Stenographisches Protokoll

130. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 18. Juni 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

130. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 18. Juni 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 18. Juni 1998: 9.03 – 19.17 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt : Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte

2. Punkt : Bericht über den Antrag 791/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

3. Punkt : Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften

4. Punkt : Bundes-Seniorengesetz

5. Punkt : Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang

6. Punkt : Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG

7. Punkt : Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden

8. Punkt : Bericht über den Antrag 768/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird

9. Punkt : Bericht über den Antrag 449/A (E) der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Reform der Oesterreichischen Kontrollbank

10. Punkt : Bericht über den Antrag 792/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ermächtigung zur Veräußerung von Anteilsrechten an der "Österreichischen Exportfonds Gesellschaft m.b.H." erteilt wird

11. Punkt : Bericht über den Antrag 710/A der Abgeordneten Arnold Grabner, Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 2

12. Punkt : Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern

13. Punkt : Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich

14. Punkt : Bericht über den Antrag 476/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätsabgabegesetz, Artikel 60 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, das Erdgasabgabegesetz, Artikel 61 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, und das Energieabgabenvergütungsgesetz, Artikel 62 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, geändert werden

*****

Inhalt

Personalien

Entschuldigungen 10

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend Fernbleiben des Abgeordneten Peter Rosenstingl von dieser Sitzung 159

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 736/A (E) betreffend Vorsorgemaßnahmen im Bereich der flächendeckenden Installation von Mobilfunksendeanlagen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 6. Juli 1998 zu setzen 11

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 11

Redner:

Dr. Gabriela Moser 132

Rudolf Parnigoni 134

Dr. Erwin Rasinger 135

Helmut Haigermoser 136

Dr. Martina Gredler 137

Theresia Haidlmayr 138

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 140

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung 11

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend vom Abgeordneten Andreas Wabl an der Wand hinter dem Präsidium angebrachtes Plakat, auf welchem das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs abgedruckt ist 21

Verlangen der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers Mag. Viktor Klima – Ablehnung 34, 34


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 3

Ausschüsse

Zuweisungen 10, 159

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerrekord und rot-schwarze Steuergeschenke (4556/J) 94

Begründung: Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 99

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 102

Debatte:

Hermann Böhacker 107

Dr. Ewald Nowotny 109

Dr. Walter Schwimmer 111

Mag. Helmut Peter 114

Dr. Alexander Van der Bellen 116

Reinhart Gaugg 118

Dr. Walter Schwimmer (tatsächliche Berichtigung)119

Dr. Kurt Heindl 120

Ing. Wolfgang Nußbaumer 122

Mag. Herbert Kaufmann 123

Dr. Michael Krüger 124

Karl Öllinger 125

Helmut Dietachmayr (tatsächliche Berichtigung) 128

Mag. Cordula Frieser 128

Hermann Böhacker (tatsächliche Berichtigung) 129

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (tatsächliche Berichtigung) 130

Wolfgang Großruck 130

Doris Bures 131

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Einkommensobergrenze für den Bezug von Mietzinsbeihilfe – Ablehnung 127, 132

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt : Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1211 d. B.): Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte (1253 d. B.)12

2. Punkt : Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 791/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1255 d. B.) 12

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 12

Dr. Alois Mock 15

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 18

Peter Schieder 22

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung)24


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 4

Herbert Scheibner 24

Dr. Martina Gredler 26

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 28, 47

Mag. Doris Kammerlander 31

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 34

Dr. Michael Spindelegger 34

Wolfgang Jung (tatsächliche Berichtigung) 36

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 36

Wolfgang Jung 36

Dr. Josef Cap 38

Dr. Alexander Van der Bellen 40

Hans Helmut Moser 41

Dr. Gerhard Kurzmann 44

Dkfm. DDr. Friedrich König 47

Andreas Wabl 48

Dr. Irmtraut Karlsson 49

Ludmilla Parfuss 50

Genehmigung des Staatsvertrages in 1253 d. B. 51

Annahme des Gesetzentwurfes in 1255 d. B. 51

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Regierungsvorlage zum Vertrag von Amsterdam – Ablehnung 33, 51

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Verbesserung des Tierschutzes in der EU – Ablehnung 46, 51

3. Punkt : Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1210 d. B.): Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften (1254 d. B.) 52

Redner:

Dr. Volker Kier 52

DDr. Erwin Niederwieser 53

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 54

Karl Donabauer 55

MMag. Dr. Willi Brauneder 56

Dr. Günther Kräuter 57

Mag. Johann Ewald Stadler 59

Johann Schuster 61

Hermann Kröll 62

Dr. Michael Krüger 63

Dr. Andreas Khol 65

Dr. Johannes Jarolim 66

Berichterstatter Dkfm. DDr. Friedrich König (Schlußwort) 67

Genehmigung der Vereinbarung 67

4. Punkt : Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1184 d. B.): Bundes-Seniorengesetz (1257 d. B.)67

Redner:

Dr. Martin Graf 67

Winfried Seidinger 70

Dr. Volker Kier 72


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 5

Georg Wurmitzer 75

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 76

Edith Haller 78

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 79

Annahme des Gesetzentwurfes in 1257 d. B. 80

5. Punkt : Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1064 d. B.): Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang (1256 d. B.) 81

Genehmigung des Staatsvertrages in 1256 d. B. 81

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 81

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt : Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1185 d. B.): Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG (1242 d. B.) 82

7. Punkt : Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1165 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden (1243 d. B.) 82

8. Punkt : Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 768/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird (1244 d. B.) 82

9. Punkt : Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 449/A (E) der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Reform der Oesterreichischen Kontrollbank (1247 d. B.) 82

10. Punkt : Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 792/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ermächtigung zur Veräußerung von Anteilsrechten an der "Österreichischen Exportfonds Gesellschaft m.b.H." erteilt wird (1249 d. B.) 82

11. Punkt : Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 710/A der Abgeordneten


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 6

Arnold Grabner, Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (1245 d. B.) 82

Redner:

Reinhart Gaugg 82

Mag. Herbert Kaufmann 85

Mag. Helmut Peter 86

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 88

Dr. Alexander Van der Bellen 89

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 91

Anna Huber 92

Mag. Reinhard Firlinger 93

Mag. Dr. Josef Höchtl 140

Ing. Wolfgang Nußbaumer 141

Dr. Kurt Heindl 142

Mag. Dr. Udo Grollitsch 143

Mag. Cordula Frieser 145

Theresia Haidlmayr 146

Arnold Grabner 147

Dr. Franz Löschnak 148

Annahme der Gesetzentwürfe in 1242, 1243, 1244, 1249 und 1245 d. B. 149

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1247 d. B. 149

12. Punkt : Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (665 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern (1246 d. B.) 150

Redner:

Karl Gerfried Müller 150

Genehmigung des Staatsvertrages in 1246 d. B. 151

13. Punkt : Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1086 d. B.): Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich (1216 d. B.) 151

Redner:

Matthias Ellmauer 151

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 153

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 154

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 155

Dr. Gabriela Moser 156

Genehmigung des Staatsvertrages in 1216 d. B. (unter Berücksichtigung des Antrages der Abgeordneten Matthias Ellmauer und Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller) 158

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 158

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 158

Antrag der Abgeordneten Matthias Ellmauer und Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller zur Regierungsvorlage 1086 d. B. – Annahme siehe Beschlußfassungen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG sowie im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 152, 158

14. Punkt : Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 476/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätsabgabegesetz, Artikel 60 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, das Erdgasabgabegesetz, Artikel 61 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, und das Energieabgabenvergütungsgesetz, Artikel 62 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, geändert werden (1215 d. B.) 159

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1215 d. B. 159

Zuweisung des Antrages 476/A an den Finanzausschuß 159

Eingebracht wurden

Bericht 10

III-138: Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Mautvignette


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 7

Anträge der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka, Jakob Auer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (813/A)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend eine erhöhte Dotierung der Förderungsmittel für die Abwasserentsorgung in Kärnten (814/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt unter finanzieller Beteiligung des Landes Kärnten und der Landeshauptstadt Klagenfurt (815/A)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz-GewG) 1998 (816/A)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend neue Kriterien für den Einsatz von Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinern im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (817/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Verpflichtung zur Stellungnahme zu Mängelerhebungen durch das Zentral-Arbeitsinspektorat im Bereich des Bundesbedienstetenschutzes (818/A) (E)

Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (819/A)

Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Ausbildungsstandard und Berufsbild von Arzthelferinnen und Zahnarzthelferinnen (820/A) (E)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend den Verdacht von Preisabsprachen im Hoch- und Straßenbau (821/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz (BGBl. Nr. 242/1962) idgF geändert wird (822/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die unentgeltliche Übereignung von beweglichem Bundesvermögen (823/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerrekord und rot-schwarze Steuergeschenke (4556/J)

Josef Meisinger und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) (4557/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Adaptierung der HG-NEU und der dazugehörigen Konzepte (4558/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Abführung von Teilen der "Entschädigung" von Versicherungsvertretern an ihre Parteien (4559/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Belastung für die heimische Wirtschaft durch die trotz Auslaufens der Arbeiterabfertigungssonderaktion weiterhin zu entrichtende Kammerumlage II (4560/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 8

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Aussagen des Bundesministers für Justiz zu dem gegen führende Repräsentanten der Regierungsparteien erhobenen Vorwurf von Kontakten zur Ost-Mafia (4561/J)

Anna Huber und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Lückenschluß der S 35 Einödfeld – Röthelstein (4562/J)

Anna Huber und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes in Bruck/Mur und die Errichtung eines Parkhauses (4563/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Öffnung des Akademieparkes Wiener Neustadt für Radfahrer (4564/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Öffnung des Akademieparkes Wiener Neustadt für Radfahrer (4565/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Prüfung der Stranded Investments in der E-Wirtschaft (4566/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Durchführung der Steuerreform in zwei Etappen (4567/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Erfahrungen mit der Kleintaktik und der Gefechtstechnik des ÖBH im Rahmen von Raumschutzübungen und internationalen Übungen (4568/J)

Hans Hellmut Moser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Verdacht der Verletzung von Dienstpflichten durch Bezirksinspektor Josef Kleindienst, dienstführender Beamter Bundespolizeidirektion Wien, Generalinspektorat der Sicherheitswache (4569/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Grenzübertritt für Motorradlenker mit einem Führerschein der Gruppe B (4570/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Werbeeinschaltungen in: Österreichischer Rundfunk, private Radiosender, Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Monatsmagazinen (4571/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ansteckungsgefahr mit Hepatitis C bei endoskopischen Untersuchungen (4572/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verdacht auf Steuerhinterziehung durch Scientology (4573/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Welser Westspange (4574/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Maßnahmen gegen transnationale Korruption (4575/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Bestimmung der Korrelation zwischen Kanalisierungsgrad und Grundwasserqualität beziehungsweise -spiegel (4576/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 9

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Altlastensanierungsprojekt Arnoldstein sowie Versuchsbetriebsgenehmigung für einen Wirbelschichtofen und zwei Dörschelöfen am Standort der ehemaligen Bleiberger Bergwerks Union im Bereich der Firma ABRG (4577/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Aktivitäten im Zusammenhang mit dem KKW Mochovce (4578/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Aktionsprogramm "Temelin" (4579/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für auswärtigen Angelegenheiten betreffend Aktionsprogramm "Temelin" (4580/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Konsequenzen aus den Ergebnissen der Lebensmitteluntersuchungen (4581/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Scientology (4582/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aktivitäten im Zusammenhang mit dem KKW Mochovce (4583/J)

Maria Rauch-Kallat und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Diskriminierung von Rollstuhlfahrern in öffentlichen Verkehrsmitteln (4584/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend langfristige Familienförderungspläne (4585/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen (4031/AB zu 4288/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (4032/AB zu 4298/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen (4033/AB zu 4303/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen 31/ABPR zu 30/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (32/ABPR zu 33/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (33/ABPR zu 34/JPR)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 130. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 127. Sitzung vom 16. Juni ist aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben; es gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt sind die Abgeordneten Ing. Langthaler, Mag. Trattner, Mag. Barmüller, Wenitsch, Dr. Haider und Mag. Schweitzer.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 4031/AB bis 4033/AB.

Anfragebeantwortungen (Präsident des Nationalrates): 31/ABPR bis 33/ABPR.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 807/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden,

Antrag 808/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend geschlechtsneutrale Regelung für Nachtarbeit;

Kulturausschuß:

Antrag 810/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Aufklärung über geraubte beziehungsweise abgepreßte Kunstgegenstände in österreichischen Museen sowie deren Rückgabe;

Rechnungshofausschuß:

Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Mautvignette (III-138 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuß:

Antrag 812/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Forstgesetz 1975 geändert werden;


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 11

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 809/A der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Edeltraud Gatterer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt unter finanzieller Beteiligung des Landes Kärnten und der Landeshauptstadt Klagenfurt,

Antrag 811/A der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG), BGBl. I Nr. 48/1997, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 38/1998, geändert wird.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf bekanntgeben, daß die Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 4556/J der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen an den Herrn Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerrekord und rot-schwarze Steuergeschenke dringlich zu behandeln.

Nach den Ihnen bekannten Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr zur Verhandlung aufgerufen werden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser beantragt hat, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 736/A (E) betreffend Vorsorgemaßnahmen im Bereich der flächendeckenden Installation von Mobilfunksendeanlagen eine Frist bis zum 6. Juli 1998 zu setzen.

Es ist in diesem Zusammenhang auch ein Antrag auf Durchführung einer Debatte gestellt worden, der ausreichend unterstützt ist und dem daher stattzugeben ist. Diese Debatte wird gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung im Anschluß an die Verhandlung der Dringlichen Anfrage durchgeführt werden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird unmittelbar im Anschluß an die Debatte durchgeführt werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Punkte 1 und 2 sowie 6 bis 11 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen. Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Ich gebe bekannt, daß in der Präsidialkonferenz Konsens über die Abwicklung der heutigen Tagesordnung wie folgt erzielt wurde: Es ist eine Tagesblockredezeit von 8 "Wiener Stunden" in Aussicht genommen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Dies bedarf der Zustimmung des Nationalrates. Ich frage daher: Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 12

1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1211 der Beilagen): Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte (1253 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 791/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1255 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wünscht der Berichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Dann gehen wir in die Beratungen ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

9.07

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Vertrag von Amsterdam sieht unter anderem vor, daß die Nationalstaaten ihre Souveränitätsrechte in zum Teil beträchtlichem Maße auf die Ebene der Europäischen Union verlagern sollen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Nun kann man der Meinung der Sprecher der beiden Regierungsparteien sein – des Außenministers, der sagt, es sei sogar wünschenswert, daß das geschieht, oder des Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses, Kollegen Schieder, der ebenfalls der Meinung ist, es sei wünschenswert, daß dies geschieht –, dann wird man diesem Vertrag schon aus diesem Grunde wahrscheinlich begeistert die Zustimmung erteilen.

Herr Kollege Schieder! Wie erklärt es sich aber dann, daß die beiden Stützen der Europäischen Union und des dynamischen Prozesses innerhalb der Europäischen Union, nämlich der deutsche Bundeskanzler Kohl und der französische Staatspräsident Chirac, beim Gipfeltreffen in Cardiff ein Positionspapier auf den Tisch gelegt haben, in dem sie sich für die Stärkung der Nationalstaaten aussprechen? – Darin wird eine Richtlinie als besonders dramatisches Beispiel genannt, in der es um die Frage des Buchhandels geht. Der deutsche Buchhandel beklagt sich massiv, daß die Europäische Union in die Rechte der Nationalstaaten eingreift und unsinnige Regelungen beschließt – ich brauche die Bananenkrümmungsrichtlinie und all das, was in der Vergangenheit schon zur Genüge genannt wurde, gar nicht wieder zu zitieren.

Meine Damen und Herren! Das sind Widersprüche – Widersprüche, die seit Beginn dieser Europäischen Union, seit dem Maastricht-Vertrag bestehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese Widersprüche werden durch den Amsterdamer Vertrag fortgesetzt: Hier ist ein Vertragswerk, dort sind politische Absichtserklärungen, und diese klaffen diametral auseinander.

Daß das Ganze natürlich einen Hintergrund hat, der auch im bundesdeutschen Wahlkampf zu suchen ist, ist klar. Dennoch bleibt der Widerspruch aufrecht. Wir verstehen nicht, wie die bedeutendsten Männer der Europäischen Union erklären können, sie seien dafür, daß das geschieht, was wir Freiheitlichen immer schon gefordert haben, nämlich daß die Souveränitätsrechte der Nationalstaaten nicht weiter geschmälert werden. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen, sie seien dafür, daß Rechte an die Nationalstaaten zurückgegeben werden. Dann würde in Zukunft die Europäische Union im Rat nicht mehr einstimmig zu entscheiden haben, sondern mit qualifizierter Mehrheit. Wie geht das zusammen? – Das sind massive Widersprüche, die sich aus diesem Vertragswerk ergeben, an denen man einfach sieht, daß der Bür


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 13

ger an der Nase herumgeführt wird. (Abg. Schieder verneint.) Aber ja, Herr Kollege Schieder! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich will Ihnen zwei weitere Beispiele nennen; mit zwei wirklich dramatischen Beispielen möchte ich meine Argumentation unterlegen. Das eine ist der sogenannte Transitvertrag. Erinnern Sie sich: Der damalige Verkehrsminister und nunmehrige Bundeskanzler und der Landeshauptmann von Tirol haben mit einem Vertragswerk herumgewachelt, als es um die Frage der Zustimmung zum Beitritt zur Europäischen Union im Rahmen der Volksabstimmung des Jahres 1994 ging. Alle Probleme gelöst!, hieß es: Wir haben ein epochales Vertragswerk, Tirol wird nicht zum Durchhaus der Europäischen Union werden, wir werden am Brenner die Maut kontrollieren können, wir werden sie selbständig und souverän festlegen können, wir haben Öko-Punkte vereinbart.

Doch nun stellt sich heraus, daß dieser Transitvertrag das Papier nicht mehr wert ist, auf dem er steht, meine Damen und Herren. Jetzt geht der Herr Landeshauptmann Weingartner am Brenner gegen sich selbst blockieren. Das versteht doch niemand mehr, das werden Sie mir wohl zugestehen! Wir haben damals, im Jahre 1994, davor gewarnt, daß dieses Vertragswerk die Probleme nicht lösen wird. Wir haben davor gewarnt, daß man den Menschen ein X für ein U verkauft. Doch heute stellt sich heraus, daß selbst die Regierungsvertreter sagen: Ja, das war für uns immer schon klar, daher demonstrieren wir gegen uns selbst! Das, was wir im Jahre 1994 gesagt haben, hat die österreichische und speziell die Tiroler Bevölkerung hoffentlich schon vergessen!

Das zweite Beispiel betrifft die Frage der Absenkung der Beitragszahlungen. Meine Damen und Herren, insbesondere Kollegen von meiner Fraktion! Erinnern Sie sich daran, mit welchem Hohn man gesagt hat, es sei unmöglich, das zu machen, was Margaret Thatcher verlangt hat: We want our money back!, hat sie gesagt. Für Österreich sei das unmöglich, undenkbar. Doch jetzt lesen wir, hören wir und sehen wir in den Medien, daß sich der Bundeskanzler der Republik Österreich hinstellt und im Windschatten des Herrn Kohl – zugegebenermaßen einem breiten Windschatten – sagt: Wir sind für die Absenkung der Nettobeitragszahlungen! – Meine Damen und Herren! So wird den Menschen ein X für ein U vorgemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als wir Freiheitlichen gesagt haben, wir sind dafür, daß man im Rahmen von Nachverhandlungen eines schlecht verhandelten Beitrittsvertrages die Zahlungen Österreichs an die Europäische Union absenkt, war das ein Thema, das unter den Glassturz der Unmöglichkeit gestellt wurde. Unmöglich!, hat es geheißen. Ihr eigener Finanzminister hat damals gesagt: Unmöglich!; Ihr damaliger Bundeskanzler hat gesagt: Unmöglich!, da sieht man, wie wenig die Freiheitlichen Europäer sind!

Herr Kollege Schieder, ist Ihr Bundeskanzler heute ein schlechter Europäer, nur weil er plötzlich entdeckt, daß er auch Österreicher ist? Ist Ihr Bundeskanzler deswegen ein schlechter Europäer, weil er darauf warten muß, bis der deutsche Bundeskanzler sich eine Meinung gebildet hat, dieselbe wie sein Finanzminister Waigel, der immer schon der Meinung war, man sollte die Beitragszahlungen in Zukunft absenken, da die Deutschen nicht 60 Prozent des Haushaltes der Europäischen Union finanzieren wollen?

Wir haben damals gesagt, wir spielen da nicht mit, verhandelt nach, das ist ein konditionelles Nein. Wenn vernünftige Ergebnisse herauskommen, dann kann man mit uns durchaus reden. Aber Sie haben eine Sickerzeit von zwei bis vier Jahren, bis Sie das tun, was wir schon früher gerne gehabt hätten und womit wir der österreichischen Bevölkerung einiges erspart hätten. – Meine Damen und Herren, das sind die Probleme dieser europäischen Integration. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Schieder, das können Sie nicht in Abrede stellen. Es ist objektiv für jeden, der ein einigermaßen auf fünf Jahre zurückreichendes Erinnerungsvermögen hat, nachvollziehbar, daß sich die Dinge so abgespielt haben, wie ich sie Ihnen jetzt hier schildere.

Die Fünfjahresfrist – weil ich gerade bei fünf Jahren bin – ist auch im Amsterdamer Vertrag für eine weitere Souveränitätsschmälerung für die Mitgliedstaaten bedeutsam: Nach fünf Jahren,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 14

meine Damen und Herren, wird es so sein, daß die Mitgliedstaaten nicht mehr direkt im Rat Initiativen einbringen können, das Initiativrecht haben, nein: Das Initiativrecht geht in fünf Jahren auf die Kommission über. Die Kommission, von niemandem gewählt, von keiner demokratischen Legitimierung getragen, wird in Zukunft das Initiativrecht haben. Und das Initiativrecht ist in der Europäischen Union ja nicht ganz unbedeutend.

Die Mitgliedstaaten müssen in Zukunft bei der Kommission anklopfen, um dort ihre Wünsche deponieren zu können, damit die Kommission dann geneigtermaßen entweder die Wünsche als Initiativen weiterträgt oder sie schlicht und einfach schubladisiert.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, wie mit dem Positionspapier der Landeshauptleutekonferenz unter dem Vorsitz von Landeshauptfrau Klasnic zum Thema Osterweiterung umgegangen wurde. Herr Kollege Schieder, ich weiß nicht, ob Sie den Brief des Herrn Pirzio-Biroli – das ist der Kabinettsleiter von EU-Kommissar Fischler – kennen. Dieser hat seinem Kabinettsleiterkollegen mitgeteilt: Hier haben Sie eine Deklaration der Landeshauptleute aus Österreich; machen Sie damit, was Sie wollen. – Das ist die Art des Umgangs, meine Damen und Herren, wortwörtlich nachlesbar, wir haben diesen Brief. Da steht: Machen Sie damit, was Sie wollen. – Das interessiert die Kommission nicht. Und dieser Kommission wollen Sie in Zukunft das Initiativrecht und die Entscheidungszuständigkeit geben, was in Zukunft in der Europäischen Union geschieht und was nicht?

Letztlich, Herr Kollege Khol, wird heute eines der bedeutendsten Gesetze beschlossen werden, eine der bedeutendsten Verfassungsnovellen in diesem Jahrzehnt, wenn nicht sogar seit Bestehen der Zweiten Republik, insbesondere seit dem Neutralitätsgesetz: nämlich die kalte Abschaffung des Neutralitätsgesetzes. Nicht daß wir dagegen wären, daß man die Neutralität abschafft, weil sie ihren Zweck erfüllt hat. Kollege Khol hat einmal gesagt, man soll sie in die Schatzkammer der Hofburg zu den Kronjuwelen geben. Nein, man geht heute so vor, daß man sie kalt abschafft und der Bevölkerung immer noch erklärt, das Neutralitätsgesetz bleibe unangetastet.

Die Wahrheit ist, daß heute ein Gesetz beschlossen werden soll – ich zitiere wortwörtlich –, mit dem Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung in Zukunft möglich sind. Das ist die neue Umschreibung für Kriegsbeteiligung, meine Damen und Herren! So schaut es aus. Das sollten Sie der Bevölkerung sagen, und Sie sollten sie miteinbinden. Es ist eine Entscheidung der Österreicherinnen und Österreicher, ob wir die Neutralität abschaffen oder nicht. Wir sind dafür, daß wir sie abschaffen, aber die Entscheidung darüber muß die österreichische Bevölkerung im Rahmen einer Volksabstimmung treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da nützt es nichts, Herr Kollege Schieder, wenn Ihr Klubobmann im Verfassungsausschuß erklärt, er gehe vom Grundsatz der verfassungsverträglichen Interpretation aus. Der nächste Redner, Kollege Khol von der ÖVP, hat gleich gesagt, er gehe davon aus – übrigens im Einklang mit der österreichischen Rechtslehre –, daß hier die Lex-posterior-Regel gelte, das heißt, die letztere Regelung, die jüngere derogiert die ältere Regelung. Das bedeutet, daß in Zukunft selbstverständlich im Rat die Zustimmung vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Außenminister oder vom Außenminister im Einvernehmen mit den Bundeskanzler zur Beteiligung an Kriegseinsätzen möglich ist, meine Damen und Herren.

Es sind auch schon einige in Ihrer Fraktion daraufgekommen – das lese ich in der heutigen Ausgabe des "Kurier" –, daß sich Widerstände bilden. Ich kann diese Widerstände verstehen. Denn die Friedenswerkstatt Linz – nicht gerade eine Organisation, die mir nahesteht, sondern eher dem Kollegen Cap – ersucht uns in einem eindringlichen Appell, in einem offenen Brief, diesen Vertrag nicht zu unterzeichnen, diese Verfassungsgesetz-Novelle nicht zu beschließen. Ausnahmsweise hat die Friedenswerkstatt Linz einmal recht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie schaffen heute kaltlächelnd durch die Hintertüre die Neutralität ab und erzählen den Österreicherinnen und Österreichern nach wie vor, die Neutralität bleibe unangetastet. Kollege Kostelka geht davon aus, daß in Zukunft im Rat immer nein gesagt werde, weil ja das Neutralitätsgesetz gelte. Dem widersprechen natürlich Kollege Khol und der Außenminister.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 15

Das ist kein absolutes Nein, das wird sich nicht so abspielen, Herr Kollege Schieder, meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Die Grünen wissen, daß das so ist. Das wird sich so abspielen, daß in Zukunft sehr genau zu beobachten sein wird, wo Kampfeinsätze stattfinden. Da werden sich die Österreicher selbstverständlich einbinden lassen, denn der Mut, dort vom Grundsatz der verfassungsverträglichen Interpretation – Zitat Kostelka – auszugehen, dieser Mut ist schlichtweg nicht vorhanden. Und der Wille dazu ist bei der ÖVP ebenfalls nicht vorhanden, das wissen Sie ganz genau.

Wenn der Herr Außenminister im Rat über einen Kriegseinsatz wird abstimmen müssen, dann wird er sich selbstverständlich daran orientieren, was die Deutschen machen, was andere Staaten machen, und die Meinung des österreichischen Parlaments ist denen relativ egal. Das wissen Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Kollege Khol hat das deutlich gesagt. Er geht davon aus, daß die Lex-posterior-Regel gilt, daß die österreichische Position in der Europäischen Union selbstverständlich nicht nach der österreichischen Verfassungslage zu interpretieren sein wird, sondern nach diesem Vertrag, nach dem Vertrag von Amsterdam, nach dem EU-Vertrag, nach den Maastrichter Vertragswerken und nach der neuen Regelung, die hier beschlossen wird. – Antrag Kostelka, Antrag Khol.

Zum Schluß kommend: Das ist Ihr schludriger Umgang mit der Verfassung, meine Damen und Herren, der allein daraus ablesbar ist, daß Sie die verfassungsmäßige Verpflichtung, jede einzelne verfassungsändernde Bestimmung des Vertrages auch als solche zu kennzeichnen, damit das nachvollziehbar ist – eine Regelung, Herr Kollege Schieder, die unter Bruno Kreisky beschlossen wurde –, wieder einmal mißachten. Man geht davon ab, den Österreichern klarzulegen, was Verfassungsrecht ist, was Verfassungsänderung ist, was überhaupt in diesem Lande noch Verfassung ist, sondern man hält es mit Kollegen Khol und sagt, die österreichische Verfassung spiele keine Rolle mehr, denn das EU-Recht gehe in jedem Fall dem österreichischen Verfassungsrecht vor.

Das ist eine Haltung, meine Damen und Herren, die wir ganz klar ablehnen. Das werden wir zum Ausdruck bringen, indem wir heute beide Anträge ablehnen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Alois Mock. – Bitte.

9.20

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Meine Damen und Herren! Wenn wir heute den Amsterdamer Vertrag im Ratifikationsverfahren vor uns liegen haben und darüber entscheiden sollen, kann es meiner Auffassung nach nur eine positive Reaktion seitens des Nationalrates geben, denn er stellt einen weiteren Schritt in der Verdichtung der Zusammenarbeit, einen weiteren Schritt hinsichtlich der Integration und einen weiteren Schritt zur Sicherung des brüchigen Friedens in Europa dar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man kann dazu pro und contra lange reden, Kollege Stadler, aber es stellt sich die Frage, was dabei herauskommt. (Abg. Mag. Stadler: Eine Volksabstimmung! Wir verlangen eine Volksabstimmung darüber! Binden Sie doch das Volk ein!) – Die Neutralität wurde hier im Haus mit den Stimmen des Nationalrates beschlossen, wir haben in der Öffentlichkeit Verantwortung übernommen und sind dabei, auch weiterhin auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. )

Man kann nicht, wenn etwas sehr angenehm ist und gewünscht wird, sagen: Ja, das machen wir hier in diesem Haus!, und dann, wenn etwas empfindlich und umstritten ist, die Entscheidung dem Volk "zuschieben", wie Sie dies nach Ihren Ausführungen machen wollen. Es gibt eine Teilung der Aufgabenstellung, und diese müssen wir ernst nehmen! Das ist meine Auffassung, vor allem auch aufgrund der Tatsache, daß sich 66 Prozent der Österreicher für den Beitritt zur Europäischen Union entschieden haben.

Meine Damen und Herren! Zum Brief der grünen Fraktion: Das Grundproblem liegt in folgender Frage (Ruf bei den Freiheitlichen: Ein X für ein U!): Es geht nicht nur um die Neutralität, sondern


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 16

wir kämpfen um Sicherheit für unser Land und für die Freiheit seiner Bürger. Es geht um die Sicherheit – das muß ich wiederholen. Die Frage der Instrumentalisierung steht an. Die Neutralität war in einer bestimmten Situation ein Instrument, aber die Situation hat sich total verändert.

Man muß sich immer wieder die Frage stellen: Was stärkt unsere Sicherheit? (Abg. Jung: Stimmt, aber nicht Neutralität heucheln! Das ist das Problem!)  – Nein, ich habe von der Entwicklung der Neutralität gesprochen. Sie erfährt eine stete Veränderung. Rechtlich gesehen ist sie an und für sich ein schwaches Instrument.

Die Neutralität war im Jahre 1955 politisch gesehen eine großartige Idee, um vor allem die Teilung des Landes zu vermeiden und die Besatzungstruppen wegzubringen. (Abg. Mag. Stadler: Ja! D’accord!) Darüber sind wir uns einig. Es gab dann in dieser Frage ständig Änderungen. Wir haben gesagt: Neutralität nach dem Schweizer Modell, wenige Monate später sind wir jedoch dem Europarat beigetreten, zwei Jahre später dann der UNO – die Schweiz nicht. Wir haben die Bewegungsmöglichkeiten, die Autonomie im Interesse unseres Landes ständig ausgenützt. (Abg. Mag. Stadler: Auch in Ordnung!) Das ist unsere Aufgabe, und wir sollten das auch jetzt tun. Die Neutralität verändert sich, und wir müssen immer darauf schauen, was den Interessen unseres Landes entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frage der Neutralität ist international gesehen noch wichtiger als national. Man muß daher auch die Entwicklungen, die seither eingetreten sind, berücksichtigen, meine Damen und Herren! Es gab Vorwirkungen und Nachwirkungen. Als der Konflikt mit dem Irak wegen der Aggression gegen Kuwait ausgebrochen ist, gab die österreichische Bundesregierung die Erlaubnis dazu, daß amerikanische Flugzeuge zur Abwehr dieser Aggression über österreichisches Territorium fliegen. Dies wurde zuerst kritisiert; später haben die Schweizer nachgezogen.

Wir haben die Möglichkeiten, die die gewohnheitsrechtliche Entwicklung bietet, im Interesse unseres Landes genützt. Die Neutralität war immer ein Instrument und wird auch den instrumentalen Charakter behalten; das Ziel jedoch war schon immer die Unabhängigkeit, die Selbständigkeit, die Sicherheit des Landes und die Freiheit seiner Bürger. Daran müssen wir festhalten. Und daher wundere ich mich darüber, daß es in dieser Frage keinen Dialog gibt.

Man sollte den Dialog zwischen den Regierungsparteien – auch wenn es Differenzen gibt – und zwischen Regierung und Opposition fortsetzen. Ich halte das für sehr wesentlich. Nach dem Jahre 1945 ist es gelungen, in sehr wichtigen Fragen parteipolitische Gegensätze zu überwinden; daher muß es auch heute möglich sein, weiterzureden, selbst wenn nächstes Jahr Wahlen vor der Tür stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe es, Kollegin von den Grünen, wenn Sie sagen, daß Sie sich Sorgen um den Bestand der Neutralität machen. Sie sagen: Unsere Fraktion sieht diese stille Abschaffung der Neutralität durch die Bundesregierung mit großer Besorgnis. – Die stille Abschaffung. Das, was ich Ihnen jetzt aufgezählt habe, waren jedoch ausnahmslos unsere Entscheidungen. Wir bewegen uns in einem internationalen gewohnheitsrechtlichen Bereich.

Damals, als es geheißen hat, daß man auch als neutraler Staat Mitglied der Vereinten Nationen werden kann, hat man nicht gesagt, daß die Neutralität schwächer geworden ist. Im Jahre 1946 war es ursprünglich unmöglich, daß Schweden Mitglied wird – unvereinbar! Dann wurde es möglich. Das heißt, die kollektive Sicherheit, die Solidarität trat immer mehr in den Vordergrund – es gibt immer ein Auf und Ab. Es gibt in der Entwicklung natürlich auch Rückschläge, siehe die gesamte Integrationsentwicklung. Wir sollten das berücksichtigen und daraus nicht Gegensätze machen, die es nicht gibt.

Man kann darüber diskutieren, was die Sicherheit eines Landes garantiert, das in der Mitte, im Herzen Europas liegt, nur wenige hundert Kilometer entfernt von neuen Explosionsherden, sollte aber nicht immer nur automatisch wiederholen: Neutralität, Neutralität.

Es geht auch um folgende Frage: Was geschieht mit unserem Land im Kriegsfall? – Früher hat es geheißen: Neutralität heißt, du darfst keinen bevorzugen, mußt jeden gleich behandeln. Heute wird der Neutrale beschimpft, wenn er den Schlechten nicht angegriffen hat und den Guten


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 17

nicht als Partner akzeptiert hat, weil er eben neutral war. So ändern sich die Dinge, die Wertung, wie sich Schweden und die Schweiz im Krieg verhalten haben. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Meine Damen und Herren! Wir sollten weiterhin von folgender Basis ausgehen: Erstens: Unsere Aufgabe ist es, im Interesse des Volkes zu handeln. Die Neutralität hat dem Menschen zu dienen und nicht der Mensch der Neutralität! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Völkerrecht hat dem Menschen zu dienen und nicht der Mensch dem Völkerrecht. Auch das muß klar gesagt werden. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.  – Abg. Wabl: Das ist doch eine Frage, ob wir eine demokratische Republik sind! – Weitere Zwischenrufe.)  – Nein, wir nützen den Bewegungsspielraum aus. Nein, wir bewegen uns in diesem Raum, das habe ich vorhin gesagt, Kollege Scheibner. Also wir bleiben dabei, daß das Völkerrecht dem Wesen des Staates, des Landes zu dienen hat und nicht umgekehrt. Das ist nicht dogmatisch abzuhandeln. Die Bewegungsmöglichkeiten, die das Völkerrecht gibt, auch das Neutralitätsrecht, sollen in den Dienst des Landes gestellt werden und nicht umgekehrt. Und dafür ist der Vertrag von Amsterdam zweifellos eine Chance. (Abg. Wabl: Dann lassen Sie das Volk entscheiden! Wieso lassen Sie nicht das Volk entscheiden?!)  – Weil wir eine Verfassung, eine Aufgabenteilung haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kammerlander: Aber Sie haben das versprochen!)

Sie werden das immer wieder wiederholen, auch wenn es nicht wahr ist, Herr Kollege Wabl, Sie wissen das ganz genau! (Abg. Wabl: Sie haben selbst gesagt, es wird eine Volksabstimmung geben! – Weitere Zwischenrufe.) – Nein, ich habe sehr klar gesagt: Das ist eine Aufgabe des Parlaments, ich bin dafür, das Parlament darüber entscheiden zu lassen, wie die Neutralität gehandhabt wird. Die Menschen haben mir sehr oft gesagt: Wenn es angenehm ist, entscheidet ihr, wenn es unangenehm ist, müssen wir entscheiden! Und diesen Vorwurf lasse ich mir nicht gefallen! (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinn stellt der Vertrag von Amsterdam eine neue Chance dar, vor allem im Zusammenhang mit dem Kosovo, meine Damen und Herren! Es wiederholt sich dort doch fast alles so, wie es vorher in Bosnien war – fast alles! (Abg. Jung: Warum haben Sie dann den Überflug nicht gestattet für die Deutschen, wenn der Kosovo ein Problem ist?) Es wurde rascher reagiert, es wurden rascher Drohungen ausgestoßen. Erst heute konnte man wieder hören: Die Angriffe auf Kosovaner, auf die Zivilbevölkerung gehen weiter wie bisher. Man muß sehr rasch agieren, damit wir nicht wieder dasselbe erleben, was in Vukovar passiert ist, nämlich Massenmorde, damit nicht dasselbe passiert wie in Srebrenica.

Wenn einmal der Zeitpunkt überschritten ist – so wie jetzt –, um aufgrund von autonomen Regelungen einen allgemein ausgleichenden Frieden zu finden, wiederherzustellen, besteht Gefahr. Meine Damen und Herren! Es kann dann schlußendlich so sein, daß die Albaner nicht mehr nachgeben, bis sie die Unabhängigkeit bekommen, bis sie ein Großalbanien haben. Und das ist die größte Gefahr, die es dort geben kann – für alle Nachbarstaaten! (Abg. Öllinger: Seit 15 Jahren hätte Europa reagieren können! Seit 15 Jahren!) Ja, aber das zeigt uns, daß wir daraus lernen müssen, damit können wir uns doch nicht abfinden, Kollege Öllinger. Lernen wir aus dem, was in Bosnien passiert ist, und machen wir es besser! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin daher sehr dankbar dafür, daß der Außenminister bei all seinen Hauptstadtbesuchen betont, wie wichtig die Lage im Kosovo ist – aus moralischer Solidarität mit den Menschen, die dort leben, aus dem Engagement für den Frieden heraus und auch im Hinblick auf unser Land, da dieses Gebiet nur 400 Kilometer entfernt von unserer Südgrenze liegt. Nehmen wir die Dinge ernst, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Kollege Wabl! Bei allem Respekt: Pilz, der gegen jedes militärische Eingreifen war, hat mir mehr imponiert als Sie, denn als er vor Ort war und gesehen hat, welche Schweinereien, welche Massenmorde dort passiert sind, hat er gesagt, daß man eingreifen muß, auch mit militärischen Mitteln. – Es ist eine große Leistung eines Menschen, der andere Grundsätze hat, wenn er sagt: Ich muß doch den Menschen den Vorrang geben und nicht irgendeinem Grundsatz, einem Parteiprogramm, das auch respektiert werden soll. Das muß man auch jetzt machen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Müller. )


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 18

Auch im Jahre 1955 war die Neutralität umstritten – Sie wissen das ganz genau –, und trotzdem hat man dann weitgehend Geschlossenheit gefunden. Meine Damen und Herren! Lassen wir uns inspirieren vom Geist des Jahres 1955. Fragen wir: Was dient jetzt unserem Land, unserem Volk, seiner Sicherheit und seiner Freiheit? Dann wird auch das Ansehen der demokratischen Institutionen wieder mehr steigen, als es jetzt der Fall ist. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

9.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

9.31

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir verhandeln jetzt unter einem die Annahme des Vertrages von Amsterdam und – so heißt es in der Tagesordnung – begleitende Verfassungsgesetze. In Wirklichkeit – und das hat mein Vorredner sehr klar zum Ausdruck gebracht – verhandeln wir aber unter dieser verschämten Bezeichnung die Abschaffung der Neutralität.

Herr Abgeordneter Mock! Ich halte es ja für absolut legitim, darüber zu diskutieren. Genau die Frage, die Sie gestellt haben, nämlich: Was heißt Sicherheit?, kann und soll man diskutieren. Nur: Wir haben das nicht diskutiert, weil von der Sozialdemokratischen Partei behauptet wird, daß sich nichts ändert, und weil Sie selbst, Herr Außenminister a. D. – ich war damals dabei –, auf einem Bundeskongreß der Grünen auch noch folgenden Standpunkt vertreten haben: Sollte es je so weit kommen, daß der Kernbestand der Neutralität angetastet wird, dann soll das österreichische Volk darüber befinden! (Abg. Jung: Die ist bereits entkernt!)  – Es ist bereits ein Entkernungsprozeß eingetreten.

Herr Abgeordneter Mock! Sie sagen, daß sich Österreich schon in Etappen vom früheren Verständnis der Neutralität entfernt. Ja, das stimmt, und die Grünen sind jeweils dagegen aufgetreten. Ich erinnere mich noch an den Dezember 1990, daran, daß bereits Bomben auf Bagdad fielen und wir hier noch über die Lockerung der Kriegsmaterialdurchfuhrbestimmungen diskutierten.

Es ist weitergegangen. Die Grünen haben immer warnend und mahnend ihre Stimme dagegen erhoben. Ich frage Sie hier und heute, auch im Lichte der Ereignisse, die seither stattgefunden haben: Ist die Umgebung Österreichs, ist das Umfeld sicherer oder unsicherer geworden? Vor allem: Wer waren jene, die Beiträge geleistet haben, um irgendwo einen Krisenherd zu entschärfen? – Das waren jene, die präventiv hingegangen sind, wie etwa im Falle Mazedoniens. In Bosnien wurde nicht Frieden hergestellt, Herr Außenminister, davon können Sie sich in allen Orten überzeugen. Dort wird jetzt hochgerüstet, die Ergebnisse ethnischer Säuberungen abgesichert.

Ich glaube nicht, daß der jetzige Weg für unser Land richtig ist. Aber eines ist völlig inakzeptabel: daß es so heimlich, still und leise geschieht, durchs Hintertürl! Daß nicht einmal ein ordentliches Begutachtungsverfahren darüber stattgefunden hat, geschweige denn eine Befassung der österreichischen Bevölkerung mit dieser Frage.

Ich bringe einmal mehr folgenden Antrag ein – ich richte mich vor allem an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion –:

Zusatzantrag

gemäß § 84 (2) GOG

der Abgeordneten MMag. Dr. Petrovic, Dr. Van der Bellen und Freunde auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß Art. 43 B-VG

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 19

Der Antrag 791/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol in der Fassung des Ausschußberichtes 1255 der Beilagen ist einer Volksabstimmung zu unterziehen.

*****

Es gab politische Zusagen vom Kanzler, von Ihnen, vom Vizekanzler – und heute heißt nicht einmal der Text dieses Gesetzes so. Das will man nicht wahrhaben. Ich frage Sie wirklich: Was heißt Sicherheit?

Nach der Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur EU gab es von etlichen Grünen einen gewissen Vertrauensvorschuß für die Regierung. Wir waren der Meinung, daß auf Basis dieses sehr überzeugenden Votums der österreichischen Bevölkerung die Bundesregierung ihre Ankündigungen, man werde sich nach Kräften dafür einsetzen, daß diese Europäische Union eine Umwelt- und Sozialunion wird, in die Realität umsetzt. Für uns wäre das der wichtigste Beitrag für Sicherheit gewesen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich frage Sie: Was ist seither geschehen? Halten Sie Mochovce nicht für einen extrem verunsichernden Faktor? – Gebaut mit deutschem Geld, gebaut mit französischem Geld in einem armen Staat! Wo war da die europäische Solidarität mit Österreich? Wo war die Solidarität von unserem Nachbarstaat Deutschland? – Staatskredite sind in dieses AKW geflossen, das nicht dem westeuropäischen Standard entspricht!

Ich frage Sie: Was ist im Hinblick auf die Gentechnik geschehen? – In einem kleinen Bereich, beim Mais, konnten wir aufgrund einer gemeinsamen nationalen Anstrengung noch ein Importverbot erreichen. Und sonst? – Die EU hat sich durchwegs gegen Österreich gewandt. Wir halten das für ein Sicherheitsrisiko!

Die Transitthematik wurde schon angesprochen. Ich denke, Sie werden auch die Debatte, die in diesem Zusammenhang im Deutschen Bundestag stattgefunden hat, verfolgt haben. Die grüne Fraktion war es, die dort die Solidarität mit österreichischen Sicherheits- und Umweltinteressen bewiesen hat. Es waren die Konservativen, die Österreich des Vertragsbruchs und der Abkehr von europäischen Grundwerten, nämlich dem freien Warenverkehr, bezichtigt haben. Das verunsichert unsere Bevölkerung und dieses Land!

Ein noch viel größerer Unsicherheitsfaktor ist aber die Arbeitslosigkeit. 18 Millionen Menschen ohne Arbeit! Wir auf diesem Kontinent wissen, was Arbeitslosigkeit heißt und was sie bedeuten kann.

Herr Abgeordneter Mock! Sprechen Sie mit Kollegen in Deutschland, sie werden Ihnen bestätigen: Im reichen Berlin gibt es Baustellen, bei denen Bautrupps aus Südeuropa eingesetzt werden mit einem Stundenlohn von 1 D-Mark. Das ist ein Unsicherheitsfaktor, das muß abgeschafft werden, und zwar dringend! (Beifall bei den Grünen.)

Es hat eine merkwürdige Begriffsverdrehung stattgefunden: Immer dann, wenn Sie einen Ihrer ideologischen Ansprüche umsetzen wollen, fängt man an, die Begriffe zu verdrehen. Solidarität, so wie ich sie verstehe, so wie sie eigentlich früher auch von der Sozialdemokratie verstanden wurde, heißt, sich nicht von Verantwortung gegenüber sozial und finanziell Schwachen zu absentieren. Solidarität heißt auch Unterstützung für ärmere Länder, für ärmere Regionen. Solidarität hieße für Österreich konkret, im Prozeß einer zivilen EU-Erweiterung mit den Reformstaaten solidarisch zu sein; diese zu unterstützen beim Aufbau der Wirtschaft, beim Aufbau eines intakten sozialen Gefüges. Das heißt Solidarität!

Sie wollen die Neutralität jetzt auf einmal uminterpretieren und Solidarität auf einmal militärisch verstehen, aber das hat Solidarität nie bedeutet. Das Gegenteil von Neutralität ist Parteilichkeit, das heißt, sich aus einem Konflikt nicht herauszuhalten.

Herr Abgeordneter Mock! Parteiobmann Schüssel betreffend ist zu lesen: Im Kosovo nicht neutral! – Wir haben unsere Neutralität nie so verstanden, daß Neutralität Gleichgültigkeit gegen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 20

über Verletzungen von Menschenrechten heißt. Auch ein Bruno Kreisky war nicht neutral, wenn es um die Rechte der Palästinenser gegangen ist, und das war vereinbar mit einer aktiven Neutralitätspolitik! Nur: Österreich hat diese aktive Neutralitätspolitik fallenlassen!

(Abg. Wabl bringt im Sitzungssaal an der Wand, und zwar hinter dem Präsidium, ein Plakat an, auf dem das Bundes-Verfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955, BGBl. Nr. 211, über die Neutralität Österreichs abgedruckt ist. – Zwischenrufe.)

Ich verlange eine aktive Neutralitätspolitik im Sinne ... (Abg. Mag. Steindl: Was soll das?)  – Was das soll, ist leicht erklärt. Das ist der Text des Bundes-Verfassungsgesetzes vom 26. Oktober 1955 – immerwährend neutral. Ich glaube, daß eine Wiener Stadtzeitung, der "Falter", nicht zu Unrecht schreibt, daß Sie es heimlich, still und leise in "nimmerwährend neutral" verkehrt haben. Und Sie haben nicht einmal den Mut gehabt, dies offen anzusprechen und darüber eine Diskussion abzuführen. (Beifall bei den Grünen.)

Neutralität, gerade in bezug auf Kosovo, hätte vieles heißen können, nämlich: kein Pardon mit Menschenrechtsverletzungen, sehr wohl eine Verantwortlichmachung von Belgrad für diese Verletzungen. Neutralität im Zusammenhang mit Kosova hätte heißen können, eine mögliche Beteiligung bei der OSZE für Restjugoslawien in Diskussion zu stellen. (Unruhe im Saal.)  – Ich weiß nicht, warum Sie der Text eines Verfassungsgesetzes, das Sie formal nicht aufgehoben haben, in solche Unruhe versetzt. (Beifall bei den Grünen.)

Neutralität im Zusammenhang mit Kosova hätte heißen können: besondere Rechte für die Verfolgten. Neutralität im Zusammenhang mit Kosova hieße etwa, hier Studierende aus dem Kosovo, weil sie diskriminiert sind, automatisch, begünstigt an den österreichischen Hochschulen und Universitäten willkommen zu heißen. Es hätte auch heißen können: ein ziviles Embargo in vielen Bereichen und internationale Gerichtsbarkeit auch für diejenigen, die Kriegsverbrechen gesetzt haben. Das verlangt etwa auch die Katholische Jugend. Sie verlangt eine friedliche Konfliktaustragung und fordert Österreich auch dazu auf.

Ich bitte Sie einmal mehr, sich zu erinnern: Im Jahre 1989 wurde dem Kosovo die Autonomie genommen. Was waren die Reaktionen der österreichischen Außenpolitik? Was ist geschehen? Wie viele Menschenrechtsverletzungen sind seither passiert? Die Bevölkerung in Kosova blieb lange Zeit friedlich. Präsident Rugova hat für den Frieden plädiert. Was ist seither geschehen? – Kosovo-Albaner waren in Schubhaft. Sie haben nichts dagegen getan. Es war meine Kollegin Terezija Stoisits, die schon im Jahre 1994 dagegen protestiert hat.

Ich frage auch Sie, Herr Staatssekretär: 23 Kosovo-Albaner sitzen in Österreich in Schubhaft. Halten Sie das für gerecht? Halten Sie das für neutral? Halten Sie es für einen Beitrag zur Friedenssicherung, wenn man Familien trennt, Menschen abschiebt? – Ich glaube, damit verletzt Österreich seine Neutralität auch auf der Ebene der Menschenrechte. (Beifall bei den Grünen.)

Ich frage Sie noch etwas. Thema: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Glauben Sie wirklich, daß Sie in einem Europa, in dem die Umwelt- und die Sozialpolitik noch lange nicht den gebührenden Stellenwert haben, auf Dauer mit Europol, NATO und WEU "Sicherheit" – unter Anführungszeichen – bieten können? Glauben Sie wirklich, daß sich jene Menschen – und ihre Zahl wird immer größer –, die in Armut fallen, keine Arbeit haben, keine Zukunft haben, auf Dauer werden ruhigstellen lassen? Glauben Sie wirklich, daß das das Europa ist, das sich die Jugend wünscht?: Hochgerüstet bis an die Zähne, an der Grenze eine Art neuer Eiserner Vorhang, Datensysteme, in denen alle Bürgerinnen und Bürger ohne Rechtsschutzmechanismen erfaßt werden. Ist das jenes freie, ökologische und soziale Europa, für das Sie 1994 eintreten wollten? Ist das unser Wunschtraum, die Zukunftsutopie? (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Ich sage Ihnen folgendes: Diese Konzepte sind absolut ungeeignet, auf Dauer Sicherheit zu gewährleisten. Und ich frage Sie: Warum sollte es nicht so sein, daß es Staaten gibt wie Österreich, die aufgrund ihrer historischen, aufgrund ihrer geographischen Position besondere Vermittlungsaufgaben übernehmen? (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. ) – Ja, Herr Abgeordneter Wurmitzer, ich glaube, daß mit diesem Konzept, mit diesem Konzept der Grünen mehr an Si


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 21

cherheit für Österreich zu erreichen wäre. Und ich werfe Ihnen vor, daß Sie nicht dazu bereit sind, darüber zu diskutieren. Sie sind die Regierungsparteien. Sie haben keinen Optionenbericht zustande gebracht. Legen Sie doch etwas vor, anstatt diese Taktik einer scheibchenweisen Demontage zu betreiben!

Klubobmann Khol hat sicher recht, wenn er sagt, daß jedenfalls für den Bereich der EU die Neutralität gefallen ist. (Abg. Dr. Khol: Genau!) Ich frage Sie: Warum sollen wir das nicht in aller Öffentlichkeit und im Lichte dieses Bundes-Verfassungsgesetzes (die Rednerin zeigt auf das vom Abg. Wabl angebrachte Plakat) diskutieren? (Abg. Dr. Khol: Wir tun das ja, Frau Petrovic!)  – Nein, wir machen das nicht. (Abg. Dr. Khol: Es gibt keinen öffentlicheren Ort als das Parlament! – Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Dann bezeichnen Sie es auch so, dann führen Sie auch ein Begutachtungsverfahren darüber durch!

Ich sage Ihnen folgendes: Sie haben dieses Gesetz, das wirklich an den Grundfesten dieses Staates rüttelt, in Form eines Entschließungsantrages gemeinsam mit Klubobmann Kostelka eingebracht. (Abg. Dr. Khol: Ein Initiativantrag! – Abg. Schwarzenberger: Ein Entschließungsantrag geht an die Regierung!) Ein Initiativantrag, ja. Sie haben jedenfalls kein ordentliches Begutachtungsverfahren durchgeführt. Ich frage Sie: Warum? (Abg. Dr. Khol: Der Amsterdamer Vertrag wurde begutachtet! – Abg. Wabl: Von wem wurde der begutachtet, von Ihnen?) Der Amsterdamer Vertrag jedoch sieht nicht vor, daß sich Österreich zu Kampfeinsätzen verpflichten muß. Der Amsterdamer Vertrag hätte es in der Tat noch ermöglicht, immerwährend neutral zu bleiben. Sie wissen es, Sie kennen die entsprechenden Artikel. Es wäre möglich gewesen, insbesondere durch das Anbringen eines Vorbehaltes, Österreich neutral zu erhalten. Aber genau das wurde nicht angestrebt. Es handelt sich ja um ein eigenes Bundesverfassungsgesetz, mit dem Sie das Neutralitätsgesetz teilweise aufheben.

Ich habe den Verfassungsdienst und auch den Herrn Bundeskanzler, der heute an dieser Debatte offensichtlich nicht teilnehmen kann, gefragt, warum nicht einmal ein ordentliches Begutachtungsverfahren durchgeführt wurde. Das ist etwas, was bei jedem wichtigen Gesetz eigentlich gang und gäbe sein sollte: Befassung der wichtigen gesellschaftspolitischen Gruppierungen dieses Landes. Der Herr Bundeskanzler hat mir nicht geantwortet, mit keinem Ton, mit keiner Zeile.

Ich habe ein Schreiben vom Sektionschef des Verfassungsdienstes bekommen mit den besten Grüßen, in dem er mir auf meine neutralitätsrechtlichen Bedenken folgendes mitteilt: Zu Ihren Ausführungen, daß der gegenständliche Gesetzesvorschlag an den Nationalrat in der Form eines Initiativantrags erfolgt, kann ich aus der Sicht des Bundeskanzleramt-Verfassungsdienstes nur bemerken, daß es sich dabei um eine von der Bundesverfassung in Art. 41 Abs. 1 B-VG vorgesehene Möglichkeit der Gesetzesinitiative handelt. – Zitatende.

Das ist ein sehr, sehr lapidares Statement. Es war uns auch schon vorher bekannt, daß dies eine Möglichkeit der Gesetzesinitiative darstellt. Meine Frage, die sicher nicht der Verfassungsdienst beantworten kann, die der Bundeskanzler oder auch der Staatssekretär beantworten kann, lautet: Warum gehen Sie politisch so vor? – Wenn Sie schon der Meinung sind, daß Panzer, Abwehrraketen und die aktive Teilnahme an einem Militärpakt mit der Möglichkeit zu Kampfeinsätzen mehr an Sicherheit bieten als die Rolle eines internationalen Vermittlers, dann stellen Sie sich dieser Diskussion! Ziehen Sie sich nicht hinter Beamte des Verfassungsdienstes zurück, sondern nehmen Sie dazu Stellung, warum Sie sich in dieser in meinen Augen wirklich feigen und unwürdigen Art und Weise klammheimlich von der Neutralität verabschieden! (Beifall bei den Grünen.)

9.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic auf Durchführung einer Volksabstimmung stützt sich auf Art. 43 der Bundesverfassung und ist daher zulässig. Über ihn ist nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung, § 84, nach der dritten Lesung abzustimmen.

Herrn Abgeordneten Wabl teile ich folgendes mit: Herr Abgeordneter! Wenn es der Zweck Ihrer Aktion gewesen sein sollte, zu provozieren, daß der Präsident des Hauses das Neutralitäts


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 22

gesetz aus dem Sitzungssaal entfernen läßt, muß ich Sie leider enttäuschen. Diesen Wunsch werde ich Ihnen nicht erfüllen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Hans Helmut Moser. )

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wabl: Kollege Khol wollte das eigentlich!)

9.51

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich werde später auf die Neutralität zurückkommen. Auch ich bin froh darüber, daß das Neutralitätsgesetz hier im Sitzungssaal hängt. Man erkennt daran, daß es ein wichtiges Gesetz ist, aber nicht, wie die Grünen in ihrem Brief behaupten, ein Bauelement der österreichischen Bundesverfassung, denn dies ginge sich nämlich schon zeitlich nicht aus, wie an dem Datum "26. Oktober 1955" ersichtlich ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Jung: Man kann auch Erweiterungen durchführen!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Vertrag, also der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrags, setzt das österreichische Parlament seinen ersten Schritt und Europa seinen dritten Schritt in Richtung dichtere Integration in der EU. Es ist dies quasi die dritte Abänderung, die eine substantielle Erweiterung des sachlichen Geltungsbereiches der Gründungsverträge bringt. Nach dem Abschluß der Einheitlichen Europäischen Akte vor mehr als einem Jahrzehnt, mit der das Konzept des Binnenmarktes realisiert beziehungsweise begonnen wurde, nach dem Abschluß des Vertrags von Maastricht vor fünf Jahren, durch den die Errichtung der Europäischen Union initiiert wurde – auch wenn von vielen Gelehrten deren Rechtsnatur nach wie vor als unbestimmt bezeichnet wird –, wird nunmehr mit dem dritten Änderungsvertrag, dem Vertrag von Amsterdam, ein wesentlicher Schritt zu einer Verdichtung in der Europäischen Union unternommen. (Abg. Öllinger: Subsidiarität!)

Dieser Vertrag bringt mehr Grundrechte, den schrittweisen Aufbau des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, die Einbeziehung der Schengener Verträge in die EU, mehr Solidarität nach außen durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – auf diese Problematik komme ich im folgenden noch zu sprechen –, mehr Solidarität nach innen durch Beschäftigungsfragen, die Sozialpolitik, durch die Bestimmung über Nichtdiskriminierung und sonstige Grundrechte sowie Transparenz. Er leistet einen Beitrag für bessere Lebensbedingungen der Bürger in Europa, und zwar durch die Bestimmungen über Umwelt, Gesundheitswesen und Konsumentenschutz. Er bringt auch ein gewisses Ausmaß – ich sage bewußt: ein gewisses Ausmaß – an Demokratisierung durch die Bestimmungen über die Befugnisse der Organe, insbesondere über die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments (Abg. Öllinger: Bravo!), und Flexibilität im Sinne verstärkter Zusammenarbeit zwischen Gruppen und Mitgliedstaaten.

Dr. Thun-Hohenstein bezeichnet den Vertrag von Amsterdam in seinem Buch über selbigen – ich kann die Lektüre dieses Buches nur allen empfehlen, weil sie beim Verstehen dieses Vertrages sehr hilfreich ist – richtigerweise nicht als Meilenstein, aber als eine "respektable Etappe des europäischen Integrationsprozesses". Er weist – wie viele andere auch – darauf hin, daß die Integrationsfreude der Gründerzeit in einem gewissen Ausmaß bereits verflogen ist und jeder der 15 Mitgliedstaaten seine eigenen Interessen immer stärker in den Vordergrund stellt, was sich natürlich auch auf Gesamtergebnisse auswirkt.

Wenn ich eine Formulierung Musils in die EU einbringen darf: Mit dem europäischen Möglichkeitssinn gemessen ist der Vertrag von Amsterdam sicher enttäuschend, mit dem europäischen Wirklichkeitssinn gemessen stellt er jedoch einen respektablen Fortschritt dar, ein Stück weiter auf dem Weg in die richtige Richtung, das sich sehen lassen kann.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Im Mittelpunkt der bisherigen Debatte ist hier die Frage der Neutralität und ihrer Bezeichnung gestanden.

Ein Wort zu Ihren Ausführungen, Kollege Stadler: Danke, daß Sie Bruno Kreisky erwähnt haben. Bruno Kreisky ist historisch so bedeutsam, gewissermaßen so groß, daß er – gestatten Sie mir dies – nicht einer unzutreffenden Vergrößerung durch Sie bedarf. Die Frage der Bezeichnung


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 23

war nämlich kein Verdienst Kreiskys, sondern sie geht vielmehr auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1964 und auf Maßnahmen, die in der Folge getroffen wurden, zurück. Dies ist also schon vor der Regierung Kreisky im Jahre 1970 erfolgt. Ich freue mich aber dennoch über jeden Versuch, Kreisky in diesem Hause zu würdigen. Er hat es sich mit seiner geschichtlichen Größe wahrlich verdient. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Im Verfassungsrecht schon!)

Ich kehre zur Frage der Neutralität zurück, und zwar in erster Linie zu J. 7 – 17, wenn wir die neue Bezeichnung verwenden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. – Nein, ich möchte darauf nicht auch noch eingehen. Sie haben davon gesprochen, daß die Kommission ein Initiativrecht erhalten hat. (Abg. Mag. Stadler: Ja!) Da haben Sie sich geirrt, denn das Initiativrecht hat sie schon vorher gehabt. (Abg. Mag. Stadler: Nein!) Wenn Sie nachschauen, können Sie feststellen, daß sie schon vorher das Initiativrecht gehabt hat. (Abg. Mag. Stadler: Aber jetzt kriegt sie es generell!) Nein, sie hat es schon vorher gehabt. Bitte überprüfen Sie dies!

Nun wieder zurück zum Artikel 17. In diesem Artikel 17 geht es um ein paar Dinge: Es geht um die Frage des Selbstverteidigungsrechtes der Union. Weiters geht es um mögliche Kampfeinsätze und die Verschmelzung von WEU und EU. Und diese drei Bereiche betreffen möglicherweise auch unsere Neutralität.

Zur ersten Frage, dem Selbstverteidigungsrecht. Dieses betrifft das Verständnis der EU als Ganzes beziehungsweise – wie die neue Formulierung lautet –: Wahrung der Unversehrtheit der Union im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und Hinweis auf die Außengrenzen. In diesem Punkt haben meiner Meinung nach jene, die wie Kohl und andere einen umfassenden Standpunkt einnehmen, nicht unrecht. Auch ich habe sehr viel Verständnis für die Position, daß ein Angriff auf die Union für ein Mitgliedsland etwas anderes darstellt als zum Beispiel ein Angriff auf ein Flugzeug irgendeines NATO-Mitglieds nördlich des Wendekreises des Krebses für ein anderes NATO-Mitglied. Das ist ein Pakt. Hiebei ginge es darum, ob ein – formulieren wir es einmal so – Freund dem anderen helfen will, wenn dieser angegriffen wird. Bei der Union geht es nicht um die Frage, ob wir Belgien helfen wollen, wenn Brüssel angegriffen werden sollte, sondern vielmehr darum, ob ein Angriff auf das Europäische Parlament – um ein konkretes Beispiel zu nennen – bei der Verflochtenheit der Organe et cetera einen Angriff auf die Organe der Union darstellt (Abg. Mag. Stadler: Weg von der Neutralität!) und somit nicht nur einen Angriff auf das Land Belgien, sondern auch auf jedes der anderen 14 Mitgliedsländer.

Wichtiger ist die Frage der Kampfeinsätze. Hiezu wollten alle die Neutralität ins Spiel bringen. (Abg. Jung: Also Sie sind für kollektive Sicherheit?!) Es wird behauptet, diese würde abgeschafft, was nicht stimmt. Es geht lediglich darum, ob ein solcher Einsatz in der Welt oder in Europa unter einem UNO-Mandat beziehungsweise durch OSZE-Beschluß geschieht oder nicht. Ist dies nicht der Fall und dient er auch nicht der Selbstverteidigung der Union, dann – dieser Ansicht sind wir; auch wenn durch den Vertrag von Amsterdam die Möglichkeit eröffnet wird – kann ein neutrales Land wie Österreich diese nicht nutzen, kann, soll und wird sie daher nicht nutzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deshalb besteht die Neutralität weiter, sie wird nicht eingeschränkt oder abgeschafft, es verringert sich lediglich ihr Anwendungsgebiet, denn wenn die Staatengemeinschaft völkerrechtlich abgesichert und solidarisch selbst agiert wie die Vereinten Nationen, dann betrifft das nicht mehr die Neutralität. (Abg. Wabl: Genosse Schieder ist der Großmeister der virtuellen Realität!)

Für den Fall, daß Sie wissen wollen, ob wir bei der Abschaffung der Neutralität für eine Volksabstimmung eintreten würden: Eine solche ist vom rechtlichen Standpunkt aus nicht geboten, aus politischer Sicht wäre ich aber auch dafür, eine Volksabstimmung durchzuführen, jedoch nicht zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrags – Sie verlangen sie eigentlich nur, um vielleicht auf diese Weise den Vertrag von Amsterdam beziehungsweise seine Ratifizierung durch Österreich "aushebeln" zu können –, sondern der Zeitpunkt läge vor dem Beitritt Österreichs zu einem Militärbündnis.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 24

Ich gehe davon aus, daß sich Österreich auch in der Europäischen Union neutralitätskonform verhält. Damit klargestellt ist, daß dies nicht automatisch etwa beim dritten Punkt, der Verschmelzung mit der WEU, eine Ermächtigung darstellt, bei der man dann nicht mehr das Parlament befassen müßte, wurde der Zusatzantrag eingebracht. Diesem Zwecke dient der Zusatzantrag der Abgeordneten Khol und Kostelka.

Ich halte es für gut, daß wir hiezu eine klare Haltung einnehmen: Solidarität, wo es völkerrechtlich klar ist, und bei unserer Linie bleiben, wo dies geboten ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stadler gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

10.01

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Mein Vorredner hat gesagt, ich hätte behauptet, erst mit dem Amsterdamer Vertrag würde das Initiativrecht im Rat von den Mitgliedstaaten auf die Kommission übergehen. (Abg. Schieder: Nein, das Wort "erst" habe ich nicht gesagt!)  – Es ist jedenfalls so zu verstehen gewesen. (Abg. Schwarzenberger: Wie er es verstanden hat! – Abg. Dr. Khol: Er berichtigt etwas nicht Gesagtes!)

Ich stelle damit richtig: Im Artikel 67 des Vertrages heißt es: Nach Ablauf von fünf Jahren handelt der Rat auf der Grundlage von Vorschlägen der Kommission. Die Kommission prüft jeden Antrag eines Mitgliedstaates, wonach sie dem Rat einen Vorschlag unterbreiten soll.

Das heißt, das Initiativrecht, das jetzt Mitgliedstaat und Kommission haben, wird in Zukunft nur mehr die Kommission haben, weil nach diesem Übergangszeitraum von fünf Jahren der Mitgliedstaat bei der Kommission anklopfen muß. Und auf diesen Umstand habe ich hingewiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Aber sie erhält nicht etwas neu, denn sie hatte es schon vorher! Ich habe gesagt, Sie haben gesagt: Sie geben ihr etwas, was sie nicht hatte!)

10.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Dies war ein Diskussionsbeitrag.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

10.02

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Schieder! Sie haben gesagt, Sie wollten Klarheit schaffen. Sie haben meiner Ansicht nach nur in einem Punkt Klarheit geschaffen, nämlich dahin gehend, daß uns allen klar ist, daß Sie der Bevölkerung nicht die Wahrheit sagen wollen (Beifall bei den Freiheitlichen), die Wahrheit darüber, wie es wirklich mit unserer Verfassungslage und mit den internationalen Verpflichtungen aufgrund des EU-Beitritts aussieht und daß selbstverständlich – Herr Kollege Schieder, das wissen Sie doch ganz genau – spätestens seit dem Beitritt zur Europäischen Union als Folge dieses Beitritts für eine ernst genommene völkerrechtliche Neutralität kein Platz mehr ist. Sie hat auch keine Funktion mehr und ist für ein EU-Mitgliedsland auch nicht mehr möglich.

Herr Kollege Schieder! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Das, was wir Ihnen vorwerfen, ist, daß Sie diese Klarheit in der öffentlichen Diskussion nicht an den Tag legen. Sie verschleiern die Wahrheit nur deshalb, weil Sie der Bevölkerung vor dem EU-Beitritt etwas anderes versprochen haben, als Sie jetzt einzuhalten in der Lage sind. Damals hat man gesagt, daß die Neutralität durch den EU-Beitritt nicht betroffen wird. Sie können heruminterpretieren, wie Sie wollen, meine Damen und Herren, klar ist, daß die Neutralität ein völkerrechtliches Instrument darstellt. Das heißt, daß sie nur dann wirkt, wenn international anerkannte Regeln eingehalten werden, aber da ist kein Platz für Selbstinterpretationen und Selbstdefinitionen. Ein völkerrechtliches Instrument ist nur dann wirksam, wenn es auch allgemein anerkannt wird. Inwieweit unsere Neutralität anerkannt wird, erkennen Sie ganz genau, wenn Sie die Grenzen Österreichs überschreiten, nämlich überhaupt nicht mehr.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 25

Herr Abgeordneter Mock hat gesagt, der Amsterdamer Vertrag wäre ein weiterer Schritt dazu, den brüchigen Frieden in Europa zu sichern. Ich weiß nicht, welcher Schritt das sein soll. Wenn man betrachtet, wie weit Theorie und Praxis auseinanderklaffen, dann hege ich diese Hoffnung nicht. In der Theorie haben Sie durch diesen Vertrag von Amsterdam ein Bekenntnis zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Verteidigung abgelegt. Die WEU soll als Instrument der EU aufgebaut werden. Die Praxis, Herr Kollege Mock, schaut jedoch leider ganz anders aus.

Wie war das in Bosnien mit der europäischen Sicherheitskomponente? Wie war es in Albanien? – Nachher hat man gesagt, das wäre eine Schande für Europa gewesen und man hätte eine Chance verpaßt. Wie ist es jetzt im Kosovo? – Auch in diesem Zusammenhang hat man aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt. Auf dem Papier bekennt man sich zu einer gemeinsamen sicherheitspolitischen Identität, in der Praxis aber kann man sich nicht einmal auf Wirtschaftsembargos einigen.

Auch in dieser Hinsicht zeigt sich doch die Doppelbödigkeit der österreichischen Politik. Sie beschließen heute und haben auch schon in der Vergangenheit beschlossen, daß Österreich an Kampfeinsätzen im Ausland mit dem österreichischen Bundesheer teilnehmen kann, aber für das NATO-Manöver in Albanien haben Sie nicht einmal die Überfluggenehmigungen für deutsche Flugzeuge erteilt, meine Damen und Herren! Diesen Mindestakt der Solidarität haben Sie in diesem Konflikt verweigert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das kann doch niemand verstehen: Auf der einen Seite beschließen Sie Kampfeinsätze des Bundesheeres, auf der anderen Seite sind Sie nicht in der Lage dazu, diesen Akt der Solidarität mit anderen EU-Mitgliedsländern zu setzen.

Herr Kollege Schieder! Sie beschließen ganz versteckt und verschämt ein Verfassungsgesetz. Nicht einmal der Herr Bundeskanzler ist heute bei diesem wichtigen Akt der Gesetzgebung anwesend.

