch mit den Betroffenen und so weiter wieder auf den Boden zurückzuführen. Das wäre vielleicht ein Mittelweg, der nicht heißt: Alles oder nichts!, also Verbot oder bedingungslose Freigabe, denn ich bitte, schon zu beachten, daß dieses Thema etwas komplexer ist, als es manchmal aus der Emotion von noch so tragischen Ereignissen heraus argumentiert wird. (Abg. Kiss: Wie wahr! Wie wahr!)

Punkt zwei: Herr Bundesminister! Wenn Sie uns zusätzliche Schubhaftplätze ankündigen, so nehme ich das einmal zur Kenntnis und verbinde damit nicht die reflexartige Prognose, daß das heißt, daß das Schubhaftwesen weiter so hinken wird, wie es jetzt hinkt, nämlich hinsichtlich Dauer und so weiter. Genügend Plätze und eine ordentliche Abwicklung der Schubhaft würden wir begrüßen. Die Frage ist nur: Wer kommt dort hinein? Wie lange ist die Verweildauer? Und was geschieht mit den Menschen wirklich? Haben sie in der Zwischenzeit ein ordentliches Verfahren? Ist die Schubhaft in vielen Fällen wirklich so notwendig, wie Sie es meinen? Wenn Sie in Erwägung ziehen, 30 Plätze im Burgenland, weitere 30 Plätze im Burgenland, 50 bis 100 Plätze in Schwechat und 90 Plätze in Wien neu zu errichten, so machen Sie doch – darum würde ich Sie jetzt bitten – auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Sie werden sehen: Die Bundesbetreuung ist allemal billiger.

Wenn Sie richtig erkannt haben, daß es sich dabei nicht um Kriminelle im klassischen Sinn handelt, sondern um Menschen, die im Regelfall eine Verwaltungsübertretung begangen haben, weshalb sie möglicherweise keine Aufenthaltsbewilligung bekommen können oder im Ergebnis auch keinen Asylgrund vorweisen können, dann geben Sie sie in Bundesbetreuung. Das ist allemal billiger.

Diejenigen, die tatsächlich Kriminelles im Sinn haben, werden Sie entweder gar nicht erwischen oder aus anderen Gründen in Haft nehmen können und gar nicht in Schubhaft geben müssen, denn das sind dann tatsächlich Straftäter, und die kann man in Untersuchungshaft nehmen. Das ist etwas anderes. Damit würden Sie auch die Verwischung der Grenzen, die in der polemischen Alltagsdiskussion dazu führt, daß Kriminalität und Kriminalität verwechselt werden, also Verwaltungsstraftäter und tatsächliche Kriminelle im Sinne der Strafrechtspflege, unterbinden helfen.


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107. Sitzung / Seite 139

Dritte Anmerkung: Herr Bundesminister, ich bin nicht davon überzeugt, daß Ihre Aussage, daß Sie jedwede Form von Freigabe von Haschisch ablehnen, wirklich in jeder Hinsicht zu Ende gedacht ist. Ich bitte Sie, noch einmal zu überlegen, ob das nicht dogmatisch ist und ob nicht die Zusammenhänge der Kriminalität zwischen unterschiedlichen Suchtmitteln auch darin begründet sind, daß es schwarze Märkte, hohe Preise und kriminelle Märkte gibt.

Ich erinnere daran: Die Erfinder der Alkoholprohibition waren sozusagen die Gründungsväter der organisierten Kriminalität in den USA, denn erstmals war ein Mittel da, das flächendeckend eingesetzt werden konnte. Es wurde eben, weil verboten, mit den Mitteln der organisierten Kriminalität distribuiert. Zu phantastischen Preisen übrigens! (Abg. Kiss: Das gilt für die Waffen auch!) Denn je mehr Sie verbieten, desto höher sind die Preise und der Anreiz. (Abg. Kiss: Das trifft auch auf die Waffen zu!)

Überlegen Sie daher, ob Ihr Dreischritt – Prävention, Therapie und Repression – im Falle zum Beispiel von Cannabis tatsächlich in der richtigen Abfolge abläuft. Das wäre noch einmal zu diskutieren. Daher bitte ich Sie, diese apodiktische, dogmatische Position zu überdenken. Es wird sogar heute etwas später im Lauf des Tages noch Gelegenheit geben, im Rahmen eines Fristsetzungsantrages darüber abzustimmen.

Vierter und letzter Aspekt: organisierte Kriminalität. Nach wie vor ist sie nicht definiert im Sicherheitsbericht. Sie ist auch schwer zu definieren, das gebe ich zu. Etwas beschrieben sind Eigentumsdelikte, Rotlichtmilieu, Gewaltkriminalität, Wirtschaftskriminalität. Bei der Wirtschaftskriminalität finden sich dann die Geldwäsche und der internationale Finanzbetrug. Aber der Wachstumsmarkt der organisierten Kriminalität, der wirkliche, der mit Wertschöpfung, mit krimineller Wertschöpfung ausgestattete Wachstumsmarkt, kommt nicht vor. Das ist nämlich Werkspionage, das ist Datenkriminalität, das ist Cyberkriminalität, und das ist letztlich alles, was sich im elektronischen Bereich abspielt.

Glauben Sie mir, das sind die großen Märkte für die Kriminalität. Das sind immaterielle Werte, die unsichtbar, geruchsfrei abgezapft werden können. Der letzte Vorfall im Schengen-Computer sollte uns zu denken geben. Nicht, daß das jetzt ein Ausfluß von organisierter Kriminalität ist – ich möchte nicht mißverstanden werden –, aber Sie sehen, wie leicht es ist, sich in solche Systeme einzukaufen, wie leicht es ist, sich Leute herauszukaufen, die wir im Überwachungsstaat einsetzen. Beachten Sie in diesem Bereich vielmehr das echte Vieraugenprinzip.

Wenn Sie jetzt zum Beispiel an die Telekom-Betreiber heranschreiten, damit Sie dort bedingungslose Datenzugriffe haben, dann überlegen Sie, ob es nicht weise ist, wenn die Telekom-Betreiber den Anspruch stellen, daß sie selber in die Berichtspflicht gegenüber dem Parlament und dem Justizministerium mit eingebunden werden wollen, denn diese Einbindung der Betreiber ist allemal eine Absicherung gegen die straffällig werdenden Überwacher. Wenn Sie schon den Lauschangriff und die Rasterfahndung in der vorliegenden Form genehmigt haben, dann lassen Sie sie wenigstens überwacht ablaufen, lassen Sie diesen Wachhund nicht von der Leine! Er hat keinen Beißkorb, und er kann auch von anderen Leuten mit der Wurst gelockt werden.

Da ist eine Schneise offen für Korruption, denn es geht im Bereich der Wirtschaftskriminalität und im Bereich der Werkspionage um Beträge, die das Vorstellungsvermögen so manches im Bereich der Abhördienste tätigen Beamten übersteigen. Daher ist es leicht und billig, sich dort einzukaufen, und ich möchte nicht, daß wir diese Versuchung künstlich vergrößern, indem wir oberflächlich arbeiten.

Herr Bundesminister! Ich bitte Sie wirklich, überlegen Sie diese Schritte! Sie wissen, wir sind der Meinung, Sie – beide Herren Bundesminister – haben im Rahmen von Lauschangriff und Rasterfahndung weit über das Ziel geschossen, aber wenn das Geschoß schon am Fliegen ist, dann versuchen Sie wenigstens zu verhindern, daß unterwegs ein Dumdumgeschoß daraus wird. Denn wie leicht es ist, auf Daten zuzugreifen, wissen wir seit Salzburg. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.09


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107. Sitzung / Seite 140

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.09

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zweifelsfrei eignet sich der Sicherheitsbericht dazu, Teilbereiche der Kriminalität zu durchleuchten und darüber zu diskutieren, aber ich glaube, daß es auch notwendig und sinnvoll ist, sich mit den Hintergründen der Kriminalität auseinanderzusetzen. Die Seriosität der Diskussion läßt doch erwarten oder sollte erwarten lassen, daß man mit den Argumenten so umgeht, daß sich der Bürger auch daran orientieren kann.

Warum sage ich das? Wir haben heute mehrfach gehört, wir brauchen mehr Kontrolle. Dann hören wir wiederum, wir brauchen weniger Kontrolle. Kollege Platter geht an das Rednerpult und sagt, er vermißt, daß sich die Exekutive mehr mit der Kriminalität auseinandersetzt. (Abg. Kiss: Mit der Verbrechensbekämpfung!) Monate und Jahre hindurch hat es von seiten der ÖVP bei der Diskussion um die 0,5 Promille gelautet: Mehr Kontrolle! Mehr Kontrolle! Mehr Kontrolle! – Die nächsten wiederum sagen, wir dürfen nicht mehr Beamte einstellen, denn wir haben schon so viele Beamte. (Abg. Kiss: So ein Blödsinn!) Hier wird also derart kontroversiell quer durch die Parteien diskutiert, daß im Prinzip nur ein Ergebnis herauskommen kann: Das, was wir bis dato gemacht haben, ist sinnvoll und erfolgreich, und das, was an einigen Argumenten von eurer Seite gekommen ist, ist wirklich nicht nachvollziehbar. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiss: Muß ich dir das noch einmal sagen? Entweder bist du terrisch, oder du paßt nicht auf!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige grundsätzliche Dinge anbringen. Ich meine, daß wir uns entscheiden sollen und müssen, welchen Weg wir gehen: Wollen wir den Weg der Aufklärung, der Information, der Erziehung des Menschen hin zur Selbstverantwortung einschlagen, oder wollen wir jenen der Restriktion, der Bestrafung, letztlich des Überwachungsstaates gehen? Ich meine, daß ein Mensch, der in einem demokratischen Umfeld leben will, sich ganz klar von der Law-and-Order-Politik entfernt und ihr Abneigung entgegenbringt.

Daher sollte für uns gelten, daß wir Schlüsse aus der gesellschaftspolitischen Entwicklung ziehen. Das hat Hans Helmut Moser richtig gesagt. Er hat gemeint, wir haben eine steigende Kriminalität, aber das hat mit der höheren Aufklärungsrate und mit gesellschaftspolitischen Problemen und Veränderungen zu tun. Für uns sollte im wesentlichen eines gelten: Gehen wir die Lösung der Kriminalität auch unter dem Gesichtspunkt an, daß sie dann rückläufig ist, wenn wir gesellschaftliche Ruhe und Ausgeglichenheit haben. Wenn es uns gelingt, in Österreich Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik weiterhin so zu machen, wie wir es in den letzten Jahrzehnten erfolgreich gemacht haben, dann bleibt Österreich nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt.

Wir dürfen aber auch nicht die Augen vor dem verschließen, was trotzdem immer mehr und mehr auftaucht und passiert. Daher erlauben Sie mir, nur einen Satz dazu zu sagen, denn er kommt im Bericht vor, und das beschäftigt mich sehr. Ich bin froh darüber, daß gerade die im Bericht dargestellten Zahlen hinsichtlich jener Delikte, die mit dem Bereich Beischlaf und Unzucht mit Unmündigen zu tun haben, im Steigen sind, denn endlich haben viele Frauen, Nachbarn, Bekannte, Freunde den Mut, derartige Verbrechen anzuzeigen. Ich glaube, daß wir alle dazu aufgefordert sind, hier nicht nur nach dem Skandal zu schielen und zu suchen, sondern gerade in den Familien, in den Gemeinschaften danach zu trachten, daß die Mißhandlung von – überwiegend – Kindern und Frauen zurückgedrängt wird, daß es uns gelingt, die Gewaltbereitschaft der Menschen zu senken. (Beifall bei der SPÖ.)

18.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.14

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Natürlich würde es mich reizen, gleich zu Beginn ein bißchen auf die aktuellen Vor


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107. Sitzung / Seite 141

würfe einzugehen, die im Verlauf dieser Debatte über den strengeren oder nicht strengeren Gebrauch oder Einsatz von Waffen oder das Verbot dieser Waffen geäußert wurden. Ich möchte nur eines in bezug auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Platter sagen, weil er einen Vergleich gemacht hat, der meiner Ansicht nach völlig unzulässig ist. Er hat davon gesprochen, daß wir eine rückläufige Kriminalitätsentwicklung haben, und obwohl er das nicht unmittelbar gesagt hat, war daraus der Standpunkt ableitbar: Wozu dann überhaupt das Geschrei? Es geht ja ohnehin die Kriminalität zurück! Und wir diskutieren über das Waffenverbot? (Abg. Kiss: Das ist ein Unsinn! Es ist unzulässig, das in diesem Zusammenhang zu sagen!)

Herr Abgeordneter Platter! Ich möchte Sie nur auf eine Analogie hinweisen: Wir hatten dieselbe Debatte bei 0,5 Promille, bei der Ihre Fraktion dahergekommen ist und uns gesagt hat, bei den Verkehrstoten, bei den Verkehrsunfällen sind die Zahlen rückläufig. Seit einem Jahr haben wir jedoch eine Entwicklung im Bereich der Verkehrsunfälle, bei der es nicht mehr rückläufige, sondern steigende Zahlen gibt. Wir haben – Gott sei Dank, alle Parteien oder fast alle Parteien – eine Verschärfung dieser Promillegrenze auf 0,5 hier in diesem Haus beschlossen (Abg. Zweytick: Aus einem bestimmten Anlaß heraus!) , und siehe da, die Disziplin der Verkehrsteilnehmer hat sich schlagartig erhöht.

Nun weiß ich genauso wie Sie, Herr Abgeordneter Platter: Auch wenn wir ein strenges Waffengesetz machen, werden wir Mord und Totschlag in diesem Land nicht verhindern können, wir werden sie nicht abschaffen können, wir schaffen nicht den guten Menschen dadurch, auch nicht dadurch, daß wir mehr Exekutive zur Kontrolle einsetzen. Selbstverständlich wird es auch in Zukunft Menschen geben, die zu anderen Mitteln, zu anderen Waffen greifen werden, aber Sie sollten die beispielgebende Wirkung nicht unterschätzen. Selbstverständlich macht es etwas aus, wenn der Gesetzgeber klar und deutlich erklärt: Wir wollen diese Art des Umgangs mit Waffen nicht mehr länger tolerieren. Ihr könnt euch in diesem Land auch sicher fühlen, wenn ihr nicht die Pistole, den Revolver, die Schrotflinte, das Maschinengewehr, die Maschinenpistole und ich weiß nicht, was noch alles zu Hause habt. (Abg. Scheibner: Schlagstöcke, Steinschleudern, Molotow-Cocktails, Herr Kollege!)

Dieses von Herrn Kollegen Kiss vorgebrachte Argument, das liege doch alles im Bereich der Selbstverantwortung der Menschen, wir haben doch den mündigen Menschen, hat im Zusammenhang mit dem Gebrauch und Mißbrauch von Waffen aber schon überhaupt nichts zu suchen, Herr Kollege Kiss. (Beifall bei den Grünen.)

Denn mit derselben Argumentation, Herr Kollege Kiss, könnten Sie sagen: Selbstverständlich soll sich jeder seinen Panzer, seine Rakete kaufen. (Abg. Kiss: Ha, ha, ha!) Das ist ja nur, damit er sie zu Hause lagert und mit ihr ein bißchen spielt, weil er ja gerne in Panzern herumfährt. (Abg. Kiss: Das müssen Sie dem Moser sagen! Der ist Panzergrenadier! Der Moser hat einen Panzerführerschein! – Abg. Hans Helmut Moser: Das ist ein blöder Vergleich!) Wenn er den Panzerführerschein gemacht hat, dann soll er ihn auch gebrauchen dürfen! Er wird schon niemandem weh tun. – Das ist wirklich etwas überzogen, Herr Kollege Kiss, von Ihrer Argumentation her.

Ich komme jetzt aber zu einem anderen Teil. Ich möchte nicht nur zum Thema Waffen sprechen, sondern auf etwas eingehen ... (Abg. Hans Helmut Moser: Ich habe auch einen Panzerführerschein, und ich darf nicht herumfahren damit!) Herr Kollege Moser, ich weiß schon, wenn du Panzer hörst, dann wird etwas in dir ganz weich, dann schwingen irgendwelche Saiten mit.

Ich möchte mich aber trotzdem nicht auf die Panzer in dieser Debatte beschränken oder allzu lange bei ihnen verweilen. Ich möchte einen Aspekt ansprechen, der im Zusammenhang mit dieser Sicherheitsdebatte meiner Ansicht nach noch nicht angesprochen wurde, und dieser betrifft nicht die Sicherheit, die – Gott sei Dank – durch Exekutivorgane verbreitet wird, sondern das betrifft auch jene Aspekte, wo von Behörden und von Exekutivorganen – und zwar nicht von allen, das ist schon klar – Unsicherheit verbreitet wird.


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107. Sitzung / Seite 142

Ich möchte mich zu Beginn dieser Debatte an den Herrn Justizminister wenden, auch wenn das noch nicht das eigentliche Thema betrifft. Ich möchte Ihnen zunächst einmal meine Achtung aussprechen für Ihr Vorgehen beziehungsweise jenes der Justizbehörden im Fall Gross, in dem nach 50 Jahren, nach 50 Jahren, in denen die Justiz nichts gemacht hat, in denen sie mit dem Herrn Gross als Gutachter kooperiert hat, nach 50 Jahren des Schweigens, der Mißachtung von Vorwürfen, von klaren Vorwürfen, auch von beweisbaren Vorwürfen, die Justizbehörde – und das ist nicht einfach in diesem Fall, das gebe ich zu – den Mut gefunden hat, Vorerhebungen wegen Mordverdachts gegen den Arzt und Psychiater Heinrich Gross einzuleiten.

Dafür verdienen die Justizbehörden tatsächlich Achtung, denn es ist dies eine Auseinandersetzung mit sich selbst, mit der eigenen Arbeit und mit einem Mitglied, nämlich mit Herrn Gross, der ja auch für diese Justizbehörden gearbeitet hat.

Ich möchte aber nicht verhehlen, Herr Justizminister, daß ich die Befürchtung habe, daß sich – so wie dies bei sehr vielen Verfahren ist; ich komme darauf noch zu sprechen, denn das betrifft dann wirklich den Sicherheitsbericht – auch dieses Verfahren beziehungsweise die Vorerhebungen gegen Dr. Gross in die Länge ziehen werden und daß die Behörden, wie das schon in der Vergangenheit der Fall war, glauben, manches erledige sich durch Zeitablauf. Ich würde das für nicht gut finden. Ich glaube, Dr. Gross, aber auch die Justiz haben es notwendig, dieses Verfahren zu führen – nicht, damit Dr. Gross hinter Schloß und Riegel kommt – er ist ein alter und wahrscheinlich kranker Mensch –, sondern damit die Justiz diesen Akt der Selbstreinigung vollzieht.

Ich komme aber nun, weil ich diese Befürchtungen habe, auch auf etwas anderes zu sprechen. Dieses In-die-Länge-Ziehen von Verfahren ist nicht zufällig in einem Bereich besonders stark ausgeprägt, nämlich dort, wo es um die Verfolgung von rechtsextremen Straftaten in diesem Land geht. Herr Justizminister! Ich verweise darauf: Es gibt nicht nur den Fall Gross, es gibt auch den Fall Lachout, wo über zehn Jahre eine Person die Justizbehörden narren konnte und in Hunderten Eingaben, wie Sie auch in einer Anfragebeantwortung uns gegenüber klargelegt haben, die Justizbehörden auf Trab gehalten hat. Nach zehn Jahren erklärt leider wieder einmal ein Gutachter diesen Herrn Lachout für unzurechnungsfähig, und ein Richter schließt sich – Gott sei Dank darf er diesen Akt schließen! – dieser Auffassung an. Damit kann eine rechtsextreme Szene in Österreich einen Triumph feiern, weil ein Verfahren, in dem es um eine Gaskammerleugnung gegangen ist, nicht zu Ende gebracht wurde.

Ich verweise darauf, daß es in Salzburg einen Herrn Polacek gibt, der Gott sei Dank schon im Jahre 1993, nachdem er von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich ausgewiesen wurde, in Österreich von den Sicherheitsbehörden wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung angezeigt wurde. Dieses Verfahren gegen Herrn Polacek, eines wegen Gewalttaten aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesenen Rechtsextremisten, kann bis heute nicht vor Gericht kommen, weil es offensichtlich einen Staatsanwalt in Ried gibt, der glaubt, er müsse nach wie vor ermitteln und ermitteln, ob es sich da wirklich um nationalsozialische Wiederbetätigung handelt, und zwar vier oder fünf Jahre lang. Herr Justizminister! Das ist unhaltbar! Das ist ein Skandal, der durch nichts zu rechtfertigen ist!

Herr Polacek ist nicht irgend jemand, sondern er hat in all den Jahren seither ganz bewußt eine rechtsextreme Szene in Oberösterreich, Salzburg und Bayern ausgebildet und ins Feld geschickt, damit er sozusagen sein Lebenswerk vollenden kann, damit junge rechtsextreme Neonazis herangezogen werden. Und er ist sehr aktiv in dieser Szene, wie ja auch eine neuerliche Hausdurchsuchung, die von den Sicherheitsbehörden veranlaßt wurde, beweist.

Herr Justizminister! Ich glaube, gerade weil dieser Sicherheitsbericht ja auch aussagt, daß die Anzahl der rechtsextremen Straftaten zurückgegangen ist, wäre es notwendig, daß die Justizbehörden die Verfolgung rechtsextremer Straftaten etwas ernster nehmen, als das einige – einige, aber Gott sei Dank nicht alle! – tun.

Ich komme jetzt auf einen anderen Punkt zu sprechen, in dem auch die Justiz gefordert ist. Es ist dies ein sehr heikler Punkt, er betrifft das Thema Datensicherheit. Ich verweise auf die


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107. Sitzung / Seite 143

Vorfälle von Dezember, als ein Polizist in Salzburg offensichtlich Daten an den Parteivorsitzenden der FPÖ weitergegeben hat. Dieser Polizist ist auf einem Parteitag der FPÖ als großer Held gefeiert und vom Parteivorsitzenden der FPÖ dazu beglückwünscht worden, daß er offensichtlich – offensichtlich! – Amtsmißbrauch begangen hat. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wieso? Es gilt noch immer die Unschuldsvermutung!)

Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, daß sich meiner Ansicht nach Abgeordneter Haider in diesem Fall auch der Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze schuldig gemacht hat. Es ist nicht ohne Belang, wenn eine öffentliche Person, ein Politiker, den Amtsmißbrauch, der da offensichtlich stattgefunden hat, nicht nur billigt, sondern sogar gutheißt, lobt und gleichzeitig auch alle anderen Polizisten auffordert, im gegebenen Fall diesen Amtsmißbrauch zu wiederholen. (Abg. Scheibner: Gerade die Grünen sagen das!) Nichts anderes hat Herr Abgeordneter Haider bei diesem Parteitag der FPÖ gemacht!

Laut § 281 StGB ist jemand zu bestrafen, der Personen zur Mißachtung von Gesetzen auffordert oder dies gutheißt. (Abg. Scheibner: Ihr seid ja schon verurteilt worden! – Abg. Wabl, zu Abg. Scheibner: Das ist falsch! Nicht verurteilt worden!) Herr Jörg Haider hat diesen Datenklau ausdrücklich gebilligt beziehungsweise als richtig, rühmlich und nachahmenswert hingestellt. Daher frage ich Sie, Herr Justizminister: Sind im Zusammenhang mit diesen Äußerungen des Herrn Jörg Haider auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft – es handelt sich ja um ein Offizialdelikt – eingeleitet worden, die Herrn Jörg Haider betreffen? Ist die Staatsanwaltschaft, sind die Justizbehörden da tätig geworden? Nimmt man zumindest das Bedürfnis der Bevölkerung nach Datensicherheit in diesem Zusammenhang ernst? Es ist keine Kleinigkeit, wenn ein Parteichef mit Unterlagen über Bürger in diesem Land fuchteln und sagen kann: Ich kann mir alle geheimen Unterlagen des Innenministeriums besorgen!

Herr Innenminister! Damit komme ich schon zu Ihnen. Wir hatten ja das Vergnügen, auch in einem Ausschuß darüber zu debattieren. Ich kann Ihnen nur folgendes sagen: Dieser Unterausschuß ist ja geheim, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob nicht schon die Erwähnung, daß er getagt hat, eine Verletzung des Amtsgeheimnisses bedeutet. Und mich hat es schon hart getroffen, als ich am nächsten Tag, nachdem wir uns in diesem Ausschuß getroffen haben, in "NEWS" mehr Informationen über den Vorgang lesen konnte, als ich im Ausschuß in Erfahrung bringen konnte.

Ich spreche Sie, Herr Innenminister, nicht wegen dieser kleinen Angelegenheit betreffend diesen Unterausschuß an, sondern weil ich in diesem Zusammenhang – ich sage das auch öffentlich – von Ihnen erwarte, daß Sie allen anderen Datenmißbräuchen aus den letzten Jahren, die vor allem von führenden Funktionären der Freiheitlichen Partei – meist war es Parteivorsitzender Jörg Haider – entweder begangen oder unterstützt worden sind, nachgehen.

Ich erwähne nur folgendes: In einem Bericht des "Standard" aus dem Jahre 1995 ist klar geworden, daß die Anschuldigungen in bezug auf Sozialschmarotzerei, die Herr Jörg Haider gegenüber einem jugoslawischen Staatsbürger gemacht hat, nicht nur unwahr sind, sondern überdies aus Unterlagen der Fremdenpolizei stammen. Die Fremdenpolizei hat damals ihrerseits in diesem Zusammenhang eine Anfrage – Sie werden das alles noch schriftlich von mir bekommen – bei den Sozialversicherungsträgern gemacht. Die Sozialversicherungsträger haben die von der Fremdenpolizei geforderten Auskünfte aus datenrechtlichen Gründen zu Recht verweigert, was zur Konsequenz hatte, daß das Schreiben von seiten der PVArb mit der Verweigerung dieser Datenauskunft in einem FPÖ-Wahlkampfjournal veröffentlicht wurde. – Das ist der eine Punkt.

Im Mai 1996 – das ist der andere Punkt – präsentierte Parteivorsitzender Haider auf einer Pressekonferenz in Klagenfurt die Tonbandaufzeichnung eines Gesprächs, das der Mitarbeiter des Herrn Nationalratspräsidenten Fischer, Bruno Aigner, geführt hat, und erklärte, diese Aufzeichnung des Telefongesprächs von Bruno Aigner habe er von der Staatspolizei. Die Staatspolizei hat Herrn Jörg Haider irgendwie irgendwo irgendwann ein Telefongespräch zugespielt. Ich weiß nicht, ob es irgendeine Aufzeichnungspflicht von Gesprächen gibt, die Pressesprecher des Parlamentspräsidenten führen. Vielleicht ist auch die andere Seite – es war ein kurdischer Gesprächsteilnehmer – überwacht worden.


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Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, wie weit es mit der Rechtssicherheit in diesem Land Österreich ist, wenn nicht nur der Parteivorsitzende einer großen Partei behaupten kann: Ich bekomme alles, was ich haben will!, sondern gleichzeitig auch noch die Beamten, die ihm diese Daten zur Verfügung stellen, dafür, daß sie das getan haben, belobigt werden. Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat das so zu argumentieren versucht: Sie haben im Notstand gehandelt. Aber solch ein Notstand trifft in diesem Fall eindeutig nicht zu. Haider sagt, die Beamten hätten sich Verdienste erworben und er wolle sie, wenn sie weiterhin "im Interesse dieser Republik" – unter Anführungszeichen – Datenmißbrauch betreiben, auch dabei unterstützen.

Herr Innenminister und Herr Justizminister! Ich könnte Ihnen noch einige andere Fälle vorlegen. Das sind Fälle, wo ich mir denke: Jeder Demokrat, jede Demokratin in diesem Land kann erwarten, daß ihnen die Behörden mit aller Entschiedenheit nachgehen. Das betrifft nicht nur den Innenminister, der meiner Ansicht nach selbstverständlich die Verpflichtung hat, all diese Fälle zu recherchieren, sondern das betrifft auch den Justizminister. Auch wenn es um den Parteivorsitzenden einer Partei geht, die – sagen wir es einmal so – im öffentlichen Diskurs nicht immer einfach handhabbar ist, auch wenn er sich solchen Zurufen, auch die Gesetze zu beachten, gern entzieht, ist es notwendig, daß die Exekutive, sprich Sie, Herr Minister, beziehungsweise deren Organe zumindest untersuchen, ob es sich um eine Verletzung von wichtigen Gesetzen – und ich meine, es sind dies wichtige Gesetze – dieser Republik handelt oder nicht. Das ist auch Teil der Sicherheit, die wir in diesem Land haben wollen. (Beifall bei den Grünen.)

18.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Abgeordneter Murauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.31

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Es wäre jetzt natürlich verlockend, darüber zu diskutieren, wie sich die Grünen vorstellen, daß man auf der einen Seite der Drogenfreigabe Rechnung tragen und auf der anderen Seite ein Waffenverbot erlassen sollte. (Abg. Wabl: Ihr habt davon keine Ahnung!) Es wäre auch verlockend, darüber zu reden, ob man mit einer Waffensteuer tatsächlich die Zahl der Waffen in unserem Land reduzieren kann (Zwischenruf des Abg. Öllinger ), oder darüber, daß Kollege Schwemlein meint, man könne 0,5 Promille besser kontrollieren als 0,8 Promille und jetzt auf einmal würde keiner mehr alkoholisiert Auto fahren – so als ob alle Österreicherinnen und Österreicher vorher im betrunkenen Zustand Auto gefahren wären.

Über all das könnte man diskutieren. Aber worauf ich aufmerksam machen möchte, ist etwas ganz anderes, nämlich auf die besorgniserregende Entwicklung der Jugendkriminalität, die im Sicherheitsbericht aufgezeigt wird.

Geschätzte Damen und Herren! Einige Zahlen und Fakten: Seit 1990 gab es eine 40prozentige Zunahme der Jugendkriminalität in Österreich. 40 Prozent! Schwere Sachbeschädigungen werden zu 50 Prozent von Jugendlichen verübt. 1990 waren 1214 Tatverdächtige noch im Kindesalter, also zwischen 10 und 14 Jahren. Das sind Jugendliche aus dem Volksschulbereich. Und 1995 hat sich die Zahl der Tatverdächtigen verdoppelt, nämlich auf 2 770.

