Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 142

Bundeskanzler Dr. Schmidt praktisch gefällt wurde von den eigenen Leuten - durchgezogen wurde. Ich war froh bis herauf zu Bosnien, wo Amerika - Gott sei Dank! - gesagt hat, wir gehen trotzdem - ursprünglich wollten sie ja nicht -, weil wir in Europa nicht in der Lage waren, die Probleme so zu lösen.

Was haben denn die Frauen gemacht in Srebrenica, die vor kurzem demonstriert haben, weil ihre Toten - die liegen noch irgendwo in den Wäldern herum - noch nicht begraben wurden? Sie haben Tafeln getragen mit der Aufschrift: "Help NATO!" (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte nicht jemanden, der in seinem Schmerz oft sehr emotionalen Reaktionen zugänglich ist, mißbrauchen bei der Argumentation, aber sie sind die wichtigen Zeugen für mich, was wirkt, was hilft. Die Tat merken die Menschen dann, wenn das Nichthandeln zu Toten, zu Hunderttausenden Flüchtlingen und anderen Verwaisten, die ihre Heimat verlassen müssen, führt. Das sollten wir endlich aus der Geschichte lernen!

Ich habe vorhin den 12. März 1938 erwähnt. Wie war es mit den baltischen Ländern, meine Damen und Herren? Wer hat den baltischen Ländern geholfen? Niemand hat ihnen geholfen! Ich bin sogar entfernt von dem Standpunkt, alle anderen zu verurteilen, weil sie sich damals nicht mit der mörderischen Verbindung zwischen Moskau und Berlin, zwischen Molotow und Ribbentrop, zwischen Hitler und Stalin angelegt haben. Was hätte das bedeutet, wenn man für die baltischen Länder eingetreten wäre?

Aber wir müssen wissen, daß diese Gefahren immer wieder lauern, immer wieder da sind, und sollten daraus das Maximum an Sicherheit für unser Land herausholen, nämlich unserem Land und unseren Bürgern maximale Sicherheit geben. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich verstehe das nicht, meine Damen und Herren. Bei allen unterschiedlichen Meinungen, die es gibt, hat mir noch niemand gesagt: Wenn wir uns in einem Verbund verteidigen müssen, in dem Amerikaner, Engländer und andere mit dabei sind, sind wir sicherer, als wenn wir uns allein verteidigen müssen. Und die Frage ist uns gestellt worden in diesem Zusammenhang: Glauben wir, daß wir allein sicherer sind, mit den Mitteln, die wir aufwenden, oder im Verbund mit anderen? Wir müssen doch auch die Antwort politisch geben können, wenn wir uns unter vier Augen immer wieder sagen: Natürlich ist das so! Ich bin nicht für diese Zurückhaltung. Wenn es wirklich um das Land, um sein Wohl und seine Sicherheit geht, meine Damen und Herren, dann bin ich dafür, daß wir sehr uns wohl - bei allen legitimen Rechten der Opposition natürlich, die es immer freut, Anträge zu stellen - um einen breiten Konsens in dieser Frage bemühen, breit abgestuft, daß wir bei aller Klarheit der Position versuchen, die Zustimmung vieler zu gewinnen. Umso fester hält dann diese Lösung.

Nur, ob wir Mitläufer sind, sozusagen auf den Zug aufspringen, nichts dazu leisten, das können nicht wir bestimmen - den Ruf bestimmen die anderen, meine Damen und Herren. Wenn wir für Solidarität bei der Bekämpfung der Großkriminalität sind, für Solidarität bei der Bekämpfung anderer Zivilisationsprobleme, dann sollten wir doch auch für Solidarität sein, wenn es um Aggression geht und darum, sie abzulehnen. (Abg. Wabl: Die NATO müßte der UNO unterstellt werden und nicht dem amerikanischen Senat! - Abg. Dr. Gredler: Das wird schwerlich gehen!) Die UNO hat neben vielen Schwächen doch auch so viele Vorteile, daß ich sie nicht in diesem Zusammenhang hier polemisch qualifizieren möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin optimistisch, meine Damen und Herren. Wir werden auch das schaffen. Die Frage ist nur, ob wir es nicht zu spät schaffen. Das ist das Problem. Man zögert immer mehr bei der EU und auch bei der NATO, neue Bewerber aufzunehmen. Derzeit würden wir noch willkommen sein. Die erste Runde haben wir versäumt - man muß gelegentlich auch einen Preis dafür bezahlen. Schauen wir, daß diesmal auch wieder das Fenster von uns rechtzeitig geöffnet und zugemacht wird. Versäumen wir es nicht! Wir haben es einige Male zustande gebracht, die "Fenstersituation" zu nützen: Ein Jahr später wäre kein Staatsvertrag, sechs Monate später wäre kein Südtirol-Paket mehr möglich gewesen. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Es kann auch bei der


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