Es steht ja alles nachzulesen: Für Beschlüsse betreffend friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze zur Wiederherstellung des Friedens einschließlich friedenschaffender Maßnahmen und dergleichen mehr werden Möglichkeiten geschaffen. – Da muß nicht einmal der Nationalrat befaßt werden, sondern es reicht, wenn sich zwei Minister darüber einigen. Friedenschaffende Maßnahmen, Kampfeinsätze des österreichischen Bundesheeres – all das soll mit der Neutralität vereinbar sein!?

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Man sollte sich wirklich ansehen, wie die Bedingungen für ein dauernd neutrales Land sind. Lesen Sie nur in den Standardwerken des Völkerrechts, was diesbezüglich geschrieben wird, etwa im "Handbuch für Völkerrecht", darin heißt es nämlich: Insbesondere darf der dauernd Neutrale keine militärischen Bündnisse, auch nicht mit anderen neutralen Staaten, oder Abkommen über kollektive Sicherheit abschließen.

Weiters darf der dauernd Neutrale in seiner Außen- und Wirtschaftspolitik keiner Zoll- und Wirtschaftsunion angehören, falls er dadurch in faktische Abhängigkeit beziehungsweise in einem Konfliktfall in Widerspruch mit seinen Pflichten der gewöhnlichen Neutralität kommen könnte.

Meine Damen und Herren! Mit den weiteren Aspekten der Neutralität nach dem Schweizer Modell will ich mich gar nicht mehr auseinandersetzen, denn da ist die Lage ohnehin eindeutig, daß das nicht mehr einzuhalten ist. Aber allein was diese beiden Punkte betrifft, können Sie doch nicht ernsthaft behaupten, daß diese durch die Beschlüsse im Amsterdamer Vertrag und auch durch diese Verfassungsänderung noch einzuhalten sind.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche haben ganz klar zum Ausdruck gebracht: Wir treten für eine offene und klare Position ein. Wir sind der Meinung, daß die österreichische Sicherheitspolitik der Zukunft nicht in einer isolierten Haltung stattfinden kann, sondern gemeinsam in einem Bündnis mit den anderen Staaten, vor allem in einem Bündnis, das die besten Organisationsstrukturen aufweist, wie etwa in der NATO.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 26

Meine Damen und Herren! Das darf aber nicht schleichend vor sich gehen, das darf nicht gewissermaßen an der Bevölkerung vorbei geschehen, sondern es muß darüber einen offenen Dialog mit der Bevölkerung geben. Es muß der Bevölkerung auch die Gelegenheit gegeben werden, darüber abzustimmen.

Herr Kollege Mock! Das ist kein Vorbeischwindeln an der Verantwortung. Sie wissen ganz genau, daß eine derartige Volksabstimmung nur nach einer Beschlußfassung des Nationalrates stattfinden kann. Wir wollen uns nicht vor der Verantwortung drücken. Wir sagen ein klares Ja zu dieser gemeinsamen Sicherheitspolitik, aber wir wollen nach dieser Entscheidung auch die Bevölkerung damit befassen. Es kann von uns nicht akzeptiert werden, daß auf der einen Seite der Bevölkerung vorgegaukelt wird, es bliebe alles beim alten, auf der anderen Seite Sie aber en passant unter der Obhut des Herrn Staatssekretärs massive Änderungen der Bundesverfassung beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Martina Gredler. – Bitte.

10.09

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die Frage der Neutralität eingehen, über die diskutiert wurde.

Herr Kollege Schieder hat gesagt: Es verringert sich nur ihr Anwendungsgebiet. – Wenn man sich diesen Satz auf der Zunge zergehen läßt, heißt das, daß die Neutralität in Österreich eigentlich ihren "Raum" schön langsam ganz verloren hat. Wenn dem so ist, frage ich mich, warum die Bundesregierung bis jetzt nicht dazu imstande war, einen Optionenbericht zu erstellen. Das ist wirklich bedauerlich. Wenn eine Verringerung des Anwendungsgebietes der Neutralität zur Diskussion steht, dann sollten wir auf jeden Fall von der Bundesregierung verlangen, daß der Optionenbericht vorgelegt wird, damit das Sicherheitsbedürfnis der österreichischen Bevölkerung gestillt werden kann, und zwar in einem vernünftigen Maße. Wir sind der Auffassung, daß uns eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb der EU die Möglichkeit gäbe, über einen Beitritt zur WEU die Sicherheit für Österreich zu garantieren, aber die Regierung entzieht sich dieser Diskussion, und das finden wir ganz besonders schlecht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun möchte ich auf den Vertrag von Amsterdam zu sprechen kommen. Es besteht heute die erste Gelegenheit im Hohen Haus, darüber im Rahmen des Plenums zu diskutieren. Ich hätte mir gewünscht, daß wir mehrere Möglichkeiten dazu gehabt hätten.

Der Vertrag von Amsterdam weist sehr viele positive Seiten auf, birgt aber auch sehr viele Enttäuschungen. Das ist auch der Grund, warum wir nicht mit Enthusiasmus, aber dennoch gerne diesem Vertrag zustimmen werden. Zu den positiven Seiten des Vertrages von Amsterdam zählt unter anderem die Verbesserung der Situation in Richtung Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte. Diese Punkte sind als Grundprinzipien in den Vertrag aufgenommen worden.

Weiters wurde der Bereich Einwanderung und Asylpolitik zur Gemeinschaftskompetenz. Das ist ein angestrebtes Ziel, das wir selbstverständlich auch begrüßen. Allerdings hat sich Österreichs Haltung zu einem restriktiven Asylrecht beziehungsweise zu einem eigentlich sehr dürftigen Recht für Drittstaatsangehörige in den Vertragsverhandlungen durchgesetzt, und das halten wir für extrem bedauerlich. Warum die EU nicht imstande ist, der Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten, verstehen wir Liberale nicht. Das ist ein höchst bedauerlicher Zustand, über dessen Beseitigung wir hoffentlich im Rahmen einer der nächsten Sitzungen, in welcher wir über die Fortschritte der Europäischen Union diskutieren und uns einigen werden müssen, gemeinsam zu einem positiven Ergebnis kommen werden.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein fundamentaler Bestandteil eines friedlichen Zusammenlebens, und ich verstehe überhaupt nicht, weshalb es nicht möglich war, diese in den Vertrag von Amsterdam aufzunehmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 27

Enttäuschend ist auch das Vorgehen in der Frage der nachhaltigen Entwicklung im Bereich des Umweltschutzes. In Cardiff hat es, wie wir gesehen haben, nicht einmal eine Erwähnung gegeben, daß es eine Art europäische Energiesteuer geben soll. Im Vertrag von Amsterdam ist in puncto Atompolitik kein Fortschritt erkennbar. All das sind bedauerliche Zustände, da hätten wir von Österreich aus gerne einen Impuls gehabt, wir konnten jedoch nichts dergleichen beobachten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Weiterer Punkt: die Institutionenreform. In Cardiff wurde nichts darüber ausgesagt, in welchem Zeitraum die Institutionenreform stattzufinden habe. Mitentscheidung in der ersten Säule, vor allem in budgetären Angelegenheiten, Entlassung einzelner Kommissare, gesetzgeberische Funktionen für das Europäische Parlament, qualifizierte Mehrheitsentscheidungen: All das sind Punkte, in welchen wir uns Fortschritte wünschen, über die wir aber im Vertrag von Amsterdam keine Aussage gefunden haben. Das ist bedauerlich, aber ich hoffe, daß wir in Zukunft da weiterkommen werden.

Zur Frage der Transparenz ist folgendes zu sagen: Es war sehr interessant, zu beobachten, wie sich der Bundeskanzler darüber aufgeregt hat, daß jemand anderer "ausgeplaudert" hat, daß dieses Thema im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft wichtig sein wird und daß es diesbezüglich zu einem Treffen in Österreich kommen wird, bei welchem es um die Frage gehen wird, ein bürgernahes Europa zu schaffen. Der Bundeskanzler versteht offensichtlich nichts von europäischer Informationspolitik, denn sonst wäre ihm dieser Fauxpas nicht passiert. Es ist seine Pflicht, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren, und wenn das die Deutschen machen und wir nicht, so ist es für Österreich ein Armutszeugnis.

Meine Damen und Herren! Ich habe vor einem Jahr, und zwar fast auf den Tag genau, einen Antrag auf Stellungnahme zur Frage der Transparenz eingebracht. Er wurde selbstverständlich abgelehnt, wobei ich sagen muß, daß ich es bis heute nicht verstanden habe, warum, aber vielleicht kann mir der Gipfel im Oktober Aufklärung darüber geben.

Ich habe in diesem meinen Antrag ein Recht auf Zugang zu allen Dokumenten betreffend Gesetzgebung, Rechtssprechung, Verwaltung sowie sonstige Vorhaben der EU für jeden Bürger und jede Bürgerin verlangt. Dieses mein Verlangen wurde von den Koalitionsparteien abgelehnt.

Ich habe außerdem verlangt, daß dann, wenn es Ausnahmen geben sollte, nur begründet keine Dokumente zur Verfügung gestellt werden sollten. Auch dieses mein Verlangen wurde abgelehnt.

Weiters habe ich beantragt, daß Anfragen auf Einsichtnahme in Dokumente anonym gestellt werden dürfen. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Ich habe weiters verlangt, daß über jede Sitzung des EU-Rates ein Protokoll zu erstellen ist, das veröffentlicht werden muß. Auch dieses mein Ersuchen wurde von den Regierungsparteien nicht goutiert.

Aber wenn Sie über Transparenz und Bürgernähe in der EU sprechen wollen, dann nehmen Sie bitte diesen Antrag wieder zur Hand, und machen Sie das, was wir vor einem Jahr vorgeschlagen haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich komme nun ganz kurz auf die österreichische Präsidentschaft in der EU zu sprechen, weil ich glaube, daß wir da einigen Nachholbedarf haben. Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß ich es bedauere, daß nicht auch im österreichischen Parlament wie im Deutschen Bundestag, wo das zur Stunde der Fall ist, über eine Erklärung der Bundesregierung nach dem Gipfel von Cardiff und über dessen Ergebnisse diskutiert wird. In Österreich ist offensichtlich solch eine Erklärung nicht notwendig. Es gibt überhaupt keine Information für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier darüber, wie sich die Bundesregierung in Cardiff verhalten hat und zu welchen Schlüssen sie gekommen ist. Ich bedauere es sehr, daß wir uns immer über Kanäle unserer ausländischen Kollegen informieren müssen, was eigentlich dort wirklich gelaufen ist, beziehungsweise auf die Medienberichterstattung zurückgreifen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Wabl. )


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 28

Meine Damen und Herren! Ich hatte gestern das Vergnügen, mit hohen Vertretern der Kommission zu diskutieren. Die österreichische Präsidentschaft hat sich keine Latte gesetzt, und zwar aus dem Grund, um auf jeden Fall einen Erfolg zu garantieren. Einen "Spaziergang" mit vielleicht einer ganz geringen Steigung wird sich Österreich wohl zutrauen können, und deshalb hat man nicht einmal definiert, worauf man nach sechs Monaten eigentlich stolz sein möchte. Es gibt überhaupt keine Information darüber, was Österreich eigentlich wirklich wichtig ist und welche Fortschritte wir erreichen möchten. Überschriften haben wir alle genug gehört, aber Überschriften sind keine Zielvorgaben, sondern stellen bestenfalls einen Kalender dar, der dazu dient, Ziele zu erreichen.

Die Bundesregierung sieht sich offensichtlich in der Präsidentschaft als Verwalter, als Überbringer von Dossiers aus der englischen Präsidentschaft in die deutsche Präsidentschaft, aber nicht als Politikmanager. Ich glaube aber, daß wir eigentlich hochkarätige Politikmanager hätten, wenn Sie es nur erkennen würden – nur, Sie haben es bis jetzt nicht erkannt.

Ich hoffe, daß die Bundesregierung – und damit komme ich zum Schluß – zum Anwalt der Osterweiterung wird. Ich sage das deswegen, weil in den Bundesländern sämtliche hohen Funktionäre der ÖVP und der SPÖ ununterbrochen gegen die Bürgerinnen und Bürger in den osteuropäischen Staaten wettern. Ich halte das für keinen konstruktiven Beitrag. Ich würde mir wünschen, daß es da zu einem massiven Fortschritt kommt und daß wir demnächst unsere Kolleginnen und Kollegen in den Nachbarstaaten in Europa begrüßen können. Das ist ein Ziel, das es wert wäre, angestrebt zu werden. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. Ich erteile es ihm.

10.19

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einige Bemerkungen zu den Debattenbeiträgen. Ich darf zur Behauptung des Herrn Abgeordneten Stadler festhalten, daß sich der Artikel 67 ausschließlich auf jenen Teil bezieht, der in den Vertrag neu aufgenommen wurde, und daß hinsichtlich der ersten Säule immer ein Initiativrecht der Kommission bestanden hat und daß dies nur für das neu in den Vertrag aufgenommene Kapitel gilt. (Abg. Jung: Es wurde nichts anderes behauptet!)

Zur Behauptung, daß der Bundeskanzler seiner Informationspflicht nicht nachgekommen wäre, möchte ich eindeutig festhalten, daß sich der Bundeskanzler ausschließlich an internationale Gepflogenheiten gehalten hat und daß die Usancen, die üblicherweise in der Präsidentschaft eingehalten werden sollten, auch eingehalten wurden. Ich glaube, daß das ein Ausdruck der Höflichkeit, der Entschlossenheit und auch des Respekts vor der Präsidentschaft ist. Selbstverständlich ist der Bundeskanzler dann, wie vereinbart, mit seinen Informationen an die Öffentlichkeit gegangen.

Zum Vorwurf, daß sich die Bundesregierung für die österreichische Präsidentschaft in der EU keine Latte gesetzt hätte, möchte ich eindeutig festhalten: Beim Gipfel von Cardiff wurden bestimmte Problemkreise angesprochen, die weiterhin zu behandeln sind. Selbstverständlich wird die österreichische Bundesregierung diese Problemkreise weiterhin bearbeiten. Es ist auch klar, daß die Interessenlage der Kommission oft eine andere ist als die der Präsidentschaft, aber ich darf Ihnen versichern, daß die Ambitionen der österreichischen Bundesregierung sehr hoch sein werden und wir konkret die Erledigung der Bereiche Agenda 2000 und Osterweiterung mit aller Vehemenz und ohne Verzögerung weiter verfolgen werden. Über die Ergebnisse des Gipfels von Cardiff wird auch eine Diskussion im Parlament stattfinden, und zwar mit den uns eigenen Mechanismen, die Sie alle kennen und die etwas anders sind als jene in Deutschland.

Eines ist jedenfalls klar: Wir wollen eine aktive Präsidentschaft führen, eine Präsidentschaft, die jene Problemkreise, die zur Lösung anstehen, so weit bringt, wie es notwendig ist, um dann letztendlich zu Entscheidungen zu finden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 29

Es ist aber auch ein Zeichen von Qualität, wenn man den Mund nicht zu voll nimmt, sondern sich sehr realistische Ziele setzt und dabei ein gewisses Ambitionsniveau wahrt.

Zur Diskussion an sich, die hier stattgefunden hat, insbesondere hinsichtlich der Novellierung des Artikel 23 B-VG, ist folgendes festzuhalten: Österreich verfolgt diesbezüglich ein dreifaches Ziel: Es erfüllt seine Verpflichtungen aus dem Vertrag von Amsterdam, es handelt dabei sowohl im Interesse der europäischen, insbesondere aber der eigenen Sicherheit, und es läßt sich schließlich im Einzelfall alle Handlungsoptionen offen.

Besonders wichtig ist mir dabei letzteres. Die heute zu beschließende Novellierung bedeutet nämlich keineswegs, daß Österreich verpflichtet wäre, an allen zukünftigen Petersberg-Aufgaben teilzunehmen. Ganz im Gegenteil: Wir werden in jedem einzelnen Fall entscheiden können, ob wir ein gemeinsames europäisches Tätigwerden für sinnvoll halten, ob wir dem gemeinsamen europäischen Verhalten zustimmen, ob wir uns konstruktiv enthalten oder ob wir aber auch, dann, wenn wir davon überzeugt sind, ein Tätigwerden der EU durch unser Veto vollständig verhindern.

Die österreichische Neutralität behält dabei durchaus ihre Sinnhaftigkeit. Die Teilnahme an Petersberg-Aktionen bedeutet nämlich keine Teilnahme an einem Militärbündnis. Wir treten damit nicht der WEU und schon gar nicht der NATO bei. Wir werden damit nicht in die kollektiven Verteidigungsverpflichtungen der Militärbündnisse eingebunden und glauben auch, daß dies die österreichische Sicherheit nicht erfordert. Ganz im Gegenteil: Wie bereits ausgeführt, ist das Besondere und auch das Wesentliche an den Neuerungen des Amsterdamer Vertrages, daß mit ihnen die Europäische Union als politische Organisation mit ihrem breiten Aufgabenspektrum Fragen der Sicherheit nicht in einem eindimensionalen militärischen, sondern in einem umfassenden Sinn analysieren und lösen wird. Dies liegt sicherlich im österreichischen Interesse.

Was die zweite, konkretere Dimension der Petersberg-Aufgaben betrifft, nämlich die Frage der Entsendung von österreichischen Staatsbürgern zu solchen Aktionen, ist dazu folgendes festzuhalten: Die vorliegende Novellierung des Artikels 23f B-VG stellt sicher, daß das kürzlich eingeführte und bewährte Verfahren des KSE-BVG voll aufrecht bleibt. Sollte also tatsächlich – was aus heutiger Sicht eigentlich nicht zu erwarten ist – bereits im Rahmen eines EU-Grundsatzbeschlusses über eine Petersberg-Aufgabe vorgesehen sein, daß alle Mitgliedstaaten daran auch aktiv teilnehmen, so wird der österreichische Vertreter in der EU dieser nur unter dem Vorbehalt zustimmen können, daß das Verfahren des KSE-BVG in Österreich auch tatsächlich zu einem positiven Abschluß kommt. Damit wird bereits auf europäischer Ebene klargestellt, daß es für eine Entsendung österreichischer Einheiten noch eines zusätzlichen Schrittes bedarf. Den Vorrechten des Parlaments in diesem Bereich wird daher durch die vorliegende Novelle vollinhaltlich entsprochen.

Ich darf nunmehr, da in einigen Debattenbeiträgen auch auf den Inhalt des Amsterdamer Vertrages eingegangen wurde, ganz kurz aus Sicht der Bundesregierung die wichtigsten Inhalte des Vertrages von Amsterdam zusammenfassen.

Bereits zu Beginn der Regierungskonferenz war klar, daß mit dieser nicht die Endstufe der Integrationsentwicklung festgeschrieben werden kann. Der Vertrag von Amsterdam kann daher nur als eine – allerdings sehr wichtige – Etappe in diesem Prozeß verstanden werden.

Wenn wir das Ergebnis der Regierungskonferenz bewerten wollen, müssen wir zunächst mit den Ausgangsbedingungen Vergleiche anstellen: Die Bundesregierung hat in ihren vor Beginn der Konferenz beschlossenen Grundsatzpositionen ambitionierte und gleichermaßen realistische Ziele formuliert. Wenn wir jedoch unsere Grundsatzpositionen neben die Ergebnisse von Amsterdam legen, können wir feststellen, daß sie sich weitgehend miteinander decken. Wir haben – mit gewissen Abstrichen – viele österreichische Ziele in dieser Konferenz verwirklichen können.

Dies betrifft sowohl unsere aktiven Forderungen, wie insbesondere den neuen Beschäftigungstitel, die Bestimmungen zur Sozialpolitik, zur Gleichbehandlung, zum Umweltschutz oder die Re


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 30

formen im Innen- und Justizbereich, als auch die defensiven Zielsetzungen, bei denen es uns – wie in zentralen institutionellen Fragen – gelungen ist, einen für uns wesentlichen Status quo zu verteidigen.

Wie Sie wissen, nahm die Beschäftigungsthematik in der Amsterdamer Diskussion einen zentralen Stellenwert ein. Der Abschluß des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und die Verabschiedung der Entschließung über Wachstum und Beschäftigung, der Beschluß, einen Beschäftigungsgipfel im Laufe der luxemburgischen Präsidentschaft abzuhalten, die Aufnahme eines eigenen Beschäftigungstitels in den EG-Vertrag sowie die Aufnahme des Ziels der Vollbeschäftigung in die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates bilden in ihrer Gesamtheit ein substantielles Paket von Zielbestimmungen und Maßnahmen, das eine gute Grundlage für beschäftigungspolitische Impulse auf europäischer Ebene schafft.

Die Verankerung eines eigenen Beschäftigungstitels im neuen EG-Vertrag ist einer unserer wesentlichsten Erfolge in dieser Regierungskonferenz. Die Union kann auf dieser Grundlage das leisten, was wir uns schon zu Anfang vorgenommen haben. Der Rat kann nun durch beschäftigungspolitische Leitlinien und Empfehlungen die weiterhin bestehende primäre Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Beschäftigungspolitik koordinierend ergänzen.

Im Bereich der Umwelt gelang uns ein – zu Beginn der Regierungskonferenz praktisch unerreichbar scheinender – Erfolg. Es besteht nunmehr die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen höhere nationale Standards nicht nur beizubehalten, wie das schon bisher der Fall war, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt neu einzuführen.

Neben dieser Modifikation des Artikels 100a EG-Vertrag will ich betonen, daß auch die Verstärkung der ökologischen Zielbestimmungen und Berücksichtigungspflichten wesentliche Anliegen unserer Grundsatzpositionen erfüllt.

Weitere für die Bürgernähe der Union besonders relevante Reformen konnten im Bereich Inneres und Justiz erreicht werden. Da wurde ein weiterer wichtiger Schritt in einem Prozeß getan, der in Maastricht bereits begonnen hat.

Freier Personenverkehr und Abbau der Binnengrenzkontrollen im Unionsrahmen bedürfen umfassender flankierender Maßnahmen. Dies betrifft die Außengrenzkontrolle, Fragen der Einwanderung, des Asyls sowie der Verhütung und Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.

Der Vertrag enthält daher den neuen Titel "Freier Personenverkehr, Asylrecht und Einwanderung". Damit wird ein Handlungspotential geschaffen, das nun umgesetzt werden muß. Maßnahmen dieses Titels sollen vom Rat generell innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages beschlossen werden. Diese Frist gilt allerdings nicht für besonders sensible Materien, wie insbesondere die Einwanderungsbedingungen und Bestimmungen über den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen.

Für Maßnahmen des neuen Titels gilt prinzipiell die Einstimmigkeitsregel. Für Österreich war dieses Einstimmigkeitsprinzip vor allem für die Fragen der Migration und des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen wichtig.

Darüber hinaus wird der Schengen-Besitzstand ab Inkrafttreten des Vertrages in den Rahmen der Europäischen Union integriert. Das bedeutet insbesondere ein Vermeiden von Doppelgleisigkeiten, erhöhte Effizienz und stellt einen ersten Schritt zur Stärkung der parlamentarischen und judiziellen Kontrolle in diesen Materien dar.

Wesentliche Neuerungen wurden auch im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union erzielt. Zwar konnte dabei eine generelle Beschleunigung des Beschlußfassungsverfahrens durch eine Ausweitung von Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit nur in wenigen Bereichen erzielt werden. Institutionelle Verbesserungen – wie insbesondere die Schaffung einer Planungs- und Analyseeinheit für die gemeinsame Außenpolitik – werden jedoch unseres Erachtens wichtige Beiträge zu einer besser koordinierten europäischen Außenpolitik leisten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 31

Besonders begrüßt werden von der Bundesregierung die verstärkten Bemühungen der Europäischen Union im Bereich des Krisenmanagements. So wird die Europäische Union durch die Übernahme der sogenannten Petersberg-Aufgaben und die damit zusammenhängende stärkere Zusammenarbeit mit der Westeuropäischen Union in diesem Bereich zunehmend zu einem wichtigen sicherheitspolitischen Faktor. Die Europäische Union wird daher wie im Bereich der inneren Sicherheit in der Zukunft besser in der Lage sein, auf die neuen Bedrohungen für die europäische Sicherheit in einer umfassenden Art und Weise zu reagieren. Klassische Verteidigungsbündnisse verlieren in diesem Zusammenhang an Bedeutung. Umfassende Sicherheitsorganisationen – wie eben die Europäische Union im Zusammenwirken mit der Westeuropäischen Union – treten diesbezüglich stärker in den Vordergrund.

Abschließend nur noch einige Bemerkungen zum Bereich der Institutionen. Dabei konnten einerseits durch eine Stärkung der Mitwirkungsbefugnisse des Europäischen Parlaments und eine – wenn auch nur maßvolle – Ausweitung von Entscheidungen durch eine qualifizierte Mehrheit weitere Schritte in Richtung einer demokratischeren und effizienteren Union gesetzt werden. Andererseits konnte bei der Frage der Nominierungsrechte für die Europäische Kommission sowie insbesondere bei der Gewichtung der Stimmen im Rat eine wesentlich überproportionale Bedeutung der kleinen und mittleren Mitgliedstaaten erreicht werden.

Im wesentlichen kann man sagen, daß die von uns zu Beginn der Regierungskonferenz erklärten Ziele zum Großteil Eingang in diesen Amsterdamer Vertrag gefunden haben. Abschließend möchte ich nochmals festhalten, daß die an uns weitergegebenen Aufgaben beim Gipfel von Cardiff von uns sehr ambitioniert weitergetragen werden, daß sehr wohl Ziele gesetzt werden, und zwar nicht im Sinne der Kommission, weil die Kommission selbst andere Ziele verfolgt, aber im Sinne einer aktiven und ambitionierten Präsidentschaft.

Österreich würde sich sehr freuen, auch einige Kapitel im Erweiterungsprozeß bereits in Verhandlung nehmen zu können. Das hängt jedoch nicht nur von Österreich ab, sondern auch von den anderen Mitgliedstaaten. Wir sind vorbereitet, das aufnehmen zu können. Wir setzen uns sehr ehrgeizige Ziele in unserer Präsidentschaft. Wir werden jene Problembereiche, die beim Gipfel von Cardiff angesprochen wurden, aktiv, ambitioniert und mit sehr viel Engagement weiter behandeln.

Wir nehmen jedoch diese Präsidentschaft als eine sehr realistische wahr und werden versuchen, so weit wie möglich zu kommen, wir werden versuchen, diesen Prozeß weiterzutreiben, nehmen aber den Mund nicht zu voll und geben keine Versprechungen ab, die wir dann nicht einhalten können.

Im wesentlichen wird es ein hartes Stück Arbeit. Es wird keine Präsidentschaft mit glänzenden Höhepunkten werden, aber es wird eine Präsidentschaft werden, in der es sehr viel Arbeit zu leisten gibt. Es wird sehr viel am Detail liegen, und es wird viele Problembereiche geben, die ambitioniert zu lösen sein werden. Wir werden diese Aufgabe sehr gerne übernehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Staatssekretär.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.34

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Wir könnten natürlich heute tatsächlich über den Amsterdamer Vertrag reden, es ist ja auch eigentlich einiges in diesem Vertrag, das diskussionswert und -würdig wäre. Ein Jahr nach Beschluß dieses Amsterdamer Vertrages – vielleicht gerade, wenn es um die Ratifizierung geht – könnte man noch einmal Revue passieren lassen, was eigentlich vor einem Jahr beschlossen worden ist, wie wir das damals eingeschätzt haben und wie wir das heute sehen. Das wäre durchaus angebracht.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 32

Geht es nun um Beschäftigung, oder geht es – und das ist unsere Meinung – mehr oder weniger um die Ausschaltung des Parlaments? Die wenigen Mitbestimmungsrechte, die das Parlament bekommen hat, wiegen das nicht auf, was an Kompetenzverteilung auf der anderen Seite in Richtung Rat und Kommission gegangen ist: sei es die Verstärkung von Justiz und Innerem, von Europol und Schengen – eine Richtung, die zu mehr Polizei, zu mehr Justiz anstatt zu mehr Demokratie führt.

Das alles könnten wir heute diskutieren, hätten Sie von ÖVP und SPÖ nicht schon vor einigen Wochen ganz andere Schwerpunkte betreffend diesen Vertrag von Amsterdam gesetzt. Wenn man nämlich während der letzten Wochen die Zeitungen aufmerksam gelesen hat, dann ist einem schon klar geworden, daß sowohl Klima als auch Schüssel in diesem Vertrag von Amsterdam ganz anderes sehen, was übrigens auch manche meiner Vorredner tun.

Es ist zwar nett, wenn manche meiner Kolleginnen und Kollegen hier in aller Ausführlichkeit auf diesen Vertrag eingehen, aber eigentlich ist es am Thema vorbei, das Thema verfehlt. Man konnte beobachten, wo die Bundesregierung längst die Schwerpunkte gelegt hat: bei der gemeinsamen Verteidigungspolitik, bei der Frage der Eingliederung der WEU in die EU, und daß sie nach Möglichkeiten sucht, daß Österreich sich möglichst bald, möglichst schnell und möglichst effizient an der WEU beteiligen kann und wie man sich an der derzeit bestehenden Verfassung Österreichs und dem derzeit bestehenden Neutralitätsgesetz Österreichs vorbeischwindeln könnte.

Es gab von Bundeskanzler Klima bereits im April Aussagen, in denen er darauf hingewiesen und deutlich gemacht hat, daß eine möglichst schnelle Angliederung an die WEU im Interesse Österreichs sei. Es gab Anfang Mai Aussagen von Außenminister Schüssel, der dasselbe sagte und darauf hingewiesen hat, daß es das zentrale Anliegen sein sollte, mit der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages – wie Sie es nennen – in einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Klarheit zu schaffen. Deshalb sollten sich vielleicht einige nicht herausstellen und so tun, als ginge es noch um Sachpolitik.

Herr Kollege Schieder! Frau Kollegin Gredler! Da geht es nicht um Sachpolitik. Da geht es längst nicht mehr um die Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages. Da geht es einzig und allein um die Weichenstellung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Es geht einzig und allein um eine möglichst schnelle, reibungslose Eingliederung Österreichs in diesen Prozeß, der WEU heißt, in diese Westeuropäische Union – unter dem Dach der Europäischen Union. (Beifall bei den Grünen.)

Interessanterweise scheint Ihnen dann das, was im Vertrag von Amsterdam drinnen steht, noch zuwenig zu sein und zuwenig rasch zu gehen. Denn wie anders ist es sonst erklärbar, daß Sie als Regierungsparteien, vertreten durch Ihre Klubobleute, einen Initiativantrag einbringen, der sozusagen noch ein bißchen beschleunigen soll, was der Vertrag von Amsterdam ohnedies vorsieht. Sie müssen uns dieses Kunststück schon erklären, wie Sie das zustande bringen wollen, daß im Vertrag von Amsterdam zwar eine gemeinsame Vorgehensweise bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorgesehen ist, daß aber – darauf berufen Sie sich ja auch immer – die konstruktive Stimmenthaltung sehr wohl enthalten ist. Das war sozusagen das Hintertürl für die neutralen Staaten. Das war das Hintertürl für die allianzfreien Staaten.

Mit Ihrer Verfassungsänderung machen Sie genau dieses Hintertürl wieder zu; genau diese Bestimmung über die konstruktive Stimmenthaltung wird mehr oder weniger außer Kraft gesetzt. Sie stellen nicht nur per Verfassung fest, daß Österreich an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union mitwirkt, sondern halten auch ausdrücklich fest, daß das auch die Mitwirkung an den sogenannten Petersberger Aufgaben und daher an den bewaffneten Kampfeinsätzen mit einschließt. Sie gehen genau um den Schritt weiter, den der Vertrag von Amsterdam vorsieht. Genau das tun Sie! (Zwischenruf des Abg. Schieder. )

Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie setzen damit das außer Kraft, was bisher Verfassungskonsens war, nämlich daß Österreich sich nur dann an bewaffneten Auslandseinsätzen,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 33

an Kampfeinsätzen beteiligt, wenn das der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen hat.

Die Kampfeinsätze nach den Petersberger Aufgaben werden aber nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sondern vom Rat beschlossen. Mit Ihrem Antrag auf Verfassungsänderung schaffen Sie ein Präjudiz, das internationale Auswirkungen haben wird. Österreich nimmt da auf der Ebene der Europäischen Union eine Vorreiterrolle ein, die Sie 1994 nicht in dieser Form versprochen haben, eine Vorreiterrolle, die nicht nur die Aufhebung der Neutralität im Kern bedeutet, sondern die im internationalen Rahmen bedeutet, daß der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht mehr gebraucht wird, wenn es um Kampfeinsätze geht, sondern daß der Rat, die Europäischen Gremien reichen. Das ist meiner Meinung nach besonders bedenklich, das ist besonders anzugreifen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Khol! (Abg. Dr. Khol: Hier!) Sie tun sich wirklich schwer. Man hat das auch an Ihren Zwischenrufen gemerkt. (Abg. Dr. Khol: Nein, überhaupt nicht!) Gerade Sie als Verfassungsjurist, der sonst so pingelig ist und immer versucht, den Anschein zu erwecken, es ginge ihm um den Verfassungsbogen, hätten doch darauf drängen müssen, daß diese Verfassungsänderung, die Sie vorschlagen, in die Begutachtung geht! Hätten Sie doch die Prozedur einer monatelangen Begutachtung, einer öffentlichen Debatte auf sich genommen! Es ist nicht vergleichbar mit dem Amsterdamer Vertrag. Das ist nicht das richtige Argument. Das wissen Sie ganz genau. Der Amsterdamer Vertrag beinhaltet das nicht so, wie Sie das in dieser Verfassungsänderung vorsehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Der sieht die Petersberger Einsätze vor!)

Sie umgehen die Öffentlichkeit, die österreichische Bevölkerung mit dem, was Sie tun. Sie unterminieren nicht nur die Verfassung, Sie unterminieren auch die Glaubwürdigkeit der Politik, wenn Sie so vorgehen. Das ist der Punkt, der Kern der Sache. (Beifall bei den Grünen.) Sie unterminieren die Glaubwürdigkeit. Sie haben beziehungsweise Ihr Außenminister hat 1994 versprochen, daß es, wenn es zu einer Veränderung der Verfassung im Kern der Neutralität kommt, eine Volksabstimmung geben wird. Nun machen Sie nicht einmal eine Begutachtung – von einer Volksabstimmung sind wir weit entfernt.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein, den ich für wesentlich halte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Dr. Van der Bellen, Freundinnen und Freunde betreffend Regierungsvorlage zum Vertrag von Amsterdam (1211 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend Artikel J 7 Abs. 1 des Amsterdamer Vertrages so zu handeln, daß keine inhaltliche Änderung des Neutralitätsgesetzes, welches durch diese Bestimmung unberührt bleibt, vorgenommen wird. Der österreichische Vertreter im Rat der Europäischen Union wird sich bei Beschlüssen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik so verhalten, daß das Neutralitätsgesetz nicht verletzt wird, und sich beim Beschluß von Kampfeinsätzen gemäß Artikel J 7 Abs. 2 konstruktiv der Stimme enthalten.

*****

Würden Sie die Verfassung ernst nehmen, hätten Sie zumindest das in Ihren Initiativantrag hineingenommen, womit sichergestellt würde, daß die Verfassung eingehalten wird. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Schluß möchte ich noch auf etwas zu sprechen kommen, was ich für die bestehende Situation als bezeichnend sehe. Wir halten nicht nur eine Debatte über einen sehr umfangreichen Vertrag ab, sondern eine Debatte darüber, daß die Verfassung durch Ihren Initiativantrag geändert wird – wir sagen: nachhaltig, empfindlich verändert, so sehr, daß eine Volksabstimmung


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 34

durchzuführen ist. Die eigentlichen Vertreter der Bundesregierung, die die Ansprechpartner wären, diejenigen, die dies bereits vor Wochen im internationalen Rahmen vertreten haben – Klima und Schüssel –, sind hier jedoch nicht anwesend.

Herr Staatssekretär! Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Als Kunststaatssekretär können und mögen Sie wirklich manches nicht wissen, was den Amsterdamer Vertrag und die Verpflichtungen Österreichs nach dem Neutralitätsgesetz betrifft. Es ist dann vielleicht eher ein Kunststück Ihrerseits, das Sie hier aufführen, indem Sie sich redlich bemühen, die aufgesetzten Reden so zu verlesen, daß sie noch einigermaßen verständlich sind. Sie werden uns vielleicht auch zustimmen, daß es eigentlich eine Zumutung ist, mit der Sie nichts zu tun haben – Sie führen sie aus –, eine Zumutung der Bundesregierung, daß Sie hier sitzen müssen und nicht der Kanzler. (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)

Es ist eine Zumutung, daß nicht der Kanzler mit uns darüber diskutiert, daß maßgebliche Eingriffe in die Verfassung stattfinden.

Herr Präsident! Ich stelle daher den Antrag nach der Geschäftsordnung, § 18 Abs. 3, daß Bundeskanzler Klima bei dieser Debatte anwesend sein möge. Ich ersuche Sie, darüber abstimmen zu lassen. (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Richtig! Genau!)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag der Frau Abgeordneten Kammerlander gehört. Ich bringe diesen Antrag zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag Kammerlander zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Ich mache auf die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

10.45

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Vorrednerin hat behauptet, daß ich und meine Partei durch den Initiativantrag, der heute zur Beratung steht, die Verfassung unterminieren.

Dem stelle ich den richtigen Sachverhalt entgegen: Wir ändern die Verfassung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Das ist ein Redebeitrag!)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es war dies der zweite Diskussionsbeitrag im Rahmen einer tatsächlichen Berichtigung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger.

10.46

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kammerlander hat hier mit Wehmut erklärt, es gehe heute nicht um Sachpolitik. Ich stimme ihr zu: Dieses Plakat, das vom Kollegen Wabl aufgehängt wurde, ist offenbar Ihre Sachpolitik. Das verstehen wir nicht unter Sachpolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich finde es aber wirklich bemerkenswert, daß die Grünen heute wieder einmal die Neutralität in ihren Aussagen ins Treffen führen. Herr Kollege Wabl, der dieses Plakat aufgehängt hat, war offensichtlich immer schon ein besonderer Neutralitätsbefürworter, insbesondere, wenn es um den zweiten Satz im Artikel 1 Abs. 1 des Neutralitätsgesetzes geht: "Österreich wird diese" immerwährende Neutralität "mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen."


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 35

Ich freue mich darauf, daß der Kollege Wabl zu einem Aktionisten für die bewaffnete Neutralität wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte das auch gleich wieder abschwächen. Es geht den Grünen nicht um die Neutralität, wie sie heute im B-VG enthalten ist. Es geht ihnen nicht darum, eine wirklich bewaffnete Neutralität zu verteidigen. Es geht ihnen um die grüne Neutralität, die eine ganz andere ist als das, was wir darunter verstehen. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Ein zweiter Punkt ist die Antwort der Grünen auf Konfliktbewältigung. Das, was ich bisher von den Grünen darüber gehört habe, ist einzig das Konzept, daß man auch bei einem Krieg, bei einem bewaffneten Konflikt reden, aber nicht handeln soll. Meine Damen und Herren! Das ist für uns nicht der richtige Weg. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf es aus Anlaß dieser aktuellen Situation im Kosovo auf einen Punkt bringen: Ein Herr Miloševi% wird sich von Ihren Reden hier nicht beeindrucken lassen. Das ist der wesentliche Punkt. Es geht darum, Druck zu machen; es geht nicht darum, von der Neutralität oder sonstigen Dingen zu reden. Meine Damen und Herren! Solidarität ist in diesem Europa gefragt – und dazu stehen wir! (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist auch nicht der Blick zurück in die Zeit des kalten Krieges, in die Zeit der Friedensdemonstrationen, in die Konzepte der sozialen Verteidigung der richtige Weg. Ebensowenig ist es der Weg zurück in eine Neutralität, wie wir sie einmal verstanden haben. Der Blick nach vorne zählt. Dieser Blick nach vorne wird mit dem Amsterdamer Vertrag und den Petersberger Aufgaben, die jetzt als Aufgabe der Europäischen Union verankert sind, ganz anders gezeichnet. Wir sind bereit dazu, diesen Weg aktiv zu gehen, weil wir auch Neutralität in einer Entwicklung sehen, nämlich in einer Entwicklung nach vorne. Wir meinen, daß diese Neutralität im europäischen System der Zukunft zu einer Solidarität werden muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aber nicht nur mit dem Standpunkt der Grünen auseinandersetzen. Es war auch sehr interessant, die Zwischentöne der Freiheitlichen Partei zu hören, insbesondere den Ruf des Abgeordneten Scheibner, der erzählt hat, Österreich hätte nicht einmal eine Überfluggenehmigung für Flugzeuge über Österreich erteilt (Abg. Jung: Ja!), die jetzt zu den NATO-Manövern in Albanien unterwegs sind. (Abg. Jung: Richtig!)

Ich höre das zum ersten Mal. Soweit ich mich erkundigt habe, wissen das andere auch nicht. (Abg. Jung: Aber in der Zeitung können Sie das lesen!) Darum, meine Damen und Herren, würde ich den Herrn Staatssekretär gerne fragen: Gab es einen Antrag Deutschlands, über Österreich mit Militärmaschinen zu den Manövern im Kosovo zu fliegen? Gab es einen solchen Antrag? Wurde er abgelehnt? Welches Verfahren gab es darüber? (Abg. Jung: Oder gab es Fragen im Vorfeld?) Haben Sie freiheitliche Abgeordnete darüber informiert? Haben die bei Ihnen nachgefragt?

Ich vermute nämlich etwas anderes, meine Damen und Herren: eine Nahebeziehung zwischen der Freiheitlichen Partei und einer sehr wichtigen Institution in diesem Land, nämlich dem Heeres-Nachrichtenamt. (Abg. Jung: Mit einem schwarzen Chef!) Der Herr Abgeordnete Jung verbindet seine Abgeordnetentätigkeit mit einer Tätigkeit im Heeres-Nachrichtenamt, und das scheint mir gefährlich zu sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Eine Sauerei ist das!)

Ich möchte Sie daher, Herr Staatssekretär, bitten, das, wenn Sie es nicht auswendig wissen, sofort zu erkunden, denn ich halte es für notwendig, Aufklärung hierüber zu haben in diesem Haus, und ich hoffe sehr, daß dieser Zusammenhang zwischen FPÖ und Heeres-Nachrichtenamt nicht besteht. Wenn er aber besteht, dann haben wir alle in dieser Frage Handlungsbedarf. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 36

10.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Jung hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung und die Redezeit aufmerksam.

10.52


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 37

Abgeordneter Wolfgang Jung
(Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Spindelegger hat wahrheitswidrig behauptet, ich verbinde meine Tätigkeit als Abgeordneter in unzulässiger Weise mit der im Heeres-Nachrichtenamt. (Abg. Dr. Spindelegger: Beweis!) Dies ist erstens ein strafrechtlicher Vorwurf, den ich anderswo behandeln werde (ironische Heiterkeit bei der ÖVP) , und es ist überdies unrichtig.

Ich bin seit mehr als einem Jahr, mit einer kurzen Unterbrechung, nicht mehr im Heeres-Nachrichtenamt tätig, und zwar deswegen, weil ich – so wie mir das von der Beschwerdekommission, der Berufungskommission im Bundeskanzleramt und so weiter zugestanden wird – eigentlich meine Tätigkeit rechtlich beim HNA ausüben sollte, der Herr Bundesminister mir dies jedoch durch Tricks zu unterbinden versucht. Die Mitglieder der Beschwerdekommission, die hier anwesend sind, wissen das.

Es ist unwahr, was Abgeordneter Spindelegger behauptet – wahr ist aber, daß man mich an der Ausübung meiner erlaubten Tätigkeit im Heeres-Nachrichtenamt von seiten des Verteidigungsministers zu behindern versucht. Die Kommission ist anderer Meinung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Schwimmer: Ein Volltreffer! Ein Schuß nach hinten!)

10.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.53

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Abgeordneter Spindelegger hat unterstellt, daß ich meine Informationen bezüglich der nicht genehmigten Überflüge von deutschen Flugzeugen aus dem Bereich des Heeres-Nachrichtenamtes hätte. – Diese Behauptung ist unwahr!

Ich habe diese Informationen nicht aus dem Bereich des Heeres-Nachrichtenamtes (Abg. Wurmitzer: Von wo sonst? – Abg. Schwarzenberger: Er hat sie vom Jung!) , sondern ich habe diese Information von einer Stelle in Deutschland, die es genau wissen muß und die sich darüber beschwert hat. (Abg. Schieder: Vom deutschen Nachrichtendienst? Das ist ja noch ärger! Das wird ja immer besser!) – Aber das ist wieder einmal Ihre Politik, daß Sie da ... (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Schwimmer: Erst ein Volltreffer, dann ein Schuß nach hinten und jetzt ein Rohrkrepierer!)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die tatsächlichen Berichtigungen sind beendet.

Ich gebe noch bekannt, daß der von Frau Abgeordneter Mag. Kammerlander gemeinsam mit Frau Dr. Petrovic eingebrachte Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht wurde und mit in Verhandlung steht.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Er hat das Wort. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Oje!)

10.54

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Vorweg als erstes noch etwas, was im Rahmen der tatsächlichen Berichtigung nicht gesagt werden konnte: Der Leiter des Heeres-Nachrichtenamtes ist ein führender ÖVP-Funktionär. Der hat mich ins Heeres-Nachrichtenamt geholt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Er war dort haushoch mit mir zufrieden, aufgrund meiner Tätigkeit habe ich eine besondere Auszeichnung bekommen, und er ist nach wie vor mit meiner Tätigkeit zufrieden. Und diese ganzen Dummheiten (anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP), die Kollege Spindelegger hier behauptet hat ... (Abg. Scheibner: Einen Ordnungsruf sollte er bekommen! – Abg. Edler: Aufklärung!) 

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Jung! Bitte das ... (Abg. Jung: Sie haben recht, Herr Präsident ...!) Also Sie sind am Wort.

Abgeordneter Wolfgang Jung (fortsetzend): Sie haben recht, Herr Präsident, es waren keine Dummheiten, es waren Verleumdungen – was wesentlich wichtiger und schlimmer ist (Beifall bei den Freiheitlichen)  –, die Kollege Spindelegger hier von sich gegeben hat, weil anscheinend in sein Gedächtnis und in sein Hirn nicht hineingehen kann, daß ein Mensch als Beamter ehrlich seinen Beruf ausüben kann für diese Republik und trotzdem in einer Partei tätig sein kann. Sie als ÖVPler können sich das nicht vorstellen, Herr Kollege Spindelegger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das zeigt Ihre Gedankenwelt. Sie kennen nur Proporz. Sie kennen nur Aufteilung der Republik, die Aufteilung Österreichs in zwei Hälften. Nichts anderes! (Abg. Dr. Nowotny: Ruhe! Ruhe! Beruhigen Sie sich!) Sie können nicht glauben, daß jemand anständig seinen Dienst macht. Fragen Sie Ihren eigenen Minister, wie er mit meiner Arbeit während des Jugoslawien-Krieges zufrieden war. Da war ich täglich zwei-, dreimal bei ihm drinnen. Da war ich gut genug, für ihn zu arbeiten. Jetzt bin ich da, verleumdet zu werden. Nicht mit mir, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und jetzt zum Amsterdamer Vertrag, denn es ist nicht mehr wert, über diesen Unsinn, den der Herr Kollege da behauptet hat, länger zu reden. (Abg. Schieder: Na bitte!)

Einen halben Tag haben wir über dieses Vertragswerk im Ausschuß gesprochen. Vier oder fünf Punkte waren zusätzlich noch auf dem Programm. In dieser Zeit haben wir dieses Paket – unter Anführungszeichen – "durchgearbeitet". Herr Kollege Mock – er ist jetzt, glaube ich, nicht mehr da –, das ist nicht der Dialog mit der Opposition, den Sie angesprochen haben. Dazu gab es einfach keine Zeit. Dabei bedeutet dieser Vertrag eine der wichtigsten Änderungen in dieser Republik seit dem Neutralitätsvertrag im Jahre 1955.

Die SPÖ ist sich dessen in ihrer Führung sehr wohl bewußt, man hält allerdings – auch bewußt – das Thema auf kleiner Flamme. Und da fragt man sich: Warum? Man will – und das sage ich ganz bewußt – versuchen, die Wähler über die Bedeutung des Vertrages hinwegzutäuschen, man will vor allem die kleinen Funktionäre in der SPÖ darüber hinwegtäuschen.

Es gibt für jeden Abgeordneten in der Zeit seiner Tätigkeit Fragen, wo er sich überlegt, ob er sich dem "nicht vorhandenen" Klubzwang zu beugen hat oder nicht. Es knirscht für jeden manchmal bei der Frage von Abstimmungen. Mich würde es daher sehr interessieren, wie es in einigen der SPÖ-Abgeordneten ausschaut – es haben sich schon einige bei der SOFA-Abstimmung enthalten –, wie etwa Frau Karlsson, der Kollege Posch oder der Kollege Niedermaier und so weiter in Wirklichkeit über dieses Thema denken. (Abg. Schieder: Niederwieser! "Niedermaier" war ein Deckwort bei der FPÖ!) Niederwieser, Herr Kollege Schieder. Mein Gott, ich muß nicht alle SPÖ-Abgeordneten herunterbeten können. (Abg. Schieder: "Niedermaier" war ein Deckwort für eine FPÖ-Geldtransaktion! – Abg. Dr. Khol: War das der Zeillinger?)

Sie haben ganz bewußt einige Leute heute hier nicht anwesend, und Sie haben sie auch schon im Ausschuß, als es um das SOFA-Abkommen gegangen ist, hinausgeschickt. Es war eigentlich nur ein SPÖ-Abgeordneter oder zeitweise waren zwei SPÖ-Abgeordnete da. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist die Realität! Sie trauen sich nicht, den Österreichern die Wahrheit zu sagen. (Abg. Koppler: Aber Vertrag haben sie keinen unterschrieben!) Sie haben keinen Vertrag unterschrieben, weil sie bei der SPÖ ohnehin unter einem derartigen Druck sind, daß sie keine andere Chance haben. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Schon damals beim SOFA-Abkommen ging es eigentlich um die Grundfrage der Neutralität, die mit diesem Abkommen jetzt eindeutig tot ist. Wir sind nicht – das haben wir oft genug behauptet und festgestellt – gegen die NATO, wir sind aber sehr wohl dagegen, in etwas hineingeschleust zu werden, wo wir alle Pflichten, jedoch keinerlei Rechte haben. Deswegen haben wir uns damals gegen den SOFA-Vertrag, der de facto schon die Neutralität gebrochen hat, gewandt. Das, meine Damen und Herren, ist die Realität.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 38

Sie von der ÖVP haben die Neutralität schon längst abgeschrieben. Aber vor nicht allzulanger Zeit hieß es: "Abschaffung der Neutralität kommt für mich nicht in Frage." Das hat der damalige Minister Schüssel gesagt; das war im Jahr 1996. "Wir müssen alles daransetzen, klarzumachen, daß der 13. Oktober" – das war der Tag der Europa-Wahlen – "keine Abstimmung über die Neutralität ist." Ihr Generalsekretär, Herr Kollege Khol, hat das gesagt. Sie wissen da gut Bescheid mit Ihrem In-den-Tabernakel-Stellen. Sie holen, wie bei der Messe, die Neutralität nach Bedarf heraus oder stellen sie wieder hinein – wie es gerade paßt.

Das ist die Doppelzüngigkeit, die wir Ihnen vorwerfen, denn jetzt sagen Sie ja schon, daß damit die Neutralität für den Bereich der EU außer Kraft ist. Das ist doch alles wirklich nichts anderes als eine grobe Täuschung des Wählers, Herr Kollege Khol, die wir sicher nicht mitmachen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die SPÖ ist gezwungen, sie mitzumachen. Man hat sich seitens der SPÖ lange gegen den SOFA-Vertrag gewehrt, über ein halbes Jahr hat man ihn abgeblockt, und dann plötzlich war Schluß, und die Kollegen Blecha und Schieder haben zurückgezuckt. Ja, was war denn das? – Es fällt auf, daß das zur Zeit der 33 Millionen war. Hat vielleicht Ihr Kollege Rudas Ihren Klub unter Druck gesetzt, sodaß Sie auf einmal handzahm geworden sind? Diese Frage muß man sich wirklich stellen, Herr Kollege Schieder.

Nun noch abschließend etwas, was ich Ihnen ganz gerne vorlesen möchte: "Eine Neutralitätskonzeption, wie sie sonst augenzwinkernd verfolgt würde, wäre der Übergang von der immerwährenden zur fallweisen Neutralität. Das ist kein seriöses und ernstzunehmendes Konzept. Es ist daher im Interesse des Ansehens des Landes abzulehnen." – Wissen Sie, wer das gesagt hat? – Das ist aus dem "Falter" von Kollegen Einem, von Ihrem Genossen Einem. Der sagt Ihnen, was Sie machen, und meint, das sei im Interesse des Ansehens der Republik abzulehnen.

Allerdings muß man sich schon eines fragen. Der Herr ist ja auch in der Ministerriege. Wieso hat er da im Ministerrat nichts getan? (Abg. Schieder: Fragen Sie ihn! – Abg. Dr. Gusenbauer: Fragen Sie ihn!) Das ist wiederum ein Zeichen für die Doppelzüngigkeit innerhalb der SPÖ!

Faktum ist: Heute wird ein Beschluß gefaßt werden, der die Sicherheitspolitik Österreichs auf Dauer beeinflußt, jedoch anscheinend nicht abhängig ist von Überlegungen, von Rücksichtnahmen auf die Verfassung, nicht abhängig ist von der sicherheitspolitischen Situation Österreichs – sonst hätten Sie den Optionenbericht erstellt –, sondern einzig und allein von der inneren Befindlichkeit der SPÖ. Davon machen Sie die Außenpolitik Österreichs abhängig – und das kann nicht mitgetragen werden, Herr Kollege Schieder! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Ich erteile ihm das Wort.

11.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Diskussion ist mit Interesse zu verfolgen, weil ich glaube, daß sie ganz grundlegende Bereiche unseres Selbstverständnisses berührt. Vielleicht ist sie ein wenig zu einseitig, aber das ist im Moment die Debatte, die zu führen ist.

Wir alle wissen, daß es im Amsterdamer Vertrag – im Vorwort ist es so schön beschrieben – auch um andere Dinge geht als nur um die Frage der Neutralität und der Sicherheitspolitik. Da geht es um innere Sicherheit, Personenverkehr, justitielle Zusammenarbeit, um die Weiterentwicklung von Regelungen, Beschäftigung, Sozialpolitik, Umwelt, Gesundheit, Menschenrechte. Ich möchte diese Bereiche einfach einmal aufzählen, damit sie hier auch genannt werden, weil wir die ganze Zeit über etwas anderes diskutieren. – Und jetzt werde auch ich über etwas anderes sprechen, weil es eine sehr kontroversielle Debatte ist. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 39

Punkt eins: Es ist auch zu diskutieren, wie groß das internationale Interesse an neutralen Ländern eigentlich ist, an Neutralitätspolitik, an einem neutralen Österreich. Das wird nicht diskutiert in diesem Zusammenhang; wir unterhalten uns immer nur in unserem engen politischen Schrebergarten darüber, inwieweit wir uns selbst definieren, wie wir es interpretieren. Es ist uns überlassen, wie die Neutralität – die letztlich auf Gesetzen basiert – zu interpretieren ist. Aber die Frage ist auch: Wer hat Interesse daran? Ist das zum Beispiel ein Modell?

Für die osteuropäischen Länder, die sich aus dem Warschauer Pakt gelöst, sich vom COMECON-System entfernt und das kommunistische System überwunden haben, ist es natürlich kein Modell. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. Juni ist zu lesen: Titel: "Militärische Allianzfreiheit ist ein Mittel, nicht ein Ziel. Schweden und Finnland gehen auf die NATO zu", und dann wird aufgezählt, in welchen Bereichen sie zusammenarbeiten wollen. Das ist eine Entwicklung, die man zumindest zur Kenntnis nehmen muß und die auch in eine österreichische Neutralitätsdebatte, in eine Selbstverständnisdiskussion Eingang finden muß.

Wenn das so ist, daß es uns überlassen ist, zu interpretieren, dann ist auch klar, daß es im Rahmen einer parlamentarischen Debatte eine Interpretationsdiskussion gibt, so wie sie heute hier stattfindet.

Ein zweiter Punkt ist die Frage der Außenpolitik. Soll sie eine politisch-interventionistische sein oder nicht? Soll sie darüber hinausgehen oder nicht, wenn es um Frieden geht, wenn es um Friedenserhalt geht, wenn es um Friedensschaffung geht?

Die Politik Kreiskys war eher eine politisch-interventionistische Außenpolitik. Das hat sich modifiziert. Wir sind in der EU. Es gibt eine andere geopolitische Situation, es haben sich auch die sogenannten Bedrohungsbilder verändert, denn es herrscht nicht mehr der Gegensatz zwischen West und Ost, zwischen NATO und Warschauer Pakt. Es hat sich eine radikale Veränderung ergeben, und es haben sich zugleich natürlich auch globale Veränderungsschritte ergeben.

Ich bekenne mich zu einer interventionistischen Außenpolitik, zu einer politisch-interventionistischen im Sinne des Friedens, der Friedenserhaltung, der Friedensschaffung, und so gesehen auch dazu, das letztendlich, wenn es nicht anders geht, wenn alle Mittel ausgeschöpft sind, auch militärisch durchzusetzen. Im Rahmen der Debatte, die hier stattfindet, ist natürlich auch die Frage zu stellen, auf welcher Basis, in welchem Rahmen, mit welcher Legitimation das vor sich gehen soll.

Da gefällt mir ein Punkt nicht, nämlich diese Zwangsszenarien: Wenn man dort ist, dann muß man das – wenn man da ist, dann muß man das. Ich kenne kein Szenarium, wo es – das gilt selbst bei UNO-Beschlüssen, bei einem Beschluß des Sicherheitsrates – eine Sanktion gibt, wenn man bei einer solidarischen Aktion nicht mitmacht. Es ist Artikel 5 bei WEU und NATO noch nie zur Anwendung gekommen. Ich kenne auch kein Sanktionsinstrumentarium, wonach man, wenn man NATO-Mitglied oder WEU-Mitglied ist, bei irgend etwas mitmachen muß.

Der Amsterdamer Vertrag bietet uns darüber hinaus die Möglichkeit, uns der Stimme zu enthalten beziehungsweise dagegenzustimmen, wenn auch nicht mit Vetowirkung. Auch da gibt es logischerweise – nicht nur wegen dieser Einrichtung, sondern auch grundsätzlich – keine Möglichkeit, etwas zu erzwingen.

Ein letzter Punkt, den ich für sehr positiv erachte, ist das Zusammenschmelzen, die Verflechtung EU, WEU und letztlich auch – das muß man dazusagen – NATO.

In Artikel 17 dieses Amsterdamer Vertrages – wiedergegeben auf Seite 17 der "Österreichischen außenpolitischen Dokumentation" – ist ein sehr interessanter Passus zu lesen. Da steht: "Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; sie achtet die Verpflichtungen einiger Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der Nordatlantikvertragsorganisation (NATO) verwirklicht sehen, aus dem Nordatlantikvertrag und ist vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik."


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 40

Das heißt, die elf Länder, die zugleich in der EU, in der WEU und in der NATO sind, bringen hier ganz deutlich zum Ausdruck, daß es gegen die Entscheidungsprozesse in der NATO mit Sicherheit keine Beschlüsse geben wird.

Und noch deutlicher wird es, wenn ich auf Seite 229 schaue, wo in der Einleitung zur xxxvergl. Pk "Erklärung der Westeuropäischen Union zur Rolle der Westeuropäischen Union und zu ihren Beziehungen zur Europäischen Union und zur Atlantischen Allianz" steht:

"Die WEU ist integraler Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union, indem sie der Europäischen Union Zugang zu einer operativen Kapazität insbesondere im Zusammenhang mit dem Petersberger Aufgaben eröffnet, und stellt entsprechend der Pariser Erklärung und den Berliner Beschlüssen der NATO-Minister ein entscheidendes Element für die Entwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität in der Atlantischen Allianz dar."

Das heißt, diese Verflechtung, dieser Prozeß ist Realität. Dem sollte man sich einfach mit offenen Augen und offenen Ohren stellen und es im Diskussionsprozeß in Österreich mitberücksichtigen.

Man kann es auch als einen Kampf um eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik interpretieren. Das ist interpretierbar, das sollte letztendlich auch das Ziel sein. Es ist ein Kampf um mehr europäische Balance in dem sich entwickelnden sicherheitspolitischen System. Das ist Realität. Es ist auch Realität – auch das steht hier drinnen –, daß ein Aspekt dieser Überlegungen die rüstungspolitische Zusammenarbeit ist, was auch als der Aufbau einer europäischen Rüstungsindustrie interpretiert werden kann. Das sollte man ganz offen diskutieren, auch in Österreich, wo wir in der Vergangenheit, in den letzten 20, 25 Jahren, sehr kontroversielle rüstungspolitische Debatten hatten.

Ich begrüße den Amsterdamer Vertrag, ich begrüße die Intention, die er enthält, ich glaube, daß er in die richtige Richtung geht, und ich denke, daß uns das letztendlich Chancen eröffnet, die wir in unserer Debatte tabufrei und offen zu berücksichtigen und zu diskutieren haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.08

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Klima, der uns heute nicht mit seiner Anwesenheit beehrt, hat mehrfach erklärt, daß ein NATO-Beitritt nur nach einer Volksabstimmung in Frage kommt. – Ich frage mich, wie er zu dieser Auffassung gelangt. Nach der heutigen Debatte frage ich mich das ernsthaft.

Herr Klubobmann Kostelka hat mehrfach erklärt, daß ein NATO-Beitritt nur nach einer Volksabstimmung in Frage kommt. – Ich frage mich, wie er zu dieser offenbar obskuren Auffassung gekommen ist.

Von den höheren Regierungspolitikern hat sich der Herr Bundespräsident bisher, finde ich, am eindeutigsten zur Frage geäußert, wozu jetzt eigentlich eine Volksabstimmung notwendig ist – zum Beispiel in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im Mai 1998. Dort heißt es:

"Ein Beitritt zur NATO sei eine sensible Frage. Obwohl der Sicherheitsbegriff heute weiter zu fassen sei, bleibe ein ,militärischer Kern‘" – militärischer Kern unter Anführungszeichen –, "der mit der Neutralität nicht zu vereinbaren sei. Daher erfordere ein möglicher NATO-Beitritt Österreichs eine Volksabstimmung." – Daher also! Und was machen Sie heute? Abgesehen davon frage ich mich, was der Bundespräsident nach dieser eindeutigen Meinungsäußerung, die erst etwas mehr als einen Monat her ist, machen wird. Wird er sich äußern? Wird er kommentarlos


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 41

unterschreiben, daß die Neutralität ausgehebelt wird? (Abg. Schieder: Vielleicht ist er der Meinung, daß sie das nicht wird!)

Ich komme darauf noch zurück. Sie waren doch selbst der Meinung, Herr Schieder, daß die Neutralität – Sie haben natürlich nicht das Wort "aushebeln" verwendet, sondern Sie haben es ähnlich wie Herr Klubobmann Khol ausgedrückt – erhalten bleibe und nur ihr Anwendungsbereich eingeschränkt werde. (Abg. Schieder: So wie die UNO-Charta zum Beispiel!) Aber es ist doch ein Unterschied, ob die UNO als weltweite Organisation etwas macht oder eine Staatengemeinschaft von 15 Ländern! (Zwischenruf des Abg. Schieder. )

Sie – nicht wir – haben anläßlich des EU-Beitrittes gesagt, dieser habe mit der Neutralität überhaupt nichts zu tun, die Neutralität bleibe selbstverständlich erhalten. (Abg. Schieder: Wenn nicht, bin ich nicht dafür!) Man kann darüber diskutieren, wie Kollege Cap das macht. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Aber Sie sagen, die Neutralität bleibe erhalten, nur ihr Anwendungsbereich werde ein bißchen eingeschränkt. – Wie lange denn? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schieder: Bei Kriegseinsätzen werden wir ja nicht mitmachen!)

Bei Kriegseinsätzen werden Sie nicht mitmachen? (Abg. Schieder: Warum nicht? Außerhalb der EU, ohne UNO-Mandat: Nein!) Bitte, Herr Kollege Schieder, lesen kann ich schon. Artikel 23f Abs. 3 nimmt überhaupt nicht Bezug auf die Frage, ob und wie die Kriegseinsätze – nennen wir es beim Namen – problematisch sind oder nicht. Er besagt nur, daß der Bundeskanzler und der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten bei Beschlüssen einer Meinung sein müssen. Das ist alles!

Ist diese Vorgehensweise keine Einschränkung der Neutralität? Sie haben es doch selbst gesagt, Herr Schieder! (Abg. Schieder: Da geht es um den Beschluß auf EU-Ebene und nicht um die Frage der Teilnahme!) Ziehen Sie sich nicht von einer Position zurück, die Sie noch vor einer halben Stunde vertreten haben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Gredler.  – Abg. Schieder: Das ist ja nicht für die Teilnahme! – Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Die Position der FPÖ ist meiner Ansicht nach vergleichsweise klar und eindeutig. Ich teile sie nicht inhaltlich, aber die Haltung an und für sich ist klar und eindeutig. Die Freiheitlichen sagen, sie seien erstens für einen NATO-Beitritt Österreichs und zweitens für die Aufgabe der Neutralität (Abg. Schieder: Nein! Nein!) , drittens solle vorher eine Volksabstimmung darüber abgehalten werden. – Das ist klar und eindeutig. Diese Klarheit vermißt man bei den Regierungsparteien – ich muß leider auch die SPÖ ausdrücklich einschließen – auf geradezu peinliche Weise, Herr Kollege Schieder. (Beifall bei den Grünen.)

Die ÖVP hat noch vor kurzem behauptet, daß die Neutralität und ein NATO-Beitritt miteinander vereinbar wären. Auf so eine haarsträubende Aussage lasse ich mich erst gar nicht ein. Die Politik der ÖVP ist es offensichtlich, die Neutralität schrittweise so lange auszuhöhlen, bis sich eine Volksabstimmung darüber ohnehin erübrigt. Das ist für jeden offensichtlich, der das in den letzten zwei Jahren verfolgt hat.

Ab heute neu und dokumentiert ist, daß die SPÖ dabei mitmacht. Das ist neu und auch dokumentiert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schieder schüttelt den Kopf.) Warum sagen Sie nicht offen, daß sich Kollege Cap innerhalb der SPÖ durchgesetzt hat? Über seine Argumente kann man diskutieren! Warum sagen Sie das nicht offen? (Abg. Schieder: Weil es nicht so ist! Er ist allein geblieben!) Gerade diese Doppelzüngigkeit geht uns auf den Keks. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Herrn Staatssekretär


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 42

widersprechen, der gemeint hat, daß der Herr Bundeskanzler keine Erklärung an den Nationalrat abgeben kann, weil wir eine andere Geschäftsordnung als der Deutsche Bundestag haben.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hätte in einer so wichtigen außen- und europapolitischen Frage sehr wohl eine diesbezügliche Erklärung – nämlich von sich aus – abgeben können. Der Umstand, daß das nicht geschehen ist, ist für mich der Ausdruck mangelnden Respekts dieser Bundesregierung vor dem Hohen Hause. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich vermisse diesen Respekt vor dem Hohen Hause, daher erwarte ich mir, daß die österreichische Bundesregierung anläßlich der Gipfelkonferenzen im Zuge der EU-Präsidentschaft und auch bei zukünftigen Gipfelkonferenzen auf europäischer Ebene im Parlament entsprechende Erklärungen abgibt. Herr Staatssekretär, ich bitte, diese Botschaft ins Bundeskanzleramt mitzunehmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun zum eigentlichen Thema der heutigen Debatte, dem Amsterdamer Vertrag und dem in diesem Zusammenhang notwendigen Bundesverfassungsgesetz, mit dem Artikel 23f xxxstimmt PS des Bundes-Verfassungsgesetzes geändert wird.

Meine Kollegin Gredler hat als erste darauf hingewiesen, daß mit dem Amsterdamer Vertrag wesentlich mehr als nur sicherheitspolitische Fragen berührt werden. Der Amsterdamer Vertrag ist ein sehr wichtiger Integrationsschritt, der die Entwicklung der Europäischen Union im Richtung einer politischen Union verstärkt. Es ist daher bedauerlich, daß sich die Diskussion im Hohen Haus nur um sicherheits- und verteidigungspolitische Fragen dreht und die Wortmeldungen im Vergleich zu anderen Debatten in diesem Hause eigentlich äußerst spärlich sind.

Ich hätte mir erwartet, daß sich mehr Kolleginnen und Kollegen zu den verschiedenen Themenbereichen, die mit dem Amsterdamer Vertrag berührt werden, zu Wort melden. Denn durch diesen Vertrag werden die Werte Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf europäischer Ebene als Grundprinzipien der Europäischen Union anerkannt.

So wird etwa das Schengener Abkommen, ein wesentlicher Bereich der staatlichen Zusammenarbeit, mit diesem Vertragswerk übernommen. Der gesamte Bereich der inneren Sicherheit wird damit auf europäische Ebene transferiert. Es werden damit Fragen der Beschäftigungspolitik und natürlich auch Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik festgeschrieben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik kommen. Es ist klar, daß mit dem Vertrag von Amsterdam die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gestärkt wird. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Natürlich wäre mehr möglich gewesen, Herr Kollege Scheibner, aber es werden Schritte gesetzt, die in die richtige Richtung gehen, Schritte, durch die die Europäische Union in einem dynamischen Prozeß zu einer politischen Entscheidungsfindung in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik kommen wird.

Was wird geschaffen? – Das Generalsekretariat des Rates wird zu einem Hohen Vertreter für den Bereich der Außenpolitik aufgewertet. Es wird eine Planungs- und Frühwarneinheit geschaffen, durch die es zu einer sehr engen Verzahnung mit den Institutionen und Einrichtungen der Westeuropäischen Union kommen wird. Im Rahmen des Beschlußfassungsverfahrens wird festgelegt, daß die grundsätzlichen strategischen Entscheidungen im Ministerrat einstimmig zu erfolgen haben, daß es aber bei der Umsetzung im operativen Teil zu Mehrheitsentscheidungen kommen kann. Die Petersberger Aufgaben werden in das Vertragswerk der Europäischen Union integriert, was einen wesentlichen Schritt hin zu einer langfristigen Verschmelzung der Europäischen Union mit der Westeuropäischen Union darstellt, wie es im Vertrag von Maastricht festgelegt wurde.

Ich halte das daher für einen ganz wichtigen Schritt, durch den die Europäische Union in die Lage versetzt wird, den Herausforderungen in sicherheits- und verteidigungspolitischer Hinsicht auf unserem Kontinent gerecht zu werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 43

Meine Damen und Herren! Es war notwendig, daß die Integration in Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestärkt worden ist, da die Europäische Union Verantwortung für diesen Kontinent hat. Sie ist mehr als nur eine Wirtschaftsunion, sie ist als politische Union dafür verantwortlich, daß die Menschen dieses Kontinents in Frieden und Freiheit leben können. Aufgrund dieser Verantwortung für die Sicherheit waren die erwähnten Maßnahmen zu setzen.

Es ist richtig, Frau Kollegin Kammerlander und Frau Kollegin Petrovic, daß Sicherheit umfassend gesehen werden muß. Sicherheit wird durch demokratische und soziale Entwicklungen auf dem Kontinent geschaffen. Es muß in den Nachbarländern, aber auch in der Europäischen Union sozialer Friede herrschen, denn dadurch werden Konfliktpotentiale abgebaut. (Abg. Wabl: Das ist doch keine Frage! Das Wie ist die Frage!)

Aber das ist nur eine Seite. Denn um Sicherheit zu bewahren, um sicherheitspolitische Überlegungen und Sicherheitsinteressen entsprechend durchsetzen zu können, muß auf der anderen Seite auch die militärische, die verteidigungspolitische Komponente berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir natürlich zur Frage der Neutralität. – Die Neutralität als sicherheitspolitische Konzeption kann für die Europäische Union in der Bewältigung der sicherheitspolitischen Aufgaben keine Antwort mehr sein. Daher kann sie auch für Österreich diesbezüglich keine Antwort mehr sein, da wir seit unserem Beitritt zur Europäischen Union ein Teil derselben sind. Die Sicherheits- und die Verteidigungspolitik sind nun nicht mehr nationalstaatliche, sondern europäische Aufgaben. Daraus entsteht meiner Überzeugung nach die Notwendigkeit, weg vom nationalstaatlichen Denken hinsichtlich der Sicherheitspolitik hin zu einer Europäisierung und Internationalisierung der Sicherheitspolitik zu kommen. Wir müssen diesen Schritt gehen, und daher haben wir uns von nationalstaatlichen Konzepten zu verabschieden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Neutralität ist ein solches nationalstaatliches Konzept, aber – das hat Herr Kollege Schieder ja auch gesagt – der Anwendungsbereich der Neutralität ist eingeschränkt worden. – Ich würde es anders formulieren: Es sind uns die Adressaten unserer Neutralität aus dem Jahre 1955 verlorengegangen, und daher kann dieses Konzept keine Antwort mehr auf sicherheitspolitische Fragen sein. Das Neutralitätsgesetz, das Kollege Wabl heute zur Erinnerung an die Wand geklebt hat, war für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, für die Zeit des kalten Krieges eine richtige Antwort – zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen ist es nicht mehr geeignet.