Meine Damen und Herren! 1996 wurden von Jugendlichen 27 800 strafbare Handlungen begangen. Dabei gibt es eine besondere Konzentration im Suchtgiftbereich. Das heißt, fast jeder fünfte Täter ist ein Jugendlicher. Das erfüllt mich mit Sorge. Auf diesem Gebiet haben wir, das Parlament, uns etwas zu überlegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Präsident des Jugendgerichtshofes Wien, Udo Jesionek, spricht von seinen Sorgen hinsichtlich der Brutalität, mit der die Jugendlichen vorgehen, daß sie auf Wehrlose eindreschen, daß mehrere gegen einen losgehen – ich erinnere an das Beispiel vom vergangenen Jahr, als ein 17jähriger Amstettener von drei Jugendlichen zu Tode getreten wurde –, daß es die Jugendbandenkriminalität der Vergangenheit nicht mehr gibt, sondern nunmehr Stoßtrupps, daß es Ad-hoc-Reaktionen gibt und daß von Rachefeldzügen die Rede ist.


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107. Sitzung / Seite 145

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Die Zahlen des Sicherheitsberichts und die Bewertungen von Experten sind alarmierend. Dies sollten wir nicht ignorieren. Im internationalen Vergleich ist Österreich, was die Jugendkriminalität betrifft, ich würde fast sagen, vorbildlich. Jedoch die Mahnung der Statistik sollten wir nicht übersehen und auch hinsichtlich der Vorbeugung, der Prävention Überlegungen anstellen.

Studien und Erfahrungen sagen uns, daß die Aggressivität der Jugendlichen in unserem Land und natürlich auch international zunimmt. In allen Staaten hat die Jugendgewalt stark zugenommen (Abg. Wabl: Aber warum denn?)  – ich komme noch darauf zu sprechen, Herr Kollege, ein bißchen mußt du noch Geduld haben; geht das? (Abg. Wabl: Selbstverständlich!)  –, vor allem bei Raub und vorsätzlicher Körperverletzung und auch bei vorsätzlicher Tötung – auch wenn Sie, Herr Kollege Öllinger, das zum Lachen finden!

Meine Damen und Herren! Es werden nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer immer jünger. Als Ursachen werden uns genannt (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Familienpolitik der Regierung!), daß die Brutalvideos einen großen Anteil daran haben und daß die Helden, die in diesen Videofilmen vorkommen, sich einfach alles nehmen, was sie wollen. Die Kinder tun es dann genauso. Und gegen diese Ursachen, gegen diese Brutalität haben wir anzukämpfen! (Beifall bei der ÖVP.)

Eine weitere Ursache liegt auch in den Familien, darin, daß die Familien nicht in entsprechendem Ausmaß funktionieren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Wabl und Öllinger. ) Dafür tragen wir Verantwortung. Ich bekomme da sogar Zuspruch von den Grünen – was mich wundert. Die Familien müssen besser funktionieren, nicht so viel Rückzug, Distanz, Gefühlskälte. (Abg. Wabl: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was das Wort "funktionieren" heißt? Die Menschen müssen besser "funktionieren", ...!) Wir müssen Zeit für den jungen Menschen haben, wir müssen uns unseren Kindern, unserer Jugend zur Verfügung stellen, wir müssen mit ihnen diskutieren und Verantwortung mitteilen. (Abg. Wabl: Das ist die ÖVP-Sprache!)

Geschätzter Herr Kollege Wabl! Als ÖVP-Politiker stelle ich die intakte Familie in das Zentrum der Politik. (Beifall bei der ÖVP.) Und diese Familie wird von seiten der ÖVP eine entsprechende finanzielle, aber auch eine ideelle Stärkung erfahren. Wir müssen diesen Familien wieder Vertrauen geben, damit sie in der Lage sind, die Jugend für die Zukunft bereitzumachen.

Meine Damen und Herren! Der Vorbeugung dienen neben dieser Bindung an die Familie auch die Schule, der Arbeitsplatz, die Vereine. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) All jene Jugendlichen, die in der Familie ihren Platz haben, die in Vereinen tätig sind, die in der Schule sind, die einen Arbeitsplatz haben, sind wesentlich weniger gefährdet, auf die schiefe Bahn zu kommen, als jene, denen man diese Dinge verweigert. Aus diesem Grund ist die ÖVP vor allem bestrebt, der Jugend Beschäftigung zu geben. Es ist dies ein zentrales Anliegen ihrer Politik, das besonders zu unterstützen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Da meine Zeit leider Gottes abgelaufen ist, möchte ich nur noch darauf hinweisen, daß die Strafen ... (Abg. Haigermoser: Ich hoffe für dich, daß deine Zeit noch nicht abgelaufen ist! Das kann nur die Redezeit sein!) Kollege Haigermoser, du von der Neinsagerpartei ... (Abg. Haigermoser: Laß dir etwas Besseres einfallen!) Es ist halt so. Da du Vertreter der Neinsagerpartei bist, wundert mich eigentlich nicht, daß du auch gegen diese Anliegen bist.

Wir müssen eine leistungsfähige Exekutive haben. (Abg. Wabl: Was tun Sie jetzt für die Familie, Herr Murauer?) Wir müssen auch beispielgebend sein im Hinblick auf Selbstverantwortung, Eigenständigkeit sowie gegenseitiges Vertrauen, und wir müssen der Jugend mitteilen, daß die eigene Freiheit dort Grenzen findet, wo sie die Freiheit des Nächsten beeinträchtigt. (Beifall bei der ÖVP.)


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107. Sitzung / Seite 146

18.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Scheibner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.39

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Öllinger, ganz kurz zu Ihren Ausführungen: Es ist wirklich nicht ernst zu nehmen, wenn Sie sich hier zum Hüter von Recht und Ordnung aufspielen, der Angst hat um den Rechtsstaat, wenn dem Parteiobmann der Freiheitlichen Informationen zugespielt werden.

Gerade Herr Pilz von Ihrer Fraktion hat sich doch immer so stolz gewähnt, wenn Ihnen Rechnungshofrohberichte oder sonstige Informationen zugespielt worden sind. Da waren Sie die großen Aufdecker der Nation! Plötzlich läuft Ihnen eine andere Fraktion den Rang ab, weil Sie interne Probleme haben, sodaß Herr Fux in Salzburg sogar die Polizei rufen muß, weil er Ihrer Horden nicht Herr wird. Deshalb sind Sie halt eifersüchtig. Soll so sein, wir nehmen das wirklich nicht ernst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir nehmen das nicht ernst, ebenso wie auch den Vorwurf des Aufrufes zum Gesetzesbruch. Ihre Klubobfrau Petrovic hat das doch vom Rednerpult hier gemacht: Aufruf zur Befehlsverweigerung im Bundesheer. (Abg. Wabl: Freispruch! Für Scheibner!) Kollege Öllinger! All das sind Dinge, bei denen Sie quasi Ihre Anliegen, Ihr Denken auf eine andere Fraktion projiziert haben, das lassen wir schon bei Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Murauer! Ich gebe Ihnen völlig recht bei Ihrer Analyse betreffend Jugendkriminalität. Es sollte uns alle nachdenklich stimmen, daß trotz stagnierender Gesamtkriminalität – abnehmen tut sie nicht, Kollege Murauer, sie stagniert auf einem sehr hohen Niveau – die Jugendkriminalität nach wie vor stark im Steigen ist. (Rufe und Gegenrufe bei den Grünen und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Wo sind denn die Lösungsvorschläge einer Koalition, die mittlerweile schon zwölf Jahre im Amt ist und die diese Probleme hoffentlich gesehen hat? – Sie zitieren den Gerichtspräsidenten Jesionek, der einmal richtig gesagt hat: Wer der Jugend keine Arbeit gibt, wer der Jugend keine ausreichende Ausbildung gibt, hat die Jugendkriminalität und letztlich die hohe Gesamtkriminalität zu verantworten. – Seit zwölf Jahren stehen Sie vor diesen Aufgaben, und es gibt keine Lösungsmöglichkeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie konzentrieren Sie sich auf die Jugendkriminalität, darauf, daß man den Jugendlichen einen Weg zurück in die Gesellschaft aufzeigt, ihnen die Möglichkeit gibt, sich wieder zu integrieren, Ausbildungsplätze zu bekommen, den Lehrlingen Lehrstellen gibt und eine weitere Perspektive im Berufsleben zeigt? Wo sind denn die Initiativen im Bereich der Bewährungshilfe? Wo sind die Initiativen im Bereich der Drogentherapie, um auch die gestrandeten Jugendlichen auf einen geraden Weg zurückzubringen?

Ich sage auch ganz deutlich als Vertreter der Freiheitlichen: Alle Härte gegen Schwerverbrecher, gegen Berufsverbrecher! Dort muß die harte Hand des Gesetzes spürbar sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber alles Verständnis und jede Unterstützung gegenüber Jugendlichen, die gestrauchelt sind! Ihnen muß man einen Weg zurück in die Gesellschaft zeigen. Da sind Sie aber säumig gewesen, da gibt es überhaupt keine Konzepte – weder in der Ausbildung noch bei der Arbeitsplatzproblematik, noch bei den Fragen der Drogentherapie oder etwa bei der Bewährungshilfe.

Herr Innenminister! Auch was die Ausländerkriminalität betrifft, haben wir nach wie vor einen Anstieg und extrem hohe Raten: 19,5 Prozent Anteil an der Gesamtkriminalität, über 30 Prozent bei den Verbrechen. – Und das, obwohl Sie sagen, Sie haben eine positive Ausländerbilanz, es gibt keine Zuwanderung mehr. Also sehr erfolgreich sind Sie in diesem Bereich nicht gewesen. Wo sind die Konzepte? (Bundesminister Mag. Schlögl: Das hängt nicht mit der Zuwanderung zusammen!) – Womit sonst? Wo sind Konzepte?

Was machen Sie gegen die Fremdenkriminalität? – Den Leuten, die bestohlen werden, die angepöbelt werden, die angegriffen werden, wodurch es zu Körperverletzungen kommt, ist es völlig egal, welcher Ausländer das gewesen ist, sondern sie verlangen von Ihnen, daß Sie Maß


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nahmen ergreifen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Wie schaut es mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aus, Herr Innenminister?

Es stimmt Gott sei Dank, daß wir keine Zustände wie in Amerika oder auch in anderen europäischen Ländern haben, aber trotzdem ist das subjektive Sicherheitsgefühl nicht zu Unrecht und nicht unbegründet in der Bevölkerung nach wie vor nicht sehr hoch. Es gab jüngst eine Umfrage darüber, was sich etwa im engen Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel in Wien abspielt. Frauen haben beim ORF angerufen und von ihren Erlebnissen berichtet, darüber, was sich da alles abspielt. Dabei kann man doch nicht zusehen und sagen: All das ist für uns nicht wichtig, weil das Kleinkriminalität ist, die sich in der Statistik vielleicht gar nicht niederschlägt; und wenn dort niemand zu Hilfe kommt, dann ist es mangelnde Courage, das interessiert uns auch nicht, weil die Leute Angst haben, daß sie, wenn sie gegen derartige Pöbelei einschreiten und handgreiflich werden, vielleicht selbst noch vor dem Kadi stehen.

All das sind Dinge, die wir auch diskutieren sollten. Dann wird uns vielleicht in den nächsten fünf oder zehn Jahren ein Sicherheitsbericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, daß es tatsächlich eine Verbesserung im Bereich der Sicherheit dieses Landes gegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Tegischer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.44

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Meine beiden Herren Minister! Hohes Haus! Ich möchte mich heute auf einen Bereich aus dem Sicherheitsbericht konzentrieren, nämlich die Drogenkriminalität. Erlauben Sie mir, diesen Bereich aus der Sicht der Jugendbetreuerin und der Sozialarbeiterin zu sehen.

Es ist eine Tatsache, daß nach dem Suchtmittelgesetz 1996 über 16 000 Personen angezeigt wurden und daß dies eine Steigerung von 23 Prozent gegenüber 1995 bedeutet. Dabei ist interessant, daß dieser Anstieg vor allem bei den Jugendlichen zu erkennen ist, wobei das illegale Rauschmittel in den meisten Fällen für die Eigenversorgung verwendet wurde.

Besonders wichtig ist für mich, in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Beschaffungskriminalität, um die Sucht zu finanzieren, und der professionell organisierten Drogenkriminalität zu erwähnen. Aus diesen Tatsachen ergeben sich für mich folgende Schlußfolgerungen:

Es findet eine Kriminalisierung von Suchtkranken beziehungsweise der Mißbrauch von Suchtmitteln statt, denn "bestraft" – unter Anführungszeichen – werden auch jene, die mißbrauchen, auch wenn sie nicht verurteilt werden, sie werden nur in einer anderen Form gebrandmarkt. Sie werden ins kriminelle Milieu abgedrängt, sie werden ausgeschlossen, sie verlieren oft ihren Arbeitsplatz, ihre Familien werden in Not gestürzt, und der Abstieg in der Gesellschaft ist vorprogrammiert. – Wer käme auf die Idee, jemanden zu kriminalisieren, der Mißbrauch von Medikamenten und Alkohol betreibt?

Aus dem Sicherheitsbericht geht klar hervor – im Innenausschuß haben dies auch beide Minister bestätigt –, daß Maßnahmen zur Verhinderung von Vergehen im Sinne des Suchtmittelgesetzes in Richtung Prävention und gezielter und sinnvoller Hilfestellung bei der Bewältigung von Lebenssituationen gehen müssen.

Mein großer Wunsch – das ist auch der Wunsch vieler Experten aus dem psychosozialen und medizinischen Bereich – wäre, endlich eine rationale und nicht eine emotionale Diskussion über dieses Thema zu führen.

Diesbezüglich teile ich übrigens auch die Bedenken von Experten gegenüber der Drogenaufklärung von Jugendlichen durch die Exekutive. Erlauben Sie mir, dies zu sagen. Denn in vielen Schulen wird immer noch von der Exekutive über Drogen aufgeklärt. Dies bewirkt schluß


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endlich – auch viele Studien haben dies bewiesen, in Deutschland, in Schweden und in Holland, auch in Österreich –, daß aus der Information Faszination wird.

Vergessen wir nicht, daß sich die Beamten des Innenressorts hauptsächlich, logischerweise aus der Sache heraus ergebend, mit illegalen Drogen und Suchtmitteln auseinandersetzen und darüber informieren und dadurch ungewollt legale Suchtmittel verharmlosen. Sinnvolle Suchtprävention braucht eine personenorientierte und strukturorientierte Ebene, denn egal, ob es sich um Mißbrauch von illegalen Suchtmitteln oder um andere Vergehen handelt, die Tat ist immer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lebenssituation des Delinquenten oder des Mißbrauchenden zu sehen.

Wir müssen als Erwachsene und insbesondere als Politiker einfach respektieren, daß Jugendliche ihre eigene Kultur entwickeln. Wir haben zu respektieren, daß sie auch Grenzen kennenlernen wollen und auch manchmal am Rand der Legalität balancieren. Dann benötigen sie nicht Strafe, Repression und Angstmache, sondern sie brauchen Hilfe und Unterstützung.

In der Zukunft wünsche ich mir einen Weg der Suchtprävention mit psychosozial geschultem Personal und ihren Multiplikatoren, dann ersparen wir uns, den Betroffenen, den Familien viel Leid und der Exekutive vieles in einem Aufgabenfeld, das viel Energie und Aufwand kostet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte klar sagen, daß die Exekutivbeamten nicht für die soziale Situation dieser Menschen verantwortlich sind, sondern sie vollziehen die Gesetze. Andere Aufgabenfelder sollten Priorität haben, und es ist eigentlich schade, daß nicht mehr Kapazitäten dafür frei werden. Solch ein Bereich ist für mich zum Beispiel die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und die Kontrolle der Verwahrung von Schußwaffen. Im Sicherheitsbericht 1996 erkenne ich die Tendenz in die richtige Richtung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.50

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine beiden Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ein bißchen mit der Justizkomponente des Sicherheitsberichtes befassen, die bisher in der Debatte, so glaube ich, etwas zu kurz gekommen ist.

Wir erleben bei dem Wust an strafbaren Handlungen, die von der Justiz abzuhandeln sind, eine immense Belastung der Gerichte, die sich nicht immer zum Vorteil der Materie und zum Vorteil der Betroffenen auswirkt.

Es geht darum, zu durchforsten und strafbare Handlungen, die es im wahrsten Sinne des Wortes nicht wert sind, vor Gericht verhandelt zu werden, aus dem Katalog dessen herauszunehmen, was zu Gericht zu kommen hat. Einmal mehr darf ich in diesem Zusammenhang auf die fahrlässige Krida zu sprechen kommen.

Wer diesbezüglich in den Sicherheitsbericht hineinschaut, der sieht, daß es im Berichtsjahr 1 791 Verfahren wegen fahrlässiger Krida gegeben hat. Dieses nebulose Delikt gehört damit zu den Spitzenreitern der vor Gericht abgehandelten Kriminalität in diesem Jahr überhaupt.

Die Aufklärungsquote – das ist auch ganz interessant – liegt bei über 100 Prozent: 100,3 Prozent Aufklärungsquote bei der fahrlässigen Krida. Das heißt, Menschen, die in ihren beruflichen, geschäftlichen Bestrebungen gescheitert sind, die ein Insolvenzverfahren hinter sich haben oder sich mittendrin befinden, die alles verloren haben, die bis über den Hals hinaus gepfändet sind, stehen dann noch vor Gericht und bekommen in einem sehr teuren Ritual bedingte Freiheitsstrafen. Mehr schaut dabei nicht heraus.


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Aber in jedem dieser Verfahren gibt es mindestens einen Buchsachverständigen, der für viel Geld eines, zwei oder drei Gutachten erstattet. Das sind Millionen- und Abermillionenbeträge, die den Staat das kostet, denn wegen fahrlässiger Krida Verurteilte sind niemals in der Lage, die diesbezüglichen Kosten zu ersetzen.

1 791 Verfahren wegen fahrlässiger Vermögensdelikte – völlig für die Katz’ um unser Geld. Ganze Bereiche der Gerichtshöfe sind mit diesen Dingen blockiert, ganze Generationen von Buchsachverständigen – denen ich es an und für sich menschlich gönne, aber wenn es aus meinen Steuergeldern geschieht, bin ich eigentlich dagegen – erstatten dort Abertausende Gutachten für nichts und wieder nichts. Wir müßten uns aufraffen, diese sinnlose Strafverfolgung wegen fahrlässiger Vermögensdelikte um viele Schilling an Steuergeld endlich abzuschaffen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einmal mehr darf ich verlangen, daß die Opfer strafbarer Handlungen eine ausgeprägtere Stellung im Strafverfahren erhalten, als das derzeit der Fall ist. Heute ist es so, daß jener, der als Beschuldigter vor Gericht steht, einen reich gestalteten Katalog an Möglichkeiten hat – das ist gut so, denn wir sind ein Rechtsstaat –, aber der Privatbeteiligte, der Geschädigte hat demgegenüber praktisch überhaupt keine Möglichkeiten. Er hat nicht einmal das Recht, Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen. Er hat nicht die Möglichkeit, ein Rechtsmittel zu ergreifen, wenn es um schuldig oder nicht schuldig desjenigen, der ihm den Schaden zugefügt hat, geht.

Immer wieder tauchen Illusionisten auch hier im Plenum auf, die sagen, man müsse die Leute nur aufklären, es genüge, wenn man entsprechend Information an die Geschädigten herantrage. Diese wissen wirklich nicht, wovon sie reden, denn es haben die Geschädigten im Strafverfahren praktisch keine Rechte. Sie dürfen dort sitzen und zuschauen, und wenn sie zuviel den Mund aufmachen, fährt ihnen ein forscher Richter bestenfalls noch drüber. Aber sie aufzuklären, welche Rechte sie haben, würde damit enden, daß man ihnen sagen müßte: Ihr habt eigentlich keine Rechte! – Man muß ihnen Rechte einräumen. Wer sich der Opfer annehmen will, der muß den Privatbeteiligten, nämlich den Opfern, Rechte im Strafverfahren geben. Sonst kann da überhaupt nichts nützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben es alle noch im Ohr – eine langwierige Debatte, heiß umfehdet ausgetragen, hat es darum gegeben –, daß man den Standpunkt vertreten hat, Rechtskultur hin, Rechtskultur her, man müsse den Lauschangriff, das heißt das Abhören über Wanzen und ähnliche Einrichtungen, unbedingt auch für Gespräche zwischen Verteidiger und Klienten einführen. Wie stünde man sonst gegenüber dem Ausland da?! – Überall sonst wird das gehandhabt, und überall sonst kann man ohne diese Dinge nicht auskommen. Musterschüler, wie wir sind, müssen wir das auch in Österreich einführen.

Man hat so getan, als wären wir die letzten, die auf diesem Sektor noch Widerstand leisten. Siehe da, dieser Tage steht in der Zeitung, auch die Deutschen haben jetzt einen Kompromiß in Richtung Lauschangriff gefunden. Wer ist dort ausgenommen? – Nicht nur der Geistliche – bei uns ist es ein bißchen anders, bei uns sind es die zur religiösen Aussprache bestimmten Räumlichkeiten –, auch der Strafverteidiger. Das heißt, uns hat man damit gepflanzt, daß wir sozusagen die letzten seien, die die Verteidigergespräche als Tabu darstellen wollten, und daß wir uns in unsere europäische und darüber hinausgehende Umgebung einfügen müßten, weil wir sonst wie die Blamierten dastünden. Und jetzt stellt sich heraus, wir waren wieder einmal fleißig. Wir waren zu fleißig, wir haben eine Fleißaufgabe gegen die Rechtskultur auf uns genommen und durchgeführt. Die Deutschen waren da vorsichtiger und gescheiter. Sie lassen es dabei, daß jeder mühselig Beladene mit seinem Verteidiger unbelauscht sprechen können soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir können manches lernen, meine Damen und Herren! Auch an der trockenen Materie des Sicherheitsberichtes läßt sich Grundsätzliches für die Rechtspflege aufhängen und herauslesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.56


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107. Sitzung / Seite 150

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

18.56

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Bei all meinen bisherigen Reden zu den Sicherheitsberichten habe ich mich eigentlich immer mit der Justiz beschäftigt. Es würde reizvoll sein, sich neben den positiven Dingen auch heuer wieder mit den unerledigten Fällen, mit den Bezirksgerichten, die zugesperrt werden, mit den Statistiken, die noch aus dem Jahr 1991 stammen, auseinanderzusetzen, aber ich habe heute ein wesentlich wichtigeres Thema zu behandeln, ich möchte mich nämlich heute mit dem Drogenproblem auseinandersetzen, und zwar aus meiner Sicht und aus der Sicht der ÖVP.

Ich gehe auf dieses Thema ein, weil ich ein Problem damit habe, wie dramatisch sich die Entwicklung abzeichnet. Überall müßten die Alarmglocken läuten, meine sehr verehrten Damen! Wenn ich ein Salzburger Beispiel bringe – ich möchte Ihnen einige Zahlen nennen –, dann werden Sie sehen, wie besorgniserregend der Vormarsch der Suchtgiftdelikte ist.

1995 gab es in der Gruppe der 14- bis 19jährigen 85 Jugendliche, 1996 402 – eine Steigerung von 370 Prozent. Bei den 14- bis 16jährigen stieg die Zahl von 11 auf 67, also um 500 Prozent, und bei den 16- bis 18jährigen von 44 auf 217, also eine Steigerung von fast 400 Prozent. Österreichweit gab es eine Zunahme der Straftaten gemäß §§ 15 und 16 des Suchtmittelgesetzes um über 3 000 Fälle, von ungefähr 9 500 auf 11 700.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch das entspricht einer Steigerung von weit über 30 Prozent. Diese Steigerungen sind katastrophal und stellen unserer Gesellschaft kein gutes Zeugnis aus. Wenn nicht rasch und wirksam etwas gegen diesen zunehmenden Drogenkonsum unternommen wird, wird sich das sicher selbstzerstörerisch, zerstörerisch auf unsere Gesellschaft auswirken. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind Tendenzen, die uns Abgeordnete, aber auch jeden Österreicher und jeden einzelnen verantwortungsbewußten Staatsbürger zum Handeln auffordern sollten. Wirken wir bitte dieser Seuche entgegen! Helfen wir den Jugendlichen aus ihrem Elend! Unternehmen wir alles gegen skrupellose Drogenhändler! Legen wir ihnen das Handwerk! (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die in diesem Bereich bedenkliche Entwicklung auf europäischer Ebene hinweisen. Sie werden wahrscheinlich so wie ich wissen, daß sich die EU in der letzten Woche mit dieser Problematik auseinandersetzte. Ich finde es einfach skandalös, wenn sich eine Gemeinschaft von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen auf europäischer Ebene der Drogenfreigabe verschreiben. Die Legalisierung von Haschisch beziehungsweise die Verschreibung von Heroin mittels Krankenschein ist sicher kein Fortschritt, sondern ein schrecklicher Rückschritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein völlig falsches Signal, denn eine Gesellschaft, die nichts gegen Drogenkonsum, gegen Drogenmißbrauch unternimmt, wird über kurz oder lang sicherlich zum Untergang verurteilt sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen daher auf europäischer Ebene genauso wie in Österreich diesen Gefahren rigoros entgegenwirken. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der ÖVP werden alles tun, um die Jugend vor diesen Gefahren zu schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch festhalten, daß in Familien, in denen die soziale Struktur stimmt, in denen man sich um die Jugendlichen kümmert, die Verfehlungen wesentlich geringer sind, die Drogengefahr wesentlich geringer ist. Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Kollegin von der SPÖ, ist die ÖVP-Familienpolitik gefordert. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)


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107. Sitzung / Seite 151

Hohes Haus! Mit dem im letzten Jahr beschlossenen Suchtmittelgesetz wurden Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen. Ziel des Suchtmittelgesetzes war die Umsetzung der UN-Psychotropenkonvention und der UN-Suchtgiftkonvention 1988. Weiters wurden unter Beibehaltung des Grundkonzeptes des früheren Suchtgiftgesetzes einige straf- und strafprozeßrechtliche Änderungen vorgenommen sowie das Therapieangebot erweitert.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß national und international die Grundlage unserer Drogenpolitik, der Drogenpolitik aller österreichischen Verantwortungsträger, die Eckpunkte des österreichischen Suchtmittelgesetzes sein sollten, welches keine Freigabe von Cannabis und keine Abgabe von Heroin auf Krankenschein zuläßt. Um sicherzustellen, daß die Weiterentwicklung der österreichischen Drogenpolitik auch weiterhin auf der Basis des eben erst beschlossenen Suchtmittelgesetzes erfolgt, stellen die unterfertigten Abgeordneten nachfolgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Amon, Mag. Guggenberger, Dr. Leiner, Dr. Rasinger, Dr. Feurstein, Dr. Puttinger, Dr. Maitz und Kollegen betreffend die Drogenpolitik der EU und Österreichs zum Sicherheitsbericht 1996

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht,

1. die eigenständige, österreichische Linie – wie sie im Suchtmittelgesetz beschlossen wurde – zu den anstehenden Fragen im Zusammenhang mit der Verhütung von Drogenkonsum und in der Bekämpfung des Drogenhandels aufrechtzuerhalten, auch was die §§ 7 und 8 Suchtmittelgesetz betrifft;

2. Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen zu den Gefahren, die von Drogen ausgehen, weiter auszubauen;

3. verstärkt Grundlagenforschung zu Drogen, Therapie und Suchtverhalten zu fördern;

4. die aktive Teilnahme österreichischer Stellen, die mit dem Drogenproblem befaßt sind, an den EU-Programmen zur Drogenbekämpfung sicherzustellen;

5. die schulische und außerschulische Jugenderziehung verstärkt in die Aufklärungs- und Vorsorgearbeit einzubeziehen;

6. die Bemühungen zu intensivieren, daß in Fällen, in denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es finde an Stellen, die üblicherweise von einer großen Anzahl von jungen Menschen aufgesucht werden, illegaler Drogenhandel statt, dieser unterbunden wird."

*****

Abschließend möchte ich nur noch eine Bemerkung zum Punkt 6 machen. In diesem vielleicht etwas zu juristisch formulierten sechsten Abschnitt sind selbstverständlich die Plätze vor Schulen, Jugendzentren und dergleichen gemeint. (Beifall bei der ÖVP.)


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107. Sitzung / Seite 152

19.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte.

19.04

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein paar grundsätzliche Worte zu den Schwerpunkten der Justizpolitik in Sachen innere Sicherheit. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit eines entschlossenen Kampfes gegen schwere und organisierte Kriminalität einerseits, aber auch aus der Notwendigkeit möglichst sinnvoller täter- und opferorientierter Reaktionen im Bereich der massenhaft auftretenden sogenannten Alltagskriminalität.

Im gleichen Maße müssen wir einen von rationalen Überlegungen geprägten Strafvollzug gewährleisten, der sowohl der sicheren Verwahrung des Straftäters als auch der optimalen Vorbereitung auf seine Entlassung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft gerecht wird.

Zur effizienteren Bekämpfung der zunehmend grenzüberschreitend organisierten Kriminalität sind in den letzten Jahren eine Reihe legislativer Maßnahmen getroffen worden, und zwar sowohl im materiell-rechtlichen Bereich – denken Sie insbesondere an die neuen Straftatbestände Geldwäsche, kriminelle Organisation, aber auch an die organisierte Schlepperei – als auch im Verfahrensbereich, insbesondere Abschöpfung der Bereicherung und die heute schon erwähnten besonderen modernen Ermittlungsmethoden.

Im Bereich der organisierten Kriminalität kommt aber vor allem der internationalen Zusammenarbeit eine besondere Bedeutung zu. Deshalb haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Bereichen Justiz und Inneres einen umfassenden Aktionsplan zur Bekämpfung, aber auch zur Prävention der organisierten Kriminalität ausgearbeitet, der auch vom Europäischen Rat in Amsterdam angenommen wurde. Die Umsetzung dieses Aktionsplanes im legislativen und organisatorischen Bereich, zum Teil auch Aufgabe der österreichischen Präsidentschaft im zweiten Halbjahr, wird die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen, mit modernen Maßnahmen konzertiert gegen diese Form der Kriminalität vorzugehen.

Meine Damen und Herren! Was den Umgang mit der sogenannten Alltagskriminalität anlangt, werden wir unseren Weg konsequent weitergehen. Dazu gehört der faktische Ausbau des schon seit einem Jahrzehnt erfolgreich durchgeführten außergerichtlichen Tatausgleichs ebenso wie die möglichst rasche Gesetzwerdung der noch im heurigen Frühjahr dem Parlament vorzulegenden Strafprozeßnovelle 1998. Die darin vorgesehene Diversion soll künftig eine einfachere, dabei aber besser auf den Einzelfall abgestimmte Ahndung von leichteren Verstößen weniger gefährlicher Straftäter ermöglichen. Das bedeutet weder eine Entkriminalisierung noch eine Privatisierung des Strafrechts.