Aus unserer Sicht ist die Integration Österreichs in die sicherheitspolitischen Strukturen der Europäischen Union – das ist die Westeuropäische Union – die einzig mögliche Antwort. Wir haben daher einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht. Ich bedauere es außerordentlich, daß über diese ganz entscheidenden, wesentlichen Fragen keine wirkliche Diskussion geführt wird. Wir diskutieren zwar über den Amsterdamer Vertrag, in dem Fragen der Sicherheitspolitik angesprochen werden, aber die Diskussion über die sicherheitspolitischen Perspektiven dieses Landes, über die europäische Dimension unserer Sicherheitspolitik, wird verweigert. Vielleicht gibt es sie nach der EU-Präsidentschaft – wenn es gut geht!

Ich bedauere es, daß die Bundesregierung keinen gemeinsamen Optionenbericht zustandegebracht hat, daß wir darüber nicht reden können und deshalb in den wesentlichen inhaltlichen Fragen nicht weiterkommen. Denn es muß klar sein, daß auch wir unseren Beitrag zu leisten haben. Es ist zuwenig und wird auch nicht anerkannt und akzeptiert, daß wir zwar unsere Diplomaten schicken, aber dann, wenn diese bei der Durchsetzung der politischen Ziele nicht erfolgreich waren, die anderen zum Zug kommen – frei nach dem Motto: Jockel, geh du voran, du hast die größeren Schuhe an! (Abg. Wabl: Waffenbrüderschaft ...!) Das wird es auf europäischer Ebene, Herr Kollege Wabl, so nicht spielen.

Daher glaube ich, daß wir gut beraten sind, den im Vertrag von Maastricht vorgezeichneten sicherheitspolitischen Weg weiterzugehen und auch den Amsterdamer Vertrag mitzutragen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich finde es jedoch beschämend, welchen Eiertanz die Bundesregierung, in erster Linie die Sozialdemokratie, in der Frage der verfassungsrechtlichen Behandlung der Neutralität aufführt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 44

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn der Amsterdamer Vertrag mit der Neutralität vereinbar ist, dann erhebt sich die Frage, wozu wir den Artikel 23f brauchen. – Wir brauchen ihn deshalb, weil der Amsterdamer Vertrag – und vorher schon der Maastricht-Vertrag – mit der Neutralität im Widerspruch steht. Daher mußte eine Lösung gefunden werden, um die verfassungsrechtliche Integration dieser Vertragsbestimmungen sicherzustellen.

Aus unserer Sicht sind beide Verträge mit der Neutralität nicht vereinbar, und es wäre daher eine ehrliche Lösung gewesen, das Bundesgesetz über die österreichische Neutralität aufzuheben.

Denn nun müssen wir Farbe bekennen, Herr Kollege Kostelka. Wenn wir an Petersberger Aufgaben, an Petersberger Missionen, bei denen es darum geht, Frieden auch durch Kampfeinsätze zu schaffen, dann können wir nicht mehr neutral sein, denn dann haben wir Partei zu ergreifen. (Abg. Dr. Kostelka: Auf Beschluß der UN!) Und Partei zu ergreifen heißt, nicht neutral zu sein. Dadurch wird jedoch das Neutralitätsgesetz in seinem Kernbereich berührt, weil nunmehr der Fall eintritt beziehungsweise eintreten kann, daß aktiv mit Verbänden an Einsätzen teilgenommen und auch das österreichische Territorium entsprechend zur Verfügung gestellt werden muß.

Das heißt, das Neutralitätsgesetz ist in seinem Grundgedanken nicht mehr Realität. Alle Aktionen, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und im Zusammenhang mit der Durchführung und Umsetzung der Petersberger Erklärungen auf europäischer Ebene durchgeführt werden, sind nicht mit der Neutralität und dem Neutralitätsgesetz, so wie es bei uns derzeit Gültigkeit hat, vereinbar. (Beifall der Abg. Dr. Gredler. )

Meine Damen und Herren! Noch eine Anmerkung zu den Ergänzungen zum Artikel 23f (Abg. Mag.  Mühlbachler  – auf das leuchtende Lämpchen am Rednerpult weisend –: Herr Präsident, wie lange denn noch?) , Abs. 3 und 4. Abs. 3 besagt, daß bei diesen Beschlüssen das Stimmrecht vom Außenminister und vom Bundeskanzler gemeinsam ausgeübt wird. – Wir halten diese Bestimmungen für nicht notwendig, da es keinen inhaltlich zwingenden Grund dafür gibt und sie de facto nur der Ausdruck des gegenseitigen Mißtrauens, das in der Bundesregierung herrscht, sind.

Die Tatsache, daß sich die Sozialdemokratische Partei mangels Möglichkeit der Einflußnahme in außenpolitischen Fragen über die Mitwirkung und Einbindung des Bundeskanzlers in dieser Frage die Mitgestaltung offenläßt, ist aus unserer Sicht eine Beschränkung der Kompetenz des österreichischen Außenministers. Wenn die EU-Außenminister entsprechende Kompetenzen haben, dann sollen sie sie auch umsetzen. Sie sind aber auch dem Parlament gegenüber politisch verantwortlich und haben ihre Entscheidungen daher gegenüber dem Hohen Haus zu verantworten und darüber abstimmen zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich komme zum Schluß. Wir werden dem Amsterdamer Vertrag selbstverständlich unsere Zustimmung geben, denn wir sehen darin eine sehr wesentliche Weiterentwicklung der Integration in der Europäischen Union, an der wir auch teilnehmen wollen. Auch der Änderung des Artikels 23f werden wir unsere Zustimmung geben, wiewohl wir der Meinung sind, daß das eine oder andere nicht unbedingt notwendig ist. Aber wenn es der Klarheit dienlich ist, dann soll es so sein. Unserer Ansicht nach ist es nicht unbedingt notwendig. – Danke schön. (Beifall beim Libe-ralen Forum sowie des Abg. Dr. Khol. )

11.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.28

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte aus aktuellem Anlaß meine kurzen Ausführungen mit einer Frage an den Herrn Staatssekretär beginnen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 45

Herr Staatssekretär, können Sie die Behauptung des Herrn Abgeordneten Spindelegger, derzufolge angeblich Informationen vom Heeres-Nachrichtenamt zur FPÖ geflossen wären, bestäti-gen oder nicht? (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Ich möchte diese Antwort deshalb so gerne haben, weil wir dann Kollegen Spindelegger die Möglichkeit geben sollten, sich bei Abgeordneten Jung für seine ungeheuerliche Behauptung zu entschuldigen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Sie beginnen sehr naiv! – Abg. Mag. Mühlbachler: Da muß aber das Gewissen ganz schlecht sein! – Abg. Dr. Schwimmer: Das war ein Volltreffer!)

Meine Damen und Herren! Nun aber zurück zum Vertrag von Amsterdam und seinen begleitenden Maßnahmen. Die Redner der Regierungsparteien haben die vermeintlichen Vorteile dieses Vertrages verständlicherweise hervorgehoben. Der Vertrag wurde als bedeutender Schritt auf dem Weg zur Europäischen Integration gelobt – und das trotz der spürbaren Unzufriedenheit, die unter den Bürgerinnen und Bürgern dieser Länder, nicht nur unseres Landes, ständig zunimmt.

Meine Damen und Herren! Das Treffen von Amsterdam im Herbst vergangenen Jahres hat eines deutlich gemacht: Die natürlichen Integrationsschranken der europäischen Einigung sind erreicht; ein gemeinsames Europa kann nicht, wie Sie es planen, per Dekret verordnet werden. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, daß die Regierungskonferenz in Amsterdam einberufen werden mußte, um die Fehler des Vertragswerkes von Maastricht zu korrigieren. Daß die Konferenz von Amsterdam letztlich gescheitert ist, das steht heute rückblickend wohl außer Streit.

Eine solche Entwicklung kam aber nicht überraschend, denn die Bürger vieler europäischer Staaten fühlen sich von dem übereilten institutionellen Zusammenschluß West-, Mittel- und Südeuropas – mehr ist es noch nicht – einfach überrollt. Die Regierungen haben sich dem Druck ihrer Öffentlichkeiten nicht entziehen können und suchen seitdem Wege, die den einzelnen Staaten wieder mehr nationalen Spielraum einräumen. Selbst kompromißlose Europabefürworter wie etwa der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, der die europäische Einigung ohne jedes Wenn und Aber auf seine Fahnen geschrieben hat, mußten schließlich Rücksicht auf die Stimmung im eigenen Land nehmen. – Sie können das auch den Zeitungskommentaren der letzten Tage entnehmen: Zurück zur Nation! Wieviel ist die EU-Mitgliedschaft wert? Maastricht oder Schweiz? – So oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen.

Es wird aber nicht nur berechtigte Kritik an der Brüsseler Zentralbürokratie oder an überhöhten Nettobeiträgen geäußert. Ungewiß ist auch, ob den Teilnehmerstaaten der Währungsunion wirklich die Herstellung der Konvergenz ihrer Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitiken gelungen ist. Viele maßgebliche Politiker bezweifeln das noch immer – ich nenne nur zwei Beispiele, nämlich die Ministerpräsidenten von Bayern und von Sachsen, Edmund Stoiber und Kurt Biedenkopf.

Meine Damen und Herren! Im Verfassungsausschuß hat Herr Abgeordneter Schieder bei der Debatte über die Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes gemeint, der Vertrag von Amsterdam schränke den Handlungsspielraum der einzelnen Staaten weiter ein, und er bewirke, so hat er gesagt – ich zitiere wörtlich –, einen wünschenswerten (Abg. Schieder: Vorher war es nicht wörtlich! Das vorher war nicht wörtlich!) – das vorher war nicht wörtlich, aber jetzt zitiere ich Sie wörtlich – Souveränitätsverlust. (Abg. Schieder: Ja, richtig!)

Wie sieht nun dieser wünschenswerte Souveränitätsverlust aus? – Sie werden heute mit Mehrheit eine weitere Aushöhlung der österreichischen Eigenständigkeit beschließen. Sie werden auch die Ermächtigung beschließen, daß in Zukunft noch mehr politische, rechtliche und wirtschaftliche Entscheidungen nicht im eigenen Land, sondern auf übernationaler Ebene getroffen werden. Von grundlegender Bedeutung ist dabei, daß eine Entscheidung auf dieser supranationalen Ebene nationales Recht bricht. Das heißt – das ist in der Diskussion auch schon gesagt worden –, daß die österreichische Neutralität davon grundlegend betroffen ist.

Es ist bekannt, daß wir Freiheitlichen die österreichische Neutralität für historisch überholt halten. Wir sind aber, meine Damen und Herren, gegen jeden Etikettenschwindel. Wir meinen,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 46

wenn auch Sie für die Abschaffung der Neutralität sind, wenn auch Sie sie für obsolet halten, dann sollten Sie das offen zugeben und die Verfassung mit Zweidrittelmehrheit ändern. Das wäre der legale und ehrliche Weg. Die Neutralität aber sozusagen durch die Hintertür abzuschaffen, das ist unehrlich, und einer solchen Lösung werden wir nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Grund, warum wir den Vertrag von Amsterdam als unzulänglich ablehnen, ist die absehbare Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips innerhalb der EU. Die schrittweise Beseitigung des Vetorechts bei gleichzeitiger Einführung des Mehrheitsprinzips ist ein Bruch eines Wahlversprechens, meine Damen und Herren, das Sie den Österreicherinnen und Österreichern vor der EU-Abstimmung gegeben haben, denn unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger haben sich wirklich darauf verlassen, daß durch den EU-Beitritt die österreichischen Vertreter unerwünschte Entwicklungen innerhalb der EU durch ihr Veto verhindern können.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluß meiner Ausführungen noch auf ein Detail eingehen, das Ihnen vielleicht nicht so wichtig ist, mir persönlich und meiner Fraktion aber schon. Ich spreche von der untergeordneten Bedeutung, die innerhalb der EU dem Tierschutz zugemessen wird, obwohl im Kapitel Schlußakte des Maastricht-Vertrages eine Erklärung zum Tierschutz enthalten ist. Denken Sie in diesem Zusammenhang nur an die Lebendtiertransporte, die eigentlich ein Skandal sind. Seit dem entsprechenden Beschluß der EU im Rahmen der Maastricht-Akte ist auf dem Gebiet des Tierschutzes nichts mehr Positives und Wesentliches geleistet worden. Ich stelle deshalb namens meiner Fraktion folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Salzl, Mag. Haupt und Kollegen betreffend Verbesserung des Tierschutzes in der EU

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in allen EU-Gremien dafür einzusetzen, daß die im Maastricht-Vertrag enthaltene unverbindliche Erklärung zum Tierschutz endlich in konkretes EU-Recht umgewandelt wird, insbesondere

Rechtsgrundlage des Schutzes von wildlebenden Tieren, Nutz- und Haustieren und der Berücksichtigung ihrer arteigenen Bedürfnisse,

Behandlung von Tierschutzanliegen im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens gemäß Artikel 130s, unter Mitwirkung des Ausschusses für Umwelt, Gesundheit und Konsumentenschutz,

Verankerung des Tierschutzes als Gemeinschaftstätigkeit und

Umwidmung der Fördermittel für Lebendtiertransporte und -exporte zugunsten artgerechter Tierhaltung und humaner Schlachtmethoden."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 47

11.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Dieser Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt, geschäftsordnungsmäßig eingebracht worden und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Es hat sich jetzt nochmals Herr Staatssekretär Dr. Wittmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

11.37

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die an mich gerichtete Frage hinsichtlich des Antrages von Überflügen deutscher Militärflugzeuge darf ich nunmehr wie folgt beantworten.

Die Behauptung, daß dieser Antrag abgelehnt wurde, stimmt nicht. Es ist richtig, daß am Abend des 12. Juni 1998 ein diesbezüglicher Antrag eingebracht wurde. Als Zeit für die Überflüge wurde der 13. Juni 11 Uhr bekanntgegeben. Als Begründung wurde die Teilnahme an einer Übung in Jugoslawien angeführt. Der Antrag wurde aber mit dem Hinweis, daß die Überflüge über Frankreich erfolgen würden, implizit zurückgezogen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. König. 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.38

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vertrag von Amsterdam ist zweifelsohne ein wesentlicher weiterer Schritt zur Integration Europas – aber nicht, wie Abgeordneter Kurzmann gemeint hat, eine Integration, die per Dekret festgelegt wird, sondern ein Integrationsschritt, der durch 15 frei gewählte nationale Parlamente ratifiziert werden wird, damit er in Kraft treten und wirksam werden kann. Er ist auch keine Korrektur des Maastricht-Vertrages, sondern eine Fortentwicklung, eine Weiterentwicklung desselben.

Durch den Amsterdamer Vertrag wird Europa sozialer und demokratischer werden: sozialer, weil die Sozialcharta nach dem Wegfall des britischen Vetos jetzt endlich in den Vertrag Eingang gefunden hat, weil ein eigenes Beschäftigungskapitel auf Initiative Österreichs eingefügt wurde, und demokratischer, weil das direkt gewählte Europäische Parlament wesentliche weitere Mitentscheidungsrechte bekommen hat und außerdem die Verfahren auf Anhörungs-, Zustimmungs- und Mitentscheidungsverfahren – also auf drei ganz konkret definierte Verfahren –gestrafft wurden.

Meine Damen und Herren! Aufgrund des Amsterdamer Vertrages wird Europa aber auch in der Bekämpfung des internationalen Verbrechens sicherer und effizienter werden: durch die Einbeziehung des Vertrages von Schengen in das Gemeinschaftsrecht und durch den Ausbau von Europol.

Hinsichtlich der Debatte über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die hier so viel Raum eingenommen hat, ist zu sagen, daß die Einbeziehung der Petersberger Beschlüsse bezüglich humanitäre Einsätze, Katastropheneinsätze, friedenserhaltende und friedenschaffende Maßnahmen der Versuch ist, endlich Konsequenzen aus den bitteren Erfahrungen, die wir in Bosnien gemacht haben, zu ziehen. Ich kann Kollegen Öllinger sehr schwer verstehen, wenn er sagt, die EU habe 15 Jahre Zeit gehabt, Konsequenzen zu ziehen. – Und wenn sie dann gezogen werden, dann sagt man nein dazu! Das ist unverständlich, das ist eigentlich genau das Gegenteil dessen, was sich die Menschen im Kosovo erwarten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist auch nicht richtig, daß mit dem Initiativantrag betreffend Artikel 23f die Neutralität aufgegeben wird – das stimmt nicht. Nein, das stimmt wirklich nicht, weil wir weder der NATO noch dem Militärpakt WEU beitreten. Es ist ausdrücklich festgehalten, daß die Zielsetzung (Abg. Jung: Die immerwährende Neutralität!) – lassen Sie mich bitte ausreden – des Amsterdamer Vertrages, nämlich der Aufbau einer gemeinsamen europäischen Verteidigung und die Integration der Westeuropäischen Union in die Europäische Union als militärischer Arm derselben Ziele sind, deren Verwirklichung einer Befassung der zuständigen Parlamente bedarf. Das heißt, darüber müssen der österreichische Nationalrat und der Bundesrat im Fall des Falles mit Verfassungsmehrheit entscheiden.

Abgeordneter Moser hat folgende rhetorische Frage gestellt: Wozu brauchen wir Artikel 23f? – Diesen brauchen wir, um sicherzustellen, daß für den Fall einer Beschlußfassung im Rat über Petersberger Maßnahmen die Zustimmung von Kanzler und Vizekanzler – also Außenminister –


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 48

nur dann gegeben werden kann, wenn damit keine Verpflichtung Österreichs verbunden ist, Truppen zu entsenden. Besteht eine solche Verpflichtung, kann ein entsprechender Beschluß nur dann erfolgen, wenn das österreichische Parlament, vertreten durch den Hauptausschuß, zustimmt. – Das ist also eine Schutzmaßnahme gegen solche Beschlüsse und bedeutet nicht die Abschaffung der Neutralität. (Beifall bei der ÖVP.)

Es muß aber die Frage gestellt werden: Ist wirklich jemand der Auffassung, daß wir andere daran hindern sollten, Maßnahmen auch militärischer Art zu setzen, wenn es nicht anders geht, wie das letztlich in Bosnien der Fall war? – Natürlich wird man sich um ein UNO-Mandat oder ein Mandat der OSZE bemühen. Aber sollen wir andere daran hindern? – Wir haben das bisher nicht getan, und wir werden das auch in Zukunft nicht tun. Das heißt noch nicht, daß wir uns aktiv an Einsätzen beteiligen und Kampftruppen stellen müssen; das ist eben der Unterschied.

Abgeordneter Van der Bellen, dessen Genauigkeit in wirtschaftlichen Fragen ich schätze, hat Artikel 23f Abs. 3 zitiert, aber nicht Abs. 4, der sich nämlich auf Abs. 3 bezieht. Ich darf ihn daher nachfolgend zitieren:

"Eine Zustimmung zu Maßnahmen gemäß Abs. 3 darf, wenn der zu fassende Beschluß eine Verpflichtung Österreichs zur Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen bewirken würde, nur unter dem Vorbehalt gegeben werden, daß es diesbezüglich noch der Durchführung des für die Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen in das Ausland verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens" – also der Einschaltung des österreichischen Nationalrates – "bedarf".

Meine Damen und Herren! Das ist die Wahrheit, und daher sollten wir uns zu diesem Vertrag bekennen. Er ist ein Vertrag im Interesse Europas, er ist ein Vertrag auch im Interesse der Wiedervereinigung mit unseren östlichen Nachbarn und damit der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Friedenszone. Er ist also ein Vertrag für die Zukunft unserer Jugend. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. Gleichfalls 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.45

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Als Mitglied des österreichischen Nationalrates und als Mitglied einer Partei, die nur wenige Prozent Wähleranteil in der Bevölkerung hat, habe ich bisher immer eine Sicherheit gehabt – zumindest habe ich gewußt, ich kann um diese Sicherheit kämpfen –, und das war jene Sicherheit, daß ich der Meinung war, daß das, was in der österreichischen Verfassung steht, auch von diesem Haus verteidigt wird. (Abg. Scheibner: Fußnote, Kollege Wabl!)

Meine Damen und Herren! Kollege Spindelegger hat sich darüber lustig gemacht, daß die Grünen immer für die Neutralität eingetreten sind. Er hat den Paragraphen zitiert und gesagt: mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. – Herr Kollege Spindelegger! Ich weiß schon, daß Ihnen andere Mittel zur Verteidigung von Sicherheit und Freiheit zu Gebote stehen als den Grünen, aber daß Sie uns deshalb verhöhnen, weil wir uns unser ganzes politisches Leben lang dafür eingesetzt haben, daß es in einer hochgerüsteten Welt andere Prioritäten geben muß, das halte ich gerade in Ihrem Fall – angesichts Ihrer privaten politischen Geschichte – für besonders bemerkenswert. (Beifall bei den Grünen.)

Ich will jetzt nicht auf die Waffenaffären in Ihrem Klub eingehen (Abg. Mag. Kukacka: Was soll das heißen? So ein Schwachsinn!), also auf jene Vorwürfe, die Ihren Klub in besonderem Ausmaß betroffen haben und bei denen auch handfeste Gründe dahinter gestanden sind. (Abg. Mag. Kukacka: Lächerlich!) Aber ich will Ihnen eines klarmachen. Ihr ehemaliger Außenminister – ich finde es schade, daß er nicht mehr hier ist – nimmt für sich in Anspruch, daß heute und hier um Sicherheit, um Recht und um Freiheit gekämpft wird. Diesbezüglich sind wir alle einer Meinung, meine Damen und Herren! (Abg. Schwarzenberger: So ist es auch!) Aber Sie, Herr Kollege Schwarzenberger, und Sie, Herr Kollege Schieder, und Sie, Herr Kollege Cap,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 49

glauben mit einem ganz gewöhnlichen Initiativantrag der Kollegen Kostelka und Khol, die nicht einmal selbst dazu reden, um dem Ganzen nicht zuviel Gewicht zu geben, die österreichische Bundesverfassung aushöhlen und neu interpretieren zu können. – Das ist der eigentliche Skandal an diesem heutigen Tag. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Der Kunstminister sitzt hier, um die virtuelle Debatte, die Herr Kollege Schieder exzellent vorgeführt hat – ich kann ihm nur dazu gratulieren, die Simulation hätte auf dem Computer ihre Fortsetzung finden können –, zu verfolgen. (Abg. Schieder: Da kommt sicher noch etwas!) Wir wissen es ganz genau, Kollege Khol hat in einem Anfall von Euphorie Klartext gesprochen: Er hat es als eine schwere Niederlage empfunden, daß der Optionenbericht nicht in seinem Sinne durchgesetzt worden ist, der ein klares Ja zum NATO-Beitritt bedeutet hätte. Die Euphorie bei seinem Interview mit den "Salzburger Nachrichten" war so groß, daß er ganz klar und deutlich gesagt hat: Das ist das Ende der Neutralität.

Er hat es dann selbstverständlich auf die EU eingeschränkt. Meine Damen und Herren, selbstverständlich: In China sind wir noch neutral, in Indonesien sind wir noch neutral. – Dazu kommt unglaublicherweise dann noch das Wort "Solidarität".

Herr Kollege Khol! Ich sage Ihnen eines: Die Solidarität (Abg. Mag. Kukacka: Das ist unglaublich!) früherer Bundesregierungen Österreichs – unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern und auch, so hoffe ich, unter dem letzten ÖVP-Bundeskanzler Klaus – bestand darin, daß Österreich immer Partei gegen das Unrecht, gegen die Unterdrückung und gegen die Ausbeutung von sozial Geknechteten ergriffen hat. Das war immer das Gebot der Sozialdemokraten und der christlichen Politiker. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Khol! Wenn Sie heute hier die Solidarität gegen die Neutralität ausspielen wollen, dann ist das eine unglaubliche Unterstellung gegenüber jenen Generationen in unserer Republik, die – im Bewußtsein dessen, daß sie an einem Verbrechen beteiligt waren – wissen, daß unsere Solidarität anders auszusehen hat als Waffenbrüderschaft und Aufrüstung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: So ein Unsinn!)

Herr Khol! Sie wissen ganz genau, was Sie hier für ein Spiel treiben. Sie wollten dieses Bundesverfassungsgesetz, das ich heute hier angeschlagen habe, entfernen lassen. Herr Präsident Fischer weiß ganz genau, was für eine zentrale Botschaft das ist. Sie haben versucht, das entfernen zu lassen! (Abg. Dr. Maitz: Wenn Sie schreien, wird das Argumentieren nicht besser!)

Herr Kollege Maitz! Bitte stören Sie mich nicht mit Ihren kleinlichen geschäftstüchtigen Waffeninteressen. Bitte nicht, Herr Maitz! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Lautstärke ersetzt nicht das Argument! So ein Unsinn!)

Meine Damen und Herren! Herr Khol! (Abg. Schwarzenberger: Was Sie betreiben, ist die Gewalt der Worte, die Gewalt der Sprache!) Ich kann mich, so wie die Minderheiten und die Grünen und jene, die für Frieden kämpfen, obwohl sie genau wissen, daß es manchmal Situationen gibt, bei denen mit Waffengewalt eingegriffen werden muß, nur darauf verlassen, daß Sie als Volksvertreter sich an die Verfassung halten – und das tun Sie mit dem heutigen Tage nicht mehr! (Beifall bei den Grünen.)

Sie, Herr Kollege Khol, sollten den "Verfassungsbogen" weglegen. Er gehört nicht mehr zu Ihrem Repertoire. Packen Sie ihn ein, tragen Sie ihn nach Tirol und vergraben Sie ihn dort! Aber lassen Sie dieses Haus damit in Ruhe! (Beifall bei den Grünen.)

11.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.51

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte zunächst fünf inhaltliche Punkte zum Amsterdamer Vertrag nennen, weil es wichtig ist, daß wir in Österreich wissen, was nunmehr die Geschäftsgrundlage ist, auf der wir jene Dinge verwirklichen können, die wir hier schon lange diskutieren.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 50

Erstens: Die Frauenpolitik ist auf den Stand der UNO-Konvention 79 gebracht worden, und darüber hinaus – das klärt einiges an Kontroversen in Österreich – ist die Frauenförderung ein zugelassenes Instrument der europäischen Frauenpolitik. Das ist ein Fortschritt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweitens: Es wurde ein Nichtdiskriminierungstatbestand beschlossen, und zwar Nichtdiskriminierung, was die Behinderung, und Nichtdiskriminierung, was die sexuelle Orientierung betrifft. Auch das wird auf österreichisches Recht Auswirkungen haben. Wir werden Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht mehr diskriminieren können. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Drittens: Es wurde beschlossen, eine Unionsbürgerschaft auszuarbeiten. Das halte ich auch für einen positiven Schritt.

Viertens: Beschäftigungsbericht, jährlicher Ausschuß. Das hat der Herr Staatssekretär schon erwähnt.

Fünftens – das wurde überhaupt noch nicht angesprochen –: Im Amsterdamer Vertrag ist festgelegt, daß der Datenschutz betreffend Daten privater Personen und ein entsprechender Kontrollmechanismus auf europäischer Ebene einzurichten sind. Das finde ich angesichts der gestrigen Diskussion besonders wichtig; das ist nämlich das Gegenstück! Diesbezüglich sind die entscheidenden Vorarbeiten während der österreichischen EU-Präsidentschaft zu leisten, weil das ab 1. Jänner 1999 in Kraft treten soll.

Abschließend zu diesen Kapiteln: Ich glaube, daß wir während der österreichischen EU-Präsidentschaft darauf dringen müssen, daß genau jene Argumente und Bereiche, die immer ein bißchen links liegengelassen werden, auch Bestandteil des Acquis Communautaire werden. Das heißt, daß die neuen Mitgliedstaaten auch betreffend Frauengleichberechtigung und betreffend Datenschutz und ähnlichem mehr auf dem europäischen Level zu sein haben. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern das ist von besonderer Wichtigkeit.

Zwei Minuspunkte gibt es allerdings. Einen hat Frau Abgeordnete Gredler schon genannt, nämlich daß die Europäische Menschenrechtskonvention nicht aufgenommen wurde. Das beweist die Wichtigkeit des Europarates, der sich um diese Dinge nach wie vor kümmern muß.

Der zweite Minuspunkt ist, daß der Europäische Gerichtshof nicht die oberste Instanz für die polizeilichen Institutionen ist. Das ist meiner Meinung nach auch zu bedauern.

Zur Diskussion über den Antrag Khol/Kostelka. – Zunächst möchte ich sagen, daß für mich klar ist, daß sich auch der Bundeskanzler und der Außenminister an die österreichische Verfassung – sprich: das Neutralitätsgesetz – zu halten haben. Aber wenn ein Antrag gestellt wird, der – wie in seinen Erläuterungen ausdrücklich klargestellt wird – formuliert wurde, um Mißverständnisse zu vermeiden, dann möchte ich nicht verschweigen, daß ich es schade finde, daß – eben um Mißverständnisse zu vermeiden – nicht besonders hervorgehoben wird, daß sich die Regierungsmitglieder, die bei diesen Verhandlungen tätig sind, an die österreichischen Verfassungsbestimmungen, insbesondere was die Neutralität betrifft, zu halten haben.

Daher möchte ich auch nicht verschweigen, daß das, was für meine Begriffe ein bißchen unbestimmt formuliert ist – es gehört auch der Absatz J.13 dazu – und in der Entschließung der Grünen bezüglich Neutralität und Abstimmungsverhalten enthalten ist, meine große Sympathie findet. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

11.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 1 Minute. – Bitte.

11.56

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Entschließungsantrag der FPÖ, der vorhin einge


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 51

bracht worden ist. Wir gehen inhaltlich mit diesem Antrag konform, könnten ihn allerdings noch ergänzen.

Wir sind ebenfalls der Meinung, daß der Tierschutz nicht nur in Österreich bundesweit geregelt werden muß, sondern auch in der EU. Allerdings können wir den Antrag, der vom letzten Redner eingebracht worden ist, nicht ernst nehmen, denn wir glauben, das ist eine Überrumpelungstaktik. Sie sind ja immer fürs Diskutieren. Ich glaube, die Inhalte dieses Antrages gehören diskutiert. Deswegen werden wir ihn ablehnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Lassen Sie sich etwas Besseres einfallen!)

11.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens der Berichterstatter wird nicht begehrt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zu den Abstimmungen. Die Abstimmung erfolgt über jeden Ausschußantrag getrennt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, dem gegenständlichen Staatsvertrag in 1211 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Nach Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam bedarf der Beschluß der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Zunächst stelle ich daher die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages die Genehmigung zu erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das erfolgt mehrheitlich.

Ich halte ausdrücklich das Vorliegen des verfassungsmäßig erforderlichen Quorums, nämlich der Zweidrittelmehrheit, fest.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Vertrag von Amsterdam und österreichische Neutralität.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Salzl und Genossen betreffend Verbesserung des Tierschutzes in der Europäischen Union.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1255 der Beilagen. Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich um ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird. Ich stelle daher zunächst wiederum die Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mehrheitlich angenommen worden, und zwar mit der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf in dritter Lesung zustimmt, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Die Mehrheit hat in dritter Lesung zugestimmt .


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 52

Ich stelle abermals das verfassungsrechtlich gebotene Quorum der Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen gemäß § 84 Abs. 2 der Geschäftsordnung, den vorliegenden Entwurf einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1210 der Beilagen): Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften (1254 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt, sodaß wir die Debatte mit der Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Mag. Stadler eröffnen. – Bitte, Herr Abgeordneter. – Mag. Stadler verzichtet auf die Wortmeldung, sodaß ich im Sinne des § 60 jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Kier das Wort erteile.

12.02

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die zur Verhandlung stehende Materie ist an und für sich in diesem Haus indirekt schon wiederholte Male diskutiert worden, und zwar im Zusammenhang mit dem dazu abgeschlossenen Ermächtigungsgesetz.

Ich meine, die Frage des Konsultationsmechanismus ist eine politisch ernst zu nehmende Frage. Man muß sich nur die Genesis dessen, was heute zur Beschlußfassung vorliegt, vergegenwärtigen, um zu begreifen, daß es nur mehr um einen Rest eines Versuches geht, der ursprünglich darauf abgestellt war, die Gewaltenteilung in diesem Lande sehr stark zu relativieren. Getragen war das Ganze letztlich, wenn man so will, vom falschen Selbstverständnis beziehungsweise vom Hochmut der Landeshauptleute, die der Meinung waren, daß sie, wenn sie politische Verträge schließen, auch gleich in wesentlichen Fragen die Budgethoheit des Parlaments beseitigen können.

Daß dieses Vorhaben gescheitert ist und daß heute eine Materie zur Abstimmung im Hause vorliegt, die diese bedenklichen und auch in politischer Hinsicht, im Hinblick auf die politische Kultur mehr als schwerwiegenden Fehler nicht mehr enthält, ist ein großer Fortschritt. Trotzdem wird die liberale Fraktion dieser Vorlage nicht die Zustimmung geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch auf einen Punkt besonders hinweisen, und das läßt sich sehr attraktiv mit der gestrigen Debatte zur Wirtschaftskammer und zur Arbeiterkammer verbinden: Sie haben im Ermächtigungsgesetz, das Sie benötigt haben, um das hier beschließen zu können, dem Städtebund und dem Gemeindebund eine besondere verfassungs-rechtliche Stellung eingeräumt; beide sind aber Vereine. Noch nicht einmal alle wesentlichen Städte und Gemeinden sind Mitglieder dieser Vereine; zum Beispiel gehört Wels diesen Vereinen nicht an. Offenbar sind Sie der Meinung, daß auch Vereine, bei denen keine gesetzliche Mitgliedschaft vorgesehen ist, für solche Funktionen in Frage kommen. Nur ausgerechnet bei Ihren "Lieblingskindern", bei den Kammern, beharren Sie darauf, daß eine zwangsweise Mitgliedschaft bestehen muß.

Denken Sie einmal darüber nach, wie schizophren so etwas ist, wenn Sie es im Rahmen des Konsultationsmechanismus für nicht notwendig halten! Oder wo liegt da der systematische Denkfehler?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 53

Daher bitte ich noch einmal zu bedenken: Es ist eine Frage der politischen Kultur, wie man mit den Anliegen richtig umgeht: daß eine Gebietskörperschaft der anderen hinterrücks keine finanziellen Lasten aufbürden darf. Das ist richtig! Nur ist der Finanzausgleich der richtige Platz – und die Art und Weise, wie man miteinander umgeht und im politischen Raum miteinander spricht, ist entscheidend. Verträge – und wenn Sie noch so viele abschließen – werden Ihren Mangel an Diskussionsfähigkeit, Ihren Mangel an Kompromißbereitschaft und Ihren Mangel, gegebene Versprechen einzuhalten, nicht beseitigen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.05

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema wurde in diesem Hause schon mehrfach erörtert, sodaß es sicherlich verständlich ist, wenn es jetzt nicht mehr jene Emotionen auslöst, wie das zu Beginn der Diskussion um den Konsultationsmechanismus und den Stabilitätspakt der Fall gewesen ist.

Der Beginn war durchaus ein gewisser Fehlstart, so kann man sagen, und zwar in der Form, daß es auch der Fehlstart einer politischen Karriere gewesen ist. Ich erinnere daran, daß wir lange Zeit den Verdacht gehegt haben, es könnte sich beim Konsultationsmechanismus, so wie er von den Ländern gewünscht wurde, um etwas handeln, was tatsächlich Initiativen verhindern könnte. Nur: Der Nachweis war etwas schwer zu erbringen, bis dann Landeshauptmann Sausgruber in seiner Antrittsrede als neuer Landeshauptmann von Vorarlberg erklärt hatte, es gebe jetzt eine Bremse für die Gesetzesmaschine, womit dieser Nachweis erbracht war und wir hier im Hause doch gemeinsam nachzudenken begonnen haben, was es denn bedeuten könnte, diesen Konsultationsmechanismus in Kraft zu setzen.

Ich selbst habe zu Beginn meiner politischen Karriere sehr gerne im Gemeinderat von Völs xxx coll Wa gearbeitet und miterlebt, was es heißt, wenn der Bund Gesetze beschließt. Ich habe mich damals genauso geärgert, als das Bäderhygienegesetz geändert wurde, und wir mußten im Budget wiederum 200 000 S dafür berücksichtigen, um diese neuen Auflagen betreffend Untersuchungen, die uns der Bund vorgeschrieben hatte, zu erfüllen.

Es gibt auch umgekehrte Erfahrungen, etwa bei der Kommunalsteuer. Als diese eingeführt worden ist – daran kann ich mich noch gut erinnern –, war Finanzminister Lacina mit einer Reihe von Bürgermeistern zu einem Gespräch bei uns. Diese Bürgermeister hatten schon die Konkursordnung studiert, weil sie gemeint haben, ihre Gemeinde gehe jetzt pleite, und in Wirklichkeit hat die Kommunalsteuer dann für die Gemeinden wesentlich mehr gebracht. (In den Bankreihen werden zwischen Abgeordneten der Grünen und des Liberalen Forums lautstark Gespräche geführt.) – Kollege Wabl, könntest du deine Auseinandersetzung mit den Liberalen vielleicht vor der Tür fortsetzen? – Kollege Wabl! Ich verstehe, daß ihr etwas zum Streiten habt, aber ... (Abg. Schwarzenberger: Nimm keine Rücksicht auf Wabl!)

Lassen Sie mich kurz auf fünf Punkte eingehen, die diese Neuregelung des Konsultationsmechanismus, wie wir sie heute beschließen werden, auszeichnen. (Abg. Dr. Khol: Kaum ist der Smolle da, randaliert er! – Abg. Smolle: Wir haben zur Sache gestritten! Wir entschuldigen uns!) – Ich habe nichts dagegen, aber vielleicht könnt ihr das draußen auch machen ... (Abg. Wabl: Dann hört ja gar niemand mehr zu!) – Man sieht, wie interessant dieser Konsultationsmechanismus ist.

Erstens: Die Abläufe werden praktikabler. Zweitens: Wir haben mehr Rechte für die Kleinen, und diesbezüglich möchte ich Kollegen Kier sehr deutlich widersprechen. Natürlich sind Einrichtungen wie der Österreichische Städtebund oder der Österreichische Gemeindebund wichtige Einrichtungen, die sehr wohl imstande sind, die Gemeinden und Städte zu vertreten. Sie sind in diesem Konsultationsmechanismus deutlich positioniert.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 54

Wir haben in die Abläufe von finanziellen Auswirkungen von Gesetzen mehr Transparenz hineingebracht, und wir haben letztlich – als vorletzten Punkt – auch mehr Demokratie in diesen Konsultationsmechanismus hineingearbeitet – bezüglich der Rolle der Parlamente, sowohl der Landtage als auch des Nationalrates. Ursprünglich hätten unsere Möglichkeiten beschnitten werden können. Es ist das letztlich kein Mechanismus zur Verhinderung bundesweiter Reformen geworden. Wenn wir solche Reformen beschließen – ich erinnere etwa an die Behindertenintegration in den Schulen – und diese mit Kosten für die Gemeinden und Länder verbunden sind, dann müssen wir auch die entsprechenden Kosten tragen.

Abschließend: Dieser Konsultationsmechanismus ist ein Quantensprung im Umgang der Gebietskörperschaften miteinander. Er wird verbunden mit einem Stabilitätspakt, der noch folgen wird. Wir werden diesem Konsultationsmechanismus in dieser Form natürlich gerne unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.11

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir werden diesem Konsultationsmechanismus, wiewohl in den Verhandlungen Änderungen erzielt worden sind, nicht zustimmen. Zum einen ist für mich die Geschichte, wie dieser Konsultationsmechanismus zustande kam, beachtlich, und zum anderen ist das Ergebnis eigentlich eine Verkürzung dessen, was angestrebt war.

Sie werden sich daran erinnern, in der kurzen Legislaturperiode nach den Wahlen 1994 war eigentlich bereits eine große Bundesstaatsreform ausverhandelt. Ich denke, gerade auch als EU-Mitglied braucht Österreich eine derartige Bundesstaatsreform. Ich erinnere mich immer an diese oftmals sehr kleinlichen Debatten um einzelne Kompetenztatbestände. Es wäre wirklich vernünftig, die Materie Tierschutz und viele andere einmal sinnvoll zu regeln, wenn wir einen Kompetenzabtausch, eine Kompetenzbereinigung im Sinne auch der Bundesländer durchführen.

Zum zweiten war damals in der Regierungsvorlage auch ein wesentlich verbesserter Rechtsschutz, die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern enthalten. Damit hätte es wirklich auf Ebene der Bürgerinnen und Bürger eine bessere Rechtsdurchsetzung gegeben, und erstmals wäre die Staatsfunktion Gerichtsbarkeit in den Ländern angesiedelt gewesen. All das ist damals, insbesondere durch ÖVP-Landeshauptleute, vereitelt worden. Offenbar war ihnen die damals auch schon paktierte Reform zu grün. Was geblieben ist, ist dieser Konsultationsmechanismus. Ich denke, er greift zu kurz, und er wird, fürchte ich, auch das Ziel, das an sich vernünftig ist, nämlich daß Stellen, die über etwas entscheiden, auch die kostenmäßigen Konsequenzen im Auge behalten sollen, nicht erreichen.

Warum glaube ich das? – Was Kosten sind, das ist eine sehr diffizile Debatte, wir haben einmal in einem Ausschuß versucht, das zu umreißen: Es gibt einmal die Kosten der Gesetzgebung selbst, die Kosten des Parlamentes, die Kosten des Bundesgesetzblattes. Es gibt die Kosten der Vollziehung, die offenbar mittlerweile von der Sozialdemokratie überhaupt niemand mehr interessieren, aber so ist es eben, und es gibt dann auch die Kosten ... (Abg. Schwarzenberger: Zwei Mitglieder sind schon noch hier!) Zwei, drei Mitglieder der Sozialdemokraten, kein starker Schnitt, aber es geht immerhin um die Kosten der Gesetzgebung. Es gibt dann die Kosten des Vollzugs einer Maßnahme und schließlich die Kosten, die beispielsweise einer Gebietskörperschaft dadurch entstehen, daß Bürgerinnen und Bürger ein Recht eingeräumt wird.

All das wird hier nicht wirklich auseinandergehalten. Das, was in den Richtlinien, die uns im Ausschuß zugänglich gemacht worden sind, als Kosten bezeichnet worden ist, das sind Kosten der Administration: wie viele A-Bedienstete, wie viele B-Bedienstete, wie viele Räumlichkeiten braucht man. Das ist nicht das, was Grüne unter Kostenrechnung verstehen, denn wir befürchten durch diese Art der Kostenkalkulation einen Rückschlag und Nachteile besonders im Umweltbereich. Es gibt viele ökologische Maßnahmen, die zunächst einmal Geld kosten, auf


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 55

jeden Fall auch Kosten in der Administration verursachen, die sich aber bereits sehr kurzfristig rechnen, zum Beispiel indem die Gesundheitsvorsorge verbessert wird, indem die Qualität und der Zustand der Umwelt verbessert werden und damit auch indirekt wieder der Tourismus und die Gesundheit der Bevölkerung gefördert werden.

All das ist zugegebenermaßen schwer kalkulierbar, aber ich glaube, man schneidet sich ins eigene Fleisch, gerade in einem Land wie Österreich, wenn wir sagen, wir nehmen halt eine einfache Kostendefinition, wir sagen halt, wie viele Beamte das erfordern wird, und glauben dann, wir hätten sinnvoll kostengerechnet. So werden sich Maßnahmen des Umweltschutzes, der Arbeitsmedizin niemals rechnen und lohnen, und daher sehen wir das als einen möglichen Rückschritt für die Umweltpolitik an.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Umgang mit dem EU-Recht. Hier gilt diese Kostentragungsautomatik nicht. Wir glauben, daß damit eine Festlegung auf die Mindeststandardpolitik der EU impliziert ist, denn das betrifft nur zwingendes EU-Recht, nicht aber allfällige, darüber hinaus gehende, bessere Standards. Daher sehen wir auch aus diesem Titel mögliche Nachteile für den Umweltbereich.

Aus vielen Gründen bedauere ich es vor allem – und das ist unser Hauptkritikpunkt –, daß die dringend ausständige, große Bundesstaatsreform nicht zustande gekommen ist und daß diese Ebene der Kosten einerseits zu kurz greift und andererseits die Konsultationen wirklich hinunter auf die Ebene einer sehr kleinkarierten, buchhalterischen Krämerei versetzen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.17

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit dieser Beschlußfassung wird zwar nicht die oft eingeforderte und von allen erwartete Bundesstaatsreform beschlossen – darüber wird weiterverhandelt –, wir treffen allerdings damit eine wichtige Entscheidung betreffend die Beziehung der Gebietskörperschaften zueinander und hinsichtlich der auf die Haushaltsdisziplin der Gebietskörperschaften bezogenen Maßnahmen.

Wir können zur Kenntnis nehmen, daß wir durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union an vielen neuen positiven Entwicklungen teilnehmen. Darüber können und sollen wir uns freuen, das sollen wir auch hinaustragen und unseren Bürgerinnen und Bürgern sagen. Wir haben aber aufgrund der Maastricht-Kriterien auch die Verpflichtung, Haushaltsdisziplin zu üben. Sie alle wissen, daß es zwischen den Gebietskörperschaften sehr oft Diskussionen dahin gehend gibt, daß die übergeordneten Gebietskörperschaften durch Gesetzesbeschlüsse oder Verordnungen die untergeordneten zu sehr belasten würden. Dem soll durch diesen Konsultationsmechanismus entgegengetreten und somit eine erhöhte Haushaltsdisziplin für alle Gebietskörperschaften geschaffen werden. Dieser Konflikt soll nach Tunlichkeit ausgeräumt werden.

Die geltende Bundesverfassung enthält keine Vorkehrungen für den Fall, daß Rechtssetzungsmaßnahmen einer Gebietskörperschaft andere am Finanzausgleich beteiligte Gebietskörperschaften einseitig mit Kosten belasten. Inhalt einer durch ein besonderes Bundesverfassungsgesetz bereits grundgelegten Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden waren die wechselseitige Information, etwas ganz Wichtiges, die Einrichtung von Konsultationsgremien, eine Kostentragungsregelung und eine Verpflichtung zum Abschluß eines ersten österreichischen Stabilitätspaktes.

Dem zu beschließenden Konsultationsmechanismus liegt die Absicht zugrunde, die Verantwortung der Gesetzgebung des Bundes und der Länder für die öffentlichen Aufgaben und Ausgaben mit der Verantwortung dieser Gesetzgebung für die Haushalte der Vertragspartner in Einklang zu bringen und Lastenverschiebungen unter den Gebietskörperschaften zu regeln oder einseitige zu vermeiden. Die Überlegung dabei war allerdings, die Autonomie der Gesetzgebung


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 56

muß aufrechterhalten bleiben, den vorgesehenen Konsultationsgremien können nur Empfehlungsbefugnisse eingeräumt werden. Die Vereinbarungsmechanismen als solche sind in Artikel 4 des vorliegenden Gesetzesantrages umfassend geregelt. Durch den Konsultationsmechanismus wird daher keine Möglichkeit zur Verhinderung eines Gesetzesvorhabens geschaffen, jedoch die Verpflichtung zur Konsultation innerhalb der Gebietskörperschaften zwingend vorgeschrieben.

Faktum ist, daß dadurch eine bessere Beziehung innerhalb der Gebietskörperschaften grundgelegt und die EU-Konformität gegeben ist. Wir meinen, daß wir somit unseren Zielen, nämlich den Konvergenzkriterien nachhaltig nachkommen zu können, im höchsten Maße entsprechen.

Mit diesem Gesetz soll Haushaltsdisziplin gewährleistet werden, vielleicht können aber damit auch die vielen Gesetzesanträge eingedämmt werden – ein Wunsch, der sicherlich von allen unterstützt wird. Insgesamt handelt es sich hier nicht nur um eine wichtige haushaltspolitische Maßnahme, sondern auch um eine optimale Regelung der Beziehungen innerhalb der Gebietskörperschaften. (Beifall bei der ÖVP.)

12.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.21

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! An sich – die Präsenz in diesem Haus zeigt es auch – haben wir heute einen verfassungsrechtlich bedenkenswerten Tag absolviert. Offenbar ist aufgrund dessen so viel Erschöpfung eingetreten, daß eine Mittagspause fällig ist. Nein: Ich möchte aber eher nicht vom verfassungsrechtlich bedenkenswerten, sondern vom bedenklichen Tag sprechen. Angesichts einer Redezeit von fünf Minuten will ich mich auf ein paar Schlagworte konzentrieren.

Erstens: Es ist wieder einmal völlig klar, daß es nicht so sehr um die Verfassung geht, sondern um die Zweidrittelmehrheit.

Zweitens: Um Fremdsprachen nicht immer nur den Minderheiten hier im Hause zu überlassen: Sine ira et studio sei festgestellt: Wir haben offenbar einen Weg eingeschlagen – man muß sich dessen bewußt sein: sine ira et studio –, daß wir durch einzelne Schritte, so unter dem Motto, um die Aussagen von Herrn Klubobmann Khol zu modifizieren und teils zu zitieren, "Ab in die Schatzkammer!", durch Schritte materieller Derogation der Verfassung von der Neutralität Abschied nehmen.

Das ist der Weg, den wir hier beschreiten, aber nicht erst seit einigen Jahren, sondern, wenn man das Völkerrecht miteinbezieht, seit dem Jahre 1955 durch den UNO-Beitritt, mit dem wir uns von der Neutralität nach Schweizer Muster just in jenem Jahr schon entfernt haben, wo dies die Parole war.

Drittens: Wir haben eine Technik der Verfassungsgebung eingeschlagen, die sich durch sogenannte – ich betone das Wort "sogenannte" – Ermächtigungsgesetze auszeichnet: für den EU-Beitritt, für Folgeerscheinungen, die mit dem EU-Beitritt zusammenhängen, Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes zu einer verfassungsrelevanten Vereinbarung – sie ist das Thema dieses jetzigen Tagesordnungspunktes, nämlich der sogenannte Konsultationsmechanismus.

Wir haben damit – das muß man sich als Volksvertretung klarmachen – über Ermächtigungen Kompetenzen an andere Organe abgetreten; im letzteren Falle von der Gesetzgebung an die Verwaltung. Und heute? – Wir segnen das, was die Verwaltung macht, nämlich das Abschließen solcher Abkommen, hier nur mehr ab.

Wir haben uns – und das zieht sich wie ein roter Faden durch all diese Maßnahmen – offenkundig daran gewöhnt, daß das Verfassungsrecht zu einer beliebig formbaren Materie geworden ist.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 57

Das einzige, wodurch es sich von anderen Gesetzen unterscheidet, ist das Präsenz- und Abstimmungsquorum.

Viertens: Wir stellen mit diesem Konsultationsmechanismus unserer Bundesstaatsreform – Frau Kollegin Petrovic hat das in etwa schon so angedeutet – ein Armutszeugnis aus. Hätten wir eine andere Struktur des Bundesstaates mit kompakten Bundes- und daher kompakten Landeskompetenzen, dann würden wir nach einem solchen Konsultationsmechanismus durchaus kein Bedürfnis haben.

Schließlich frage ich mich, ob wir nicht von der Form, der Konstruktion unseres Bundesstaates nahe einer Totalreform immer mehr Abschied nehmen. Denn die Grundkonstruktion war immerhin die, daß Ländervertreter beisammen sitzen, sozusagen hinter uns, auf der anderen Seite dieses Ganges, daß die Länder Vertreter in den Bundesrat schicken und dort Länderinteressen wahrnehmen. Es ist bekannt, daß gleich in der ersten Bundesratssitzung zweimal festgehalten wurde – im Jahre 1921 muß das gewesen sein –, er werde dem Nationalrat nicht hindernd im Wege stehen. – Der Bundesrat hätte sich aber anders entwickeln können.

Wir hingegen haben jetzt einen Bundesstaatsmechanismus, wonach die Länder sozusagen dort bleiben, wo sie sind, in ihren Landeshauptstädten, und untereinander durch Artikel-15a-Verträge oder ihnen nachgeformte Verträge in Kontakt treten.

Meine Damen und Herren! Schließlich noch etwas zu diesem Konsultationsmechanismus: Es ist sehr leicht, ihn zu umgehen. Wie Sie wissen, bezieht er sich auf Regierungsvorlagen des Bundes und der Länder. Wir hier haben im Hause erlebt, daß es Initiativanträge gibt, die so gestaltet sind, daß ich mich einmal in der letzten Gesetzgebungsperiode gefragt habe: Wozu haben wir ein Studium der Rechtswissenschaften? Offenkundig genügt das natürliche Rechtsempfinden von Abgeordneten ganz anderer Berufe, Initiativanträge hier einzubringen, die so ausschauen wie etwa ein gestern hier eingebrachter Abänderungsantrag, der nur aus Ziffern besteht, die unterbrochen werden von Buchstaben wie "Abs." und "Z." und einem Schnörksel, das ein Paragraphenzeichen darstellt. Solche Initiativanträge sind in Wirklichkeit verdeckte Regierungsvorlagen und wurden in den legistischen Abteilungen der Ministerien "gebastelt". (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Nein, nein!)

Wer sagt uns, daß dieser schlechte Traum, den ich Ihnen soeben offeriert habe, nicht Realität war? Ich könnte vielleicht Herrn Abgeordneten Donabauer als Zeugen dafür aufrufen, daß es einen solchen Initiativantrag einmal gegeben hat, es hätte aber auch ein ganz anderer Name damit verbunden sein können. Mit einem solchen Initiativantrag auf Initiative einer Bundes- oder Landesregierung können Sie jedenfalls den Konsultationsmechanismus umgehen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.27

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mir überlegt, wie man den Begriff "Konsultationsmechanismus" möglichst einfach erklärt. Ich glaube, am besten gelingt das mit einem Sprichwort: Der Zahler schafft an! Wer Recht setzt, muß auch die Kosten verantworten. Wenn rechtsetzende Maßnahmen einer Gebietskörperschaft eine andere Gebietskörperschaft belasten ... (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Kräuter! Aber in dem Fall ist es umgekehrt: Wer anschafft, muß zahlen!) Ist es umgekehrt, das ist richtig, ja. Aber zu Querelen, Herr Klubobmann Khol, im Zusammenhang mit Ihnen komme ich noch. Keine Sorge.

Meine Damen und Herren! Es geht beim Beschluß dieser Vereinbarung um die Spielregeln, es geht um die Spielregeln bei diesem umgekehrten – in diesem Fall hat Klubobmann Khol recht – Sprichwort "Der Zahler schafft an!". Ich sage Ihnen, ich stimme hier zu, ganz ohne Begeisterung, denn es sind natürlich Spielregeln zu Lasten der Legislative. Wenn auch stark abgeschwächt – da hat Herr Kollege Kier schon recht – im Vergleich zu früheren Entwürfen, aber es ist und bleibt


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 58

eine Einschränkung von Abgeordnetenmöglichkeiten – das ist wie bei einem kommunizierenden Gefäß –, wenn es auf der anderen Seite die Gebietskörperschaften stärkt und dadurch ein verstärkter Einfluß auf die Gesetzgebung ermöglicht wird.

Ich beschließe also diese Vereinbarung ohne Begeisterung. Sie ist für mich aufgrund einer politischen Güterabwägung allerdings akzeptabel. Es geht um die Stärkung einer effizienten Budget- und Finanzpolitik, und es geht um Handlungsspielraum für eine offensive und kraftvolle Beschäftigungspolitik, was das Wichtigste überhaupt in den nächsten Jahren sein wird, und auch um das Bemühen um Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit in der öffentlichen Verwaltung.

Meine Damen und Herren! Die Nagelprobe dieses Konsultationsmechanismus muß in der Praxis durch positives Denken und konstruktives Handeln erst bestanden werden. Warum sage ich das? Warum ist das notwendig? Wie war das in Vorarlberg? Schon auf Basis der politischen Vereinbarung, gewissermaßen im Vorfeld, hat das Land gegen eine Novelle zum Wasserrechtsgesetz Einspruch erhoben, und zwar mit der abenteuerlichen Begründung, daß durch diese Novelle weniger Abfall entsteht, dadurch weniger Deponieeinnahmen lukriert werden können und daß dadurch für das Land eine Belastung durch den Bund erfolgt.

Das ist wirklich total absurd. Ich bezeichne das als Mißbrauch einer an sich guten Idee. All diejenigen, ob Beamte oder Politiker, die diese "gute" Idee – unter Anführungszeichen – hatten, sollen in sich gehen und in Zukunft ein bißchen an die verschiedenen Gelöbnisformeln denken. Andererseits muß man wieder dankbar sein für diesen Sündenfall, er ist nämlich ein Musterbeispiel dafür, wie nicht umgegangen werden soll zwischen Bund/Land, Land/Bund.

Meine Damen und Herren! Es ist also nicht unmöglich, neben, hinter, vor und zwischen dem Konsultationsmechanismus Interessen einseitig ins Spiel zu bringen – gegen die Intentionen der Vereinbarung, die da lautet: ... eine Lastenverschiebung unter Gebietskörperschaften zu vermeiden.

Aber auch – und, Herr Klubobmann Khol, jetzt komme ich dann bald zu Ihren Aussagen – durch Unterlassungen kann diese Vereinbarung gebrochen werden. Ich erinnere an die unendliche Geschichte der Kleinst-Bezirksgerichte; das ist auch so ein Sündenfall. Sie wissen, meine Damen und Herren: In Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark gibt es noch Kleinst-Bezirksgerichte, die nicht einmal die Arbeitskraft eines Richters auslasten oder die in ganz geringer Entfernung nebeneinander liegen. Das ist eine sinnlose Verschwendung von Steuermitteln, und hier ist großer Verwaltungsreformbedarf gegeben. Es ist so, daß dort der Bund den Aufwand für die Justizverwaltung bezahlt, und die Länder beharren auf einem Zustimmungsrecht aus dem Jahr 1920 und verhindern damit eine effiziente, sparsame und wirtschaftliche Organisation der Bezirksgerichte.

Meine Damen und Herren! In der Sache ist das glasklar. Das kann man in den Rechnungshofberichten nachlesen, das kann man in den verschiedensten Stellungnahmen und Schreiben der Präsidenten der Oberlandesgerichte nachlesen, und das wird auch ganz eindeutig vom Justizministerium festgestellt. Es ist eigentlich kaum eine Materie so umfangreich und fundiert aufbereitet wie diese Frage. Unisono kommt da heraus: Eine Zusammenlegung dieser Kleinst-Bezirksgerichte ist notwendig, und es geht dadurch auch keine Verschlechterung für die Bürger durch begleitende Maßnahmen einher.

Meine Damen und Herren! Diese Reform der Kleinst-Bezirksgerichte ist auch schon im Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996 angesprochen und definiert. Es gibt eine schriftliche Vereinbarung vom 15. Juni des Jahres 1996 zwischen Klubobmann Kostelka und Klubobmann Khol. Klubobmann Kostelka hält sich selbstverständlich – das tut man ja bei schriftlichen Vereinbarungen – an das Ausgemachte. Klubobmann Khol hingegen macht das nicht, meine Damen und Herren. Warum eigentlich? Warum kommt es dazu, daß Klubobmann Khol drei-, vier-, fünfmal mündlich etwas zusagt, schriftlich etwas zusagt im Zusammenhang mit der Reform der Bezirksgerichte ... (Abg. Dr. Maitz: Warum gibt es keinen Optionenbericht? – Weitere Zwischen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 59

rufe bei der ÖVP.) Ich weiß nicht, warum Sie so nervös sind, meine Damen und Herren von der ÖVP.

Aber es kommt noch dicker. Was veranlaßt eigentlich den Klubobmann Khol, schriftliche Vereinbarungen nicht einzuhalten? (Abg. Mag. Stadler: Weil das bei ihm immer so ist!) Was veranlaßt ihn, sehenden Auges eine Ressourcenverschwendung zu unterstützen? Woran, meine Damen und Herren, scheitert Klubobmann Khol hier eigentlich? Ist es der Titan Schausberger, der Landeshauptmann von Salzburg, der außerhalb seines Bundeslandes ja wirklich nur Insidern bekannt ist? (Abg. Dr. Maitz: Warum gibt es keinen Optionenbericht? Weil Kostelka sich nicht an die Vereinbarungen hält!) Ist es der "Titan" Schausberger, der den mächtigen Klubobmann Khol der ÖVP hier am Gängelband hat, meine Damen und Herren? (Abg. Dr. Maitz: Das ist eine ganz üble Polemik!) Hat etwa der Titan Schausberger ausrichten lassen: Nein, nein, wir haben 1999 Landtagswahlen, bei uns kommt keine Reform in Frage, wir verharren und verbleiben beim Zustand von 1920!? (Abg. Schwarzenberger: Dieses Protokoll wird für uns sehr wertvoll sein bei der Landtagswahl in Salzburg! – Abg. Dr. Maitz: Das ist eine ganz üble Polemik!)

Hat der Titan Schausberger, Herr Kollege, ausrichten lassen: Wir auf Landesebene schaffen an, aber ihr auf Bundesebene dürft dafür bezahlen!? Ist das in dem Verhältnis ÖVP Salzburg und Klub der ÖVP so, daß es heißt, der Anschaffer ist nicht der Zahler? Ist es so, meine Damen und Herren?

Ich komme zum Resümee. Erster Punkt: Herr Klubobmann Khol, es ist ein glatter Bruch des Koalitionsübereinkommens, den Sie hier begehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist der Bruch einer schriftlichen Vereinbarung, ein Koalitionsbruch. (Abg. Dr. Maitz: So wie beim Optionenbericht! Polemik, Polemik, Polemik! Mieseste Polemik!) Und, Kollege Maitz, Herr Klubobmann Khol, wir von der SPÖ werden bei Bedarf und bei jeder Gelegenheit daran erinnern.

Ein zweiter Punkt: Wie, meine Damen und Herren, frage ich mich, soll eine Bundesstaatsreform mit Klubobmann Khol von der ÖVP verhandelt werden, der sich an eine schriftliche Vereinbarung, die das Verhältnis Bund und Land betrifft, die er selbst getroffen und unterschrieben hat, nicht hält? (Abg. Dr. Maitz: Unglaublich, was Sie da treiben! Solche Falschheiten! Unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Es werden vom Kollegen Khol sicherlich vertrauensbildende Maßnahmen notwendig sein müssen. Es kann nicht so sein – ich komme noch zur Steiermark, Kollege Maitz –, daß Klubobmann Khol ein Spielball von Schausberger und Co ist. So, meine Damen und Herren, ist kein Bundesstaat zu machen, so ist keine Bundesstaatsreform zu machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend zur Bundesstaatsreform. Meine Damen und Herren! Wenn diese Bundesstaatsreform ein Akt wahlkämpfender ÖVP-Landeshauptleute wird, dann sage ich als Steirer mit Stichwort Semmering-Basistunnel: Da steigt mir die steirische Grausbirn auf! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

12.34

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich weiß nicht, Herr Kollege Kräuter, wie oft ich Ihnen hier dokumentiert habe, wie sehr wortbrüchig Klubobmann Khol ist. Man kann mit ihm abschließen, was immer man will, er unterschreibt alles, das wissen wir. Wir haben auch ein solches Dokument in der Hand, das seinerzeit, als es darum ging, die Bundesanteile der CA an die Bank Austria zu verkaufen, unterschrieben wurde. Wir haben das auch alles. Wir haben genau die gleichen Erfahrungen mit ihm gemacht, wie Sie sie uns heute hier wortreich expliziert haben, meine Damen und Herren. Das ist nun einmal so. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 60

Aber, wissen Sie, Herr Kollege Kräuter, jeder hat den Koalitionspartner, den er verdient. Sie haben eben den Dr. Khol als Koalitionspartner, und den verdienen Sie wahrlich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen bestätigen, daß Ihre Ausführungen, was den Klubobmann Khol und dessen politische Auffassung von Handschlagqualität und von der Gültigkeit von Unterschriften anlangt, voll und ganz stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie decken sich exakt mit den Erfahrungen, die wir aber nicht nur mit dem Herrn Kollegen Khol machen, sondern mit der ÖVP auf allen Ebenen. Wenn es der ÖVP ins Konzept paßt, bricht sie jede Vereinbarung. Das unterscheidet Sie – und damit meine ich jetzt Sie von der Sozialdemokratie – wohltuend von der ÖVP. (Abg. Schwarzenberger: Ist das ein Koalitionsangebot?) Wenn mit der SPÖ einmal etwas vereinbart ist, hält es in der Regel. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist der Unterschied, Herr Kollege Khol! Hin und wieder ... (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Ja genau, jawohl, Herr Kollege Grabner! Kollege Grabner hat völlig recht: Wenn die SPÖ einmal etwas unterschrieben hat – sie ringt sich zwar schweren Herzens zu einem Ergebnis durch –, gilt es genauso wie für uns Freiheitliche. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Danke sehr, soviel habe ich gar nicht verdient, Frau Kollegin Mertel! Ich will Ihnen ein Kompliment machen: Das unterscheidet Sie von der ÖVP! Die ÖVP unterschreibt alles und hält nichts. Die ÖVP ist auf allen Ebenen immer wieder wortbrüchig geworden. Deswegen sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, Sie haben den Koalitionspartner, den Sie verdienen, denn Sie haben jede andere Option in diesem Land demokratiepolitisch unmöglich gemacht. Das ist leider das Ergebnis Ihrer eigenen Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun komme ich aber zum Thema Konsultationsmechanismus. Dieser Konsultationsmechanismus ist nicht nur eine Lex Wortbruch Khol, sondern ist natürlich auch eine Lex Verfassungsänderung, schleichend, demokratiepolitisch bedenklich, denn es wird ein weiterer Schritt in Richtung Regierungsgesetzgebung gemacht, weil in Zukunft Exekutivorgane, Organe der Bundesregierung, Organe der Landesregierungen, gesetzgeberische Aufgaben de facto wahrnehmen werden. Damit wird in massiver Weise unser demokratisches Prinzip berührt, es wird in massiver Weise unser parlamentarisches Prinzip berührt. Es werden Verfassungserzeugungsaufgaben an Exekutivorgane delegiert. Es werden irgendwelche nebulosen Einrichtungen geschaffen, wie etwa Konsultationsgremien, die in Zukunft de facto Gesetzgebungsaufgaben wahrnehmen werden, meine Damen und Herren. So schaut es aus!

Damit sind Grundprinzipien unserer Bundesverfassung – demokratisches Prinzip, parlamentarisches Prinzip – in massiver Weise beschädigt worden. Sie haben heute in massiver Weise das Neutralitätsgesetz beschädigt. Wie gesagt, über all das kann man mit uns diskutieren, wenn es im Rahmen einer Volksabstimmung entschieden wird. Präsident Brauneder hat ohnehin darauf hingewiesen. Nur sollte man es so machen, wie es unsere Rechtsordnung vorsieht, und nicht durch die Hintertür und bei jeder Gelegenheit nach der Methode der ÖVP, wenn es geht, den Leuten ein X für ein U zu verkaufen. Das ist das Problem, das hinter der ganzen Debatte über die Weiterentwicklung unserer Bundesverfassung steht.

Man kann sich auch darüber unterhalten, daß man in Zukunft Aufgaben, die nach unserer Verfassungsstruktur an sich der Bundesrat zu erfüllen hätte, in andere Gremien verlagert: Landeshauptleutekonferenz, Landesfinanzreferentenkonferenz und was da noch an Konferenzen außerhalb unserer Verfassung existiert.

Aber den Bundesrat weiter zu behalten und so zu tun, als ob das die Länderkammer sei, und sich daneben in Wahrheit ganz andere Gremien zu schaffen, das ist unredlich, das ist wiederum schludriger Umgang mit unserer Bundesverfassung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Schicken Sie die Bundesräte heim! Sie ersparen sich Gehälter, Sie ersparen sich Pensionen. Schicken Sie sie heim, denn der Bundesrat hat spätestens seit diesem Konsultationsmechanismus keine Vertretungsaufgaben mehr für die Interessen der Bun


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 61

desländer! Denn all das, was in diesem Gesetz enthalten ist, wäre Aufgabe des österreichischen Bundesrates.

Aber, Herr Kollege Khol und Herr Kollege Kostelka, da haben Sie wieder eine Koalitionsvereinbarung unterschrieben – und anscheinend hält die ausnahmsweise einmal oder zumindest hin und wieder, bei der ÖVP nicht zur Gänze –, mit der Sie sich verpflichtet haben, daß Sie im Bundesrat exakt, genau und spiegelgleich abstimmen wie hier im Nationalrat. Das sind Ihre Vereinbarungen! Die ÖVP hält sich, wie gesagt, nicht immer daran, hin und wieder schert die ÖVP bei den Abstimmungen aus. Aber derartige Vereinbarungen sind in der Lage, unser Verfassungsgefüge tatsächlich in massiver Weise zu unterlaufen.

Da kommen dann solche Konsultationsmechanismen heraus! Das wird zwar auch ein Schmarrn sein, der wird auch nichts fruchten, der wird auch am Budgetdilemma des Finanzministers nichts ändern, der wird am Budgetdilemma einzelner Bundesländer nichts ändern, die nur ein bißchen von Ihren letzten Steuerreformpaketen profitiert haben, die Sie geschnürt haben.

Letztlich ändert es aber nichts an den Strukturen. Daher ist das alles nichts anderes als ein koalitionsinternes Befriedigungspapier, das man den Österreichern serviert, und man unterläuft damit die Verfassung in gravierender Weise. Dafür geben wir uns nicht her. Wir werden diesem Konsultationsmechanismus daher nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Johann Schuster. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner sprach von Handschlagqualität und darüber, was Unterschriften bedeuten. – Herr Mag. Stadler! Ich möchte nicht als Lehrer oder als Besserwisser eingestuft werden, aber ich möchte Sie daran erinnern, daß man, wenn man einer politischen Partei angehört, in der Handschlagqualität und Unterschriften momentan so in Frage gestellt sind, vom Rednerpult hier im Parlament nicht so große Töne spucken sollte. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Unterschrift war nie in Frage gestellt – nur die Bonität!)

Eigentlich bin ich sehr verwundert über unseren Koalitionspartner. (Abg. Haigermoser: Die kommen schön langsam drauf, was sie an Ihnen haben!) Dr. Kräuter hat in seinen Ausführungen gemeint: Festhalten an den kleinen Bezirksgerichten sei Ressourcenvergeudung und gegen jegliche Verwaltungsvereinfachung. (Abg. Dr. Kräuter: Der Rechnungshof ist mein Zeuge!) Herr Dr. Kräuter! Ich könnte Ihnen aus Ihrer eigenen Partei einige Bürgermeister nennen, die sich sehr massiv dafür einsetzen, daß an diesen Bezirksgerichten festgehalten wird. Sie wissen, daß dies Bürgernähe ist, und wir sind den Bürgern verpflichtet! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der heutige Pakt, der zwischen Bund, Ländern, Gemeindebund und Städtebund geschlossen wird, ist auch ein Paktum im Koalitionsübereinkommen dieser Bundesregierung. Ich meine, wenn dieser wichtige Bereich mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien heute beschlossen wird, kann wieder ein Punkt abgehakt werden. Aus der Sicht der Gemeinden darf ich dazu sagen, daß diese Beschlußfassung eine europäische Spitzenleistung darstellt.

Hohes Haus! Bereits im geltenden Bundes-Verfassungsgesetz ist zwar festgehalten, was Gebietskörperschaften sind, nicht aber, von wem im Falle einer Gesetzwerdung die Kosten getragen werden. Heute soll dies geändert werden, weil alle Gebietskörperschaften auf die gleiche Stufe gestellt werden.

Ich möchte aus dem Koalitionsübereinkommen zitieren, in dem dazu festgehalten ist: Im Sinne einer neuen Partnerschaft soll eine den Grundsätzen der Effizienz, der Bürgernähe und einer sinnvolleren und zeitgemäßeren Aufgabenteilung verpflichtete Zusammenarbeit aller Gebietskörperschaften intensiviert werden. – Zitatende. Das geschieht mit der heutigen Beschluß


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 62

fassung. Für die Gemeinden ist der Abschluß dieses Übereinkommens eine historische Stunde, weil die Gemeinden damit nicht nur entweder gefragt oder nicht gefragt werden, sondern sie werden zu gleichwertigen Partnern.

Meine Damen und Herren! Ich möchte festhalten, daß ein gut verstandener Föderalismus sich nicht nur nach oben zu orientieren hat, sondern sehr wohl auch nach unten: Die Balance muß gegeben sein. Und das geschieht heute.

Abschließend darf ich aus einer Resolution des Gemeindebundes aus dem Jahre 1962 zitieren. Bereits im Jahre 1962 hatte es geheißen: In der Gemeinde ahnt und begreift das Volk erst den Staat. In der Gemeindefreiheit liegt die beste Erziehung des Gesamtvolkes zur politischen Freiheit. – Dem habe ich als ein Vertreter der Gemeinden eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Österreichische Volkspartei wird dieser Regierungsvorlage gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Kröll zu Wort. 4 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.45

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die bisherige Debatte war wirklich interessant: Man hat einerseits gesehen, wer den Zusammenhang zwischen Gemeinden, Ländern und Bund dargestellt hat und wie dieser dargestellt wurde. Andererseits hat man aber auch klar die Verantwortung derer, die sich dagegen ausgesprochen haben, erkennen können. Aber ein paar Details der Debatte sind wirklich mehr als interessant.

Einerseits verweise ich auf die Ausführungen des steirischen Kollegen Dr. Kräuter. (Abg. Platter: Das war keine gute Wortmeldung!) Weiters gab es eine Anfrage eines SPÖ-Kollegen aus Oberösterreich vom 16. Juni 1998, der wissen wollte, ob der Weiterbestand des Bezirksgerichtes Unterweißenbach, einer Ortschaft mit 3 500 Einwohnern in Oberösterreich, gesichert ist. Dazu kann ich nur sagen: Die Konsultation stimmt damit genau überein! Wir brauchen eine Übereinstimmung und Anbindung aller drei Ebenen: nicht ein Oben, die Mitte oder ein Unten, sondern aller drei Ebenen.

Herr Kollege Kräuter! Der Anwurf unserem Klubobmann gegenüber ist völlig ungerechtfertigt, da es hier um Bürgerrechte geht, um Anliegen von entlegenen Tälern, Talschaften und Regionen im ländlichen Raum, die wenigstens ihr Bezirksgericht nach geltendem Recht erhalten wollen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum unterschreibt der Khol?) Damit erweisen Sie dem steirischen Brauch keinen guten Dienst. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist ein schlechter Beitrag, denn die Steirer, die Oberösterreicher und die Salzburger treten zu Recht dafür ein, daß die Bezirksgerichte weiter bestehen bleiben, besonders auch deswegen, weil in immer mehr Familienangelegenheiten die Bezirksgerichte angerufen werden. (Beifall bei der ÖVP.) Daher bin ich sehr froh, daß Herr Abgeordneter Khol, unser Klubobmann, auch die Stimmen hört, die von den Regionen herangetragen werden. (Abg. Mag. Stadler: Warum unterschreibt der Khol?)

Meine Redezeit ist kurz, daher komme ich zur Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und in der Folge über einen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, der es in Zukunft ermöglichen wird, daß die schon bisher weitgehend gute, partnerschaftliche Zusammenarbeit weiter vertieft wird. Meine Damen und Herren! Darum geht es!

Am 10. Dezember 1996 wurde die Vereinbarung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Städten via Gemeindebund und Städtebund hinsichtlich eines Konsultationsmechanismus und eines künftigen Stabilitätspakts der Gebietskörperschaften paraphiert. Im Dezember 1997 haben wir als rechtliche Grundlage das Ermächtigungsgesetz beschlossen, und nun werden wir die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus beschließen. Das ist gut und richtig so!

Die wesentlichen Elemente des Konsultationsmechanismus sind:


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 63

Erstens verpflichtende und umfassende Begutachtungsverfahren – das heißt, alle Gesetze und Verordnungsentwürfe der Bundesregierung oder der Ministerien, die Regierungsvorlagen, sind den Ländern und dem Gemeindebund und dem Städtebund zur Stellungnahme zu übermitteln.

Zweitens: Verpflichtung zur Darstellung der finanziellen Auswirkungen. Bei allen gesetzlichen Maßnahmen ist eine Darstellung der finanziellen Auswirkung auf den eigenen Haushalt und auf die Haushalte der anderen Gebietskörperschaften aufzunehmen.

Drittens: Verhandlungspflicht. Verhandlungen über die Kostentragung können von Gebietskörperschaften innerhalb der Stellungsfrist verlangt werden.

Schließlich die Frage der Sanktionen: Sollten keine Gelegenheiten zur Stellungnahme gegeben werden oder wird das Ergebnis des Konsultationsverfahrens nicht abgewartet, so müssen die verursachten Kosten ersetzt werden. – Und da gilt das Sprichwort: Wer anschafft, der zahlt!

Diese Vereinbarung schafft nun endlich die Voraussetzung dafür, daß es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, den Kommunen finanzielle Belastungen durch Gesetzesbeschlüsse aufzu-bürden. Mit diesem Vertrag soll gesichert werden, daß die Gemeinden ihren Beitrag zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien leisten können, weiters ihre Infrastruktur erhalten können und weiter ausbauen können und damit die große Zahl der Arbeitsplätze sichern können. Der Abschluß eines Stabilitätspakts dient der Stärkung der für die Währungsunion erforderlichen Haushaltsdisziplin. Die Aufteilung der Lasten aus allfälligen Sanktionen nach dem EU-Vertrag ist ein weiteres Ziel.

Der Konsultationsmechanismus muß als neuer Lösungsansatz gesehen werden. Er schafft für die Länder und Gemeinden erstmals die Möglichkeit, Entscheidungen des Bundesgesetzgebers – inhaltlich zumindest – mittelbar zu beeinflussen. Wenn die Einflußnahme wirkungslos bleibt, dann haben die Länder und die Gemeinden jedenfalls keine nachteiligen finanziellen Folgen daraus zu tragen. Insofern wird die angestrebte Schutzfunktion tatsächlich wirksam.

Es ist aber auch notwendig, daß die Länder mit den Gemeinden in gleicher Weise einen Konsultationsmechanismus beschließen. Aus der Sicht der Gemeinden ist gerade im Hinblick auf die Währungsunion und die damit verbundene Haushaltsdisziplin die Realisierung des Konsultationsmechanismus unabdingbar.

Ich komme zum Schluß. Gerne stimme ich, so wie meine Kollegen des ÖVP-Klubs, als einer der Bürgermeister und auch als ein Vertreter des Gemeindebundes dieser Vorlage 1210 der Beilagen heute zu. Damit wird eine neue, wichtige Seite im Buch der Zusammenarbeit in kooperativer und gemeinsamer Verantwortung für die Gemeinden, für die Länder, für Österreich – in ein gemeinsames Europa eingebettet – geschaffen. So gesehen ist es ein wichtiger Schritt, daß diese Zusammenarbeit weiter ausgebaut wird. Es wäre besser gewesen, wenn Sie mehr darüber und weniger über unseren Klubobmann, der die Interessen der Regionen wahrnimmt, gesagt hätten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

12.51

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schließe an die Ausführungen des Kollegen Kröll an, der Klubobmann Khol in lichte Höhen hebt, indem er sagt, dieser setze sich im Zusammenhang mit dem Erhalt der kleinen Bezirksgerichte für die einzelnen Regionen ein. (Abg. Dr. Trinkl: Mit Recht! – Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Weil er es immer so getan hat?)

Herr Klubobmann Khol! Ich frage Sie: Wieso unterschreiben Sie denn die Vereinbarung, die Ihnen zu Recht vom Kollegen Kräuter vorgehalten wurde? Wieso unterschreiben Sie eine Vereinbarung, einen Pakt mit der SPÖ, der zur Folge hätte, daß die kleinen Bezirksgerichte in Oberösterreich und in der Steiermark geschlossen werden? (Abg. Dr. Khol: Ich erkläre es Ihnen!) Ich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 64

hoffe, Sie werden das erklären. Sie haben sich zu Wort gemeldet, aber nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung, also offensichtlich ist der Vorwurf richtig.

Sie werden wahrscheinlich mit irgendwelchen windigen Erklärungen versuchen, aus diesem Dilemma herauszukommen. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Dr. Krüger, was heißt "windig"? Ist das Ihr Sprachgebrauch als Rechtsanwalt?) Herr Klubobmann Khol, eines ist klar: Dieses Verhalten ist ein weiterer eindrucksvoller Beweis für die Doppelbödigkeit der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist im Zusammenhang mit den Bezirksgerichten nicht das einzige Beispiel. Sie können sich vielleicht noch an einen gemeinsamen Antrag des Budgetausschusses aus Anlaß der Beschlußfassung im Jahre 1995 erinnern. Damals hat der oberösterreichische ÖVP-Kollege Mühlbachler, Bürgermeister von Freistadt, gemeinsam mit einem SPÖ-Kollegen den Antrag gestellt hat, die Bestimmungen des Überleitungsgesetzes dahin gehend zu ändern, daß der Schlüssel zum Schließen der Bezirksgerichte elegant von Klubobmann Khol und von der ÖVP an Justizminister Michalek hätte gereicht werden sollen, um so endgültig den kleinen und so wichtigen Bezirksgerichten den Garaus zu machen.

Auch diesen Widerspruch, Herr Kollege Khol, müssen Sie aufklären. Dieser Budgetantrag ist damals in letzter Minuten zurückgezogen worden – offensichtlich auch auf Intervention des oberösterreichischen Landeshauptmannes Ratzenböck. Danach haben Sie Ihrem sozialistischen Koalitionspartner, der nicht mehr so sehr an Ihre Pakttreue glaubt, als weitere Beruhigungspille eine Scheinvereinbarung mit der Mentalreservation, diese Vereinbarung nie einhalten zu wollen, verabreicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bereits in mehreren früheren Redebeiträgen die Auffassung vertreten, daß die kleinen Bezirksgerichte eine sehr wichtige Funktion in der Ausübung der Gerichtsbarkeit in Österreich haben. Die Ausführungen des Rechnungshofes mögen zahlenmäßig stimmen, sind aber in der Gesamtbetrachtungsweise zu hinterfragen. Denn eine Auflösung der kleinen Bezirksgerichte hat selbstverständlich für die Städte, für die kleinen Bezirke und für die kleinen Bezirksgerichte und die Gemeinden auch strukturelle Folgen. Das ist überhaupt keine Frage.

Es bringt eine weitere Ausdünnung des gesamten Wirtschaftsraumes der kleinen Gemeinden, der Randgemeinden mit sich. Das ist auch der Grund dafür, daß viele Ländervertreter der Österreichischen Volkspartei und auch wir mit Recht die Meinung vertreten, daß diese kleinen Bezirksgerichte im Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung in vollem Umfang aufrechtzuerhalten sind.

Herr Klubobmann Khol! Sie können zwar hier Ihren Bocksprung und diese Mentalreservation wortreich erklären, aber Sie können die Tatsache nicht verschönern, daß Sie offensichtlich Ihren Koalitionspartner in dieser Sache falsch informiert haben und mit Mentalreservationen eine Unterschrift abgegeben haben, von der Sie der Ansicht waren, daß Sie sie ohnedies nie einhalten müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Für einen Kultursprecher wäre eine schönere Sprache angebracht!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ganz kurz etwas zu den Bezirksgerichten anmerken: Die Schließung dieser kleinen Bezirksgerichte mag vielleicht einige wenige Millionen an Einsparung bringen, aber insgesamt führt die Schließung der Bezirksgerichte zu einer Aufblähung der Großgerichte, und vor diesem Schritt warne ich.

Herr Kollege! Ich bin – ich möchte nicht sagen tagtäglich – durch die politische Tätigkeit sehr viel bei Gericht, erst kürzlich wieder beim Handelsgericht. (Lebhafte Heiterkeit.) Wenn Sie dort mit den Richtern sprechen, dann wird Ihnen das Lachen vergehen. Reden Sie mit den Richtern aus dem Arbeitskreis Justiz! Die sagen alle, daß es ein Wahnsinn ist, in der Schlachthausgasse ein derart großes Gerichtsgebäude um 300 Millionen Schilling zu errichten. Sie können ruhig lachen. Sie lachen jetzt, aber wir lachen nach den Wahlen. (Abg. Dr. Löschnak: Sie sind präpotent!) Ihr Verhalten ist gleichermaßen repräsentativ. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist derart typisch: Sie sind abgehoben. Sie sind hauptsächlich Berufspolitiker und haben überhaupt


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 65

nichts mehr mit der Praxis zu tun. Sie sind nicht mehr in Ihrem Zivilberuf tätig. Reden Sie mit den Juristen, reden Sie mit den Richtern, die auch dem Arbeitskreis Justiz angehören! (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Kürzlich sagte mir ein Richter am Handelsgericht, daß es direkt ein Hohn sei, wenn ein derartiges Gerichtsgebäude in der Schlachthausgasse errichtet wird – angeblich gut erreichbar und in Wahrheit nicht erreichbar. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

12.57

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß ich – so wie Abgeordneter Kräuter es gesagt hat – bei der Regierungsübereinkunft den Plan, die Kompetenz zur Zusammenlegung von Bezirksgerichten durch das Hohe Haus zu verändern, mit unterschrieben habe. Damit muß nicht mehr die Zustimmung des Landes zur Veränderung von Bezirksgerichten gegeben sein, sondern eine Anhörung. Darum geht es. Ich war mir damals der Tragweite dieser Unterschrift wahrscheinlich nicht in vollem Ausmaß bewußt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ein Epimetheus! Das ist furchtbar für einen Klubobmann!) Wir haben dann eine Reihe von Plänen des Justizministers gehört, wie die Gerichtsstruktur im Falle von kleinen Bezirksgerichten, die nicht voll ausgelastet sind, entsprechend den Empfehlungen des Rechnungshofes verändert werden sollte.

Wir haben daraufhin einen Antrag eingebracht, der in diesem Hohen Haus bis zum Ausschuß gediehen ist. In der Folge hat es dann eine umfangreiche Protestbewegung in der Steiermark, in Oberösterreich, in Salzburg gegeben. Ich muß der Wahrheit die Ehre geben: In Niederösterreich, wo die Bezirksgerichte zusammengelegt wurden, hat es zuerst eine große Protestbewegung gegeben. Heute sagt man mir, daß die Versorgung der Bevölkerung im Justizbereich darunter nicht gelitten habe. (Abg. Dr. Gredler: Nicht in Tirol!)

Es gab gegen die Zusammenlegung der Bezirksgerichte einstimmige Beschlüsse von Landtagen. Als die Pläne bekannt wurden, daß man im Zuge des Konsultationsmechanismus und der Bundesstaatsreform diese Zusage einlösen will, wurde mir von den Landeshauptleuten mitgeteilt – ich habe die Briefe von sieben Landeshauptleuten –, daß sie im Hinblick auf die Bürgerbewegung in ihren eigenen Ländern dringend davon abraten, dies zu beschließen. Ich habe von 2 000 Bürgern aus Oberösterreich Unterschriften bekommen und entsprechende Aussagen einer ganzen Reihe von Funktionären aus Oberösterreich, der Steiermark und Salzburg gehört. Ich weiß, daß es in meinem Klub zumindest ein freies Mandat gibt und die steirischen, ober-österreichischen und Salzburger Abgeordneten einer Zusammenlegung von Bezirksgerichten nicht zugestimmt hätten. Weiters weiß ich, daß eine solche Regelung sicherlich am Zustimmungsrecht des Bundesrates gescheitert wäre. Dies alles hat mich dazu bewogen, dem Regierungspartner zu signalisieren, daß es besser wäre, diesen Antrag nicht auf die Tagesordnung zu setzen. Das sage ich, und so ist es. (Beifall bei der ÖVP.)

Da ich aber von einem Abgeordneten des Regierungspartners im Wissen seines Klubobmanns gezwungen wurde, zu diesem Thema hier Stellung zu nehmen, möchte ich die ganze Geschichte auf den Tisch legen. Wenn mir von einem Abgeordneten eines Regierungspartners Wortbruch vorgeworfen wird, dann möchte ich die Legitimation des Herrn Kräuter und seines Klubs hinterfragen. Es gibt ein Abkommen von Perchtoldsdorf, das Bundeskanzler Vranitzky namens der Bundesregierung unterschrieben hat, wonach in der Legislaturperiode bis 1994 eine Bundesstaatsreform durchgeführt werden soll. (Abg. Schaffenrath: Wer hat dieses gebrochen?) Dieses Abkommen wurde von Kanzler Vranitzky und seiner Partei nicht eingehalten. – Erste Feststellung. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Zweite Feststellung: Als Bundeskanzler Klima den Akt Bundesstaatsreform übernahm, kam es zu einer Begegnung mit den Landeshauptleuten, bei der ich den Vizekanzler vertrat. Bei dieser Begegnung mit den Landeshauptleuten, über die hinterher in der Bundesregierung berichtet wurde, hat sich Bundeskanzler Klima verpflichtet, die Bundesstaatsreform bis November 1997


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 66

durchzuführen. – Auch diesmal wurde nicht Wort gehalten. Die Bundesstaatsreform ist bis heute nicht durchgeführt. (Beifall bei der ÖVP.)

13.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 2 Minuten. – Bitte.

13.02

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz: Ich möchte auf die Frage der Bundesstaatsreform beziehungsweise auf den letzten Satz der Ausführungen des Kollegen Khol nicht eingehen, weil ich glaube, daß in dieser Frage nicht eine Partei alleine entscheiden kann, sondern daß es notwendig ist, auf dem Verhandlungsweg zu beschließen, welche Vorgangsweise letztlich gewählt wird. (Abg. Dr. Schwimmer: Weiß das auch der Kräuter?)

Ich möchte aber in der Frage der Gerichtsstruktur einen Beitrag dazu leisten, daß wir doch etwas objektiver diskutieren und nicht emotionalisieren. Ich kann nur unterstreichen, was Herr Abgeordneter Khol eingangs gesagt hat: In Niederösterreich sind nach Durchführung der Organisationsreform im Bereich der Bezirksgerichte wesentlich weniger negative Stimmen bei jenen zu hören, die damit befaßt sind, die in der Rechtsanwendung tätig sind, zu einem Großteil ist sogar Zustimmung zu verzeichnen.

Ich meine, daß wir uns einmal die Frage stellen sollten, warum zusammengelegt wird. Das hat natürlich auf der einen Seite auch eine finanzielle Konsequenz, eine finanzielle Auswirkung, aber dem liegt auf der anderen Seite auch eine sachliche Komponente zugrunde. Die rechtssuchen-de Bevölkerung möchte natürlich entsprechende Gerichte, die profunde Urteile fällen können. Es ist auch keine Frage, daß es in einem einspännigen Gericht mit einem Richter, der alle Rechtsfelder, also Zivilrecht und Strafrecht, abdecken muß, evidentermaßen nicht so gut funktionieren kann wie in einem Gericht, in welchem es eine eigene strafrechtliche und zivilrechtliche Abteilung gibt, die sich auf die einzelnen fachlichen Notwendigkeiten einstellen kann. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist paradox, was Sie sagen! Sie betreiben doch die gemischten Gerichte!)

Meine Damen und Herren! Das ist ein Punkt, der eine Qualitätsverbesserung darstellt, die jetzt unabhängig von der finanziellen Bedeckung eintritt. Das sollte man, glaube ich, hier sagen. Wenn man diesen sachlichen Ansatz wählt, dann stellt sich dieses Problem schon ganz anders dar. Herr Abgeordneter Krüger! Wenn Sie jetzt hier mehr oder weniger darüber lamentieren, daß man die kleinen Bezirksgerichte auflassen wolle, und bemerken, welch schlechter Akt das ist, dann rufe ich gerade Sie, der Sie ja da einigermaßen bewandert sind und sich mit den Strukturen auskennen, auf, eben nicht damit fortzusetzen, hier mit unsachlichen Argumenten zu operieren, sondern sachlich zu argumentieren. Es handelt sich einfach um eine Verbesserung der Gerichtsbarkeit, das ist keine Frage.

Daß natürlich auch ein emotionales Element dahintersteckt, ist auch keine Frage. Aber wir sind hier nicht dazu da, zu beurteilen, was gewisse Länder wollen oder nicht, sondern dazu, unsere Standpunkte zur besseren Gerichtsbarkeit einzubringen und unsere Ideen umzusetzen und für diese auch zu werben.

Was den Bau des Gerichtes in der Schlachthausgasse anlangt, darf ich folgendes sagen: Es gibt da drei verschiedene Komponenten. Die eine ist, daß ein Bezirksgericht auf jeden Fall errichtet werden muß. Zweitens ist die Frage zu stellen, ob wir eine weitere Haftanstalt brauchen. Diese Frage ist derzeit offen und ist zu klären. Es gibt Argumente dafür, und es gibt Argumente dagegen. Wenn wir sie nicht benötigen, dann werden wir sie nicht bauen. Ich möchte nur sagen: Diese Frage ist derzeit noch offen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist eine reine Geldverschwendungsaktion! Es wird nur Geld hinausgehaut!) Frau Kollegin! Ich glaube, daß darüber eine Diskussion zu führen ist, und zwar emotionslos.

Die dritte Frage ist letztlich in bezug auf die räumlichen Gegebenheiten im Landesgericht für Zivilrechtssachen zu stellen, nämlich dahin gehend, ob es möglich ist, Alternativen zu finden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 67

Wenn es möglich ist, dann wird man diese Alternativen auch tatsächlich wählen. Es ist darüber, glaube ich, eine sachliche Diskussion zu führen, möglichst ohne Emotionen.

Herr Kollege Krüger! Ich rufe Sie daher in diesem Sinne auf, von derartigen Argumenten, wie Sie sie im Zusammenhang mit den Bezirksgerichten hier verwendet haben, Abstand zu nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schaffenrath. )

13.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Herr Berichterstatter Dr. König hat um das Schlußwort gebeten. – Bitte, Herr Berichterstatter.

Berichterstatter Dkfm. DDr. Friedrich König (Schlußwort): Herr Präsident! Hohes Haus! Im Hinblick auf die Debatte in diesem Hohen Haus möchte ich als Berichterstatter des Verfassungsausschusses aus dem Bericht folgenden Passus zitieren:

"Ausgangspunkt der Überlegungen war, daß die Autonomie der Gesetzgebung aufrecht bleiben muß und daß der Vollziehung in den vorgesehenen Konsultationsgremien nur Empfehlungsbefugnisse eingeräumt werden können. Durch den Konsultationsmechanismus soll daher keine Möglichkeit zur Verhinderung eines Gesetzesvorhabens geschaffen werden." – Dieser Passus des Berichtes ist in der Gesetzesvorlage im Artikel 1, wonach die Gesetzgebung vom Konsultationsverfahren nicht erfaßt ist, vollinhaltlich gedeckt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, dem Abschluß der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz, deren Artikel 1 Abs. 3, Artikel 4 Abs. 3 sowie Artikel 6 verfassungsändernd sind, in 1210 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Mit Rücksicht auf die soeben erwähnten verfassungsändernden Bestimmungen stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl von Abgeordneten fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die diesem Vertrag die Genehmigung erteilen wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich auch die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1184 der Beilagen): Bundes-Seniorengesetz (1257 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erstredner für diese Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Graf gemeldet. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.09

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu der Beschlußfassung betreffend das Bundes-Seniorengesetz, das ja schon in seinem Titel etwas irreführend ist, da ja darin angeführt wird, daß die Anliegen der älteren Generation gefördert werden sollen. Dieses Gesetz wurde im Ausschuß


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 68

ausführlich behandelt und hat zumindest ein positives Element, das man anerkennen muß, und zwar wird die bisherige Praxis, nämlich die Förderung der Senioren im Wege der Seniorenverbände, nunmehr auf eine gesetzliche Basis gehoben. Das ist schon immerhin etwas Gutes an dem Ganzen, da es transparenter und nachvollziehbarer wird. Es wird also in Zukunft einiges nachzulesen sein.

Nichtsdestotrotz wurde auch im Ausschuß massive Kritik an dieser Regierungsvorlage geübt, die wir auch geteilt haben. Wir haben auch sehr viele Fragen gestellt, die zur Erläuterung dienen sollten, die aber leider bis dato unbeantwortet geblieben sind. Daher haben wir uns entschlossen, einen Abänderungsantrag zu dieser Gesetzesvorlage einzubringen, die ich dann im weiteren noch erläutern werde. Ein massiver Kritikpunkt unsererseits liegt bereits im § 2 vor. (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Wo ist der Minister?)

Herr Präsident! Gibt es heute niemanden auf der Regierungsbank?

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder : Moment! (Abg. Dr. Graf spricht nicht weiter.)

Herr Abgeordneter! Setzen Sie bitte mit Ihrer Rede fort!

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Es tut mir wirklich leid, daß sich die Mitglieder auf der Regierungsbank offensichtlich aufgelöst haben. Es dürfte doch aufgrund dieser Auseinandersetzung mit den Bezirksgerichten einen größeren innerkoalitionären Krach gegeben haben (Beifall bei den Freiheitlichen) , in dessen Verlauf Herr Abgeordneter Khol die Politik der ÖVP dargelegt und sinngemäß gesagt hat: Wir können uns jederzeit etwas Neues und Besseres einfallen lassen, und was ich gestern unterschrieben habe, zählt morgen ohnehin nicht mehr!

Aber zurück zu dem doch an sich wichtigen Seniorengesetz. (Abg. Dr. Feurstein: Werden Sie die Verträge unterschreiben? – Abg. Mag. Stadler: Gottfried! Der Khol würde sogar noch diesen Vertrag unterschreiben!) Ich werde Ihnen schon erläutern, wo die Mängel in diesem Senioren-gesetz liegen, das werden Sie auch nachvollziehen können. Sie sind offensichtlich der einzige, der hier geblieben ist, wahrscheinlich, weil Sie als einer der nächsten Redner zu Wort gemeldet sind.

Erklären Sie mir, lieber Herr Kollege Feurstein, warum nach diesem Gesetz Frauen ab 55 und Männer ab 60 Jahren Senioren sind. Wir haben uns doch meiner Meinung nach darauf geeinigt – diese Tendenz ist mehr oder weniger eindeutig –, daß wir in die Richtung gehen, das Pensionsalter in Zukunft anzugleichen. Das ist auch letztendlich Ihre Philosophie. Im Seniorengesetz schreibt man jedoch wieder unterschiedliche Alterskriterien fest. Das halte ich wirklich für unmöglich, wenn man ein Signal für die Senioren setzen möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, daß das wirklich überholt ist. Da müssen Sie mir wahrscheinlich auch zustimmen. Aber Sie haben ja die Gelegenheit, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen. Dann wäre dieser vielleicht unabsichtlich zustande gekommene Fehler wieder korrigiert.

Der zweite Punkt, bei welchem wir ebenso Bedenken haben, sind die Seniorenorganisationen und die Frage, ab wann diese gesamtösterreichische Bedeutung zuerkannt bekommen. Wir halten die Einstiegshürde von 20 000 Senioren, in zumindest drei Bundesländern organisiert, für viel zu hoch. Wir werden auch diesbezüglich einen Abänderungsantrag einbringen, in dem die-ser Schwellenwert herabgesetzt werden soll. Denn eines muß schon klar sein: Es kann letztendlich nicht jede kleine Seniorenorganisation an Beschlußfassungen beteiligt werden, da sollte man einen Schwellenwert einführen, nicht aber bei der Mittelzuwendung, wo sie natürlich das Ihre beitragen kann. Wir werden uns sehr dafür einsetzen, daß dieser Schwellenwert herabgesetzt wird, damit ein möglichst breiter Zugang zu der Organisation, die geschaffen werden soll, ermöglicht wird.

Ganz massiv zu kritisieren ist natürlich im wesentlichen § 24. (Staatssekretär Dr. Wittmann nimmt auf der Regierungsbank Platz. – Beifall bei den Freiheitlichen.) Grüß Gott, Herr Staatssekretär! (Abg. Mag. Stadler: Na endlich! Wo waren Sie denn?) Es ist schon traurig, daß Sie den ganzen Tag die gesamte Regierung repräsentieren müssen. Wenn aber auch noch Sie fehlen, dann, muß ich sagen, ist es noch viel trauriger. Aber jetzt sind Sie wieder da.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 69

§ 24, welcher den Dachverband der Seniorenorganisationen regelt, entspricht wieder einmal dem ganz typischen SP/ÖVP-Geist schlechthin. Darin wird das an sich gute Anliegen, möglichst breite Bevölkerungskreise an der Führung der Angelegenheiten von Seniorenverbänden teilhaben zu lassen, wiederum in den rot-schwarzen Proporz hineingepreßt. Die Bestimmung, daß zwei Drittel der Mitglieder des Bundesseniorenbeirates, wenn sie sich in einem freiwilligen Verein organisieren, die Aufgaben der Kurie – die letztendlich über die Fördermittel zu bestimmen hat – gegen Kostenersatz übertragen bekommen, ist letztlich unhaltbar. Als gelernter Österreicher weiß man schon, was man davon halten soll: Das eine Drittel ist durch die SPÖ repräsentiert und das andere Drittel durch die ÖVP. Man hat somit wieder einmal alles, was dem Gesetz nach an Aufgaben für die Seniorenverbände für die Allgemeinheit gelten soll, Rot und Schwarz zugeschanzt. Das ist meiner Meinung nach wirklich obsolet und sollte daher auch geändert werden. Wir sind für eine ersatzlose Streichung dieses Passus.

Es ist doch nicht notwendig, daß gesetzlich determinierte Aufgaben eines Seniorenbeirates oder einer gesetzlich festgelegten Kurie letztendlich wiederum in einem Privatverein verrichtet werden. Das hat nur einen Sinn, nämlich den Machterhalt von Rot und Schwarz auch in diesen Be-reichen. Das können Sie an dieser Stelle nicht wegdiskutieren, zumal damit auch sehr viel Geld verbunden ist. Denn man erhält sich damit seine eigenen Seniorenorganisationen, nämlich den Verwaltungsapparat, weil Rot und Schwarz dies natürlich nicht unentgeltlich machen. Dies ist in der Regierungsvorlage auch nachzulesen: Gegen angemessenen Kostenersatz übernehmen sie die Führung der Bürogeschäfte der Seniorenkurie und dürfen sich dann auch noch zur Irreführung der Bevölkerung "Geschäftsstelle der Seniorenkurie des beim Bundeskanzleramt eingerichteten Bundesseniorenbeirates" nennen. Ein Privatverein, der sich so nennen darf, führt die Bevölkerung in die Irre, als ob er hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen hätte. Das ist wirklich unhaltbar.

Aus diesem Grunde bringen die Abgeordneten der Freiheitlichen auch einen Antrag ein, der da lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf und Kollegen zur Regierungsvorlage 1184 d. B. betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) in der Fassung des Ausschußberichtes 1257 der Beilagen

"Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt abgeändert:

1. § 2 lautet:

§ 2 Als Senioren im Sinne dieses Gesetzes gelten alle Personen österreichischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in Österreich,

1. die auf Grund eines Gesetzes oder Vertrages aus eigener Tätigkeit eine Pension, gleichgültig welcher Art, beziehen oder

2. das 60. Lebensjahr vollendet haben.

2. § 3 Abs. 2 Z 3 lautet:

3. mindestens 10 000 Senioren als Mitglieder hat."

Damit ist dem Rechnung getragen, daß der Schwellenwert herabgesetzt wird und auch kleinere Organisationen teilhaben können.

"3. § 19 Abs. 3 Z 1 lautet:

1. Die Mittel, die gemäß Abs. 1 abzüglich der Aufwendungen für die Seniorenkurie zur Verfü-gung stehen,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 70

4. § 24 entfällt.

5. Die §§ 25 bis 28 erhalten die Bezeichnung 24 bis 28."

*****

Damit würde dieser unsägliche Verein niemals Wirklichkeit werden. Auch wäre natürlich die proporzmäßige Zuordnung der Senioren beziehungsweise die Zuordnung in Rot und Schwarz in Zukunft nicht mehr möglich.

Wir werden diesem Gesetz in dritter Lesung trotz alledem zustimmen, und zwar aus einem einzigen Grund: Wir haben als freiheitliche Jugendorganisationen beim Bundesjugendring, also in einem verwandten Bereich, die Erfahrung gemacht, daß man dort die Aufnahme des Rings Frei-heitlicher Jugend abgelehnt hat, und zwar einzig und allein deshalb, weil sich der Ring Freiheitlicher Jugend bei seinem Bewerbungsgespräch nicht von Jörg Haider, sprich vom Bundes-parteiobmann der FPÖ, distanziert hat. Das war der alleinige Ablehnungsgrund.

Daher wären wir froh darüber, wenn auch der Bundesjugendring zumindest eine gesetzliche Handhabe hätte, wie sie nun bei den Senioren geschaffen wird, daß nämlich Willkür von Privatvereinen, die Sie immer wieder gerne organisieren wollen, nicht mehr walten kann, wenn es darum geht, die Interessen der Bürger zu vertreten. Aus diesem Grunde sind wir froh, daß es zu einer gesetzlichen Lösung kommt, weil dies hier durch das Hohe Haus in Zukunft kontrollierbar und nachvollziehbar gestaltet werden kann. Nichtsdestotrotz gibt es viel daran auszusetzen. Wir werden versuchen, dies mit Hilfe unseres Abänderungsantrages zu reparieren. Sie sind herzlich eingeladen, dies im Sinne der Bevölkerung mitzutragen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder : Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Seidinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.19

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Zunächst einige Bemerkungen zur Kritik des Herrn Abgeordneten Dr. Graf. Diese ist zum Teil schon im Verfassungsausschuß geäußert worden. Es ist um den Vorsitz, um die Mehrheiten, um die Mittel für das Büro und um ähnliches gegangen. Es hat so geklungen, als ob dies nur eine Verteilungsaktion von Bundesmitteln für diesen "unsäglichen" – ein wörtlich von Herrn Graf verwendeter Ausdruck – Seniorenbeirat wäre.

Dabei wundert mich sehr, daß bei allen Besprechungen und Vorgesprächen rund um die Konstruktion dieses Gesetzentwurfes der ehemalige Stadtrat Dr. Matzka vom Ring Freiheitlicher Senioren anwesend war. Er kennt das Gesetz von Anfang bis Ende, denn er hat es mitgestaltet. Daher wundert mich jetzt, daß die innerparteiliche Kommunikation offensichtlich nicht so stattgefunden hat, wie dies eigentlich der Fall sein sollte.

Ich betone: Die Mittel, die insgesamt für Verwaltung und Büro aufzuwenden sind, sind auf maximal 15 Prozent beschränkt. Die Tätigkeit der Damen und Herren in diesem Gremium ist ehrenamtlich. Mit Parteienfinanzierung hat das absolut nichts zu tun. (Abg. Dr. Graf: Die Parteiapparate werden finanziert!) Nein, der Pensionistenverband hat seine Organisation, der Seniorenbund hat seine Organisation, der Ring Freiheitlicher hat seine Organisation, aber ... (Abg. Dr. Graf: Na selbstverständlich! Die Parteiapparate werden finanziert, so wie die Pensionistenklubs in Wien in Parteilokalen der SPÖ sind!) Ich bin es leid, auf diese Vorwürfe weiter einzugehen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 71

Ich möchte dieses Seniorengesetz heute so behandeln, wie es das verdient und wie es vor allem die ältere Generation verdient, daß man ein Bundesgesetz für sie schafft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige Vorbemerkungen. Wer ist diese ältere Generation? Wie und wovon lebt sie? – In Österreich leben rund 8 Millionen Menschen, eine Million Menschen davon sind zwischen 50 und 60 Jahren alt. 1,6 Millionen sind über 60 Jahre alt, die man unter dem Begriff "Senioren" zusammenfassen kann. Es gibt in Österreich 1,7 Millionen Pensionsbezieher im ASVG-Bereich, die insgesamt 1,9 Millionen Pensionen beziehen. Die Höhe der Pensionen und die Verbraucherpreise haben sich in letzter Zeit unterschiedlich entwickelt. Seit 1984 – wenn wir das Jahr 1984 mit 100 annehmen – haben sich die Ausgleichszulagen auf 184,9 Prozent erhöht, die Pensionen auf 149,7. Die Verbraucherpreise sind bei 140 Prozent geblieben.

Dennoch müssen wir sagen – das ist nicht das Erfreulichste –, daß die Durchschnittspension im ASVG-Bereich bei 11 442 S liegt und Frauen erheblich niedrigere Pensionen beziehen als Männer. Was uns in Österreich und europaweit Sorgen macht, ist die Entwicklung der Altersstruktur. Die Lebenserwartung ist in den letzten 25 Jahren bei den Männern von 66 auf fast 74 Jahre gestiegen, bei den Frauen von 73 auf über 80 Jahre. Es gibt also immer längere Pensionszeiten.

Die nächste Frage, die ich hier stelle, bezieht sich auf die Entwicklung der Bevölkerung, die über 60 Jahre alt ist. In Österreich sind zurzeit 19,7 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt, im Jahre 2030 werden es 33 Prozent sein. Dieses Problem werden wir zu bewältigen haben. Im Rahmen einer Studie, die IFES unlängst durchgeführt hat, wurde den jungen Alten zwischen 50 und 60 Jahren die Frage gestellt, wie sie die wirtschaftliche Lage sehen. 28 Prozent von ihnen antworteten, daß sie ausreichend Geld zur Verfügung haben. (Abg. Böhacker: Somit gehöre ich zu den "jungen Alten"!) Ja, "junge Alte", zwischen 50 und 60 Jahren. Wenn Sie schon dazugehören, dann stelle ich Ihnen gerne einmal diese Studie zur Verfügung. (Abg. Dfkm. Holger Bauer: Ich bin ein alter Junger!) Knapp bemessen sind die Mittel bei 13 Prozent, 56 Prozent gaben an, es reiche. Kaum das Notwendigste haben 2 Prozent.

Es geht auch darum, daß wir uns bezüglich der Lebensweise der älteren Generation eine Reihe von Fragen stellen, wie zum Beispiel: Was macht sie? Wie schaut es mit der Mobilität aus? Wie fühlt sie sich? Wie gut ist sie informiert? Gibt es einen Generationenkonflikt? Ist die Politik in der Lage, ihre Interessen so zu vertreten, wie es notwendig ist? Werden die Interessen der älteren Menschen in unserer Gesellschaft ausreichend vertreten? Es geht auch darum, daß immer wieder der Wunsch nach mehr Einfluß und Mitbestimmung auftaucht. Das ist ein Weg, dieses Anliegen zu verwirklichen.

Diese Studie kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß es eine Beseitigung des Informationsdefizites, professionelle Beratung, Angebote für Freizeit und Gesellschaft, Lebenshilfe, Bildung, körperliche Fitneß, Sport und Diskussionsveranstaltungen geben müßte. – Dem entspricht die Intention dieses Bundes-Seniorengesetzes, weil es umfangreiche Beratung und Information auch für Senioren und Seniorinnen, die nicht Mitglieder der betreffenden Organisationen sind, in Aussicht stellt. Somit sind diese Organisationen eine wichtige Ergänzung zu den staatlichen sozialversicherungsrechtlichen Beratungseinheiten.

Wichtige Punkte dabei sind: Einrichtung des Bundesseniorenbeirates durch Gesetz – das geschieht hiermit – sowie Festlegung der inneren Organisation des Beirates. Ausweitung der Aufgaben des Bundesseniorenbeirates, die im Gesetzestext genau umschrieben sind. Normierung einer Allgemeinen Seniorenförderung für die Seniorenorganisationen zur Unterstützung der Be-ratung, Information und Betreuung von Seniorinnen und Senioren. Ermächtigung des Bundeskanzlers, mit der Führung der Bürogeschäfte der Seniorenkurie, die Teil des Bundesseniorenbeirates ist, mit der Vergabe der Allgemeinen Seniorenförderung sowie mit der Abwicklung und Kontrolle der Förderungen den Dachverband der Seniorenorganisationen zu betrauen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon im Verfassungsausschuß habe ich als Vertreter meiner Fraktion die positiven Seiten dieses Gesetzes dargestellt. Letztendlich haben wir jahre-


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 72

lang daran gearbeitet, damit wir ein solches Gesetz, das die Wünsche, Sorgen, Nöte und Anliegen der älteren Generation in einem Maße berücksichtigt, wie das bisher nie der Fall war, beschließen können. Die sozialdemokratische Fraktion ist der Ansicht, daß heute ein guter Tag für die älteren Menschen ist. Wir stimmen dieser Regierungsvorlage zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Dr. Kier. Keine freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.26

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Offenbar ist tatsächlich die Koalitionskrise nachhaltiger als vermutet. Ich glaube nicht, daß es sich um ein demonstratives Fernbleiben (der Redner blickt demonstrativ auf leere Sitzbänke) aufgrund der Materie handelt. Das glaube ich nicht, obwohl das Gesetz so schlecht ist, daß ich der Meinung des Kollegen Graf widersprechen muß. Ich halte das Gesetz für nicht reparaturfähig. Ihre Reparaturbemühungen in Ehren, aber ich halte es für nicht reparaturfähig.

Es enthält wirklich massive Mängel, demokratiepolitische ebenso wie gesellschaftspolitische. Einen kleinen Mangel möchte ich vorerst einmal herausgreifen: Für die finanziellen Aufwendungen, die durch das Gesetz notwendig sind, gibt es in der Regierungsvorlage eine detaillierte Berechnung. Das ist eine ganz exakte Darstellung. Kollege Seidinger hat die Zahl auch schon genannt: 1 859 516. Dies kann man nachlesen. Multipliziert man diese Zahl mit 11 S, die dem § 19 Abs. 1 entnommen sind, ergibt dies 20 454 676 S.

Das ist allerdings genau jener Betrag, der laut den Bestimmungen des § 19 eins zu eins den Seniorenorganisationen als allgemeine Seniorenförderung zukommt. Das ist ja genau die Apparateförderung. Die besondere Seniorenförderung, die dann im § 20 als Alibibestimmung erwähnt wird, kommt bei der Darstellung der finanziellen Erfordernisse gar nicht vor. Sie wird zwar durch das Gesetz ermöglicht, ist aber bei den Finanzmitteln nicht vorgesehen. Daher schrumpft das Gesetz tatsächlich auf ein Vorhaben zur Finanzierung von Vorfeldorganisationen von Parteien ab einer bestimmten Größe, nämlich ab 20 000 Senioren-Mitgliedern.

Kollege Graf versucht an dieser Stelle mit der Reparatur anzusetzen (Abg. Dr. Graf: Das kann man nicht reparieren!), indem er diese Zahl verändert. Aber den Strukturfehler, daß es sich letztlich um Großorganisationen handeln muß, beseitigt man dadurch nicht. Das habe ich gemeint. Aber ich will mich jetzt gar nicht damit intensiv auseinandersetzen, Kollege Graf, denn das ist nicht das wirkliche Problem. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Ich habe gesagt, daß Sie eine Reparatur dieses Gesetzes versuchen, daß ich es aber für unreparierbar halte. Das ist kein so starker Widerspruch. (Abg. Dr. Graf: Das ist eine Frage der Ausdauer! Sie haben halt keine!)

Wenn man sich ansieht, wie Senioren definiert sind, wird einem sozusagen auch nicht gerade besser, weil dies Menschen über 55 beziehungsweise 60 Jahre sind – wieder eine unspezifische, merkwürdige Differenzierung. Gerade beim Merkmal Senioren hätte man sich vielleicht auf ein einheitliches Alter einigen können, zumal Sie ja ohnedies auch jeden beliebig jüngeren Menschen zu den Senioren zählen, sofern er eine Pension bezieht. (Abg. Böhacker: Das ist dann der junge Alte!)

Ein 30jähriger Pensionist fällt unter das Bundes-Seniorengesetz. Aber Sie treffen eine Differenzierung beim Alter nach dem Geschlecht. Denn nur aufgrund des Merkmales Lebensjahre zählen Sie Frauen nach Ihrer Weltsicht mit 55 Jahren und Männer mit 60 zu den Senioren. Das kann aber mit dem Pensionsantrittsalter gar nichts zu tun haben, weil Sie jeden Pensionisten, unabhängig davon, wie alt er ist, sei er 30, 40 oder 50, zu den Senioren zählen. Wenn Sie mir jetzt vielleicht als Ausrede entgegenhalten, Sie hätten dies wegen des unterschiedlichen Pensionsantrittsalters so festgelegt, dann muß ich sagen, daß dies nicht stimmen kann, weil dieses Argument sachlich absolut unrichtig ist.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 73

Noch dazu steht es im selben Paragraphen, im selben Absatz, allerdings ist es eine andere Ziffer. So weit werden Sie ja noch zwischen den Zeilen lesen können!

Das heißt, daß Sie in Wirklichkeit über die Definition "55 Jahre", "60 Jahre" diskriminieren und all jenen, die in der Welt der Vorurteile leben, erneut Vorschub leisten, was die Altersarbeitslosigkeit anlangt. Sie dürfen sich dann natürlich nicht wundern, daß über 40jährige Frauen bereits tendentiell von der strukturellen nachhaltigen Altersarbeitslosigkeit betroffen sind, denn 55 Jahre weniger 15 Jahre, das sind 40 Jahre. Und bei den Männern sind es 60 Jahre, da fängt es eben erst später an, denn die Frauen gehen ja auch früher in Pension. – Und das legen Sie in einem Bundes-Seniorengesetz fest, das angeblich hehren Zielen dient!

Abgesehen davon finde ich die Tatsache, daß Sie das Pensionistendasein als Merkmal für die Senioren verwenden, auch sehr eigenartig. Ich weiß schon, daß im Regelfall Senioren in irgendeiner Weise Pensionisten sind, aber nicht alle alten Menschen sind Pensionisten im Verständnis Ihres Gesetzes und nicht alle Pensionisten, nämlich die jungen, sind Senioren.

Daher dient das ausschließlich als Vorwand, 20 Millionen Schilling auf Großorganisationen umzuverteilen. Und das ist offenbar abgegriffen. Sie haben ja dankenswerterweise gesagt, Herr Kollege Seidinger, daß auch der Alt-Stadtrat der Freiheitlichen aus Graz mitgewirkt hat. Also Sie haben die Großorganisationen eingeladen, und diese haben Ihnen ihre Organisationsmerkmale mitgeteilt, welche Sie dann in das Gesetz geschrieben haben.

Leider ist Kollege Khol jetzt nicht da. Es tut mir wirklich leid, denn ich glaube, er muß da irgend etwas schlichten.

Das versteht offenbar die ÖVP unter BürgerInnengesellschaft. Großorganisationen ab 20 000 Mitgliedern – das ist die selbstorganisierende Gesellschaft, das sind die "kleinen" Vereinsstrukturen, die sich bemühen, etwas direkt vor Ort zu lösen! 20 000 Mitglieder! Das ist die Größe einer Stadt mit eigenem Statut. Es ist interessant zu sehen, wie jemand, der von BürgerInnengesellschaft spricht, wie Klubobmann Khol damit offenbar die etatistische BürgerInnengesellschaft meint, die noch dazu ausschließlich auf Großorganisationen abstellt. (Abg. Dr. Schmidt: Seine "Alternative" ist der Publikumsbeirat!)  – Richtig!

Wenn man sich anschaut, was es mit diesem Bundesseniorenbeirat auf sich hat, dann muß man sagen: Er ist ein Musterbeispiel a) für die österreichische Farbenlehre und b) für die sogenannte Primzahlarithmetik! Die Zahl 2 ist leicht herstellbar, denn das ist der Proporz. Es gibt 19 Mitglieder auf Vorschlag der Seniorenorganisationen, und zwar im Verhältnis zur Zahl ihrer Mitglieder. Also die Großorganisationen müssen sozusagen permanent die Zahl ihrer Mitglieder melden, damit das proportional bleiben kann. Also Proporz für 19 Mitglieder!

Dann gibt es drei Mitglieder auf gemeinsamem Vorschlag der Länder. Das ist das einzige, worüber ich mich klammheimlich freue. Jetzt wird die Landeshauptleutekonferenz mit der Landeshauptfrau Klasnic, die sich Landeshauptmann nennt, und ihren Kollegen aus neun drei machen müssen, denn drei dürfen sie gemeinsam vorschlagen. Sie werden sehen, daß das witzig werden wird! Das wird zu einem Abtausch führen müssen, denn – da werden Sie das Überlaufgefäß brauchen – das heißt nämlich: drei Mitglieder auf gemeinsamem Vorschlag des Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes. Also diese beiden Privatvereine gewinnen offenbar immer mehr rechtliche Relevanz. (Abg. Wurmitzer: Das sind keine privaten Vereine!) Aber natürlich sind es Privatvereine! (Abg. Wurmitzer: Sie sind in der Verfassung festgeschrieben! Lesen Sie nach!)  – Kollege Wurmitzer! Wenn Sie jetzt geschwiegen hätten, wäre es besser gewesen. (Abg. Schwarzenberger: Warum werten Sie die Seniorenorganisationen so ab?) Ich werte die Seniorenorganisationen nicht ab!

Ich habe nichts dagegen, daß es Massenorganisationen gibt. Aber tun Sie nicht so, als ob es nur Massenorganisationen gäbe, als ob es nicht auch Initiativen vor Ort gäbe. Wollen Sie all diese unter Dachverbänden sammeln, damit Sie sie auf Parteilinie bekommen können? Ist das die Idee? Die alten Leute verlieren ja das Stimmrecht nicht, Herr Kollege Seidinger, und wenn es dereinst 33 Prozent sein werden, dann ist das eine große Zielgruppe; das verstehe ich schon.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 74

Die Leute werden das Stimmrecht haben, und sie werden wählen. Und da ist es vielleicht besser, daß man sie in Vorfeldorganisationen vergattert und das Ganze finanziert, damit man sie besser ... (Zwischenruf bei der SPÖ.)  – Nein, Herr Kollege, das ist ein Vorurteil, das Sie haben, weil Sie in Ihrer strukturierten Welt nicht anders denken können.

Drei Mitglieder auf gemeinsamem Vorschlag des Städtebundes und des Gemeindebundes: Es wird auch witzig werden, wenn sich der Städtebund und der Gemeindebund in stundenlangen Sitzungen auf drei Mitglieder, die sie vorschlagen dürfen, einigen müssen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ist das ein Privatverein oder nicht?)

Es gibt keine zwingende Mitgliedschaft. Man kann dort dabei sein, muß es aber nicht. Es ist eine Hilfsgröße; Kollege Graf wird mir da vielleicht recht geben. Es ist sozusagen eine Hilfsgröße. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ein Zwischending!) Wir haben ja mittlerweile ein Bundesverfassungsermächtigungsgesetz beschlossen, sodaß diese Vereine im Konsultationsmechanismus eine eigene Rolle haben. Und da war uns im Verfassungsausschuß allen mulmig, mehr als mulmig, denn die Frage, mit welcher Legitimation solch eine Organisation tatsächlich für die Gemeinden spricht, mußte unbeantwortet bleiben.

Auch die Landeshauptleutekonferenz ist kein Organ, sondern der Zusammenschluß von Landeshauptleuten. Es ist sinnvoll, daß sich solche Leute treffen und koordinieren. Aber wenn man ihnen auf einmal eine Funktion gibt – den Landeshauptleuten, der Landeshauptfrau –, nämlich drei für den Beirat zu ernennen, dann ist das (Ruf bei den Freiheitlichen: Schwammig!) "steil" – schwammig auch, aber "steil" –, denn es müssen sich jetzt die neun wichtigsten Repräsentanten unserer Bundesländer in einer Sitzung treffen, um drei Mitglieder vorzuschlagen, die dann der Bundeskanzler ernennt.

Die Ernennung ist außerdem nicht sehr haltbar, das sieht man anhand des § 9. Sie kann nämlich jederzeit widerrufen werden, wenn das die entsendende Stelle vorschlägt. Das sind sozusagen die neuen Mandate auf Zeit. Da wird man hingeschickt, auf vier Jahre bestellt (Abg. Dr. Graf: Fünf Jahre!)  – Entschuldigung, fünf Jahre –, aber wenn die entsendende Stelle, die vorgeschlagen habende Stelle, zum Beispiel der Seniorenverein X oder die Landeshauptleutekonferenz Y, sagt, dieses oder jenes Mitglied habe sich nicht bewährt, dann kann es zurückgezogen werden, dann widerruft der Bundeskanzler die Ernennung.

Außerdem – und das ist ganz, ganz "giftig" – steht in Ziffer 5 des § 9, daß Mitglieder und Ersatzmitglieder auch wegen schwerer körperlicher oder geistiger Gebrechen abberufen werden können, wenn sie aufgrund dessen zu einer ordentlichen Funktionsausübung unfähig sind. – Wenn Sie das in ein Seniorengesetz hineinschreiben, dann ist das entlarvend! Daß jemand aufgrund schwerer körperlicher Gebrechen die Geschäftsfähigkeit verliert, brauche ich nicht ins Gesetz zu schreiben, denn dann wird er keine Funktion mehr wahrnehmen können, dann wird er vielleicht sogar unter Rechtsbeistand gestellt werden müssen. Das ist alles bitter genug, aber es kommt im Alter leider häufiger vor, als es uns lieb ist.

Aber wenn Sie in ein Gesetz ausdrücklich hineinschreiben, daß schwere körperliche Gebrechen zu einer Funktionsenthebung führen können, dann frage ich Sie: Was wollen Sie damit zum Ausdruck bringen? Welche Botschaft wollten Sie den Senioren damit senden?

Mit dieser Frage möchte ich meine Rede schließen, Herr Kollege Seidinger: Welche Botschaft wollten Sie den Senioren damit senden? (Ruf bei der SPÖ: Eine positive!)  – Daß man sie nur so lange im Beirat behalten kann, solange sie nicht zu deppert sind? Das steht nämlich so da! (Zwischenruf des Abg. Seidinger. ) Das wäre nicht notwendig gewesen, denn es ist geltendes bürgerliches Recht, daß jemand, wenn er seine Eigenmacht verliert, dann solche Funktionen nicht mehr ausüben kann. Das hätten Sie nicht machen müssen. Damit haben Sie gezeigt, daß das, was hier geschieht, sehr leichtfertig ist – noch dazu, wo Sie es nicht definieren. Im übrigen, zu Ihrem Trost gesagt: Es ist auch kaum definierbar. Aber deswegen ist es ja auch so "giftig", weil es nämlich der beliebigen Auslegbarkeit anheimgestellt ist. Der Bundeskanzler kann unter diesem Titel nach Wohlmeinung – ich sage einmal: nach Wohlmeinung! – unangenehm


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 75

gewordene Beiratsmitglieder abberufen. Irgendein Gutachter wird sich finden – und wenn es Dr. Gross ist! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.38

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Kier! Sie haben die Frage gestellt: Welche Botschaft soll dieses Gesetz den älteren Menschen übermitteln? Ich darf Ihnen die Antwort darauf geben: daß sie gleichberechtigte, wertvolle und voll anerkannte Mitglieder unserer Gesellschaft sind. Das ist die Botschaft! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kier: Sind sie das jetzt nicht? – Abg. Hans Helmut Moser: Brauchen wir dazu ein Gesetz?)

Auch wenn Kollege Kier seine gesamte Spitzfindigkeit aufgewendet hat, um dieses Gesetz madig zu machen, sind seine Argumente mehr als schwach. Ich werde Ihnen das beweisen!

Zunächst einmal zur Zahl 20 000: Wenn man von 2 Millionen Senioren in Österreich ausgeht, dann sind 20 000 1 Prozent, und das ist keine hohe, sondern eine sehr niedrige Hürde, viel niedriger, als sie bei politischen Wahlen mit 4 Prozent gegeben ist. – Erstens. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: Kollege Kier hat hier von Apparateförderung gesprochen. Wenn man Seniorenorganisationen als Parteiapparate betrachtet (Abg. Dr. Kier: Als Vorfeldorganisationen!), dann ist seine Argumentation verständlich. Seniorenorganisationen sind aber selbst entstandene, ehrenamtliche Serviceeinrichtungen und keinesfalls mit einem Parteiapparat zu vergleichen! Auch in diesem Fall geht sein Argument daneben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn hier festgestellt wird, der Dachverband solle die Agenden des Bundeskanzleramtes übernehmen, dann muß ich sagen: Wir vertreten die Selbstverwaltung, wir sagen ja dazu. Daher stimmen wir auch dieser Bestimmung zu!

Insgesamt gesehen ist der heutige Beschluß über das Bundes-Seniorengesetz ein wichtiger Meilenstein in der österreichischen Seniorenpolitik. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Erstmals erhalten, Herr Kollege Graf, die österreichischen Senioren damit eine Interessenvertretung und ein Mitspracherecht auf gesetzlicher Basis. Das hatten sie bis heute noch nicht, und das entspricht auch der demographischen Entwicklung. Denn heute gibt es dreimal so viele über 60jährige als noch vor hundert Jahren, und der Anteil der über 80jährigen ist heute 20 Mal so hoch wie vor 100 Jahren.

Man muß auch feststellen, daß die Gruppe der Älteren in sich altert. Im Jahre 1955 waren 28 000 Personen in Österreich über 85 Jahre alt, im Jahre 1998 sind es 147 000 Personen, und im Jahre 2050 werden es wahrscheinlich 424 000 Personen sein. Und wenn es stimmt, was uns die Genforscher prognostizieren, dann ist in Zukunft mit einer Lebenserwartung zu rechnen, die um die 100 bis 150 Jahre liegt, und das eröffnet neue Perspektiven. Es verändert sich also auch die gesellschaftliche Realität von Tag zu Tag, und darauf muß der Gesetzgeber Rücksicht nehmen.

In Österreich leben 1,758 Millionen Menschen, auf die der Seniorenbegriff dieses Gesetzes zutrifft. Daß wir im Gesetz eine Unterscheidung zwischen Frauen und Männern vorgenommen haben, entspricht dem geltenden österreichischen Pensionsrecht. Daher stehen wir auch dazu.

Man muß auch bedenken, daß die Gruppe der Senioren heute schon ein Drittel der Wahlberechtigten in unserer Republik ausmacht und insgesamt über eine Kaufkraft von 250 Milliarden Schilling pro Jahr verfügt. Es geht also darum, daß man den Menschen, die in einem höheren Lebensalter sind, eine entsprechende Teilhabe und Mitsprache an den gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen einräumt. Es geht auch um den Generationenvertrag, denn die Hilfe im Alter muß für uns eine zuverlässige und erwartbare Leistung der Politik bleiben.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 76

Bisher war es so, daß die Seniorenorganisationen der politischen Parteien die sich selbst organisiert haben, ehrenamtlich und unentgeltlich den älteren Menschen Beratung, Service und Beistand geboten haben und für die älteren Menschen in diesem Staat den Kampf gegen die Einsamkeit geführt haben. Ich stehe nicht an, allen Seniorenorganisationen, wie immer sie heißen und wo immer sie tätig sein mögen, offiziell Dank und Anerkennung von dieser Stelle aus auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Man hat aber natürlich auch die eigenen Grenzen erkannt, und man braucht heute auch aufgrund der Größe dieser Organisationen die öffentliche Unterstützung. Daher war es ein langjähriges Bestreben, eine entsprechende gesetzliche Basis zu schaffen. Ich möchte den beiden Pionieren – das sind der Bundesobmann Stefan Knafl und der Bundesobmann Pöder –, aber auch dem Bundesobmann des Rings freiheitlicher Senioren herzlich danken für ihre Pioniertat. Sie haben durchgesetzt, daß es heute so weit ist, daß wir ein Bundes-Seniorengesetz beschließen und einen Bundesseniorenbeirat mit 35 Mitgliedern einrichten können.

Es wird nicht die Sorge sein, wer dort vertreten sein wird, sondern es wird darauf ankommen, auf welche Art und Weise die Anliegen der Menschen vertreten werden, und zwar, daß man zu Gesetzentwürfen Stellung nimmt, daß man die Beurteilung von Seniorenprojekten sach- und fachgerecht durchführt, daß man an der Gestaltung von Richtlinien mitwirkt und daß man insgesamt auch Vorschläge für das positive Zusammenleben mit der älteren Generation einbringt. Wir brauchen die Mitarbeit, wir brauchen die Vorschläge der älteren Menschen. Daher ist es wichtig, daß sie auch ein Vorschlagsrecht bezüglich der sozialen Umstände in unserem Staat, der kulturellen Bedingungen, der gesundheitspolitischen Lebensbedingungen und auch der wohnbaupolitischen Lebensbedingungen haben. Das ist unser Beitrag zum "Jahr der älteren Menschen", das im Jahr 1999 von der UNO ausgerufen werden wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wollen eine Politik von Senioren, für Senioren und eine Politik gemeinsam mit den Senioren dieser Republik haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.45

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mein Vorredner hat als Sinn und Anliegen des vorliegenden Bundes-Seniorengesetzes genannt, man wolle damit den SeniorInnen signalisieren, daß sie gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft seien. Es wäre sehr traurig, wenn wir dazu ein Gesetz bräuchten, das im Jahr 1998 erlassen wird. Ich war der Meinung, daß ältere Menschen selbstverständlich gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft sind.

Ich sehe in diesem Bundesgesetz eher einen Beitrag dazu, zwischen Seniorinnen und Senioren nach ihrer parteipolitischen Provenienz zu differenzieren und auch quasi neue Parteiförderungsmittel zu schaffen, den Organisationen der Seniorinnen und Senioren, die den Regierungsparteien und allenfalls auch der FPÖ – Abgeordneter Wurmitzer hat das ja explizit genannt – nahestehen, extra Parteiförderungsmittel zukommen zu lassen, denn die Parteiförderung scheint ja für die Regierungsparteien zu knapp geworden zu sein. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Eingangs ein Wort zur Legistik dieses Gesetzes. Herr Staatssekretär! Die Legistik dieses Gesetzes scheint wieder einmal unter jeder Kritik zu sein. Ich finde es wirklich bemerkenswert, daß wir einerseits in diesem Hause immer wieder Tagungen mit VertreterInnen aus der Wissenschaft haben, die die Normenflut und auch die schlechte Qualität der Legistik beklagen – die Frau Abgeordnete Frieser und auch einige andere aus diesem Hohen Hause tun das ja auch immer wieder –, und dann anderseits solche Gesetze herauskommen.

So ist etwa im § 25 der Verweis enthalten, daß dieses Bundesgesetz, wenn es sich auf andere Bundesgesetze bezieht, die jeweils geltende Fassung meint. Dazu muß ich sagen: No na meint es die jeweils geltende Fassung! Herr Staatssekretär, was soll dieser Hinweis? Es kann dieses


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 77

Bundesgesetz auf nichts anderes Bezug nehmen, beziehungsweise dieser Verweis führt möglicherweise sogar in die Irre, denn wenn sich bei der Novellierung eines anderen Gesetzes, auf das hier verwiesen wird, etwas ändert, etwa auch an der Paragraphenbezeichnung, wollen Sie dann damit sagen, daß dieses Bundesgesetz in einem anderen Bereich, in einem anderen Gesetz derogieren kann? – Wohl doch nicht!

Das ist eine Legistik, die wirklich katastrophal ist, und ich kann mich bei der personellen Ausstattung, über welche das Bundeskanzleramt verfügt, nur wundern, welche Art von Regierungsvorlagen immer wieder zustande kommt.

Der § 26 spiegelt den Geist des Gesetzes wider, nämlich 1998 älteren Frauen mitzuteilen, daß man einmal mehr nur die männliche Form verwendet und sich das dann halt auf beide Geschlechter bezieht. Inhaltlich schaut es dann genauso aus, wie es Abgeordneter Kier skizziert hat. Die Differenzierungen zwischen Männern und Frauen sind unsachlich, durch nichts zu rechtfertigen und mir auch völlig unverständlich. Wie gesagt, nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis, daß Frauen ein Recht darauf haben, mit der weiblichen Bezeichnung angesprochen zu werden, und daß es nicht wenige Frauen gibt, die darauf Wert legen. Ich verstehe nicht, warum wir dieses Recht, das wir als Abgeordnete dieses Hohen Hauses hier in einer Geschäftsordnung verbrieft haben und auf welches wir auch großen Wert legen, den Seniorinnen in Österreich nicht zugestehen. Das findet bei mir kein Verständnis! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. )

Aber anscheinend werden Frauen immer noch – vor allem bei der älteren Generation ist das der Fall – als Anhängsel ihrer Männer gewertet, und dann wundert einen diese Diktion des Gesetzes natürlich schon weniger.

In der Sache kann ich mich wirklich nur der absolut zutreffenden Kritik des Abgeordneten Kier anschließen. Ich finde es wirklich ungeheuerlich, daß man bei der Größe der Organisationen ganz unverhüllt die Vorfeldorganisationen der Regierungsparteien im Auge hat, die dann natürlich almosenartig auch anderen Organisationen Geld zukommen lassen können.

Es ist das Hauptanliegen von älteren Menschen, es ist auch das Hauptanliegen von behinderten Menschen, selbstbestimmt leben und selbst über finanzielle Mittel verfügen zu können. Es wäre auch absolut möglich – und zwar ohne die von Ihnen befürchtete riesig große Organisation –, ein Modell zu entwickeln, das eine temporäre Vertretung von Interessen durch verschiedene Vereine vorsieht und das es verschiedenen Vereinen ermöglicht, an einer zentralen Willensbildung und an der Verteilung von Mitteln entsprechenden Anteil zu haben. Das Beglücken von oben her nach Gutdünken der Regierungsparteien ist wirklich nicht das, was sich Vereine und Organisationen älterer Menschen in Österreich verdient haben. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. )

Es folgt ein Punkt, den ich als Beweis dafür werte, daß es nur quasi um eine Ausweitung der Parteienförderung geht. Damit Sie nicht für SeniorInnenorganisationen Gelder aus Ihren Parteischatullen abzweigen müssen, schaffen Sie ein Modell, das eindeutig nur die Regierungsparteien und allenfalls die Freiheitliche Partei im Auge hat. Damit diese aber bei der Willensbildung nicht allzusehr mitbestimmen kann, ist Ihnen für den Dachverband etwas eingefallen, das noch "großartiger" ist.

Einerseits ist es wieder die Legistik. Ich lese Ihnen den einschlägigen Satz vor, damit auch alle, die nicht im Ausschuß waren, wissen, wie dieses Gesetz textiert ist. § 24 (1) lautet: "Schließen sich Senioren organisationen" – also wieder nur die männliche Form – zu einem Dachverband im Sinne des Vereinsgesetzes 1951 ... zusammen und sind auf Vorschlag der dem Dachverband angehörenden Seniorenorganisationen insgesamt mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Bundesseniorenbeirates gemäß § 4 ... bestellt worden und gehören nach den Statuten des Dachverbandes diese Mitglieder dem Vorstand des Dachverbandes an, so ist der Bundeskanzler ermächtigt, mit dem Dachverband einen Vertrag abzuschließen" und dem Dachverband Rechte zu übertragen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 78

Das heißt, innerhalb der Großen wird noch einmal die Zweidrittelmehrheit sichergestellt. Das ist der Spiegel der großen Koalition nun auch im Bereich der Organisationen älterer Menschen.

Man höre und staune, was dieser Dachverband kann: Förderungen vergeben und diese Förderungen selbst kontrollieren! Das ist ein Prinzip, das wirklich ungeheuerlich ist. Damit haben Sie eine Kontrolle jener Stelle, die Förderungen ausschüttet, nach dem rot-schwarzen Proporzprinzip, und das war es dann auch. Wissen Sie, was das für ein Kontrollmodell ist? – Dieses Kontrollmodell ist eben durch die Medien gegangen: Es ist das Kontrollmodell Rosenstingl! Das aber lehnen wir ab. (Beifall bei den Grünen.)

13.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Haller. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.53

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, daß die ältere Bevölkerung nicht nur in Österreich generell im Zunehmen begriffen ist und daß die ältere Bevölkerung, nennen wir sie Senioren oder Pensionisten, mit einem zu kämpfen hat: Wenn die Senioren aus der Berufstätigkeit herausgerissen werden, haben sie vor allem eine Sinnhaftigkeit im Leben zu finden, die ihnen durch den Verlust der Berufstätigkeit verlorengegangen ist.

Deshalb erachte ich es persönlich als sehr wichtig, daß sich ältere Menschen in Seniorenorganisationen betätigen. Wir sehen auch immer wieder, daß der Zuspruch in diesen Bereichen immer größer wird, weil auch ältere Menschen das Gefühl brauchen und haben wollen, noch gebraucht zu werden und mitreden zu können. Die Möglichkeit, auch politisch mitreden zu können, wird ihnen mit dem Gesetz, das heute zur Beschlußfassung ansteht, endlich genehmigt.

Dieses Gesetz stellt ohne Frage ein Bindeglied zwischen dem derzeit bestehenden Seniorenbeirat und den politischen Entscheidungsträgern dar. Bisher war es so, daß sich die älteren Menschen in der Politik schlecht vertreten gefühlt haben. Das haben wir immer wieder hören müssen, vor allem bei den Senioren. Sie haben oft versucht, sich politisch zu Wort zu melden.

Herr Kollege Kier! Ich denke, daß ein Seniorengesetz, ein Gesetz zur Förderung der Anliegen von älteren Menschen, an sich ein sehr richtiges Signal ist. Darin, daß es in seinen Details nicht so geworden ist, daß man es als "ideal" bezeichnen kann, geben wir Ihnen recht. Deswegen haben wir einen Abänderungsantrag eingebracht. Wir sind eben – im Unterschied zu Ihnen – der Meinung, daß das Gesetz reparaturfähig ist. Wir möchten Sie alle auffordern, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen jetzt etwas, wodurch auch die Ausführungen des Kollegen Seidinger erklärt werden, in denen er hier betont hat, daß zum einen unser ehemaliger freiheitlicher Stadtrat Matzka an diesem Gesetz mitgewirkt hat und zum anderen Kollege Graf im Ausschuß – als Verfassungsrechtler – eine andere Gangart vorgeschlagen hat. Dazu möchte ich sagen, daß es in unserer Partei gestattet ist – auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen –, daß auch unterschiedliche Meinungen akzeptiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: In Zukunft nimmer! Da müßt ihr unterschreiben, eine Meinung zu haben! – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir haben aber feststellen müssen ... (Abg. Dr. Kostelka: Und in Salzburg? Vorsicht! – Weitere Zwischenrufe.) Ich sage das ganz bewußt, und Sie können darüber lachen, aber in zwei Jahren werden wir sehen, wer dann lacht, Herr Klubobmann! – Die älteren Menschen haben sich bei uns mit ihrer Meinung durchgesetzt. (Abg. Dr. Stippel: Haben Sie den Vertrag schon unterschrieben?) Daran ist nichts Schlechtes, Herr Kollege!

Auch unsere Senioren wollen das Gesetz. Daß es Kritikpunkte gibt, steht außer Zweifel, aber es ist keineswegs so, wie es Frau Heide Schmidt sagt, nämlich daß das eine schamlose Zumutung sei und daß man nur so tue, als ob damit für Senioren etwas Positives geschehe. Das sehen wir wirklich nicht so. Selbstverständlich ist es ein Kritikpunkt, daß der Zugang von 20 000 Mit


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 79

gliedern zu hoch angesetzt ist. Aber ich bin nicht der Ansicht der Frau Kollegin Petrovic, die meint, daß auch Selbsthilfegruppen im Verband vertreten sein sollten. Von der Mittelverwendung sind diese Gruppen ja ohnehin nicht ausgeschlossen, nur sollen sie in diesem Gremium nicht dabeisein.

Auch darüber, daß man bei der Kurie über das Ziel hinausgeschossen hat, besteht kein Zweifel. Mir tut das persönlich leid, weil dadurch der Eindruck entsteht, daß es hierbei wieder einmal um eine Art Proporzgesetz geht – bei dem ausnahmsweise einmal die Freiheitlichen ein bißchen dabei sind. Das tut mir wirklich leid, weil man es besser hätte machen können. Deshalb fordere ich besonders die beiden Regierungsparteien auf, auch unsere kritischen Argumente zu akzeptieren.

Wir sind nicht so, daß wir Kleinigkeiten beanstanden, wie Frau Kollegin Petrovic es in bezug darauf getan hat, daß nur von "Senioren" die Rede ist. Für uns ist auch das unterschiedliche Alter, daß darin angeführt ist, kein Kritikpunkt. Nein, ich denke, daß es in Zeiten wie diesen um das politische Signal zu gehen hat, damit die älteren Menschen verstehen, daß sich die Regierung mit ihren Anliegen intensiv beschäftigen will. Da sind wir Freiheitliche dabei. Aber wir werden eine getrennte Abstimmung fordern. Dadurch werden wir dokumentieren, daß wir jenen Punkten, die auf ein Proporzgesetz schließen lassen, nicht zustimmen.