Besonderes Augenmerk wird dabei der Schadenswiedergutmachung und auch den anderen heute in dieser Debatte angesprochenen Interessen der Opfer, zu denen auch eine ideelle Genugtuung gehört, geschenkt werden. Sozusagen unter dem Damoklesschwert einer sonst drohenden Verurteilung wird sich der Täter künftig intensiver bemühen, das Opfer schadlos zu stellen.

In ihren Auswirkungen wird diese Reform den Opfern von Straftaten mehr geben als irgendein Justizgesetz in der Zweiten Republik zuvor. Dieser Weg wird auch hinsichtlich der Rechtsstellung des Opfers vor allem im Vorverfahren fortbeschritten werden.

Es ist aber auch wichtig, Verbrechensopfer über die ihnen zustehenden Ansprüche und sonstigen Möglichkeiten besser als bisher zu informieren. Ich habe mich diesbezüglich mit der Rechtsanwaltschaft in Verbindung gesetzt, und es wird in Bälde möglich sein, daß die Justiz gemeinsam mit der Rechtsanwaltschaft bei den Gerichten eine regelmäßige Opferberatung anbietet.

Meine Damen und Herren! Unser Weg der sozusagen intelligenten Härte auf der einen Seite und einfühlsamen Hilfestellung auf der anderen Seite wird am besten in dem seit Beginn dieses Jahres geltenden, heute mehrfach angesprochenen Suchtmittelgesetz in Verbindung mit dem letzten Strafrechts-Änderungsgesetz erkennbar. Das Konzept ist: Größere Dealer werden für lange Zeit aus dem Verkehr gezogen, kriminelle Organisationen versuchen wir mit Vermögens


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abschöpfung in ihrem finanziellen Zentrum zu treffen, Süchtigen hingegen versuchen wir, soweit dies möglich ist, zunächst zu helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade weil die Anzeigen in erster Linie die Konsumenten von illegalen Drogen betreffen, ist es besonders wichtig, das Drogenproblem nicht durch rein repressive Maßnahmen, also den Einsatz des Strafrechts, lösen zu wollen, sondern sich bewußt zu sein, daß Sucht und Abhängigkeit primär medizinische Probleme sind (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum) , daß es also über das Strafrecht hinausgehender medizinisch-therapeutischer Ansätze bedarf.

Gerade mit unserem neuen Suchtmittelgesetz zeigt Österreich den Weg einer vorbildlichen Balance zwischen kriminalpolitischen und gesundheitspolitischen Interventionen, und ich sehe keinen Grund, die dort getroffenen Lösungen wenige Tage nach Inkrafttreten in Frage zu stellen.

Die Harmonisierung unterschiedlicher Lösungsansätze des Drogenproblems im Präventions-, im Therapie- und im Strafverfolgungsbereich, die im österreichischen Suchtmittelgesetz in hohem Maße gelungen ist, wird uns auch im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft in die Lage versetzen, einen praktikablen Weg für den gesamteuropäischen Umgang mit den Drogenproblemen zu zeigen.

Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der letzten Zeit – zum Teil hier, zum Teil in einem anderen Zusammenhang –, was die innere Sicherheit anlangt, waren mit so manchen Irrtümern belastet, die geeignet sind, den Blick auf die reale Situation der Sicherheit in Österreich zu verstellen und ganz ungerechtfertigterweise das subjektive Sicherheitsgefühl unserer Bürger zu belasten. Zum Beispiel meinten manche, die Ausländerkriminalität sei gestiegen, obwohl wir wissen, daß sie im Berichtsjahr 1996 unter den Werten davor liegt.

Auch wurde etwa in der Fernsehsendung "Hohes Haus" letzte Woche behauptet, die gesunkene Anzahl der Verbrechen im Vermögensdeliktsbereich sei nicht aussagekräftig und mit den früheren Jahren nicht vergleichbar, weil durch Anheben der Wertgrenze für die Verbrechensqualifikation früher als Verbrechen bestrafte Taten zu Vergehen hinuntergestuft wurden. Diese Aussagen übersehen, daß die letzte Wertgrenzenanhebung vor über zehn Jahren, 1987, stattfand.

Wiederholt wurde kolportiert, die jährliche Zahl der jugendlichen Drogentoten sei im Berichtsjahr bereits auf 200 Fälle gestiegen, obgleich wir wissen, daß es nicht 200, sondern 24 Jugendliche waren und die Gesamtzahl der Drogentoten Gott sei Dank sinkt. Selbstverständlich aber ist jeder dieser Toten einer zuviel.

Es wurde auch kritisiert, die Justizanstalten seien gegen Fluchten von Häftlingen zuwenig gesichert, sie seien löchriger als Emmentaler-Käse, obwohl wir wissen, daß die Zahl der Fluchten aus den geschlossenen Bereichen von 52 im Jahr 1994 gesunken und zuletzt auf den absoluten Tiefstand der letzten Jahrzehnte, nämlich auf neun Fälle im Jahr 1997, zurückgegangen ist. (Abg. Mag. Peter: Wer behauptet da unwissentlich die Unwahrheit?) Das sind falsche Zahlen, die sich aus den Köpfen nicht hinwegbegeben. (Abg. Mag. Peter: Ist da nicht ein Vorsatz dabei?)

Nicht auf derselben Stufe wie diese Irrtümer befinden sich Äußerungen zur restriktiven bedingten Entlassung, sie sind aber doch etwas zu relativieren. Die hier abgedruckte Statistik läßt zunächst diese Vermutung zu. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß die hohen Zahlen der früheren Jahre, vor allem 1988, 1989, bedingt waren durch einen Rückstau, der nach der Neuregelung der Voraussetzungen für die bedingte Entlassung aufgelöst wurde. Seither ist die Anzahl der bedingten Entlassungen genau besehen durchaus als steigend zu bezeichnen, wenn man bedenkt, daß die hier kritisierten Jahre 1995, 1996 jene Jahre waren, in denen aufgrund des Amnestiegesetzes die zu verbüßenden Strafen von sechs Monaten gestrichen wurden, sodaß gerade in den Bereichen, in denen die bedingten Entlassungen häufig stattfinden, also in den unteren Strafausmaßbereichen, durch die Amnestie, die in der Statistik nicht unter die gerichtlichen bedingten Entlassungen fällt, ein Ausgleich stattfand.


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Außerdem – und das ist erfreulicherweise festzustellen – nehmen die von den Gerichten verhängten teilbedingten Strafen zu, und aus dem unbedingten Teil der teilbedingten Strafe gibt es bekanntlich keine bedingte Entlassung. Im übrigen ist, was aus der Statistik noch nicht zu ersehen ist, im Jahr 1997 die Anzahl der gerichtlichen bedingten Entlassung neuerlich gestiegen, obwohl auch hier noch gewisse Nachwirkungen der Amnestie zu verspüren sind, die zu einer Restriktion der gerichtlichen bedingten Entlassungen geführt haben.

Was die regionale Unterschiedlichkeit anlangt, so kann ich grundsätzlich bestätigen, daß hier unterschiedliche Praktiken gegeben sind. Allerdings muß man doch auch berücksichtigen, daß dort, wo es keine Justizanstalten gibt, sondern nur in den gerichtlichen Gefangenenhäusern Kurzstrafige sitzen, die bedingte Entlassung ungleich leichter erteilt wird, weil es sich meistens um erstmals einsitzende Täter handelt, während in jenen Bereichen – und es ist ja für die bedingte Entlassung das Vollzugsgericht zuständig –, in denen sich die großen Strafanstalten mit vor allem schweren Verbrechern befinden, wo die einsitzenden Straftäter schon x-Vorstrafen verbüßt haben, auch aus dem Unterschied dieser oftmaligen Verbüßung von Straftaten, aber auch von sehr langen Strafdauern natürlicherweise eine geringere Intensität gegeben ist. Das dennoch auch von mir festzustellende Ost-West-Gefälle in dieser Frage wie auch in anderen Fragen wird man wohl nur durch eine noch weiter intensivierte Diskussion zwischen den Akteuren klären können, und wir versuchen das durch viele Fortbildungsveranstaltungen herbeizuführen.

Was konkret angesprochene Fragen zu laufenden Strafverfahren anlangt, so möchte ich sagen, daß im Fall des Herrn Primarius Gross sicher keine Verzögerung in der weiteren Verfahrensdurchführung stattfindet. Im wesentlichen warten wir – und der betreffende Abgeordnete weiß das auch – auf die aus dem Ausland zu beschaffenden Unterlagen, die wir urgiert haben, die aber bis jetzt nicht gekommen sind.

Was die Fälle Lachout und Polacek anlangt, haben wir in schriftlichen Anfragebeantwortungen die Gründe für die Verzögerung bekanntgegeben. Der letztgenannte Fall befindet sich derzeit im Stadium staatsanwaltschaftlicher Endantragstellung.

Was die Angelegenheit des Salzburger Polizeibeamten anlangt, wird seitens der Justiz nach allen strafrechtlich relevanten Richtungen hin eine Prüfung stattfinden. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Nach allen Richtungen, die strafrechtlich relevant sind!

Ich möchte zum Abschluß, ohne damit beschwichtigend oder das Bild verzerrend sein zu wollen, zur Abrundung des Bildes aber doch sagen, daß eine im Berichtsjahr durchgeführte internationale Studie über Verbrecher und Verbrechensopfer ergeben hat, daß Österreich in fast allen untersuchten Bereichen eine vergleichsweise niedrige Kriminalitätsrate aufweist und es ähnlich positiv aussieht mit der Zahl der Verbrechensopfer und mit der Anzahl der Befragten, im kommenden Jahr Opfer eines deliktischen Angriffes zu werden.

Ich meine, daß es zur fairen und vollständigen Information der Öffentlichkeit auch solcher positiver Botschaften bedarf und daß auch sie in die Überlegungen der Legislative und der Exekutive einzubeziehen sind, damit unsere Strafrechtspolitik die notwendige Ausgewogenheit aufweist, eine Ausgewogenheit, um die sich das Justizressort wie bisher auch in Zukunft bemühen wird. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Innenminister! Herr Justizminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Puttinger – Ihr Wort in Gottes Ohr! Ich habe gesehen, wie Kollege Leiner immer kleiner geworden ist. Er ist nämlich


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jener aus Ihrem Kreis, der sich sehr stark dafür eingesetzt hat, Heroin auf Krankenschein auszugeben. (Rufe bei den Freiheitlichen: Aha! Schurke!)

Aber er ist ja leider Gottes nicht der einzige in der ÖVP. Kollege Kampichler hat auch einmal eine entsprechende Pressemitteilung gemacht. (Neuerliche Rufe bei den Freiheitlichen: Aha! Schurke!) Ich hoffe nur, daß durch die Vorgabe der Europäischen Volkspartei die Haltung in Brüssel keine Umfallerpartie wird, wie wir es sonst von Ihnen kennen, sondern daß Sie diese von Ihnen vorgetragene Meinung, diesen vom Kollegen Puttinger vorgetragenen Standpunkt beibehalten. (Abg. Haigermoser: Schwere Krise in der ÖVP! – Abg. Dr. Khol: Haigermoser! Er wird Sie lieben! Man muß zuerst denken, dann wird er Sie lieben!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zahlen des Sicherheitsberichtes im Zusammenhang mit der Suchtgiftkriminalität – damals hieß es noch Suchtgift – sind alarmierend, sind schockierend – das ist kein Vorwurf, Herr Innenminister, es ist von der Exekutive eine durchaus positive Arbeit in diesem Bereich geleistet worden –, es ist zu einem gewaltigen Anstieg gekommen, der, wie ich meine, nicht nur auf den verstärkten Einsatz der Exekutive zurückzuführen ist, sondern leider Gottes auch auf den verstärkten Handel und den verstärkten Konsum.

Herr Innenminister! Ich begrüße es, daß Sie, was Haschisch und die Freigabe von Drogen anbelangt, eine ablehnende Position bezogen haben. Ich hoffe nur, daß auch die Abgeordneten Ihrer Fraktion in Brüssel eine entsprechende Stellung dazu einnehmen. Kollege Puttinger hat bereits angesprochen, welche Aktivitäten in Brüssel gesetzt wurden. Die, wie ich meine, nicht besonders erfolgreiche Gesundheitsministerin der Niederlande hat ein entsprechendes Papier eingebracht, das zur Diskussion stand. Darin geht es um die Freigabe von Drogen, sogar auch der harten Drogen, die auf Rezept abgegeben werden sollen. – Das ist sicher nicht unser Weg, das ist nicht der Weg der Freiheitlichen. Hier sind andere Maßnahmen zu setzen.

Ich finde es schon erstaunlich, daß das Liberale Forum eine Pressemitteilung herausgibt, namentlich Kollegin Motter, in der sie – abgesehen davon, daß sie davon spricht, daß immer wieder fälschlicherweise ein kontraproduktiver Umgang mit jener sogenannten Einstiegsdroge, die als Pflanze zu bezeichnen ist, begangen wird – erstaunlicherweise die Niederlande, die eine erfolglose Drogenpolitik betrieben haben, als Beispiel anführt. – Frau Kollegin Motter! Es wäre durchaus sinnvoll, wenn Sie sich ein anderes Land dafür aussuchen würden, wenn Sie etwa Norwegen als Beispiel nehmen würden: In Norwegen gibt es nur mehr alte Junkies, aber keine jungen Junkies mehr. In Norwegen betreibt man eine restriktive Drogenpolitik. In Norwegen versucht man, die tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen und ist damit sehr erfolgreich.

Wenn die Zahl im nächsten Sicherheitsbericht eine noch höhere ist, wird das für uns sicherlich kein Anlaß sein, Ihnen deswegen einen Vorwurf zu machen, Herr Innenminister. Ich darf Sie nur ersuchen, tatsächlich darauf zu beharren, daß auch weiterhin eine – wie auch von uns geforderte – restriktive Drogenpolitik betrieben wird und keine Verharmlosung stattfindet, daß keine Resignation eintritt, sondern das bestehende Problem entsprechend aufgegriffen und ihm entgegengewirkt wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Achs. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.25

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Scheibner hat vom Sicherheitsgefühl der Österreicher gesprochen. – Herr Kollege! Dazu möchte ich Ihnen sagen, dieses ist in Österreich so groß – um nur ein Beispiel zu nennen –, daß Regierungsmitglieder ohne Begleitschutz zu Fuß von ihren Büros ins Parlament gehen können. So schaut es bei uns in Österreich wirklich aus! (Ruf bei den Freiheitlichen: Der Vranitzky hat heute noch einen Begleitschutz!)

Meine Damen und Herren! Es wurde heute schon sehr viel über die neuen Formen der Kriminalität – wie Schlepperunwesen und das organisierte Bandentum – gesprochen. Der Bereich


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des Schlepperunwesens ist bei der Gewinnabschöpfung bereits mit jenem des Drogenhandels vergleichbar. Dieser negativen Entwicklung zum Trotz ist es gelungen, daß Österreich weiterhin zu den sichersten Ländern der Welt zählt. Dafür gibt es triftige Gründe:

Erstens ist Österreich ein Land, in dem das Grundbedürfnis Sicherheit ernst genommen wird; zweitens wurden die veränderten Verhältnisse rechtzeitig erkannt; und drittens wurden die nötigen Rahmenbedingungen sowohl personeller als auch technischer Natur geschaffen. Sicher sind auch Strukturreformen, neue Schwerpunktsetzungen und die verstärkte internationale Zusammenarbeit mit Gründe für die positive Bilanz, die wir heute ziehen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte als Beispiel für die gute Entwicklung der letzten Jahre insbesondere das Burgenland hervorheben. Das ist jenes Bundesland, in dem immerhin mehr als 50 Prozent der illegalen Grenzgänger aufgegriffen werden. Es ist daher als besonderer Erfolg zu werten, daß das Burgenland heute trotz der exponierten Lage und des starken Migrationsdrucks aus dem Osten nach wie vor jenes Land ist, das mit Abstand am sichersten ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Aber 1997 ist nicht mehr sicher gewesen!)

Aus dem Sicherheitsbericht geht hervor, daß das Burgenland – wir reden von 1996 – bei den strafbaren Handlungen unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl um mehr als 40 Prozent unter dem österreichischen Durchschnitt liegt. Aber nicht nur das: Auch bei der Aufklärungsquote liegt das Burgenland im Vergleich mit anderen Bundesländern im Spitzenfeld.

Dieses hohe Sicherheitsniveau ist keine Selbstverständlichkeit. Man bedenke nur, welche Probleme unsere deutschen Nachbarn mit einer inflationären Kriminalität an ihren Ostgrenzen haben. Daher muß hier ganz deutlich gesagt werden, daß die innere Sicherheit unseres Landes Vorbildcharakter hat. Das zeigt sich jetzt auch bei der Umsetzung des Schengener Abkommens. Der Aufbau des Grenzdienstes als Schutzschild gegen die grenzüberschreitende Kriminalität zeigt Wirkung und sorgt nicht nur in den Grenzregionen im Osten, sondern im ganzen Bundesgebiet für mehr Sicherheit.

Diese Tatsache bringt vielleicht der Titel einer APA-Meldung vom 2. Jänner dieses Jahres am besten auf den Punkt. Ich zitiere: "Scharfe Kontrollen im Osten, weniger Illegale in Vorarlberg".

Meine Damen und Herren! Jedes noch so gute Konzept steht und fällt mit den Menschen, die es in die Tat umsetzen. Gerade im Bereich der inneren Sicherheit finden wir eine Vielzahl an hochmotivierten Beamten, die Tag für Tag und oft unter schwierigen Bedingungen dafür sorgen, daß die Bevölkerung unseres Landes sich sicher fühlen kann. Dafür gebührt ihnen Respekt und Anerkennung.

Darüber hinaus muß seitens der Politik weiterhin alles unternommen werden, damit diese Beamten die bestmöglichen und machbarsten Rahmenbedingungen für ihre gesellschaftlich so wichtige Tätigkeit vorfinden. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit und das Wissen aus der Gegenwart zeigen, daß dieser Weg für die sicherheitspolitische Zukunft unseres Landes der einzig richtige sein kann. (Beifall bei der SPÖ.)

19.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.30

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte einleitend festhalten, daß sich im Bereich der Sicherheit in den letzten Jahren doch einiges verändert hat. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind heute teilweise ganz anders, als sie es noch im Jahr 1996 waren. Zum Beispiel das im Juli 1997 beschlossene umfassende Fremdenpaket und die stufenweise Grenzöffnung für die Schengenmitglieder schaffen neue Gegebenheiten. Obwohl Österreich zu einem der sichersten Länder Europas gehört, muß man jedoch sagen, daß die Gesamtkriminalität auf einem unverändert hohen Niveau liegt.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich möchte mich in meinem heutigen Debattenbeitrag ausführlicher mit der Problematik rund um das Schlepperunwesen befassen. Noch nie wurden in Österreich so viele Flüchtlinge und Schlepper aufgegriffen wie im vergangenen Jahr. Waren es 1996 noch 8 700 illegale Grenzgänger, so konnten im Jahr 1997 beinahe 11 500 an der österreichischen Grenze aufgegriffen werden (Zwischenruf der Abg. Aumayr ), das sind um fast 30 Prozent mehr. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, daß der Grenzschutz stark verbessert wurde. Die personelle und technische Ausstattung der Grenzgendarmerie im Zuge der eingangs erwähnten Umsetzung des Schengener Abkommens hat sich sicherlich positiv auf die Zahl der Aufgegriffenen ausgewirkt.

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, daß die Situation an der EU-Außengrenze zum Beispiel im Mühlviertel derzeit bei weitem nicht so erfreulich ist, wie es oft dargestellt wird. Trotz der hervorragenden Erfolge der Beamten der Grenzgendarmerie und trotz des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres an der burgenländischen Grenze erscheint es mir, sehr geschätzter Herr Bundesminister, wichtig, auf die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet des Schlepperunwesens Bedacht zu nehmen. Zwei Gründe sind es meiner Meinung nach, die hierfür verantwortlich sind:

Die einzelnen Schleppertrupps werden zunehmend perfekter organisiert – eine Tatsache, die bereits dem Sicherheitsbericht 1996 zu entnehmen ist und die sich 1997 weiter verschärft hat. Und ich glaube, daß sich das noch weiter verschärfen wird. Aus der Schlepperei ist mittlerweile ein Milliardengeschäft geworden. Sie, Herr Bundesminister Schlögl, haben es heute selbst bestätigt. Verlierer dieses Spiels sind meistens die illegalen Einwanderer, die auf die Versprechen der Schlepper vertrauen und dann irgendwo zurückgelassen werden – ohne Geld, ohne Arbeit, ohne Zukunft. Eine Zerschlagung dieser Schlepperringe kann nur durch eine verbesserte Zusammenarbeit innerhalb Europas, aber auch mit den osteuropäischen Staaten gelingen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer Aspekt ist die Harmonisierung der Visaregelungen zwischen der EU und den beitrittswilligen Nachbarstaaten. Teilweise besteht bei der Einreise in diese Staaten aufgrund der derzeitigen Rechtslage überhaupt keine Visapflicht. Eine bestehende Visapflicht wird sehr locker gehandhabt. Diese unterschiedlichen Reisebedingungen führen dazu, daß Menschen aus diesen Staaten über Österreich einen Weg in die EU suchen. Zur Verhinderung solcher Vorfälle wäre daher eine Mithilfe dieser Länder wünschenswert.

Spätestens zum Zeitpunkt des Beitritts zur EU werden die beitrittswilligen Oststaaten ihre Visaregelungen der EU anpassen müssen. Österreich sollte aber schon jetzt versuchen, im Interesse einer baldigen Harmonisierung und zur Verhinderung der Begünstigung illegaler Einreisender in die EU diese Staaten von der Notwendigkeit der Einführung der Visapflicht zu überzeugen.

Faktum ist, daß trotz des erfolgten verbesserten Grenzschutzes in den letzten Monaten die Kriminalität in den Grenzgemeinden stark zugenommen hat. Diese Entwicklung bringt es mit sich, daß die ansässige Grenzbevölkerung – besonders betroffen ist das Mühlviertel – um ihre persönliche Sicherheit in höchstem Maße besorgt ist.

Geschätzter Herr Bundesminister Mag. Schlögl! Ich erwarte von Ihnen, daß Sie rasch Maßnahmen setzen, damit das positive Sicherheitsgefühl der Bürger an unseren EU-Außengrenzen bald wieder gefestigt ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

19.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.35

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Sätze zu drei Themen: erstens: Vorsorge gegen Drogenkonsum bei Jugendlichen, zweitens: Waffensteuer als Strafsteuer für gesetzestreue Bürger, drittens: Schlepperkriminalität als neue weltweite Geißel.


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Zum ersten Thema ist ein Dank auszusprechen. Im Vorjahr habe ich eine interministerielle Arbeitsgruppe zwischen den Ministerien Unterricht, Soziales, Familie und Innenressort vorgeschlagen; diese Arbeitsgruppe gibt es heute. Ich möchte mich daher bei allen Beamtinnen und Beamten, die in dieser Arbeitsgruppe gemeinsam zur Prävention bei Jugendlichen gegen den Drogenkonsum arbeiten, sehr herzlich bedanken, und ich weite diesen Dank gerne und ausdrücklich auf Frau Ministerin Gehrer, Frau Ministerin Hostasch, Herrn Minister Bartenstein und Herrn Innenminister Schlögl aus.

Im Sinne der Drogenprävention findet im April dieses Jahres ein Aktionsmonat in den Schulen und um die Schulen statt. Das Jahr 1998 wurde von diesen Ministerien gemeinsam als Schwerpunktjahr zur Drogenprävention bei Jugendlichen festgelegt.

Zum zweiten Thema: Waffensteuer als Strafsteuer für gesetzestreue Bürger. Von den Rednern meiner Fraktion wurde bereits ausführlich begründet, warum das unserer Meinung nach kein wirksames Mittel ist. Ich sage nur folgenden Satz dazu: Mit dieser Strafsteuer vermeiden Sie kein einziges Verbrechen – nur das ist jedoch das Ziel unserer gemeinsamen Bemühungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum dritten Bereich, Schlepperkriminalität als neue weltweite Geißel, möchte ich Sie bitten, eine Initiative zu unterstützen, nämlich die österreichische Initiative bei den Vereinten Nationen, die bei der 52. Generalversammlung der Vereinten Nationen von unserem Außenminister Wolfgang Schüssel vorgetragen wurde, der auch voll und ganz zu diesen Inhalten steht und sie weitertreibt.

Ich möchte neben dem menschlichen Leid nur eine Zahl, die die internationale Organisation für Migration herausgegeben hat, nennen: Man schätzt, daß diese Gaunerbanden, diese Schlepperbanden, die mit dem menschlichen Leid ihre Geschäfte machen, innerhalb eines Jahres zwischen 65 und 90 Milliarden Schilling verdienen. Daran sieht man auch die Größenordnung dieser neuen internationalen Organisation. Und wenn, wie der Herr Justizminister und der Herr Innenminister ausdrücklich in ihren Beiträgen gesagt haben, in den §§ 64 und 104 Strafgesetzbuch und im § 104 des Fremdengesetzes strenge Strafen in Österreich, aber auch außerhalb von Österreich, wenn Österreicher an Schlepperkriminalität beteiligt sind, vorgesehen sind, dann ist es notwendig, daß diese strengen Strafen über die UNO-Konvention auch in den Herkunftsländern, in all diesen Staaten und im internationalen Völkerrecht verankert werden, um damit die Bekämpfung dieser Menschenschmuggelverbrecher – wie sie Kollege Kiss genannt hat – voranzutreiben und ihnen das Handwerk zumindest so weit zu erschweren, daß sie es nicht mehr in dem derzeitigen Ausmaß betreiben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese UN-Verbrechensverhütungskommission wird in Wien im Frühjahr dieses Jahres tagen. Sorgen wir gemeinsam dafür, daß diese österreichische Initiative zu einem weltweiten Erfolg im Kampf gegen das Schlepperunwesen wird! (Beifall bei der ÖVP.)

19.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte daher, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, den vorliegenden Bericht III-101 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Kenntnisnahme beitreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Novellierung des Waffengesetzes 1996.


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Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Amon, Mag. Guggenberger und Genossen betreffend die Drogenpolitik der EU und Österreichs.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (E 103.)

7. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (939 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird, und den Antrag 158/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 467/1995, geändert wird, sowie den Antrag 446/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 467/1995, geändert wird (1058 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (950 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (1059 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (941 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert wird (1060 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 548/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend die Gleichberechtigung von Schulkindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bezüglich der Schulbesuchsdauer (1061 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 631/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Beibehaltung der Assistentenstellen an den Höheren Technischen Lehranstalten (1062 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 519/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1019 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 560/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Einführung einer "Geschlechterbewußten Koedukation" (1020 der Beilagen)


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten damit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Redner Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.42

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Bundesminister! Dieses Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz geändert wird, ist sicherlich sehr notwendig, denn es enthält jetzt eine bundeseinheitlich verbindliche Semesterferienregelung.

Wir haben ja erlebt, was bei einer Freigabe zustande kommen kann: Acht Bundesländer haben sich seinerzeit die gleiche Semesterferienwoche ausgesucht. Nur das Burgenland hat es damals vorgezogen, die Semesterferien in einer anderen Woche anzusetzen, während alle anderen acht Bundesländer in der gleichen Woche Ferien machen wollten. Daher ist dieses Gesetz sicherlich ein Fortschritt.

Interessant ist aber die Tatsache, wie dieses Gesetz schlußendlich zustande gekommen ist. (Abg. Schwarzenberger: Das Burgenland ist anders!) Du hast recht: Das Burgenland ist anders! – Das Zustandekommen dieses Gesetzes ist die Geschichte des treuen Dieners seiner Herrin, nämlich des treuen Dieners Höchtl, der schon vor ungefähr zwei Jahren einen Antrag der Freiheitlichen auf den Tisch bekommen hat. Die Freiheitlichen reagieren eben, wie immer, am schnellsten!

Kollege Höchtl! Ich nenne Ihnen die Chronologie: Am 16. April 1996 haben die Freiheitlichen erkannt, daß da ein Fehler vorliegt, der der Tourismuswirtschaft schaden könnte, und daher haben sie sofort diesen Antrag eingebracht. Kollege Höchtl hat dann auch relativ rasch reagiert und hat bereits am 14. Mai 1996 einen Unterausschuß eingerichtet. Wir wollten auch sofort tagen. Er hat sich dann aber vermutlich gedacht: Nein, diesen Erfolg gönne ich den Freiheitlichen nicht, die sollen sich nicht beliebt machen bei der Tourismuswirtschaft, meine Herrin soll diesen Erfolg haben!, und er hat sich überlegt: Wie kann ich diesen Erfolg meiner Herrin zuteil werden lassen? – Es gelang ihm, indem er unseren Antrag ins Ministerium geschickt und gesagt hat: Macht doch aus diesem Antrag der Freiheitlichen eine Regierungsvorlage!

Man hat sofort begonnen, an dieser Regierungsvorlage zu basteln – immerhin im Mai 1996. Und man hat gebastelt und gebastelt, und der Pepi Höchtl hat urgiert und hat gesagt: Freunde, macht weiter! Aber Kollegin Gehrer war so sehr in ihrem Ankündigungspopulismus gefangen, daß sie mit der Arbeit nicht wirklich weitergekommen ist. Daher hat es schlußendlich, meine Damen und Herren, bis zum 15. Jänner 1998 gedauert, bis dieser am 14. Mai 1996 eingesetzte Unterausschuß zum ersten Mal zusammengetreten ist, und gleichzeitig ist uns die Regierungsvorlage auf den Tisch gelegt worden.

Meine Damen und Herren! Man höre und staune: Es ist in diesem kleinen Ministerium, dem Frau Minister Gehrer vorsteht, tatsächlich gelungen, in zwei Jahren wirklich ununterbrochener Arbeit diesen Antrag wortwörtlich abzuschreiben und als Regierungsvorlage einzubringen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Mit zwei Jahren Verspätung wurde der Problematik im Tourismus doch noch Abhilfe geschaffen.

Es lebe die Regierungsarbeit, wenn sie auch auf Basis eines Antrages der Freiheitlichen geleistet wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.46


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Dr. Fuhrmann: 10 Minuten ist zuviel, Josef!)

19.46

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Es kommt drauf an: Wenn du keine Zwischenrufe machst, wird es vielleicht auch ein bisserl kürzer! – Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht gewußt, daß Kollege Schweitzer, der ein recht guter Sportler und Sportsprecher ist, plötzlich zum Schauspieler mutiert ist. Aber du hast es recht passabel gemacht, das muß ich dir sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese Bewerbung reicht vielleicht für eine zusätzliche oder die nächste Karriere. Das ist eine Möglichkeit, die du überlegen solltest!