Ich möchte Sie im Interesse dieses Signals an die ältere Bevölkerung in Österreich – dies halte ich für politisch sehr, sehr wichtig – auffordern, auf diese unsere Kritikpunkte einzugehen und dem freiheitlichen Abänderungsantrag die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte, Herr Staatssekretär.

14.00

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie sich aus den Diskussionsbeiträgen ergeben hat, ist die Entwicklung der österreichischen Altersstruktur so, daß die Fragen der älteren Generation immer wichtiger werden und immer mehr an Beratungstätigkeiten erfordern. Ich denke, daß mit dem vorliegenden Seniorengesetz diese Beratungstätigkeit auch in Zukunft gewährleistet sein wird und daß es dabei nicht um die etwaige Finanzierung von Seniorenorganisationen im Vorfeld von Parteien geht, sondern daß diese Beratungstätigkeit neben den Mitgliedern dieser Organisationen auch Nichtmitgliedern zugute kommt. Das heißt, man bezahlt Leistungen, die weit über diese Organisationen und Verbände hinausgehen, sodaß auch Nichtmitgliedern diese Informationstätigkeit beziehungsweise entsprechende Information zukommt.

Darüber hinaus ergibt es sich aus der Kompetenzverteilung des Bundes, daß nur bundesweit tätige Seniorenorganisationen durch den Bund gefördert werden können. Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man, daß es laut letzter Erhebung des Statistischen Zentralamtes bei der Volkszählung in Österreich einen Anteil von 1,8 Millionen Senioren gibt. Wenn man nun die Mitgliederzahl, die nötig ist, um bundesweite Relevanz zu erhalten, mit 20 000 festlegt, dann entspricht das nicht einmal 1 Prozent der Gesamtanzahl der Senioren. Ich denke, 1 Prozent ist eine gerechtfertigte Größe, wenn man von einer bundesweiten Organisation sprechen will. (Abg. Öllinger: Wie viele Mitglieder hat die SPÖ Vorarlberg?)

Herrn Abgeordneten Kier möchte ich folgendes sagen (Abg. Öllinger: Die SPÖ Vorarlberg muß auch froh sein, wenn sie 1 Prozent hat!): Die Mittel werden nicht für die Organisation zur Verfügung gestellt, sondern im § 19 Abs. 1 steht ausdrücklich, daß sie "der Beratung, Information und Betreuung von Senioren" zukommen sollen. Das heißt, daß auch Nichtmitglieder in den Genuß dieser Informations-, Beratungs- und Betreuungsgelder kommen. In § 22 wird normiert, daß die widmungsgemäße Verwendung dieser Gelder im vorangeführten Sinne tatsächlich nachzuweisen ist. Zu etwaigen Bürokosten, die Sie hier monieren – daß solche hinzugekommen sein sollten –, darf ich darauf verweisen, daß bereits jetzt Bürokosten in Höhe von 500 000 S für Seniorenorganisationen abgegolten werden. (Abg. Öllinger: Das ist ja zum Weinen!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 80

Es stimmt auch nicht, daß hoheitliche Aufgaben – beziehungsweise die Verteilung der Mittel des Staates – erstmalig in einer privatrechtlichen Organisation untergebracht sind. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Bundessportorganisation verweisen: Dort findet dieses System ebenfalls – und noch dazu sehr erfolgreich – Anwendung.

Ich denke, es ist das ein Gesetz, das die Anliegen der älteren Menschen, der Senioren in diesem Land sehr wohl berücksichtigt und mit dem versucht wird, die entsprechende Entwicklung auch finanziell abzusichern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu diesem Tagesordnungspunkt ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Diese Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort wird von der Frau Berichterstatterin nicht gewünscht.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen also zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1257 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Abänderungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, und zwar in der Reihenfolge des Gesetzesvorschlages, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen. (Unruhe im Saal.)  – Ich möchte darauf hinweisen, daß die Debatte schon geschlossen ist!

Die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 2 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 2 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 3 Abs. 2 Z 3 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 3 Abs. 2 Z 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen, und ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 19 Abs. 3 Z 1 bezieht.

Für den Fall Ihrer Zustimmung zu diesem Abänderungsantrag bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 81

Wir kommen daher zur Abstimmung über diese Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Streichung des § 24 eingebracht.

So Sie dafür eintreten wollen, bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über die beantragte Bezeichnungsänderung der nachfolgenden Bestimmungen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 24 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Für den Fall Ihrer Zustimmung zum Gesetzentwurf in dritter Lesung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1064 der Beilagen): Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang (1256 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun den 5. Punkt der Tagesordnung auf.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist niemand gemeldet.

Wir treten daher sogleich in das Abstimmungsverfahren ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Anhang in 1064 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Für den Fall, daß Sie diese Genehmigung erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinhellig der Fall. Die Genehmigung ist somit erteilt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag gemäß Art. 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

So Sie dem Ihre Zustimmung geben wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist einhellig der Fall. Dieser Antrag ist somit angenommen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 82

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1185 der Beilagen): Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG (1242 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1165 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden (1243 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 768/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird (1244 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 449/A (E) der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Reform der Oesterreichischen Kontrollbank (1247 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 792/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ermächtigung zur Veräußerung von Anteilsrechten an der "Österreichischen Exportfonds Gesellschaft m.b.H." erteilt wird (1249 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 710/A der Abgeordneten Arnold Grabner, Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (1245 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe jetzt die Punkte 6 bis 11 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten daher in die Debatte ein.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.10

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute steht wieder eine Regierungsvorlage zur Übertragung von Bundesbeteiligungen an die ÖIAG auf der Tagesordnung. Ich bin sehr froh darüber, daß Herr Staatssekretär Ruttenstorfer an dieser Debatte teilnimmt, weil mit ihm eine sachliche und fachliche Auseinandersetzung denkbar ist – im Gegensatz zum Herrn Finanzminister, der permanent alle Redebeiträge von Abgeordneten, insbesondere wenn sie von der Opposition kommen, in sozialdemokratischer Manier abtut: Da putz ich mich ab, das streife ich nicht einmal an und ähnliches mehr.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 83

Einer seiner Wortverfechter ist Herr Abgeordneter Nowotny, der ihn überall und in jeder Phase absolut verteidigt und immer wieder meint, es sei in Österreich undenkbar, die Abgabenquote von derzeit beinahe 45 Prozent auch nur um 1 Prozentpunkt zu senken, denn das wären 25 Milliarden Schilling und das brächte den Staatshaushalt durcheinander. Ich frage mich nur, wie es in Holland möglich war, die Abgabenquote sehr wohl um 5 Prozentpunkte zu senken; aber in Österreich scheint das nicht möglich zu sein.

Daher ist es schon noch einmal einzufordern, daß ausgabenseitig sehr genau geprüft wird, wo Einsparungen möglich sind, wo Steuerquoten gesenkt werden können, ja müssen. Es kann nicht so sein, daß zwar Arbeiterkammerpräsident Tumpel einfordert, daß eine sofortige Lohnsteuersenkung zu kommen hat, er aber gleichzeitig durchaus Verständnis dafür aufbringt, daß diese Regierung in Erfüllung der Maastricht-Kriterien eben nicht vor dem Jahre 2001 – wie jetzt zu hören ist – überhaupt daran denkt, die Lohnsteuer auch nur um 1 S zu senken. – Ich halte das für skandalös. Eine solch lange Phase der Nichtkorrektur bei der Lohnsteuer hat es überhaupt noch nie gegeben!

Aus diesem Grund fordere ich die Regierung dazu auf, dem Parlament unverzüglich, spätestens jedenfalls bis zum Herbst, eine entsprechende Lohnsteuerreform – losgelöst von der Gesamtsteuerreform – vorzulegen, weil diese zur Schaffung von Arbeitsplätzen dringend notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wird auch immer wieder von "Privatisierung" gesprochen. Ich spreche lieber – das ist ehrlicher – von Ausgliederungen. Man entzieht der Kontrolle des Parlaments Bundeskapital, Bundesgeld. Das Dorotheum soll vorerst einmal in die ÖIAG übertragen werden, ohne zu wissen, wie hoch der Wert tatsächlich ist. Es wird bereits in der Öffentlichkeit stark kritisiert, daß das Dorotheum viel zu billig auf den Markt kommt. No na!, weil sich natürlich im Bereich der Gebäudebewertungen und ähnlichem mehr die Frage stellt, ob das zum tatsächlichen Verkehrswert oder zum Buchwert veräußert wird – so wie es da auch wieder der Fall sein soll.

Dasselbe geschah bei der Firma Steyr. Hätte es nicht die – ach so "böse" – Opposition in Österreich mit Bundesparteiobmann Dr. Haider gegeben, hätte der Herr Stronach die Firma Steyr um exakt 500 Millionen Schilling billiger bekommen. Um 500 Millionen Schilling mußte er sein Kaufangebot nachbessern, nachdem es zu einer öffentlichen Diskussion gekommen war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So ähnlich hat es sich beim Österreichischen Verkehrsbüro und bei anderen sogenannten Ausgliederungen verhalten, weil es nach wie vor nur in sehr bescheidenem Maße überhaupt möglich ist, privates Kapital einzusetzen. Das heißt, ich würde mir folgendes erwarten: Wenn es zu Privatisierungen kommt, dann soll der Erlös daraus zweckgebunden für Arbeitsplatzmaßnahmen verwendet werden und nicht immer nur zum Stopfen von Budgetlöchern. Es wurde ja schon wieder davon gesprochen, daß die 3 Milliarden Schilling Verkaufserlös von 1998/99 in das Budget einfließen sollen. Und von der sogenannten Technologieoffensive ist nichts, aber auch rein gar nichts spürbar.

Die österreichische Bauwirtschaft beklagt sehr massiv, daß es keine öffentlichen Aufträge gibt beziehungsweise nur sehr wenige. Der Generaldirektor und Präsident der Vereinigung der industriellen Bauunternehmungen Österreichs warnt vor einer Rekordarbeitslosigkeit am Bau. – Ich würde es mir in jener Budgetsituation, in der sich der Bund derzeit befindet, erwarten, daß es sich der Bund leistet, bauliche Maßnahmen vorzuziehen.

Das gilt auch in der Frage des Katastrophenfonds. Es gibt in den Ländern eine Liste von Wünschen, von denen immer wieder gesagt wird, sie seien nicht erfüllbar, weil die Mittel nicht vorhanden seien. Jetzt kann man dem Katastrophenfondsbericht entnehmen, daß 500 Millionen Schilling in das Budget retourniert werden. – Das ist nicht Sinn und Zweck des Katastrophenfonds! Ich betone hier noch einmal, was ich bereits im Ausschuß gesagt habe: Es kommt bei der Entschädigung einzelner Betroffener immer wieder zu radikalen Kürzungen, und zwar mit dem Hinweis, es wären nicht genügend Mittel vorhanden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 84

Es gibt zum Beispiel folgende zwei Fälle: In Osttirol sind jetzt zweimal hintereinander Murenkatastrophen eingetreten, und einen Fall gab es in Feld am See, wo der Schaden eines einzelnen ebenfalls 500 000 S betragen hat, die Entschädigung jedoch nur 20 000 S ausmachte. – Das kann doch bitte nicht im Sinne eines funktionierenden Katastrophenfonds sein.

Nunmehr zum Flughafen Wien-Schwechat, der jetzt auch zur Diskussion steht. Die Veräußerung des Flughafens erfolgt zu einer Zeit, zu der der Rechnungshof auf Malversationen draufgekommen ist, die sich etwa in der Größenordnung einer halben Milliarde Schilling abspielen. Ich meine, diese Veräußerung findet daher zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt statt. Es wäre viel vernünftiger, eine Privatisierung – eine echte Privatisierung! – dann anzustreben, wenn sich das Unternehmen in geordneten Verhältnissen befindet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist aber jetzt noch nicht der Fall. Und das haben ausschließlich Sie allein in der Regierung zu verantworten, weil Sie das jahrelang geduldet haben. Bei der AUA sitzt ja auch ein ehemaliger Bundesminister als Aufsichtsratsvorsitzender im Vorstand und ähnliches mehr. Wir Freiheitlichen erwarten einen unverzüglichen Bericht darüber, wie es in der Frage Veräußerung des Flughafens und Veräußerung der AUA-Anteile weitergehen soll.

Darüber hinaus würde uns interessieren, warum die Flughäfen in Graz, Klagenfurt, Salzburg, Innsbruck und Linz von diesen Privatisierungsüberlegungen ausgeschlossen sind. Weiters fordere ich auch bei all diesen Fragen der Privatisierung ein, daß diese nicht ständig auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird. Es ist immer wieder festzustellen, daß, sobald die Unternehmen ausgegliedert werden, Leiharbeiter eingestellt werden und es zu einer Reduzierung des Personals in erheblichem Maße kommt. Da dürfen wir nicht mehr länger zuschauen! (Demonstrativer Beifall des Abg. Jung. )

Es kann doch nicht so sein, daß ausschließlich die Mitarbeiter der Unternehmen, die jahrelang tüchtig gearbeitet haben, Privatisierungsopfer sind und letztlich vor der Tatsache stehen, zu schlechteren Bedingungen arbeiten zu müssen! Dem muß einmal ein Riegel vorgeschoben werden! So klar wir uns auch zu einer kapitalistischen Gesellschaft bekennen, indem wir sagen, das Geld muß fließen, sollen jedoch alle daran teilhaben dürfen und können. Es geht nicht an in einer funktionierenden Wirtschaft, daß ständig über Verschlechterungen für die Arbeitnehmer nachgedacht wird, gleichzeitig aber Bilanzen veröffentlicht werden, die – jetzt sage ich es einmal in aller Deutlichkeit – im Bereich des Unappetitlichen liegen.

Das geht von Kurssteigerungen bis hin zu Zuwächsen bei Exporten und ähnlichem mehr. Das einzige Minus aber, das immer wieder geschrieben wird, betrifft die Zahl der Mitarbeiter. Da erwarte ich mir von einer verantwortungsvollen Bundesregierung ein Umdenken, ein Umdenken auch im Interesse der österreichischen Wirtschaft, der heimischen Bevölkerung, die es verdient, ebenfalls am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Österreich ist ein Land – das wird immer wieder von allen betont –, das sehr erfolgreiche Exportoffensiven startet. Das heißt, wir sind international konkurrenzfähig, sonst würden uns unsere Partner im Ausland die Waren ja nicht abnehmen. Wir sollten daher darauf achten, daß wir in Zukunft in der Lage dazu sind, dieses Wirtschaftswachstum auch in Österreich zu ermöglichen. Schauen wir doch darauf, daß endlich die Teilnahme der österreichischen Arbeitnehmer und der Gewerbetreibenden, die teilweise wirklich schikanös behandelt werden – aber nicht weil die Beamten so "böse" sind, sondern weil es in Österreich eine viel zu große Gesetzesflut gibt; da wäre es notwendig, einmal zu durchforsten –, an diesem Wirtschaftswachstum möglich ist!

In den USA braucht man 10 Minuten und 10 Dollar, um ein Unternehmen gründen zu dürfen. – In Österreich braucht man Zigtausend Schilling, um von der Wirtschaftskammer überhaupt eine Genehmigung dafür zu bekommen. Dann dauert es zirka acht Monate lang, bis man die Genehmigung für eine Gewerbeberechtigung bekommt. Weiters benötigt man zwei Rechtsanwälte, zwei Steuerberater – und letztlich wahrscheinlich einen Arzt, weil man am Ende krank und nicht selbständig ist, wenn man das alles durchlaufen hat.

Es wäre daher Aufgabe der Politik und von uns allen, darüber nachzudenken, daß diesbezüglich europaweit eine Vereinheitlichung erfolgt. Es gibt Länder in der EU, die wesentlich bessere


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 85

Voraussetzungen haben. An denen sollten wir uns auch orientieren. Das wäre eine Aufgabe für die Zukunft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gaugg hat ununterbrochen von Privatisierung gesprochen. Das, was wir heute beschließen, ist keine Privatisierung, und es soll auch keine Privatisierung sein (Abg. Mag. Peter: Aber schon!) , sondern es ist das eine Übertragung von Anteilsrechten des Bundes an die ÖIAG, weil wir davon ausgehen, daß die ÖIAG mit ihrem Know-how diese Anteilsrechte besser wahrnimmt, als das zurzeit unmittelbar im Rahmen der Hoheitsverwaltung der Fall ist. Es geht aber nicht um Privatisierung. Das muß einmal klargestellt werden. (Abg. Mag. Peter: Das wäre gut, wenn es auch darum ginge!)  – Nein, ich halte das nicht für gut, und ich werde noch begründen, warum.

Ich meine – bevor ich auf das Thema Flughafen eingehe –, sagen zu können: Ich halte diesen Schritt deshalb für wesentlich, weil damit auch signalisiert wird, daß die ÖIAG eben nicht nur eine reine Privatisierungsagentur sein soll und ist, sondern daß die ÖIAG auch langfristig Anteile in der Lage zu halten ist, diese strategisch verwaltet und hält, genauso wie das in vielen wohlentwickelten Wirtschaften anderer EU-Staaten, wie etwa in Deutschland, Italien oder Frankreich der Fall ist.

Noch einmal – jetzt ist ja Kollege Gaugg wieder da –: Es geht eben nicht um eine Privatisierung, sondern um eine Übertragung der Anteile vom Bund in das Eigentum der ÖIAG.

Weiters: Was die Veräußerung dieser Anteile seitens der ÖIAG betrifft, ist im Gesetz festgeschrieben, daß die ÖIAG die Anteilsrechte wahrnehmen, und zwar längerfristig wahrnehmen soll. Wenn man das ändern will, so wird man das vermutlich im Gesetz ändern müssen, und dann gilt immer noch die Prozedur des Privatisierungsgesetzes. Auch das ist wichtig, festgehalten zu werden.

Ich meine, daß es auch wichtig ist, daß die Flughafen-Wien AG weiter mit hohem Einfluß der öffentlichen Hand ausgestattet bleibt, weil sie eine bedeutende Infrastrukturgesellschaft ist und weil man auch von internationaler Ebene her weiß, daß Flughäfen üblicherweise nicht nur privat geführt werden. In Europa wird nur der Londoner Flughafen zu 100 Prozent privat geführt, und die Anteile werden zu 100 Prozent privatisiert, alle anderen Flughäfen, die an der Börse notieren, sind zu wesentlichen Anteilen in öffentlicher Hand. Viele große Flughäfen, insbesondere die US-Flughäfen, sind immer noch durch Staaten oder Städte in der öffentlichen Verwaltung und werden trotzdem nicht schlecht geführt.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns endlich einmal abgewöhnen, davon auszugehen, daß all das, was in öffentlicher Hand ist – überall dort, wo die öffentliche Hand noch einen entsprechenden Anteil hat –, automatisch schlecht geführt wird. Gehen wir doch endlich einmal den Weg, zu versuchen, daß auch im Bereich der öffentlichen Hand gut geführt wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin überzeugt davon, daß uns dieser Schritt auch gelingen wird. Er ist bereits in vielen Unternehmungen gelungen, und ich bin weiters überzeugt davon, daß wir die moderne Führung solcher Betriebe noch weiter ausbauen können.

Es sei noch dazugesagt, daß der Flughafen Wien für die umliegende Region sehr bedeutend ist. Die Flughafen-Wien AG beschäftigt 2 400 Arbeitnehmer, am Standort selbst sind 10 000 Arbeitnehmer beschäftigt, in der Region werden durch den Flughafen 20 000 Arbeitsplätze gesichert. Im Masterplan für das Jahr 2015 ist vorgesehen, daß am Standort selbst nicht 10 000, sondern 17 000 Personen, und in der Region 30 000 Menschen tätig sein werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 86

Eine Bemerkung noch zum Vorwurf, der Flughafen Wien sei in sogenannte Malversationen, in Bauskandale et cetera involviert. Es geht um eine Übertragung der Eigentumsanteile; das hat mit diesen Vorwürfen überhaupt nichts zu tun. Alle Prüfungen, die eingeleitet wurden – die vom Finanzminister angeregte Rechnungshofprüfung, die vom Aufsichtsrat angeregte Prüfung nach § 95 (3) Aktiengesetz und die Zusammenarbeit der internen Revision mit dem Untersuchungsrichter –, bleiben natürlich vollinhaltlich mitaufrecht.

Fallweise gab es Vorwürfe – das möchte ich auch im Interesse des Flughafens klarstellen –, daß der Flughafen Wien ein ungeheuer teurer Flughafen sei. – Auch das stimmt in dieser Einfachheit nicht: Es gibt eine Kostenstruktur, eine Preisstruktur und eine Tarifstruktur des Flughafens. Tatsächlich müssen nur die großen Flugzeuge im internationalen Vergleich etwas mehr zahlen, dafür müssen die mittleren und kleineren Flugzeuge weniger zahlen. Die großen Flugzeuge kommen bis zu 10 Prozent teurer. Man muß wissen, daß das etwa eine 4prozentige Kostenkomponente des gesamten Flugpreises ausmacht, das heißt, in Wirklichkeit geht es bei diesen größeren Flugzeugen um etwa 0,4 Prozent des gesamten Kostenvolumens – und das gilt auch nur für die ganz großen Flugzeuge.

Letzter Punkt: Es ist auch eine Übertragung der Anteile der AUA an die ÖIAG vorgesehen; hingegen ist nicht vorgesehen, daß Bundesanteile der AUA von der ÖIAG weiter veräußert werden, es werden jedoch die Bezugsrechte, die die ÖIAG dann haben wird, veräußert werden. Ich glaube, daß damit ein Schritt dazu gesetzt wird, daß die AUA weiter vernünftig investieren und daß der Höhenflug, in dem sich die AUA derzeit befindet, auch tatsächlich weitergehen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.25

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich nehme gerne den von Herrn Kollegen Kaufmann gesponnenen Faden auf: Privatisierung kann kein Dogma sein, Privatisierung muß dort stattfinden, wo sie sinnvoll ist – nur drehe ich die Beweislast um.

Ich meine, es ist gescheit, wenn man dem Staat den Auftrag gibt, eine Aufgabe zu erfüllen, so wie Sie es jetzt bei den Infrastrukturaufgaben gemacht haben. Wenn diese Aufgabe sinnvollerweise in staatlicher Hand besser erledigt werden kann, soll sie dort erledigt werden, aber wenn sie in staatlicher Hand nicht erledigt werden kann, soll das ein Privater machen. Ich glaube daher, das Dogma soll nicht zweiseitig sein: weder ein Dogma, daß staatlich besser ist, noch daß Privatisierung auf jeden Fall zu Vorteilen führt. (Abg. Mag. Kaufmann: Das ist schon ein Fortschritt für Sie!)  – Ich bin ja lernfähig! Ich bin auf dem Weg zu einem Senior, worüber wir ja heute bereits diskutiert haben! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Beifall des Abg. Dr. Stummvoll.  – Abg. Dr. Khol: Sie sind schon ein Senior?!)  – Nein, erst 50, Herr Dr. Khol! (Abg. Dr. Stummvoll: Noch nicht im "Klub"!)

Die Anteile von AUA und Flughafen gehen an die ÖIAG – das ist in Ordnung –, die diese Anteile verwalten wird. Ich setze nur folgendes hinzu: Es wäre klug, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob der Anteil des Bundes an der AUA so hoch sein muß. Wir sprachen in der Ausschußsitzung darüber, daß die Verkehrsrechte erhalten bleiben können, auch wenn österreichische Konsortien Eigentum halten, und daß folgende Frage zu stellen ist: Muß dieses Eigentum an der österreichischen Airline von staatlicher Seite so hoch sein? – Das sei zur Diskussion gestellt.

Nächster Punkt: Das Hypothekenbankgesetz und Pfandbriefgesetz bringen sicherlich eine sehr wesentliche Erweiterung der Möglichkeiten dieser betreffenden Institute. Daher werden wir Liberalen zustimmen.

Ich gratuliere Ihnen auch zum Garantiegesetz; da wurde ein wesentlich neuer Schritt gesetzt. Kapitalgarantien über Putoptionen abzusichern, heißt einfach, dem risikoscheuen österreichischen Anleger einmal das Nominalrisiko abzunehmen. Ich meine, hier ist eine gute Lösung


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 87

gefunden worden. Man sollte jedoch noch einen Schritt weitergehen und sich überlegen – so ähnlich, wie das bei den Mittelstandsbeteiligungsgesellschaften ist, bei denen ja die Verzinsung auf 200 000 S KESt-frei ist –, ob man diesen Betrag erweitern kann, um die Situation für österreichische Anleger attraktiver zu machen, nämlich nicht in Staatspapiere zu investieren, sondern sich über solche Fonds – jetzt, da das Nominalrisiko weg ist – bei Unternehmen zu beteiligen. Wenn man hier noch eine KESt-Befreiung der Erträge über 200 000 S Nominale einführt, hätte man einen größeren Spielraum und böte so mehr Attraktivität, daß Geld direkt in die Betriebe fließt. Wir haben in Österreich heute immer noch ein Nahezu-Monopol der Banken auf die Geldkapitalbildung. Ich halte das nicht für richtig, ich halte das nicht für europakonform.

Der nächste Punkt betrifft die Frage der Reform der Kontrollbank. Professor Van der Bellen hat im Ausschuß einen Antrag gestellt, der leider abgelehnt wurde. Wir stimmen Ihrem Antrag zu, werden also diesen Ausschußbericht ablehnen. Ich bin der Meinung, daß die gemeinsame Beteiligung von CA und Bank Austria, die jetzt bei 43 Prozent liegt, unter 25 Prozent fallen sollte. Es ist nicht gut, wenn ein Institut an einer Kontrollbank, die ja eine Gemeinschaftsbank, eine Gemeinschaftshaftungsbank vieler Banken ist, über der Sperrminorität liegt. Die CA hatte 24,75 Prozent, die Bank Austria hat immer noch 18,14 Prozent inne. Um diesen Betrag sollte man meiner Ansicht nach hinuntergehen, um unter der Sperrminorität zu bleiben.

Was mich wirklich betroffen macht, Herr Staatssekretär, ist die Frage der Haftungen, die Österreich eingegangen ist beziehungsweise weiterhin eingeht. Man kann mit Haftungen natürlich Exportpolitik betreiben und viele Exporte ermöglichen, die ohne Haftungen nie zustandegekommen wären. Die Frage, die Sie meiner Ansicht nach zu kurz und ungenügend beantwortet haben, ist jedoch, wie viele dieser Haftungen notleidend sind, wie viele dieser Haftungen – es sind weit über die 100 Milliarden Schilling, die jetzt schon in der Umschuldung enthalten sind – Sie voraussichtlich nicht mehr wiedersehen werden, und wie Sie das budgetär bedecken wollen. Was werden Sie tun, wenn sich im nachhinein vielleicht herausstellt, daß die eine oder andere Haftung falsch war?

Ich weiß schon, Haftung heißt, Risiko zu übernehmen, aber es muß auch eine Ex-post-Kontrolle geben, bei der man sich nachher überlegt: Wo haben wir bei der Haftungsübernahme Fehler gemacht, wo nicht? – Sie haben heute in Ländern wie Indonesien an die 17 Milliarden Schilling an Haftungen über die Kontrollbank übernommen, im Irak fast 5 Milliarden, in Malaysia 1 Milliarde und auch in Nordkorea 1 Milliarde Schilling. Das sind Beträge, die geradezu erschrecken machen, denn diese Länder werden diese Kredite nicht bedienen können – und Ihre Haftungen werden daher schlagend werden.

Ich will diese Liste jetzt nicht verlängern, sondern nur sagen: Das ist ein Problem, das Sie in Ihrer Budgetpolitik berücksichtigen müssen, das Sie in Ihrer Budgetpolitik in keiner Art und Weise ausweisen, worüber wir weder im Finanzausschuß noch im Budgetausschuß diskutiert haben. Ich glaube, eine Diskussion darüber wird dringend notwendig sein.

Vorletzter Punkt: die Exportfonds Ges.m.b.H. Herr Dr. Stummvoll! Ich bin sicher, Sie werden mir jetzt gleich erklären, was das soll. Wieso beteiligt sich die Wirtschaftskammer an der Exportfonds Ges.m.b.H? Warum verschmelzen Sie es nicht mit der Kontrollbank? Ist das wieder eine Sache, bei der es um die "Farbenlehre" geht? Sie werden es mir nachher erklären, aber ich sage Ihnen: So werde ich dem nicht zustimmen, weil ich nicht einsehe, warum sich die Wirtschaftskammer mit der Exportfonds Ges.m.b.H. befassen soll. Das ist nicht ihre Aufgabe. Es ist die Uraufgabe der Kontrollbank, Kontrollen und Haftungen zu übernehmen. Wir sollten den dominierenden Einfluß von Bank Austria und CA auf unter 25 Prozent reduzieren und die Exportfonds Ges.m.b.H. zur Gänze der Kontrollbank geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dem Glücksspielgesetz kann ich jetzt zustimmen, nachdem es einen Abänderungsantrag gibt, daß es nicht rückwirkend in Kraft gesetzt wird, weil wir uns ja alle vorgenommen haben, keine Gesetze mehr rückwirkend in Kraft zu setzen. (Abg. Böhacker: Nur belastende!)  – Ich danke Ihnen schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.31


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 88

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.31

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte, ähnlich wie meine Vorredner, aus diesem umfangreichen Paket von Finanzgesetzen nur drei Schwerpunkte hervorheben.

Der erste Schwerpunkt ist die ÖIAG. Ich gebe gerne zu, daß ich da etwas anderer ordnungspolitischer Grundeinstellung bin als mein Kollege Kaufmann; ich habe das auch schon im Ausschuß gesagt. Das ist aber kein Malheur, denn wenn zwei Parteien, die unterschiedliche ideologische und ordnungspolitische Grundsätze haben, eine Vernunftehe führen, der aber keine Liebesheirat vorausging, ist es gar keine Schande, die Unterschiede auch aufzuzeigen. (Abg. Smolle: In den letzten Tagen waren schon mehr Scheidungen!) Nein, nein, Herr Kollege!

Ich sehe die Aufgabe der ÖIAG sicherlich auch als eine doppelte, nämlich einerseits Vermögensverwaltungsfunktion auszuüben, andererseits aber schon auch Privatisierungsprofi zu sein. Ich möchte ausdrücklich sagen: In den letzten Jahren hat die ÖIAG vor allem die zweite Funktion, nämlich Privatisierungen professionell durchzuführen, hervorragend ausgeübt. (Beifall bei der ÖVP.) Daher stimmen wir auch zu, daß die ÖIAG weiterhin Privatisierungsprofi sein soll.

Ich bin auch sehr froh darüber, daß wir, was die Austrian Airlines betrifft, ausdrücklich verankern, daß eine Ermächtigung besteht, Bezugsrechte zu verkaufen, was bei der nächsten Kapitalerhöhung bedeutet, daß wir unter die 50 Prozent-Grenze gehen. Ein weiterer wichtiger Privatisierungserfolg in einem wichtigen Betrieb, und wir sind in ganz Österreich stolz darauf, daß wir die Austrian Airlines in unserem Land haben. – Du kannst ruhig ein bißchen lauter applaudieren, Kollege Smolle. (Demonstrativer Beifall des Abg. Smolle.  – Heiterkeit.)

Aber noch einmal: Die ÖIAG soll für mich und meine Partei eines nicht werden – und ich glaube, das ist auch nicht beabsichtigt –, nämlich gleichsam eine zentrale Verwaltungsstelle für öffentliches Eigentum, das dort einzementiert ist. Ich glaube, das kann es nicht sein. Ich gebe zu, solange Vermögensanteile noch nicht privatisiert sind, hat sie auch die Aufgabe der Vermögensverwaltung. Gar keine Frage. Aber für uns ist das primäre Ziel nicht die Vermögensverwaltung von Staatseigentum auf Dauer, für "alle Ewigkeit", sondern für uns hat die Funktion als Privatisierungsprofi absoluten Vorrang.

Der zweite Schwerpunkt, den ich erwähnen möchte, ist das Garantiegesetz 1977. Ich bedanke mich sehr dafür, daß Kollege Helmut Peter – er weiß, daß ich ihn aufgrund seiner Fachkompetenz schätze – diese Novelle ausdrücklich begrüßt hat. Ich glaube, es ist unglaublich wichtig, daß wir gerade in Zeiten einer Exportoffensive Dinge tun, die dringend notwendig sind. Dieser neue Haftungsrahmen von bis zu 10 Milliarden Schilling soll vor allem Risikokapitalgarantierahmen sein, und die Entwicklung des Exports zeigt uns, daß das Risikokapital immer wichtiger wird.

Vielleicht nur ein kleines Beispiel: Ich war vor wenigen Wochen bei einem kleinen Betrieb. Ein Jungunternehmer hat in kürzester Zeit neun Arbeitsplätze im Bereich Audiovisionstechnik geschaffen. Ich habe ihn gefragt: Wenn Sie neun Arbeitsplätze geschaffen haben, welche Förderungen haben Sie da eigentlich bekommen? Er sagte darauf: Herr Doktor, hör’n S’ mir auf mit Förderungen! Ich kann keine Förderungen brauchen, ich kann nur Risikokapital brauchen. Denn bei mir verändern sich die Marktchancen so rasch, daß ich nicht warten kann, bis nach einem halben Jahr jemand entscheidet, ob ich einen Zinsenzuschuß bekomme oder nicht. Mir kann nur Eigenkapital helfen.

Genau dafür soll dieser Haftungsrahmen dienen: Er soll Eigenkapitalhaftung geben. Das ist auch deshalb wichtig, Herr Kollege Smolle, weil es gerade für den Export immer wichtiger wird, nicht einfach Waren und Dienstleistungen zu exportieren, sondern im Ausland auch Joint-ventures einzugehen. Das wird ein immer wichtigeres Instrument der Exportpolitik. Und auch da sieht dieser Haftungsrahmen vor, daß eine entsprechende Haftung für Risikokapital in Form von


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 89

Investitionsentscheidungen erfolgen kann. Ich glaube, das ist ein wirklich wichtiger Schritt im Sinne der Exportoffensive dieser Bundesregierung.

Meine Damen und Herren! Im übrigen möchte ich noch bemerken, daß diese Exportoffensive einen wichtigen Rahmen gesetzt hat, und daß wir so fair sein müssen, zu sagen: Die großartigen Exporterfolge der letzten Monate sind zweifellos das Verdienst engagierter Exportunternehmen, Exportbetriebe und ihrer Mitarbeiter. Wenn wir im Vorjahr Exportsteigerungsraten von insgesamt 16 Prozent hatten, in Lateinamerika von 36 Prozent, in Osteuropa von 33 Prozent, in Nordamerika von 30 Prozent, dann ist das eigentlich eine kleine Erfolgsstory unserer Exportwirtschaft, meine Damen und Herren. Das ist Arbeitsplatzsicherung, denn in Österreich hängt bekanntlich jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export ab!

Nun zum dritten Schwerpunkt und damit auch zum Kollegen Peter. Ein dritter Schwerpunkt ist die Veräußerung der Eigentumsrechte an der Exportfonds Ges.m.b.H. vom Finanzministerium und die Ermächtigung an Kontrollbank und Wirtschaftskammer. Ich glaube, Herr Kollege Peter, daß diese Transaktion zunächst einmal ein wichtiges Signal ist für die ausgezeichnete Kooperation im Exportgeschäft zwischen Finanzministerium, Kontrollbank und Wirtschaftskammer Österreich. Ich glaube, daß diese drei Einrichtungen in den letzten Jahren mit dazu beigetragen haben, daß wir diese Exportsteigerungsraten haben, die ich gerade genannt habe.

Es ist Symbol, und bereits bisher, Herr Kollege Peter, was Sie vielleicht nicht wissen, liegen ja Wirtschaftskammermittel in dreifacher Millionenhöhe als zinsbegünstigte Exportdarlehen bei der Kontrollbank. Also es gibt jetzt schon eine sehr enge Verbindung zwischen Wirtschaftskammer und Kontrollbank, weil Mittel der Wirtschaftskammer aus dem AF-Beitrag bei der Kontrollbank dazu dienen, um zinsbegünstigte Exportkredite für Klein- und Mittelbetriebe zu gewähren. Wir möchten mit einem kleinen Betrag daran signalisieren, daß wir gemeinsam – Kontrollbank, Finanzministerium und Wirtschaftskammer Österreich – die Erfolgsstory unserer Exportwirtschaft auch ins nächste Jahrtausend fortführen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Restredezeit Ihres Klubs: 18 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist zu lang!)

14.37

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Keine Angst! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen werden differenziert abstimmen bei den einzelnen Punkten, und ich werde naturgemäß eher auf jene Punkte eingehen, die wir negativ sehen, als auf die anderen Punkte.

Zunächst zur Übertragung von Anteilen an der AUA beziehungsweise am Wiener Flughafen an die ÖIAG. Nicht, daß wir da grundsätzlich etwas dagegen hätten, aber man fragt sich schön langsam: Welche unternehmerische Zielsetzung hat die ÖIAG eigentlich selbst? Was hat der Bund da vor? Warum überträgt der Bund die Anteile an der AUA und der Flughafen AG an die ÖIAG? Aus dem Gesetz und aus den Erläuterungen ist das nicht wirklich schlüssig – außer daß dort erwähnt wird, daß die ÖIAG Bezugsrechte veräußern darf.

Für uns wichtige Fragen, wie zum Beispiel, was auf Dauer mit dem österreichischen Einfluß bei der AUA ist, werden durch das Gesetz nicht beantwortet – und auch nicht durch die Erläuterungen. Klar ist, daß durch die Nichtwahrnehmung der Bezugsrechte der Bundesanteil an der AUA unter die 50 Prozent-Grenze sinkt. Im Ausschuß war davon die Rede, daß es auch eine andere österreichische Gruppe gibt, mit der zusammen Österreich im weitesten Sinne noch die Mehrheit der Anteile an der AUA hält.

Bitte, das sagt aber noch gar nichts. Gibt es einen Syndikatsvertrag? Kann man den einsehen? Wer ist diese andere Gruppe überhaupt? Welche diesbezüglichen langfristigen Ziele hat die Republik überhaupt?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 90

Ich bezweifle nicht, daß es viel Know-how gibt in der ÖIAG. Aber was bezweckt der Bund eigentlich mit der ÖIAG selbst? – Soviel ich weiß, hat die ÖIAG 50 oder 100, etwa in dieser Größenordnung, gutbezahlte Mitarbeiter, und es würde mich schön langsam interessieren, was mit dieser Institution eigentlich beabsichtigt ist. Das Stichwort "Beteiligungsmanagement" allein sagt noch gar nichts, wenn man nicht weiß, welche Ziele der Eigentümer verfolgt.

Zum Hypothekenbankgesetz und zum Pfandbriefgesetz haben wir keine Einwendungen, zum Garantiegesetz auch nicht. Bedauerlich ist natürlich, daß die SPÖ/ÖVP-Mehrheit unserem Antrag bezüglich einer Reform der Oesterreichischen Kontrollbank in keiner Weise nähertreten konnte.

Es geht ja zunächst einmal darum, daß man sich vor Augen halten muß, daß die Kunden der Kontrollbank die Banken sind, die Eigentümer der Kontrollbank die Banken sind, die Personalentscheidungen der Kontrollbank über den von den Banken "selbstverständlich" beherrschten Aufsichtsrat beeinflußt werden. Man kann über die Memoiren oder über die letzten Mitteilungen von Herrn Direktor Praschak denken, wie man will: Daß es latente Interessenkonflikte gibt zwischen den Banken einerseits und der Kontrollbank andererseits, liegt einfach auf der Hand. Und man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, daß die Banken die Kontrollbank dazu benützen, allfällige mögliche Gewinne für sich zu lukrieren und die Risken auf die Kontrollbank abzuwälzen – und damit auf den Bund beziehungsweise den Steuerzahler.

Diesem Problem war unser Antrag gewidmet, der ja letztlich eine Stärkung der Kontrollbank bewirken würde, allerdings mit einer gewissen Machtverschiebung innerhalb der Bankengruppe, ein Machtzugewinn, wenn man das so interpretieren will, zugunsten der Kontrollbank und zu Lasten der Banken, vor allem zu Lasten der Bank-Austria-Gruppe. Denn das ist ja ein bißchen ein Schmäh, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, daß sich die Bank-Austria-Gruppe jetzt in so wesentlichem Maße aus der Kontrollbank zurückgezogen und ihre Anteile reduziert hätte. Es ist zwar richtig, daß die Anteile derr Bank Austria/CA von vorher 60 Prozent auf jetzt 43 Prozent zurückgegangen sind, aber von den verkauften 17 Prozent sind nicht weniger als 8 Prozent an die Westdeutsche Landesbank gegangen (Abg. Mag. Firlinger: Vom Sozialpartner!), eine Bank, die bekanntlich der Bank Austria nicht gerade fernsteht.

Abschließend zu der etwas leidigen Frage der Ermächtigung zur Veräußerung von Anteilsrechten an der Österreichischen Exportfonds Gesellschaft m.b.H. Da wird der Finanzminister ermächtigt, die Anteilsrechte an die Kontrollbank beziehungsweise an die Wirtschaftskammer ganz oder teilweise zu veräußern. Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Soweit mir bekannt ist – und ich bin nicht der bestinformierte Bürger der Republik –, ist ja ohnehin längst ausgemacht, daß die Kontrollbank 70 Prozent und die Bundeswirtschaftskammer 15 Prozent bekommt, und der Bund behält sich eben die restlichen 15 Prozent. Na, wenn das "eh" akkordiert ist zwischen den beiden Regierungsparteien, warum schreiben Sie es nicht gleich ins Gesetz hinein? – Sie können natürlich meine Vermutung dadurch widerlegen, daß zum Schluß herauskommt, daß nicht 70 Prozent an die Kontrollbank und nicht 15 Prozent an die Bundeswirtschaftskammer gehen. Dann werden wir ja sehen, wer recht gehabt hat.

Im übrigen teile ich die Ansicht des Kollegen Peter: Ich sehe absolut nicht ein, was die Bundeswirtschaftskammer da als Eigentümerin zu tun hat. Die Bundeswirtschaftskammer kann gutachtlich, kann beirätlich, was weiß ich wie tätig werden, das ist vielleicht legitim oder wahrscheinlich legitim (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch ), aber bitte, wenn man die Bundeswirtschaftskammer überall dort als Eigentümerin installiert, Kollege Lukesch, wo sie irgend etwas zu tun hat, dann müßte sie aber an sehr vielen Unternehmen, Institutionen, Banken et cetera dieses Landes beteiligt sein. – Also das kann ja wohl kein Argument sein!

Im übrigen stimmt einen folgendes schon sehr nachdenklich, um nicht zu sagen mißtrauisch: Ein Bewertungsgutachten soll ausreichen? Dieses Bewertungsgutachten, das, wie ich höre, ohnehin schon längst vorliegt? Ein Bewertungsgutachten, das sehr problematisch ist, weil es eine willkürliche Abgrenzung des Ertragswertes vornimmt? (Abg. Dr. Stummvoll: Sie wissen mehr als ich, Herr Kollege!) – Das mag sein. Ausnahmsweise vielleicht, Herr Kollege Stummvoll,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 91

obwohl ich es Ihnen nicht ganz glaube. (Abg. Mag. Firlinger  – in Richtung des Abg. Dr. Stummvoll  –: Vielleicht sagen Sie nicht immer alles!)

Es geht um die sogenannte Zinsenstabilisierungsrückstellung. Ich will jetzt gar nicht im Detail darauf eingehen, sondern nur darauf hinweisen, daß diese Rückstellung durch thesaurierte Gewinne aufgebaut wurde und durchaus teilweise Eigenkapitalcharakter hat, soviel ich höre. Und ich höre auch, daß die Kontrollbank nicht möchte, daß das in den Wert der Exportfonds Ges.m.b.H. einbezogen wird.

Ich meine, so geht es aber nicht, daß sich die Kontrollbank und damit die Bundeswirtschaftskammer aussuchen, was sie für die Exportfonds Ges.m.b.H. zu bezahlen haben werden. Und wenn Kollege Stummvoll – nicht nur er, auch ich habe das ja in der Vergangenheit gemacht – heute wieder hier vom Rednerpult aus sagt, wie toll die ÖIAG als Privatisierungsagentur sei, ja dann frage ich mich: Warum verwenden Sie die ÖIAG als Medium bei der AUA und beim Flughafen und bei verschiedenen anderen Institutionen, aber bei der Exportfonds Ges.m.b.H. nicht? Was ist denn das? – Eine Ermächtigung des Finanzministers, zu verkaufen.

In vielen anderen Fällen haben wir gesagt: Nein, da haben wir dieses tolle Instrument, die ÖIAG – bestreite ich ja gar nicht –, das geben wir zuerst der ÖIAG, und die ÖIAG mit ihrem tollen Know-how wird das weiterverkaufen. (Abg. Dr. Stummvoll: Weil wir das nicht brauchen, weil es ein einfacher Vorgang ist!) Ja, weil Sie es nicht brauchen! – Weil Sie gar nicht wissen wollen, was das Ding wert ist! Die ÖIAG selbst hätte natürlich ganz andere Maßstäbe anlegen müssen bei einem Verkauf oder bei einer Veräußerung der Exportfonds Ges.m.b.H.

Zu all diesen Punkten wird in den Erläuterungen mit keinem Wort Stellung genommen. Wozu Stellung genommen wird – und das mehrfach und betont –, ist, daß die Exportfonds Ges.m.b.H. nie und nimmer in Wettbewerb mit den Banken treten wird. – Ja das habe ich auch nicht angenommen! Wenn es die Sozialpartner beruhigt, das hineinzuschreiben, bitte sehr, aber die wichtigen Punkte sind unerklärt und unerläutert. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Firlinger. )

14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

14.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Herr Präsident! Hohes Haus! Da die Frage ÖIAG einige Male angesprochen wurde, möchte ich dazu Stellung nehmen. Österreich hat einerseits sehr gute Industrieunternehmen, sehr erfolgreiche, stark wachsende Industrieunternehmen. Es ist aber andererseits doch auch nicht zu übersehen, daß die Größe dieser Industrieunternehmen zu solchen benachbarter oder anderer europäischer Länder eher klein ist. Blicken wir etwa in die Schweiz: Dieses Land hat große Konzerne, die als multinational zu bezeichnen sind und ihren Sitz in der Schweiz haben. Wenn wir in die Niederlande schauen, wenn wir in einige nordische Länder sehen, so müssen wir feststellen – bei allem Erfolg der österreichischen Industrie –, daß diese Länder über wesentlich größere und stärkere Unternehmen verfügen.

Ich möchte auch klar sagen, daß ich nicht meine, daß dies auf die letzten paar Jahre zurückgeht, sondern wenn man da die wahren Gründe erkunden möchte, muß man sehr weit in der Geschichte zurückdenken, denn auch diese großen internationalen Unternehmen blicken meist auf eine etwa hundertjährige Geschichte zurück, wenn man ein Unternehmen wie Hoffmann-La Roche aus der Schweiz, BASF aus Deutschland oder andere Unternehmen analysiert.

Wenn man aber auf einen solchen Zeitraum zurückblickt, dann muß man feststellen, daß sich Österreich eigentlich schon aufgrund des Ersten Weltkriegs von seinen Industriebereichen sozusagen trennen mußte; diese waren, historisch gesehen, in Böhmen, in der DDR, im Süden Polens gelegen. Wir alle wissen, daß es in der Zwischenkriegszeit aufgrund widriger wirtschaftlicher Umstände Österreich nicht möglich war, große Unternehmen aufzubauen. Daher war es


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 92

also nur richtig, daß nach dem Zweiten Weltkrieg das verbleibende industrielle Kernvermögen verstaatlicht wurde.

Ich glaube, daß es auch richtig war, Ende der achtziger Jahre, Anfang der neunziger Jahre – in einer weltwirtschaftlich völlig geänderten Situation – die Privatisierung voranzutreiben. Meiner Ansicht nach hat die ÖIAG auf diesem Gebiet Hervorragendes geleistet. Meiner Ansicht nach besteht die Kernleistung der ÖIAG in den letzten Jahren ohne Zweifel in diesem sehr erfolgreichen und professionellen Verkauf von Anteilen.

Wenn wir aber die Entwicklung der letzten Tage betrachten, müssen wir doch feststellen, daß Unternehmen, die zu 100 Prozent an die Börse gebracht werden, wie etwa die VA-Eisenbahnsysteme, der Gefahr unterliegen, in einer immer mehr zusammenwachsenden Welt Übernahmekandidaten ausländischer Konzerne zu werden.

Es ist gar keine Frage, daß wir sehr wohl Investitionen ausländischer Unternehmer in Österreich begrüßen. Gleichzeitig möchte ich aber doch darauf bestehen, daß es wesentlich und auch in Zukunft ganz entscheidend ist, Unternehmen, international tätige Unternehmen mit Sitz, mit Kern in Österreich zu haben. Und daher meine ich, daß es genauso wesentlich ist, wie es das in der Vergangenheit war, daß die ÖIAG, daß Teile der Ex-Verstaatlichten privatisiert sind. Genauso wesentlich ist es, daß die ÖIAG bis auf weiteres qualifizierte Minderheiten in diesem Unternehmen hält, um sicherzustellen, daß es auch auf Sicht österreichische Unternehmen gibt.

Diese Unternehmen bieten mit ihrem Kern hier in Österreich auch jungen, qualifizierten Leuten die Chance, im Inland aufzusteigen, Karriere im Inland zu machen: Sie bieten eine Fülle von Service-Aktivitäten – den Wirtschaftstreuhändern, der Presse, den Rechtsanwälten, aber auch für viele, viele andere eröffnet sich die Möglichkeit, zusätzliche Jobs in Österreich zu haben.

Ich hielte es für eine denkbar schlechte Entwicklung, wenn nicht sichergestellt würde, daß es auch in Zukunft Unternehmen mit Sitz und Kern in Österreich gibt. Daher sehe ich auch in Ermangelung einer Alternative bis auf weiteres eine wesentliche Aufgabe der ÖIAG darin, diese qualifizierten Minderheiten im Interesse Österreichs zu halten. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Mag. Firlinger. )

14.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Anna Huber. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.51

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Bankenlandschaft in Österreich befindet sich ebenso wie jene in der Europäischen Union, ja ich meine, sogar weltweit, in einem gewaltigen Strukturwandel. Wie die Strukturen in Österreich künftig aussehen werden, wird unter anderem auch daran liegen, unter welchen Rahmenbedingungen österreichische Geldinstitute tätig sein können.

Mit dem Bankwesengesetz 1994 haben wir hier in diesem Hause die Weichen für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Kreditinstitute gestellt, denn mit dem Beitritt Österreichs zum EWR besteht eben Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, und damit haben auch andere Banken des EWR-Raumes die Möglichkeit, auf dem zugegebenermaßen sehr kleinen, aber dichten österreichischen Markt mitzumischen. Als Gesetzgeber haben wir dafür zu sorgen, daß die heimische Kreditwirtschaft keine Wettbewerbsnachteile hat.

Zumindest ebenso wichtig ist mir aber der Schutz der Konsumenten, nämlich der Sparer, der Anleger, der Kredit- und der Darlehenskunden. Auch diesbezüglich haben wir in der letzten BWG-Novelle Vorsorge getroffen. Ausständig ist allerdings – ich möchte das auch hier noch einmal betonen – eine Regelung, die ich für sehr, sehr wichtig und dringend halte, nämlich der Konsumentenschutz im Dienstleistungsbereich Fernabsatz. In diesem Bereich boomt der Markt, und gerade in diesem Bereich sind die Konsumenten besonderen Risken ausgesetzt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 93

Die österreichischen Hypothekenbanken sind als Anstalten der jeweiligen Bundesländer – zumindest bisher der jeweiligen Bundesländer – in ihrer Geschäftstätigkeit auf ihre Region beschränkt. Das ist durchaus von Vorteil, weil sie ja die Gegebenheiten vor Ort ganz besonders gut kennen. Aufgrund der Marktöffnung aber brauchen unsere Hypothekenbanken die gleichen Möglichkeiten wie ausländische Banken auch, nämlich auch Grundstücke aus anderen EWR-Ländern zu belehnen und Kommunaldarlehen an andere Gebietskörperschaften verleihen zu können. In dieser Änderung des Hypothekenbankgesetzes, das im vorliegenden Finanzpaket enthalten ist, geht es eben um diese sehr, sehr notwendige und wichtige Gleichstellung. Es geht darum, daß unsere Hypothekenbanken im gesamten EWR-Raum diese Geschäftstätigkeit durchführen können, und die Schweiz soll aus sehr naheliegenden Gründen miteinbezogen werden.

Ich halte es aber für besonders wichtig, daß es auch eine weitgehende Vergleichbarkeit dieser Anlageformen gibt. Das ist wieder für die Konsumenten, für die Anleger ein ganz wichtiges Kriterium, denn die Anleger, die bisher auf das besonders sichere Instrumentarium der österreichischen Pfandbriefe vertraut haben, brauchen diese Möglichkeit der Vergleichbarkeit, und sie brauchen auch die Gewißheit, daß in den anderen EWR-Ländern ähnliche sicherheitstechnische Auflagen bestehen.

Mit diesem Gesetz verpflichten wir die Hypothekenbanken und auch die Treuhänder, diese Vergleichbarkeit sorgfältig zu prüfen. Es geht nämlich einerseits darum, daß die österreichischen Pfandbriefe weiterhin Chancen auf dem Markt haben, aber es geht auch darum, dafür zu sorgen, daß die Anleger nicht zu Schaden kommen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder : Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Firlinger vor. Gleichfalls 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.55

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf den Entschließungsantrag des Kollegen Van der Bellen eingehen, in dem er sich mit einer Reform der Oesterreichischen Kontrollbank auseinandersetzt. Er ist leider jetzt nicht im Saal, aber wir werden ja sicherlich hier nicht das letzte Mal über die Oesterreichische Kontrollbank gesprochen haben.

Aber zum Grundsätzlichen, meine Damen und Herren: Meiner Ansicht nach hat Herr Professor Van der Bellen durchaus recht, wenn er meint, in diesem Bereich gehört zügig und durchgängig reformiert. Ich meine aber auch, daß die Vorschläge der Grünen etwas zu allgemein gehalten sind. Wenn hier steht: Reduktion des Bank Austria/CA-Gruppenanteiles auf unter 25 Prozent, dann ist das sicherlich ein richtiger Schritt, ein erster Schritt, aber ich glaube nicht, daß er ausreichend ist.

Ich vertrete da einen wesentlich radikaleren Ansatz und bin der Auffassung, daß wir uns in puncto Kontrollbank etwas gänzlich Neues überlegen sollten. Ich bin der Meinung, daß dieses System von den bestehenden Großbanken dominiert wird. Das ist nicht unbedingt im Interesse der Kunden, die Finanzprodukte haben wollen, die ihre Exportaktivitäten entsprechend abgesichert haben wollen. In diesem System profitiert in erster Linie das österreichische Bankensystem, und das kann es wohl nicht sein, meine Damen und Herren.

Diesbezüglich müssen wir uns etwas überlegen. Wenn es nach mir ginge, wären die Großbanken überhaupt aus der Oesterreichischen Kontrollbank draußen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum? – Neben diesen personellen Verquickungen – Affäre Praschak, Herr Staatssekretär, und so weiter – gibt es immer wieder diese berühmten Nebenbeschäftigungen, dieses "Nebenklavier", an dem einmal mehr und einmal stärker die Oesterreichische Kontrollbank engagiert ist. Herr Staatssekretär! Ich möchte Ihnen nur diese unsägliche Geschichte mit der Verhinderung


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 94

des Xetra-Handelssystems in Erinnerung rufen. Die Oesterreichische Kontrollbank ist Wertpapiersammelstelle – das ist eine dieser Zusatzfunktionen, die die Bank einnimmt – und hat ein eigenes Handelssystem für die österreichische Börse entwickelt, in Auftrag gegeben, das Equos. Nachdem es bekannt war, haben viele gesagt, das ist vielleicht nicht ganz so gut geeignet, wie das von der OeKB propagiert wurde, und es hat sich auch tatsächlich herausgestellt, daß es einige Mängel hatte. Aber man hat ein Jahr lang blockiert, damit man die 70 Millionen Schilling, die das System gekostet hat, nicht einfach in den Rauchfang schreiben muß.

Man hat gewußt, es gibt etwas Besseres, hat weiterentwickelt und hat sich also nicht beirren lassen, bis dann endlich die Deutsche Börse AG gekommen ist und den Vorschlag gemacht hat: Machen wir doch gemeinsam etwas, gehen wir gemeinsam an die osteuropäischen Börsen! – Das hat dann endlich nach langem Hin und Her den Ausschlag gegeben.

Diese 70 Millionen Schilling werden in den Rauchfang geschrieben werden müssen, aber das hätte man auch billiger haben können, Herr Staatssekretär. Man hätte schon im Vorfeld eine andere Entscheidung treffen können, aber nicht nur hinauszögern und wieder hinauszögern. Es geht um Machtinteressen, und das ist der Grund, warum ich der Meinung bin, daß die Großbanken da herausgehören. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir sollten uns Beispiele aus anderen Ländern vor Augen halten und schauen, wie die das machen. Jedes Land hat ein mehr oder weniger gut funktionierendes Kontrollbanksystem. Wir sollten nicht beim alten System haftenbleiben, sondern sollten einmal in neue Kategorien aufbrechen. Wir sollten schauen, wie das die Engländer, wie das die Franzosen machen. Jedes Land operiert mit "soft loans" und gestützten Garantien. Auch wir Österreicher werden das brauchen. Aber ich glaube, es ist wesentlich, daß das im Grunde genommen eine staatliche Funktion bleibt beziehungsweise wieder wird, obwohl ich sicherlich nicht der Verstaatlichung das Wort reden werde – und alles andere gehört in den privaten Bereich ausgegliedert.

Hiebei geht es um vitale nationalökonomische Interessen, um die Durchsetzung von österreichischen Wirtschaftsinteressen im Ausland, und wir müssen uns ein unabhängiges Gremium überlegen, sodaß Kredite ins Ausland wirklich nach sachlichen Kriterien vergeben werden – und nicht willkürlich und nach Gutdünken einiger Großbanken, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur laufenden Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerrekord und rot-schwarze Steuergeschenke (4556/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich rufe die Dringliche Anfrage 4556/J auf. Diese liegt inzwischen allen Abgeordneten schriftlich vor, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die Steuerbelastung der Österreicherinnen und Österreicher hat einen neuen Rekord erreicht. Die SPÖVP-Bundesregierung kann stolz darauf sein, mit einer im europäischen Durchschnitt äußerst hohen Abgabenquote von 45,7 Prozent im Jahre 1996 (laut Eurostat; EU-Durchschnitt: 42,4 Prozent) Österreich zu einem ausgesprochenen Hochsteuerland mit allen negativen Folgen gemacht zu haben. Während sich im EU-Durchschnitt die Abgabenquote von 40,9 Prozent im Jahr 1989 auf 42,4 Prozent im Jahr 1996 um 1,5 Prozent steigerte, wuchs diese in Österreich um 3,8 Prozent von 41,9 Prozent auf 45,7 Prozent. Auch mit dieser Steigerungsrate liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 95

Aus dieser hohen Abgabenquote folgt, daß die Bürgerinnen und Bürger vom 1. Jänner bis 12. Juni allein für die gierigen ,öffentlichen Hände‘ arbeiten müssen und nur die restliche Zeit des Jahres für sich selbst.

Die Österreicher zahlen heuer um satte 147 Milliarden Schilling mehr an Steuern und Abgaben als vor drei Jahren. An den Bund allein gehen um 107 Milliarden mehr als 1995, den Rest der zusätzlichen Beute teilen sich Länder und Gemeinden. Da Milliarden schwer vorstellbar sind, sei diese bemerkenswerte Tatsache auch anders formuliert: Die Österreicher zahlen derzeit um rund 30 Prozent mehr an Steuern und Abgaben als vor den Sparpaketen. Um die schlechte Nachricht dreimal und in drei verschiedenen Formen zu verbreiten: ,Jeder erwachsene Österreicher liefert heuer im Schnitt um 25 000 S mehr an die Finanzämter und verwandte Einrichtungen ab als früher‘ (,Salzburger Nachrichten‘, 21. März 1998).

Nach übereinstimmender Expertenmeinung ist die hohe Steuerbelastung eine echte Gefahr für den Wirtschaftsstandort Österreich und insbesondere für die Beschäftigungssituation. So haben etwa vor kurzem anläßlich der Budgetberatungen 1999 im Budgetausschuß des Nationalrates alle Experten mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß insbesondere der Faktor Arbeit dringend und erheblich steuerlich entlastet werden müsse.

Nur eine erhebliche steuerliche Entlastung der Arbeit kann zu einer wirksamen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt führen, zumal auch die Zahl der Arbeitslosen im Mai 1998 mit 219 000 Personen einen neuen, in Anbetracht der Jahreszeit besonders besorgniserregenden Höhepunkt erreicht hat und gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres um 8 000 Personen beziehungsweise 3,7 Prozent angestiegen ist. Die Prognose der Arbeitslosenquote für 1998 wurde dementsprechend von Wifo und IHS von 7,1 Prozent auf 7,2 Prozent korrigiert. Im Jahr 1998 wird es somit wieder einen Arbeitslosenrekord geben.

Die exorbitante und noch ständig steigende steuerliche Belastung der Arbeit wird bewiesen durch nackte Zahlen: Betrug das Lohnsteueraufkommen 1989 noch 88 Milliarden Schilling, so sind im Budget 1999 bereits 198 Milliarden Schilling veranschlagt. Die kalte Progression schmälert die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher in zunehmendem Maße.

Die SPÖVP-Bundesregierung hat auf diese Situation bisher in keiner Weise reagiert. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist ihr offenbar gleichgültig, solange nur die Positionen der rot-schwarzen Funktionäre und ihrer Protektionskinder ungefährdet sind. Dies beweist ihr Agieren auf allen Gebieten, auf denen richtungsweisende Strukturreformen und Investitionen in die Zukunft notwendig sind, wie zum Beispiel:

beim Nationalen Beschäftigungsplan, der eine Aneinanderreihung von vagen Ankündigungen und Vorschlägen enthält, für die vielfach nicht einmal eine budgetäre Bedeckung vorhanden ist,

über die Lehrlingspolitik, die der Bundeskanzler für vollmundige öffentlichkeitswirksame Erklärungen genutzt hat, deren Substanzlosigkeit in den Medien wiederholt erörtert wurden, und die es in Kauf nimmt, daß noch in diesem Sommer tausende Schulabgänger ohne Lehr- und Ausbildungsplatz sein und in Kursen und ,Lehrlingsstiftungen‘ zwischengelagert werden,

bis hin zu den mehrfach angekündigten Export- und Technologieoffensiven, die es bis heute nicht gibt. Die Exporterfolge, die sich nunmehr in den Statistiken widerspiegeln, sind nicht einer solchen Initiative zuzuschreiben, sondern einerseits der Eigeninitiative der jeweiligen Unternehmen und andererseits den realen Aufwertungen von Währungen wichtiger Handelspartner. Hinsichtlich der Technologieoffensive gesteht sogar Bundeskanzler Klima das Scheitern ein: ,In dieser Legislaturperiode sei nichts mehr zu machen‘ (,Die Presse‘, 28. Februar 1998).

Dies ist eine Politik, die die Zukunft Österreichs verschläft!


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 96

Anstatt ein Konzept für eine nachhaltige steuerliche Entlastung der Arbeit vorzulegen, hat sich die Koalitionsregierung in der letzten Zeit vorwiegend bemüht, ihr nahestehende Gruppen zu bedienen:

So wurde für eine Kreditkarten-Tochter der Bank Austria und des Raiffeisensektors das Umsatzsteuergesetz rückwirkend geändert, weil dieser auf Grund einer Betriebsprüfung eine Umsatzsteuernachzahlung in Höhe von mehreren hundert Millionen Schilling vorgeschrieben wurde. Wie man sieht, helfen gute Beziehungen zur SPÖ-Spitze sogar, wenn man weniger Steuern zahlen will.

Ein anderer aktueller Fall ist das von der ÖVP beim Finanzminister eingereichte Ansuchen auf Nachsicht von Aussetzungszinsen in Höhe von rund 1 Million Schilling, ,mit dessen positiver Erledigung mit großer Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist’ (so ÖVP-Generalsekretärin Rauch-Kallat in einem Brief an die Finanz). Weiters heißt es in diesem, am 2. Juni 1998 beim Finanzamt eingelangten Brief: ,Auf unser o.a. Steuerkonto Nr.xxx, Referat 16, haftet der Betrag von öS 990.362,07 aus, welcher aus den Aussetzungszinsen gemäß Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung vom 12. Oktober 1995 resultiert und gemäß Bescheid über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen vom 10.12.1997, Einbringungsstelle, bis 30.6.1998 gestundet wurde.

Wir beantragen nun neuerlich in offener Frist die Stundung des angeführten Betrages bis 1 Monat nach Erledigung unseres Nachsichtsansuchens, mindestens jedoch bis 31. Dezember 1998’.

Auch hier handelt es sich um eine Abgabe, die von den zuständigen Finanzbeamten zu Recht vorgeschrieben wurde und die mittlerweile – weil die ÖVP nicht zahlen wollte – mit entsprechendem politischen Druck nachgesehen wurde. Diese Vorgangsweise ist nach Auskunft von Steuerberatern höchst erstaunlich, da Anträge auf Nachsicht – vor allem von Aussetzungszinsen – so gut wie nie positiv erledigt werden.

Für alle Bürgerinnen und Bürger, die nicht über so gute politische Verbindungen verfügen wie die SPÖ-nahe Bank Austria oder die ÖVP, muß sich die Frage stellen, ob es sich hier um Protektion handelt.

Diese Fragen müssen sich auch alle Unternehmen stellen, die insgesamt mehr als 3 Milliarden Schilling an Außenhandelsförderungsbeiträgen gezahlt haben und noch Jahre, nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. November 1994, Zl. 94/16/0182, entschieden hat, daß diese Abgabe zu Unrecht eingehoben wurde, auf die Rückzahlung warten mußten. Die Rückzahlung dieser unrechtmäßig kassierten Gelder erfolgte äußerst schleppend, da sich das Bundesministerium für Finanzen und die Wirtschaftskammer nicht einigen konnten, wer für die Rückzahlung aufkommen muß. Einigung konnte nur dahin gehend erzielt werden, daß das Höchstgericht diese Frage klären sollte, weshalb die betroffenen Unternehmer lange auf ihr Geld warten mußten.

Die SPÖVP-Bundesregierung hat offenbar nicht die Absicht, in absehbarer Zeit die Steuerbelastung der Österreicherinnen und Österreicher nachhaltig zu senken, wie dies von allen Experten gefordert wird. ,Der Bundesminister für Finanzen tritt im Gegenteil für eine neuerliche Verschiebung einer Steuerreform bis zum Jahre 2001 ein, die darüber hinaus ohnedies nur aufkommensneutral sein soll, das heißt keine wirkliche Senkung der Steuern bringen soll‘ (,Die Presse‘, 16. Juni 1998).

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Teilen Sie die Auffassung, daß sich die in den letzten Jahren erheblich zugenommene Steuerbelastung der Österreicherinnen und Österreicher für den Wirtschaftsstandort Österreich negativ auswirkt?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 97

2. Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen werden Sie zur Änderung der Situation veranlassen?

Wenn nein, warum nicht?

3. Um wie viele Prozentpunkte soll die exorbitant hohe Steuer- und Abgabenquote im Zuge der Steuerreform gesenkt werden?

4. Ist es richtig, daß Sie nicht beabsichtigen, zum 1. Jänner 1999 beziehungsweise 2000 eine Entlastung der Arbeitseinkommen durch eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer herbeizuführen?

Wenn ja, weshalb nicht und wann beabsichtigen Sie die Durchführung dieser längst überfälligen Maßnahme?

5. Welche konkreten Maßnahmen zur Senkung des Lohn- und Einkommensteuertarifs planen Sie?

6. Ist es richtig, daß der Lohn- und Einkommensteuertarif im Zuge einer Steuerreform nur marginal um höchstens 1 bis 2 Prozentpunkte gesenkt werden soll?

Wenn ja, warum ist keine stärkere Entlastung geplant?

7. Können Sie die steigende Belastung der Arbeitnehmereinkommen durch eine enorm wachsende Lohnsteuerquote mit Ihrer Gesinnung als Sozialdemokrat vereinbaren?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, weshalb haben Sie bisher nichts zur Änderung der Situation unternommen?

8. Können Sie ausschließen, daß im Zuge der Steuerreform die Grund- sowie die Erbschafts- und Schenkungssteuer erhöht werden?

Wenn nein, warum nicht?

9. Können Sie ausschließen, daß im Zuge der Steuerreform die Mineralölsteuer angehoben wird?

Wenn nein, warum nicht?

10. Können Sie ausschließen, daß im Zuge der Steuerreform eine Erhöhung der Energiesteuer auf Strom und Gas und andere Abgaben beabsichtigt ist?

Wenn nein, warum nicht?

11. Planen Sie im Zuge der Steuerreform eine Erhöhung der Kapitalertragsteuer und eine Besteuerung von Kursgewinnen von Wertpapieren wie in den USA?

12. Ist es richtig, daß Österreich auf EU-Ebene für die Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Steuerbereich eingetreten ist?

Wenn ja, mit welcher Begründung und ist dies mit dem Koalitionspartner abgesprochen?

13. Welche Haltung haben Sie persönlich in diesem Zusammenhang eingenommen?

14. Welche Bereiche des Steuerrechts sind nach Auffassung der Bundesregierung geeignet, durch EU-Mehrheitsentscheidungen geregelt und aus dem Verantwortungsbereich der einzelnen Staaten genommen zu werden?

15. Welche Gründe waren dafür maßgebend, das Umsatzsteuergesetz rückwirkend zugunsten der Kreditkarten-Tochter der Bank Austria und des Raiffeisensektors zu ändern, woraus sich zu Lasten des Budgets ein Steuervorteil von mehreren hundert Millionen Schilling ergab?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 98

16. Trifft es zu, daß diese rückwirkende Gesetzesänderung keineswegs auf Grund von EU-Normen geboten war?

Wenn ja, weshalb wurde dann von Regierungsseite wiederholt unrichtigerweise behauptet, daß die EU diese Regelung gefordert habe?

17. Wie hoch ist der jährliche Steuervorteil, der den Kreditkartenunternehmen durch die Änderung des Umsatzsteuergesetzes erwächst?

18. Mit welcher Begründung wurde der ÖVP in der letzten Zeit ein Betrag von nahezu 1 Million Schilling nachgesehen?

19. Weshalb wurde in diesem Fall eine Unbilligkeit der Einhebung angenommen?

20. Teilen Sie die Auffassung, daß es sich bei diesem Vorgang um ein Steuergeschenk handelt?

Wenn ja, wieso haben Sie zugelassen, daß die ÖVP ein Steuergeschenk erhält?

Wenn nein, warum nicht?

21. Wie lange dauerte im gegenständlichen Fall das Verfahren zwischen Erstbescheid und Berufungsentscheidung hinsichtlich der Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung?

22. Für welchen Zeitraum wurden Aussetzungszinsen berechnet?

23. Gab es Interventionen hinsichtlich einer positiven Erledigung des Nachsichtsantrages, da über diesen nicht ,ohne unnötigen Aufschub‘ entschieden wurde?

24. Aus welchem Grund wurde der Nachsichtsantrag beim Bundesministerium für Finanzen und nicht beim zuständigen Finanzamt für Körperschaften eingebracht?

25. Entspricht dies dem üblichen Behördenweg?

26. Auf welche Höhe dürfte sich die Zinsersparnis für die ÖVP, insbesondere durch die dreijährige Nichterledigung (von 1987 bis 1990), belaufen?

27. In wie vielen Fällen wurden nach negativen Berufungsentscheidungen (und bei negativen VwGH-Verfahren) seit 1990 Aussetzungszinsen nachgesehen?

28. In wie vielen anderen Fällen wurden seit 1990 politischen Parteien Abgaben nachgesehen, welche Parteien wurden begünstigt und um welche Beträge handelte es sich dabei?

29. Wurden die zu Unrecht einbehaltenen Außenhandelsförderungsbeiträge bereits zur Gänze an die Unternehmen zurückbezahlt?

Wenn nein, warum nicht?

30. Wie hoch ist der Betrag, der den Unternehmen bisher rückerstattet worden ist?

31. Sind Sie nach wie vor der Ansicht, daß Zinsnachteile vom jeweils Betroffenen selbst getragen werden sollen?

Wenn ja, weshalb?

Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen zur Änderung der Rechtslage planen Sie?

Es wird beantragt, die Dringliche Anfrage gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

*****


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 99

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Es erhält zunächst der erstgenannte Anfragesteller das Wort, und dann werden wir eine Debatte darüber abführen.

Eingebracht hat die Anfrage Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. Ich erteile ihm daher das Wort.