Aber nun Spaß beiseite, kommen wir zum Gesetz, das wir heute novellieren, zurück. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Darstellung des Kollegen Schweitzer betreffend die Frage des Schulzeitgesetzes hat natürlich folgenden Hintergrund, den man kennen muß: Wir haben erst im Jahr 1995 eine wirklich fundierte Reform des Schulzeitgesetzes vorgenommen. Nach etlichen Jahren des Hin und Her, in denen sich die einzelnen Ländern nicht einigen konnten – denn vorher galt die Bestimmung, daß sich die einzelnen Länder auf die jeweiligen Semesterferien zu einigen haben –, haben wir eine Fixierung vorgenommen, gemäß welcher alle neun Bundesländer in drei Semesterwochenkategorien eingeteilt werden und eine auch schülerpopulationsmäßig ziemlich gerechte Verteilung für die Semesterferien in ganz Österreich vorgesehen ist.

Diese Festlegung hat Gott sei Dank auch alle Querelen und Bemühungen um Koordinationen, die es in den vergangenen zwei Jahren gegeben hat, überstanden. Deswegen möchte ich von vornherein sagen: Es ist sowohl im kommenden Februar als auch im nächsten Jahr und sicher auch in den kommenden Jahren damit zu rechnen, daß in jener Woche, die dem ersten Montag im Februar folgt, in den Bundesländern Niederösterreich und Wien die Semesterferien stattfinden werden, in jener Woche, die dem zweiten Montag im Februar folgt, in den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg, und in jener Woche, die dem dritten Montag im Februar folgt, in den Bundesländern Oberösterreich und Steiermark.

Das sage ich deswegen, weil im Laufe der Diskussion und der öffentlichen Erörterung eine gewisse Verunsicherung entstanden ist, ob auf diese Weise eine Planbarkeit der Semesterferien möglich ist und somit die entsprechend rechtzeitige Buchung in den einzelnen Ferienorten. – Heute können wir sagen: Wir haben in dieser Diskussion erreicht, daß an dieser Planung festgehalten wird, das heißt, Eltern und Schüler können damit rechnen; es wird aber auch der so notwendige Impuls für die Fremdenverkehrswirtschaft gegeben. Wir können damit rechnen, daß diese Struktur der Semesterferien auch in den kommenden Jahren erhalten bleibt. Ich glaube, das ist ein Signal der Planbarkeit und Sicherheit auch für die kommenden Jahre!

Zum zweiten: Das einzige Bundesland, das mit dieser Regelung aus dem Jahre 1995 Probleme hatte, war – wie du weißt – Vorarlberg. Auch wenn wir diesen Antrag im Jahre 1996, dem auch ein ÖVP-Antrag gefolgt ist, damals erörtert hätten, hätte das überhaupt keine Relevanz gehabt. Denn jene kleine Änderung, die wir heute im Schulzeitgesetz vornehmen, kann für Vorarlberg frühestens im Jahre 2002 Bedeutung erlangen. Herr Kollege Schweitzer! Wir hätten uns noch etwas Zeit lassen können, dennoch hätte es die Möglichkeit gegeben, das Problem auch für Vorarlberg bundesgesetzlich rechtzeitig zu lösen. Das war die wahre Herausforderung, das war der Hintergrund, vor welchem wir all diese schwierigen Koordinationsbemühungen zu bewältigen hatten.

Dieses Problem hatte aber in keiner Form negative Auswirkungen auf Vorarlberg und die Fremdenverkehrswirtschaft. Ich glaube, das können sowohl meine Kollegen aus der Sozialdemokratischen Partei als auch meine Kollegen aus der Volkspartei und natürlich auch jene aus den Oppositionsparteien sagen, wenn sie zu dem stehen, was wahr ist. Ich glaube, das muß hier


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auch festgehalten werden! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Ihr habt euch dieser Herausforderung mannhaft gestellt!)

Was haben wir geregelt? – Wir haben, entgegen der Behauptung des Kollegen Schweitzer, eine viel aufwendigere Regelung getroffen als die im Antrag der Freiheitlichen enthaltene. Wir haben die Chance eröffnet, daß eine Verschiebung der Ferien um eine Woche dann erfolgen kann, wenn gleichlautende Anträge des Landesschulrates und des Bundeslandes gestellt werden. Dann hat der Bundesminister oder die Bundesministerin die Möglichkeit, sofern verkehrspolitische Gründe oder überregionale Interessen dem nicht entgegenstehen, eine entsprechende Verordnung zu erlassen. Diese Verordnung muß vor Beginn jenes Kalenderjahres erlassen werden, das den Semesterferien vorangeht.

Das bedeutet beispielsweise: Wenn eine Verschiebung im Jahre 2002 vorgenommen werden soll, müßte spätestens im Jahre 2000 eine derartige Verordnung erlassen werden, damit sie im Jahre 2002 wirksam werden kann. Denn man hat sehr wohl darauf geachtet, daß es nicht wieder zu Situationen, wie wir sie bis zum Jahr 1995 gehabt haben, kommt, daß wir dann miteinander streiten mußten. Da hat Kollege Schweitzer ja recht, aber es war nicht die Schuld des Bundes, daß plötzlich acht Bundesländer in derselben Woche Semesterferien haben wollten! Um das zu vermeiden, haben wir beschlossen, diese Regelung beizubehalten, mit der genannten Ausnahme, die aber rechtzeitig vorgesehen werden muß. Wir behalten die fixe Dreierstaffelung bei, sodaß die Vorhersehbarkeit der Ferientermine auf längere Zeit garantiert werden kann und die Streuung der Semesterferien innerhalb Österreichs gewährleistet ist. – Das sind die wahren Gründe und Hintergründe für unsere Überlegungen zu dieser Novelle! (Abg. Dr. Graf: Warum erklärst du das so kompliziert?) Herr Kollege Graf! Alle anderen acht Bundesländer haben gesagt, daß sie keinen zusätzlichen Regelungsbedarf haben. Aber da wir eben sehr föderalistisch orientiert sind, haben wir dem Wunsch Vorarlbergs fraglos Rechnung getragen.

Ich bin sehr froh darüber, daß diese Gesetzesnovelle jetzt nicht nur von den Regierungsparteien beschlossen werden wird. Im Unterrichtsausschuß haben alle fünf Fraktionen zugestimmt, und darüber können wir nach so vielen Gesprächen, Presseaussendungen und Initiativen ... (Abg. Mag. Schweitzer: Wir werden nicht gegen unseren Antrag stimmen!) Dieser Antrag hat nicht genauso gelautet wie der letzten Endes im Unterrichtsausschuß beschlossene Antrag! (Abg. Aumayr: Kollege Höchtl! Wo sind all deine Kollegen?)

Jedenfalls können wir letzten Endes sagen, daß wir zufrieden sind, ein so umfangreiches Problem mit der Zustimmung aller fünf Fraktionen gelöst zu haben. Als Obmann des Unterrichtsausschusses muß ich sagen: Es wäre überhaupt nichts Positives geschehen, wenn wir vor einem Jahr im Ausschuß diskutiert hätten. Es ist eine wichtige Aufgabe des Obmannes, daß er gemeinsam mit seinem Stellvertreter die Arbeit so koordiniert, daß man zu positiven Ergebnissen kommt, die im Konsens getroffen, von den Bundesländern positiv bewertet werden und die letzten Endes auch die Zustimmung aller Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten finden. In diesem Sinn meine ich, daß dieses Gesetz auch jetzt im Plenum mit einem klaren Ja zu versehen ist! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 19 Minuten, und Sie wollen 10 Minuten verbrauchen. Bitte.

19.56

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Kollege Höchtl! Wie schwach Ihre Argumentation zur Erklärung der herrschenden Umstände war, hat sich für mich darin gezeigt, daß Sie Ihre gesamte Redezeit verbraucht haben, um die Hintergründe zu erklären, sodaß Sie auf die anderen, wie ich meine, doch auch wichtigen Materien überhaupt nicht mehr eingehen konnten. Herr Kollege Höchtl! Als Obmann des Unterrichtsausschusses und Unterrichtssprecher haben Sie Argumentationsnotstand gehabt! (Abg. Dr. Höchtl: Bei Ihnen habe ich nie Argumentationsnotstand!) Das ist aber nur Ihre ganz persönliche Einschätzung, und die wird nicht von allen geteilt, Herr Kollege!


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Kollege Schweitzer hat die Situation vielleicht etwas humoristisch geschildert, aber genauso haben sich die Dinge zugetragen, das kann ich bestätigen! (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und den Freiheitlichen.)

Es ist ja gar nichts Besonderes, daß mit Anträgen der Opposition ganz allgemein so umgegangen wird, aber diesmal war der Zeitraum besonders lang. (Abg. Dr. Graf: Gehen Sie mit meinem Sitznachbarn nicht allzu scharf ins Gericht!) Ich werde versuchen, mich einzubremsen.

Kollege Höchtl hat schon gesagt, daß wir dem Schulzeitgesetz insgesamt zustimmen werden. Wir halten das im Sinne der Tourismuswirtschaft und aus verkehrspolitischen Überlegungen für wichtig, aber ganz besonders natürlich auch deswegen, weil wir die Erholungsmöglichkeit der Kinder in den Mittelpunkt stellen.

Ich möchte die Länder in diesem Zusammenhang ansprechen: Der Tourismus-Landesrat, Landeshauptmann Weingartner von der ÖVP, wird sich in Tirol gegenüber der Tourismuswirtschaft der Frage, warum sich Tirol dazu negativ geäußert hat, noch zu stellen haben. Wir haben ja bald Landtagswahlen, und da wird er die richtige Antwort schon noch bekommen.

Zum Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz: Insgesamt stimmen wir diesem zu. Wir halten eine Flexibilisierung hinsichtlich des Einsatzes von Lehrern für wichtig. Wir glauben, daß ein effizienter und wirtschaftlicher Einsatz möglich ist. Aber wir stimmen nun einem Lehrer-Dienstrechtsgesetz insgesamt zum letzten Mal zu, weil wir glauben, daß die Pragmatisierung ein Relikt eines patriarchalen Beamtenstaates ist, daß die Pragmatisierung nicht leistungsfördernd, sondern eher leistungshemmend ist und daß sich das zu Lasten unserer Kinder auswirkt.

Frau Unterrichtsministerin! Sie haben schon angekündigt, daß Sie ein neues Lehrer-Dienstrechtsgesetz vorlegen werden, und zwar jenseits des Jahres 2000. Herr Klubobmann Khol, der leider nicht da ist, will natürlich die Pragmatisierung und das Beamtentum mit Zähnen und Klauen verteidigen. Wir werden uns daher auf die Seite des Herrn Staatssekretärs Ruttenstorfer stellen, der in dieser Hinsicht erste Ansätze gezeigt hat, die wir unterstützen werden.

Aber jetzt zu jenem Themenbereich, der mir persönlich, und zwar aus Überzeugung, das größte Anliegen ist: Gleichberechtigung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es geht uns darum, daß Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf in Integrationsklassen anderen Kindern gleichgestellt werden. Uns geht es darum, daß diese Kinder im Schulsystem gefördert werden, solange sie ein entsprechendes Potential haben. Das betrifft nur wenige Kinder, aber diese Kinder haben Einzelschicksale, und für sie ist eine Entscheidung von, wie ich fast sagen möchte, dramatischer Bedeutung.

In einem Schulsystem, in dem es 40 000 bis 50 000 Repetenten pro Jahr gibt und das Kosten in Milliardenhöhe verursacht, kann das finanzielle Argument jedenfalls nicht gelten, wie ich überhaupt meine, daß finanzielle Argumente, wenn es um Grundrechte von Menschen geht, keine Bedeutung haben. Das sage ich auch im Hinblick darauf, daß wir erst kürzlich alle gemeinsam eine Verfassungsänderung beschlossen haben. Im Artikel 7 ist das Verbot der Diskriminierung von behinderten Menschen jetzt klar und deutlich ausgedrückt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich glaube, wir müssen bei diesen Kindern von Einzelfall zu Einzelfall unterscheiden. Ich empfinde es tatsächlich als Anmaßung, wenn wir beziehungsweise Sie von der "Bühne" des Parlaments aus restriktiv die Möglichkeiten für einen weiteren Schulbesuch in Integrationsklassen, solange es Förderpotential bei diesen Kindern gibt, einschränken. Ich halte es außerdem für anmaßend, wenn man glaubt, daß die Situation einzelner Menschen ganz allgemein beurteilt werden kann.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sagen Sie mir bitte einmal: Was spricht dagegen, daß diese Kinder in Integrationsklassen weiter gefördert werden? Im Ausschuß haben Sie damit argumentiert, ob das überhaupt nötig ist, daß es möglicherweise gar nicht gut für die Kinder ist. Sagen Sie mir: Was spricht dagegen? Wem schadet diese Flexibilisierung? Wägen Sie die Vor- und Nachteile einmal gegeneinander ab! – Ich kann Ihnen zwei Vorteile nennen: Sie müßten sich dann nicht


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dem Vorwurf der Behindertenfeindlichkeit aussetzen, und die Eltern und die Betroffenen hätten die Freiheit der Entscheidung und der Selbstbestimmung.

Frau Unterrichtsministerin! Sie haben einmal sehr empfindlich reagiert, als ich Ihnen von dieser Stelle aus gesagt habe, daß Sie Behindertenfeindlichkeit an Österreichs Schulen zumindest zulassen. Ich sage Ihnen aber heute wieder von dieser Stelle aus, daß Sie sehr wenig sensibel dafür sind, was die Folgen dieser Entscheidung für die Betroffenen bedeuten, und daß Sie überhaupt sehr wenig sensibel für die Empfindungen dieser Menschen sind, die ohnehin schon schwer benachteiligt sind.

Herr Kollege Antoni von der SPÖ! Ich kann dir den Vorwurf nicht ersparen: Deine Zurückhaltung in der Diskussion, diese meiner Ansicht nach mangelnde Bereitschaft eines SPÖ-Abgeordneten und SPÖ-Bildungssprechers, sich für behinderte Menschen aktiv einzusetzen, tut mir geradezu weh und nimmt auch Glanz vom neuen SPÖ-Bildungsprogramm, zu welchem ich mich sehr positiv geäußert habe. Daher frage ich: Wie lange will die SPÖ in diesem Bereich noch Erfüllungsgehilfe sein – ich sage das so deutlich –, und wie lange will sie wirklich noch hart an der Grenze zu einer offenen Behindertenfeindlichkeit argumentieren?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe leider nur mehr wenig Zeit. Ich möchte aber doch noch auf zwei Anträge der Liberalen zu einem aktuellen Thema im Hinblick auf das Frauen-Volksbegehren zu sprechen kommen: Ich meine die Koedukation im allgemeinen. Wir haben als Zielsetzung angeregt, die Gleichsetzung von Männern und Frauen im § 2 des Schulorgansiationsgesetzes zu verankern. Denn wir meinen, daß das ein gesellschaftliches Ziel ist und daß es eine starke Ansage wäre, wenn die Schulen auf allen Ebenen ihre Bereitschaft deutlich machen könnten, zur Bewußtseinsbildung in Fragen der Gleichstellung beizutragen.

Wir haben auch einen Entschließungsantrag zur bewußten Koedukation eingebracht. Das war ein Themenbereich, den die Liberalen in Diskussion gebracht haben. Ich halte es für durchaus positiv, Frau Ministerin, daß Sie mit dem "Aktionsplan 2000 – 99 Punkte zur Mädchenförderung" Akzente gesetzt haben. Sie wollen diese 99 Punkte bis zum Jahre 2000 umsetzen, haben aber bisher noch keinen einzigen umgesetzt. Daher hielten wir es für sinnvoll, Sie dazu aufzufordern, zumindest fünf dieser Punkte in nächster Zeit tatsächlich zu realisieren! Ich glaube, daß rasches Handeln auf jeden Fall notwendig ist.

Wenn jetzt Kollegin Brinek, unterstützt von Kollegin Krammer, einen Entschließungsantrag zum selben Thema einbringt, so ist das laut Geschäftsordnung selbstverständlich legitim. (Abg. Dr. Krammer: Prammer?) Ich habe gesagt: Krammer. Aber Sie sind wahrscheinlich auch auf Frauenfragen konzentriert, daher ist diese Verwechslung zustande gekommen! Der Antrag der Kolleginnen Brinek und Krammer ist nach der Geschäftsordnung legitim, aber Ihre Intention ist so ähnlich wie beim Schulzeitgesetz – ich brauche das jetzt nicht näher auszuführen –: Ja nie einen Antrag der Opposition unterstützen, lieber selber etwas in die gleiche Zielrichtung Gehendes einbringen. Der Inhalt – schade, daß Kollegin Brinek jetzt nicht da ist! – dieses Antrages ist sehr, sehr milde formuliert!

Ich frage mich, was es eigentlich bedeutet, wenn eine Parteikollegin der Unterrichtsministerin diese ersucht, diesen Aktionsplan 2000 umzusetzen. Ich glaube, daß die Ministerin nicht wirklich darüber erfreut sein kann, daß sie diesen Entschließungsantrag der Kolleginnen Brinek und Krammer, der eigentlich ein "verkleideter" Mißtrauensvorschuß ist, nun in Händen hält. Dann das bedeutet letzten Endes, daß die Ministerin gar nicht vorhat, ihr eigenes Programm, ihre 99 Punkte in die Realität umzusetzen und zu verwirklichen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Antoni. – Bitte.

20.07

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wenn wir Sozialdemokraten heute der Novellierung des Schulzeitgesetzes zustimmen, so tun wir dies aus wohlüberlegten Gründen. Kollege Höchtl hat schon darauf hingewiesen: Es gab in der Tat intensive Beratungen mit Vertreterinnen und Ver


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tretern der Bundesländer und mit unserem Koalitionspartner. Natürlich war zu "basteln", wie Kollege Schweitzer das formuliert hat. Aber wenn man etwas wirklich Flexibles und Herzeigbares auf den Tisch legen will, braucht man eben Zeit dazu! (Abg. Mag. Schweitzer: Da solltet ihr wirklich einmal etwas Komplizierteres machen!)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick: Erst 1995 wurde das Schulzeitgesetz dahin gehend abgeändert, daß die Semesterferien für die einzelnen Bundesländer im Gesetz flexibel und verbindlich festgelegt wurden. Der Grund dafür lag darin, daß es bis 1995 immer wieder zu völlig unkoordinierten Vorgangsweisen bei der Gestaltung der Semesterferien gekommen ist, was zur Folge hatte, daß Straßen überlastet waren, daß es zu geballten Urlauberströmen kam – und letztlich Unmut ausgelöst wurde. Seitens der Eltern und Schüler wurde beklagt, daß durch häufige Veränderungen der Ferientermine längerfristige Planungen überhaupt nicht mehr möglich waren.

Mit der zeitlichen Flexibilisierung der Ferientermine im Februar sollte insbesondere eine gleichmäßige Auslastung der Verkehrsrouten, der Ferienorte, aber letztlich auch des Tourismus möglich sein. Wir können heute feststellen, daß sich die Regelung an sich grundsätzlich bewährt hat. Es ist aber notwendig geworden, auch auf andere Länder außerhalb Österreichs Rücksicht zu nehmen.

Unsere Nachbarstaaten in Europa haben ebenfalls eigene Ferienordnungen, und daher ist es nur sinnvoll und vernünftig, auch in Österreich eine flexiblere Regelung zuzulassen beziehungsweise zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da mich Frau Kollegin Schaffenrath im Zusammenhang mit der Frage der Integration angesprochen hat, möchte ich – ich hatte mir es auch vorgenommen – doch zu ihrem Entschließungsantrag ein paar Worte sagen. Vorweg gleich folgendes: Da Sie mir Zögerlichkeit und Zurückhaltung vorgeworfen haben, möchte ich schon darauf hinweisen, Frau Kollegin Schaffenrath, daß Österreich im deutschsprachigen Raum, was Integration anlangt, wirklich weit vor allen anderen Staaten liegt. (Abg. Schaffenrath: Nein!) Sie sind damit nicht zufrieden; ich auch nicht. Aber Sie können mir glauben, daß gerade wir Sozialdemokraten der schulischen Integration ganz besonders offen und engagiert gegenüberstehen und daß wir uns mit Ihrem Entschließungsantrag auch sehr intensiv befaßt haben.

Meine Damen und Herren! Wie sieht die derzeitige Situation aus? – Es wurde erst vor kurzem hier im Hohen Haus – darauf haben Sie bereits hingewiesen – die Fortsetzung der Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Hauptschule und in die Unterstufe der AHS beschlossen. Es gilt nun, wie wir meinen, die erforderlichen Maßnahmen in der Praxis im Interesse der Schülerinnen und Schüler sinnvoll umzusetzen. Selbstverständlich müssen wir aber dabei die Erfahrungen, die wir bisher mit diesen Maßnahmen hatten, in unsere Überlegungen hinsichtlich weiterer Integrationsmaßnahmen einbinden. Da muß man aber schon die Frage stellen: Welche Erfahrungen haben wir gemacht? (Abg. Schaffenrath: Herr Kollege! Wie viele Schuljahre Schulversuche gehen dem voraus?)

Frau Kollegin! Es gibt ein gutes Gesetz für den Bereich der Volksschule. Es gibt ein gutes Gesetz für den Bereich der Hauptschule und der Unterstufe der AHS. Es liegen positive Aussagen der Regierungsmitglieder, von Abgeordneten im Nationalrat und eine entsprechende Entschließung dazu vor. Das heißt, Gesetzgeber und Regierung stehen diesen Dingen sehr aufgeschlossen und positiv gegenüber. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt aber auch Erfahrungen aus der schulischen Praxis, die anders aussehen. Da, Kollegin Schaffenrath, gebe ich dir recht. Es gibt eine Reihe von Klagen. So kommt uns fallweise zu Ohren, daß Eltern um die Integration ihrer behinderten Kinder kämpfen müssen. Auch wird berichtet, daß die sonderpädagogischen Zentren sehr unterschiedlich beraten, manchmal eher in Richtung Integration, manchmal eher in Richtung Aufnahme in eine Sonderschule, und daß die Schulbehörden fallweise rigide reagieren. Das ist sicherlich alles richtig und entspricht den Tatsachen.


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Es wurden aber auch noch andere Erfahrungen gemacht. So wird zum Beispiel in Ergebnissen von Untersuchungen nachgewiesen, daß im Bereich der schulischen Integration unseren Vorstellungen und Erwartungen noch nicht gänzlich entsprochen werden kann. (Abg. Haidlmayr: Weil Sie die Rahmenbedingungen noch nicht geschaffen haben!) Wir sind dabei, Frau Kollegin, Sie haben ganz recht.

Wie hat die Situation im Schuljahr 1996/97 ausgesehen? – In Österreich gab es im vergangenen Schuljahr 25 364 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Pflichtschulalter. Davon wurden 70 Prozent in Sonderschulklassen und 30 Prozent bereits in Integrationsklassen unterrichtet; ich meine damit Volksschulen und Hauptschulen. Es ist bedauerlich – und da stimme Ihnen auch hundertprozentig zu –, daß es leider bislang keine Integrationsklasse im Bereich der AHS gibt.

Wir müssen weiters zur Kenntnis nehmen, daß es große Unterschiede bei den Integrationsmaßnahmen und Integrationsklassen in den einzelnen Bundesländer gibt. (Abg. Schaffenrath: Das habt ihr aber mitverschuldet!) Die Bereitschaft zu integrieren schwankt zwischen 62 Prozent und 16 Prozent Integration. Und das ist sicherlich allen, die das Gesetz mitbeschlossen haben, zuwenig.

Was will ich damit sagen, meine Damen und Herren? – Der Integrationsgedanke oder, besser gesagt, die Integrationsverpflichtung hat die mentale Ebene unserer Pädagoginnen und Pädagogen – aber auch im Bereich der Schulverwaltung – wahrscheinlich noch nicht in der Art und Weise beeinflußt, wie wir es uns wünschen. Wir müssen daher an der mentalen Einstellung und an der Bereitschaft, zu integrieren, arbeiten.

Ich meine, Frau Kollegin Schaffenrath, daß wir angesichts dieser Situation nicht wieder sozusagen ein kleines "Integrationspflaster" aufkleben sollten, sondern wir sollten uns wirklich umfassend, seriös und vielleicht doch so verantwortungsbewußt, wie ich es verstehe, mit der notwendigen Weiterentwicklung befassen beziehungsweise an der Erstellung eines gesamten Integrationskonzeptes für Österreich arbeiten. (Abg. Schaffenrath: Herr Kollege Antoni! Eine Entschließung ist doch kein Gesetz! Ihre Argumente würden dafür sprechen, diese Entschließung auch anzunehmen!) Ich bin verpflichtet und selbstverständlich auch dazu bereit, meine Redezeit, wie vereinbart, kurz zu gestalten, damit meine Kolleginnen und Kollegen auch noch an die Reihe kommen.

Meine Damen und Herren! Ich halte, um das, was uns vorschwebt, zu erreichen, eine ganz bestimmte Abfolge von Schritten für sinnvoll und logisch. Ich schlage folgende vier Schritte vor:

Erstens: Ich erwarte mit großem Interesse den Bericht des Unterrichtsministeriums, im speziellen jenen der Frau Bundesministerin Gehrer, über die Auswirkungen und Perspektiven der schulischen Integration im Bereich der Volksschule. (Abg. Haidlmayr: Den gibt es bereits!) Wir Sozialdemokraten haben dazu im Rahmen der 15. Schulorganisationsgesetz-Novelle einen Entschließungsantrag formuliert, und ich erwarte, daß unsere darin formulierten Forderungen bald eingelöst werden.

Zweitens: Experten sollten zum Thema Integration in Österreich ein Weißbuch erstellen. Darin sollten der Ist-Zustand, der Soll-Zustand, die internationale Situation, internationale Erfahrungen und Empfehlungen für die Zukunft festgehalten werden.

Drittens: Wir Sozialdemokraten meinen, daß eine Integrationsplattform eingerichtet werden sollte, in der Fragen der Integration auf hohem Niveau diskutiert werden können. (Abg. Haidlmayr: Die gibt es bereits! Das gibt es ja alles schon!) Ich bin am Wort, liebe Frau Kollegin! Ich nehme an, daß Sie sich auch zu Wort gemeldet haben. Ich bin jedenfalls nicht bereit, mir noch mehr Redezeit nehmen zu lassen.

Viertens: Ich bin der Ansicht, daß ab sofort, um die positive mentale Einstellung zur Integration zu fördern, insbesondere im vorschulischen Bereich – ich weiß schon, daß das nicht unmittelbar zu diesem Thema gehört; ich meine damit Kinderbetreuungseinrichtungen und Kindergärten – Integration wirklich verbindlich und selbstverständlich sein sollte. Ich meine, daß gerade ein


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solcher Schritt die mentale Einstellung zur Integration im schulischen Bereich sehr positiv beeinflussen kann.

Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Ich habe es noch übernommen, einen Abänderungsantrag einzubringen, und zwar betreffend das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Höchtl, Dr. Antoni und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 (941 der Beilagen), in der Fassung des Ausschußberichtes (1060 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Z 18 der Regierungsvorlage hat zu lauten:

"18. dem § 127 wird folgender Abs. 21 angefügt:

(21) Die Überschrift zu § 22, § 22 Abs. 1, § 22 Abs. 1a, § 22 Abs. 4, § 80 Abs. 1a, § 80 Abs. 2, § 82 Z 1, § 83 letzter Satz, § 86 Abs. 2a, § 90 Abs. 3, § 101 Abs. 3, § 102, § 102a, § 103 Abs. 1, § 103 Abs. 3, § 103 Abs. 4 und § 105 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxxx/1998 treten mit dem auf die Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Monatsersten in Kraft."

*****

Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schaffenrath: ... Einzelschicksale! Diese Kinder bleiben auf der Strecke!)

20.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.19

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! An den Ausführungen des Kollegen Höchtl war für mich faszinierend, wie es ihm gelang, 15 Minuten lang rhetorisch Barrikaden, die er selbst vorher aufgebaut hat, hinaufzuklettern. Es war nicht zuletzt Kollege Höchtl selbst, der zwei Jahre hindurch einen Unterausschuß, den wir gemeinsam beschlossen haben, nicht zusammentreten ließ; er hätte ihn nämlich einberufen müssen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Peter. ) Wir hätten diese Lösung, von der ich glaube, daß sie eine gute ist, schon viel früher erreichen können.

Herr Kollege Höchtl! Sie haben 15 Minuten lang gebraucht, um das zu erklären. Doch eines ist schon klar: Eine sensationelle, eine weltbewegende, eine besonders intelligente Lösung, die einen 15minütigen Redebeitrag rechtfertigen würde, ist das nicht. Das hängt damit zusammen, daß Föderalismus in Österreich schlicht und einfach schwierig ist. Daher hat dieser Prozeß sehr lange gedauert. Damit schließe ich das Thema Schulzeitgesetz ab. Aber ich bin noch nicht am Ende meiner Rede, Kollege Kier.

Das Thema Integration, das heute schon angesprochen wurde, ist mir schon wichtig. Frau Kollegin Schaffenrath hat gesagt, sie möchte gerne von Frau Bundesministerin Gehrer wissen, warum diese eigentlich so gegen die Integration ist, und sie hat dann selbst einige Gründe dafür angeführt, von denen ich aber meine, daß sie nicht die entscheidenden sind. Ich glaube, mich an die Ängste, die im Rahmen der Debatte im Ausschuß seitens der ÖVP-Bildungs- und -Schulpolitiker artikuliert wurden, erinnern zu können, und meine, daß diese Ängste und Befürchtungen


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nicht ausreichen, um diesen Antrag abzulehnen, denn die einzige Angst und Befürchtung, die im Hintergrund gestanden ist – und nach wie vor steht –, ist jene, daß, wenn Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ein zehntes oder gar elftes Schuljahr ermöglicht würde – was ja nichts anderes bedeuten würde als die Gleichstellung mit den anderen Schülern –, dies möglicherweise den Einstieg in die Sekundarstufe II bedeuten würde. Das ist die einzige Angst, die dahintersteht, und diese soll auch klar ausgesprochen werden.