15.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Als wir Freiheitlichen im November 1986 eine Dringliche Anfrage zum Thema "Steuern senken – Arbeit schaffen" hier eingebracht haben, habe ich mir noch nicht recht vorstellen können, wie die beiden Regierungsparteien mit unseren Anregungen umgehen werden. (Rufe bei der SPÖ: 1986?) 1996 haben wir diese Dringliche Anfrage gestellt, am 11. November. Kollege Marizzi, da haben Sie wieder geschlafen. Lassen Sie sich ein bißchen up to date bringen. (Abg. Marizzi: Sie haben "1986" gesagt!)

Sie hätten besser studieren sollen, wie man Arbeit durch Steuersenkung schafft. Das haben Sie leider überhaupt nicht ernst genommen. Die ÖVP hat das Steuersenken schon ernst genommen. Sie ist einfach hergegangen und hat sich selber gleich einmal eine Steuerschuld in der Höhe von 1 Million Schilling nachgelassen. Sie hat sogar die Forderung der Freiheitlichen übertroffen, indem sie sich gleich einmal 1 Million Schilling an Steuer nachgelassen hat. – Meine Herren von der ÖVP! So haben wir Freiheitlichen die Steuersenkung bitte nicht gemeint! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber die Sozialisten haben sich zum Thema "Arbeitsplätze schaffen" auch nicht lumpen lassen und haben ein ganz eigenes System entwickelt: Sie haben den Sekretären der Bundeskanzler jeweils einen Job verschafft: dem Herrn Rudolf Scholten in der Kontrollbank, damit er dort den schwarzen Attems beaufsichtigt, und den Marc Hall, Herr Staatssekretär, haben wir auch gebraucht wie der Hunger den Durst im Vorstand der OMV. (Abg. Dr. Nowotny: Ein exzellenter Fachmann!) Dafür wurden Tausende Mitarbeiter abgebaut.

Meine Damen und Herren! Die Umsetzung der Forderungen der Freiheitlichen zum Thema "Steuern senken" haben wir uns anders vorgestellt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wundert mich nicht, daß die Lohnsteuerreform nicht kommt, obwohl im Jahre 1997 ein Lohnsteueraufkommen von nahezu 100 Milliarden Schilling zusätzlich vorhanden war. Aber damit sind Sie nicht vielleicht die kalte Progression angegangen, das haben Sie nicht gemacht. Die soziale Kälte gegenüber der kalten Progression läßt sich am besten an den Augen des Herrn Finanzministers ablesen: Bei dieser Steuersituation leuchten die Augen nur, wenn es um den geschützten Bereich geht.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Es gibt immer mehr Sozialhilfeempfänger in Österreich, und Herr Finanzminister Edlinger sagt dazu – O-Ton –: Wir stehen im internationalen Wettbewerb so gut da wie nie zuvor! Ich glaube, daß er dabei primär an seine eigene Pension, die im Wettbewerb mit den europäischen Finanzministern eine einsame Höhe hat, wie wir unlängst in der EU erfragen konnten, denkt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Aber Herr Prinzhorn! Das ist ja die gleiche Rede! Die haben Sie schon einmal gehalten!)

Meine Damen und Herren! Im OECD-Bericht wird das ganz anders dargestellt. Die Wettbewerbssituation im Steuersektor in Österreich ist so, daß wir eine weit über dem EU-Durchschnitt liegende Steuer- und Abgabenquote haben. Ein permanenter Abstieg hinsichtlich unserer Wettbewerbssituation wird im OECD-Bericht, aber auch in den IMD-Vergleichen festgestellt. Österreich befindet sich trotz Hochkonjunktur, trotz 2,5 und 3 Prozent Wachstum in der Situation, daß die Arbeitslosen immer mehr werden, die Frühpensionisten immer mehr werden, das Budgetdefizit unverändert hoch bleibt, obwohl die Zinslast auf unsere Schulden so niedrig ist wie nie zuvor, und zwar aufgrund der niedrigen Zinsen und leider nicht aufgrund der geringen Schulden, und ich frage mich daher: Wie soll es damit im Wettbewerb der Steuern in Europa weitergehen?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 100

Es schreibt das European Monetary Institute beispielsweise folgendes: Für Österreich bedeutet dies, daß ab 1999 das Budget ausgeglichen sein muß – davon können Sie, Herr Staatssekretär, nur träumen! –, um den Schuldenstand in einer angemessenen Zeit unter 60 Prozent zu drücken. Derzeit weist Österreich jedoch ein Budgetdefizit von 2,7 Prozent auf. Eine weitere Erhöhung der Steuerlast ist nicht denkbar, da schon die jetzige Steuerlast dem Wirtschaftswachstum abträglich ist. – Das bekommen Sie aus Brüssel beziehungsweise diesmal aus Frankfurt bestätigt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Sie können sich vor den Folgen dieser Politik nicht drücken. Sie sind zu jung, Sie werden die Folgen erleben. Vielleicht wird der Herr Finanzminister schon in Pension sein, ebenso der Herr Wirtschaftsminister. Der Herr Wirtschaftsminister hat vor einigen Tagen ja gesagt: Die Probleme nach 1999 bedrücken mich nicht, das wird schon meinen Nachfolger betreffen.

Sie, Herr Staatssekretär, hätten die Möglichkeit, im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs eine Steuerreform auf internationalem Niveau einzuleiten. Aber was tut die Regierung diebezüglich? – Sie ist eine larmoyante Bittstellerin in Richtung Europa, in Richtung EU-Mitgliedsländer: Bitte erhöht doch eure Steuern, erhöht doch eure Abgaben, wir Österreicher schaffen diesen Wettbewerbsdruck nicht!

Sie weisen auf die Störung des Wettbewerbs hin. Ihr deutscher Kollege Waigel, Herr Staatssekretär, sieht das ganz anders. Das sehen Sie am Beispiel der Petersberger Steuervorschläge, aber auch an Reden Ihres Kollegen in Deutschland aus den letzten Tagen. Er teilt die Sichtweise der Kommission, daß dieser Steuerwettbewerb hinderlich ist, nicht. Er meint folgendes:

Ebenso, wie wir autonom bei der Gestaltung unserer Staatsausgaben sein wollen, brauchen wir Autonomie über die Staatseinnahmen. Ein anderes Europa kann ich, Waigel, mir nicht vorstellen. Die Finanzen und insbesondere die Budgetpolitik müssen auch nach dem Übergang zum Euro in der Verantwortung der Mitgliedstaaten bleiben. Dafür spricht im übrigen auch der Wettbewerbsgedanke. Ein Wettbewerb der Steuersysteme verdient im Grundsatz weiterhin den Vorzug – hören Sie gut zu!, es heißt: den Vorzug! – gegenüber einer weitreichenden Koordinierung oder Harmonisierung der direkten Steuern.

Herr Staatssekretär! Das ist eine Kampfansage an den Wirtschaftsstandort Österreich. Sie werden mit einer Steuerharmonisierung nach oben in diesem Wettbewerb nicht bestehen können.

Waigel sagt weiter: Wer glaubt, wir könnten den weltweiten Wettbewerb jenseits der notwendigen ordnungspolitischen Grundprinzipien, für die wir seit jeher international eintreten, mit internationalen Steuerabsprachen begrenzen, wie Oskar Lafontaine – Ihr Kollege! – es immer vorschlägt, wird schnell die negative Antwort der Märkte haben, denn, sagt Waigel, den Wettbewerb zu stoppen, kommt immer teuer: die Steuerzahler, die Verbraucher, die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze trotzdem verschwinden. Das lehrt die Geschichte 200jähriger Marktwirtschaft. – Ich glaube, man kann dazu ... (Abg. Dr. Nowotny: Eine totale Verwechslung!)

Ich weiß, Herr Wirtschaftssprecher, Sie sind da ganz anderer Meinung, aber ich muß Ihnen auch dazu wieder sagen: Ihr Kollege in Deutschland hat am 26. Mai 1998 in Brüssel sehr interessant darüber berichtet, wie die hohe Besteuerung von Unternehmensgewinnen und letztlich auch die hohe Besteuerung im Einkommensbereich dazu führen, daß zusätzliche Arbeitsplätze verlorengehen. Hingegen werden günstige steuerliche Bedingungen mit zusätzlichen Arbeitsplätzen (Abg. Dr. Nowotny: Sie sind zu deutschgläubig!)  – hören Sie gut zu!, ich weiß, daß Sie anderer Meinung sind – und daraus resultierenden Steuereinnahmen belohnt. (Abg. Dr. Nowotny: Nicht jeder Deutsche hat recht!)

Ich weiß schon, Sie haben sich zwar stur an die D-Mark angekoppelt, Ihnen war Deutschland immer das Vorbild hinsichtlich Wirtschaftspolitik, aber jetzt, weil es Ihnen nicht gefällt, geben Sie auf den Wettbewerb der Deutschen keine Antwort. Sie geben nämlich deshalb keine Antwort darauf, weil Sie keine wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 101

Eine deutliche Nettoentlastung hat Ihnen Waigel noch ins Stammbuch zu schreiben: Der Unternehmer ist Schlüssel zur Freisetzung dynamischer Wachstumskräfte der Wirtschaft, denn eines ist auch klar: Die Einkommensteuer ist noch immer für 90 Prozent der Unternehmen als Unternehmensbesteuerung maßgeblich und nicht die Körperschaftsteuer. Daher können Sie mit Ihrem Argument, unsere Körperschaftsteuer sei zu niedrig, in gar keiner Weise punkten: nicht bei den Klein- und Mittelbetrieben und schon gar nicht hinsichtlich der persönlichen Einkommensteuer.

Daher sage ich Ihnen nochmals: Nehmen Sie unsere Anfrage an den Herrn Finanzminister ernst, Herr Staatssekretär, die wir heute zur Durchführung der Steuerreform eingebracht haben.

Welche Auswirkungen würden sich aus einer aufkommensneutralen Steuerreform auf die Steuer- und Abgabenquote ergeben, wenn wir zuerst Steuerprivilegien, wie Sie sie nennen, in der ersten Etappe streichen, dann wieder ein drittes Belastungspaket machen und nach der Pensionierung des Herrn Finanzministers im Jahr 2001 die Steuerreform durchführen? – So haben wir uns das im Jahre 1996 nicht vorgestellt, und so stellen wir es uns auch heute nicht vor. Das ist auch nicht das, was Ihnen Europa vorgibt. Europa gibt Ihnen einen Steuerwettbewerb nach unten vor, dem Sie sich werden stellen müssen – oder Sie müssen aus der Europäischen Union wieder ausscheiden. Doch das ist das allerletzte, was wir wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Dramatisch hingegen finde ich die Verwendung dieser hohen Mittel. Wir haben jetzt eine Explosion des Steueraufkommens, was zu verstehen wäre, wenn Sie mit den hohen Abgabenquoten wenigstens die Pensionen sichern würden – keine Rede davon! –, wenn Sie mit hohen Abgaben wenigstens die Lehrlingsprobleme meistern würden – keine Rede davon! –, wenn Sie mit den hohen Abgaben wenigstens die Forschungs- und Entwicklungsquote auf den europäischen Durchschnitt bringen würden – keine Rede davon! –, wenn Sie mit den hohen Abgabenquoten wenigstens eine Bundesstaatsreform in Angriff nehmen würden, die ja auch Geld kostet – auch davon keine Rede!

Sie, Herr Staatssekretär Ruttenstorfer, haben dazu vor einigen Tagen im Plenum gesagt: Ziel unserer Politik, auch unserer Wirtschaftspolitik, kann es nicht sein, Steuern zu senken – hört, hört!, kann ich da nur sagen –, Ziel unserer Wirtschaftspolitik ist es, Arbeitsplätze zu schaffen. Ihnen ist der Zusammenhang zwischen einer Steuersenkung und dem Schaffen von Arbeitsplätzen noch immer nicht klar geworden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber mich wundert das nicht, Herr Staatssekretär. Als Sie den Euro propagiert haben, haben Sie gesagt, der Euro garantiere Wirtschaftswachstum. Diese Verwechslung ist so ähnlich wie jene Verwechslung, die Sie tragischerweise bei einem viel wichtigeren Thema, nämlich dem Thema der Steuersenkung und Arbeitsplatzschaffung, machten. Sie hätten damals sagen müssen: Wirtschaftswachstum sichert Euro! Aber Ihnen ist es leider nicht gegeben, das Pferd einmal von der richtigen Seite aufzuzäumen.

Auch da, Herr Staatssekretär, zäumen Sie das Pferd von der falschen Seite auf. Zwei Sparpakete waren ein gelungener Piratenstreich, das gebe ich zu: Zahlen tun die kleinen Leute. Dienstwagen unbeschränkter Größe fahren auch weiterhin steuerfrei – aber nur im öffentlichen Bereich, im privaten natürlich nicht! Ich glaube daher, daß es die Steuergeschenke in Wirklichkeit nur für Regierungstreue gibt und nicht für Private, frei nach dem Motto: Der Wirtschaft Vorauszahlungen aufbrummen, der Partei Nachlässe gewähren, der Wirtschaft Verlustvorträge aufsetzen, der Bank Austria rückwirkend Hunderte Millionen Schilling an Steuergeschenken über eine nachträgliche Änderung der Vorsteuerabzugsfähigkeit bei der Firma VISA-Kreditkarten zu machen. Die Bank Austria braucht das ja dringend, damit die Printmedien ausreichend Einschaltungen bekommen, wobei die Parteien und die Parteiwerbung nicht zu kurz kommen, soweit das Auge reicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber was soll’s! Steuermittel werden ja auch für die Presseförderung in jedem nur erdenklichen Umfang gewährt. Da kann man gut mitreden, frei nach dem Motto: Wes Brot ich aß, des Lied ich sang! Das sind alles Steuermittel, die meiner Meinung nach widerrechtlich – auch gegen EU-Recht – verwendet werden! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 102

Da bleibt nur wenig Geld zur Bezahlung vorgelebter politischer Kultur, die Sie gerade in diesen Tagen so häufig einfordern. Ich denke an den WEB-Skandal in Salzburg und wer da aller zum Zahlen kam. Ich denke an den "Konsum", als die Genossen leer ausgegangen sind und die Gewerkschaft es nicht einmal für richtig befunden hat, zumindest ihre BAWAG-Beteiligung dafür einzusetzen. Das ist die politische Kultur, die Sie uns vorleben! Da könnten Sie sich ein Beispiel nehmen an den Freiheitlichen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Schwemlein: Sie brauchen nicht so weit zurückzudenken! Es genügt der Rosenstingl!)

Ich weiß schon, daß Sie das nicht wollen. Sie wollen keine Mitverantwortung tragen, so wie es unsere Funktionäre in Niederösterreich tun, die mit ihren persönlichen Einkommen mithelfen werden, uns aus dieser kriminellen Misere herauszuhelfen! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß schon, daß Sie diese Solidarität nicht aufbringen. Wir haben zum Unterschied von Ihnen nicht das Spielkapital von roten und schwarzen Kammern und sonstigen Genossenschaften, mit dem man natürlich trefflich spielen kann.

Die Milchgenossenschaft verzeichnet allerdings noch immer Verluste in dreistelliger Millionenhöhe, Herr Klubobmann. Einkaufsgesellschaften werden jedoch von Mitarbeitern der Genossenschaft NÖM in Deutschland mit Provisionen versorgt, während gleichzeitig die schwarzen Genossenschafter der NÖM leer ausgehen. Das müssen Sie sich auch ins Stammbuch schreiben lassen, und das werden die Genossen Landwirte Ihnen irgendwann einmal heimzahlen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Ihre Genossenschaft war ja besonders erfolgreich! Da sitzen ein paar im Häfen deswegen! Ihre Genossenschafter sitzen im Häfen!)

Sie brauchen gar nicht groß zu reden! Denken Sie an die roten Genossenschaften, an die Kickbacks im Sozialbau! Beschäftigen Sie sich einmal mit den Kickbacks im Sozialbau! 15prozentige Provisionszahlungen von Versicherungen an die Sozialbau gehen in Ihre Gesellschaften hinein, Skontozahlungen gehen nicht an den Letztbegünstigten, sondern letztlich an einen Dritten: So wird die Wohnbauförderung verwendet! Das ist es, was Sie machen! Ihre roten Genossenschaften sind nämlich einen Dreck besser als die schwarzen Genossenschaften im Milchwirtschaftssektor! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die kleinen Häuslbauer werden sich schon ihren Reim darauf machen, wenn bekannt wird, wofür die Mittel aus Provisionszahlungen von Versicherungen, aus Skontozahlungen von Lieferanten verwendet werden. Das sind alles Dinge, die Sie eins nach dem anderen nachgewiesen bekommen werden! (Abg. Marizzi: Versprechen Sie nichts! Das ist bei Ihnen sehr teuer!)

Herr Staatssekretär! Ich kann Ihnen dazu abschließend nur folgendes sagen: Sperren Sie den proporzmäßig abgesicherten Privilegienstadl zu, der vor Steuergeldern nicht haltmacht – egal, ob es die ÖVP ist oder der Bank-Austria-Bereich der Sozialisten! Senken Sie die Steuern, Herr Staatssekretär, anstatt Steuergeschenke an Regierungsnahe zu vergeben und zu verteilen! – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.15

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Herr Präsident! Hohes Haus! In Beantwortung der gegenständlichen Dringlichen Anfrage des Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen möchte ich einleitend festhalten, daß es keinen seriösen empirischen Beweis gibt, daß Steuerquote und Wirtschaftsleistung, sei es nun insgesamt oder pro Kopf, in einem statistisch signifikanten Zusammenhang stehen.

Wir alle wissen, daß es innerhalb der Europäischen Union sogenannte Hochsteuerländer mit hohem Pro-Kopf-Einkommen gibt, wie Belgien, Dänemark und Schweden – das wird ja niemand


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 103

bezweifeln –, ebenso wie Niedrigsteuerländer mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen, zum Beispiel Spanien und Griechenland.

Österreich ist das viertreichste Land der Europäischen Union, mit einer nur leicht – nicht wie Sie sagten: bedeutend – über dem Durchschnitt liegenden Steuerquote. Aus diesem Grund meine ich, daß es nicht zutrifft, daß die hohe Steuerbelastung eine echte Gefahr für den Wirtschaftsstandort Österreichs wäre, wie Sie es meinen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Entwicklung der Direktinvestitionen nach Österreich in den letzten Jahren zeigt, wie attraktiv Österreich für internationale und nationale Investitionen ist – nicht zuletzt aufgrund seines Steuersystems. Keine Frage, daß wir diese attraktive Steuersituation für den Standort beibehalten, gleichzeitig aber den Anreiz zu mehr Beschäftigung über eine Entlastung des Faktors Arbeit verstärken wollen. Dies sollte zu einer Senkung der Steuerquote beitragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Weiters darf ich betreffend die in der Einleitung der Dringlichen Anfrage gemachten Ausführungen zur Steuerbelastung, wonach die Abgabenquote im Jahre 1996 45,7 Prozent betragen hätte, an dieser Stelle festhalten, daß dieser Wert nicht den aktuellen Berechnungen des statistischen Amtes der Europäischen Union, dem Eurostat, entspricht. Laut aktuellen Angaben von Eurostat betrug die Abgabenquote 1996 nur 44,2 Prozent. Sie war somit um 1,5 Prozent niedriger, als in der Dringlichen Anfrage behauptet wird. (Abg. Haigermoser: Und wie hoch war sie 1997?) Ebenso ist es unrichtig, daß die Abgabenquote in den Jahren von 1989 bis 1996 um 3,8 Prozent gestiegen ist, wie in der Dringlichen Anfrage behauptet wird. Richtig ist vielmehr, daß der Anstieg deutlich darunter liegt. (Abg. Haigermoser: Nämlich? Wo liegt er? Wie hoch ist er?)

Ich erlaube mir auch zu bemerken, daß für den Zeitvergleich mit dem EU-Durchschnitt ein Ausgangsjahr gewählt wurde, das es zuläßt, ein möglichst negatives Bild von Österreich zu zeichnen. Bei einem echten Zehnjahresvergleich – und ich glaube, es ist wichtig, das so zu sehen –, und zwar von 1986 bis 1996, liegt der Anstieg der österreichischen Steuerquote deutlich unter jenem des EU-Durchschnitts. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist des weiteren wichtig, die Steuern im Zusammenhang mit den Transfers zu sehen. Die etwas über dem Durchschnitt liegende österreichische Steuerquote ist ja nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß beispielsweise die Familien- beziehungsweise Kinderförderung in Österreich sozialer und frauenfreundlicher geregelt ist, als dies in vielen anderen Ländern der Fall ist. Die Tatsache, daß diese im wesentlichen über Transfers an die Mütter erfolgt, wobei zu bemerken ist, daß der Kinderabsetzbetrag in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und folglich auch in der Eurostat-Steuerstatistik nicht als Abzug von der Einkommens- und Lohnsteuer, sondern als Transfer verbucht wird, führt gleichzeitig zu einer Erhöhung der Steuer- und Transferquote gegenüber einer Freibetrags- oder Splittingregelung, obwohl im Aggregat, wie Sie wissen, dieselbe Auswirkung auf die privaten verfügbaren Einkommen gegeben ist.

Es ist jedoch klar, daß Freibetrags-, vor allem aber Splittingmodelle hohe Einkommen wesentlich stärker und niedrige praktisch überhaupt nicht begünstigen.

Auch eine gut ausgebaute Sozialversicherung – das wird doch wohl niemand als Nachteil betrachten – führt zu einer höheren Steuerquote. Insofern ist der zitierte Spruch, daß die Bürgerinnen und Bürger vom 1. Jänner bis 12. Juni allein für die öffentliche Hand arbeiten müßten, zwar populistisch plakativ, wird jedoch auch durch häufige Wiederholung, meine ich, nicht richtiger. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daß die Österreicher heuer mehr Steuer zahlen als vor drei Jahren, ist erfreulicherweise hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß sie auch mehr verdienen als damals. Das Bruttoinlandsprodukt wird 1998 um fast 300 Milliarden Schilling über jenem von 1995 liegen, sodaß bei konstanter Steuerquote die Steuereinnahmen alleine aufgrund dieses Wachstums um gut 120  Milliarden Schilling gestiegen wären.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 104

Die einnahmenseitigen Maßnahmen des Sparpakets haben selbstverständlich zu einer Erhöhung der Steuerquote geführt. Die Bundesregierung hat auch nie ein Hehl daraus gemacht, daß etwa ein Drittel des damaligen Konsolidierungszieles von zirka 100 Milliarden Schilling im Hinblick auf das Bundesbudget durch höhere Einnahmen zu erreichen sei. Die von der FPÖ angestellten Rechnungen zeigen eigentlich, daß die steuerlichen Auswirkungen des Sparpaketes eher geringer sind.

Nun zu den konkreten Einzelfragen.

Zur Frage 1, die da lautet: Teilen Sie die Auffassung, daß sich die in den letzten Jahren erheblich zugenommene Steuerbelastung der Österreicherinnen und Österreicher für den Wirtschaftsstandort Österreich negativ auswirkt?:

Nein! Ich kann mich dieser, in der Frage vertretenen Auffassung nicht anschließen.

Zur Frage 2:

Die geringfügige Erhöhung der Abgabenquote führte zu einer Verbesserung der Budgetsituation, keineswegs – und die Daten beweisen dies – zu einer Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes Österreich – insbesondere wenn man bedenkt, daß in anderen europäischen Ländern ein wesentlich restriktiverer Budgetkurs als in Österreich eingeschlagen wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Frage 3:

Solange die Steuerreformkommission keine Empfehlungen für die nächste Steuerreform vorgelegt hat und damit zumindest die Eckwerte dieser Steuerreform feststehen, wäre jede Annahme über eine etwaige Änderung der Abgabenquote Spekulation. Ich ersuche daher um Verständnis, daß ich diese Frage nicht konkret beantworte.

Zur Frage 4, die da lautet: Ist es richtig, daß Sie nicht beabsichtigen, zum 1. Jänner 1999 beziehungsweise 2000 eine Entlastung der Arbeitseinkommen durch eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer herbeizuführen?:

Der Herr Bundesminister für Finanzen hat schon mehrmals in diesem Hohen Hause – ich darf nochmals darauf verweisen – darauf hingewiesen, daß es beabsichtigt ist, die Steuerreform mit 1. Jänner 2000 durchzuführen. Ich glaube, daß dies schon des öfteren klargestellt worden ist.

Zu Frage 5, die da lautet: Welche konkreten Maßnahmen zur Senkung des Lohn- und Einkommensteuertarifs planen Sie?:

Zum jetzigen Zeitpunkt, also vor der Veröffentlichung eines Zwischenberichtes der Steuerreformkommission können konkrete Maßnahmen nicht erörtert werden, weil das ein Vorgriff auf die Ergebnisse der Beratungen dieser Kommission wäre.

Zu Frage 6:

Die Steuerreformkommission soll ohne Einflußnahme von außen Vorschläge für eine Steuerreform erarbeiten. Eine Prognose über die Höhe der steuerlichen Entlastung wäre ein ungerechtfertigter Vorgriff auf die Ergebnisse der Beratungen.

Zu Frage 7:

Eine hohe Lohnsteuerquote läßt auf eine hohe Quote unselbständig Erwerbstätiger und auf eine geringe Arbeitslosenzahl schließen, was mit der Gesinnung als Sozialdemokrat zweifellos vereinbar ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Lukesch: Nicht nur!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 105

Zu den Fragen 8, 9, 10 und 11:

Die Steuerreformkommission hat den Auftrag, ohne jede Vorgabe, aber auch ohne Tabus, Leitlinien für eine Steuerreform zu erarbeiten. Um dem Ergebnis dieser Beratungen nicht vorzugreifen, ist eine Antwort auf diese Fragen derzeit nicht möglich. Es können je Steuerart – nicht in Summe – weder Steuererhöhungen noch Steuersenkungen ausgeschlossen werden.

Zu den Fragen 12 bis 14:

Es ist richtig, daß anläßlich der Regierungskonferenz unter anderem auch die Frage zur Diskussion gestanden ist, das sogenannte Einstimmigkeitsprinzip zu lockern. Neben anderen Bereichen war dabei auch das Thema Steuern betroffen. Österreich hat diesen Vorschlag unterstützt, weil dadurch eine gemeinschaftliche Koordination in Steuerfragen beziehungsweise die Schaffung steuerlicher Mindeststandards auf Gemeinschaftsebene deutlich erleichtert würde.

Eine solche Koordination ist gerade im Hinblick auf die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion wichtiger denn je, um einen schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Teilnehmerstaaten zu vermeiden und eine ausgewogene Besteuerungsstruktur sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, daß ein Binnenmarkt ein Minimum an steuerlicher Koordination zwischen den Mitgliedstaaten erfordert. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Herr Abgeordneter! Keine völlige Standardisierung ist gemeint, sondern ein Minimum an Koordination.

Das gegenwärtige Mehrwertsteuerübergangssystem zum Beispiel ist weit entfernt von einem idealen Zustand – das werden Sie doch wohl konzedieren –, weil es extrem verwaltungsaufwendig und auch anfällig ist. Eine Verbesserung scheiterte bisher am Einstimmigkeitsprinzip. Ich glaube, daß es notwendig ist, in einigen Bereichen die Harmonisierung auf europäischer Ebene voranzutreiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Frage 15:

Ihre Behauptung, daß die rückwirkende Änderung des Umsatzsteuergesetzes zugunsten von bestimmten Banken erfolgte, um diesen einen Steuervorteil zu verschaffen, ist völlig unzutreffend. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Gesetzesänderung um eine Klarstellung einer Zweifelsfrage, die nur aus Vereinfachungsgründen – und zwar sowohl auf seiten der betroffenen Unternehmen als auch auf seiten der Finanzverwaltung – rückwirkend in Kraft gesetzt worden ist.

Zu den Fragen 16 und 17:

Im Rahmen der Europäischen Union – wir haben das damals erläutert – besteht für Kreditkartengeschäfte eine Wahlmöglichkeit, ob sie umsatzsteuerpflichtig oder von der Steuer befreit sind. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Österreich hat sich nach eingehenden Überlegungen für die im § 6 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz 1994 einfachere und praxisnähere Möglichkeit entschieden. Die Gesetzesänderung war aus Gründen der Eindeutigkeit und Klarheit von Steuergesetzen geboten. Ob und in welcher Höhe ein etwaiger Steuervorteil für Kreditkartenunternehmen vorliegt, läßt sich nicht abschätzen.

Zu den Fragen 18 bis 26 (Abg. Dr. Krüger: Einzeln beantworten!):

Zuerst ist festzuhalten, daß ich aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht diese Frage nicht beantworten kann und auch nicht darf. Allgemein ist zur Frage von Nachsichten festzuhalten, daß der Gesetzesbegriff "Unbilligkeit der Einhebung" als unbestimmter Gesetzesbegriff zu interpretieren ist. Dabei ist der Maßstab rechtlich denkender Menschen anzulegen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 8. Juli 1953. Das Interpretationsergebnis kann unter Berücksichtigung dieser höchstgerichtlichen Rechtsmeinung daher unterschiedlich sein.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 106

Unbilligkeit kann sachlich oder persönlich bedingt sein; auch gemäß Verwaltungsgerichtshoferkenntnis. Sachlich bedingte Unbilligkeit kann beispielsweise vorliegen, wenn eine Norm zu einem außergewöhnlichen oder atypischen Vermögenseingriff führt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dargetan hat, kann sachliche Unbilligkeit angenommen werden, wenn die Einhebung auch aus der Sicht der gesetzlichen Bestimmung im Einzelfall ein unbeabsichtigtes Ergebnis bedeuten würde.

Die Festsetzung von Aussetzungszinsen kann bei länger dauernden Rechtsmittelverfahren zu einer Belastung führen, die zum Streitwert in keiner vernünftigen Relation steht. Aus diesem Grund kann die Einhebung von Aussetzungszinsen als unbillig angenommen werden.

Die Unbilligkeit der Einhebung kann aber auch in den Besonderheiten eines Geschehnisablaufes begründet sein; auch dazu gibt es ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Zum Beispiel: Der zur Abgabenforderung führende Vorgang war zwischen Abgabenverwaltung und Abgabenpflichtigen strittig und wurde letztlich sogar an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung herangetragen.

Wie den Anfragenden bekannt sein dürfte, hat der Verfassungsgerichtshof die die Aussetzungszinsen regelnde Bestimmung des § 212a Abs. 9 Bundesabgabenordnung als verfassungswidrig aufgehoben, weil die Höhe des Zinssatzes als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen wurde. Mit dem Bundesgesetzblatt Nr. 818 aus dem Jahre 1993 wurde eine der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragende Regelung mit Wirkung für Zeiträume nach dem 31. Dezember 1993 geschaffen.

Zu den Fragen 27 und 28:

Über Einzelfälle werden keine Statistiken geführt, weshalb ich diese Fragen leider nicht beantworten kann.

Zur Frage 29, die da lautet: Wurden die zu Unrecht einbezahlten Außenhandelsförderungsbeiträge bereits zur Gänze an die Unternehmen rückbezahlt?

Die Außenhandelsförderungsbeiträge, die aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes zu Unrecht eingehoben wurden – betroffen waren Ein- und Ausfuhren von Waren im Jahre 1994, für die das EWR-Abkommen anwendbar war – wurden von Amts wegen von der Verwaltung rückerstattet. Bereits mit Ende 1996 konnte das Rückerstattungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen werden. Im Jahre 1997 beziehungsweise Anfang des Jahres 1998 waren nur mehr marginale Nachbearbeitungen beziehungsweise war nur mehr die Behandlung von Berufungen erforderlich.

Zur Frage 30, die da lautet: Wie hoch ist der Betrag, der den Unternehmen bisher rückerstattet worden ist?:

Für das im Rahmen der in der Dringlichen Anfrage angesprochene Verfahren, welches aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt ist, betrug die Rückerstattung rund 1 281 Millionen Schilling. (Abg. Haigermoser: 3 Milliarden Differenz waren es insgesamt!)

Zur Frage 31:

Nach der Bundesabgabenordnung, die im gegebenen Fall anzuwenden ist, ist weder eine Verzinsung von rechtswidrig nicht entrichteten Abgabenschulden noch eine Verzinsung von Erstattungsbeträgen vorgesehen. Eine Änderung dieser Rechtslage ist auch derzeit nicht in Aussicht genommen.

Ich darf zusammenfassen: Mit meinen Ausführungen soll zum Ausdruck gebracht werden, daß wir auch in Steuerfragen keine Zickzackpolitik betreiben, sondern eine stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik machen, die auf eine weitere konsequente Förderung des Wirtschafts- und Beschäftigungsstandortes Österreich abzielt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Alles zugedeckt! Gemeinschaftlich! "Gut" gemacht! Gratuliere!)

15.32


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 107

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Herr Staatssekretär.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

15.32

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zum Ersten: Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Ihrer Beantwortung dieser unserer Dringlichen Anfrage entnehme ich, daß diese Bundesregierung in Steuerfragen ohne die Steuerreformkommission absolut hilflos ist – hilflos und "nackt" wie ein kleines Kind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten: Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß die Steuer- und Abgabenquote im Jahre 1996 nicht 45,7  Prozent betrug. Ich habe hier eine Aussendung von Eurostat, darin steht folgendes: 1996 45,7  Prozent gegenüber 1989 41,9  Prozent. Das ist ein Anstieg um 3,8 Prozentpunkte oder, gerundet, von zirka 9 Prozent. (Abg. Haigermoser: Was ist jetzt die Wahrheit?)

Zum Dritten: Die rückwirkende Änderung des Umsatzsteuergesetzes ist eine typische Anlaßgesetzgebung. Herr Staatssekretär, es dürfte auch Ihnen bekannt sein, daß eine entsprechende Betriebsprüfung stattgefunden hat und aufgrund dieser Betriebsprüfung die entsprechenden Vorsteuerbeträge hätten vorgeschrieben werden sollen. Aber erst durch die rückwirkende Änderung des Umsatzsteuergesetzes wurde es möglich, daß es zu keiner millionenschweren Nachzahlung bei der Umsatzsteuer gekommen ist – und das vor dem Hintergrund der höchsten Abgabenquote der Zweiten Republik. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Das schaut ganz anders aus!)

Nun, Herr Staatssekretär, zu dem sogenannten VP-Steuerskandal, dem Steuergeschenk an die Österreichische Volkspartei. (Ruf bei der ÖVP: Was?) Ich habe, Herr Staatssekretär, aus rechtlichen Gründen Verständnis dafür, daß Sie sich auf die Verschwiegenheitspflicht berufen. Mein Verständnis hält sich aber in Grenzen, wenn ich daran denke, wie mit Steuerakten von Politikern der Freiheitlichen in der Vergangenheit umgegangen wurde. Wer bitte hat denn den Steuerbescheid des Bundesparteiobmannes Dr. Jörg Haider an die Öffentlichkeit gespielt? – Jörg Haider sicherlich nicht! Wahrscheinlich jemand aus dem Ministerium. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Staatssekretär! Ich kann es verstehen, daß Sie nicht gern darüber sprechen, daß man der Österreichischen Volkspartei ein millionenschweres Steuergeschenk gemacht hat. Das ist mir schon klar! Nur, Herr Staatssekretär: So billig können Sie es sich wirklich nicht machen! Hat doch jüngst in der "Aktuellen Stunde" Kollege Stummvoll ob der langen Dauer des Verfahrens massiv Kritik an der Finanzverwaltung geübt. Stimmt es nicht? Das war in der "Aktuellen Stunde". (Abg. Dr. Stummvoll: Ja!) Ich gebe Ihnen recht, Herr Abgeordneter, nur man muß hinterfragen, warum diese Sache so lange nicht erledigt worden ist.

Meine Damen und Herren! Aus meiner Sicht ist dieses Steuergeschenk, diese Nachsicht von Aussetzungszinsen dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechend. (Abg. Dr. Stummvoll: Überhaupt nicht! Da gibt es viele andere Fälle auch!) Das ist ein Schlag ins Gesicht jedes ordentlichen Steuerzahlers und führt zur Schaffung von zwei Klassen von Steuerzahlern und widerspricht meines Erachtens dem Inhalt und dem Geist des § 236 der Bundesabgabenordnung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darüber hinaus ist die Aussetzung des Abgabenrückstandes nach Erledigung des Berufungsverfahrens über den Zeitraum der Beschwerde beim VfGH hinaus gesetzeswidrig gewesen. (Abg. Auer: ... Rosenstingl!) Es ist nett, Kollege Auer, daß Sie hier einen Konnex zwischen der ÖVP-Steuerpolitik und dem Rosenstingl herstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Auer! Für mich ist mein ehemaliger Kollege Rosenstingl ein mutmaßlicher Krimineller. Wenn Sie die ÖVP mit ihrer Steuerpolitik in dieser Hinsicht vergleichen wollen, dann ist das Ihre Angelegenheit – nicht meine! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 108

Herr Staatssekretär! Es besteht für Sie im Zusammenhang mit diesen Fragen großer Erklärungsbedarf, der weit über den ÖVP-Anlaß hinausgeht.

Erfreulicherweise hat DDr. Kurt Neuner, angeblich ein ÖVP-Steuerberater, in einem Schreiben vom 8. Juni 1998 die Fakten zum VP-Steuerskandal klar aufgelistet. Interessant ist folgendes: Im Frühjahr 1997 hat das zuständige Finanzamt für Körperschaftsteuern den Akt an das Ministerium mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt. Drei Jahre ist dort nichts geschehen, Herr Staatssekretär! Drei Jahre ist im Bundesministerium für Finanzen in dieser Causa nichts geschehen, es ist der Akt irgendwo gelegen, vielleicht beim Herrn Staatssekretär Ditz in der Schublade. (Abg. Haigermoser: Ein Irrläufer! Wie beim Rosenstingl!) Vielleicht ein Irrläufer! – Nach diesen drei Jahren hat das Finanzministerium festgestellt – das ist eine "epochale" Aussage! –, daß das Erstfinanzamt entscheiden soll, daß es das selber machen soll.

Ich kenne die Mitarbeiter, die hohen Beamten im Finanzministerium, die für den Bereich der Umsatzsteuer zuständig sind, als hervorragende Fachleute, und ich sage Ihnen eines: Ohne entsprechende Weisung oder Intervention hätten diese hochqualifizierten Beamten im Finanzministerium keine drei Jahre benötigt, um zu sagen, daß das Finanzamt entscheiden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann hat es, meine Damen und Herren, weitere eineinhalb Jahre gedauert, bis das Finanzamt die entsprechenden Bescheide erlassen hat. In diesen drei Jahren wurde der Steuerrückstand nicht vorgeschrieben. Es hat sich die ÖVP zirka eine halbe Million Schilling an Zinsen erspart, weil der Steuerbetrag nicht vorgeschrieben wurde. Das könnte man weiterspielen: Insgesamt siebeneinhalb Jahre hat die ganze Sache nicht funktioniert.

Herr Staatssekretär! Da gäbe es noch viele Dinge aufzuklären. Zum Beispiel: Am 12. Oktober 1995 ist die Aussetzung der Einhebung aufgehoben worden. Erst am 10. Dezember 1997, also zwei Jahre später, ist ein neuer Zahlungserleichterungsbescheid ergangen. Was ist in diesen zwei Jahren geschehen? Welchen Status hatte dieser Abgabenrückstand: war er geregelt oder nicht geregelt? Warum wurden keine Einbringungsmaßnahmen gesetzt? Und so weiter.

Das ist eine sehr "interessante" Vorgangsweise, von der "normale" Steuerpflichtige nur träumen können!

Man müßte aber auch noch dazusagen, daß gemäß § 212a Bundesabgabenordnung die Behörde zwingend die Aufhebung der Aussetzung hätte veranlassen müssen. Doch da ist die Behörde säumig gewesen – freiwillig, über Anweisung, mit Augenzwinkern? Das hätte ich von Ihnen, Herr Staatssekretär, gerne erfahren!

Herr Staatssekretär! Daß die Begründung für die Nachsicht der Aussetzungszinsen wasserdicht ist, kann ich mir nicht vorstellen.

Eine Nachsicht ist doch nur dann zulässig, wenn entsprechende Voraussetzungen erfüllt werden. Interessant ist auch, daß es jahrelang gedauert hat, bis das Nachsichtsansuchen erledigt wurde, obwohl im § 311 Abs. 1 BAO steht, daß die Abgabenbehörde dazu verpflichtet ist, über einen Antrag auf Nachsicht ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

Herr Staatssekretär! Was waren die Gründe für diesen Aufschub, was war der Grund dafür, daß dieses Nachsichtsansuchen drei Jahre lang nicht erledigt wurde? Drei Jahre hat man dazu gebraucht! Im Gesetz, nämlich in der Bundesabgabenordnung, heißt es: "ohne unnötigen Aufschub"! Man könnte ellenlang Gründe dafür aufzählen.

Herr Staatssekretär! Dieses Steuergeschenk an die ÖVP wird bei "Otto Normalverbraucher", also beim Steuerzahler, kein Verständnis finden. Ich darf Ihnen dazu noch folgendes sagen: Ich war zehn Jahre lang Mitarbeiter in der Finanzverwaltung, bin nun fast drei Jahrzehnte lang Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, aber in diesen fast vier Jahrzehnten ist mir kein einziger Fall untergekommen, der eine Nachsicht von Aussetzungszinsen oder Stundungszinsen bei negativer Beurteilung in der Hauptsache gebracht hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.41


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 109

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte.

15.41

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Hohes Haus! Ich möchte mich Fragen der Steuerpolitik zuwenden, die eigentlich der wesentliche Punkt dieser Dringlichen Anfrage ist, wobei ich sagen muß, daß diese Anfrage ein gewisses Déjà-vu-Erlebnis ist: Am Dienstag gab es zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde, heute, am Donnerstag, gibt es dazu eine Dringliche Anfrage. Das Thema ist das gleiche, nur die Redner haben ein bißchen gewechselt. Ob das ein Vorteil war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall: Sehr einfallsreich war das Ganze nicht! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es gibt einen Ausspruch von Winston Churchill, der einmal gesagt hat: Wenn einem Politiker nichts mehr einfällt, verlangt er eine Steuersenkung. – Offensichtlich haben Sie sich in diesem Sinne Churchill zum Vorbild genommen. Sehr viel ist Ihnen dazu auch nicht eingefallen. Mir ist allerdings wichtig, folgendes klarzustellen – und das ist der Punkt, um den die Debatte eigentlich auch gehen soll –: Es ist für uns als Regierungsparteien, es ist für den Herrn Staatssekretär beziehungsweise für den Herrn Finanzminister überhaupt keine Frage, daß es eine Steuerreform geben wird. Selbstverständlich wird es eine Steuerreform geben. Das haben wir bereits vielfach klargestellt und ist auch jetzt wieder klargestellt worden.

Es geht vielmehr um die Frage: Wird es eine seriöse Steuerreform sein, eine Steuerreform, die von Verantwortung getragen ist, eine Steuerreform, die hält, und eine Steuerreform, die es nicht notwendig macht, nach zwei Jahren wieder die Notbremse zu ziehen? – Das ist unser Anliegen!

Natürlich sind wir für eine Steuerreform, wir sind aber für eine von Seriosität und Verantwortung getragene Steuerreform, für eine Steuerreform, die jenen eine Entlastung bringt, die sie wirklich brauchen, für eine Steuerreform, die nicht die Gefahr mit sich bringt, öffentliche Leistungen einschränken zu müssen, und für eine Steuerreform, die nicht auf Kosten der sozial Schwachen geht. Das ist die Steuerreform, die wir anstreben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist sicher richtig und wichtig, über Steuern zu sprechen, es ist aber auch wichtig – und das haben Sie ein bißchen, wenn auch nicht ganz so erfolgreich, in Ihrer Dringlichen Anfrage versucht –, die Frage der Besteuerung in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Es zählen eben auch alle anderen ökonomischen Faktoren. Zum Beispiel stellt sich die Frage: Wie entwickeln sich die Einkommen? – Wir werden heuer in Österreich erfreulicherweise eine Wachstumsrate von voraussichtlich 3 Prozent verzeichnen können, was heißt, daß wir eine sehr positive Einkommensentwicklung haben werden. Selbst wenn es in Asien Krisenzeichen gibt, dürfte es so sein, daß Europa und auch Österreich davon erfreulicherweise nicht berührt werden.

Es stellt sich auch die Frage, wie sich die sozialen Leistungen in unserem Land entwickeln werden. Auch diesbezüglich haben wir in Österreich gezeigt, daß wir das bisherige Niveau aufrechterhalten konnten und daß es – im Gegensatz zu vielen anderen Staaten – bei uns sozialen Frieden und soziale Stabilität gibt. Letztlich fragt man sich natürlich auch, wie sich die Beschäftigung entwickeln wird. Da ist eben nicht zu leugnen, daß Österreich mit einer Arbeitslosenrate von 4,3 Prozent wesentlich bessere Werte aufweist als andere Staaten, auch wesentlich bessere Werte als viele Staaten, die Sie immer hier angeführt haben.

Am Dienstag hat mir Ihr Parteivorsitzender eine Studie beziehungsweise eine Empfehlung von Finnland darüber gezeigt, was alles Wunderschönes dort gemacht wird. Ich darf Sie darauf hinweisen: Dieses Ihr Vorbildland hat eine Arbeitslosenrate von 13,4 Prozent. Ein weiteres Land, das Sie genannt haben, nämlich Spanien, hat eine Arbeitslosenrate von 18 Prozent. Selbst die Niederlande, die hier immer wieder zum Vorbild genommen werden, halten sich mit einer Arbeitslosenrate von 5,1 Prozent nach wie vor deutlich über Österreich, obwohl sie einen großen Anteil, und zwar fast 40 Prozent, Teilzeitbeschäftigte haben. Das können sicherlich keine Vorbilder für Österreich sein. Ich glaube, da können wir stolz auf unsere eigenen Leistungen verweisen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 110

Wir sind stolz darauf, daß es uns gelungen ist, in schwierigen Zeiten in Österreich für die Beschäftigung wesentlich mehr zu machen als andere. Darauf können wir mit Recht stolz sein! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte aber doch auch ein paar Worte zu dem Zusammenhang zwischen Besteuerung und Beschäftigung sagen, auf den Sie ebenfalls hingewiesen haben. Allerdings ist dieser Zusammenhang nicht so einfach, wie Sie es hier dargestellt haben.

Es gab in den USA eine einschneidende Phase der Steuersenkung unter Reagan nach der Philosophie der Laffer-Kurve. Das Ergebnis war das größte Budgetdefizit, das die USA jemals gehabt haben. Als Reaktion darauf haben die USA die Steuersätze erhöht, und zwar interessanterweise im Bereich des Spitzensteuersatzes und auch im Bereich der Kapitaleinkommensgewinne, wobei zu beachten ist – Sie haben in Ihrer Dringlichen Anfrage selbst darauf hingewiesen –, daß Kapitaleinkommensgewinne in den USA deutlich höher besteuert werden als in Österreich. Es hat dann zusätzlich eine expansive Geldpolitik und andere Maßnahmen gegeben.

Insgesamt liegt der Anteil der Einkommensteuer am Bruttoinlandsprodukt – und das ist ein interessanter Punkt! – in den USA ungefähr auf dem gleichen Niveau wie in Österreich. Der Anteil der indirekten Steuern ist in den USA allerdings wesentlich geringer, weil sie keine Mehrwertsteuer haben, da die Umsatzsteuer von den einzelnen Staaten eingehoben wird.

Der große Unterschied zu den USA liegt im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge. In den USA werden in der Tat nur 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Sozialversicherungsbeiträge verwendet. In Österreich ist es mehr als doppelt so viel, nämlich 15 Prozent. Das ist wahrscheinlich das, was Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage "die gierigen öffentlichen Hände" nennen. Nur glaube ich, sagen zu können, daß der überwiegenden Zahl der Österreicher ein System der sozialen Sicherheit, wie wir es in Österreich haben, auch bei höheren Sozialversicherungsbeiträgen, wesentlich lieber ist als ein amerikanisches System, bei dem zwar weniger Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden, aber große Armut und Unsicherheit in weiten Schichten der Bevölkerung herrscht. Ich glaube, daß wir davon ausgehen können, daß wir mit gutem Grund den richtigen Weg gewählt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt ist die Frage des Verhältnisses der Steuern zu Arbeit und Kapital. Da entwickelt sich ein Ungleichgewicht, das ist richtig. Ich kann diesbezüglich auf eine jüngste EU-Studie verweisen, in der auch darauf hingewiesen wurde, daß zwischen 1980 und 1995 die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit im europäischen Durchschnitt von 34,7 Prozent auf 40,5 Prozent gestiegen ist, während sie bei den übrigen Produktionsfaktoren Kapital und selbständige Arbeit von 44 Prozent auf 35 Prozent gesunken ist. – Dies ist auch in einer Graphik illustriert worden.

Das heißt, die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit, des weniger mobilen Faktors, ist gestiegen, während die steuerliche Belastung des Faktors Kapital, des mobileren Faktors, gesunken ist. Das ist genau die Folge des Steuerwettbewerbs, den Sie, Herr Kollege Prinzhorn, als die Lösung für Europa anpreisen! Der Effekt dieses Steuerwettbewerbs ist, daß Kapital entlastet und Arbeit immer stärker belastet wird. Wenn Sie das wollen, müssen Sie es auch deutlich sagen. Wir jedenfalls wollen das nicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Machen Sie etwas dagegen!)

Es gibt, wie Sie sicherlich wissen, dazu auch entsprechende Vorschläge der EU-Kommission. Es gibt Vorschläge von Kommissar Monti für eine einheitliche Mindestquellensteuer in bezug auf Zinseinkommen. Es gibt Vorschläge in bezug auf die Körperschaftsteuer. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: 20 Prozent! Aber bald sind es schon 25!) Sie kennen wahrscheinlich auch den Ruding-Report mit einer Mindeststeuer von 35 Prozent im Bereich der Körperschaftsteuer. – Das sind konkrete Vorschläge! Dafür arbeiten wir!

Das wird ein Schwerpunkt unserer Arbeit im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs sein, das haben wir auch angekündigt. Ich würde Sie ersuchen – ich glaube, daß das letztlich auch in Ihrem Interesse ist –, diese Vorschläge und Aktivitäten zu unterstützen. Es ist in unser aller Interesse, daß unser Staat genügend Mittel hat, um öffentliche Leistungen zu finanzieren, und


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 111

daß die Finanzierung öffentlicher Leistungen nicht nur zu Lasten des Faktors Arbeit geht, sondern dabei auch der Faktor Kapital entsprechend einbezogen wird. Dafür müßten eigentlich auch Sie stimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein letzter Punkt. Es ist natürlich richtig, daß wir in Österreich und auch andere Staaten eine hohe Belastung, eine vergleichsweise stärkere Belastung des Faktors Arbeit haben. Daher spricht vieles dafür, den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten. Ich möchte allerdings davor warnen, diese Entlastung zu diskutieren, ohne sich dabei auch zu überlegen, wie man deren Finanzierung bewältigt beziehungsweise was auf der Ausgabenseite zu geschehen hat. Auch dafür gibt es ein sehr deutliches empirisches Beispiel:

In der Bundesrepublik Deutschland wurde, wie Sie wissen, sozusagen als Ausfluß dieser Diskussion die Lohnsummensteuer abgeschafft. Man hat gemeint, man würde damit zusätzlich Arbeit schaffen. Inzwischen gibt es Studien, die zeigen, daß genau das Gegenteil eingetreten ist, und zwar deshalb, weil die Lohnsummensteuer dort wie bei uns eine Steuer ist, die den Gemeinden zugute kommt. Die Gemeinden sind zwar zum Teil durch einen Umsatzsteueranteil entlastet worden, jedoch nicht eins zu eins, aber die Folge war, daß die Gemeinden ihre kommunalen Investitionen einschränken mußten, als weitere Folge ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zurückgegangen und insgesamt die Beschäftigungslage in Deutschland nicht besser, sondern schlechter geworden. (Abg. Mag. Stadler: 100 Prozent Steuern! 100 Prozent Arbeitsplätze!) Das zeigt sehr deutlich, daß man bei Vorschlägen für eine Entlastung des Faktors Arbeit sehr genau acht geben muß, wie das zu finanzieren ist. (Rufe bei den Freiheitlichen: Das glaube ich auch!)

Herr Kollege! Es ist einfach gefährlich, Vorschläge zu machen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Nowotny! Es tut mir leid, die Lampe scheint einen Defekt zu haben. Ihre Redezeit beträgt nur noch 10 Sekunden. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Ich habe mich schon gewundert, wie lange Sie mir Redezeit gönnen. Aber diesen einen Satz möchte ich noch zu Ende sagen.

Es ist gefährlich, Steuerreformen durchzuführen, ohne dabei zu berücksichtigen, wie sich das nicht nur auf den Bund, sondern auch auf die Länder und Gemeinden auswirkt. Wir werden nur eine solche Steuerreform machen, die gesunde und vernünftige Finanzen sowohl für die Länder als auch für die Gemeinden sichert. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das sind wir den Gemeinden und Ländern schuldig. (Beifall bei der SPÖ.)

15.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwimmer. – Bitte.

15.52

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe in meiner Tätigkeit hier im Haus eines gelernt: Wenn von den Abgeordneten der nunmehrigen "Gesellschaft mit sehr beschränkter Haftung" – oder sollte man eher sagen: Vertragsbediensteten dieser Gesellschaft (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ)  – bestimmte Reizwörter verwendet werden, muß man das sehr ernst nehmen. Sie haben meistens einen anderen Hintergrund, als es hier dargestellt wird.

Die Leute, die damit zu tun gehabt haben, haben sich unter den Wohnbaugenossenschaften mit den schönen Namen "Holiday Home", "Freies Wohnen", "Freie Zukunft", die da im Dunstkreis der FPÖ entstanden sind, offensichtlich etwas anderes vorgestellt, als dann herausgekommen ist. Wenn die Vertragsbediensteten dieser "Gesellschaft mit sehr beschränkter Haftung" über Wohnbaugenossenschaften (Zwischenruf bei den Freiheitlichen)  – danke für das Stichwort! – und von angeblichen Unzulänglichkeiten reden, dann wollen sie vor allem davon ablenken, was im eigenen Bereich passiert. Es ist nämlich die gemeinnützige Genossenschaft "Freies Woh


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 112

nen", die Sie gegründet haben, eine Karikatur dessen, was Sie anderen unterstellen und vorwerfen wollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Weil sie so klein ist, deshalb!)

Danke für das Stichwort, Herr Prinzhorn: "weil sie so klein ist"! Weil sie klein ist, hat sie es gleich zustande gebracht, ihr Grundkapital zu verwirtschaften, sodaß überhaupt nichts mehr da ist. Man sagt, sie sei insolvenzgefährdet. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie ist zwar nur sehr klein, sie hat es aber trotzdem geschafft, gleich überhöhte Honorare an den Steuerberater zu schreiben, die sie nicht bezahlen und extra verrechnen dürfte. Das hat die kleine Genossenschaft "Freies Wohnen" sofort geschafft.

Diese kleine Genossenschaft hat es sofort geschafft, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zu verletzen, das jede Verbindung mit Baugesellschaften verbietet. Aber die FPÖ hat dort gleich einmal einen bereits wegen Betrugs verurteilten Baumeister, der zu 25 Prozent beteiligt ist, als Geschäftsführer eingesetzt. – So geht das bei der FPÖ!

Dann lösen Sie die Probleme; ich habe auch das genau registriert. Sie haben öffentlich erklärt, jetzt würden Sie "nachschießen" und dann mit einem kleinen Gewinn die Genossenschaft verkaufen. Sie kündigen damit gleich öffentlich einen Gesetzesbruch an, weil Sie Anteile an einer gemeinnützigen Bauvereinigung ausschließlich zum Nominalwert verkaufen dürfen. Wenn Sie einen Gewinn machen wollen, dann haben Sie offensichtlich irgendeine Linke im Sinne. Anders geht das nämlich überhaupt nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie reden von einem Einzelfall – nur um Ihre Semantik weiter zu beleuchten –, und dann stellt sich heraus, daß bei diesem "Einzelfall" noch neben Rosenstingl der Gratzer, der Rambossek, der Dinhopel, der Schimanek und wie sie alle noch heißen, dranhängen. Niemand hat etwas davon gewußt! – Natürlich haben Sie es gewußt. Auch der Herr Stadler hat es im November bei der berühmten Sitzung erfahren. (Abg. Mag. Stadler: Das stimmt nicht!) Alle haben erfahren, daß beim Rosenstingl etwas nicht stimmt. Alle haben es zugedeckt.

Ich habe heute Ihren Zwischenrufen sehr genau zugehört. Kollegin Aumayr sagte: Nach den Wahlen werden wir lachen! – Das wissen wir schon. Sie haben nach den niederösterreichischen Wahlen gelacht, daß Sie es bis zu den Wahlen zudecken konnten. Sie haben es zwar gewußt, aber Sie haben die Wähler an der Nase herumgeführt. – "Er hat euch nie belogen!" ist plakatiert worden. Wir wissen alle, was wir davon zu halten haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Herr Kollege! Würden Sie diesen Slogan für sich in Anspruch nehmen?)  – Ja (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), aber ich bin nicht so arrogant, es zu plakatieren. Das ist der Unterschied! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann reden Sie von Steuerrekord und von Steuergeschenken. Ich habe mir in aller Eile nur eine kleine Dokumentation von FPÖ-Steuergeschichten ausdrucken lassen. Es dürfte nur ein Auszug sein. Herr Böhacker sagte uns hier, was er in seiner langjährigen Geschichte als Wirtschaftstreuhänder alles nicht erlebt hat. Haben Sie in Ihrer Geschichte und in Ihrer Praxis als Wirtschaftstreuhänder erlebt, daß man ein Gut im Wert von geschätzten 140 bis 160 Millionen Schilling geschenkt bekommt (Zwischenruf des Abg. Böhacker ), daß bei der Schenkungssteuererklärung dem Einheitswert des Gutes entsprechende Belastungen entgegenstehen – Moment, warten Sie, Herr Böhacker, ich frage Sie schon noch etwas! –: das Jagdrecht, Holzdeputat und das Fruchtgenußrecht, das lebenslängliche Fruchtgenußrecht für einen anderen? (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Böhacker. )

Sie wissen als Steuerberater – das wissen auch andere hier im Haus, zum Beispiel Juristen –, daß, wenn ein anderer das Fruchtgenußrecht hat, man überhaupt nichts mehr von dem Gut hat. Steuerlich ergibt das dann einen Wert von "heißen" 1 400 S; dafür zahlt man die Schenkungssteuer. Mir ist ein solcher Fall zwar auch noch nie untergekommen, aber ich nehme nun einmal an, es sei bis dahin mit rechten Dingen zugegangen. (Abg. Böhacker: Unterstellen Sie dem Gebührenamt, daß sie falsch bemessen haben?)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 113

Nein! Haben Sie mir nicht zugehört? – Ich nehme an, daß bis dahin alles mit rechten Dingen zugegangen ist, Herr Böhacker. Doch jetzt kommt die Steuererklärung des Beschenkten. Ein anderer hat das Fruchtgenußrecht, er hat selber eigentlich nichts damit zu tun. In der Steuererklärung – und das wird auch anerkannt; ist Ihnen das schon einmal untergekommen? – werden die Verluste aus diesem Betrieb, bei welchem das Fruchtgenußrecht ein anderer hat (Abg. Böhacker: Das ist ja wieder etwas anderes!), vom Politikereinkommen abgesetzt. (Abg. Böhacker: Na geh, das sind ja zwei Paar Schuhe!) Wie geht das zu? Wann ist Ihnen solches jemals in Ihrer Praxis untergekommen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Böhacker: Der kennt sich wirklich nicht aus!)

Weil Sie von Steuergeschenken und von Steuerhinterziehungen reden, nun ein weiteres Beispiel aus dieser kleinen Dokumentation: In den anderen Parteien, die hier im Hause sitzen – ich glaube, ich kann in diesem Fall wirklich für alle anderen Parteien sprechen –, sind keine Funktionäre, die wegen ihrer Tätigkeit für die Partei – ich rede nicht von einem Privatfall! – in einem Finanzstrafverfahren rechtskräftig verurteilt worden sind, wie das einem Klubobmann der FPÖ in der Steiermark wegen Hinterziehung von Steuern und Abgaben in Millionenhöhe passiert ist.

Auch der Landesparteisekretär ist in diesem Zusammenhang gleich wegen Fälschung eines Beweismittels rechtskräftig verurteilt worden. (Abg. Dr. Stummvoll: Auch in der Steiermark?)  – Alles nur Einzelfälle, alles nur Einzelfälle! (Abg. Schwarzenberger: Alles "blauer Dunst"!)

Man hat sich jahrelang Zinsen erspart. Die FPÖ-Bundesparteileitung hat im Jahre 1988 über 3 Millionen Schilling Steuern nachzahlen müssen, die sie zwischen 1978 und 1988 weder deklariert noch abgeliefert hat. In der Steiermark sind auch gleich noch einmal 2,2 Millionen für die FPÖ übriggeblieben. – Das sind Steuerrekorde. Da haben Sie völlig recht. (Abg. Mag. Stadler: Wir zahlen sie wenigstens! Wir zahlen unsere Steuern! Sie zahlen sie nicht!) Sie haben versucht, Steuern zu hinterziehen, sonst wäre es ja zu keiner Verurteilung gekommen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Herr Kollege, seien Sie vorsichtig mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung! Das ist eine unerträgliche Unterstellung! Das ist ja unwahrscheinlich!) Schauen Sie, das ist doch offensichtlich! Da wurde rechtskräftig verurteilt! Rechtskräftig!

Ich rede nicht von einem Privatfall, darum erwähne ich dessen Namen auch gar nicht, sondern da geht es um die FPÖ, die ihre Steuern nicht zahlen wollte (Abg. Mag. Stadler: Wir zahlen unsere Steuern wenigstens, Sie kassieren nur!), weshalb jemand rechtskräftig in einem Finanzstrafverfahren verurteilt worden ist. Das ist ganz eindeutig. (Abg. Mag. Stadler: Von zahlen kann bei Ihnen nicht die Rede sein! Sie haben immer nur die Hände offen nach allen Seiten! Sie halten immer nur die Hände auf!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die restliche Redezeit beträgt noch 1 Minute.

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (fortsetzend): Darum ist es auch ganz interessant, daß der Herr Prinzhorn vom Reservebankerl hier als Ersatzmann reden muß, denn ansonsten hätten zu diesem Thema ja die berühmten Abgeordneten der FPÖ gesprochen. Mag. Schreiner – nicht mehr da! – hätte über die Steuerbelastung gesprochen, und über angebliche Steuergeschenke an die ÖVP hätte natürlich der Aufdecker gesprochen! (Ironische Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Ein Fall für zwei. Originalplakat aus dem Bezirk Mödling: "Der Aufdecker, Abgeordneter zum Nationalrat Peter Rosenstingl". Der hätte darüber gesprochen, jetzt mußte Herr Prinzhorn für ihn einspringen. (Abg. Mag. Stadler: Der hat sich selbst aufgedeckt!)

Herr Dr. Krüger, weil Sie vom Zudecken reden: Auf solche Aufdecker können wir verzichten. (Abg. Mag. Stadler: Wir auch! – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Wir auch!) Dem Beispiel der FPÖ werden wir nicht folgen, das kann ich Ihnen hier versprechen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich kann hier ganz klar sagen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Wir werden für eine ordentliche Steuerreform eintreten, die tatsächlich die wirklich Fleißigen und Tüchtigen entlastet.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 114

Die ÖVP hat ihre Steuern und Abgaben auf Heller und Pfennig bezahlt. (Abg. Mag. Stadler: Aber woher denn! Aber woher denn!) Daß das ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Redezeit, bitte!

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (fortsetzend): Daß das Verfahren länger gedauert hat, lag nicht an uns, wir haben sogar eine Säumnisbeschwerde erhoben. Wir haben unsere Steuern eindeutig bezahlt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Vielen Dank für die Dringliche! Das ist eine gute Gelegenheit, das alles hier zu sagen!)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Helmut Peter. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Peter  – der sich an der Lampe am Rednerpult zu schaffen macht –: Vielleicht ist die Birne ausgebrannt, Herr Präsident!) Das ist Sachbeschädigung, was Sie da treiben! (Heiterkeit.)

16.04

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Debatte hier so verfolge, komme ich mir als Bürger, der seine Steuern zahlt, wie der letzte Trottel vor. Ich hoffe, ich bin nicht der einzige, der sie noch zur Gänze bezahlt. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Mag. Mühlbachler: Ordnungsruf!) Mich selbst darf ich so bezeichnen. Das ist erlaubt, ja? (Abg. Schwarzenberger: Haben Sie die Steuererklärung 1997 schon gemacht?) Ja, habe ich schon gemacht. Leider! Darum bekomme ich ja die Vorschreibung.

Herr Staatssekretär! Sie haben recht: Österreich ist das viertreichste Land Europas, und Sie sind stolz darauf, ich bin stolz darauf, wir alle sind stolz darauf. Gott sei Dank ist das so! Nur ist dieses Land offensichtlich so weit und breit und schön und groß, daß es zwei ganz unterschiedliche Welten gibt: Da gibt es die Welt des erfolgreichen Managers der Großindustrie Ruttenstorfer, der jetzt Staatssekretär geworden ist, und da gibt es die Welt des Kleingewerbetreibenden Helmut Peter, der einfach offensichtlich eine ganz andere Wirklichkeit feststellt. (Heiterkeit.)

Auf die Frage, die Ihnen Prinzhorn stellt, ob die gestiegene Steuerbelastung für den Wirtschaftsstandort Österreich negativ ist, haben Sie schlicht und ergreifend mit Nein geantwortet. – Sie müssen wirklich in einer anderen Welt leben!

Es  ist  doch  wohl  offensichtlich so,  daß  die  Unternehmungen  Österreichs  gemeinsam unter einem Kostendruck stehen – vor allem in den neunziger Jahren, vor allem seit den Sparpakten –, der sich unerhört gesteigert hat, weshalb sie nicht wissen, welche Kunden, welche Märkte sie finden, die bereit sind, diese Kostensteigerung zu bezahlen. Darauf, daß Sie in der Industrie Gott sei Dank erfolgreich sind, sind wir stolz, das finde ich hervorragend, aber die Dienstleistungsbetriebe, das kleine Gewerbe, die Klein- und Mittelbetriebe, die diese Preise nicht so leicht weitergeben können, deren Märkte nicht bereit sind, diese Preise zu honorieren, wissen nicht, wie sie mit Kosten und Preisen zurechtkommen können.

Herr Staatssekretär! Sie haben natürlich recht, daß so gesehen Steuerquote und Wirtschaftsleistungen im Vergleich, den Sie gebracht haben, keine negative Korrelation haben, aber Steuerquote und Wachstum haben eine solch negative Korrelation. Die Staaten, die Nowotny in seinen sehr selektiven Vergleichen, die er immer anstellt, genannt hat, sind Staaten, die ein sehr hohes Wirtschaftswachstum haben und die sich seit ihrem Beitritt zur Europäischen Union in einem unerhörten Aufholwettbewerb befinden. Natürlich haben sie ein Problem mit der Arbeitslosigkeit – Spanien, Portugal zum Beispiel –, aber das Wirtschaftswachstum dieser Staaten liegt seit der Erweiterung der Europäischen Union um eben diese Staaten um 4, 5 Prozent höher als das in Österreich; momentan hat sich dieser Wachstumsvorsprung auf 2, 2,5 Prozent reduziert.

Ich meine daher, daß die Steuer- und Abgabenquote langfristig natürlich einen sehr wesentlichen Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung und auf die Wachstumsperspektiven eines Landes hat, denn die staatlichen Einnahmen, die Sie mit der Steuer- und Abgabenquote erzielen,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 115

haben ja, soweit Sie sie nicht als Transfers weitergeben, offensichtlich einen geringeren Multiplikator, als wenn das Geld in der Privatwirtschaft als privater Konsum, als Nachfrage in der Wirtschaft vorhanden ist und daher viel höhere Beschäftigungs- und Wachstumsmultiplikatoren hat.

Also so einfach, meine ich, können Sie es sich, wenn Sie eine faire Diskussion führen wollen, nicht machen, daß Sie das einfach vom Tisch wischen und sagen, die Steuer- und Abgabenquote spielt keine Rolle.

Einverstanden! Warum erhöhen Sie sie dann nicht auf 50 Prozent, wenn es sowieso keine Rolle spielt? Darf es ein bißchen mehr sein? 51? Wo ist die Grenze? Warum, Herr Staatssekretär, probieren denn alle anderen Staaten, die schon weit über 50 Prozent waren, davon wegzukommen? Schweden, Finnland wurden genannt. Sie tun alles, was sie können, um von dieser hohen Steuer- und Abgabenquote herunterzukommen und auf diese Weise wieder mehr Kaufkraft in der Bevölkerung und damit höhere Multiplikatoren zur Ankurbelung ihrer Wirtschaft zu haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Staatssekretär! Wenn die Opposition Sie fragt, was mit der Steuerreform ist, und Sie lapidar mit einem Hinweis auf die Kommission antworten, dann werden Sie sich gefallen lassen müssen, daß bei jeder Plenarsitzung wieder irgendeine Form von parlamentarischem Instrument ergriffen wird, um endlich einmal sicherzustellen, daß dieses Hohe Haus über die Pläne der Bundesregierung informiert wird, darüber, wie sie die Steuerlandschaft Österreichs gestalten will. Sie können doch nicht glauben, nur weil Sie eine Zweidrittelmehrheit haben, können Sie die Opposition in diesem Haus dumm sterben lassen, und wir als Eure Majestät gehorsame Opposition lassen uns das auch noch gefallen! Ja glauben Sie das wirklich?

Sie werden sich wohl der Mühe unterziehen müssen, hier in diesem Haus ehebaldigst Vorschläge zu unterbreiten, die Diskussion im Finanzausschuß zu beginnen und auch die Opposition in die Entscheidungen einzubeziehen, wie die Steuergestaltung in Österreich in Zukunft erfolgen soll.

Der Herr Finanzminister, Ihr unmittelbarer Boß, betreibt offensichtlich Nebelwerfen. Diesen Begriff habe ich gestern erst von Kollegen Stummvoll gelernt, darum wiederhole ich ihn gleich. (Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer: Wie war das? Nebelwerfen?) "Nebelwerfen" war der letzte Begriff. Stummvoll ist ja einer von den Koalitionsparteien, daher darf man das aufgreifen. Man lernt ja dazu! (Abg. Verzetnitsch: Wenn Sie soviel Nebel haben, werden Sie bald niemanden mehr haben im "Weißen Rössl"!)

Herr Präsident! Das gehört jetzt zwar nicht zum Thema, aber ich muß den Zwischenruf des Herrn Präsidenten Verzetnitsch richtigstellen: Der Wolfgangsee ist nebelfrei. (Abg. Verzetnitsch: Immer?) Ja, bitte für das Protokoll.

Aber worum geht es denn wirklich? – Ihr Finanzminister sagt uns alle zwei, drei Tage über die Zeitung, daß die Steuerreform in Wirklichkeit verschoben wird und daß sie nur mehr klein sein kann, weil doch die Familienreform schon gewesen wäre, und diese Steuerreform findet, wenn, eher im Jahre 2001 statt. Ich bin dankbar und werde das festhalten – wir werden das im Protokoll lesen –, daß Sie uns zumindest gesagt haben, sie ist für den 1. Jänner 2000 vorgesehen. Edlinger sagt uns jeden dritten Tag in der Zeitung etwas anderes. So wie man eine Salami immer kleiner schneidet, bleibt von der Steuerreform nichts mehr übrig.

Wo liegt denn Ihr Problem? Und das war mehr als der semantische Irrtum, den wir schon in der Aktuellen Stunde miteinander diskutieren konnten, Herr Staatssekretär, denn Sie sagen: Arbeit schaffen – Steuern senken. Sie haben sich schon damals in der Aktuellen Stunde und heute neuerdings widersprochen. Arbeit schaffen heißt, einmal die Arbeitseinkommen erhöhen. Das ist eine nachfrageorientierte Politik, das ist eine ausschließlich auf die Einkommenssteigerung gerichtete Politik, die in einer offenen Wirtschaft, so Ruttenstorfer, selbstverständlich zu einer Explosion der Importe führt. Das wissen Sie. Eine standortorientierte Politik, eine angebotsorientierte Politik, eine Politik, die den Standort auch durch Steuersenkungen attraktiver macht, ist eine Politik, die zusätzlich die Exportwirtschaft ankurbelt und über die Erlöse der Exporte dann ins Einkommen geht und auch die Zahlungs- und Leistungsbilanz einigermaßen im Gleich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 116

gewicht hält. Sie können in einem offenen Markt innerhalb der Europäischen Union keine nationale Wirtschaftspolitik herkömmlichen Maßes mehr nachfrageorientiert betreiben, sondern Sie können nur mehr innerhalb dieser Europäischen Union, die per se eine nachfrageorientierte Politik betreiben kann, Standortpolitik betreiben.