Eines möchte ich Ihnen, Frau Ministerin, schon dazu sagen: Mit diesem Argument alleine sollten Sie es nicht verhindern, daß Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf den Abschluß einer Hauptschule oder einer anderen Schule machen können – das ist, glaube ich, auch das primäre Anliegen der Kollegin Schaffenrath –, daß sie dieselben Chancen eingeräumt bekommen, die andere Jugendliche haben. Eines ist klar: Durch die Begrenzung auf neun Jahre werden diese Jugendlichen extrem benachteiligt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. )

Meine Damen und Herren! Es hat Kollege Antoni, der jetzt wieder mühsam irgendwelche Ausflüchte gesucht hat, im Ausschuß sehr klar formuliert, daß das selbst die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen seiner Meinung nach eigentlich nicht völlig ausschließen. Wenn es also ein Schulunterrichtsgesetz gibt, das in dieser Frage nicht so eindeutig ist, wie es die Frau Unterrichtsministerin und die Schulbehörden in der Praxis interpretieren, wenn es tatsächlich nicht so klar ist, außerdem gleichheitswidrig ist und das Recht auf Chancengleichheit verletzt, wäre es doch das Mindeste, Frau Bundesministerin, daß Sie mit einem Erlaß das klarstellen, was Sie, meine ich, klarstellen können und, wie ich hoffe, auch wollen, daß nämlich diese Kinder und Jugendlichen durch ein zehntes und elftes Schuljahr die Möglichkeit erhalten, einen Schulabschluß zu machen. Das sollte man ihnen meiner Meinung nach nicht verwehren.

Ich hätte eigentlich gerne – auch wenn ich Kollegin Horngacher sehr schätze (Abg. Horngacher spricht mit der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Gehrer)  – diese Worte an die Frau Bundesministerin selbst adressiert, weil es mir wichtig ist, in dieser Frage eine klare Antwort zu bekommen, Frau Bundesministerin, ob Sie nämlich tatsächlich die Möglichkeit eines Hauptschulabschlusses für diese Jugendlichen, wenn ein solcher möglich wäre, verhindern wollen. Die Beispiele dafür, daß es diese Möglichkeit gibt, daß es solche Jugendlichen gibt, wurden in der Ausschußsitzung genannt. Aber ich glaube nicht, daß Sie das verhindern wollen.

Frau Bundesminister! Wenn es Ihnen nur darum geht, die Oberstufe auszuschließen, dann stellen Sie es mit einem Erlaß klar, daß Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf diese Möglichkeit eingeräumt wird. Der Gesetzentwurf ist zumindest nach Meinung des Kollegen Antoni nicht eindeutig genug, um das ausschließen zu können. Daher fordere ich Sie, Frau Bundesministerin, dazu auf, in dieser Frage für eine Klarstellung und für Gleichberechtigung zu sorgen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. )

20.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Horngacher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.25

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die derzeit im Schulzeitgesetz 1985 vorgesehene bundeseinheitlich verbindliche Semesterferienregelung wurde mehrmals kritisiert. Durch diese Regelung ist es speziell in Vorarlberg, aber auch in Tirol, in Fremdenverkehrsgebieten und anderen Regionen mit starkem Fremdenverkehr bei Eltern und Kindern zu Problemen, wie Wochenendstaus und langes Anstellen bei Liften, gekommen. Dies kann nun mit einer flexibleren Regelung vermieden werden.

Durch die nunmehrige Änderung ist es möglich, die Semesterferien in Zukunft besser zu gestalten. So kann das Unterrichtsministerium auf einvernehmlichen Antrag des Landesschulrates und des Landes den Beginn der Semesterferien für einzelne Bundesländer um eine Woche vor- beziehungsweise zurückverlegen. Dabei sollten die verkehrspolitische Situation – insbesondere auch im Zusammenhang mit allfälligen Urlaubsströmen aus dem Ausland – sowie andere überregionale Interessen berücksichtigt werden. Diese Regelung ist meiner Ansicht nach vernünftig, und es ist an der Zeit, daß sie getroffen wird.


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Zur Rede des Abgeordneten Schweitzer möchte ich folgendes feststellen: Was lange währt, wird endlich gut; Vaterschaftsprozesse gibt es – das habe ich immer wieder erlebt, seitdem ich in der Politik bin – immer und überall. Wenn etwas gelungen ist, will es jeder gewesen sein. Es hat nämlich in diesem Fall auch Karlheinz Kopf einen ähnlichen Antrag eingebracht.

Zum Antrag des Liberalen Forums, in dem gesetzliche Rahmenbedingungen für den weiteren Schulbesuch von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf über die Pflichtschule hinaus gefordert wird, möchte ich folgendes sagen: Ich bin der Ansicht, daß Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ein zehntes, ja eventuell auch ein elftes Schuljahr absolvieren können sollen. Dies muß aber in einer sinnvollen Form geschehen, beispielsweise wenn es darum geht, doch noch einen Hauptschulabschluß zu erlangen. Für nicht sinnvoll erachte ich es, solche Kinder bis zu ihrem 17. Lebensjahr irgendwo in Oberstufenklassen "aufzubewahren", denn auch sie brauchen Erfolgserlebnisse. Sie müssen auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereitet werden. (Abg. Öllinger: Dann machen wir das!)

Dabei geht es darum, wie schwer der Grad ihrer Behinderung ist. Für manche wird es richtig und gut sein, sie auf einen Arbeitsplatz entsprechend ihren Fähigkeiten vorzubereiten, bei anderen wird es notwendig sein, sie in geschützten Werkstätten oder Einrichtungen der Lebenshilfe unterzubringen. Sie müssen sich auf das zukünftige Leben entsprechend vorbereiten, denn sie sind dort nicht immer geschützt und aufbewahrt. Ich besuche solche Einrichtungen öfters und sehe, daß junge Menschen dort sehr glücklich sein können, wenn sie in der Weise spezifisch gefördert werden, daß sie stolz darauf sind, bestimmte Dinge vollbracht, Dinge erlernt zu haben.

Im Mittelpunkt muß immer der Mensch stehen. Die Talente sind ungleich verteilt, sind überall ungleich verteilt, aber der Wert eines Menschen bleibt der gleiche, egal, ob er jung, gesund, alt oder krank oder eben ein Kind mit besonderem Förderbedarf ist. Jeder hat eine bestimmte Aufgabe in seinem Leben zu erfüllen.

Die Integration in den Schulen ist eine sehr gute Errungenschaft. Ich danke der Frau Ministerin, die sich vehement dafür eingesetzt hat, auch wenn es nicht immer leicht für sie war. In der Oberstufe ist Integration meiner Ansicht nach aber nicht mehr sinnvoll. Daher lehne ich diesen Antrag ab.

In Tirol wurden Podiumsdiskussionen über die Integration durchgeführt. Nach einer dieser Podiumsdiskussionen ist eine behinderte Frau zu mir gekommen und hat mir gesagt, sie verstehe die ganze Entwicklung nicht mehr, sie sei in einem sonderpädagogischen Zentrum aufgewachsen und ein sehr glücklicher Mensch geworden. Es mag für manche Kinder – besonders in der Unterstufe – sinnvoll sein, eine Integrationsklasse zu besuchen. Doch es ist nicht so, daß diese später mit ihren Klassenkameraden aufsteigen können. Die Klassengemeinschaft zerstreut sich nämlich. Dann in einer Klasse mit anderen Kindern zu sein, bereitet große Schwierigkeiten. Daher meine ich, daß es in erster Linie notwendig ist, sich das jeweilige Schicksal anzusehen und dann eventuell bis zum zehnten  Schuljahr den Kindern, deren Begabung es erlaubt, die Möglichkeit zu bieten, einen Hauptschulabschluß zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Madl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

20.30

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zu Beginn der Unterrichtsdebatte waren die Bänke der ÖVP gähnend leer. (Abg. Mag. Posch: Jetzt sind sie "gähnend" voll!) Diese gähnende Leere spiegelt sich in der Bildungs- und Unterrichtspolitik der ÖVP der letzten Jahre wider. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dieses Spiegelbild der leeren Bänke ist ein Spiegelbild der ÖVP-Unterrichtspolitik. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich werde Ihnen das anhand eines einzigen Beispiels, das heute sehr aktuell ist, meine Damen und Herren, beweisen, und zwar anhand der Regierungsvorlage, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz novelliert wird. (Abg. Dr. Khol: Er wird Sie nicht lieben, der Haider! Sie haben nicht gut nachgedacht! Sie haben zuwenig nachgedacht!)


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107. Sitzung / Seite 170

Herr Klubobmann Khol! Wenn ich heute einem Gesetz zustimmen muß (Abg. Dr. Khol: Wieso "müssen"? Haben Sie Klubzwang?), das vorsieht, daß Berufsschullehrer in anderen Bundesländern eingesetzt werden müssen, wenn sie in ihrem eigenen Bundesland ihrer vollen Lehrverpflichtung nicht mehr nachkommen können, da es in den Schulen an Schülern und Lehrlingen fehlt, dann muß doch an diesem System irgend etwas faul sein. (Abg. Kopf: Trotz steigender Lehrlingszahlen? Das kann nur ein regionales Problem sein bei steigenden Lehrlingszahlen!) Das ist eine Bankrotterklärung des ÖVP-Bildungssystems und eine Bankrotterklärung der Arbeitsmarktpolitik, meine Damen und Herren! Sie zäumen das Pferd von der falschen Seite auf. (Abg. Dr. Khol: Er wird Sie nicht lieben! Sie haben zuwenig nachgedacht!)

Allein in Oberösterreich gibt es 1 800 junge Menschen, die einen Lehrplatz suchen. Offiziell sind es 700 – das weiß ich schon. 600 wurden in "Überbrückungsschulen", so etwa in berufsbildenden Schulen, in den ersten Klassen untergebracht. Diese wurden weiter in die Schule geschickt. Es gibt auch noch 500 weitere, die einen Polytechnischen Lehrgang besuchen, obwohl sie ihre Schulpflicht schon absolviert haben. Es sind also insgesamt 1 800 junge Menschen, und bundesweit ist die Zahl noch viel höher.

Meine Damen und Herren! Das muß Ihnen doch zu denken geben! Wenn die Lehrpläne in den Berufsschulen gemäß den Erfordernissen gestaltet werden, wenn gleichzeitig die Inhalte der Lehrlingsausbildung der Zeit angepaßt werden, braucht man sich keine Sorgen zu machen, ob später Berufsschullehrer in anderen Bundesländern eingesetzt werden müssen, um sie ihrer vollen Lehrverpflichtung nachkommen zu lassen.

Frau Bundesminister! Es ist tatsächlich so, daß sich die Schulpolitik der ÖVP der letzten Jahre verheerend ausgewirkt hat. Sie haben beispielsweise die Hauptschule zur Restschule verkommen lassen, während die AHS überquellen. Auf der anderen Seite suchen Lehrbetriebe Lehrlinge, finden aber keine qualifizierten. All das ist der Auswuchs der Schulpolitik der ÖVP der letzten Jahre. Deshalb sage ich folgendes: Dieser Gesetzentwurf, der es ermöglicht, daß die Lehrer fast gezwungen werden, in anderen Bundesländern zu unterrichten, damit sie ihrer vollen Lehrverpflichtung nachkommen können, ist und bleibt eine Bankrotterklärung des ÖVP-Bildungs- und Unterrichtssystems. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schaffenrath: Das stimmt ja gar nicht, Frau Kollegin!)

20.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stippel. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.33

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich nehme kurz zum Schulzeitgesetz Stellung. Inhaltlich ist an und für sich schon alles gesagt worden, aber ich möchte gerne sozusagen in die Urzeiten der Semesterferien zurückblicken. Sie hießen damals Energieferien. Der Grund war folgender: Man wollte Energie sparen, und im Bewußtsein der Menschen sind es heute noch immer Energieferien und nicht Semesterferien. – Das tut aber nichts zur Sache.

Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, daß, als es die ersten Energieferien gab, natürlich die Wirtschaft auch daran interessiert war, für sich zusätzlich ein gewisses Potential lukrieren zu können. Ich erinnere mich genau – ich war damals noch nicht hier im Hause, sondern aktiver Lehrer und beobachtete das alles ganz exakt –, daß es seitens der Wirtschaft hieß: Selbstverständlich wird es während der Energieferien bei den üblichen Preisen bleiben. – Skepsis war damals angesagt, und diese ganze Sache hat sich natürlich anders entwickelt.

Ich stelle das nur fest; ich will das nicht unbedingt kritisieren. Aber es ist Tatsache, daß die im Volksmund noch immer als "Energieferien" bezeichneten Semesterferien heutzutage auch einen wichtigen fremdenverkehrswirtschaftlichen Faktor in unserem Lande darstellen. Daher befürworte ich – und wir von der SPÖ werden dem selbstverständlich zustimmen –, daß es eine weitere Möglichkeit der Flexibilisierung bei der Terminierung der Semesterferien gibt.


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107. Sitzung / Seite 171

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diese Tatsache läßt mich aber einen Schritt weiterdenken. Ich sehe die lange, überlange, neun Wochen dauernde Sommerferienzeit vor mir, deren Regelung sehr wenig Flexibilität zeigt. Erstens stelle ich die Frage – vielleicht ist sie ketzerisch, aber ich stelle sie einmal, und man kann ja darüber nachdenken –, ob im Sommer eine neun Wochen dauernde Ferienzeit, dieser riesige Ferienblock, wirklich notwendig ist. (Demonstrativer Beifall der Abg. Schaffenrath. ) Danke. – Ich frage mich, ob es nicht sinnvoll wäre, diese lange Ferienzeit im Sommer etwas zu verkürzen und auf das gesamte Jahr zu verteilen.

Weiters stelle ich mir die Frage, ob man nicht auch im Winter – da gibt es bekanntlich nur zwei Ferienblöcke – stärkere Flexibilität, was die Gestaltung der Ferien anlangt, an den Tag legen könnte. Überlegen wir uns das, werte Kolleginnen und Kollegen, diskutieren wir das in der nächsten Zeit aus! Außerdem meine ich, daß daran auch die Wirtschaft Interesse haben müßte.

Ein paar Sätze zum Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz: Genauso wie ich die Flexibilität bei der Ferienordnung für gut halte, halte ich auch eine gewisse Flexibilität – was wir ja heute beschließen werden – beim Einsatz der Lehrer für gut. Mehr Flexibilität und mehr Mobilität, was zunächst einmal die Berufsschullehrer auf freiwilliger Basis und was auch den Einsatz von land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrern in Bundesschulen betrifft, ist wünschenswert.

Beide Gesetzesnovellen sind daher zu befürworten und werden von der SPÖ-Fraktion selbstverständlich mitbeschlossen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Haidlmayr. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 24 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.37

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Schulzeitgesetz hat es Jahre gedauert, bis endlich geklärt wurde, wie man die Semesterferien gestalten soll. Wenn es heute vielleicht wieder eine Energiekrise gegeben hätte, dann wären inzwischen wahrscheinlich sehr viele Kinder in den Schulen erfroren, weil Sie nicht fähig sind, solche einfachen Dinge wie die optimale Planung der Semesterferien zu bewerkstelligen. Dazu brauchten Sie einen enorm langen Zeitraum. Das zeigt ganz deutlich, wo Sie mit Ihrer Schulpolitik und den Gesetzen – auch wenn sie noch so klitzeklein und einfach sind – stehen.

Herr Kollege Höchtl! Es ist ein Glück für Sie, daß kaum noch Zuschauer auf der Galerie sitzen, denn wenn man das Szenario, das Sie geboten haben, gesehen hätte, hätte das Bild der Politiker, das Bild von der Art und Weise, wie es hier in diesem Hause zu Gesetzen kommt, wahrscheinlich wieder ordentlichen Schaden erlitten. (Abg. Mag. Posch: Er ist schon ganz zerknirscht, der Höchtl! – Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Höchtl. )

Aber nun zum nächsten Punkt, zur Schulintegration behinderter Kinder. – Frau Abgeordnete Horngacher ist leider nicht mehr da. – Frau Ministerin! Es wird immer wieder gesagt, man müsse, was behinderte Kinder betrifft, einmal schauen, ob es überhaupt sinnvoll ist, daß ihnen mehr als neun Schuljahre eingeräumt werden. Wo kommen wir denn da hin? – Jedes Kind, das nicht behindert ist, hat von seiner Geburt an von Haus aus Anrecht auf elf Schuljahre – unabhängig davon, ob es Sinn macht oder nicht, und unabhängig davon, ob dieses Kind jemals einen Hauptschulabschluß erreichen wird oder nicht. (Abg. Mag. Posch: Das ist eine Drohung, Frau Haidlmayr!)

Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Sie tun so, als ob es sich um 20 000 oder 30 000 Schüler handeln würde. Es handelt sich pro Jahr jedoch höchstens um 10, 20 oder vielleicht 30 Schüler, und das ist doch im Verhältnis zu den Repetenten, die wir jedes Jahr haben, wirklich nur ein Promillesatz! Sie haben offenbar Angst, daß diese Kinder mehr Bildung erlangen könnten, als Sie behinderten Menschen zugestehen!


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Meine Damen und Herren! Das ist Diskriminierung ersten Ranges! Ich möchte Sie daran erinnern, daß wir voriges Jahr im Sommer hier in diesem Haus alle gemeinsam ein Gesetz beschlossen haben, das eine Diskriminierung behinderter Menschen verhindern soll. – Was aber heute hier beschlossen wird, ebenso Ihre Ausführungen hier, gehen genau in die entgegengesetzte Richtung: Sie sind nicht bereit, behinderten Menschen im Schulsystem Bildung in dem Ausmaß zukommen zu lassen, wie sie nichtbehinderte Menschen selbstverständlich und mit allen Rechten für sich in Anspruch nehmen!

Frau Ministerin! Sie haben einfach nur Angst, daß behinderte Kinder, wenn sie länger als neun Jahre lang die Schule besuchen dürfen, unter Umständen einen Hauptschulabschluß erlangen könnten und sich vielleicht dann auch noch weiterbilden möchten, zum Beispiel eine höhere Schule besuchen wollen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Krammer. ) Das wollen Sie verhindern, und daher versuchen Sie, alle nur möglichen Schikanen in den Weg zu legen, um behinderten Kindern das Recht auf Schulbesuch und Bildung so weit wie möglich zu vermiesen, um nicht Gefahr zu laufen, daß behinderte Menschen ihr Recht auf Selbstbestimmung in Anspruch nehmen!

Meine Damen und Herren! Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei, in denen behinderte Menschen Bittsteller sein mußten. Die Zeiten sind vorbei, in denen sich behinderte Menschen nach einem miserablen Ausbildungsweg in Sonderanstalten, in geschützten Werkstätten für Arbeit zum Nulltarif oder in Beschäftigungstherapien abschieben lassen mußten. Diese Zeiten sind vorbei! Behinderte Menschen haben ein Recht auf Bildung, und behinderte Menschen werden dieses Recht auf Bildung in Anspruch nehmen! Dessen können Sie sicher sein!

Herr Abgeordneter Antoni – er ist auch nicht mehr da (Abg. Fuchs: Er ist da!)  –, Sie haben gesagt: Wir brauchen Studien, um zu wissen, wie sich das rechnet und bewährt hat et cetera. Haben Sie vergessen, daß es bereits ausreichend Literatur gibt, die schwarz auf weiß belegt, wie sinnvoll Integration ist und wie diese auch den Schulerfolg anderer, nichtbehinderter Kinder positiv beeinflußt? Haben Sie vergessen, daß etwa Fragner, Feuser, Feyrer, Schönwieser hochwertige Literatur zum Thema Sonderpädagogik verfaßt und hochwertige Studien erstellt haben? Aber diese Studien, die für Integration sprechen, weil es einfach berechtigt ist, pro Integration zu sprechen, wollen Sie offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen!

Wenn Sie sagen, in sehr vielen Schulen funktioniert die Integration noch nicht, so gebe ich Ihnen selbstverständlich recht, aber: Das ist bitte Ihr ureigenes Verschulden! Denn Sie haben die Rahmenbedingungen nicht geschaffen, die Kinder mit erhöhtem Förderbedarf brauchen. Sie sind dafür verantwortlich, daß die Ausstattung mit Hilfsmitteln und die Beschäftigung von Zusatzlehrern und Stützlehrern an den Schulen noch immer nicht sichergestellt ist. Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, tragen die Verantwortung dafür, daß Schulintegration in Österreich noch nicht in dem Maße greifen kann, wie wir uns das seit Jahren wünschen! Sie sind es auch, die immer noch versuchen, das Recht von Behinderten auf Gleichberechtigung, Gleichstellung und Selbstbestimmung zu verhindern. Tun Sie nicht so, als ob das Sache der Lehrer wäre, die sich weigern würden! Sie haben den Lehrern noch niemals Unterstützung angeboten, damit sie sich mit Kindern mit erhöhtem Förderbedarf auseinandersetzen können!

Solange Sie nicht bereit sind, die Rahmenbedingungen für Integration in den Schulen zu erfüllen, solange haben behinderte Menschen in Österreich nur sehr, sehr wenig Chancen, wirklich eine Ausbildung zu absolvieren. Sie sind gefordert, die Rahmenbedingungen zu erfüllen und das Recht auf Selbstbestimmung behinderten Menschen zu ermöglichen!

Wir haben im Juli letzten Jahres in diesem Haus beschlossen, niemanden mehr zu diskriminieren. Der Bund, auf dessen Ebene dieses Gesetz beschlossen wurde, müßte eigentlich Vorbildwirkung haben und diese Diskriminierungen sofort abstellen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)


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20.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.45

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei kurze Bemerkungen machen.

Erstens: Vor Ihnen steht nach einem längeren Kampf, gemeinsam geführt mit meinem Kollegen Gottfried Feurstein, ein zufriedener Vorarlberger Abgeordneter, der heute eine Änderung des Schulzeitgesetzes beschließen kann, die wir in Vorarlberg schon voriges Jahr gebraucht hätten, um eine Kollision unserer Semesterferien mit den Ferien in deutschen Bundesländern, den Herkunftsländern von Touristen, die Gott sei Dank in großer Zahl zu uns kommen, zu vermeiden. Aber besser heute als gar nicht! (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Für uns besteht jetzt, in Anbetracht dessen, daß es im Jahre 2002 das nächste Mal zu einer solchen Situation kommen wird, die Möglichkeit, etwas, was im Jahre 1995 durchaus sinnvoll war, zu ändern, zu ordnen und doch noch etwas mehr Flexibilität hineinzubringen, um so dieses Problem – möglicherweise auch das Problem anderer Bundesländer – künftig zu vermeiden. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens möchte ich mich bei Kollegin Madl recht herzlich für das Kompliment an die ÖVP-Bildungspolitik bedanken. Denn wenn die einzige Kritik darin besteht, daß wir regionale Konzentrationen von Lehrberufen jetzt dadurch ermöglichen, daß Berufsschullehrer endlich auch über Landesgrenzen versetzt werden können und beispielsweise auch ein Lehrer, der in Niederösterreich wohnhaft ist und vorher Berufsschullehrer in Wien war, knapp über der Landesgrenze jetzt auch in seinem Heimatbundesland vor der Haustür eingesetzt werden kann, daß wir also diese sinnvollen schulpolitische Maßnahmen beschließen, dann danke ich herzlich dafür! Wir nehmen dieses Lob für unsere Bildungspolitik gerne zur Kenntnis. Denn das zeigt, daß es offensichtlich außer solcher Kleinigkeiten, die zudem auch noch positive Maßnahmen sind, nicht viel zu kritisieren gibt. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Schöggl vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich möchte gleich dort anknüpfen, wo Herr Kollege Kopf aufgehört hat.

Es ist wirklich gut, daß man nichtausgelastete Lehrer jetzt durch diese Reform an anderen Schulen, wo Bedarf am jeweiligen Fachunterricht besteht, einsetzen kann. Jedenfalls ist zu begrüßen, daß zumindest diese Möglichkeit besteht.

Frau Minister! Ich glaube jedoch, daß Sie mit dieser Maßnahme allein nicht sehr glücklich werden. – Es ist anstrengend, Frau Minister, ich bin auch schon müde, aber wir müssen das heute durchhalten! – Sie werden mit dieser Maßnahme allein nicht glücklich werden, denn in der Praxis wird das oft kompliziert sein, wenn es zum Beispiel nicht um die Grenze zwischen Wien und Niederösterreich geht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Ich hoffe, das hat nicht nur mit meiner Rede zu tun! Sie müssen sich noch melden, Kollege Posch! Vielleicht kommt dann zumindest mehr Ideologie ins Haus.

Denn wenn in der Praxis größere räumliche Entfernungen zu überwinden sein werden, dann werden entsprechende Kosten anfallen. Und diese Maßnahme wird wahrscheinlich auch nur bei Lehrern möglich sein, die fachübergreifende oder allgemeine Fächer unterrichten. Fachlehrer werden nur dort gebraucht, wo das spezifische Fach unterrichtet werden kann. Die Lösung für dieses Problem kann daher entweder nur in einer generellen Konzentration des Berufsschulwesens oder in einer verstärkten Beschäftigung von Teilzeitlehrern liegen. Irgendwie wird man sich in diese Richtung entscheiden müssen.

Gestatten Sie mir nur noch ein paar Worte zur Problematik der 180 HTL-Assistenten. Wie Sie wissen, liegt eine Resolution der HTL im Hause vor, deren Assistenten faktisch ohne Vorwar


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nung und Information auf die Straße gesetzt wurden. Ich meine, man sollte einmal die Tatsache vermerken, daß diese HTL-Assistenten wesentlich zur Unterrichtsqualität beigetragen haben. Diese werden, wie Sie wissen, in erster Linie bei Laborübungen, Auswertungen und so weiter beschäftigt. – Sie sprechen sehr oft von Quality Management, also Qualitätssicherung, im Bereich der Schule, und ich denke, daß dieses sicherlich vonnöten ist.

In diesem Sinne möchte ich festhalten, daß die Assistenten an den HTL wesentlich zum Gelingen von Projektarbeiten und von Wettbewerben beitragen. Außerdem streben viele von ihnen selbst den Lehrberuf an HTL an und können bei dieser Assistententätigkeit wertvolle pädagogische Erfahrungen sammeln beziehungsweise ihre Eignung und Neigung für diesen Beruf überhaupt einmal überprüfen. Zudem entlasten sie die Professoren bei bürokratischen, organisatorischen und Verwaltungstätigkeiten. Sie sind überdies im allgemeinen billiger als beamtete Lehrer. – Trotz all dieser vorteilhaften Fakten stehen die Assistenten jetzt auf der Straße!

Frau Minister! Sie haben eine gerechte Lösung versprochen. – Wir kennen jetzt diese Lösung. Daher befürchten wir, daß die Ausbildungsqualität an den HTL, die von der Wirtschaft immer hoch gelobt wird – und dieses Lob ist meiner Meinung nach berechtigt –, in gewisser Weise gefährdet ist.

Insgesamt geht man mit den HTL-Technikern überhaupt ziemlich ungerecht um, wie wir auch beim Thema Nachqualifikation für HTL-Ingenieure im Zusammenhang mit der Umstellung auf Fachhochschulen deutlich gesehen haben.

Frau Minister! Eine gerechte Lösung hätte anders aussehen können, etwa daß die HTL im Rahmen ihrer Autonomie entscheiden können, ob und wie viele Assistenten sie beschäftigen und zu welchem Prozentsatz einer Werteinheit diese HTL-Assistenten zu beschäftigen wären.

Wir plädieren aus sachlichen und Qualitätsgründen für die Beibehaltung dieser Assistentenstellen, und im Sinne eines Quality Managements an den technischen Ausbildungsstätten ersuche ich Sie, nicht dem Ausschußbericht, sondern unserem Antrag zuzustimmen! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

20.52

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schöggl Stellung nehmen und im Zusammenhang mit den Assistenten folgendes klarstellen:

Es gibt in ganz Österreich sehr gute HTL, die alle dieselben Werteinheitenzuteilungen erhalten. Einer HTL werden pro Schüler 2,9 Werteinheiten in ganz Österreich zugeteilt. Darüber hinaus ist es in den letzten Jahrzehnten in Mode gekommen, an einigen HTL zusätzlich zu diesen Ressourcen auch noch Assistenten zu beschäftigen, und zwar an denjenigen, die näher zum Ministerium sind. Daher waren in Wien an den HTL 64 Assistenten beschäftigt, in Niederösterreich, das schon ein bißchen weiter entfernt ist, waren 23 Assistenten, in Oberösterreich und in der Steiermark 15, und je größer die Entfernung von Wien war, desto weniger Assistenten gab es auch: in Kärnten waren es drei und in Vorarlberg überhaupt nur mehr zwei. Das heißt: Es haben einige Schulen bedeutend mehr Ressourcen erhalten als andere.

Es gibt viele HTL in Österreich, die mit den ihnen zugewiesenen Werteinheiten ihren Unterricht und ihre Verwaltung gestalten. Ich meine, es ist an der Zeit, zu einer gerechten Verteilung der Ressourcen zu kommen. Daher haben wir uns die Verwaltung der einzelnen HTL genau angeschaut. Gerade im Großraum Wien gibt es natürlich HTL mit sehr vielen Schülern, wo es einen sehr großen Verwaltungsaufwand gibt. Wir werden diesen Schulen behilflich sein, ausreichende finanzielle Mittel zu erhalten, damit sie die Verwaltung dementsprechend organisieren


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können. Wir werden aber da keine Assistentenposten mehr zuteilen, denn ich glaube, daß es Gerechtigkeit für ganz Österreich geben muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage Koedukation möchte ich festhalten, daß mir diese ein persönliches Anliegen ist. Wir haben 99 Maßnahme zur Förderung der Gleichstellung im Bereich von Schule und Erwachsenenbildung in unserem Ministerium festgehalten. Mehr als die Hälfte der Maßnahmen wurden bereits in Angriff genommen und werden schon umgesetzt. Gestern fand eine große Veranstaltung zu diesem Thema statt: Schülerinnen der Hauptschulen und Polytechnischen Schulen befragen Fachfrauen mit ungewöhnlichen Berufen. Eine Malermeisterin, eine Pilotin und eine Technikerin beantworteten Fragen. Ich glaube, daß das der richtige Weg ist, und daher setzen wir dieses Programm zielstrebig um. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Nun zu dem in der letzten Zeit am heißesten diskutierten Thema, nämlich zur Frage: Welche Schule braucht ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf? – In diesem Zusammenhang möchte ich die Diskussion wieder einmal auf den Boden der Realität zurückbringen. Der Antrag, über den wir diskutieren, lautet: Integration in die Sekundarstufe II ermöglichen. Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Integration in die Sekundarstufe II gibt es. Körperbehinderte und sinnesbehinderte Kinder machen Matura und besuchen die Hochschule.

Wenn man von Gerechtigkeit und Gleichbehandlung spricht, dann muß man auch erwähnen, daß auch nicht alle Kinder, die keinen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, automatisch in eine weiterführende Schule gehen können. Auch diese müssen die Aufnahmevoraussetzungen für eine HTL oder für eine Handelsakademie erfüllen. Es kommt immer auf die Voraussetzungen an, die die Kinder mitbringen. Und ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal klar feststellen: Wir liegen in Österreich mit diesem Integrationsgesetz, das wir beschlossen haben, im Spitzenfeld in Europa! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch etwas möchte ich auch einmal ganz klar feststellen: Ich bin wirklich für Wahlmöglichkeit. Daher habe ich es gründlich satt, daß immer die Ideologie vertreten wird, daß nur die Integration gut ist, die Arbeit der Sonderschullehrer und der sonderpädagogischen Zentren hingegen überhaupt nicht geschätzt wird! (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird immer vergessen, daß in den Förderklassen und kleinen Fördergruppen auch ganz Enormes geleistet wird, und es wird auch immer wieder vergessen, daß es auch Eltern gibt, die darauf Wert legen, daß ihre Kinder in einer kleinen Gruppe besonders gefördert werden. Es gibt auch Eltern, die zu mir kommen und sagen: Das Kind hält die Unruhe in der großen Klasse mit den vielen Schülern nicht aus. Ich möchte, daß mein Kind in einer kleinen Fördergruppe in einem sonderpädagogischen Zentrum gefördert wird. – Tun Sie daher bitte nicht immer so, als ob es nur ein Angebot gäbe! Es gibt viele Angebote!

Nun zur Frage der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine geistige Behinderung haben. Soll es ihnen ermöglicht werden, auch noch länger in die Schule zu gehen? – Ich beantworte diese Frage ganz klar und deutlich: Das ist gesetzlich möglich. Die Absolvierung des zehnten und elften Schuljahres ist möglich, wenn von verantwortlicher Stelle festgestellt wurde, daß die Ausbildung zielführend ist und das betreffende Kind den Hauptschulabschluß aller Voraussicht nach machen kann. Für diesen Fall bin ich voll auf Ihrer Seite, daß wir entsprechende Fördergruppen anbieten, damit diese Möglichkeit besteht. Ich kenne etliche Schulen in ganz Österreich, die bereits solche Fördergruppen zum Nachholen des Hauptschulabschlusses für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf anbieten.

Abschließend möchte ich Ihnen sagen: Ich halte es für wichtig und richtig, daß auf jeden Einzelfall speziell eingegangen wird und für jeden Einzelfall entsprechende Lösungen gesucht und Angebote gemacht werden. Und wenn die Chance besteht, daß ein Kind den Hauptschulabschluß in einem zehnten oder elften Schuljahr nachholt, dann soll ihm das auch ermöglicht werden. Das kann ihm aber nicht mit einer Integration in die Sekundarstufe II, sondern mit einem speziellen Angebot in einer speziellen Fördergruppe geboten werden. Und dafür werde ich mich einsetzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.00


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte.

21.00

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist noch nicht lange her, daß wir die Einführung der Integration in die Sekundarstufe I hier in diesem Hohen Haus als Meilenstein gefeiert und unserer Freude darüber Ausdruck verliehen haben.

Ich möchte mich heute nicht mehr intensiv auf die Diskussion über den Sinn oder Unsinn der Integration einlassen, weil meine Vorredner ohnehin schon darauf eingegangen sind. Trotzdem möchte ich festhalten: Auch wenn wir dieses Gesetz als Meilenstein bezeichnet haben, sollten wir uns, wenn wir jetzt Reparaturbedürftigkeit erkennen, nicht scheuen, entsprechende Reparaturmaßnahmen vorzunehmen. Ich möchte dies aus meiner Sicht anhand von zwei Beispielen vergegenwärtigen.

Beispiel eins: Es wird rechtzeitig erkannt, daß bei einer Schülerin oder einem Schüler in Teilbereichen oder insgesamt sonderpädagogischer Förderbedarf besteht. Dieses Kind wird in eine Integrationsklasse eingeschult und durchläuft mit seiner Klasse in acht Jahren integrativ Volksschule, Hauptschule oder AHS-Unterstufe.

In Anbetracht der Forderung der Abgeordneten Schaffenrath nach Gleichberechtigung und mehr Schuljahren könnte ich jetzt sehr zynisch fragen: Und wo soll das Kind den Rest der Schulzeit absitzen? Wird es jetzt zwei, drei oder vier Jahre in der letzten Integrationsklasse sitzen und warten, bis es den Hauptschulabschluß schafft?

Ich würde eine Integration in Sekundarstufe II vorschlagen, aber nicht in der HTL oder in höheren berufsbildenden Schulen, sondern – ich sage das einmal bewußt unter Anführungszeichen – in einer "Berufsfachschule", wo diese Kinder, dem gesellschaftlichen Auftrag entsprechend, vorsichtig auf das Berufsleben vorbereitet und ins Berufsleben integriert werden können, ihnen gleichzeitig aber auch die ihnen noch fehlende schulische Bildung zuteil werden kann, damit, wenn noch Abschlüsse möglich scheinen, diese Abschlüsse dort auch gemacht werden können. Ziel muß die gesellschaftliche Integration mit Einbindung in das Berufsleben nach Art und Fähigkeit dieses behinderten jungen Menschen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Beispiel zwei – auch das gibt es heute noch, auch wenn wir die Integration beziehungsweise den sonderpädagogischen Förderbedarf insgesamt bereits festgeschrieben haben –: Ein Kind wird eingeschult, jedoch zurückgestellt, weil es die Schulreife noch nicht hat, und dann wieder eingeschult. Dieses Kind wird von den Eltern und mit deren Zustimmung zum freiwilligen Wiederholen der ersten Schulstufe motiviert. Dieses Kind hat dann möglicherweise auch noch während der Volksschulzeit Schulbahnverluste und bekommt erst dann sonderpädagogischen Förderbedarf. Dieses Kind wird integriert und schafft in der Integrationsklasse gemäß der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung keinen vollständigen Abschluß der Sekundarstufe I. – In diesem Zusammenhang müßten Erleichterungen geschaffen beziehungsweise muß das Prinzip des flexiblen Schuleinstiegs greifen, damit die eingangs von mir geschilderten Ungeschicklichkeiten mancher Pädagogen, die es leider Gottes auch noch da und dort gibt, keine Auswirkungen haben und diese Kinder dadurch keinen Schulbahnverlust mehr haben.

Zuletzt möchte ich noch etwas zu einem anderen Entschließungsantrag sagen, über welchen ich etwas verwundert bin: Nach jahrelangen Bemühungen wurde erreicht, daß Mädchen und Buben koedukativ im Schulunterricht unterrichtet werden. Mir ist bewußt, daß verschiedene Menschen beziehungsweise Kinder verschiedenartige Interessen haben. Daraus kann man aber doch nicht ableiten, daß es besser ist, wenn Mädchen wieder in eigenen Mädchenklassen unterrichtet werden, auch wenn das nur einzelne Gegenstände betrifft, und Buben in Bubenklassen! (Abg. Dr. Fekter: Darüber gibt es wissenschaftliche Studien!) Liebe Frau Kollegin! Ich war lange genug Lehrer in Unterrichtsfächern, die man nicht unbedingt als mädchenfreundliche Fächer bezeichnet, nämlich in Physik und Chemie. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Ich


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habe aber keinerlei Anzeichen dafür gesehen, daß die Mädchen in diesen Fächern irgendwelche geschlechtsspezifischen Lernrückstände hätten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Gerade Ihre Aussage beweist das!)

Die Forderung, die Sie erheben, erachte ich in Zeiten wie diesen, in Zeiten des Frauen-Volksbegehrens, als einen Rückschritt in der politischen Ansicht! (Beifall bei der SPÖ.)

21.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

21.05

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Einen schönen guten Abend, lieber Restbestand des Hohen Hauses, und eine gute Nacht der österreichischen Schulpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Sehr witzig!)

Seitens der Regierungsparteien wird sehr seicht und engagementlos über einige Schulproblemchen hinwegtheatert und geschauspielert. Kollege Höchtl, dein Vorwurf an Freund Schweitzer, er habe geschauspielert, geht ein bißchen ins Leere. Du solltest in dieser Hinsicht in den Spiegel schauen: Bei deinem theatralischen Auftritt hat einzig und allein Publikum gefehlt, insbesondere jenes aus deiner eigenen Fraktion! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die wesentlichste und symptomatischste – bisher aus den Reden weitgehend ausgesparte – Tagesordnungsthematik ist die radikale Demontage der HTL-Ausbildung und die überfallsartige, unangekündigte Entlassung von HTL-Assistenten. Frau Bundesminister Geher hat in ihren Ausführungen eine Begründung versucht. Sie hat nicht gesagt, daß sie sich vorgenommen hat, 400 Dienstplätze in den nächsten zwei Jahren aus der Verwaltung des Schulbereiches abzuziehen. Man hat dort begonnen, wo es am leichtesten möglich ist, nämlich bei den Sonderverträgen von Assistenten. Frau Bundesminister! Sie haben in diesem Fall eine Sparstiftentscheidung getroffen, die viel mehr Auswirkungen hat, als Sie vermuten.

"Frau Bundesminister! Wir beobachten mit großer Sorge die schleichende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in diesem Schultyp, der zu den erfolgreichsten in Österreich zählt. – Budgetkürzungen: Die Schulen leben bereits von der Substanz. Die schrittweise Reduktion der Werteinheitzuweisungen ... ist pädagogisch nicht vertretbar. Damit ist die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Schulden gefährdet. Personal: Die Anstellungsbedingungen schrecken ... qualifizierte Bewerber ab. Bürokratie: Zeitvernichtung durch irreale bürokratische Anforderungen. Gesprächskultur: Permanente Angriffe auf Lehrer durch Politiker" – welche das Klima in den Schulen vergiften –. "Das Streichen der Assistentenposten ist nun jener Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat."

Das ist nicht die Wortwahl eines ätzenden Oppositionspolitikers, sondern das sind jene Worte, die Ihnen und auch dem Herrn Präsidenten vor etwa einer Woche in einer Resolution überbracht wurden. Ich danke übrigens für die rechtzeitige Übermittlung; ich habe sie im Klub vorgefunden. – Es ist dies die Wortwahl der Bundeslehrervereinigung zur Schulpolitik im Bereich der HTL-Assistenten.

Ich habe schon im Ausschuß versucht, Ihnen klarzumachen, daß es bei der Tätigkeit der Assistenten nicht um Verwaltungstätigkeiten geht, sondern um eine Unterstützung des Unterrichtes. Da ist eine Einrichtung, die sich über 70 Jahre hinweg großteils bewährt hat. Sie haben allerdings recht, wenn Sie sagen, daß es eine ungleiche Verteilung der Assistentenstellen im österreichischen Bundesgebiet gibt. Ich habe Ihnen im Ausschuß zu erklären versucht, daß in den zwei Jahren, für welche es diese Verträge gibt, in erster Linie Technikstudenten eine sinnvolle Praxisausbildung bekommen. Ein gut Teil dieser Studenten werden später HTL-Lehrer, und wenn man weiß, daß keinerlei pädagogische Ausbildung für diesen Berufstyp vorgesehen ist, dann muß man sagen, daß Sie geradezu eine Idealform zerstört haben.

Frau Bundesminister! Sie haben den Übermittlern der Resolution und den Interessenvertretern zugesagt, sich noch im Jänner um eine positive Lösung dieser Fragen zu bemühen. Unser Vorschlag eines Lösungsansatzes, den wir Ihnen gemacht haben: Geben Sie doch im Rahmen


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der Werteinheiten den Schulen die Möglichkeit, auch solche Assistentenposten, in welcher Form auch immer, zu belassen beziehungsweise neue Assistenten anzustellen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.10


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

21.10

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Zuerst kurz eine Feststellung zur Rede des Kollegen Dr. Rada: Hier in diesem jüngst erschienenen Büchlein (die Rednerin hält eine Broschüre in die Höhe) mit dem Titel "Schule männlich, Schule weiblich" können Sie die subtilen Benachteiligungen von Mädchen in koedukativ geführten Schulen in ganz bestimmten Phasen des Unterrichtes nachlesen. Diese sind eindeutig mit neuen empirischen – und auch anderen – Daten belegt.

Zweitens komme ich zum Antrag Schaffenrath und zum Antrag Brinek, Krammer beziehungsweise Krammer und Brinek.

Frau Kollegin Schaffenrath hat offenbar nicht nur die bisherigen Ergebnisse nicht ganz ernst genommen, sie hat auch die Dinge, die bisher bildungspolitisch vor allem durch Frau Ministerin Gehrer eingeleitet und umgesetzt wurden, nicht ganz registriert, denn sonst hätte sie sich ihren Antrag etwas anders ausdenken müssen.

Der Antrag Brinek, Krammer hingegen unterstützt jene Initiativen, die – wie heute wieder anschaulich nachgewiesen wurde – bereits auf Schiene sind und in den Schulen beziehungsweise im Schulbereich umgesetzt werden. Was wir noch zusätzlich fordern, ist, die aktuell im Umbau befindlichen Lehrpläne der Sekundarstufe II weiter mit jenen Bildungsinhalten zu versehen, die sich aus dem Prinzip Gleichstellung von Mädchen und Burschen ergeben. Wir sind da, wie ich meine, auf dem richtigen Weg. Das ist das Ziel unserer Gleichstellungspolitik. Im Unterausschuß des Gleichbehandlungsausschusses bekommen wir von den Experten beispielsweise zu hören, daß wir durch Gesetze, Vergaberechte und ähnliches weniger erreichen. Ich meine, daß man da sehr früh, vor allem in den Schulen, ansetzen muß.

Der Antrag Brinek und Krammer zielt darauf ab – und ich meine, sowohl Parlament als auch Regierung sind auf guter Linie gemeinsam unterwegs –, daß sich die Regierung beziehungsweise die dafür zuständigen Regierungsmitglieder vor allem der Dimension des Lernens, des frühen Einstiegs, des Bewußtwerdens annehmen. Das soll vor allem auch in Kooperation mit der Frauenministerin geschehen. Dies könnte sehr schön mit der neuen verbindlichen Übung "Berufsorientierung" gelingen. Wir wissen nämlich aus unseren Erfahrungen im Bereich der Familienpolitik – und da zeigt sich, wie integrativ Frauenförderung ist –, daß es für Mädchen selbstverständlich ist, einen Beruf auszuüben, daß sie aber auch sehr früh bewußt darangehen müssen, zu planen, wie sie Beruf und Familie organisieren und wo die ganz speziellen subtilen Benachteiligungen liegen. Daher ist der Antrag Brinek und Krammer sehr zu empfehlen; der Antrag Schaffenrath trifft die Sache eigentlich nicht.

Zum Abschluß noch ein kleiner Hinweis und eine Bemerkung an Frau Kollegin Haidlmayr. Ich weiß, daß in Fragen der Integration Behinderter realistische Denker und romantische Denker unterwegs sind. Wenn Sie Howorka und Schönwiese zitieren, dann muß ich dazu sagen: Ich unterstelle diesen wohl ausgewiesenen und kompetenten Professoren, daß sie auch mit viel Romantik einer Idylle von Integration nachlaufen, die nie Wirklichkeit werden wird.

Bitte beschäftigen Sie sich auch mit Theorien von Häberlin, Bach, Severinski, Rett und besuchen Sie bei Gelegenheit das Behindertenhilfehaus in Rohrbach bei Stockerau! Dort wird auf vorbildliche Weise danach getrachtet, daß die integrierten Kinder später nicht irgendwo sozusagen im Nirwana landen, sondern die Chance auf Stufenlehre oder Anlehre, auf Lebensbegleitung und jedwede Art von Betreuung haben. Fahren Sie hinaus! Schauen Sie das sich an! Reden Sie mit den Leuten! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Brunhilde Fuchs. – Bitte. (Abg. Dr. Mertel: Das ist günstig! Volles Haus!)

21.14

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Werter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Als letzte Rednerin zu diesem Themenbereich möchte ich natürlich nichts wiederholen, aber doch einige Feststellungen treffen.

Erstens: Alle Maßnahmen, die heute vorgeschlagen wurden, sind im Interesse aller Beteiligten; zum Beispiel im Disziplinarrecht, bei dem eine Verfahrensbeschleunigung, aber auch eine Verfahrenskonzentration vorgesehen ist.

Zweitens: das Anbieten der Möglichkeit, daß Berufsschullehrer und Berufsschullehrerinnen auf freiwilliger Basis in einem anderen Bundesland unterrichten können. Ich betone das deshalb, weil Frau Kollegin Madl die Freiwilligkeit nicht gesehen beziehungsweise diese angezweifelt hat. Es tut mir leid, daß von den Freiheitlichen das Wort "Freiwilligkeit" nicht verstanden wird. In diesem Gesetzentwurf ist Freiwilligkeit vorgesehen, und sie ist aus sozialdemokratischer Sicht auch wünschenswert, weil sie viel mehr Flexibilität ermöglicht und ein zusätzliches Angebot für den einen oder anderen Lehrer bedeutet. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Tichy-Schreder. )

Kurz zum Schulzeitgesetz: Wir Sozialdemokraten stehen besseren, flexibleren und individuellen Lösungen der Semesterferiengestaltung selbstverständlich positiv gegenüber, und wir begrüßen alle Maßnahmen, die den Fremdenverkehr in unseren Bundesländern optimal fördern und unterstützen. Wir wollen auch ermöglichen, auf besondere regionale Bedürfnisse zu reagieren.

Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses haben in der gestrigen Debatte ein Bekenntnis zur Förderung des heimischen Fremdenverkehrs abgelegt. Die SPÖ-Fraktion wird dieses Bekenntnis mit einer Zustimmung zu diesem Änderungsvorschlag dokumentieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 939 der Beilagen.

Der vorliegende Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird, kann im Sinne des Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Daher stelle ich zunächst das erforderliche Abstimmungsquorum fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist einstimmig und daher auch mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit in zweiter Lesung beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung einstimmig beschlossen ist.

Als nächstes gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht in 1058 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Diese Kenntnisnahme erfolgt einstimmig.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1059 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung einstimmig beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung einstimmig beschlossen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1060 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Höchtl und Dr. Antoni einen Abänderungsantrag betreffend Z. 18 eingebracht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung der beantragten Abänderung Höchtl/Antoni abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Auch diese Vorlage ist samt Abänderung in zweiter Lesung einstimmig beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht in 1061 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Dieser Ausschußantrag ist mit Mehrheit genehmigt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht in 1062 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch da ersuche ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Antrag ebenfalls mit Mehrheit angenommen ist.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht in 1019 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Dieser Antrag des Unterrichtsausschusses ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters stimmen wir ab über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht in 1020 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren die damit einverstanden sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Antrag mit Mehrheit angenommen ist.

Wir stimmen jetzt ab über die dem Ausschußbericht in 1020 der Beilagen beigedruckte Entschließung.


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107. Sitzung / Seite 181

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung zu dieser Entschließung erfolgt mit großer Mehrheit. (E 104.)

Damit haben wir diese Punkte der Tagesordnung erledigt.

14. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 637/A (E) der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform (1063 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir verhandeln nun Punkt 14 der Tagesordnung.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schweitzer. – Bitte.

21.


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107. Sitzung / Seite 182

21

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Laut Ausgabe des "Kurier" vom 20. Februar 1997 haben Sie sich, Frau Bundesminister, zur Einführung der Rechtschreibreform folgendermaßen geäußert:

"Wenn es in Deutschland tatsächlich zu einer Verschiebung oder gar zu einer Aufgabe des Vorhabens kommt, dann wird Österreich sicher nicht Musterschüler sein und diese Reform im Alleingang durchführen." – Zitatende.

Frau Bundesminister! Einem Beitrag der Wochensendung "Report" war zu entnehmen, daß in Deutschland die Entwicklung rund um die Rechtschreibreform angesichts einer immer breiter werdenden Ablehnung dazu führt, daß man unter Umständen an eine Umsetzung nicht mehr denkt. Zahlreiche Gerichtsentscheidungen sind anhängig, und es kann durchaus passieren, daß in Deutschland diese Reform scheitert. Deshalb frage ich Sie, Frau Bundesminister, da Sie doch im Ausschuß gesagt haben, daß Sie diese Rechtschreibreform ohne Wenn und Aber durchziehen werden, welche Ihrer Aussagen tatsächlich gültig ist: die zuletzt im Ausschuß getätigte oder jene, die in der Ausgabe des "Kurier" vom 20. Februar 1997, wo Sie sagten, wie Sie im Falle eines Scheiterns in Deutschland vorzugehen gedenken, zu finden ist? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tatsächlich, Frau Bundesministerin, ist es ja so, daß der Konsens für ein Gelingen der Rechtschreibreform nicht vorhanden ist. Es sollte doch bei einem derartigen Vorhaben einen möglichst breiten Konsens geben. In Österreich sind 75 Prozent der Bevölkerung massiv gegen die Rechtschreibreform, und deshalb ist deren Durchsetzung in der Bevölkerung fraglich.

Daher frage ich Sie, Frau Bundesministerin: Warum quält man Schüler mit einem "Reformwerk", dessen einmal gelernte und verinnerlichte Regeln später unter Umständen völlig irrelevant bleiben, da auch in Österreich Schriftsteller und Verlage die alte Schreibweise beibehalten werden, wie sie bereits dezidiert gesagt haben!? Das müßte doch Grund genug sein, Frau Bundesminister, Ihren gefaßten Entschluß noch einmal zu überdenken!

Diese Rechtschreibreform ist das genaue Gegenteil einer Vereinheitlichung: Es herrscht schon jetzt heillose Verwirrung bei der Interpretation der neuen Regeln; Lexika-Verlage können sich untereinander nicht einigen, und somit ist eine weitere Verunsicherung der schreibenden Bevölkerung vorprogrammiert.

Frau Bundesminister! Es ist nicht günstig, diese Rechtschreibreform in der jetzigen Situation einzuführen. Sie ist verwirrend, sie ist unsinnig, sie ist kostspielig! Stoppen Sie den Versuch, diese kleine Reform, die nur alle verwirrt, tatsächlich einzuführen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brinek. – Bitte.

21.24

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Angesichts der bisweilen hitzig geführten Debatte um die neue Rechtschreibung sei folgendes in Erinnerung gerufen: Das jetzige Reformwerk baut auf dem Werk aus dem Jahre 1901 auf. Im Jahre 1901 und in den nachfolgenden Jahren haben sich viele kluge kulturkritische Köpfe gegen die damalige Rechtschreibreform ausgesprochen, so etwa Thomas Mann, Karl Kraus beispielsweise hat die "Elegie an einen verlorenen Laut" geschrieben, nämlich an das stumme H. Er hat bedauert, daß der Thau das Himmlische verloren habe, weil er nun mit dem Schiffstau gleichgestellt wird.

Die Geschichte der Kritik ließe sich fortsetzen. Es sind Erneuerungen – seien sie noch so minimaler, homogener oder sanfter Art – immer wieder auf Widerstände gestoßen. Noch im Jahre 1954 hat man gegen das Regelwerk von 1901 protestiert. Frau Bundesministerin, meine Damen und Herren: Dessen sollten wir uns auch bewußt sein!

Ich meine, daß der Weg des Zug-um-Zug-Umsetzens des jetzigen Reformwerkes ein guter ist. Das ist aus den ersten Befragungen über die Zufriedenheit in den Volksschulen zu erkennen. Ich nenne Ihnen nur ein paar Zahlen: 99 Prozent der Volksschüler werden bereits nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet; 93 Prozent geben an, daß die Umstellung keine nennenswerten Probleme bereitet, und in beinahe 70 Prozent der Volksschulen gab es auch keine Beschwerden seitens der Eltern. 72 Prozent halten die methodisch-didaktischen Erleichterungen, die mit dieser Reform verbunden sind, für sinnvoll. (Abg. Dr. Graf: Wer ist da befragt worden: die Lehrer?) Lehrer und Eltern! (Abg. Dr. Graf: Aha!)

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis vor allem in Richtung jener, die von überbordenden Kosten und Aufwendungen, die durch diese Reform angeblich verursacht würden, sprechen, die, wenn man die S-Schreibung wegläßt, 1 Prozent des Wortschatzes betrifft.

Erfreulich ist, daß die Schulbuchverlage diese Umstellung gut bewältigt haben und die anfallenden Umstellungsaufwendungen nicht an die Eltern und an den Markt weitergegeben, sondern im Zuge von Rationalisierungen geschluckt haben.

Erfreulich ist auch, daß sich Kinder- und Jugendbuchautoren positiv dazu äußern, deren Bücher schon nach der neuen Schreibweise gedruckt werden beziehungsweise im wesentlichen schon in Umstellung begriffen sind.

Wichtig ist es, daß Lehrer während ihrer Weiterbildung an den Pädagogischen Instituten im Rahmen der ordentlichen Budgets, der ordentlichen Dotierung an Anpassungsweiterbildungkursen teilgenommen haben und weiter teilnehmen. – Das heißt, auch von daher kann niemandem überbordende Belastung vorgeworfen werden.

Ich bin der Meinung, daß das vorliegende Reformwerk im Aufbau übersichtlicher und einheitlicher ist als das bisherige Regelwerk und daß es die Regeln insgesamt verständlicher macht. Der Schwerpunkt liegt in der systematischen Bearbeitung und Neufassung der Regeln, ohne daß Tradition und Schriftkultur aufgegeben werden.

Noch eine allerletzte Bemerkung zur Situation in Deutschland: Dort gibt es – wie heute schon in einem anderem Zusammenhang gesagt wurde – eine andere Rechtskultur. Wenn dort eine Änderungsabsicht als wesentlich erklärt wird, muß sie unter dem Wesentlichkeitsprinzip als Gesetz verankert werden. In Österreich gibt es eine andere Rechtskultur, und gegenwärtig sehe ich aus guten Gründen keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Verankerung der Reform.

Wir stimmen daher der Rechtschreibreform zu; diesen Antrag lehnen wir jedoch ab. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Das ist ja etwas ganz "Neues"!)


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107. Sitzung / Seite 183

21.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

21.28

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es sind hier vorhin zwei Untersuchungen zitiert worden, eine vom Kollegen Schweitzer und eine weitere von meiner Vorrednerin Kollegin Brinek, beide mit völlig unterschiedlichen Daten. Ich kenne beide, ich habe beide bei mir und möchte beide kurz ansprechen.

Die freiheitliche Fraktion kritisiert in ihrem Entschließungsantrag einmal mehr die Rechtschreibreform und fordert deren Aussetzung. (Abg. Mag. Stadler: Wie alle Literaten und Künstler in Österreich!) Als Begründung führt sie in ihrem Entschließungsantrag auf Seite 2 im dritten Absatz unter anderem folgendes an – ich zitiere –:

"Die Rechtschreibreform beschäftigt aber nicht nur Experten, sondern erregt auch nachhaltig den Unmut der Bevölkerung, was die jüngste Studie des Linzer Meinungsforschungsinstitutes ,spectra‘ eindrucksvoll belegt." – Jetzt wird es interessant! Da heißt es weiter: "Die Ablehnung der Rechtschreibreform zieht sich quer durch alle Bevölkerungs- und Bildungsschichten. Von 92 Prozent der Befragten, die schon von der Rechtschreibreform gehört hatten" – irgendwo etwas gehört oder gelesen hatten –, "empfanden 70 Prozent das neue Regelwerk als ,nicht gut’..." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Dem stehen die Befragungsergebnisse einer Studie, die Kollegin Brinek hier präsentiert hat, gegenüber. Die in dieser Studie enthaltenen Fakten stammen von Lehrerinnen und Lehrern, die täglich beruflich mit der neuen Rechtschreibung konfrontiert sind und diese in den Klassen unterrichten.

Nur noch einmal schnell im Telegrammstil: An 99 Prozent der österreichischen Volksschulen wird bereits nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet. 93 Prozent, wie gesagt, führen an, daß es überhaupt keine Probleme bei der Einführung gegeben habe. 94 Prozent der Volksschuldirektoren stellen fest, daß sie Mitteilungen an Eltern, Lehrer und Schüler ausschließlich nach der neuen Rechtschreibung verfassen. – Ich darf das nur in Erinnerung rufen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir können daher von einer sehr großen Akzeptanz der neuen Rechtschreibung sowohl in den österreichischen Schulen als auch in der österreichischen Bevölkerung ausgehen. Dennoch – das darf ich noch hinzufügen – zeigt sich die Rechtschreibreform-Kommission flexibel; sie ist bereit und bemüht, auf Kritik einzugehen.

Ich darf Ihnen berichten, daß morgen, am 23. Jänner 1998, die "Zwischenstaatliche Kommission für Rechtschreibung" in Mannheim ein Hearing zur neuen Rechtschreibreform veranstalten wird. Sie hat sämtliche Institutionen, die Kritik an der Rechtschreibreform üben, dazu eingeladen. Man will dort über Veränderungen und Verbesserungsvorschläge diskutieren, und wenn es erforderlich ist, wird man die Kritik entsprechend einarbeiten. Es soll in der Folge einen Abschlußbericht geben, der den zuständigen Stellen in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich vorgelegt werden wird.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit dem ersten Satz des Entschließungsantrages der Freiheitlichen beenden – ich zitiere –:

"Man kann doch auch einmal klüger werden, und man muß sich auch dazu bekennen, daß man sich irren kann."

Ich würde Sie von den Freiheitlichen wirklich bitten, daß Sie diesen Irrtum revidieren, dem Sie offenbar unterliegen, indem Sie sich auf Aussagen von Leuten, die von der Rechtschreibreform etwas gehört haben, berufen. – Ich meine, daß man so nicht argumentieren kann. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

21.32

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! "Man kann doch einmal klüger werden", hat Kollege Antoni gesagt. – Das gilt natürlich auch für die Rechtschreibreform


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107. Sitzung / Seite 184

selbst, Kollege Antoni! Das muß man schon sagen. Inzwischen ist man nämlich so weit, daß man innerhalb dieser Kommission – Gott sei Dank! – einzusehen begonnen hat, daß einige Punkte, mit denen man die Reform begonnen hat, in dieser Form nicht haltbar sind. Denn es war völlig falsch, einzelne Worte wie der "Tollpatsch", das "Quäntchen" und andere berühmte Beispiele einzuführen, wobei man versucht hat, die Stammlautung irgendwie, völlig neu und entgegen jeder Tradition, vor allem von der etymologischen Wurzel her, zu definieren. Es gäbe auch noch einige andere Beispiele anzuführen. (Abg. Mag. Posch: Die Majonäse!) Das ist der einzige Punkt, von dem ich sage, daß er in der Entwicklung dieser Rechtschreibreform positiv zu erwähnen wäre.