So Ihre Worte bei der Aktuellen Stunde. Trotzdem haben Sie das sehr mißverständliche Akronym "Arbeit schaffen – Steuer senken" drübergesetzt.

Steuern senken werden Sie auch nur können, wenn Sie Ausgaben senken. Das ist der Vorwurf der Opposition, und das ist es auch, was Prinzhorn Ihnen vorgeworfen hat. Sie haben keine Kosten gesenkt, Sie haben keine Strukturen verändert. Das ist das Problem, warum Sie die hohen Steuern brauchen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis: Mehr als 3 Prozent Wirtschaftswachstum werden Sie auf Dauer nicht haben – Sie werden die 3 Prozent nicht halten –, doch in dieser Zeit haben Sie eine zusätzliche Neuverschuldung im Budget von 2,7 Prozent. Was machen Sie, wenn Ihnen das Wirtschaftswachstum einbricht – Gott mecht’ abhit’n! –, was machen Sie, wenn die Asienkrise und die Rußlandkrise bis Mitteleuropa durchschlagen – Gott mecht’ abhiten! –, was machen Sie dann? Die Steuern noch weiter erhöhen, damit Sie die Maastricht-Ziele erreichen? Und diese Steuererhöhungen werden dann keine Rolle spielen für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land?

Herr Staatssekretär! Ich meine, Sie haben es sich in der Beantwortung dieser Frage zu einfach gemacht. Insgesamt wird ein hochentwickeltes Land mit einem hohen sozialen Netz selbstverständlich eine höhere Steuer- und Abgabenquote haben als ein unterentwickeltes Land. Das gestehe ich Ihnen zu. Wenn Sie das aber aus den Augen verlieren und die Eigendynamik, die eine Steuer- und Abgabenquote hat, aus den Augen verlieren, werden Sie die Wirtschaft schwer gefährden. Und das kann nicht in Ihrem Interesse liegen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Geht’s wieder?) Die Uhr funktioniert wieder. – Bitte.

16.12

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Peter! Es ist wirklich komplizierter, auch als Sie glauben. Der Zusammenhang zwischen Steuerquote, Abgabenquote und Wirtschaftswachstum ist nicht so, wie Sie sagen. Es tut mir leid. (Abg. Mag. Peter: Ich höre Ihnen gerne zu!) Wenn die Steuerquote irgendein Niveau überschreitet, wir wissen nur nicht, welches – Sie haben dieses Beispiel gebracht –, wenn sie irgendwo bei 100 Prozent wäre, wird das nicht besonders wirtschaftswachstumsfreundlich sein, denn wer reißt sich dann noch am Riemen? Das stimmt schon. Aber so wie Sie es unterstellen, daß eine Abgabenquote von null irgendwie optimal wäre – Sie haben da so eine naive Multiplikatoranalyse gebracht –, das stimmt auch nicht.

Ich gebe Ihnen nur ein simples Beispiel, das natürlich auch nichts belegt, weil es sich hier ja um statistische Effekte handelt und Einzelvergleiche mit bestimmten Ländern in bestimmten Perioden sowieso nie etwas bringen können. Ich bringe es nur für Sie, weil Sie zu glauben scheinen, daß es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Abgabenquote und Wachstum gibt. Wir beide sind alt genug, um uns halbwegs erinnern zu können, wie das in Österreich 1950, 1960 war. Österreich hat nach dem Krieg immer, seit wir diese Statistik haben, eine relativ hohe Abgabenquote gehabt. Sie war niedriger als jetzt, aber sie war höher als in der EU, in der damaligen EG, sie war sicher höher als in den Vereinigten Staaten. Und wie ist das Wirtschaftswachstum in den letzten 40, 50 Jahren im Vergleich Österreich – USA gewesen? Wir haben inzwischen praktisch das gleiche Pro-Kopf-Einkommen. Also muß das Wirtschaftswachstum Österreichs, wo man ja 1950 mehr oder weniger bei Null angefangen hat, viel höher gewesen sein als in den USA.

Ich kann Ihnen auch nicht antworten, worauf es jetzt wirklich ankommt. Es ist viel leichter zu sagen, worauf es statistisch offenbar nicht ankommt. Vermutlich kommt es viel mehr auf die Steu


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 117

erstruktur als auf das Steuerniveau an – abgesehen davon, was passiert, wenn man gewisse Schwellen überschreitet. Da wiederum verstehe ich Ihre Klage über die hohe Unternehmensbesteuerung nicht. (Abg. Mag. Peter: Wo ist die Schwelle?) Das weiß kein Mensch, ich auch nicht.

Ich kann nur sagen: Jede OECD-Statistik zeigt seit sicher 20 Jahren jedes Jahr: Corporate taxation in Österreich – vor allem die Körperschaftsteuer beziehungsweise überhaupt die selbständige Einkommensbesteuerung in Österreich – ist niedrig im internationalen Vergleich. Ich kann Ihnen leider nicht helfen. (Abg. Mag. Peter: Ich habe mich nicht beklagt!) Sie haben schon geklagt, wie schrecklich es doch den armen Unternehmern in Österreich geht! Meine Kollegen an der Uni sagen immer: Lerne zu klagen, ohne zu leiden! Das ist das erste Unternehmerprinzip! Das ist nicht für Sie persönlich gemeint. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Das hat die Firnberg immer gesagt!) Bitte? (Abg. Dr. Khol: Der Satz stammt von der Frau Minister Firnberg! Sie hat das immer gesagt über die Professoren!) Möglich. Das gilt mit Sicherheit auch für die Professoren.

Also die Struktur der Steuern wird wichtig sein, und das zweite, worauf es mit Sicherheit ankommt, ist die Verwendung der Steuern. Da verliere ich schon irgendwie die Lust, mich mit Dringlichen Anfragen zu beschäftigen, wenn die Anfrage mit folgendem Satz beginnt – vorausschicken möchte ich, daß die Abgabenquote auch unserer Meinung nach zu hoch ist; das ist ohnehin unbestritten; keine politische Partei tritt für Abgabenerhöhungen ein (Abg. Mag. Stadler: Aber der Nowotny hat das nicht gesagt!); okay, fast keine –, aber Kruzitürken, Herr Prinzhorn, warum schreiben Sie: "Aus dieser hohen Abgabenquote folgt, daß die Bürgerinnen und Bürger vom 1. Jänner bis zum 12. Juni allein für die gierigen ,öffentlichen Hände‘ arbeiten müssen und nur die restliche Zeit des Jahres für sich selbst."

Das ist doch ein Unsinn! Das wissen Sie doch genauso wie ich. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: So ein Unsinn ist es eigentlich nicht!) Gehen wir es kurz durch. Ich habe keine Statistik da gehabt, ich habe nur einen Freßzettel da und mache es aus dem Gedächtnis.

Pensionen: ungefähr 16 Prozent des BIP, Gesundheitssektor: wird insgesamt 10 Prozent des BIP sein, Universitäten – billig – 1 Prozent, das Bundesheer: 1 Prozent – da wollen Sie ja immer auf 2, 2,5 Prozent des BIP erhöhen –, Arbeitslosenunterstützung: soll sein 2 Prozent, weiters Pflegegeld, Wohnbauförderung, Schulen. Zusammen sind das mit Sicherheit mindestens 35 Prozent des BIP. (Abg. Aumayr: Arbeitgeberbeiträge!)

Da habe ich noch kein Wort über die Justiz gesagt. Da wollen Sie ja immer mehr ausgeben. Ich habe auch noch nicht gehört, daß Sie für den Straßenbau weniger ausgeben wollen. Die Landwirtschaftssubventionen wollen Sie alle streichen? Innenministerium, Polizei, Gendarmerie: Dafür wollen Sie doch immer mehr ausgeben. Dann gäbe es noch die kleinen Posten – das Außenministerium, die Diplomatie – und große Posten wie die Familienbeihilfen mit ungefähr 2 Prozent des BIP. Wenn ich das aufsummiere, bin ich schon bei insgesamt 41 Prozent des BIP, und die Abgabenquote ist 44 Prozent.

Jetzt bleibt da schon etwas über, aber ich will damit nur sagen: Über die Senkung der Abgabenquote sinnvoll zu diskutieren, heißt in Wahrheit doch einfach, äußerst mühselig über eine Senkung der Ausgabenquote zu diskutieren. Und das habe ich von Ihnen noch nie gehört. (Abg. Mag. Stadler: Aber ja! Bei jeder Rede! – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Bei jeder Rede! Immer reden wir über die Ausgaben!) Bitte, die Dienstwagendiskussion – wie ich das nicht leiden kann! Fahren wir alle mit dem Rad! Wissen Sie, wieviel das einspart? Noch nie habe ich von Ihnen etwas in der Beziehung gehört. Bundesheer weiß ich: Mehr! Polizei: Mehr! Landwirtschaft: Mehr! Justiz und die ganzen Sicherheitsbedürfnisse, weiß ich: Mehr! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie passen nie auf! Das stimmt nicht! Wir wollen es besser verteilen!)

Wir trauen uns hin und wieder zu sagen: Bitte, Leute, bei allem Respekt vor dem Häuselbauen und so weiter, aber jedes Jahr über 1 Prozent des BIP für die Wohnbauförderung auszugeben – ist das die richtige Prioritätensetzung? Vielleicht ist das falsche Politik. Vielleicht bekommen wir deswegen so wenig Stimmen und Sie so viele. Aber hier im Parlament hätte ich gern ernsthaft


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 118

über diese Dinge diskutiert und nicht mit diesen Stammtischargumenten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reinhart Gaugg. Er hat das Wort.

16.19

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Heute scheint die Losung ausgegeben zu sein: Durch Erhöhung der Steuern schaffen wir Arbeitsplätze. Wahrscheinlich ist Kollege Nowotny (Abg. Mag. Stadler: Das hat der Nowotny gesagt!)  – ja, der hat das in seinen Ausführungen gesagt – jetzt wieder auf der Universität und erklärt seinen Studenten, wie das funktioniert.

Nur: Die Praxis schaut anders aus. Beim Herrn Nowotny habe ich überhaupt immer das Gefühl, ich bin in einem falschen Film. Er redet ständig davon, wie paradiesisch es bei uns ist.

Anscheinend ist er in seinem Leben noch nie einem Arbeitslosen oder einem Frühpensionisten begegnet. Dieses kranke System, das Sie zu verantworten haben, ist die Ursache der gegenwärtigen Situation. Ob die aktuelle Arbeitslosenrate bei 4,3 oder 4,5 Prozent liegt, ist egal. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist eine andere, Herr Klubobmann Kostelka. Sie scheinen ja noch Klubobmann zu sein – solange die Koalition noch hält. (Abg. Schaffenrath: Wie lange ist das der Stadler noch?) Heute mußte sogar der Bundeskanzler kommen, damit diese brüchige Koalition überlebt. (Abg. Smolle: Wer ist denn der neue Finanzreferent bei der FPÖ?)

Nun zu einem, der auszieht, um uns zu beflecken: Herr Abgeordneter Schwimmer! Wissen Sie, was Sie meiner Ansicht nach sind? – Ein Dummkopf! (Abg. Mag. Kukacka: Das ist ja unerhört!)  – Ich werde Ihnen das auch begründen. Sie sind einer derjenigen, die durch dieses System Vorteile und Privilegien haben wie kein zweiter. Wenn die Zwangsmitglieder Ihrer Sozialversicherungsanstalt könnten (Abg. Mag. Kukacka: Ordnungsruf!), wie sie wollten, würden Sie sie mit einem nassen Fetzen jagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn Sie sind einer derjenigen, der aufgrund dieses Systems über Jahre arbeitslose Einkommen bezogen hat. (Abg. Mag. Stadler: Da hat er recht!) Sie sind ein Fossil eines ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! So geht es nicht! Ausdrücke wie "Dummkopf", "Fossil" und so weiter gehören nicht zur Sprache dieses Hauses! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da werden Sie plötzlich empfindlich!)

Bitte setzen Sie fort!

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Dann zitiere ich Bruno Kreisky und sage, daß er ein "dummer Mensch" ist.

Es ist wirklich abenteuerlich! Gerade derjenige, der uns von diesem Rednerpult aus von oben bis unten "anschüttet" und die Finanz kritisiert – die anscheinend schlechte Steuergesetze macht, da man, was ihn ärgert, für ein großes Vermögen keine Steuern zahlen muß –, nützt dieses System, das er mit aufgebaut hat, auf das schändlichste aus. Und so einen Menschen darf man um Gottes willen nicht kritisieren?! Aber er ist ja beinahe selbst schon Opfer seiner Politik geworden und hat nur deshalb überlebt, weil er wahrscheinlich von der ÖVP zu viel weiß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir reden heute über das Senken von Steuern und über die Schaffung von Arbeit, er aber hat nichts Besseres zu tun, als uns anzuschütten. Auch Kollege Höchtl wird sich bei Ihnen, Herr Schwimmer, bedanken, denn bei ihm ist es genau dasselbe. Er hat zehn Jahre lang monatlich 40 000 S dafür bekommen (Abg. Dr. Partik-Pablé: 9 Millionen Schilling!), daß er die Universität nicht betreten hat (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.  – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da werden Sie empfindlich!), so quasi nach dem Motto: Wir zahlen dir alles, aber bleibe uns fern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 119

Das ist Ihre Art der Politik, Sie haben es über Jahre und Jahrzehnte so gemacht: WBO, WEB, Sauerzopf und – wie heißt jener, der jahrelang in Thailand "herumgegeistert" ist und nun bei der Bundespräsidentenwahl kandidieren wollte? Warum haben Sie für ihn nicht unterschrieben? (Abg. Mag. Kukacka: Sie sollten sich schämen!) Es ist geradezu abenteuerlich!

Sie glauben, daß Sie die Wahrheit gepachtet haben. Aber Sie entstammen diesem System, von dem Sie sich nun nicht verabschieden können. Zwangsmitglieder rekrutieren, hohe Gagen kassieren, in diesem Haus sitzen und Blödsinn von sich geben, das ist Ihre Art, Politik zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie melden sich das ganze Jahr nie zu Sozialversicherungsfragen, weil Sie das alles nicht interessiert. Sie sind auch nie anwesend. Aber in einer Dringlichen Anfrage an die Bundesregierung "herumzuschütten" und den Beleidigten spielen zu wollen, dafür ist die Zeit zu schade. (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Das sage ich Ihnen mit aller Deutlichkeit.

Erklären Sie uns lieber, warum in Österreich die Abgabenquote bei 45 Prozent liegt! In Holland ist sie um 5 Prozent gesenkt worden. Das gehe bei uns nicht, wird immer wieder betont, da bereits 1 Prozent an Senkung 25 Milliarden Schilling koste. Wo ist denn Ihre Politik der steuerlichen Entlastung der Bürger dieses Landes? Wo ist sie denn? Sie wird schon seit Jahren verkündet.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 120

(Abg. Mag. Stadler: Schüssel-Ditz-Kurs!) Wo ist denn eine zukunftsorientierte Einkommenspolitik? Schüssel-Ditz!

Ditz ist ein guter Hinweis. Ich lese mit großem Interesse, daß Herr Ditz nun von der Post genug hat – er kann sich dort anscheinend nicht durchsetzen – und, wie Zeitungsmeldungen zu entnehmen ist, als Vorstandsdirektor zur EVN wechseln soll. Das ist hochinteressant! Die "Qualifikation" dafür verdankt er dem Umstand, daß er irgendwann einmal Staatssekretär war. Daher kennt er sich besonders in Energiefragen gut aus. – Geradezu abenteuerlich!

Ich wünsche mir weiterhin Leute wie Ditz & Co, denn dann werden wir auch in Zukunft Wahlen gewinnen. Das ist für uns wesentlich und wichtig, nicht Ihre "Anschüttereien" im Hohen Haus. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Grabner. )

Wo ist die Steuerwahrheit? Wo bleibt die Steuerreform? Sie ist nun angeblich um ein Jahr verschoben worden. Wo ist das Konzept zur Entlastung des Faktors Arbeit, von dem ständig gesprochen wird? Wo ist es? Bringen Sie einen Vorschlag! Senken Sie die Beiträge für die Sozialversicherungen. Es gibt – außer Ihnen – noch jede Menge weiterer Privilegienritter in dieser Republik. Eine Menge Privilegienritter ... (Abg. Dr. Krüger  – auf einen Fraktionskollegen deutend –: Er braucht noch ein paar Minuten!) Danke, lieber Kollege.

Die Privilegienritter-Frage würde ich mit dem Abgeordneten Schwimmer gerne weiterführen, ich werde das mit Begeisterung auch in den nächsten Debatten tun. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Das war nicht die letzte Debatte! – Abg. Edler: Redeentzug!)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Schwimmer gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

16.25

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Auf diese Beleidigungen braucht man nicht einzugehen, die richten sich von selbst.

Abgeordneter Gaugg hat die Behauptung aufgestellt, ich hätte über Jahre arbeitsloses Einkommen bezogen.

Ich stelle richtig: Ich habe nie in meinem Leben ein arbeitsloses Einkommen bezogen, ich übe meinen Beruf aus (Abg. Mag. Stadler: Der Amon hat das gesagt, Ihr Parteifreund!) und beziehe dafür ein kollektivvertraglich festgesetztes Gehalt (Abg. Mag. Stadler: Der Amon hat das gesagt! Der Amon!), das wegen der Mandatsausübung in entsprechendem Ausmaß gekürzt ist. (Abg. Mag. Stadler: Sie sind ein Multifunktionär, hat er gesagt! Ein Fossil!) Trotz gekürzter Bezüge komme ich meiner Funktion in vollem Umfang nach.

Um Ihnen das, Herr Mag. Stadler (Abg. Mag. Stadler: Der Amon sagt das!), zu beweisen, verlese ich Ihnen einen an mich – mit der Adresse Gebietskrankenkasse – gerichteten Brief, in dem es ebenfalls um den Nachlaß von Verzugszinsen geht:

Sehr geehrter Herr Dr. Schwimmer! Heute erreichte uns ein Schreiben von der Wiener Gebietskrankenkasse (Abg. Böhacker und Abg. Dr. Krüger: Das ist keine Berichtigung mehr!), in welchem man uns mitteilte, daß dem Verein die Verzugszinsen ...

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Sie haben den zu berichtigenden Sachverhalt und die Entgegnung bereits dargestellt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er will herumpatzen!) Damit ist die Berichtigung abgeschlossen.

(Beifall bei der ÖVP für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Schwimmer. )

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. (Abg. Aumayr: Was sagt denn der Amon dazu und die Junge ÖVP?)

16.26

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Vor allen Dingen sollten wir uns zunächst mit der Frage des Steuerstandortes und den damit im Zusammenhang stehenden Rahmenbedingungen beschäftigen.

Es war interessant, drei verschiedene Persönlichkeiten zu hören: den Unternehmer Prinzhorn, Professor Van der Bellen und den Unternehmer Peter, der sich selbst als "Kleinunternehmer" bezeichnet, aber er ist ein tüchtiger Unternehmer. (Abg. Mag. Stadler: Kleingewerbetreibender!) Ich polemisiere nicht, Herr Kollege Stadler. (Abg. Mag. Stadler: Er hat es ja selber gesagt!) Erlauben Sie mir, daß ich jemanden so einschätze, wie ich ihn selber sehe. – Drei Standpunkte und drei unterschiedliche Auffassungen.

Man kann nun über die Steuerquote diskutieren; das hat schon mein Freund Nowotny getan. Ich möchte, da Sie in Ihrer Begründung darauf hingewiesen haben, die Aspekte Exportsituation, Standortsituation und Druck auf Unternehmen behandeln und darf ebenfalls zitieren – Sie haben auch ein paar Mal zitiert –, wie internationale Institute Österreich sehen und wie unsere Ergebnisse an sich sind. Über die Fakten brauchen wir meiner Meinung nach nicht zu diskutieren, sie liegen auf dem Tisch, da wir, wie ich hoffe, immer die gleichen Unterlagen haben.

Kürzlich wurde Österreich von der Rating-Agentur Standard & Poor’s. das Triple A bestätigt, und zwar mit der genauen Begründung, daß Österreich in den letzten drei Jahren gegenüber allen seinen durchschnittlichen Handelspartnern und Konkurrenzländern seine Lohnstückkosten um 10 Prozent verbessern konnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit – darin sind wir uns, glaube ich, einig – manifestiert sich in der Stundenproduktivität. Unsere Stundenproduktivität hat sich von 1996 bis 1998 um 16 Prozent verbessert. Im Zuge des Strukturwandels der vergangenen 20 Jahre, also, um nicht nur die letzten zwei oder drei Jahre zu nehmen, ein längerer Zeitraum, wurde die Produktivität rasant erhöht. Lediglich Irland konnte dieses Tempo noch übertreffen. Alle anderen Industrieländer – egal, ob Deutschland, Japan oder die Schweiz – liegen zum Teil deutlich hinter Österreich. Eine Untersuchung ... (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Wieso fallen wir dauernd herunter?)

Lassen Sie mich zitieren, Herr Kollege, ich habe nur wenig Zeit. Ich habe Ihnen auch zugehört. Eine Untersuchung beweist eindeutig, daß die industriellen Produktionssteigerungen in Österreich erheblich höher als in Deutschland sind. Zwischen 1970 und 1990 konnten Österreichs Betriebe die Arbeitsproduktivität um 38 Prozent steigern. – Ist das schlecht? Man kann natürlich sagen, daß das noch immer zu wenig ist und es 50 Prozent hätten sein sollen. Aber es ist eine Erfolgsstory, darüber gibt es überhaupt keine Diskussion.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 121

Herr Kollege Prinzhorn! Laut einer jüngsten Umfrage unter österreichischen Wirtschaftstreibenden, die nicht von uns, sondern von der Industriellenvereinigung gemacht wurde, wird der Wirtschaftsstandort Österreich grundsätzlich positiv beurteilt. Besonders hervorgehoben werden die hohe Lebensqualität, stabile soziale und politische Rahmenbedingungen, qualifizierte und einsatzbereite Arbeitskräfte und daß die Arbeitskosten für hochqualifizierte Mitarbeiter eher durchschnittlich bis unterdurchschnittlich sind. Kritisiert werden – auch das ist zu sagen – die leider relativ hohen Arbeitskosten für Arbeitnehmer mit geringer Ausbildung.

Meine Damen und Herren! Das Fazit lautet: Wie immer man die einzelnen Positionen – ob Steuerangelegenheiten oder andere Fragen von Belastungen oder sonstige Rahmenbedingungen – sieht, Österreich verfügt als Industriestandort über eine Reihe wertvoller Qualitäten, die für internationale Unternehmen und Anleger interessant sind. Sie werden sagen: Woher haben Sie diese Gewißheit? Ich aber antworte: Warum sollte sonst jemand in Österreich investieren?

Die Auslandsinvestitionen in Österreich, die 1996 bei 40,5 Milliarden Schilling betrugen, lagen allein im ersten Quartal 1998 bereits bei 13 Milliarden, das heißt, daß sie heuer sicherlich auf 45 bis 50 Milliarden Schilling steigen werden. Auslandsanleger kauften inländische Wertpapiere – also Anteile von österreichischen Unternehmen – im Wert von 95 Milliarden Schilling, im Vorjahr waren es noch 54 Milliarden Schilling.

Herr Kollege Prinzhorn! Würden Sie sich in ein Land einkaufen, in dem es so schlecht ist, wie Sie es darlegen? Ich kann es mir nicht vorstellen. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn  – eine Graphik in die Höhe haltend –: Warum gehen wir im Wettbewerb so herunter? Das muß doch einen Grund haben! Gehen Sie einmal darauf ein!)

Ich komme noch dazu, Herr Kollege Prinzhorn! Wenn ich Zeit hätte, würde ich mit Vergnügen mit Ihnen eine Diskussion über einen längeren Zeitraum führen, weil ich davon überzeugt bin, daß es Dinge gibt, die man kritisch hinterfragen und verbessern muß – keine Frage. Aber stellen wir jene Dinge, die in Ordnung sind, außer Diskussion! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das sind nur Fakten!)

Herr Kollege! Sie kritisieren in Ihrer Anfragebegründung die schlechte Exportentwicklung. Ich kann nur sagen, daß wir noch nie eine Exportquote von 28,5 Prozent hatten. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Wir machen auch Fortschritte!) Wir haben noch nie ... (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Gegenüber den Deutschen! Die sind aber ...) Herr Kollege, das sind Fakten. Das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg. Sie sagen, daß nichts geschehen ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. ) Pühringer hat kürzlich gesagt, die Maßnahmen der Exportoffensive seien bereits zum Teil umgesetzt oder in Umsetzung begriffen.

Es steht ja auch im nun anlaufenden Programm der Exportoffensive, daß – wie Sie mir als erfolgreicher Unternehmensleiter bestätigen werden – das Humankapital auf der einen Seite – da bin ich ganz Ihrer Meinung – stärker entlastet, gleichzeitig aber auch seine Qualität verbessert werden muß. Der Dienstleistungssektor hat Zukunft, wenn Österreich weiter Arbeitskräfte anbieten kann, die mehrsprachig sind und Qualität haben. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Sie machen doch wohl einen Witz!) Dann sind wir gefragt, dann sind wir so wettbewerbsfähig wie in der Vergangenheit!

Darüber lasse ich mit mir nicht diskutieren. Das ist unsere Chance! Und da unsere Politik diesbezüglich in Ordnung ist, haben wir auf diesem Sektor Erfolg. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ihr Regierungskollege Farnleitner sagt, wir seien ein Entwicklungsland!) Davon weiß ich nichts. Diesbezüglich müssen Sie mit Minister Farnleitner sprechen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil die Universitäten auf Platz 30 sind, wie Marokko!) Meine Position habe ich Ihnen dargelegt.

Wir haben aber nicht nur in den vergangenen Jahren entsprechende Maßnahmen gesetzt, sondern wir werden auch heute wieder etwas beschließen, und zwar den Exportfonds. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir sind Schlußlicht in der Forschung!) Schon gestern haben wir einige Änderungen beschlossen. Insgesamt genommen geschieht also etwas.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 122

Und ich leugne nicht, daß der Erfolg in erster Linie an den Unternehmern und ihren Mitarbeitern liegt. Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen und dürfen dieses Land, Herr Kollege Prinzhorn, und seine Rahmenbedingungen nicht schlecht machen. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Nein! Wir machen sie nicht schlecht! Ich verweise nur auf das internationale Klima!) Sie sind gut! Dort, wo sie zu verbessern sind, sollten wir das tun, aber machen wir sie nicht dort, wo sie nicht schlecht sind, schlecht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. Ich erteile ihm das Wort.

16.32

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter Heindl! Es ist ganz schön, wenn Sie die positiven Punkte aufzählen, aber Sie müssen dem auch die negativen Punkte gegenüberstellen. (Abg. Eder: Kästle expandiert schlecht!)

Unser Wachstum liegt unter dem Durchschnitt der EU-Länder, ebenso die Staatsschuld und die Bürokratie beziehungsweise der Bürokratie-Index. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Auch der Wettbewerbsfaktor ist unter dem EU-Durchschnitt. Das alles sind Fakten, die man ebenfalls erwähnen muß. (Ruf bei der ÖVP: Da kommen einem die Tränen!) Die Exportsituation hat sich dank des Umfeldes, das sich ergeben hat, verbessert. Das muß man allerdings auch dazusagen.

Herr Staatssekretär! Sie haben in Ihren Ausführungen bestritten, daß die von uns genannte Abgabenquote richtig sei. Unsere Zahl ist jene von EUROSTAT und ÖSTAT, die von 44,8 auf 45,7 Prozent gestiegen ist. Ich darf Sie vielleicht über die Diskrepanz zu jenen Zahlen aufklären, die Ihr Haus bekanntgegeben hat. ÖSTAT und EUROSTAT bedienen sich bei ihrer Berechnung des europäischen Systems der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Das Finanzministerium, von dem Ihre Zahl stammt, rechnet aber nach der volkswirtschaftlichen Steuerquote – eine rein innerösterreichische Berechnung, die nicht vergleichbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Ich glaube Ihnen nicht, daß es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Abgabenquote und der Beschäftigung gibt. Denn alle Staaten versuchen, diese Quote zu senken, um im Standortwettbewerb zu bestehen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Dies muß natürlich Hand in Hand mit Strukturreformen gehen. Eine Reduktion der Ausgabenquote, wie sie Professor Van der Bellen erwähnt hat, wäre richtig. Aber genau das verweigern Sie, Herr Staatssekretär.

Eine Reihe von Staaten zeigt, daß es auch anders geht. Ich möchte dafür drei Beispiele nennen: Irland und Holland haben die Abgabenquote deutlich unter den EU-Durchschnitt reduziert. – Beide haben überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, sinkende Staatsverschuldung und sinkende Arbeitslosenquote.

Neuseeland, ein Nicht-EU-Land, hat mit einer intensiven Strukturveränderung die Abgabenquote ebenfalls unter den europäischen Durchschnitt gedrückt. – Das Ergebnis lautet: 3 Prozent Haushaltsüberschuß, 200 000 neue Arbeitsplätze, 13,1 Prozent jährliche Gesamtinvestitionen gegenüber 3 Prozent in Europa und sogar nur 2,3 Prozent in Österreich.

Daraus läßt sich erkennen, Herr Staatssekretär, daß die von uns Freiheitlichen seit Jahren verlangte Reduktion der Abgabenquote in anderen Ländern zu einer äußerst positiven Entwicklung geführt hat. Ich verstehe nicht, daß Sie sich dagegen wehren. Offensichtlich wollen Sie diese Maßnahmen einer Regierung unter Jörg Haider überlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Das ist richtig! – Abg. Smolle: Jetzt wird er ja Landeshauptmann, nicht mehr Bundeskanzler!)

Herr Abgeordneter Nowotny ist im Moment nicht anwesend. Er hat als Gegenbeispiel Finnland mit einer Arbeitslosenrate von 13,1 Prozent angeführt, aber vergessen zu sagen, daß Finnland, nachdem es durch den Zusammenbruch der Sowjetunion 40 Prozent seiner Exporte verloren


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 123

hatte, eine Arbeitslosenquote von 22 Prozent hatte, dieser Wert jedoch innerhalb von sechs Jahren von 22 Prozent auf 13,1 Prozent gefallen ist. Das ist eine Leistung, die die Finnen vollbracht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.  – Abg. Haigermoser: Halbiert!)

Noch etwas zu den Ausführungen von Herrn Abgeordneten Nowotny: Er warnt vor einer Steuerreform ohne Gegenberechnung. – Welche Erkenntnis! Wir oder – besser gesagt – Sie beschließen an jedem Plenartag Gesetze ohne Kostenrechnung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte nun zum Schlußsatz kommen. Eine Steuerreform ist dringend notwendig! Ich glaube, das ist unbestritten! Es darf aber dabei zu keiner Steuererhöhung kommen. Durch diese Steuerreform muß der Faktor Arbeit deutlich entlastet werden, die Alternativenergien müssen eine Entwicklungschance bekommen, und es muß den Unternehmern die Chance gegeben werden, am Wirtschaftsstandort Österreich verbleiben zu können. (Abg. Eder: Alles geschehen!)

Herr Staatssekretär! Glaubhafte Antworten auf unsere Dringliche Anfrage haben Sie – bei allem Respekt – heute nicht gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: O ja! – Abg. Eder: Es ist alles geschehen, was Sie sagen!)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaufmann. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. Ich erteile ihm das Wort.

Außerdem lasse ich nun einläuten, da ich höre, daß noch Anträge eingebracht werden. Ich würde an sich bitten, diese nicht erst ganz am Schluß einzubringen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.39

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Verehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Ing. Nußbaumer, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Prognosen und Zahlenvergleiche nehmen.

Die letzte Konjunkturprognose des Wifo vom März 1998 ergibt folgendes: Das Wachstum liegt in Österreich über dem OECD-Durchschnitt. Es betrug laut Prognose für 1998 2,7 Prozent und für 1999 3,0 Prozent! Im OECD-Durchschnitt lagen die Werte in den letzten beiden Jahre bei 2,3  und 2,5 Prozent. Österreich liegt also im Wachstum darüber! (Abg. Ing. Nußbaumer: Das habe ich nicht genannt! Das hat der Heindl gesagt!)

Die Inflationsrate ist seit Jahrzehnten so gering wie überhaupt noch nie zuvor, die Arbeitslosenrate liegt bei weniger als der Hälfte des EU-Durchschnittes. Was ist das anderes als ein Erfolg? (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Heindl hat das schon sehr genau erläutert, daher möchte ich mich eher dem Thema Steuerreform zuwenden.

Es wird ununterbrochen gefragt, ob es jetzt eine Steuerreform gibt oder nicht. Sie wissen ganz genau, daß sich die sozialdemokratische Fraktion für eine Steuerreform ausgesprochen hat, und Sie haben heute vom Staatssekretär zum wiederholten Male gehört, daß es eine Steuerreform geben wird.

Diese Steuerreform wird es – das ist auch unser gemeinsames Ziel – im Rahmen des Konsolidierungszieles geben, weil auch für mittlere und kleinere Einkommensbezieher klar ist, daß niemand etwas davon hat, wenn die Steuerreform überschießend wäre und die Sozialabgaben dann wieder zurückgenommen werden müßten. Dieser Rahmen muß auch klar vorgegeben sein. Von ganz besonderer Bedeutung ist, daß es innerhalb dieses möglichen Rahmens eine klare Prioritätensetzung gibt, nämlich daß die Lohnsteuerreform an erster Stelle stehen muß, und das scheint bei Ihnen nicht ganz der Fall zu sein.

Kollege Gaugg redet natürlich immer von der Lohnsteuerreform. Abgeordneter Prinzhorn hat zwar auch von der Lohnsteuerreform gesprochen, aber sie stand nicht mehr an erster Stelle, andere Steuerreformpunkte waren mehr im Vordergrund. (Zwischenruf des Abg. Ing. Nuß


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 124

baumer. ) Wir haben eine klare Priorität: die Lohnsteuerreform und die Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Priorität ist fair, weil die Lohnsteuer in den letzten zehn Jahren um 95 Prozent und die gewinnabhängigen Steuern um 47 Prozent zugenommen haben. Sie ist fair, weil von den Unternehmern noch einige Beiträge aus dem letzten Paket fehlen, wie Road-pricing, MindestKÖSt et cetera. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das haben Sie vor dem Sparpaket auch gesagt! Und was war nach dem Sparpaket?!) Diese Lohnsteuerreform ist also fair. Weiters ist diese Lohnsteuerreform auch sicher der bestmögliche Impuls für die kleineren und mittleren Unternehmen in Österreich. Sie kommt vielleicht nicht so sehr der exportorientierten Industrie zugute, aber dafür den kleineren und mittleren Unternehmen in Österreich, weil sie ein Impuls für die Nachfrage ist und mehr Nachfrage bei den Österreicherinnen und Österreichern diesen kleineren und mittleren Unternehmen ganz sicherlich am meisten weiterhilft.

Abschließend ein Punkt, auf den ich standardmäßig bei jeder Steuerdiskussion verweise: Herr Staatssekretär! Dort, wo es organisierte, von Firmen betriebene Schwarzarbeit gibt, gibt es natürlich auch Schwarzgeld, und dort, wo es Schwarzgeld gibt, entgeht der Steuer etwas. Wenn man daher über eine Steuerreform redet, dann muß man auch sehen, daß es einen großen Topf gibt, wo zusätzliche Einnahmen geschaffen werden können, insbesondere dort, wo Steuern hinterzogen werden, also bei der Umsatzsteuer, wenn wir von den "Ohne-Beleg-Geschäften" sprechen, und im Bereich der Schwarzarbeit. Ich glaube, daß das letzten Endes ein wesentlicher Impuls bei einer Steuerreform sein muß. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Die restliche Redezeit beträgt 6 Minuten. Er hat das Wort.

16.43

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit Recht hat mein Vorredner Kollege Kaufmann eine Steuerreform eingemahnt, die sich in erster Linie mit einer Entlastung der Lohnsteuer zu befassen hat. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, beziehungsweise dieser Wortmeldung ist beizupflichten. Kollege Kaufmann! Diese Steuerreform wäre aber längst notwendig gewesen. Wenn Sie an die Festsetzung der einzelnen Progressionsstufen denken, die seit Jahren unverändert geblieben sind, wenn Sie daran denken, daß im Wege der kalten Progression die Kleinst- und Mittelverdiener in höhere Progressionsstufen hineingewachsen sind und allein aus diesem Titel eine fast hundertprozentige Erhöhung des Lohnsteueraufkommens in der Republik Österreich eingetreten ist, dann muß man sich schon die Frage stellen, was es mit Slogans wie "Wir erhöhen die Steuern nicht! Es soll jeder zumindest soviel bekommen, wie er in der Vergangenheit bekommen hat!" in Wahrheit auf sich hat.

Faktum ist, daß Jahr für Jahr aufgrund des progressiven Aufbaues der Lohn- und Einkommensteuerskala immer mehr Kleinst- und Mittelverdiener in höhere Progressionsstufen kommen und sie daher netto und unter Bedachtnahme auf die Inflation wesentlich weniger herausbekommen. Wenn Kollege Kaufmann von der Notwendigkeit einer Steuerreform spricht und ich an die Ideen, die von Mitgliedern der Steuerreformkommission geäußert wurden, denke, dann, muß ich sagen, kann man diese Ankündigung einer Steuerreform durchaus als gefährliche Drohung verstehen. Denn wenn davon die Rede ist, wie von Mitgliedern Ihrer Steuerreformkommission zu hören war, daß die Grundsteuer von den Einheitswerten auf die tatsächlichen Verkehrswerte angehoben werden soll und darüber hinaus jährlich eine Abgabe von einem Prozent dieser erhöhten Bemessungsgrundlage einzuheben ist, dann ist das nichts anderes als eine kalte Enteignung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Heindl! Im Bereich des Baugeschäftes werden Sie mir sicher recht geben. Jemand, der ein Einfamilienhaus mit einem Verkehrswert von 4 Millionen Schilling hat, soll jährlich 40 000 S bezahlen. Das heißt, jeder rechtschaffene Österreicher, der es verstanden hat, durch Bausparverträge, durch Überstunden (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr ), die er geleistet hat, Eigentum, ein Wohnhaus, eine Einfamilienwohnung zu erwerben, wird dann dazu verpflichtet,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 125

daß er über Generationen, über einen Zeitraum von 100 Jahren hinweg noch einmal sein Haus kaufen muß. Das kann doch wohl nicht der Ernst dieser Steuerreformkommission sein.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn Sie sich davon distanzieren, dann nehmen wir das gerne zur Kenntnis, aber diese Idee ist von dieser Steuerreformkommission geäußert worden, und es war kein Wort des Dementi aus dem Kreis von SPÖ-Politikern zu hören. (Abg. Dr. Löschnak: Da werden viele Dementi kommen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht nicht nur um jene, die es geschafft haben, sich eine Eigentumswohnung oder ein Einfamilienhaus zu kaufen. Es geht auch um die Mieter, um die kleinen Mieter. Sie wissen doch, daß nach den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes die Grundsteuer zu Recht ein Teil der Belastung des gesamten Zinshauses ist und diese Grundsteuer natürlich im Wege der Betriebskosten vorgeschrieben wird. Das heißt, es kommt auch zu einer unglaublichen Belastung der Mieter und zu einer Erhöhung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Heindl. )

Herr Kollege Heindl! Dann treten Sie doch ans Rednerpult und distanzieren Sie sich als Wirtschaftssprecher namens Ihrer Fraktion von diesen krausen Ideen, die in Wahrheit eine Enteignung des Österreichers mit sich bringen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das darf er doch nicht!)

Aber während auf der einen Seite die Steuerschraube im Wege der kalten Progression immer weiter zugedreht wird und der einzelne Steuerzahler kaum mehr Luft bekommt, wurde mit Recht darauf hingewiesen – das ist auch in der Dringlichen Anfrage nachzulesen –, daß es auf der anderen Seite einige in diesem Land gibt, die gleicher als gleich sind. Die Bank Austria etwa wurde bereits angesprochen. Im nachhinein gab es ein Steuerzuckerl in Millionenhöhe (Abg. Mag. Stadler: 600 Millionen!), damit sie sich die Umsatzsteuernachzahlung erspart – sage und schreibe 600 Millionen. Und so, wie die ausländischen Medien und Wirtschaftsmedien über die Bank Austria und über das Zustandsbild der österreichischen Wirtschaftspolitik urteilen, stimmt es auch. Wir sind das einzige Land in der westlichen Sphäre, in dem sich eine Bank eine eigene Regierung hält. Das ist die Wahrheit, und daher kommt es auch zu diesem Steuerzuckerl. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Aus dem Kreis der ÖVP wurde heute wortreich argumentiert, daß bei dieser Steuerstundung und der Stundung der Aussetzungszinsen alles in Ordnung sei. Herr Staatssekretär! Ich muß Ihnen eines sagen: Daß Sie hier nicht den Sachverhalt offenlegen, ist nur darauf zurückzuführen, daß Sie von der ÖVP nicht von der Verschwiegenheit und nicht vom Datenschutz entbunden werden. Was hat denn die ÖVP noch alles zu verbergen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Leiner: Was habt ihr noch zu verbergen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es hätte nur einer Enthebung vom Datenschutz und der Verschwiegenheit bedurft, und der Herr Staatssekretär wäre in der Lage gewesen, auf Punkt und Beistrich den Sachverhalt zu erklären. Aber Faktum ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): ... daß Sie sich unter Beachtung der Regelung, manche sind gleicher als gleich, Millionen zu Lasten des kleinen Steuerzahlers ersparen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Wollen Sie eine Redezeit eingestellt? – Nein.

16.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem mein Kollege Van der Bellen meiner Meinung nach für den Verlauf der Debatte sehr gute und wichtige Anmerkungen zum Thema Abgabenquote gemacht


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 126

und das sehr unakademisch vorgetragen hat, möchte ich auch – ich bin kein Akademiker – zum Thema Selbständigenquote beziehungsweise Wettbewerbsfaktor oder Freiheitsindex und in Fortsetzung dessen, was Kollege Van der Bellen gesagt hat, einige Anmerkungen machen. Kollege Nußbaumer hat bereits darauf Bezug genommen.

Die niedrige Selbständigenquote, die gern immer wieder als ein Index dafür angeführt wird, daß Österreichs Wirtschaft schlecht entwickelt ist, sagt überhaupt nichts aus. Es gibt Länder mit einer sehr hohen Selbständigenquote, das sind zum Beispiel in Europa Griechenland und Spanien, und es gibt Länder mit einer sehr niedrigen Selbständigenquote – noch niedriger als in Österreich! –, das sind beispielsweise die USA. Wollen Sie wirklich im Ernst behaupten, daß die USA, die gerne als Beispiel für wirtschaftliche Dynamik herangezogen werden, weniger entwickelt seien als Österreich oder daß Griechenland und Spanien in bezug auf die wirtschaftliche Dynamik besser entwickelt seien als Österreich? – Herr Kollege Nußbaumer, ich glaube nicht.

Man sollte dabei sehr vorsichtig sein, weil diese Indikatoren ... (Abg. Haigermoser: In der Sowjetunion, Ihrer geistigen Heimat, waren überhaupt keine Selbständigen!) Herr Kollege Haigermoser! Die Sowjetunion gibt es gar nicht mehr. Das ist vielleicht an Ihrem Geschichtswissen etwas vorbeigegangen. Die Sowjetunion gibt es nicht mehr. In der ehemaligen Sowjetunion hat es keine Selbständigen gegeben.

Das gilt natürlich genauso für den Wettbewerbsfaktor. Es gibt wunderbare, schöne internationale Rankings, die immer wieder zusammengezimmert werden, aus denen man sich bestimmte Faktoren holt, anhand derer man versucht, die Wirtschaft eines Landes zu bemessen. Ich sage Ihnen ein Beispiel für ein besonders gelungenes Ranking: The World Economic Freedom-Index, der auch produziert in der Schweiz, in Davos, produziert wird, stellt fest, wie hoch der Freiheitsgrad der jeweiligen Wirtschaft entwickelt ist, und kommt dabei für Österreich zu einem nicht sehr erfreulichen Ergebnis. Wir liegen irgendwo zwischen zwanzigster und dreißigster Stelle. Ich habe mir die Mühe gemacht, nachzuforschen, warum das so ist. Es werden bestimmte Faktoren zur Bewertung herangezogen, und der Grund, warum Österreich angeblich in seiner wirtschaftlichen Freiheit so schlecht abschneidet, ist die Tatsache, daß wir eine Wehrpflicht haben, eine Wehrpflicht beim Bundesheer. Und das Land, das in bezug auf die wirtschaftliche Freiheit am besten abschneidet, ist Singapur. (Abg. Ing. Nußbaumer: Überreguliert, das interpretieren Sie richtig!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte weder mit Singapur noch mit dem Zweitgereihten tauschen. Irgendwo in Singapur am Badestand liegen, das möchte ich schon, aber ich möchte angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Situation und der politischen Freiheiten weder in Hongkong noch in Singapur zu Hause sein. (Abg. Kiss: In Singapur liegt man am Pool, nicht am Badestrand!) Herr Kollege Kiss! Ich verstehe Ihre Aufregung nicht. (Abg. Kiss: In Singapur liegt man am Pool und nicht am Badestrand!) Ich kann Sie nicht verstehen, Sie müssen lauter sprechen. Ihre Stimmbänder sind wahrscheinlich durch die Debatte schon überreizt. Ich verstehe das. Ich möchte auch diesen Exkurs abschließen.

Ich habe gelernt, daß es leicht möglich ist, die schlechte wirtschaftliche Situation anhand einiger Faktoren, Indizes, beweisen zu wollen, und dennoch wird damit nichts bewiesen oder widerlegt. Ich habe in der Debatte gelernt, daß einige sogenannte kleine Unternehmer, wie Abgeordneter Peter oder Abgeordneter Prinzhorn, hier herauskommen, ihre Hosentaschen nach außen stülpen und sagen, da ist nichts mehr drinnen, wir werden vom österreichischen Staat, vom Fiskus ausgeraubt. Ich weiß aber auf der anderen Seite, daß es in der Bevölkerung Gruppen gibt, die, wenn man von Ausrauben spricht, angesichts ihres so geringen Einkommens – darin werden mir auch Kollege Peter und wahrscheinlich auch Kollege Prinzhorn nicht widersprechen – wesentlich mehr ausgeraubt werden.

Ein Beispiel dafür möchte ich Ihnen jetzt zur Kenntnis bringen, weil damit auch ein entsprechender Entschließungsantrag verbunden ist. Es geht um das Thema Mietzinsbeihilfe. Die Mietzinsbeihilfe ist im Einkommensteuergesetz geregelt und mit 100 000 S begrenzt. Wenn das Jahreseinkommen diese Summe überschreitet, gibt es keine Mietzinsbeihilfe. Bis jetzt und in den ver


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 127

gangenen Jahren war es so, daß die BezieherInnen von Ausgleichszulagenrichtsätzen noch in den Genuß dieser Mietzinsbeihilfe gekommen sind. Jetzt beträgt die Ausgleichszulage etwas über 7 900 S brutto. Netto, also nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages, bleibt ein Betrag in Höhe von rund 7 600 S, wie Kollege Feurstein weiß. 7 600 S monatlich! Davon müssen Zigtausende Personen in Österreich leben.

Das Problem ist, daß der Staat sehr genau gewußt hat, daß es diese Problemgruppen gibt. Es gibt die Post- und Telefongebührenbefreiung und eine Reihe anderer Maßnahmen, unter anderem auch die Möglichkeit der Mietzinsbeihilfe für diese Gruppen, die sie in Anspruch nehmen konnten. Die Mietzinsbeihilfe beziehungsweise der Grenzsatz bei der Mietzinsbeihilfe ist aber seit 1984 zum Unterschied von den jährlichen Anpassungen bei den Post- und Telefongebührenbefreiungen nicht verändert worden. Er ist seit 1984 gleichgeblieben. Daher hat es sich in den letzten Jahren ergeben, daß auch die BezieherInnen von Ausgleichszulagenrichtsätzen nicht mehr in den Genuß dieser Mietzinsbeihilfe gekommen sind. Und einer dieser AusgleichszulagenrichtsatzbezieherInnen hat mir diese seine Einkommenssituation sehr exakt dargelegt.

Dadurch, daß es ein prototypisches Beispiel ist, nenne ich Ihnen auch ganz kurz die Zahlen. 1997 betrug die Ausgleichszulage 7 591,20 S netto, also nach Abzug der Krankenversicherung. – Diese Personen rechnen auch mit den Groschenbeträgen, weil auch diese für sie notwendig sind. 1998 waren es 7 692,30 S, wieder nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge. 1997 hat diese Person noch eine Mietzinsbeihilfe in Höhe von 923 S bekommen. Die Miete hat 1997 1 963,38 S betragen, da ist auch der Groschenbetrag enthalten, und 1998 2 022,17 S. 1998 aber fällt die Mietzinsbeihilfe weg, weil die Grenze von 100 000 S überschritten wurde. Das heißt, die betreffende Person hatte 1997 nach Abzug der Miete 6 550,82 S zur Verfügung, und 1998 hat er nur mehr netto, also bar auf der Hand, 5 670,13 S. Das sind um fast 1 000 S weniger. Das bedeutet um 20 Prozent weniger Einkommen für diese MindestbezieherInnen!

Meine Damen und Herren! Diese Personengruppe kann nicht darauf warten, ob die Steuerreform groß oder klein wird, für diese Personen ist wichtig, daß sie kommt und wann sie kommt. Sie haben von der kalten Progression gesprochen – das ist heiße Regression für MietzinsbeihilfenbezieherInnen!

Meine Damen und Herren! Das ist sehr heiß, da geht es wirklich nicht um sehr viel Geld, aber in der Summe ist es für diese Personen sehr viel. Deshalb bringe ich Ihnen einen Entschließungsantrag zur Kenntnis, der folgendermaßen lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Van der Bellen betreffend Einkommensobergrenze für den Bezug von Mietzinsbeihilfe

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vorzulegen, in der die Bestimmung des § 7 Abs. 6 Einkommensteuergesetz raschest dahin gehend geändert wird, daß die angeführten Einkommens- beziehungsweise Erhöhungsgrenzen in ausreichendem Ausmaß angehoben werden, um einerseits die 14jährige Nichtanhebung zu kompensieren und andererseits jedenfalls sicherzustellen, daß AusgleichszulagenbezieherInnen nicht über diese Einkommensgrenze kommen können.

******

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Sparpakete war immer sehr viel von "Treffsicherheit" und "Zielgenauigkeit" die Rede. – Herr Abgeordneter Feurstein, wenn Sie diesem Antrag zustimmen, dann können Sie eine Gruppe ganz zielgenau erwischen, die es wirklich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 128

nicht verdient hat, so von dieser Regelung, die derzeit noch in Kraft ist, getroffen zu werden. (Beifall bei den Grünen.)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung und wird abgestimmt werden.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dietachmayr gemeldet. Ich mache ihn auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

17.00

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Krüger hat, so wie in vielen FPÖ-Publikationen, gemeint, daß die Steuerreformkommission eine Verzehnfachung der Grundsteuer plane. – Ich berichtige, daß es sich dabei um eine Einzelmeinung eines Mitgliedes der Steuerreformkommission des – leider Gottes inzwischen verstorbenen – Herrn Haidinger handelt, der das als Kompensation vorgeschlagen hat, falls Getränkesteuer und Kommunalsteuer abgeschafft werden sollten. (Abg. Mag. Stadler: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) Das war eine Einzelmeinung, aber keinesfalls die Meinung der Steuerreformkommission. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler  – in Richtung des Präsidenten Dr. Fischer –: Haben Sie jetzt nicht festgestellt, daß das ein Debattenbeitrag ist? Das haben Sie bei mir gemacht!)

17.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Frieser. – Bitte.

17.01

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nahe am Schluß dieser Dringlichen Anfrage kann ich bis zur Sekunde nicht feststellen, daß eine dieser 33 Fragen, die Sie, Herr Dr. Prinzhorn, gestellt haben, in irgendeiner Form Dringlichkeitscharakter hätte. (Abg. Haigermoser: Diplomingenieur!)

Über die Steuerreform diskutieren wir eigentlich schon bei jeder Nationalratssitzung beziehungsweise nahezu jedesmal, wenn der Finanzminister anwesend ist. Daß das auch tatsächlich so ist, beweist, daß Kollege Gaugg die Rede von vorgestern heute noch einmal gehalten hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich bin der Meinung, daß Sie sich diese Anfrage tatsächlich hätten ersparen können. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. ) Sie hätten all diese Informationen, die Sie sich wünschen, auch auf schriftlichem Wege einholen können. (Abg. Mag. Stadler: Das müssen Sie schon uns überlassen!)

Herr Kollege Böhacker! Ehe Sie den Saal verlassen, darf ich mich noch kurz an Sie wenden, und zwar bezüglich Frage 18 in Ihrer Dringlichen betreffend Nachsicht bei den Aussetzungszinsen für die Österreichische Volkspartei. Sie haben betont, daß Ihnen in Ihrer 30jährigen Berufskarriere ein solcher Fall noch nicht untergekommen wäre. Ich frage Sie, Herr Kollege Böhacker: Waren Sie 30 Jahre lang nicht in Ihrer Kanzlei, oder vertreten Sie Ihre Klienten so schlecht (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Smolle ), daß Sie niemals ein Nachsichtsansuchen für Säumniszuschläge oder Aussetzungszinsen im Falle ungerechtfertigter Härte beantragt hätten? (Abg. Böhacker: Es sind alle abgelegt! Es sei denn, sie sind zu Unrecht vorgeschrieben!) – Das möchte ich in aller Klarheit einmal feststellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Prinzhorn! Der Herr Staatssekretär hat Sie schon darauf hingewiesen, daß Ihre Abgabenquote falsch berechnet ist. Ich weiß, daß Sie bei der Freiheitlichen Partei an sich "Voodoo economist" sind, aber daß Sie die Grundrechnungsarten beherrschen, hätte ich mir eigentlich schon erwartet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir werden über die Steuerreform selbstverständlich nicht auf dem Niveau der Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen diskutieren. Ich erinnere die FPÖ nur an ihren


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 129

Leitantrag, der bezeichnenderweise auch lautet: Steuern senken, Arbeit schaffen. – Sie wollen die Abgabenquote auf 35 Prozent senken. Wir haben schon im Zuge des Debattenbeitrages von Professor Van der Bellen gehört, daß das etwa 210 Milliarden Schilling kosten würde. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Die haben wir ja schon, die 35 Prozent, gelt?) 210 Milliarden Schilling, Herr Kollege Prinzhorn, ist etwa jene Summe, die wir für Lehrer, Gendarmerie, sprich: Sicherheit, die Sie erhöhen wollen, benötigen. Das ist das, was wir für alle Beamten benötigen, für Ärzte, Krankenschwestern und Richter. Wollen Sie die Rechtsprechung abschaffen? (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Dann haben wir auch noch ein bißchen Körberlgeld für Subventionen. Lieber Herr Kollege Prinzhorn! Hätten wir dieses Körberl nicht, dann hätten wir im Jahre 1983 nicht Ihren Betrieb mit 200 Millionen Schilling subventionieren können. (Beifall und Rufe bei ÖVP und SPÖ: Oh!)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ihr Parteiobmann wird am 4. Juli das Schiedsgericht und Ihren Bürgeranwalt einrichten. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das ist unrichtig, Frau Frieser! Das ist unrichtig!) Am 4. Juli werden Sie dann auch den Vertrag mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Republik schließen. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Sind Sie wirklich Steuerberater?) Dann, meine Damen und Herren, werden Sie von der freiheitlichen Fraktion der erste kollektive Anklagefall sein, da Sie die Versprechen, die Sie den Bürgern machen, nicht einhalten können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Haben Sie eine Berufsehre oder nicht? Stellen Sie das richtig!)

Ich wünsche mir, Herr Kollege Prinzhorn, daß dieser Schiedsrichter oder dieser Bürgeranwalt einmal feststellen wird, daß Sie ein Jahr lang keine Dringliche Anfrage mehr stellen dürfen. Das wünsche ich mir! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum Schluß: Es wird im Jahre 2000 selbstverständlich eine Reform geben, es wird eine Steuerreform geben, die ausgewogen sein wird (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler ) und auf die wir absolut stolz sein werden. Aber wir werden nicht nur die Abgabenquote senken – auch das wünsche ich mir –, sondern wir werden auch einen entsprechenden Entbürokratisierungsschub durchsetzen müssen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Oder war es der Bruder? Opposition brauchen wir nicht mehr, Hauptsache Frau Frieser bekommt Ihr Gehalt!)

17.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegen zwei Wortmeldungen zu tatsächlichen Berichtigungen vor. Ich bitte beide Herren Abgeordneten, die gemeldet sind, die Geschäftsordnung zu beachten und mit dem Sachverhalt zu beginnen, den Sie berichtigen wollen.

Ich rufe zur ersten tatsächlichen Berichtigung Herrn Abgeordneten Böhacker auf. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Schieder: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Dr. Kostelka: Das ist Böhacker! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

17.06

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Frau Kollegin Frieser hat in Ihrem Redebeitrag behauptet, ich berate meine Klienten schlecht. – Das ist unrichtig, Frau Kollegin! Das ist unrichtig. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Als Beweis führe ich an, daß ich in meiner Kanzlei innerhalb von 30 Jahren die Mitarbeiterzahl von einem auf 22 Mitarbeiter ausbauen konnte und somit 22 Arbeitsplätze geschaffen habe. (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Zum zweiten: Frau Berufskollegin Frieser hat gemeint, ich sei nie in meiner Kanzlei. Ich kann Sie beruhigen: Ich werde morgen wieder in meiner Kanzlei sein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Das war ein Debattenbeitrag!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 130

17.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste tatsächliche Berichtigung kommt von Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn. – Bitte.

17.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Frau Frieser hat behauptet, ich hätte im Jahre 1983 200 Millionen Schilling an Subventionen bekommen. (Rufe bei der ÖVP: 100!)  – Ich habe 200 verstanden. Aber bei den Hunderten ist es bei Ihnen ganz egal.

Jedenfalls: Ich habe weder 1 Million Schilling noch 1 S an Subvention bekommen. (Abg. Dr. Maitz: Niklasdorf: Brigl und Bergmeister!) Keinen Schilling Subvention haben Brigl und Bergmeister erhalten. (Abg. Schieder: Waren es Forint? Forint! Forint!)

Ich stelle das richtig: Keinen Schilling an Subvention hat Brigl und Bergmeister erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Maitz: 2 Millionen: Land und Bund gemeinsam!)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt hat sich Herr Abgeordneter Großruck zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Unruhe im Saal.)

Bitte, es hat jetzt nur noch Herr Abgeordneter Großruck das Wort. – Beginnen Sie bitte, Herr Abgeordneter.

17.08

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorrednerin hat zuerst hinterfragt, ob dieser Dringlichen Anfrage auch inhaltlich die Berechtigung auf Dringlichkeit zusteht. Liebe Cordula Frieser! Auch ich möchte das fragen und anzweifeln. (Abg. Dr. Mertel: Malversationen!)

Aber du weißt es, und wir alle wissen ja, daß es verschiedene Spielregeln gibt, und die FPÖ hält sich momentan an die Spielregel: Angriff ist die beste Verteidigung. – Nur, wenn diese Strategie aufgehen soll, dann sollten die Angriffe wenigstens strategisch vorbereitet, durchdacht und richtig geplant sein. Ihre Angriffe, meine Damen und Herren, die Sie seit Ihrem Skandal, der aufgedeckt worden ist, führen, sind chaotisch, durchschaubar – mit einem Wort: Rohrkrepierer. (Beifall bei der ÖVP.)

In der Tierwelt sagt man zu solch einem Verhalten: Angstbeißer. Meine Damen und Herren von der "F"! Sie sind politische Angstbeißer geworden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Sie leiden momentan am Titanic-Syndrom. Sie wissen, die Titanic ist angetreten, um das Blaue Band zu erobern, um möglichst schnell den Atlantik zu überqueren. Als unsinkbar hat sie gegolten, und bei der ersten Fahrt ist die Titanic untergegangen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie haben sich selbst als Saubermänner deklariert. Ich verstehe schon, daß es dann ganz besonders peinlich ist, wenn dieses Image plötzlich über Nacht so zerstört wird und Sie in Ihrem eigenen politischen Müll zu ersticken drohen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Dr. Schwimmer hat vorhin hervorragend einige Beispiele angeführt. Er hat das Steuerparadies Bärental erwähnt, er hat rechtskräftige Verurteilungen, die nachzulesen sind, vorgetragen, und man könnte die Reihe dieser Beispiele fortsetzen.

Ein Beispiel, meine Damen und Herren, nenne ich über das Verhalten: Ich erinnere mich daran, daß die Tiroler FPÖ vehement gegen den Verkauf von Grundstücken an Ausländer aufgetreten ist. Dann lese ich im "Kitzbühler Anzeiger" – das ist auch in einer deutschen Zeitung gestanden (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler )  –: Erwerb von Liegenschaften für deutsche, niederländische und italienische Staatsbürger! Beratung durch Kitzpichl Realitäten GesmbH. Telefonnummer 053 56/56 66. Rufen Sie uns einfach an!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie den Versuch machen und anrufen, dann werden Sie eine Überraschung erleben. Es wird nämlich der Kitzbühler Bürgermeister Horst Wendling abheben – kein roter, kein schwarzer, sondern ein blauer Landtagsabgeordneter, der diese Inserate in deutschen und österreichischen Zeitungen aufgibt, aber dann gegen den "Ausverkauf der Heimat" wettert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 131

Sie haben sich, meine Damen und Herren, über die schlechte Wirtschaftslage in Österreich mokiert. Es gibt auch positive Beispiele. Sie kennen sie vielleicht. Zum Beispiel Lob aus Kärnten für Oberösterreich: "... Leitl in Oberösterreich, dem es als Finanzreferent mit Hilfe der Beamten und" – dann steht hier weiter – "den Freiheitlichen" – wahrscheinlich hat er den Rat nicht angenommen, das ist auch eine Hilfe – "innerhalb von zwei Jahren gelungen ist, ein Budgetwunder zusammenzubringen. ... (FPÖ-LAbg. Dietlinde Kreutzer im Kärntner Landtag)"

Ich hoffe, daß sie aufgrund des Vorlesens dieser ihrer Aussage keine Konsequenzen zu tragen hat. Das täte mir sehr leid, und ich würde mich von hier aus entschuldigen, wenn sie deswegen zurücktreten müßte.

Meine Damen und Herren! Man könnte die Liste der "Saubermänner" noch sehr lange fortsetzen. (Abg. Mag. Stadler: Dann tun Sie es!) Man könnte kilometerlange Listen auflegen und tagelang darüber reden, was in den einzelnen Gemeinden passiert – initiiert von den ferngesteuerten "Saubermännern" – und welche Aufträge diese zu erfüllen haben. Ich erspare es Ihnen. Es wird das ohnehin im Laufe der Zeit durch die Presse gehen.

Was aber Ihre Dringliche Anfrage anlangt, so haben sich sowohl diese als auch die Anschuldigungen gegen die ÖVP in Luft aufgelöst. Meine Damen und Herren! Wenn jemand ein Rechtsmittel in Anspruch nimmt – das jeder Bürger in Österreich ergreifen kann, nämlich Berufung einzulegen und um Stundung anzusuchen –, Sie aber von einem Finanzskandal sprechen, dann müssen Sie schon überlegen, welch Geistes Kind dahintersteckt (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), wenn Sie solche Anschuldigungen vorbringen, nur weil jemand das Rechtsmittel der Berufung und der Stundung ergreift. Es ist zu hinterfragen, ob diese Angriffe, die gestartet worden sind, genau solche Rohrkrepierer werden – und sie werden es werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend, meine Damen und Herren, zeige ich Ihnen ein bekanntes Plakat, das schon im Parlament die Runde gemacht hat. Herr Kollege Öllinger hat es hereingebracht. (Der Redner hält ein Plakat in die Höhe, auf dem die Abgeordneten Dr. Ofner und Rosenstingl abgebildet sind.) Wenn man das so sieht – jetzt decke ich das Bild des Kollegen Ofner ab, damit nicht wieder ein Ordnungsruf erteilt wird –, dann glaubt man (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) , das ist ein Plakat aus einem amerikanischen Polizeirevier, auf dem nicht steht: "Zwei Profis als erfahrene seriöse Kandidaten", sondern: "Wanted – dead or alive". (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Frau Abgeordnete Bures zu Wort gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

17.15

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur kurz die Gelegenheit nutzen, um das nicht so im Raum stehen zu lassen und um zum Entschließungsantrag der Grünen Stellung zu nehmen.

Es ist richtig, daß es seit 14 Jahren keine Anpassungen der Einkommensgrenzen bei der Mietzinsbeihilfe gegeben hat und daß es daher sehr viele Menschen gibt, die nicht mehr die Möglichkeit haben, für einen Teil der Wohnungskosten eine Unterstützung zu bekommen, obwohl diese, wie wir wissen, in den letzten Jahren massiv gestiegen sind.

Herr Kollege Öllinger! Ich bin gerne dazu bereit, mit Ihnen in diese Diskussion zu treten, und dies gilt auch für die sozialdemokratische Fraktion. Ich glaube nur, daß Ihr Vorschlag nicht sehr ernsthaft ist; das haben auch die Entschließungsanträge des heutigen und auch des gestrigen Tages gezeigt, da Sie oft unmittelbar vor Schluß der Debatte einen Entschließungsantrag einbringen und nie eine Diskussion – weder im Ausschuß noch hier im Hohen Haus – darüber führen. Angesichts dessen erscheint es mir nicht glaubwürdig, daß Sie sich an der Problemlösung interessiert sind. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Herr Kollege Öllinger! Ich kann Ihnen aber zusagen, daß Sie eingeladen sind – mit der sozialdemokratischen Fraktion und, so hoffe ich, mit all jenen, die eine soziale Gesinnung haben und


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 132

wissen, was es für Menschen mit geringem Einkommen bedeutet, für den Wohnungsaufwand aufzukommen –, an einer Lösung mitzuarbeiten. Dazu möchte ich Sie einladen.

Ich möchte nur noch festhalten, daß ich nicht glaube, daß es sehr sinnvoll ist (Abg. Dr. Graf: Und deswegen stimmen Sie dagegen!) , als letzter Redner der grünen Fraktion einen solchen Entschließungsantrag einzubringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Einkommensobergrenze für den Bezug von Mietzinsbeihilfe.

Jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zur Durchführung einer kurzen Debatte. Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser hat beantragt, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 736/A (E) betreffend Mobilfunksendeanlagen eine Frist bis 6. Juli 1998 zu setzen.

Wir führen jetzt über diesen Antrag eine kurze Debatte durch, nach deren Schluß die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden wird.

Vor Beginn der Debatte mache ich auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam, daß kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Der Erstredner hat eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Diese 10 Minuten sind gleichfalls auch als Richtlinie für die Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder von Staatssekretären gedacht.

Als Antragstellerin erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Gabriela Moser das Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

17.19

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Anlaß dieser Fristsetzungsdebatte ist die Tatsache, daß fast täglich Bürgerinitiativen ihre Besorgnisse, Befürchtungen, Bedenken und Proteste wegen der Errichtung von GSM-Sendemasten äußern. Diese teilweise von Ängsten getriebenen Menschen – ich merke nur an, gerade letzten Samstag oder Freitag war das in Steyr der Fall – versuchen, bei der Errichtung eines flächendeckenden Sendenetzes, das viele Vorteile, aber auch einige Nachteile hat, ihre Rechte geltend zu machen. Sie, Herr Minister, haben – ich glaube, es war Mittwoch früh – in den frühen Morgenstunden des Mittwochs den Frequenzbereich auf 1 800 Megahertz für eine weitere Betreibergesellschaft freigegeben.

Nicht nur Connect, auch max.mobil. beziehungsweise die Telekom sollte hier weitere Frequenzen benützen können. Sie haben argumentiert, die restlichen Frequenzen sollen möglichst breit verwertet werden, mehr Wettbewerb solle einziehen, billiger solle es werden, Investitionen sollen getätigt werden, Spill-over-Effekte werde es geben, Arbeitsplätze würden geschaffen, und Rechtssicherheit sei gewährleistet. – Das waren die Worte des Kollegen Parnigoni.

Herr Kollege Kukacka hat gemeint, die Modernisierung der Telekommunikationsbedingungen müsse voranschreiten, marktbeherrschende Monopole sollen gebrochen werden, der Wettbewerb müsse forciert werden – und sicherlich sollen die Einnahmen lukriert werden. Das ist sicher die eine Seite.

Die andere Seite stellen die bereits über 80 in ganz Österreich gebildeten Bürgerinitiativen dar, die sehr skeptisch sind und teilweise Angst haben. Mir steht es persönlich und politisch in keiner


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 133

Weise zu, zu beurteilen, wie gesundheitlich unbedenklich oder wie gesundheitlich bedenklich diese Anlagen sind. Das steht mir persönlich und politisch nicht zu. Dafür habe ich keine Ausbildung, darüber kann ich nichts aus erster Hand sagen.

Sehr wohl aber ist es politisch notwendig, die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen, die entsprechend fundierten wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen und zur Hand zu nehmen, wenn es darum geht, die Zahl der GSM-Sendemasten in Österreich auszuweiten. Derzeit gibt es 3 000 Maste, in den nächsten Jahren sollen insgesamt 18 000 Maste errichtet werden. Dahinter steht eine politische Entscheidung. Diese politische Entscheidung muß meines Erachtens verantwortungsvoll gefällt werden und muß auf wissenschaftlichen Grundlagen, auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen beruhen und basieren.

Da setzt unser Antrag ein, der weder pro noch kontra Stellung nimmt, sondern der einfach nur fordert, daß gewisse Vorsorgemaßnahmen im Bereich der flächendeckenden Installation von Mobilfunksendeanlagen ergriffen werden. Die Fristsetzung ist deshalb notwendig, weil täglich neue Maste errichtet werden, ohne daß die entsprechenden ordentlichen wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen auf dem Tisch liegen und politisch relevant werden.

Es wird immer wieder argumentiert, es gibt ja die Studie vom Forschungszentrum Seibersdorf. Sicherlich, nur haben in diesem Fall Techniker – ich betone: Techniker  – von Seibersdorf, von der TU Wien und von der TU Graz ihr Urteil über die gesundheitliche Relevanz von GSM-Sendemasten getroffen. Techniker urteilten über Gesundheit. Und darauf berufen sich dann die österreichischen Politiker, die auf diese Studie immer wieder Bezug nehmen. Man lese das nur in Anfragebeantwortungen nach.

Es gibt auch die andere Seite. Es gibt die Seite der Wissenschafter, die da heißen Dr. Mosgöller, Universitätsprofessor Kundi, es gibt Wissenschafter, die in der Landessanitätsdirektion Salzburg tätig sind, es gibt Wissenschafter in Australien, in Rußland, es gibt Wissenschafter auch im Rahmen der WHO, die Bedenken haben, die immer wieder darlegen, daß bis jetzt die wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen nicht umfassend genug sind, um sagen zu können, das Ganze sei unbedenklich.

Ich möchte nur darauf hinweisen, daß gerade ein sehr Handy-freundlich gesinnter Wissenschafter, nämlich Herr Michael Repacholi aus Australien, einen Versuch anstellte, bei dem er Mäuse einer Frequenz aussetzte, die im Handy-Bereich lag, nämlich einer gepulsten Frequenz von 217 Hertz. Eine Gruppe von Mäusen wurde dieser Frequenz ausgesetzt, eine andere nicht, immer wieder im Halbstunden-Abstand. Es hat sich herausgestellt – bitte, das ist das Ergebnis von Untersuchungen eines Wissenschafters, der für die Handy-Industrie arbeitete! –, daß jene Mäuse, die diesen Frequenzen ausgesetzt waren, eine um das Doppelte höhere Tumoranfälligkeit entwickelten. Das ist das Ergebnis einer australischen Studie gewesen, deren Veröffentlichung lange Zeit unterdrückt worden ist, aber jetzt auch im Besitz der WHO ist. Und auch die WHO betont immer wieder, es müsse Klarheit geschaffen und weitergeforscht werden.

In diese Richtung zielt unser Antrag. Deshalb verlange ich eine Fristsetzung bis Anfang Juli, bis zur nächsten Plenartagung des Nationalrates. Es muß auch in Österreich die Forschung in Angriff genommen werden. Wir dürfen uns nicht nur auf internationale Studien stützen. Wir müssen vor allem auch Budgetmittel bereitstellen, Einnahmen, die wir aus dem Verkauf von Frequenzen, von Lizenzen erhalten, damit wir als Politiker die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen haben.