Wenn ich mir aber anhören muß, wie Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, eine Reform verteidigen, die in dieser Form von den Vertretern der Reform selbst nicht mehr verteidigt wird, frage ich mich: Worüber diskutieren wir eigentlich? – Ich kann Ihnen schon folgendes sagen: Diese Reform verdient den Namen "Reform" nicht! (Abg. Dr. Krammer: "Reform" schon!) Sie verdient ihn nicht, weil sie von Anfang an inkonsequent war. (Abg. Mag. Posch: Das habe ich immer schon gesagt!) Sie hat nie versucht – oder wenn, dann nur mit ganz besonderer Arroganz zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung und Einführung –, über die Leute drüberzufahren. Sie hat ignoriert – und das trifft weniger auf Österreich zu, das gebe ich zu, als vielmehr auf die Bundesrepublik Deutschland –, daß natürlich jeder Versuch der Änderung einer bestimmten Zustimmung bedarf – ganz abgesehen davon, daß sie auch eine inhaltliche Stringenz braucht, die sie aber von Anfang an nicht gehabt hat.

Das heißt, worauf wir uns verständigen könnten, wäre, daß diese Reform läuft. Es gibt eine gewisse Bereitschaft seitens der Kommission, weiterzudenken und über den eigenen Schatten zu springen. Es gibt auch – das will ich nicht bestreiten, das habe ich von Anfang an nicht bestritten – Punkte innerhalb der Reform, die ich unterstütze.

Es wurde hier gesagt, die Reform sei ein wunderbares und einheitliches Werk. Ich muß aber feststellen, daß bei dem Versuch der Vereinheitlichung dieses eigenartigen Buchstabens, des scharfen ß, von dem ich weiß, daß ihn die Schweiz schon längst abgeschafft hat, nicht einmal in diesem kleinen, bescheidenen Punkt, der für Schüler wirklich Erleichterungen bringen könnte, wenn man aus dem scharfen ß endlich konsequent ein Doppel-S machen würde, Übereinstimmung erzielt wurde. Das wurde bisher nicht geschafft. Ich kann nur hoffen und darauf vertrauen, daß die Rechtschreibreform-Kommission klüger ist als die Regierungsparteien in Österreich, die noch immer einem Modell der Rechtschreibreform anhängen, das es in der Realität nicht mehr gibt.

Ich bestreite gar nicht, Frau Ministerin – genauso wenig wie gegenüber den Vorrednern –, daß die Vereinfachung der Interpunktion natürlich bedeutende Erleichterungen mit sich bringt. Was ich jedoch bestreite, ist, daß das ein Grund ist, daß man der Reform zustimmen soll, denn das könnten Sie auch dadurch erreichen, daß Sie den Stellenwert und die Bewertung der Rechtschreibung in den Schulen etwas verändern. So könnte einiges verbessert und für die Schüler erreicht werden. Dazu bräuchte man aber keine Reform, die im Moment daran leidet, daß niemand mehr so recht weiß – nämlich nicht die Schulbuchverlage, sondern die Verlage, die die Regelwerke herausbringen, und vor allem deren Käufer –, was man kaufen soll.

Jetzt kann ich mit dieser Situation nur insofern umzugehen versuchen, als daß ich erkläre, daß wir Grünen nach wie vor nicht mit dieser Reform einverstanden sind. Wir haben aber auch insofern dazugelernt, als wir akzeptieren, daß zumindest die Kommission dazuzulernen bereit ist. Deshalb stimmen wir auch dem Antrag der Freiheitlichen, der nur wieder den Zustand ante quo herstellen, also nichts verbessern, nichts reformieren will, sondern so tut, als ob es die heilige, unveränderbare deutsche Sprache noch immer gäbe, die es nicht einmal zu Zeiten des Duden gegeben hat, in dieser Form nicht zu. Das ist aber noch lange kein Grund, die Reform sozusagen abzufeiern. (Beifall bei den Grünen.)


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107. Sitzung / Seite 185

21.37


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107. Sitzung / Seite 186

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Christa Krammer. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Das wird der Höhepunkt des heutigen Abends!)

21.37

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich habe natürlich, so wie ich es immer mache, andächtig meinen Vorrednern gelauscht und habe gehört, daß Herr Kollege Schweitzer sagte, er sei verwirrt, er kenne sich nicht aus. (Abg. Dr. Khol: Das ist nichts Neues!) Gut, ich mache eine Kollekte, und wir zahlen ihm die Nachhilfestunden. Abgemacht! Gut! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweitens: In Deutschland, hat Kollege Schweitzer gesagt, seien die Zustände furchtbar. – Das hast du gesagt; nur mußt du auch alles lesen, was an Informationen aus Deutschland nach Österreich kommt. Faktum ist: In Deutschland protestieren zwar die Leute, aber kurioserweise kaufen sie alle die Bücher, welche die Reformschreibweise beinhalten. Diese sind ausverkauft. (Abg. Mag. Stadler: Wie schreibt man "Christa"? Mit K oder Ch? – Abg. Dr. Khol – in Richtung des Abg. Mag. Stadler –: Nachdenken, sonst wird man nicht geliebt!)  – Das zahle ich euch auch noch, damit ihr das lernt.

Erwartungsgemäß hat die Reform der Rechtschreibung Diskussionen ausgelöst; aber das war ohnehin klar. Es hat ja noch nie Reformen gegeben, die keinen Widerspruch ausgelöst hätten. In Preußen wurde im Jahre 1880 die neue Schulorthographie eingeführt, und kein Geringerer als Bismarck war sehr dagegen. Er hat seinen Beamten sogar Ordnungsstrafen angedroht, sollten sie es wagen, nach der neuen Reform zu schreiben. Besonders weh getan – Frau Kollegin Brinek hat schon in bezug auf einen anderen Prominenten, nämlich Karl Kraus, darauf hingewiesen – hat ihm das "h" im Wort "Regierungsrath". Das hat den Herrn Reichskanzler Bismarck sehr gestört. Ich kann aber jetzt schon sagen, daß die ganze freiheitliche Fraktion einen Bismarck nicht aufwiegt – und nicht einmal der hat sich durchgesetzt, denn die Reform wurde eingeführt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Zum Kuckuck! – Abg. Mag. Stadler: Wissen Sie, wer der Bismarck war? Wer war denn der Bismarck? Das war der Uropa Ihres ehemaligen Innenministers!)

Einige Punkte der vorgebrachten Kritik – da stimme ich Kollegen Öllinger zu – sind auch berechtigt, das mag schon sein und daß sich die Grünen dem Antrag der Freiheitlichen anschließen, aber zur Ablehnung der Reform reicht das allemal nicht. Ich halte es für viel sinnvoller, zu fragen, was denn innerhalb der Übergangsfrist geschieht. Ich halte es für gescheit, eine gewisse friedliche Koexistenz ... (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Sie haben gesagt, Sie werden dem Antrag zustimmen. Dann habe ich mich verhört. Ich nehme das sofort zurück. Das macht mich glücklich, möchte ich auch noch hinzufügen.

Man sollte zunächst einmal eine friedliche Koexistenz der Schreibweisen zulassen – ich gehe in sehr vielem mit Ihnen konform –, und in einigen Jahren wird sich eine Schreibweise herauskristallisieren. Gewisse Dinge werden abgelehnt werden, und gewisse Dinge werden sich durchsetzen. Und das, was sich durchgesetzt hat, kann dann im Wege einer ganz normalen Neuauflage aller Nachschlagwerke und Schulbücher Eingang in die Literatur finden. Man soll jetzt aber nicht den Fehler begehen und sagen: Das ist eine Reform der Reform! – Ich würde sagen: Es gibt guten Grund zur Hoffnung, daß sich die normative Kraft des Faktischen durchsetzen wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich denke nur an meine Kindheit: Statt des scharfen "ß" konnte man damals "sz" schreiben. Das ist aber dann schön langsam verblaßt, und heute gibt es das nicht mehr. Die Schreibweise wird von den Kindern angenommen, und ich meine: Schauen wir uns das einmal an! Tragen wir nicht zur Verunsicherung bei! Das Schlimmste, was passieren kann, ist, daß wir jetzt alle schimpfen – und es im Endeffekt diese Reform dann doch gibt, die Kinder und auch alle anderen verunsichert sind.

Eine begleitende Reform – das muß auch ich zugeben – wäre allemal noch besser. Dann könnten in den Neuauflagen stets die neu reformierten Dinge Eingang finden. Und wenn ihr (in Richtung der Freiheitlichen) besser aufpaßt, dann werdet ihr schreiben lernen! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht in 1063 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

15. Punkt

Regierungsvorlage: Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen samt Formblätter (837 der Beilagen)

(Gemäß § 28a keine Ausschußvorberatung)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Von der Vorberatung in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a GOG Abstand genommen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

21.42

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In Zeiten der Ausdehnung der internationalen Kriminalität ist grundsätzlich das Instrumentarium eines Rechtshilfeübereinkommens zwischen verschiedenen Staaten zu begrüßen. Die Beurteilungssituation ändert sich allerdings dann, wenn das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, und wenn, wie im gegenständlichen Fall, von der Republik Österreich Grundsätze des Ordre public verletzt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wenden uns nicht grundsätzlich gegen ein Rechtshilfeübereinkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich, wir wenden uns aber dann gegen ein solches Übereinkommen, wenn dadurch die Souveränität der Republik Österreich in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Beeinträchtigung der Souveränität ist darin zu sehen, daß sich Österreich mit diesem Staatsvertrag zu einer Rechtshilfe zugunsten der Vereinigten Staaten von Amerika hier in Österreich auch dann verpflichtet, wenn die in den USA angeklagten Delikte nach unserem Recht nicht strafbar sind. Darin sehe ich eine massive Beschränkung unserer eigenen Souveränität! Dieses System des Rechtshilfeübereinkommens, das den Ordre public hier beinahe außer Kraft setzt, ist nicht geeignet, die Intentionen zu erfüllen und den Interessen Österreichs zu dienen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu verschieden, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die beiden Rechtssysteme im Bereich des Strafrechts der Vereinigten Staaten von Amerika einerseits und Österreichs andererseits. In den USA ist die Strafrechtspflege Ländersache, und überdies gibt es nicht einmal ein kodifiziertes Strafrecht, weil es ja bekanntlich im anglo-amerikanischen Rechtsbereich eine Kodifikation der Rechtsmaterie nicht gibt. In den USA gilt das Case-law-System, und es handelt sich dort nicht nur um einziges Rechtssystem, sondern um 52 Rechtssysteme der einzelnen Bundesstaaten. Und das ist, meine Damen und Herren, für Österreich unüberblickbar! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Anhand eines tagesaktuellen Themas läßt sich diese Argumentation von mir auch belegen, nämlich am Fall der Beschlagnahme von Bildern der Sammlung Leopold durch einen New Yorker Staatsanwalt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Akt der Beschlagnahme ist nichts anderes als der Weg eines Klägers im Zivilrechtsweg, aber unter Umgehung des Wegs zu einem Zivilgericht, um der Sammlung beziehungsweise Stiftung Leopold gegenüber nicht schadenersatzpflichtig zu werden. Man hat sich in diesem Fall eines Staatsanwaltes


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107. Sitzung / Seite 187

bedient, der im Umweg über ein nichtgerechtfertigtes Strafverfahren versucht, zivilrechtliche Ansprüche zu erheben und Druck auf die Republik Österreich und die Stiftung Leopold auszuüben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Beispiel dieses Falles wird ersichtlich, daß dieses Rechtshilfeübereinkommen zu weitgehend ist, denn die Souveränität der Republik Österreich und der Ordre public bleiben nicht gewahrt, weil die Republik Österreich auch in einem Fall der Beschlagnahme von Bildern der Sammlung Leopold gemäß diesem Staatsvertrag verpflichtet wäre, hier in Österreich Erhebungen vorzunehmen, obwohl ganz eindeutig strafbares Handeln nicht vorliegt, sondern ein Gutglaubenserwerb stattgefunden hat. Im europäischen Rechtsbereich ist ein Gutglaubenserwerb gemäß § 367 ABGB und § 366 HGB eindeutig definiert. Und auch das zeigt die völlige Ungleichbehandlung: Denn in den Vereinigten Staaten muß die Eigentümerkette bis zum ursprünglichen, originären Eigentümer zurückverfolgt werden.

Meine Damen und Herren! Ich befürworte Rechtshilfeübereinkommen, sie dürfen aber nicht so weit gehen, daß dabei die Souveränität Österreichs fast vollständig aufgegeben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte.

21.47

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch einige Sätze zum vorliegenden Vertrag zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten betreffend Rechtshilfe sagen, wobei ich versuchen werde, in einen konstruktiven Dialog mit meinem Vorredner, dem Kollegen Krüger, einzutreten.

Bisher bestand das Problem, daß sich die Rechtshilfe zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten aufgrund der von Krüger schon angesprochenen sehr verschiedenartigen Rechtssysteme schwierig gestaltet hat. Bis jetzt geschah das auf Basis von Gegenseitigkeit. Es gab einen diesbezüglichen Erlaß des Bundesministeriums für Justiz, ursprünglich aus dem Jahre 1951, dann in der Fassung 1954; er war also nicht gerade sehr taufrisch.

Wie mein Vorredner auch schon gesagt hat, trägt der vorliegende Vertrag dem Umstand und der Tatsache Rechnung, daß eine massive Zunahme des Rechtshilfeverkehrs zwischen diesen beiden Ländern in jüngerer Vergangenheit feststellbar war. Die Intention ist also, eine klare Regelungssituation herzustellen.

Jetzt komme ich zu den Bedenken, die Kollege Krüger angeführt hat, und es würde mich interessieren, wie der Herr Minister darauf reagiert, denn es wurde ja ein sehr massiver und ernstzunehmender Vorbehalt hier ausgesprochen.

Ich meine, den Vertrag – ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion – so verstehen zu können, daß die Rücksichtnahme auf den österreichischen Ordre public, die Nichteingriffsmöglichkeit beziehungsweise das Nichttangieren der österreichischen Souveränität dadurch gewahrt bleiben, daß Zwangsmaßnahmen im Rechtshilfeweg nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn es sich um Delikte handelt, die in beiden Ländern mit gerichtlicher Strafbarkeit geahndet werden. Und damit, Kollege Krüger, ist die Rechtssituation des europäischen Rechtshilfeübereinkommens an und für sich wiederhergestellt.

Außerdem glaube ich, den vorliegenden Vertrag so verstehen zu können, daß auch dann, wenn dieser Vertrag ratifiziert ist, Rechtshilfeleistungen auf Grundlage von Gegenseitigkeit nach § 3 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes nicht ausgeschlossen sind, sodaß wir auch auf die diesbezüglichen Einwendungen vorsichtig Rücksicht nehmen. (Abg. Mag. Stadler: Gilt das auch für Delikte, die mit der Todesstrafe geahndet werden?) Kollege Stadler! Das wollte ich mit meinem vorletzten Satz noch sagen.

Es ist festzuhalten – eine solche Klarstellung ist bei einer solchen Debatte wichtig –, daß durch dieses Übereinkommen der § 20 des ARHG nicht berührt wird, der besagt, daß eine Auslieferung ohne Gewährleistung, daß die Todesstrafe nicht verhängt wird, nicht erfolgen darf –


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107. Sitzung / Seite 188

und schon gar nicht eine Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung der Todesstrafe. Dies kann daher aufgrund dieses Vertrages nicht eingefordert werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Ich hoffe, daß der Minister das nicht anders sieht! Denn würde uns der Herr Minister in seiner Stellungnahme jetzt womöglich das Gegenteil beweisen, dann müßte ich die Kolleginnen und Kollegen von meiner Fraktion bitten, gegen diesen Vertrag zu stimmen. Aber das wird sicherlich nicht der Fall sein!

Ich lege aber Wert darauf, jetzt noch folgenden Satz zu sagen: Ich finde, daß es wirklich traurig ist, daß man bei einer Debatte über derartige Verträge mit den Vereinigten Staaten von Amerika noch immer Klarstellungen in Richtung Todesstrafe vornehmen muß. Das ist meines Erachtens sehr traurig! Da es aber nun einmal so ist, werden wir uns weiter bemühen müssen. Ich glaube, es haben alle hier schon einmal einen diesbezüglichen Brief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten geschrieben. (Abg. Mag. Stadler: Der hat andere Probleme!) Ja, die hat er auch, aber das gehört nicht zu dieser Debatte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir glauben, diesen Vertrag so verstanden zu haben, wie ich jetzt ausgeführt habe, und wir sind der Meinung, dem zustimmen zu können. Jetzt bin ich noch sehr interessiert daran, was der Herr Minister zu den aufgeworfenen Fragen des Kollegen Krüger sagen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte.

21.53

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal eine grundsätzliche Feststellung: Bei dem Vertrag, den wir jetzt diskutieren, handelt es sich um einen Rechtshilfevertrag.

Ein ganz anderes Instrument ist der Auslieferungsvertrag. Der Auslieferungsvertrag wurde von mir vor 14 Tagen unterschrieben, und in diesem ist ausdrücklich geregelt – darum hat die Erarbeitung des Auslieferungsvertrages so lange gedauert, denn das war für die USA ein Novum, und wir waren sozusagen der Bahnbrecher in einer neuen Entwicklung –, daß wir nur dann ausliefern, wenn die Zusicherung gegeben ist, daß keine Todesstrafe verhängt wird, wenn es sich um einen noch nicht verurteilten Täter handelt, beziehungsweise daß die Todesstrafe, wenn ein zum Tode verurteilter Täter bei uns aufgegriffen wird, nicht vollzogen wird.

Der vorliegende Vertrag hat mit Auslieferung jedoch überhaupt nichts zu tun. In diesem geht es um andere Rechtshilfemaßnahmen. Es richtig, daß wir hiebei grundsätzlich auf die beiderseitige Strafbarkeit verzichtet haben. Das ist eine Entwicklung, wie sie sich nunmehr ganz generell anbahnt. Es gibt dabei aber eine große Einschränkung – und insofern wird der Ordre public nicht verletzt –: Für all jene Fälle, in denen es mit der freiwilligen Kooperation mit uns aufgrund des Ersuchens und den von uns vorgenommenen Maßnahmen sein Bewenden nicht hat, für jene Fälle, in denen Österreich Zwangsmaßnahmen oder dergleichen ausüben müßte, haben wir uns gegenseitig die beiderseitige Strafbarkeit vorbehalten.

Zum Beispiel: Wenn wir einen Zeugen vernehmen sollen, so werden wir den Zeugen einladen. Will er die Zeugenaussage hier machen und nicht in Amerika, dann kann er bei uns einvernommen werden. Wir können ihn aber nicht dazu zwingen. Wenn er das ablehnt, dann hat es damit sein Bewenden. (Abg. Mag. Stadler: Gibt es auch keine zwangsweise Vorführung?) Es gibt auch keine zwangsweise Vorführung. (Abg. Mag. Stadler: Ist auszuschließen, daß wir an einem Strafverfahren mitwirken müssen, bei dem Todesstrafe verhängt werden kann? Das ist das Problem!) Selbstverständlich müssen wir auch eine Auslieferung vornehmen, wenn auf einem Verbrechen dort die Todesstrafe steht. In diesem Vertrag ist uns aber zugesichert, daß die Todesstrafe diesfalls weder verhängt noch vollzogen wird. Außerdem glaube ich nicht, daß es in den USA einen Straftatbestand gibt, der dort mit dem Tod bedroht und in Österreich überhaupt nicht strafbar ist. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Krüger! Ich meine, daß die von Ihnen grundsätzlich vorgebrachten Bedenken unbegründet sind, denn der Ordre public wird nicht verletzt. Wir geben nur in jenen Fällen


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107. Sitzung / Seite 189

Rechtshilfe, in welchen wir keine eingreifenden Maßnahmen setzen. In letzterem Fall wäre beiderseitige Strafbarkeit erforderlich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Weitere Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Gegenstand der Abstimmung ist der Vertrag mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen samt Formblättern in 837 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vertrag ihre Zustimmung erteilen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Die Genehmigung des Vertrages erfolgte mit Mehrheit.

16. Punkt

Erste Lesung des Antrages 616/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 764/1996, geändert werden

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Zur Begründung hat Frau Abgeordnete Stoisits das Wort. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

21.57

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Zur Behandlung dieses Themas an und für sich würde man viel mehr Zeit als drei Minuten brauchen. Es steht uns aber nicht mehr viel Redezeit zur Verfügung; im übrigen scheinen auch die Kolleginnen und Kollegen reichlich erschöpft von zwei Tagen intensiver Diskussion zu sein – und die Frau Stenographin nickt auch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum bringe ich nur eine ganz kurze Begründung: Die Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Ausrichtung manifestiert sich in Österreich nach wie vor am deutlichsten bei deren Diskriminierung durch Gesetze. Am allerschlimmsten und dramatischsten sind die diesbezüglichen Auswirkungen im Strafrecht. Aber nicht nur im Strafgesetzbuch, sondern auch in allen anderen Gesetzen sind diskriminierende Paragraphen enthalten, durch welche Ungleichbehandlung vorgenommen wird, die sachlich nicht gerechtfertigt ist, wobei "sachlich nicht gerechtfertigt" auch im Sinne der Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins zu verstehen ist.

Daher haben wir den Antrag gestellt, daß das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und analog dazu auch das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werde, um die Mitversicherung auch für gleichgeschlechtliche Partner in Lebensgemeinschaften zu ermöglichen.

Es ist für andersgeschlechtliche LebensgefährtInnen in Österreich gottlob schon seit längerer Zeit möglich, mitversichert zu sein. Diese Mitversicherungsmöglichkeit soll auch für gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen möglich sein; eine Beschränkung auf heterosexueller Lebensgemeinschaften soll aufgehoben werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskriminierung homosexueller Menschen in Österreich bekommt meiner Ansicht nach auch in der Diskussion um die jüngst ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eine neue Dimension. (Abg. Dr. Khol: Es handelt sich hiebei um die Europäische Kommission für Menschenrechte!)


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In dieser Entscheidung geht es um die Diskriminierung homosexueller Menschen aufgrund strafrechtlicher Bestimmungen. – Ich glaube nicht, daß das ein taugliches Instrument ist, um die Emotionen zu kalmieren und ideologischen Argumente, die in unserer Debatte eine große Rolle gespielt haben, wesentlich zu entschärfen. Rechtspolitisch ist es jedoch von großer Relevanz.

Denn Österreich droht ebenfalls Kritik seitens des Europäischen Gerichtshofes und auch von der Kommission, und die ist nicht angenehm. "Angenehm" ist kein Rechtsterminus und kein politischer Begriff. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte damit aber ausdrücken, daß ich – und nicht nur ich allein – Österreich vor dieser Schande bewahren möchte. Deshalb unser Vorstoß bei den Sozialversicherungsgesetzen. (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

22.01

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann mich im wesentlichen den Ausführungen meiner Vorrednerin anschließen.

Wir haben in letzter Zeit schon öfters darüber diskutiert, daß es tatsächlich eine massive Schlechterstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gegenüber heterosexuellen Lebensgemeinschaften gibt. Ich denke in diesem Zusammenhang auch an die zuletzt geführte Diskussion hinsichtlich der Frage eines Eintritts in Bestandverträge im Mietenrecht. Sie erinnern sich vielleicht noch: Der OGH hat ein Erkenntnis gefaßt und ausgesprochen, daß von der Interpretation der Lebensgemeinschaft, wie sie im Mietrechtsgesetz als Nachfolgegrund in ein Mietrecht vorgesehen ist, nicht abgeleitet werden kann, daß dieses Recht auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gilt, und er hat den Gesetzgeber mehr oder weniger unverblümt – wie man es ausdrücken könnte – aufgefordert, sich ausdrücklich zu erklären.

Auch ich meine, daß es notwendig ist – ich darf das für meine Fraktion sagen –, einen entsprechenden Entwurf zu beschließen, und wir haben bereits einen eingebracht. Man erkennt, daß diese Maßnahme gerechtfertigt ist, insbesondere dann, wenn man die Tragik der Situation im gegenständlichen Fall in Betracht zieht: Es gibt erhöhte Pflegebedürftigkeit auch von AIDS-Kranken, und ich denke mir, daß es natürlich dann zu einer Notsituation kommt, wenn nach etwa drei bis fünf Jahren einer der Partner stirbt und der andere die Wohnung verlassen muß. – Solchen Situationen wird man mit der derzeit geltenden Regelung nicht gerecht.

Gleiches gilt auch für sozialversicherungsrechtliche Normen: Hiebei geht es um die Frage, ob es tatsächlich gerechtfertigt ist, daß für den Fall, daß der Partner des Versicherten erkrankt, die Versicherungsgesellschaft keine Leistungen erbringen muß, wiewohl das Gesetz ausdrücklich vorsieht, daß dies in sonstigen Lebensgemeinschaften sehr wohl der Fall ist.

Ich meine, daß es notwendig ist, bei dieser Gelegenheit den gesamten Fragenkomplex noch einmal anzudiskutieren. Das gilt insbesondere auch für § 209 Strafgesetz, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil es vor drei Monaten ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Abg. Dr. Khol: Der Europäischen Kommission für Menschenrechte!) gegeben hat, in welchem in bezug auf England ausdrücklich festgehalten wird, daß eine unterschiedliche Ansetzung des Schutzalters bei Männern und Frauen sachlich nicht gerechtfertigt ist. Darüber kann man sich nicht ganz einfach hinwegsetzen. Daher sollten wir diese Diskussion jetzt wiederaufnehmen.

Ich komme hiemit schon zum Schluß: Ich meine, daß dieser Ansatz positiv ist. Er wird daher von der Sozialdemokratischen Partei unterstützt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

22.04

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie in diesem Hause hinlänglich bekannt, kann ich den Vorrednern nicht zustimmen.


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(Beifall bei der ÖVP.) Unser Verständnis von Familie ist eben ein anderes. (Abg. Dr. Kier: Das wissen wir!) Wir wollen die Mitversicherung in der Sozialversicherung Familienangehörigen zugestehen, und Familienangehörige sind in diesem Zusammenhang eben nicht Liebhaber oder Geliebte. (Abg. Schieder: Bezeichnen Sie eine Lebensgemeinschaft als Liebschaft?)

Ich kann auch die Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins, die, wie Kollegin Stoisits behauptet, in die Richtung geht, daß sich ... (Abg. Schieder: Sie sind untauglich als Vorsitzende des Justizausschusses, wenn Sie Lebensgemeinschaften als Liebschaften bezeichnen!) Herr Kollege Schieder! Ich habe unser Familienverständnis erklärt, und dieses Familienverständnis umfaßt eben den Liebhaber nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Das ist aber ein verkorkstes Verständnis! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir können eine Weiterentwicklung in Richtung mehr Zustimmung oder Förderung von homosexuellen Lebensgemeinschaften nicht erkennen und daher auch nicht unterstützen.

Bezüglich der Ausführungen des Kollegen Jarolim, daß auch das Mietrecht in diesem Zusammenhang ausgeweitet werden soll, erkläre ich meine Ablehnung nicht im Hinblick auf die Situation von Homosexuellen, sondern weil ich Ausweitungen von Eintrittsrechten generell ablehne. Dafür haben wir das Instrument des Wohnungseigentums. Und ich glaube nicht, daß sich unsere Haltung in der nächsten Zeit gravierend ändern wird, und daher glaube ich auch nicht, daß Sie mit der Zustimmung der ÖVP in diesen Fragen in Zukunft rechnen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Es gibt auch Ehen, in denen die Partner Liebhaber zueinander sind! Das gibt es bei der ÖVP wahrscheinlich nicht! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

22.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

22.06

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Offenbar beginnt sich aufgrund des Antrages von Kollegin Stoisits der nächste große Koalitionskrach der rot-schwarzen Einheitspartei abzuzeichnen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe in diesem Fall Frau Kollegin Fekter recht, wenn sie da Bedenken hat. Der Antrag von Frau Abgeordneter Stoisits zielt einmal mehr darauf ab, gleichgeschlechtliche Partnerschaften den Familien gleichzustellen. Das ist wieder ein kleiner Meilenstein in Richtung einer völligen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften – Frau Kollegin Fekter hat das als "Liebhaber" und "Geliebte" bezeichnet – mit der Institution Familie. Ich sage Ihnen ganz klipp und klar: Für uns Freiheitlichen ist die Familie der Urbestand der Bevölkerung und die kleinste funktionierende Lebensgemeinschaft. Und vor der Familie hat keine andere wie immer geartete Lebensform Vorrang! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Wenn man in Anbetracht der finanziell miesen Lage der Sozialversicherungen auch noch eine Mitversicherung gleichgeschlechtlicher Partner vorsieht, dann kann es vorkommen, daß, wenn sich zwei Freunde treffen und sagen: So, jetzt ziehen wir zusammen!, diese nach ein paar Wochen oder Monaten als Angehörige gelten. Es ist ja Voraussetzung für die Mitversicherung, daß man Angehöriger ist. Frau Kollegin Stoisits! Ist Ihnen das recht? Glauben Sie, daß die freie Liebe und Partnerschaft Vorrang hat, oder glauben Sie, daß die Betroffenen es wollen, als Angehörige voneinander abhängig zu sein? Denn mitversichert zu sein bedeutet, in gewissem Maße vom anderen abhängig zu sein. Unter dieser Bedingung erlaubt das Sozialversicherungsrecht eine Mitversicherung.

Ich glaube, daß diese freien Partnerschaften möglichst viel Freiheit wollen und die Partner sich nicht in eine Abhängigkeit begeben wollen. Daher stellt sich, wie ich meine, den Betroffenen diese Frage überhaupt nicht. Sie stellt sich nur im Gehirn der linken Schickeria, vertreten durch Frau Stoisits, durch die Liberalen und – wie man gehört hat – durch die gesamte Sozialistische Partei, die das befürwortet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich kann Ihnen in Anbetracht der Ankündigung von Dr. Jarolim heute schon sagen, daß die Partei der Frau Kollegin Fekter, genauso wie bei der 0,5-Promille-Angelegenheit oder beim Waffengesetz, auch bei dieser homosexuellen Angelegenheit und Lesben-Angelegenheit wieder umfallen wird! Die ÖVP wird ihre Familienpolitik wieder kläglich im Stich lassen! Das kann ich Ihnen heute schon prophezeien!  Kollege Murauer, Sie brauchen gar nicht so zu grinsen! Er hat heute eine Lanze für die Familie gebrochen. Er hat gesagt, daß die Jugendkriminalität rasant ansteigt und nicht mehr in den Griff zu bekommen ist.

Anschließend hat er gleich gesagt, schuld daran sei, daß die Familien nicht mehr intakt sind. – Die ÖVP ist seit zwölf Jahren in der Regierung. Sie hat zwölf Jahre lang die Familiengesetzgebung sträflich vernachlässigt und ist daher mitverantwortlich für die Jugendkriminalität. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Geh hör auf! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Abgeordneten der ÖVP werden auch in dieser Frage wieder umfallen. Ich hoffe, daß Ihr Parteiobmann Sie nicht wie bei der Abstimmung über die 0,5-Promille-Grenze zum Klubzwang vergattert. Ich hoffe, daß Sie in dieser Frage hart bleiben werden, daß Sie die Familie als die Institution, für die wir Freiheitlichen einstehen, die wir als die einzig wahre Gesellschaftsform in Österreich – am besten gesagt: auf der ganzen Welt – anerkennen, weil das die Biologie alleine schon erfordert. Wir erhalten diese Institution aufrecht und lassen sie nicht von linken Ideen unterwandern.

Familie hat Vorrang, meine sehr verehrten Damen und Herren, und ist durch nichts anderes – Liebschaften oder Lebensgemeinschaften – zu ersetzen. Ich habe nichts gegen diese Lebensgemeinschaften. Sie sollen geschlossen werden, aber die Sozialrechtsgebung hat damit nichts zu tun. Diejenigen, die solche Lebensgemeinschaften schließen wollen, sollen zusammen wohnen, zusammen leben, einander lieben, wenn sie wollen – die Familie soll jedoch aus dem Spiel gelassen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Freund. )

22.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte. (Abg. Dr. Mertel: Sind Sie jetzt ein Liebhaber oder Ehemann?)

22.11

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Pumberger, die ÖVP ist Ihrer Definition nach bei der Abstimmung über die 0,5-Promille-Regelung umgefallen. Habe ich das richtig verstanden? Zitiere ich Sie richtig, Herr Kollege Pumberger?  Sie haben gesagt, die ÖVP ist bei der 0,5-Promille-Regelung umgefallen. (Abg. Scheibner: Gegenüber vorherigen Ankündigungen!) Gut, ja, ich habe schon verstanden.

Nun habe ich bei der letzten Debatte zur Einführung der 0,5-Promille-Grenze von Ihnen gehört, die dafür getroffene Regelung sei Ihnen zu wenig streng. (Ironische Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.) Wie kann denn jemand, der für etwas stimmt, das zuwenig streng ist, umfallen? Die ÖVP schwankte zwar bis zu dieser Abstimmung in ihrer Linie – das ist richtig –, aber umgefallen ist sie bei der letzten Abstimmung nicht. Daher war dieses Bild, das Sie – bezogen auf die Frage von Änderungen im Sozialversicherungsrecht – gebracht haben, nicht passend.

Es war mir wichtig, das zu erwähnen, denn dabei geht es um etwas anderes, nämlich um die Frage, ob wir es sozialpolitisch anerkennen, daß ein Mensch, der mit einem anderen in einer Lebensgemeinschaft lebt, ihn pflegt, betreut und versorgt – also Aufgaben übernimmt, die einer Lebensgemeinschaft entsprechen –, mitversichert sein soll oder nicht. Man kann Ihre Meinung vertreten und sagen: Nein, die Familie – den Begriff "Familie" haben Sie allerdings nicht definiert – ist heilig und sakrosankt! Man kann aber auch anderer Meinung sein. (Abg. Dr. Graf: Das Kind macht die Familie aus!) Dies jedoch dermaßen ins Lächerliche zu ziehen, wie Sie es gemacht haben, finde ich nicht gut, denn es geht dabei nicht um irgendeinen Ersatz für Familie, sondern um zwei Menschen, die einander Beistand leisten und sozialversicherungsrechtlichen Schutz bekommen sollen.


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Sie können offenbar "Familie" nicht definieren. (Abg. Mag. Stadler: O ja!) Ihrer Ansicht nach gehören ja Kinder dazu. Was ist dann ein kinderloses Ehepaar in Ihrer heilen Welt? (Abg. Dr. Graf: Das ist eine Ehe!)  – Dem Ehepartner müßten Sie dann auch die Mitversicherung nehmen. Würden Sie diese Linie konsequent vertreten, dann würde ich Sie ernst nehmen. So handelt es sich einfach nur um ein Scheinargument, und das ist noch dazu kein "heiliges". – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.15

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Kier, Sie bekommen von mir in aller Kürze eine Definition zur Familie. Zunächst einmal gehen wir Freiheitlichen in unserer programmatischen Vorstellung davon aus, daß man von Familie im Gegensatz zu Partnerschaft – egal, ob sie ehelich verfaßt ist oder nicht – erst dann sprechen kann, wenn ein Kind dazukommt. Eine Familie ist eine Partnerschaft bestehend aus Mann und Frau – egal, ob ehelich verfaßt oder nicht – plus Kind, das heißt, es tritt eine zweite Generation dazu. (Abg. Dr. Karlsson: Und alleinerziehende Mütter?)

Lassen Sie mich ausreden, Frau Kollegin Karlsson! Das ist sozusagen der idealtypische Fall der Familie. Darüber hinaus gibt es noch den Fall, daß – das ist sozusagen die empirische, soziologische Befindlichkeit – eine Mutter oder auch ein Vater mit dem Kind eine Familie bilden kann. Entscheidend ist aber, daß eine zweite Generation dazukommt. Das ist die Definition der Freiheitlichen von Familie. Diese haben wir für uns getroffen und programmatisch entschieden.

Die zweite Frage ist jene, ob das Sozialversicherungsrecht auf Familie oder auf Angehörige abstellt. Da hat Herr Kollege Pumberger recht: Es stellt auf Angehörige ab. Angehöriger ist derjenige, der entweder durch Eheband, das heißt also durch ein rechtliches Band – es geht nämlich der Frau Kollegin Stoisits darum, das rechtliche Band anders zu definieren – oder durch ein Blutsband miteinander verbunden ist; der ist angehörig. Somit trifft unsere Rechtsordnung die Entscheidung darüber. (Abg. Dr. Kier: Das ist falsch!) Wir Freiheitlichen sehen überhaupt keine Veranlassung, an dieser Definition des Begriffes "Angehöriger" zu rütteln oder davon abzugehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Und Adoption!) Adoption ist das rechtliche Band.

22.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema liegen nicht vor.

Ich weise den Antrag 616/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu .

17. Punkt

Erste Lesung des Antrages 625/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert werden

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich beginne nun mit der Debatte über die erste Lesung des Antrages 625/A – gleichfalls von Frau Kollegin Stoisits eingebracht – betreffend Änderung der Bundesverfassung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stoisits.

22.16

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! In aller Kürze: In zwei Wochen wird im Rahmen des Verfassungsausschusses der 20. Bericht der Volksanwaltschaft diskutiert werden. Ich erhoffe mir im Verfassungsausschuß bezüglich Stellung der Volksanwaltschaft, Erweiterung der Möglichkeiten der Volksanwaltschaft und Wünsche, die von der Volksanwaltschaft selbst an die Abgeordneten – zumindest an mich als


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Mitglied des Verfassungsausschusses – herangetragen wurden, eine intensive Diskussion; unter anderem auch über jene Punkte, die mein Gesetzesantrag enthält, nämlich die Möglichkeit der Volksanwaltschaft, Gesetzesanträge an den Nationalrat zu richten, um dadurch im Falle gravierender legistischer Mißstände, die von der Volksanwaltschaft aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Tätigkeit registriert und von ihr erkannt werden, den Nationalrat – ich möchte es drastisch formulieren – zwingen zu können, sich mit den Anregungen, die die Volksanwaltschaft jährlich bringt, auseinanderzusetzen. Diese Anregungen sind auf vielen Seiten – zumindest zwischen 20 und 30 Seiten – in den jährlichen Berichten der Volksanwaltschaft zu finden, und sie sind bis jetzt im wesentlichen völlig ungehört geblieben. Das ist ein Punkt meines Antrages und auch des Briefes, den die Volksanwaltschaft an uns und an Sie gerichtet hat.

Der zweite Punkt betrifft die Möglichkeit der Teilnahme der Mitglieder der Volksanwaltschaft, also der Volksanwälte, an den Sitzungen des Nationalrates. Jetzt ist das nur in sehr beschränktem Umfang möglich, nämlich nur dann, wenn ihre eigenen Berichte im Verfassungsausschuß behandelt werden beziehungsweise bei jenen Budgetkapiteln, die die Volksanwaltschaft direkt betreffen.

Der Antrag der Grünen sieht vor, daß die Mitglieder der Volksanwaltschaft als ein Organ des Nationalrates prinzipiell an den Beratungen des Nationalrates und natürlich seiner Ausschüsse teilnehmen können. Wir könnten uns auch vorstellen, da Ausnahmen zu machen, beispielsweise bei Untersuchungsausschüssen und beim Ständigen Unterausschuß des Hauptausschusses. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft würden in einem solchen Falle den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt, die ja auch das Recht zur Teilnahme haben.

Ich meine, daß das ein sehr gangbarer Weg wäre, wie seitens der Volksanwälte auf den Nationalrat effektiver eingewirkt werden könnte, um die festgestellten Mißstände auch tatsächlich dort vorzubringen, wo sie vorgebracht gehören. Unseren Erfahrungen nach sind eben nur ein Teil dessen, was die Volksanwaltschaft bei ihren Prüfungen zutage fördert, Mißstände der Verwaltung, der andere Teil stellt legistische Unzulänglichkeiten dar.

Das ist – ganz kurz gefaßt – der Inhalt unseres Antrages. Ich meine, daß wir schon bei der nächsten Plenarsitzung Gelegenheit haben werden, uns mit diesem Thema, und zwar bei der Debatte über den 20. Bericht der Volksanwaltschaft, wieder zu beschäftigen. – Danke schön. (Beifall der Abgeordneten Mag. Barmüller und Dr. Kier. )

22.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

22.20

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Beim Antrag 625/A der Abgeordneten Stoisits wird es zum Finale des Sitzungstages zwischen SPÖ und Grünen keine Harmonie geben, denn hinter diesem Antrag verbirgt sich eigentlich eine grundlegende Änderung der österreichischen Bundesverfassung, ein völliger Systembruch. Laut diesem Antrag sollen nämlich Gesetzesvorschläge, meine Damen und Herren, nicht "nur" – nur unter Anführungszeichen – Abgeordnete des Nationalrates und des Bundesrates sowie die Bundesregierung vorbringen können, sondern auch die Volksanwaltschaft, ein Organ des Nationalrates.

Meine Damen und Herren! Wenn man die Begründung liest, so läßt sich da schon ein eigenartiges Demokratieverständnis erkennen. Da heißt es nämlich: Die Volksanwaltschaft soll den Nationalrat zwingen. – Erlauben Sie mir im Rahmen der ersten Lesung eine etwas drastische Formulierung dazu: Da beginnt ja wirklich der Schwanz mit dem Hund zu wedeln. Das entspricht nicht meinem Verfassungsverständnis und auch nicht dem der SPÖ-Fraktion.

Im übrigen erweist man damit der Volksanwaltschaft einen Bärendienst – um in der Sprache der Tierwelt zu bleiben –, denn laut einem Schreiben vom 19. Jänner 1998 – also ganz aktuell – will die Volksanwaltschaft so etwas gar nicht. Ich zitiere: Sie wünscht sich Prüfkompetenz für aus


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gegliederte Rechtsträger, Unterstützungspflicht und eine verstärkte Möglichkeit, mit Abgeordneten legistische Anregungen zu diskutieren.

Es bleibt also die Frage nach der Motivation der Grünen. Warum wollen die Grünen etwas für die Volksanwaltschaft erreichen, was diese nicht einmal selbst will? – Es ist schon die Tendenz erkennbar, daß sich die Grünen – um noch einmal einen Vergleich aus dem Tierleben zu bringen – als Kuckuckskinder ins fremde Nest setzen: Bei der gestrigen Dringlichen Anfrage wurden die Plebiszite vereinnahmt, und heute, bei dieser ersten Lesung, wird ein Organ der Republik als eine Art Oppositionsinstrument stilisiert. Das wird die überwiegende Mehrheit in diesem Hohen Hause nicht zulassen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Sonja Moser. – Bitte.

22.22

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft hat in ihrem 20. Bericht an den Nationalrat ihre Vorschläge zu einer Weiterentwicklung unterbreitet. Von 1977 an hat die Volksanwaltschaft im Falle von Eingaben Post, Bahn, Bundesforste, Schloß Schönbrunn und vieles mehr überprüft. Diese Betriebe sind nunmehr privatisiert und in AGs und GesmbHs umgewandelt. Nun ist es freilich schwierig geworden, den Bürgerinnen und Bürgern den nunmehrigen Entfall von Überprüfungsmöglichkeiten klarzumachen.

Die Volksanwaltschaft meint auch, daß sie die Bürgerinnen und Bürger immer wieder zeitlich vertrösten müsse, weil die Informationsverteilung seitens der Behörden schleppend erfolgt. Des weiteren wünscht sich die Volksanwaltschaft auch, in die Gesetzgebung eingebunden zu werden. Da scheint mir die Problematik dieses Antrages voll zum Ausdruck zu kommen. Unsere gesamte Verfassung beruht auf dem Legalitätsprinzip. Dabei ist es möglich, daß sich ein herausgegriffener Einzelfall als unsozial, vielleicht sogar als unmenschlich darstellt. Unsere Verfassung bringt aber für alle größte Rechtssicherheit. Wir sind daher für die absolute Beibehaltung des Legalitätsprinzips, wobei gegen die Auslegung mit gesundem Menschenverstand nichts einzuwenden ist.

Die Volksanwaltschaft ist in die Begutachtungen voll eingebunden. Wir von der ÖVP können und wollen die Säulen unserer Rechtsordnung nicht einstürzen lassen.

Des weiteren verfügt die Volksanwaltschaft über ausgezeichnete Juristen, die durchaus in der Lage sind, Gesetze zu überprüfen, sodaß wir nicht die Verfassung strapazieren müssen, um der Volksanwaltschaft die Möglichkeit einzuräumen, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, um die Prüfung von Gesetzen zu verlangen. Damit würde Begehrlichkeiten zu sehr die Tür geöffnet.

Ich sage abschließend in aller Deutlichkeit: Das Parlament arbeitet gerne mit der Volksanwaltschaft zusammen, und die Volksanwaltschaft kann jederzeit auf die Hilfe des Parlaments bauen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fuhrmann.  – Abg. Dr. Khol: Haigermoser, so eine Rede bringst du nicht zusammen!)

22.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.25

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Grundzüge kritisieren wir an jenem Entwurf, den Frau Abgeordnete Stoisits heute eingebracht hat. Erstens die Forderung, die Volksanwaltschaft soll Gesetzesvorschläge machen können. Das ist etwas, was die Liberalen nicht so sehen, denn die legistischen Anregungen, die im Bericht angesprochen werden, können, wenn sie als gravierend empfunden werden, von Abgeordneten dieses Hauses thematisiert werden. Wir meinen, daß das ausreichend ist. Es


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kann hiebei die Arbeit, die von der Volksanwaltschaft geleistet wird, in den Gesetzgebungsprozeß einfließen.

Zur zweiten Forderung, zur Teilnahme an allen Sitzungen und Ausschüssen des Nationalrates, möchte ich sagen: Die Ladung zu den einzelnen Sitzungen ist jederzeit – etwa in den Ausschüssen – möglich, wenn sie gewünscht wird. Das ist auch, wenn seitens des Nationalrates das Bedürfnis besteht, gewährleistet. Daher muß ein solches Recht nicht generell bestehen.

Die dritte Forderung, die Frau Abgeordnete Stoisits erhoben hat, ist jene, daß befragte Ämter und Behörden der Volksanwaltschaft innerhalb einer bestimmten Frist Auskunft geben müssen. Das ist eine Forderung, Frau Abgeordnete, die die Liberalen auch für sinnvoll halten, und eine Sache, die wir im Ausschuß und bei den folgenden Diskussionen unterstützen werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Daher ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 625/A dem Verfassungsausschuß zu.

18. Punkt

Erste Lesung des Antrages 638/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend eine Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Staatsbürgerschaftsnovelle 1998)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Als erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Haigermoser: Da bekommen wir heute eine Erschwerniszulage, Herr Präsident!)

22.26

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute meine letzte Wortmeldung. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Eine Erschwerniszulage will ich haben, Herr Präsident! Das Gehalt ist mager!)

Ich bin nicht in der Präsidiale. Ich bin daher nicht verantwortlich für die Erstellung der Tagesordnung, und demzufolge bin ich auch nicht dafür verantwortlich, ob drei erste Lesungen von Gesetzesanträgen so wie heute auf der Tagesordnung stehen. Daher richten Sie Ihre Beschwerden über zu häufige Wortmeldungen meinerseits an die Präsidiale. Jedenfalls sieht die Geschäftsordnung vor, daß jener Abgeordnete, der den Initiativantrag einbringt, in erster Lesung verpflichtet ist, zu sprechen, sonst findet keine selbige statt. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Daher werden Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren – egal, ob es Ihnen gefällt oder nicht –, diese restlichen Minuten Redezeit, die ich noch zur Verfügung habe, ertragen müssen, zumal es sich um ein sehr wesentliches Thema handelt.

Es handelt sich nämlich um die Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechtes in Österreich. Dies ist nun die dritte Legislaturperiode, der ich als Abgeordnete diesem Hohen Hause angehöre, und in jeder dieser Legislaturperioden gab es zumindest erste Lesungen zur Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts. Weiter, Herr Klubobmann Khol, sind wir bisher nicht gekommen (Abg. Dr. Khol: Warten Sie nur! Wir werden Sie voll zufriedenstellen!), obwohl diese Diskussion schon in den achtziger Jahren begonnen wurde. (Abg. Dr. Khol: Schon viel früher! Auch im letzten Jahrhundert! Zur Zeit vom Starzynski!) Es gab bereits Ende der achtziger Jahre Vorschläge, die – und das ist kein Zufall – den Vorschlägen der Grünen sehr ähnlich waren. Zumindest sind unsere Vorschläge beziehungsweise ist unser Initiativantrag den Vorschlägen des Innenministeriums sehr ähnlich.

Lassen Sie mich – bereits zum Schluß meiner Ausführungen kommend – Ihnen nur überblicksmäßig jene Punkte des Initiativantrags aufzählen, die mir als die novellierungsbedürftigsten


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beziehungsweise ergänzungsbedürftigsten des geltenden österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts erscheinen.

Das wesentlichste ist meiner Meinung nach die Erleichterung der Einbürgerung für Folgegenerationen. Das geltende Recht sieht keine Möglichkeit vor, daß Menschen, die in Österreich geboren werden, bei ihrer Geburt automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben, wenn ihre Eltern – und das ist das Wesentliche! – bereits in Österreich geboren wurden. Das nennt die Wissenschaft das sogenannte doppelte ius soli. Kinder, die in Österreich geboren werden, werden, obwohl ihre Eltern bereits in Österreich geboren wurden, in Österreich nicht automatisch Staatsbürger. Diese Kinder sind nicht – lassen Sie es mich jetzt einmal so sagen – automatisch Österreicher und Österreicherinnen, obwohl sie es faktisch sind. Es kann mir keiner erklären, daß Kinder, deren Eltern bereits in Österreich geboren wurden, nicht – sowohl vom Gefühl als auch von der Weise her, wie andere diese Sache sehen – Österreicher sind. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist ein nicht unwesentlich wichtiger, nämlich die Forderung nach einer gänzlichen Gleichgleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern im Staatsbürgerschaftsrecht. Da gibt es Lücken und Mängel.

Der dritte Punkt ist wohl der umstrittenste, und zwar die Ermöglichung von Doppelstaatsbürgerschaften.

Der vierte und der fünfte Punkt beziehen sich auf die Fristen. Es ist geltendes Recht in Österreich, den Rechtsanspruch auf Staatsbürgerschaft erst nach 30 Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet – Aufenthalt im Bundesgebiet heißt Hauptwohnsitz im Bundesgebiet – zu gewähren. 30 Jahre! Diese Frist ist im europäischen Vergleich einzigartig, nämlich einzigartig lang. Wir Grünen schlagen vor, diese auf zehn Jahre zu verkürzen und die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach fünf Jahren zu ermöglichen. Gleichzeitig fordern wir auch die Einschränkung der Ermessensspielräume, die das Gesetz heute vorsieht, um damit den Staatsbürgerschaftswerbern beziehungsweise den Neobürgerinnen und -bürgern mehr Rechtssicherheit zu geben.

Ein weiterer Punkt ist die Berufungsmöglichkeit bei Entscheidungen an den jeweiligen UVs. Diese Möglichkeit scheint im Sinne von mehr Rechtssicherheit und auch der Möglichkeit an sich, Einsprüche zu erheben oder Gegenentscheidungen zu treffen, notwendig.

Ein allerletzter Punkt – ich würde fast sagen ein Hobby, das Herr Bundesminister außer Dienst Dr. Pahr schon seit vielen Jahren hat – ist die Beseitigung der immens hohen Gebühren bei Staatsbürgerschaftsverleihungen. Es gibt nicht wenige Fälle, meine Damen und Herren, in denen ausländischen Familien mit zwei Kindern, die schon lange in Österreich leben und die österreichische Staatsbürgerschaft haben möchten, also vierköpfigen Familien, Kosten in der Höhe von 100 000 S und mehr entstehen können. Das scheint zweifelsfrei unverhältnismäßig hoch zu sein.

Ich bin nicht dafür, daß die Erlangung der Staatsbürgerschaft kostenlos ist. In Österreich ist nichts umsonst im Sinne von kostenlos. Überall muß man Stempelmarken kleben, und vielleicht ist es auch für das Selbstverständnis von Neoösterreichern wichtig, Stempelmarken zu kleben. Aber so, wie sich die Rechtslage heute darstellt (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), ist sie unbefriedigend und novellierungsbedürftig. Mehr dazu im Innenausschuß und bei einer allfälligen Novellierung. (Beifall bei den Grünen. )

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.33

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Erlauben Sie mir ein paar grundsätzliche Feststellungen zu dem vorliegenden Antrag der Grünen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
107. Sitzung / Seite 198

Das derzeit geltende Staatsbürgerschaftsgesetz hat sich in der Vergangenheit sehr bewährt. Wir können europaweit auf eine sehr erfolgreiche und anerkannte Politik verweisen. Das Gesetz nimmt auf die Interessen der österreichischen Bevölkerung Rücksicht, kommt aber auch den Bedürfnissen jener Menschen entgegen, die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben.

Dennoch soll jedes Gesetz – wann immer die Möglichkeit und Notwendigkeit dazu besteht – verbessert werden, und daher treten auch wir von der SPÖ für Änderungen ein. Allerdings gehen die Änderungsvorschläge der Grünen ein wenig an der Realität vorbei, wie die Punktation der Kollegin Stoisits gezeigt hat, doch werden wir noch im Detail sehr ausführlich darüber diskutieren.

Unserer Meinung nach liegen die Hauptpunkte für die Reformen in der Vereinheitlichung der Zugangszeiten und im Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Wir Sozialdemokraten treten für eine Erleichterung der Situation von Asylberechtigten ein. Wir werden – und das soll man immer wieder verdeutlichen – unseren Status als Asylland weiter aufrechterhalten. Politisch Verfolgte werden auch in Zukunft in Österreich Hilfe bekommen. Unsere Vorschläge zeigen Augenmaß und Verantwortungsbewußtsein, weil sie in gleichem Maße die Interessen der Österreicher und auch der Ausländer berücksichtigen.

Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unserer Auffassung nach nicht nur einer von vielen Schritten einer erfolgreichen Integration, sondern der letzte. Wir sehen keinen Grund, von der bisherigen Praxis abzugehen.

Doppelstaatsbürgerschaften sollen so wie bisher nur in Ausnahmefällen verliehen werden, nicht in der Regel.

Wir treten, wie gesagt, für einen fairen, respektvollen Umgang mit allen Menschen in unserem Lande ein, und wir werden auch in Zukunft daran festhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

22.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.35

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei etwas genauerer Betrachtung des Antrages der Grünen muß man zu dem Schluß kommen, daß die Grünen offenbar das Staatsbürgerschaftsgesetz mit Weihnachten verwechseln, denn frei nach dem bekannten Weihnachtslied "Macht hoch die Tür, das Tor macht weit" wollen sie das Staatsbürgerschaftsgesetz ändern. Auch mit Pfingsten – um im Bereich der christlichen Feiertagen zu bleiben – möchte ich ihr Ansinnen vergleichen, und zwar als reziprokes Pfingstwunder: Anstatt vom Heiligen Geist erleuchtet zu werden, scheinen die Grünen mit diesem Antrag von allen guten Geistern verlassen zu werden (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), denn was sich in diesem Antrag verbirgt, meine Damen und Herren, ist ein Anschlag auf den derzeitigen Rechtsstaat (Beifall der Abgeordneten Dr. Khol und Dr. Stummvoll ), und ich werde an zwei Beispielen exemplarisch begründen, warum das so ist.

Der Antrag der Grünen ist zum ersten eher eine Groteske. Sie wollen nämlich eine semantische Änderung erreichen. Hören Sie alle zu, die Sie sich mit diesem Antrag nicht befaßt haben! Das Wort "Fremder" soll ersetzt werden durch die Wortfolge "Person nicht österreichischer Staatsbürgerschaft". Frau Stoisits, das ist in meinen Augen eine semantische Manipulationsstrategie (Abg. Mag. Stadler: Was ist das noch einmal?), denn wenn Sie nur dieses Wort ändern wollen, dann ändern Sie damit noch nicht das Problem. Sie wollen das Wort "Fremder" negativ besetzen, damit Sie es später ändern können. Wie wollen Sie das weiterspinnen? Wie wollen Sie "Fremdenverkehr" definieren? Ist das ein Verkehr mit einer "Person nicht österreichischer Staatsbürgerschaft" (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), oder wie wollen Sie das fortsetzen? Sie sehen, meine Damen und Herren, wie grotesk dieser Vorschlag eigentlich ist. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
107. Sitzung / Seite 199

Jetzt wird es aber ernst, jetzt geht es ans Eingemachte, jetzt geht es an die Rechtstaatlichkeit. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen, beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Er meint das ernst!) Wissen Sie, was Sie noch wollen, Frau Stoisits? – Sie wollen all jenen, die eine Mindeststrafe von nicht mehr als drei Jahren unbedingt erhalten haben, die Staatsbürgerschaft verleihen. Das heißt: Kein Ausschließungsrecht, außer für jene, die zu mehr als drei Jahren unbedingt verurteilt worden sind. (Abg. Dr. Khol: Der Antrag ist schlecht formuliert!)

Meine Damen und Herren! Das ist an und für sich der Ernst bei dieser Diskussion, und dies zeigt, welches Gedankengut die Grünen hegen, denn damit erweisen Sie sich als Fürsprecher von ausländischen Straftätern. Lassen Sie sich folgendes sagen: Wenn Sie jedem, der ein Delikt begeht und nicht zu mehr als drei Jahren unbedingt verurteilt wird (Abg. Mag. Stadler: Der muß die Staatsbürgerschaft nehmen! Der hat keine andere Wahl!), die Staatsbürgerschaft nicht verweigern wollen, dann wird die Sache bedenklich. Auch organisierte Schlepper fallen da darunter (Abg. Dr. Graf: Der muß sie nehmen! Der hat drei Jahre gesicherten Aufenthalt!), denn die Höchststrafe für Schlepperei beträgt drei Jahre. Frau Stoisits, wie begründen Sie das?

Es sind noch viele andere derartige Dinge in diesem Antrag der Grünen betreffend das Staatsbürgerschaftsrecht enthalten. Ich empfehle jedem, sich den Antrag der Grünen durchzulesen und dessen Inhalt auf der Zunge zergehen zu lassen. Es ist darin beispielsweise auch eine Forderung betreffend Doppelstaatsbürgerschaften enthalten. Außerdem wollen die Grünen nicht, daß Ausländer die deutsche Sprache beherrschen können müssen, und ähnliche Dinge mehr, die internationaler Standard sind.

Es wird von seiten der ÖVP bei mangelndem Integrationswillen, bei Unkenntnis der Sprache und in Fällen, in denen offensichtlich Vorteile erschlichen werden sollen, ein klares Nein geben. Es wird aber ein Ja für jene geben, die integrationswillig sind, die sich an die Gesetze halten und die die Pflichten, die die österreichische Staatsbürgerschaft mit sich bringt, erfüllen wollen.

Sagen Sie ja zu dem Antrag, den die Österreichische Volkspartei in Zusammenarbeit mit den Bundesländern eingebracht hat. Das ist die vernünftige Alternative zum Antrag der Grünen, der – ich sage es noch einmal – auf die Rechtsstaatlichkeit in Österreich abzielt. (Beifall bei der ÖVP.)

22.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

22.40

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Es ist wirklich schwer, nach Großruck die semantischen Wörter zu ergreifen! (Abg. Dr. Khol: Was sind semantische Wörter?) Die Großruckschen Metaphern! Man hat Schwierigkeiten, ihm zu folgen, weil die logische Abfolge durch merkwürdige Brüche ohne Ligaturen gekennzeichnet ist. (Abg. Schieder: Herr Kollege! Wörter sind doch ungeordnete Worte, die werden doch nicht ergriffen!)

Er hat immerhin das Pfingstwunder angerufen, er hat den Heiligen Abend und den Heiligen Geist genannt und die Tore aufgemacht. Zur Sache hat er allerdings wenig gesprochen, aber es ist auch schon ein bisserl spät! Er hat zum Beispiel nicht erkannt, daß das eine Diskussionsgrundlage ist, über die man im Ausschuß dann reden kann.

Wollen wir weiter beim ius sanguinis bleiben – das hat mit Pfingsten nichts zu tun! – oder beim ius soli? Was ist richtiger in Zeiten hoher Mobilität: nur Abstammung oder auch Herkunft?

Herr Kollege Großruck! Vielleicht warten Sie noch auf Ihr Pfingstwunder, und dann diskutieren wir weiter! (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise diesen Antrag dem Ausschuß für innere Angelegenheiten zu.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
107. Sitzung / Seite 200

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da damit auch die Tagesordnung erschöpft ist, kommen wir nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Frau Abgeordneten Klara Motter, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 445/A eine Frist bis zum 24. März 1998 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächstes kommen wir zum Antrag des Herrn Abgeordneten Moser, Partnerinnen und Partner auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die politische Verantwortung der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Kurdenmorden.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt, sodaß sich eine Verlesung erübrigt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG beschließen:

Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlu und Fadel Rasul am 13.7.1989 und der Verfolgung von drei dieser Tag dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen.’’

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Durchführung einer Debatte wurde nicht beantragt. (Abg. Dr. Graf: Gott sei Dank!)

Daher kommen wir sogleich zur Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte alle jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher ist der Antrag abgelehnt.

Ich gebe bekannt, daß die Selbständigen Anträge 676/A bis 685/A eingelangt sind, ferner die Anfragen 3547/J bis 3609/J.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für 22.43 Uhr, das heißt im unmittelbaren Anschluß an diese Sitzung, ein.

Die 107. Sitzung ist damit geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.42 Uhr