Ich möchte noch auf eine Tagung hinweisen, die die ÖGNU veranstaltet hat, bei der auch verschiedene Wissenschafter zu Wort kamen und ihre Bedenken äußerten, wie zum Beispiel Dr. Mosgöller, den ich schon einmal zitiert habe. Er weist immer wieder darauf hin, daß es eine Anzahl von Untersuchungen gibt, welche einen Zusammenhang zwischen modulierten hochfrequenten EMF-Strahlungen und -Frequenzen und Gehirnaktivität herstellen. Es gibt einen Zusammenhang. Es muß weitergeforscht werden. – Das ist seine Schlußfolgerung.

Ich möchte weiters auf Herrn Universitätsprofessor Dr. Michael Kundi verweisen, der festgestellt hat: Auch die WHO meint, die Entwicklung von EMF-Technologien müsse Hand in Hand gehen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 134

mit einer entsprechenden und koordinierten Forschung ihrer potentiellen gesundheitlichen Auswirkungen.

Das verlangt auch die WHO, und nichts anderes verlangt auch unser Antrag. Es muß begleitend geforscht werden, und es müssen die Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden.

Nicht nur diese zwei Universitätsprofessoren verlangen das, es gibt auch Anwälte, die sich ihren Forderungen anschließen. Ich möchte nur Herrn Dipl.-Ing. Alfred Brezansky von der Wiener Umweltanwaltschaft nennen, der auch auf die Studie von Repacholi hinweist und meint, es gebe bis heute noch keinen schlüssigen Beweis dafür, daß die Strahlung elektromagnetischer Felder tatsächlich ein Gesundheitsrisiko darstelle. Es gebe aber auch keinen Grund zur Entwarnung. Die wissenschaftlichen Untersuchungen seien einfach noch nicht weit genug fortgeschritten, um die Frage nach gesundheitlichen Schäden haltbar zu beantworten.

Das Forschungsdefizit zu beseitigen, dem Forschungsbedarf nachzukommen, die Aufforderung, effektive Forschungsmittel bereitzustellen – nichts anderes verlangt unser Antrag, der bereits im Mai eingereicht worden ist und jetzt endlich im Gesundheitsausschuß behandelt werden soll. Bitte, nehmen Sie diese Vorschläge und Forderungen – geradezu Warnsignale – aus wissenschaftlichem Mund zur Kenntnis! Schaffen Sie die Möglichkeit, damit Klarheit herrscht, damit die Initiativen nicht unnötige Ängste haben – oder berechtigte Ängste, es muß ja erst geforscht werden! Sorgen Sie dafür, daß die betroffenen Bürger und Bürgerinnen gerade im GSM-Sendemastenbereich bessere Orientierungsmöglichkeiten haben! Öffnen Sie das Tor, öffnen Sie auch die Geldbörse für bessere Forschung im Sinne der Folgewirkungen oder Begleitumstände, die von Strahlungen von GSM-Sendern ausgehen! (Beifall bei den Grünen.)

17.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort. Herr Abgeordneter, für Sie und alle folgenden Redner gilt eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

17.28

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Antrag der Grünen wird die Situation so dargestellt, als ob es in keinster Weise Regeln für den gesundheitlichen Schutz bei diesen Kommunikationsformen gäbe. – Dem ist nicht so. Die GSM-Technologie hat sich natürlich an geltende nationale und internationale Gesundheitsstandards und Grenzwerte zu halten, die von der Weltgesundheitsorganisation vorgegeben werden und deren Einhaltung von der Fernmeldeorganisation überprüft und kontrolliert wird.

Meine Damen und Herren! Es ist ganz klar, das ist ein sehr wachsender, dynamischer Bereich. Es gibt derzeit weltweit 227 Mobilfunknetze in 110 Ländern. Wir wissen genau, daß der letzte Satellit für das neue Satelliten-Kommunikationssystem in den Weltraum geschossen worden ist und wir damit rechnen können, daß es im Jahr 2000 etwa 3 Millionen Handy-Besitzer in Österreich geben wird. Wahrscheinlich hat dann auch jeder Grüne ein Handy. (Abg. Dr. Gredler: Aber keine Mäuse!) Wir müssen uns daher mit dieser Frage auseinandersetzen.

Für mich ist es bemerkenswert, daß die Auswirkungen anscheinend unterschiedlich empfunden werden, denn in einer Stellungnahme der Landesamtsdirektorenkonferenz vom 24. April wird berichtet, daß in Salzburg – weil Sie, Frau Kollegin Moser, Salzburg angesprochen haben – bisher keine diesbezüglichen Probleme aufgetreten sind. Es wäre daher interessant zu erfahren, was da wirklich den Tatsachen entspricht.

Ich möchte aber seitens der Sozialdemokraten festhalten, daß uns dieses Thema natürlich ein Anliegen ist, daß wir auch das Problem einer besseren Wahrnehmung des Nachbarschaftsschutzes im Anlageverfahren und ganz generell der GSM-Sendeanlagen erkennen. Wir wollen auch eine rasche Lösung des Problems erreichen, aber es soll dabei sehr pragmatisch zugehen. Ich meine nicht, daß wir bis zum 6. Juli – und das wäre, glaube ich, laut Ihrem Antrag notwendig – eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes schaffen können. Wir werden daher diesen Fristsetzungsantrag ablehnen.

Frau Kollegin Moser! Ich sage Ihnen aber, daß wir glauben, daß eine Telekommunikationsgesetz-Novelle auf alle Fälle einen besseren Nachbarschaftsschutz im Anlageverfahren für die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 135

Bürger beinhalten muß. Es muß dabei der Landschafts- und Ortsbildschutz beachtet werden, und vor allem wollen wir eine Koordination des Sendeanlagenbaus. Es geht darum, Regelungen zu treffen, durch die die Unternehmen zu einem Site-sharing gezwungen werden, das heißt zu einer Nutzung der bestehenden Anlagen, wenn es eine entsprechende freie Kapazität gibt, wie das ja im Festnetzbereich heute schon der Fall ist.

Wir wollen vor allem auch eine laufende Kontrolle der Strahlenbelastung sicherstellen, und daher ist derzeit auch das Ministerium für Wissenschaft und Verkehr dabei, eine entsprechende Novelle vorzubereiten; und auch die Frau Bundesminister Prammer ist dabei, in ihrem Kompetenzbereich entsprechende Überlegungen für dieses Gesetz auszuarbeiten.

Ich darf Ihnen als Obmann des Verkehrsausschusses mitteilen, daß das Forum Mobiltelekommunikation an mich herangetreten ist mit der Bitte, eine Aussprache mit den Abgeordneten im Rahmen des Verkehrsausschusses herbeizuführen. Ich glaube auch, die Vertreter der Netzbetreiber sind dazu bereit, hier gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, weil auch sie natürlich großes Interesse an einer Akzeptanz dieser Technologie in der Bevölkerung haben.

Ich werde mich persönlich darum bemühen, daß wir eine entsprechende Novelle des Telekommunikationsgesetzes zustande bringen, und ich hoffe, daß nach dem Sommer eine entsprechende Grundlage zur Verfügung stehen wird und wir im Herbst, also noch in diesem Jahr, eine sinnvolle Lösung dieser Problematik gemeinsam zustande bringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

17.32

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu gegenständlicher Anfrage möchte ich aus ärztlicher Sicht folgendes sagen: Sie haben schon im Dezember letzten Jahres diese Anfrage eingebracht, nur in etwas anderer Form, und schon damals haben Sie davor gewarnt und gesagt, es gebe Publikationen, die eindeutig belegen, daß elektromagnetische Wellen biologische Effekte et cetera hätten. Dann sagten Sie dasselbe wie heute: Die Langzeitstudien fehlen völlig, und deshalb sei es, solange die Unbedenklichkeit nicht seriös nachgewiesen werden kann, verantwortungslos, vor Schulen, Kindergärten, Altenheimen und Krankenhäusern derartige Anlagen in Betrieb zu nehmen.

In Ihrer heutigen Anfrage sind Sie schon etwas vorsichtiger. Sie sagen nicht mehr "eindeutig", sondern reden von wenigen wissenschaftlichen Daten, die zur Annahme berechtigen, daß es unerwünschte Wirkungen geben könne, die eher wahrscheinlich sind; und solange das nicht endgültig abgeklärt sei, sei politisches Handeln gefragt.

Ich habe mir die Mühe gemacht und weltweit die größten Studien dazu herausgesucht. Es sind zwei Studien, eine aus Finnland und eine aus den USA. Im Rahmen der finnischen Studie wurden 383 000 Menschen 20 Jahre lang beobachtet – weil Sie sagen, es gäbe keine Langzeitstudien; das ist ein wörtliches Zitat von Ihnen. Soviel zur "Genauigkeit" Ihrer Anfrage.

In dieser Studie steht also: Es konnte der früher behauptete Zusammenhang von extrem niedrig magnetischen Feldern mit Tumoren des Nervensystems, Lymphome und Leukämie nicht bestätigt werden. – Eine Studie mit 20jähriger Laufzeit mit 383 000 Menschen ist für Sie kein Beweis.

Im Gegenteil: Sie haben sich heute dazu verstiegen, daß plötzlich die armen Mäuse beim Handytelefonieren Tumore bekommen sollen. Wie soll das funktionieren? – Ich habe einmal gelesen, daß sogar die Befürchtung bei den Bürgern erzeugt wird, daß ihnen, wenn sie mit dem Handy telefonieren, die Tumore aus den Ohren wachsen. Dann müßte ich persönlich sehr schwer krank sein und viele andere in diesem Haus auch. (Abg. Dr. Petrovic: Wer weiß!)

Zuerst sagen Sie unterschwellig, es stehe Ihnen eigentlich nicht zu, darüber zu urteilen, aber die Ängste und die Besorgnisse sind ernst zu nehmen, und man müsse doch hier verantwortungsvoll vorgehen, aber gleich darauf sagen Sie: Ja, aber die Wissenschaft hat noch keine endgültigen Ergebnisse.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 136

Ich möchte Ihnen von noch einer Studie berichten, und zwar von der Harvard University, veröffentlicht im "New England Journal of Medicine", der berühmtesten Medizinzeitschrift der Welt. Bei dieser Studie ging es um den Zusammenhang von Leukämie bei Kindern und magnetischen Feldern, also um ein ganz anderes Feld. Das Ergebnis war: Keine Verbindung konnte festgestellt werden.

Der Gutachter schreibt im Editorial: 18 Jahre lang plagen wir uns, ständig wird ein Zusammenhang behauptet, nichts konnte nachgewiesen werden. Dutzende Studien gab es zu Lymphomen, Hirnkrebs, Fehlgeburten, Brustkrebs, psychologische, immunologische Abnormitäten – nichts konnte gefunden werden. Dutzende Kommissionen beschäftigten sich immer wieder damit. Ich glaube – so schließt er –, 18 Jahre Wissenschaft haben genügend Beweise geliefert, daß es keinerlei Auswirkungen gibt, und es ist Zeit, diese Verschwendung von wissenschaftlichem Geld zu beenden.

18 Jahre genügen Ihnen nicht? Ich glaube, wir sollten in Österreich den Bürgern Ängste nehmen, statt Ängste zu schüren, und es wäre gut, wenn Sie einmal solch wissenschaftliche Literatur zur Hand nähmen, denn dann kämen wahrscheinlich nicht solche Anfragen, die leider wirklich oberflächlich sind, aber wahrscheinlich war die Oberflächlichkeit sogar bezweckt. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gredler. )

17.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

17.37

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Gleich vorweg: Wir Freiheitlichen stimmen dieser verlangten Fristsetzung zu, nicht nur deswegen, weil wir selbst einen Antrag eingebracht haben, sondern weil wir der Meinung sind, daß das ein Thema ist, welches die Bevölkerung aus verschiedensten Gründen besorgt macht, und es ist aufgrund des Sendemastenwaldes, der sich jetzt in Landschaftsverschandelung niederschlägt, zweifelsohne eine Diskussion notwendig. Die gesundheitliche Frage ist von mir seriöserweise nicht zu beantworten. Da sollen natürlich die Forscher das Wort haben.

Aber diese Problematik, Herr Kollege Rasinger, mit Studien vom Rednerpult aus wegzudiskutieren, ist, glaube ich, nicht jener Weg, den die Bevölkerung will, sondern sie will eine seriöse Diskussion, und dieser seriösen Diskussion soll ja diese Fristsetzung dienen. Ich meine, das sollten wir uns schon gemeinsam vornehmen: nicht die Diskussionsverweigerung als das oberste Ziel anzusehen, sondern im Auftrag der Bevölkerung entsprechend offensiv vorzugehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben in unserem Antrag ähnliche Motive. Wir bekennen uns natürlich zu einer modernen Telekommunikation; diese ist für den Wirtschaftsstandort notwendig, et cetera. Diese Dinge liegen ja auf dem Tisch.

Nun aber zu den Ausführungen des Kollegen Parnigoni. Kollege Parnigoni hat gesagt, in Salzburg sei das Ganze kein Problem, das würde in der Bevölkerung nicht diskutiert. Da muß ich schon fragen, mit wem er denn spricht. Herr Kollege Parnigoni, es hat eine diesbezügliche Diskussion im Salzburger Landtag gegeben, Niederschrift vom 23. April 1998, in der sich sämtliche Parteien aufgrund eines Antrages der Bürgerliste zu einem gemeinsamen Weg in einem Antrag bekannt haben. Alle sind an den Bund herangetreten und haben ihn aufgefordert, das Thema, da es Bundessache ist, einer Lösung zuzuführen.

Der Vorsitzende der Bürgermeisterkonferenz, Abgeordneter Mödlhammer, von der ÖVP sagt: Hinsichtlich des Wildwuchses sei es seiner Meinung nach nicht einzusehen, daß drei Betreiber unterschiedliche Sendeanlagen errichten. Die vorhandenen Mastanlagen sollten genützt werden, um die erforderlichen Sendemasten unterzubringen.

Dann wird das Ganze in einem ÖVP-Abänderungsantrag fokussiert, ähnlich, wie heute die Dinge unsererseits und von den Grünen zur Sprache gebracht wurden. Im dritten Punkt dieses An


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 137

trages heißt es: Es soll die Nutzung vorhandener Mastanlagen erreicht und damit die Neuerrichtung von Sendemasten vermieden werden.

Abgeordneter Neureiter von der ÖVP verlangt ähnliches.

Nun komme ich zur SPÖ: Klubobfrau Mag. Burgstaller, Abgeordnete zum Salzburger Landtag, sagt: Die SPÖ schlägt daher vor, eine Anzeigepflicht einzuführen, und tritt mittels eines eingebrachten SPÖ-Abänderungsantrages an den Bundesgesetzgeber, also an Sie, an uns, mit dem Ersuchen heran, im Telekommunikationsgesetz für Betreiber von GSM-Sendeanlagen die Verpflichtung zu verankern, auch anderen GSM-Netzbetreibern die Sendeanlagen entgeltlich im Rahmen der technischen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Jetzt sagt Herr Parnigoni, in Salzburg gibt es darüber keine Diskussion. Haben Sie sich losgesagt von Ihrer Klubobfrau Burgstaller im Salzburger Landtag? – Es geht aber weiter, meine Damen und Herren.

Der Zweite Präsident Mag. Thaler, Sozialdemokrat, sagt: Eine entsprechende Regelung müsse vom Bund getroffen werden. – Na wer ist denn das, Herr Parnigoni? Gehören Sie nicht zu diesen Verantwortungsträgern? Die Aufforderung Ihrer eigenen Parteifreunde mißachten Sie heute, indem Sie gegen diesen Auftrag, gegen diesen föderalistischen Auftrag, gegen dieses Ersuchen stimmen, meine Damen und Herren!

Dann gibt es noch einen erweiterten ÖVP-Abänderungsantrag. Dem werden Sie heute in gewohnter Form auch nicht zustimmen; im Liegen umfallen heißt die Devise. Sie glauben, Sie können mit anderen Dingen vom Versagen Ihrer Politik ablenken.

Meine Damen und Herren! In diesen Anträgen steht sehr viel Positives, und diese einzelnen Parteienanträge finden sich dann in einem gemeinsamen Antrag des Salzburger Landtages – aller vier im Landtag vertretenen Fraktionen – wieder, mit dem sie an den Bundesgesetzgeber herantreten. – Herrn Parnigoni interessiert das nicht. Das gibt es nicht, das Ganze wird unter den Teppich gekehrt. Es gibt keine Aufregung bei den Bürgern in der Stadt und im Land Salzburg. Das wird wegdiskutiert. (Abg. Parnigoni: Das habe ich nicht gesagt!) – Das hast du gerade gesagt: In Salzburg gibt es dieses Problem nicht, da ist alles paletti! (Abg. Parnigoni: Weil du nicht zuhörst! Das ist eine Verdrehung der Tatsachen!)

Da gibt es eine eindeutige Willenskundgebung des Salzburger Landtages, aller Parteien, mit der Bitte an uns, an das Parlament, die Dinge beim Namen zu nennen und auch zu fokussieren (Beifall bei den Freiheitlichen), und was ist die Antwort? – Ein Njet, Diskussionsverweigerung! Irgendwann im Herbst werden die Wissenschafter schon kommen, und dann wird die Sache irgendwann einmal erledigt werden, denn es gebe jetzt noch keine zwingende Notwendigkeit, hier zu handeln.

Meine Damen und Herren! Sie sollten diese Dinge in Angriff nehmen, und ich sage Ihnen daher, daß mit Ihrer Handlungsweise im geschilderten Bereich GSM-Sendemasten Ihre Glaubwürdigkeit einmal mehr auf dem Prüfstand steht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler zu Wort. – Bitte.

17.42

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Ich möchte auch aufklärend wirken. Erstens sind elektromagnetische Felder im Jahre 1831 das erste Mal beschrieben worden. Seit 1946 gibt es in den USA den ersten privaten Mobilfunkdienst. Das heißt, seit 1946 gibt es die ersten Sendemasten in den USA – und seit diesem Zeitpunkt gibt es Forschungsarbeiten darüber.

Ich selbst habe das Vergnügen gehabt, in sämtlichen wissenschaftlichen Zeitschriften und Magazinen, die mir als Ärztin zur Verfügung stehen, Ergebnisse nachzulesen, die Forschungen auf dem Gebiet der Strahlen gebracht haben. Und ich muß Ihnen sagen: Wenn wirklich aufgrund


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 138

von Handys Mäuse sterben, dann kaufe ich meiner Mutter sofort ein Handy, damit sie keine Mäuse mehr im Haus hat. (Heiterkeit.) Also das wäre doch geradezu ideal! Ich nehme an, wenn im grünen Klub eine Mäuseplage existiert, dann werden sich alle mit Handys ausrüsten, damit sie dieser Plage dort Herr werden.

Also ich meine, das ist nicht die seriöse Grundlage, über die wir hier und heute eigentlich diskutieren sollten, sondern Sie sollten sich bemühen, über das Internet, über Bibliotheken – und zwar wissenschaftliche Bibliotheken, die über das Internet zugänglich gemacht wurden, wie zum Beispiel eine bestimmte in den USA – selbst Studien abzurufen, damit Ihnen klar wird, daß das eigentlich eine übertriebene Angst ist, die Sie mit solchen Entschließungsanträgen schüren, anstatt aufklärerisch tätig zu sein.

Ich möchte gerne, daß Sie wissen, daß, um ein einwandfreies Fernsehbild zu empfangen, zumindest das Zehntausendfache der Empfangsleistung notwendig ist – das Zehntausendfache! Da müßte ja jeder von uns vor dem Fernseher bei den Nachrichten sterben, und zwar nicht wegen der Inhalte, sondern nur wegen der Strahlung, der er ausgesetzt worden ist! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube wirklich, daß wir uns im Parlament nicht diesen Ängsten anschließen, sondern – ganz im Gegenteil! – beruhigend wirken sollten. Sie haben völlig recht, daß dieser Sendemastenwald, der jetzt entsteht, absolut beängstigend ist, und zwar nicht wegen der Strahlung, sondern weil es für das Auge wirklich einen optischen Verlust darstellt, wenn überall solche "Pfosten" stehen. Ich meine, man sollte diese Sender optisch ansprechender machen und vielleicht einige Designer motivieren, da etwas zu tun. Das wäre vernünftiger. Aber die Masten an sich sind viel weniger gefährlich als die Sendeanlagen Bisamberg oder Gaisberg, wo selbstverständlich auch Menschen wohnen. Ich glaube nicht, daß diese deswegen mehr Tumore haben, weil sie in der Nähe dieser Sender leben, oder daß es dort überhaupt keine Mäuse mehr gibt. Das wäre ein Grund für meine Mutter, dort hinzuziehen.

Wir sollten uns wirklich der Meinung der Weltgesundheitsorganisation anschließen. Sie haben die Kritiker genannt, ich nenne die Befürworter. Diese haben sich in einem Gremium gefunden, das sich International Commission on Non-Ionization-Radiation-Protection nennt. Klingt irrsinnig fachmännisch, wurde von der WHO installiert. Im April 1998 wurde von diesem Gremium eine Bewertung gemacht und veröffentlicht, in der eindeutig festgehalten wird, daß eine Gefährdung der Gesundheit unter Einhaltung der derzeit geltenden Grenzwerte nicht gegeben ist. – In Österreich gelten die Grenzwerte, die von der WHO empfohlen worden sind.

Wenn Sie weiters die Positionen von amerikanischen Organisationen wie dem Institute of Electric and Electronic Engineering oder der American Conference on Governmental and Industrial Hygienists oder der deutschen Strahlenschutz-Kommission studieren – wenn Sie schon dem österreichischen Bundeskanzleramt nicht trauen –, dann, würde ich meinen, hätten Sie die richtigen Informationsgrundlagen.

Noch eines: Wenn Sie Forschungsschwerpunkte setzen wollen, dann sehen Sie eine Behandlung im Wissenschaftsausschuß und nicht im Gesundheitsausschuß vor, denn Sie verlangen in diesem Antrag hauptsächlich ein Vorgehen hinsichtlich der Forschung. Erstens ist weltweit wirklich ausreichend auf diesem Gebiet geforscht worden, und es wird noch weiter geforscht werden; und zweitens hat diese Materie meiner Meinung nach nichts im Gesundheits-, aber sehr wohl etwas im Wissenschaftsausschuß zu suchen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Haigermoser: Die Rede hat wahrscheinlich Herr Tengg vom LIF geschrieben! – Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler  – das Rednerpult verlassend – in Richtung des Abg. Haigermoser.)

17.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.47

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir sehr aufmerksam die Reden angehört, die gehalten worden sind – speziell


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 139

jene betreffend die medizinische Seite. Es wurde uns hier gesagt, es gebe überhaupt keine Bedenken, wir sollten da keine Angst erzeugen, es sei überhaupt nicht schlimm, es laufe alles im Rahmen des Normalen, und daß es eine Gesundheitsgefährdung gebe, daran sei ja überhaupt nicht zu denken.

Dann frage ich mich aber – und das frage ich speziell auch die Damen und Herren von der ÖVP –, warum es sich die Versicherungswirtschaft nicht vorstellen kann, eine Versicherung gegen körperliche Schäden aufgrund von elektromagnetischen Feldern anzubieten. Die Versicherungswirtschaft sagt nämlich, gegen dieses Risiko kann sie keinesfalls versichern, denn das könnte die gesamte Versicherungswirtschaft in Zahlungsunfähigkeit bringen. – Also das sagt doch einiges. Die Versicherungswirtschaft – ich glaube, das ist ja nicht unbekannt – versichert lieber gegen Risikofälle, bei denen die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, daß sie eintreten, denn Risken, die sehr hoch sind, versichert eine Versicherungsgesellschaft ohnehin nicht, weil eine Versicherungsgesellschaft will Gewinne machen und ist kein Sozialamt.

Ich meine, diese Haltung der Versicherungsgesellschaften sollten wir ernst nehmen. Es gibt eben sehr wohl gesundheitliche Schäden! Zum Beispiel leiden Personen, die einen Herzschrittmacher haben, furchtbar darunter; sie haben Probleme mit ihrem Herzschrittmacher. Auch ich als Hörgerätträgerin habe massive Probleme damit. Sie werden es vielleicht lustig finden, aber wenn irgendwo in meiner Nähe ein Handy läutet oder ich in der Nähe eines Mastes bin, dann fängt nicht nur mein Hörgerät ganz ungeheuerlich zu rauschen an, sondern ich habe sogar festgestellt, daß die Batterie doppelt so lange hält wie normal, weil sie sich nämlich in diesem elektromagnetischen Feld von alleine wieder auflädt – und das Ganze direkt an meinem Körper!

Daß das gesund ist und keine gesundheitlichen Gefährdungen mit sich bringt, müssen Sie mir zuerst einmal erklären.

Wenn Sie behaupten, es sei ohnehin alles geregelt und die Bevölkerung brauche keine Angst zu haben, so frage ich mich, warum Sie dann nicht endlich entsprechende Forschungen betreiben, die Forschungsergebnisse in Österreich publizieren und die diesbezüglichen Publikationen jenen, die vor elektromagnetischen Feldern Angst haben, zur Verfügung stellen. Ich glaube, gerade den Betreibern von Sendemasten müßte es ein großes Anliegen sein, eine entsprechende Aufklärung der Bevölkerung zu erreichen. Sie müßten darum bemüht sein, aus den Lizenzeinnahmen und über die Betreibergesellschaften Mittel zur Verfügung zu stellen, um Aufklärung zu machen und eine entsprechende Vorsorgemedizin zu installieren.

Aber all das ist nicht vorhanden. Und warum ist es nicht vorhanden? – Weil es sehr wohl ein Risiko gibt und weil die damit verbundenen Ängste berechtigt sind!

Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Wenn Sie der Meinung sind, es gebe keine Schäden, dann bieten Sie doch der Bevölkerung eine Versicherung auf Bundesebene an, durch die jeder einzelne, der geschädigt wird oder gesundheitliche Schäden erleidet, aus dem Versicherungstopf eine Leistung beziehen kann. Wenn Sie eine solche Versicherung anbieten würden, dann könnten Sie etwas Glaubwürdigkeit gewinnen, da Sie doch so sicher sind, daß es ohnehin keine Schäden gibt. Aber solange Sie nicht dazu bereit sind, einerseits entsprechende Vorsorgemedizin zu betreiben und anderseits auf Bundesebene eine Versicherung für die Betroffenen zu schaffen, die unter diesen elektromagnetischen Feldern leiden, haben Sie absolut keine Chance, Ihre Glaubwürdigkeit diesbezüglich zu erhöhen. Ganz im Gegenteil: Sie schüren damit die Ängste, weil Sie genau diese zwei wichtigen Maßnahmen verweigern!

Meine Damen und Herren! Es liegt an Ihnen, ob Sie die berechtigten Ängste der Bevölkerung abbauen oder ob Sie sie verstärken wollen. Die Ängste sind deshalb berechtigt, weil es in Österreich keine Vorsorgemedizin gibt, die sicherstellt, daß Gesundheitsschäden vermieden werden, und weil Sie nicht dazu bereit sind, entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, die tatsächlich den medizinischen Standpunkt vertritt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 140

Wir haben jetzt über den Fristsetzungsantrag abzustimmen. Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich warte mit der Abstimmung, bis Frau Abgeordnete Haidlmayr auf ihrem Platz ist. (Zwischenrufe bei den Grünen.)  – Ausnahmsweise dürfen Sie dableiben und von hier aus abstimmen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 736/A (E) betreffend Vorsorgemaßnahmen im Bereich der flächendeckenden Installationen von Mobilfunksendeanlagen eine Frist bis 6. Juli 1998 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über die Punkte 6 bis 11 der Tagesordnung wieder auf.

Wir setzen in der Rednerliste fort.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.55

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen wieder zum Finanzpaket zurück. Ich möchte mich nur mit zwei Punkten dieses umfassenden Finanzpaketes beschäftigen. Zunächst einmal beziehe ich mich auf ein Gesetz, das wir immer wieder novelliert haben, wobei aber heute eine ganz spezielle Novelle auf der Tagesordnung steht.

Kollegen von SPÖ und ÖVP haben einen Antrag auf Novellierung des Glücksspielgesetzes eingebracht. Diese Novelle zum Glücksspielgesetz legt fest, daß mittels der Einnahmen, die damit gesetzlich abgesichert werden, soweit die Lotto-Toto-Gesellschaft die entsprechenden Umsätze erzielt, eine umfassende Sportförderung erfolgen soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Sportförderung hat einen langen historischen Background. Es hat, bevor die Lotto-Gesellschaft gegründet worden ist und dabei über die Neugründung von verschiedenen Formen – auch "6 aus 45" und so weiter – diskutiert wurde, seit dem Jahre 1949 eine spezifische massive Förderung des Sports gegeben. Und über die Bundessportorganisation, deren Präsident wir ja in den Abgeordnetenreihen haben, ist eine Verteilung nach möglichst gerechten Gesichtspunkten vorgenommen worden.

Ich habe aufgrund der Unterlagen – seitens der Lotto-Toto-Gesellschaft – zusammengestellt, welche quantitativen Ausmaße diese umfassende Sportförderung im Laufe der Jahre erreicht hat.

Bevor die besondere Sportförderung eingeführt wurde, wurden zwischen den Jahren 1949 und 1985 dem Sport 3 219 Millionen Schilling zugeführt. Seitdem wir im Jahre 1985 die besondere Sportförderung mit einem entsprechenden Basisbetrag eingeführt haben, sind die jährlichen Mittel von ursprünglich 312 300 000 S systematisch auf 400 Millionen Schilling im vergangenen Jahr angewachsen. Insgesamt bedeutet das, daß rund 4 319 300 000 S aus den Lotto-Toto-Mitteln dem Sport zugeflossen sind. Wenn ich die beiden Summen, nämlich von 1949 bis 1985 einerseits und von 1986 bis 1997 anderseits, addiere, sind es 7,5 Milliarden Schilling. Das ist ein stolzer Betrag, der dem Sport zugeführt worden ist!

Wir schaffen nun mit dieser Novelle für zwei Jahre eine besondere Ausnahme, indem wir die Beträge an die Umsatzerlöse der Lotto-Toto-Gesellschaft binden. Man kann jetzt schon sagen: Wenn wir das Jahr 1998 auf die Basis der Erlöse aus 1997 stellen, dann werden wir ein Höchstausmaß von 420 Millionen Schilling im Jahre 1998 erreichen. Wenn die Entwicklung der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 141

Lotto-Toto-Gesellschaft so weitergeht wie in den ersten Monaten des Jahres, dann wird im Jahre 1999 ein Höchstausmaß von 440 Millionen Schilling erreichbar sein.

Das heißt, das, was im Gesetz vorgesehen ist, wird im Höchstausmaß für den Sport zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube, all diejenigen, die dem Sport einen hohen Stellenwert in Österreich einräumen, können dieser Novelle aus Überzeugung zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu folgendem noch einige Bemerkungen: Zwei wesentliche Unternehmungen, die in meinem Wohnbezirk angesiedelt sind, sind davon betroffen, daß die Anteilsrechte von AUA und der Flughafen GesmbH an die ÖIAG übertragen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute noch nicht erwähnt worden: Insgesamt ist der Bund derzeit an der AUA mit 51,94 Prozent und am Flughafen mit 17,38 Prozent beteiligt. Wir haben schon in der Debatte betont, daß die ÖIAG in den letzten Jahren großes Know-how bewiesen hat, was Privatisierungsanliegen anlangt. In diesem Fall werden die Anteilsrechte übertragen, um über die ÖIAG eine entsprechende vermögensrechtliche und wirtschaftliche Wahrnehmung der Anteilsrechte für den Bund vornehmen zu lassen.

Wir von der ÖVP werden der Übertragung der Anteilsrechte dieser bedeutenden Unternehmungen zustimmen, weil wir glauben, daß dies ein richtiger Schritt ist, und wir hoffen, daß auch diese Anteilsrechte in der bewährten Praxis der ÖIAG mit sehr gutem Erfolg verwaltet werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich hätte gerne über die Problematik der Einführung rückwirkender Gesetze referiert – ein sehr wichtiger Punkt für die Wirtschaft –, oder vom Plan des Finanzministers, der laut Pressemeldung die Gesetze gegenüber dem Verfassungsgerichtshof wasserdichter machen will, gesprochen – ich meine, daß dies eine starke Unterwanderung des Rechtsstaates darstellen würde –, oder aber auch die Problematik der geplanten Erhöhung der Grundsteuer, wie sie kolportiert wird, angezogen. Aber es wird sicher in den nächsten Monaten noch genügend Gelegenheit dazu geben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst in aller Kürze mit der Änderung des Garantiegesetzes und dann mit der Veräußerung von Anteilsrechten der Exportfonds Gesellschaft an die OeKB auseinandersetzen.

Es wurden durch die Änderung des Garantiegesetzes 2 Milliarden Schilling für klein- und mittelständische Unternehmen im Inland aufgebracht, und nun soll der Haftungsrahmen der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft entsprechend erweitert werden. Das ist für die heimische Wirtschaft grundsätzlich als sehr positiv zu beurteilen; bedenklich ist jedoch, daß die Haftungsverpflichtungen in Höhe von 10 Milliarden Schilling durch Entscheidung des Bundesministers allein übernommen werden können. Ich glaube, das ist ein Problem, das uns möglicherweise noch beschäftigen wird.

Woher soll bei der Haftungsinanspruchnahme das Geld kommen? Wer soll für die Kosten der Einrichtung aufkommen und diese decken? – Diese Fragen sind in diesem Bericht ohne Antwort geblieben. Herr Staatssekretär! Vielleicht sind Sie bereit, darauf noch Antwort zu geben.

Die Aussage, daß das System selbsttragend ist, ist wohl nicht ernst zu nehmen, denn die zu bezahlenden Haftungsentgelte können nicht so hoch sein. Ansonsten würde ja die Zurverfügungstellung von Risikokapital zu günstigen Krediten ins Gegenteil verkehrt werden.

Da die FGG auch Risikokapital für Direktinvestitionen im Ausland zur Verfügung stellt, ist die selbsttragende Konzeption des Systems eher unglaubwürdig, wie auch Beispiele aus der Ver


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 142

gangenheit zeigen. Denn, meine Damen und Herren, wenn, wie der Bericht ausführt, die Schadenszahlungen zur Gänze aus der von der FGG gebildeten Rücklage gedeckt werden, dann werden solche Rücklagen ja in kürzester Zeit aufgebraucht sein, und dann ist es auch nicht selbsttragend. Wenn man Rücklagen für diese Haftungen verwenden muß, dann ist es ja kein selbsttragendes System.

Da aber die Änderung des Garantiegesetzes insgesamt zum Vorteil der klein- und mittelständischen Unternehmen ist und deren Exporttätigkeit ganz sicher unterstützt, werden wir diesen Antrag – wie auch schon im Ausschuß – unterstützen und ihm zustimmen.

Bezüglich der Veräußerung von Anteilsrechten der Österreichischen Exportfonds Gesellschaft an die OeKB möchte ich anmerken, daß damit eine Aufgabe, nämlich die Exportfinanzierung und Exportgarantievergabe, auf die Finanzierungsgarantie-Gesellschaft und die OeKB verteilt wird. Dies scheint mir unzweckmäßig zu sein, da dadurch das Förderungssystem, weil aufgeteilt, noch unüberschaubarer wird.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie müssen sich endlich für die Konzentration von Entscheidungsaufgaben auf eine Stelle entscheiden, wenn die von Ihnen angekündigte Entbürokratisierung erst gemeint ist, wenn Sie das Fördersystem wirklich einfacher und transparenter gestalten wollen, wie Sie das auch von der Regierungsbank aus immer wieder beteuern. Darüber hinaus ist eine Erweiterung der Aufgaben der OeKB abzulehnen, da schon jetzt keine genaue Kontrolle der OeKB-Tätigkeit möglich ist.

Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Es wäre wirklich an der Zeit gewesen, die langversprochenen Strukturänderungen gerade bei einem solchen Gesetz in Angriff zu nehmen. Aber Sie haben Ihre Versprechung nicht umgesetzt, sondern eigentlich eine neue Verkomplizierung in diesem Bereich herbeigeführt.

Noch ein Punkt, der uns veranlaßt, diesem Bericht nicht zuzustimmen: Sie sind durch Beschluß aufgefordert, die Kosten auszuweisen, auszurechnen und dem Plenum offenzulegen – auch geringfügige Kosten, meine Damen und Herren! Das ist in diesem Fall nicht geschehen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Heindl zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.07

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vor eineinhalb Stunden noch über die Standortsituation von Österreichs Exportwirtschaft diskutiert, und ein oder zwei Punkte spielen da unmittelbar herein. Gestern haben wir eine Novelle zum Ausfuhrförderungsfinanzierungsgesetz – das ist ein komplizierter Titel – beschlossen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz!)  – Okay, danke. – Das war sicher ein sehr wichtiger Beitrag, um den Exportstandort österreichweit abzusichern.

Ich verstehe Ihre Kritik nicht ganz – aber vielleicht bin ich nicht mitgekommen –, was den Garantieteil anlangt. Das ganze System wird geschlossener und runder, und dazu gehört ja vor allem auch die Übertragung der Anteilsrechte an den Exportfonds. Ich finde es ganz einfach richtig, daß es eine Konzentration gibt, und gerade die Änderung der Anteilssituation ist für die Klein- und Mittelbetriebe wichtig, die ja, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, ein wesentlicher Träger der Entwicklung des Exports in unsere Nachbarländer sind. Ich habe die Statistik in etwa im Kopf. Zirka 80 Prozent – das besagt die Untersuchung – unseres gesamten Exports gehen in die EU plus Osten, 17, 18 Prozent in die GUS-Länder.

Zu dieser positiven Entwicklung der letzten Jahren haben ganz besonders die Klein- und Mittelbetriebe beigetragen, und zwar mit Beteiligungen an Joint-ventures, an Betriebsgründungen, an Niederlassungen. Von verschiedenen Fonds oder Positionen sind weit über 1 Milliarde Schilling geflossen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 143

Warum führe ich das aus? (Abg. Ing. Nußbaumer: Aber da stimmen wir auch zu! Das habe ich auch sehr deutlich gesagt, daß das positiv ist!)  – Herr Kollege, ich habe Sie nicht kritisiert. Ich habe Sie nur nicht ganz verstanden.

Weil kritisiert wurde – ich glaube, Kollege Peter war es –: warum die Kammer mit 50 Prozent? Jetzt kann man natürlich sagen, wie Kollege Peter meinte, sie können auch als Gutachter agieren. Ich weiß aber nicht, ob das sinnvoll wäre. (Abg. Ing. Nußbaumer: Kritisiert habe ich die Aufteilung von einem auf zwei Bereiche!) Herr Kollege Nußbaumer! Was ich meine, ist, daß es Sinn macht. Wir wissen, daß die Kammer auch Klein- und Mittelbetriebe im Export wesentlich fördert. (Abg. Tichy-Schreder  – in Richtung des Abg. Ing. Nußbaumer –: Die sind schon jetzt in der Exportförderung dabei!) Wenn wir wollen, daß es nicht zu Mehrfachförderungen kommt und das Ganze ein in sich geschlossenes System ist, damit das gesamte Exportregime verbessert wird, dann hat dies alles wirklich Sinn. Wir werden vielleicht in zwei, drei Jahren wieder draufkommen, daß es in diese oder jene Richtung zu verbessern ist.

Zum Thema Garantie möchte ich folgendes sagen: Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß die Exportgarantien insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe essentiell sind. (Abg. Ing. Nußbaumer: Genau das habe ich gesagt!) Seien wir froh, daß wir uns einig sind! – Denn die Exportgarantien sind für die Geschäftsanbahnung sehr wichtig. Das Risiko für einen Kleinbetrieb, der nicht ständig drei Leute im Ausland beschäftigt haben kann, ist riesengroß, das Kennenlernen eines neuen Marktes ist äußerst aufwendig. Wenn er einmal dort ist und wenn die Sache nach drei, vier oder fünf Jahren läuft, dann geht das Geschäft auch von allein weiter. Aber was die Anfangsphase betrifft, bin ich davon überzeugt, daß viele der positiven Exporte, die in den letzten fünf bis zehn Jahren – vor allem in den letzten fünf Jahren – entwickelt wurden, ohne Exportgarantien nicht möglich gewesen wären.

Wenn wir wollen – ich denke, das wollen wir alle, weil es letztlich in den Beschäftigungsbereich fällt –, daß unser Exportanteil von 28,5 Prozent weiter steigt – das Ziel ist ja, daß wir in den nächsten paar Jahren über 30 Prozent, vielleicht sogar auf 32 Prozent kommen –, dann ist das, was wir gestern beschlossen haben und heute noch beschließen werden, eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Unternehmern die Basis dafür zu schaffen, damit sie den erfolgreichen Weg, der in den letzten Jahren gegangen wurde, weiterhin gehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Nußbaumer: Das ist ja positiv! Kritisiert habe ich, daß die Markterschließung nicht selbsttragend sein kann!)

18.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.12

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mein Debattenbeitrag bezieht sich in erster Linie auf die Novelle zum Glücksspielgesetz, konkret auf die Reparatur des § 20 betreffend die Bundessportförderung.

Kollege Höchtl hat dazu schon einige Bemerkungen gemacht. Zu seinen Ausführungen ist zu ergänzen, daß der Unterschied zwischen dem, was man optimistischerweise erwarten kann, und dem, was man als Oppositionspolitiker eher skeptisch sieht – in diesem Fall geht es um einen Unterschied von 120 Millionen Schilling, wie ich gleich ausführen werde –, daß also diese unterschiedliche Sichtweise erklärt werden muß. (Abg. Dr. Heindl: Erklären Sie!) Dazu ist ein kurzer Blick zurück – wie auch Kollege Höchtl ihn gemacht hat – notwendig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den zwanziger Jahren war Österreich weltweit ein Vorbild in der Sportorganisation, in der Sportförderung, ebenso auch in der Sportpädagogik. Der Glöckelsche Schulerlaß ist um die Welt gegangen. Österreich war in diesem Punkt herzeigbar.

Ich erspare mir die Entwicklung im "Dritten Reich" im Zusammenhang mit der Sportpolitik. Es könnte mich Kopf und Kragen kosten. Tatsächlich betrieb dieses verderblichste aller sozialisti


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 144

schen Regime eine geradezu aggressive Sportpolitik, die später nur in den Ländern DDR und Kuba eine Nachfolge fand.

Meine Damen und Herren! Nach dem Krieg hatte man hierzulande einerseits andere Sorgen, andererseits verfiel man vorsätzlich in die Gegenposition zu diesem Verbrechensregime und setzte den Sport in die letzte Reihe. Im Grunde sind die negativen Strahlen der damaligen Gegensportbewegung bis heute spürbar.

Als die Sorgen kleiner wurden und der Bewegungs- und Spieltrieb stärker aufkam, wurde nach Geld gerufen. Nach dem Vorbild Englands wurde 1949 – wie wir erfahren haben – das Totospiel eingeführt, und weil der Fußball sozusagen das Brot für das sogleich monopolisierte Toto war, gab man dem Sport eine Krume ab. 1949 waren es 10 000 S, Herr Präsident Löschnak, wie wahrscheinlich auch Sie aus der Geschichte wissen. Toto zu spielen, war damals Ehrensache für jeden sportinteressierten Menschen, war doch Sporttoto gleichzeitig Sportförderung.

Um dieser Direktsubvention vom Toto zum Sport ein politisches, aber auch parteipolitisches Mascherl umzuhängen, schuf man ein Glücksspielgesetz, vereinnahmte das Lotto-Toto durch den Finanzminister und gab jährlich einen valorisierten Förderungsbetrag weiter. Diese Verteilung hielt und hält man vornehmlich in rot-schwarzer Hand.

Dann kamen die Sparpakete. Die Jahre 1996 und 1997 wurden von dieser Valorisierung – meiner Ansicht nach gegen das Gesetz – ausgenommen, doch Vranitzky versprach, 1998 diese Valorisierung wieder einzuführen. Sein Nachfolger, der "Gala-Sportminister", wie ich ihn einmal genannt habe, schafft es nicht, diese Valorisierung wiedereinzuführen, und deshalb hat man jetzt zur Schadensbegrenzung eine Gesetzesnovelle gemacht. – Das zur Erklärung dieser vorliegenden Novelle.

Dem Sport wird diese Novelle als Fortschritt und Problemlösung zu verkaufen versucht. Kollege Höchtl hat ja gerade in begeisterten Worten über die neue Regelung referiert. Ich aber sage: Eine Bundessportförderung nach 45 Jahren auf dem Fundament von Glücksspielerlösen zu belassen, ist ein Armutszeugnis. Dies zeigt, welche "Wertigkeit" dem Volksgesundheitsfaktor Nummer eins in Österreich tatsächlich zugewiesen wird.

Bei der vorliegenden Novelle haben sich nach meiner Ansicht Wittmann & Co vom Finanzminister über den Tisch ziehen lassen. Ein Anteil von 3 Prozent der Umsatzerlöse wurde hier soeben hochgelobt. Kollege Höchtl hat errechnet, daß 7 Milliarden Schilling seit 1949 an den Sport geflossen sind. Es wäre interessant, wo die restlichen 97 Prozent, also etwa 200 Milliarden Schilling, geblieben sind. Das weiß nur der Herr Finanzminister.

Heute wird eine Novelle beschlossen werden, wonach 3 Prozent der Umsatzerlöse für die nächsten beiden Jahre vorgesehen sind. Das sind 380 bis 420 Millionen Schilling im Jahr 1998 und 360 bis 440 Millionen im Jahr 1999. Kollege Höchtl geht – ich habe es angedeutet – von den beiden höheren, optimistischen Zahlen aus. Ich erlaube mir, zu fragen: Warum hat der Verhandlungspartner hier die Zahlen 380 Millionen und 360 Millionen als untere Grenzen eingefügt? – Selbst das mußte sich der Sport, wie ich erfahren habe, erst durch Verhandlungen "herausreißen".

Dieser Optimismus ist meiner Ansicht nach durch nichts begründet – allenfalls dadurch, daß Sie, meine Damen und Herren, eifrig dazu motivieren werden, "6 aus 45", Toto und ähnliches zu spielen, um den Erlös daraus möglichst hoch zu halten. Spielen Sie möglichst schlecht! Wir brauchen viele Jackpots, um diese Größenordnungen zu erreichen. Die Förderung des Sports wird weitgehend dem Zufallsprinzip, dem Prinzip des Glücks und des Glücksspiels überlassen.

Herr Kollege Grabner! Herr Präsident Löschnak! Gestatten Sie, daß man dieses Thema auch aus dieser Sicht sieht, denn es ... (Abg. Grabner: Ich werde Sie aufklären!) Sie werden mich dann aufklären. – Jedenfalls sind im vorliegendenen Gesetzentwurf die beiden von mir genannten Beträge als Untergrenzen enthalten. Sie werden mich dann darüber aufklären, warum diese Untergrenzen erforderlich sind.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 145

Wir sind jedenfalls anderer Ansicht und gestatten uns daher, aus unserer Sicht einen Abänderungsantrag zum Antrag 710/A der Abgeordneten Grabner, Kopf, Löschnak, Höchtl anzubieten, der da lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Grollitsch, Ing. Meischberger und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird, in der Form des Ausschußberichtes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt abgeändert:

In Z 1 lautet § 20 Abs. 4 2. Satz:

"Dieser Betrag darf 1998 und 1999 jeweils 400 Millionen Schilling nicht unterschreiten."

*****

Ich denke, das ist begründbar, denn das ist die Ausgangsposition aus dem Jahr 1995. Das heißt, jede andere Lösung ist ein Unterschreiten, und die 3 Prozent sind ganz einfach nicht festlegbar, wie das Gesetz ja richtig vorsieht. Ich halte diese 400 Millionen Schilling für eine durchaus realistische Untergrenze und für das Minimum dessen, was sich der österreichische Sport – auch im Sinne des Glücksspielgesetzes und der Sportförderung – verdient hat. Ich ersuche Sie – wenn Ihnen das schon im Zuge der Verhandlungen nicht gelungen ist, Herr Kollege Grabner und sonstige sportaufgeschlossene Abgeordnete –, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen, um wenigstens 400 Millionen Schilling als untere Grenze zu erhalten.

Im übrigen gilt die Aussage, daß die Sportförderung auf dem Fundament des Glücksspielgesetzes künftig nicht solide weiterleben kann. Sportförderungen müssen auf andere Beine gestellt werden; es müssen aber auch neue Verteilungsschlüssel her. Sie kennen meine diesbezügliche Ansicht: ASKÖ und UNION – sie sitzen an den Hebeln dieser Verteilung – haben aus unserer Sicht nicht das Mandat, öffentliche Mittel zu verteilen. Wenn es erforderlich ist, daß zwischen den Fachverbänden ein Dachverband eingeschaltet wird, dann sollte es künftig einer sein.

Wenn UNION und ASKÖ den Mut besitzen und ihre jeweils 1 Million Mitglieder tatsächlich dazu motivieren können, ihre Arbeit im Rahmen selbständiger Vereine durchzuführen, ohne auf öffentliche Fördertöpfe zurückzugreifen, dann werden sie meine vollste Anerkennung, Unterstützung und Hochachtung haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.22

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wie schon festgestellt, behandeln wir jetzt sechs Tagesordnungspunkte unter einem. Ich möchte nur auf zwei dieser sechs Punkte kurz eingehen, und zwar zunächst auf die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG.

Meine Debattenvorredner haben die Frage gestellt: Was soll künftig die Aufgabe der ÖIAG sein? – Kollege Stummvoll hat dem Hohen Haus erklärt, daß die ÖIAG ein Privatisierungsprofi sei. Einer Presseaussendung von heute entnehme ich, daß die ÖIAG Anteile der VOEST-ALPINE Eisenbahnsysteme zurückgekauft hat. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, daß VOEST-ALPINE privatisiert wurde. Jetzt aber kauft die ÖIAG Anteile zurück und ist wiederum im Eigentum von mehr als 50 Prozent. – Herr Staatssekretär! Vielleicht könnten Sie uns einen kleinen Hinweis geben, wie diese Aktion zu verstehen ist. (Zwischenruf des Abg. Koppler. )


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 146

Weiters möchte ich kurz auf den Antrag des Kollegen Professor Van der Bellen in bezug auf die Reform der Oesterreichischen Kontrollbank eingehen. Wir haben das in meiner Fraktion sehr ausführlich diskutiert. Im Prinzip sind wir zwar auch der Meinung, daß gewisse Reformen in der Kontrollbank stattfinden müßten, es gab aber bereits Intentionen und Anstrengungen, weitere Anteile zu privatisieren. Für diese Anteile haben sich jedoch bedauerlicherweise keine Käufer gefunden.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß möchte ich auf eine Art Lieblingsthema von mir zurückkommen, nicht zuletzt deshalb, weil mich Kollegin Petrovic beim Tagesordnungspunkt Bundes-Seniorengesetz daran erinnert hat. Sie hat die Lesbarkeit dieses Gesetzes bemängelt, und zwar zu Recht, wie ich glaube. Ich habe daraufhin die Regierungsvorlagen, die jetzt in Behandlung stehen, im Hinblick auf darin enthaltene Aussagen über die Kosten überprüft. Es steht in den beiden Regierungsvorlagen: keine wesentlichen Kosten.

Herr Staatssekretär! Da das Bundesministerium für Finanzen für den Vollzug des § 24 Bundeshaushaltsgesetz zuständig ist, nehme ich an, daß diese Angaben korrekt sind. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auf ein anderes Phänomen hinweisen.

Meine Damen und Herren! Wir haben vorgestern für sage und schreibe 39 Menschen in diesem Land ein Gesetz beschlossen – hören Sie: ein Gesetz für 39 Betroffene! –, und zwar das Kardiotechnikergesetz. (Abg. Dr. Gredler: Warum haben Sie sich dazu nicht vorher gemeldet?) Ich denke, allein die Berechnung der Kosten für dieses Gesetz hat mehr Geld oder – um den richtigen Terminus zu wählen – mehr Ressourcen in Anspruch genommen, als die Kardiologen in einem Jahr verdienen.

Herr Staatssekretär! Ich glaube, daß Sie dahin gehend wirken sollten, daß zwar die Auflagen nach § 23 BHG erfüllt werden – aber nur dann, wenn es sinnvoll ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Redezeit von 9 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

18.25

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden dem Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird, zustimmen, halten es aber für bedauerlich, daß es im Rahmen des Behindertensports noch immer keine Regelung gibt, die tatsächlich die Ausübung des Behindertensports finanziell sicherstellen würde.

Die Möglichkeiten, den Behindertensport attraktiver zu gestalten und dem Behindertensport mehr Lobbyismus zu verschaffen, sind damit nicht sichergestellt. Herr Grabner hat mir aber vorhin signalisiert, daß wir darüber reden werden, damit es im Behindertensport entsprechend den Anliegen der Betroffenen zu Verbesserungen kommt. Ich hoffe, dieses Versprechen wird eingelöst. Ich wünsche mir, daß Sie, meine Damen und Herren, alles daransetzen, um dem Behindertensport endlich jenen Stellenwert zuzuerkennen, den er verdient und den er schon längst hätte bekommen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, daß in Österreich derzeit die Landesmeisterschaften der Leichtathletik im Behindertensport stattfinden. Ich möchte Sie bitten, diese Landesmeisterschaften in Ihren eigenen Bundesländern zu besuchen und sich einmal anzusehen, welche Leistungen behinderte Menschen im Sport erbringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weiters möchte ich Sie bitten, den Behindertensport nicht nur mit Ihrer Anwesenheit zu unterstützen, sondern auch dazu beizutragen, daß es endlich zu einer gesetzlichen Regelung kommt, die wirklich den Anforderungen zur Ausübung des Behindertensportes entspricht. Sie können das auch unter Beweis stellen, denn unsere Sportler werden nun bald nach Birmingham fahren. Die Finanzierung ist noch lange nicht sichergestellt. Sie könnten Ihren Beitrag zur Sicherstellung


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 147

des Aufenthaltes in Birmingham leisten, und ich hoffe, daß Sie das auch tun werden. Ich vertraue ganz einfach auf Sie! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.27


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 148

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordnete Grabner. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.27

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich werde mich selbstverständlich auch mit der Novelle zum Glücksspielgesetz beschäftigen. Eine Zeitung hat gestern geschrieben: Die besondere Sportförderung des Bundes wurde angehoben. Der Grund dafür ist eine Änderung des Glücksspielgesetzes. Dadurch haben sich die Mittel von 400 auf 420 Millionen Schilling erhöht. Angesichts der aktuellen Entwicklung bei den Lotterien, an deren Umsatz diese Sportförderung gekoppelt ist, rechnet man 1999 sogar mit 440 Millionen Schilling. Es scheint also ein Glücksgriff gewesen zu sein, diese Koppelung vorzunehmen, statt der bisherigen Erhöhung, die an den Index gebunden war.

Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen des Sportes herzlichst danke schön sagen. Dafür, daß 420 Millionen Schilling für das heurige Jahr sicher sind – wir werden dem Entschließungsantrag nicht zustimmen, weil er gar nicht notwendig ist –, möchte ich mich vor allem beim Präsidenten der BSO, unserem Freund Löschnak, herzlichst bedanken! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Er war es, der unermüdlich dafür gekämpft hat. Weiters möchte ich auch Staatssekretär Dr. Wittmann danke schön sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Feurstein: Ruttenstorfer ist jetzt aber hier der Staatssekretär!)

Herr Kollege Grollitsch! Ich war beim ersten Spiel der Fußballweltmeisterschaft und habe mit Vertretern vieler Länder Kontakt gehabt: Überall in Europa bekommt der Sport das Geld von den Lotterien. Eines der besten Gesetze in diesem Zusammenhang ist das österreichische Gesetz. Daher muß ich vermuten, daß Sie sich das nicht ganz genau angeschaut haben. Den Grund dafür sage ich gleich dazu. Diese Gesetzesnovelle sagt aus, daß für das heurige Jahr mindestens 380 Millionen, tatsächlich aber 420 Millionen Schilling bereitstehen – und das aufgrund des Umsatzes der Lotterien von 1997. Dieser steht schon fest, er betrug 16,4 Milliarden Schilling. Das heißt, die 420 Millionen Schilling, die wir heute beschließen, sind dem österreichischen Sport sicher. Das ist ein wichtiger Bestandteil. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Entwicklung von Jänner bis Mai des heurigen Jahres hat gezeigt, daß der Sport auch die besagten 440 Millionen Schilling für das nächste Jahr bekommen wird. Das heißt, daß das wesentlich besser ist als die Valorisierung, die es bis jetzt gab. Es stimmt schon: Dieses Gesetz war, als es im Jahre 1986 beschlossen wurde, eines der besten – trotz Valorisierung! Diese wurde aber aufgrund des Sparpaketes zwei Jahre lang ausgesetzt. Heuer hätten wir daher, wenn die BSO und deren Präsident nicht so aktiv gewesen wären, nicht diesen Betrag bekommen, sondern es wäre bei 400 Millionen Schilling geblieben. Daher sage ich allen, die daran mitgewirkt haben, herzlichsten Dank.

Wir haben heute schon sehr viel von der Entwicklung des Sports gehört. Ich darf sagen, daß seit dem Jahre 1949 7,6 Milliarden Schilling für den Sport zur Verfügung gestellt wurden, davon alleine 2,6 Milliarden Schilling für den österreichischen Fußball – zu Beginn gehörte das Geld aus den Totogewinnen eigentlich dem Fußball.

Für Sport gibt es immer zuwenig Geld – das sage ich gleich dazu –, daher bleibt meiner Meinung nach der Wermutstropfen, daß diese Regelung nur für zwei Jahre gilt. Ein weiterer Wermutstropfen ist, daß eine Deckelung nach oben, und zwar bei 440 Millionen Schilling, eingezogen wurde.

Noch einmal: Ich sage auch im Namen des ASKÖ herzlichsten Dank! Der Sport in Österreich ist mit dieser Gesetzesnovelle mehr als zufrieden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist der Bedankte, Herr Abgeordnete Dr. Löschnak. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich ganz kurz fassen. Für den österreichischen Sport – und für diesen spreche ich als Vorsitzender der Bundessportorganisation – ist diese Novelle zum Glücksspielgesetz eine gute Sache, weil dadurch für zwei Jahre die Grundmittel für den gesamten österreichischen Sport abgesichert werden, und zwar besser, als wenn die Valorisierung, die wir bis 1995 im Gesetz hatten, weiter Platz gegriffen hätte. Das läßt sich, Kollege Grollitsch, relativ leicht nachrechnen: Bei einem Betrag von 400 Millionen Schilling, der im Gesetz verankert war, werden Sie, selbst wenn Sie die Valorisierung von 1996 bis 1997 oder 1998 hinaufrechnen, nicht auf jene 10 Prozent Steigerung kommen, die wir mit Sicherheit im nächsten Jahr erreichen werden. Kollege Grabner hat die Entwicklung der Reinerlöse der österreichischen Lotterien ja bereits dargelegt.

Wir konnten und werden auch in Zukunft die Zweifler, die es in den eigenen Reihen gibt, und zwar in den Fachverbänden und Dachverbänden, beruhigen können, denn für das heurige Jahr ist der Betrag von 420 Millionen Schilling sicher. So wie es aussieht, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das nächste Jahr 440 Millionen Schilling zu erwarten. – Das ist das eine.

Zum zweiten: Wir konnten mit dieser Novelle auch teilweise die Ängste, die die Finanz hatte, beruhigen, indem wir eine Deckelung eingezogen haben, damit die Zuwächse zu den 400 Millionen Schilling nicht in ein Vielfaches dessen gehen, was der Sport natürlich gerne gehabt hätte, was aber aufgrund der allgemeinen Budgetlage zwar einforderbar ist, jedoch nicht durchsetzbar war. Auch da konnten wir die Zweifler beruhigen.

Mir geht es nicht darum, was es war, das zu dieser Novelle geführt hat, sondern darum, wie wir es angehen können, um eine Grundsicherung für den österreichischen Sport ab dem Jahre 2000 zu erreichen. Das ist nämlich mindestens ebenso wichtig wie diese Novelle selbst.

Ich gehe davon aus, daß die Bereitschaft, die sowohl der Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als Sportminister als auch der Finanzminister – dieser muß ja letztendlich die Mittel zur Verfügung stellen –, der Finanzstaatssekretär wie auch der Sportstaatssekretär gezeigt haben, andauern wird und daß wir daher diese zweijährige provisorische Lösung, als die wir sie empfinden, ab dem Jahr 2000 in eine endgültige und daher auch längerfristige Lösung umsetzen werden können. Die bisherigen Gespräche lassen diese optimistische Haltung gerechtfertigt erscheinen.

Man findet nicht nur in den Erläuternden Bemerkungen den Hinweis darauf, daß die Verhandlungen noch heuer im Herbst aufgenommen werden sollen, sondern wir haben auch die Zusage des Herrn Bundeskanzlers, daß unmittelbar nach Ende der EU-Präsidentschaft Österreichs der Sportminister – eben in der Person des Bundeskanzlers – mit der Bundessportorganisation, den Fach- und Dachverbänden in Verhandlungen eintreten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin guter Hoffnung, daß wir das, was wir gut begonnen haben, zumindest gut fortsetzen werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schußwort seitens der Berichterstatter wurde nicht begehrt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir haben jetzt mehrere Abstimmungen durchzuführen.

Ich lasse über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 149

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1185 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1165 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Zustimmung erfolgt einstimmig. Der Entwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, gleichfalls um ein Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1244 der Beilagen.

Wer für diesen Entwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch dieser Entwurf ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer stimmt in dritter Lesung zu? – Auch in dritter Lesung wird der Entwurf einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 1247 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht wird mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1249 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer stimmt diesem Entwurf in dritter Lesung zu? – Auch in dritter Lesung ist der Entwurf mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1245 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Grollitsch und Genossen haben dazu einen Abänderungsantrag eingebracht.

Wir gehen so vor, daß wir zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen werden.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Grollitsch und Genossen betrifft Z 1 § 20 Abs. 4.

 


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 150

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Schließlich stimmen wir ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

12. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (665 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern (1246 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser Wir kommen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Mir liegt eine Wortmeldung vor, und zwar die des Herrn Abgeordneten Karl Gerfried Müller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Müller: 2 Minuten!)

18.40

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Zwischen Österreich und der Tschechischen Republik besteht ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommens- und Vermögenssteuer, welches im Jahre 1978 noch mit der damaligen Tschechoslowakischen Republik abgeschlossen wurde und das natürlich auch weiterhin Geltung hat. Hingegen gibt es keine steuervertraglichen Regelungen hinsichtlich der Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Das vorliegende Abkommen zwischen den beiden Ländern entspricht den modernen internationalen Regelungen des Steuervertragsrechtes. Beide Vertragsstaaten wenden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Befreiungsmethode an, das bedeutet, daß der Wohnsitzstaat des Erblassers oder des Geschenkgebers jene Vermögenswerte aus der Besteuerung ausnimmt, die nach dem Abkommen im anderen Staat besteuert werden dürfen. Das Doppelbesteuerungsabkommen gilt also für jene Personen, die einen Wohnsitz in einem der beiden Vertragsstaaten haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da das vorliegende Abkommen den Ausschuß einstimmig passiert hat, bin ich überzeugt davon, daß es auch im Plenum große Zustimmung hiezu geben wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Graf. )

18.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Abgeordneter.

Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 151

Ein Schlußwort seitens des Berichterstatters findet nicht statt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 665 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte, jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Erteilung der Genehmigung erfolgt einstimmig. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

13. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1086 der Beilagen): Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich (1216 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu Punkt 13 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.43

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedrohung unserer Umwelt durch globale Umweltgefahren ist in den achtziger Jahren besonders deutlich geworden. Damals schon haben sich durch die Belastung der Atmosphäre mit Luftschadstoffen dramatische Entwicklungen abgezeichnet. Vor allem die gravierenden Waldschäden, die damals überall in Europa, aber auch in den USA und in Kanada festgestellt wurden – hervorgerufen durch den sogenannten sauren Regen –, waren ein ökologisches Krisensymptom der achtziger Jahre. Als Verursacher für diese Waldschäden sind verschiedene Luftschadstoffe, besonders Schwefeldioxid und Stickoxide, verantwortlich gemacht worden.

In den achtziger Jahren wurde die Schädigung der Ozonschicht durch den Gebrauch von Fluorkohlenwasserstoffen verstärkt untersucht. Es wurde auch der sogenannte Treibhauseffekt entdeckt, der mit schwerwiegenden Klimaveränderungen auf der Erde einhergeht. Vor dem Hintergrund dieser globalen Bedrohungen sind damals die Grenzen der nationalen Umweltpolitik sichtbar geworden. Das Souveränitätsdenken der Staaten im Bereich des Umweltschutzes mußte zugunsten einer weltweiten Zusammenarbeit zurückgedrängt werden. Die dringliche Notwendigkeit einer besseren internationalen Kooperation im Umweltschutz hat dazu geführt, daß auch die Länder Osteuropas internationalen Abkommen zur Reinhaltung der Luft beigetreten sind.

Welche Maßnahmen wurden daraufhin international gesetzt? – Zusammenfassend kann man sagen, daß sich die internationale Umweltpolitik in den vergangenen Jahrzehnten im Bereich der Luftreinhaltung auf drei Schwerpunkte konzentriert hat:

Erstens ging es um globale Gefahren, die vom Ozonloch – besonders an den Polen – ausgingen. Zweitens drohte eine Klimaveränderung auf der Erde durch eine weitere Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlendioxid. Und drittens wurden verschiedene Aktionen zur Begrenzung des Ferntransportes umweltgefährdender Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid und Stickoxide gesetzt.

Was ist unter Ferntransport genau zu verstehen? – Unter bestimmten klimatischen Bedingungen können Luftschadstoffe, die aus Verbrennungsanlagen für fossile Energieträger stammen, über Tausende von Kilometern transportiert werden. Zugleich werden diese Stoffe durch verschiedene Reinigungsmechanismen in der Atomsphäre ausgefiltert und zum großen Teil im Erdboden, in Gewässern, auf Pflanzen und Bäumen abgelagert. Folge dieses Ferntransportes und


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 152

der Ausfilterung von SO2 und NOx aus der Atmosphäre ist die Versäuerung von Böden und Gewässern.

Daher sind solche internationalen Übereinkommen wie das Protokoll zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung sehr wichtige Schritte zu einer Verminderung der durch Schwefel hervorgerufenen sauren Deposition. Österreich ist diesem Übereinkommen bereits Anfang der achtziger Jahre beigetreten. Da es aber inzwischen ausgelaufen ist, wurde nunmehr der Abschluß eines neuen Protokolls notwendig.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Antrag

der Abgeordneten Matthias Ellmauer, Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller zur Regierungsvorlage 1086 der Beilagen (Ausschußbericht 1216 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen, dessen Artikel 11 verfassungsändernd ist, samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich (1086 der Beilagen), wird genehmigt.

2. Dieser Staatsvertrag ist gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

3. Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung der Fassungen des Protokolls in französischer und russischer Sprache durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen.

*****

Wenn man die Entwicklung Österreichs in den letzten Jahren im Bereich der Eindämmung von Luftschadstoffen betrachtet, so kann man guten Gewissens sagen: Wir sind in der Europäischen Union Vorbild und Vorreiter in Umweltbelangen. So sind wir europaweit führend in der Verringerung von SO, also Schwefeloxid. Wir konnten diesbezüglich eine Verringerung von über 80 Prozent in den Jahren 1980 bis 1994 verzeichnen und sind somit OECD-Spitzenreiter.

Dem Umweltkontrollbericht zufolge hat sich der Ausstoß der meisten anderen Luftschadstoffe in Österreich ebenfalls stark verringert. Am höchsten ist der Rückgang bei den Stickoxiden, gefolgt von Kohlenmonoxid, flüchtigen organischen Verbindungen und Kohlendioxid. Österreich hat somit alle substantiellen Verpflichtungen aus dem vorliegenden Protokoll bereits jetzt erfüllt; insbesondere die Verringerung der Schwefelemissionen, aber auch die gesetzliche Festlegung der SO2-Grenzwertemission. Das Protokoll fordert die Absenkung des Schwefelgehaltes um 0,05 Prozent bei Diesel. Dies wurde in Österreich bereits im Oktober 1995 umgesetzt.

Durch die vielen emissionsreduzierenden Maßnahmen, die von uns innerstaatlich bereits getroffen wurden, haben wir das im Protokoll geforderte Reduktionsziel für Österreich von 78 000 Tonnen SO2 für das Jahr 2000 bereits im Jahr 1992 unterschritten. Daher müssen wir zur innerstaatlichen Erfüllung dieses Zieles keine zusätzlichen Maßnahmen mehr durchführen. Ich finde, meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf können wir mit Recht stolz sein.

Das eigentliche Problem, unter dem wir zu leiden haben, ist die tatsächlich sehr hohe Schadstoffverfrachtung aus dem Ausland. Das Umweltbundesamt weist nach, daß gerade Schwefeldioxid zu 95 Prozent nach Österreich importiert wird. Nur mehr 5 Prozent der gesamten Schwefeldioxid- und Schwefelmonoxidbelastung in Österreich sind auf Emissionen innerhalb unseres Bundesgebietes zurückzuführen.

Darin zeigt sich auch die große umweltpolitische Bedeutung des vorliegenden Protokolls für Österreich. Es ist gerade für uns besonders wichtig, daß sich damit auch unsere Nachbar


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 153

staaten – vor allem unsere nördlichen, südlichen und östlichen Nachbarstaaten – bis zum Jahr 2010 zu weiteren SO2-Emissionsreduktionen verpflichtet haben. Es wäre daher unbedingt notwendig, daß wir auch weiterhin, und zwar verstärkt, unseren Nachbarländern helfen.

Investitionen zur Verminderung von Luftschadstoffen in solchen Ländern bringen auch uns gewaltige Vorteile, denn dort werden die Emissionen zum Teil noch immer völlig ungefiltert und unvermindert ausgestoßen. Durch Investitionen in diesen Ländern könnten sich aber auch neue Betätigungsfelder für die österreichische Umweltindustrie ergeben. Diese könnte verstärkt gefördert werden, indem zum Beispiel in Ländern wie Tschechien, Slowenien und der Slowakei österreichische Filteranlagen eingebaut werden.

Die heimischen Umweltförderungen im Ausland konzentrierten sich in den letzten Jahren vor allem auf Umweltprojekte in Tschechien. Ungefähr die Hälfte der insgesamt gewährten Fördersumme ging in den tschechischen Energiebereich für die Planung und Konzeption von Investitionen zur Reduzierung von Luftschadstoffen beziehungsweise zur Optimierung der Energieerzeugung. Es wurden für die geförderten Projekte fast ausschließlich österreichische Umweltberatungs- und Umwelttechnikunternehmen herangezogen.

Tatsache ist: Wenn die vorgegebenen Schadstoffwerte von unseren Nachbarländern eingehalten werden, können wir erwarten, daß der Anteil der sauren Ablagerungen auf unsere Böden und Gewässer in Zukunft weiter absinken wird. Österreich ist eines jener europäischen Länder, die aufgrund der geographischen Lage und der meteorologischen Bedingungen am stärksten unter diesem Problem zu leiden haben. Daher ist dieses Übereinkommen ein wichtiger Schritt auf internationaler Ebene zur Verbesserung der Luftsituation in Österreich in bezug auf die Schwefelbelastung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Antrag, den Herr Abgeordneter Ellmauer vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.51

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Nach der umfassenden Darstellung meines Vorredners kann ich meine vorbereitete Rede wesentlich kürzen. Ich möchte mich nur auf einige Beispiele konzentrieren.

Wie ist es dazu gekommen, daß dieser zweifellos schöne Erfolg für Österreich erreicht werden konnte? – Man sollte das schon immer wieder sagen: Es war kein Geschenk des Himmels, sondern es ist das ein Verdienst der österreichischen Politik der siebziger und der frühen achtziger Jahre. (Beifall bei der SPÖ.) Es war die Politik der Sozialdemokraten, die maßgeblich dafür verantwortlich war, daß die Schwefeldioxidemissionen reduziert werden konnten. Es war aber natürlich nicht nur die Politik allein: Es waren auch Initiativen der Wirtschaft und der Industrie notwendig.

Es waren meiner Ansicht nach drei Wege, die gegangen wurden und die zum Ziel geführt haben:

Ein Weg war die jetzt oft geschmähte "End-of-pipe"-Technologie der Rauchgasentschwefelung.

Ein zweiter Weg war die Entschwefelung der Rohölprodukte, des Diesels und der Heizöle. In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, sei einem Mann gedankt, der damals als Spitzenmanager einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat und heute auf der Regierungsbank sitzt: Ich danke Herrn Staatssekretär Wolfgang Ruttenstorfer herzlichst für seine Bemühungen im Zusammenhang mit der Schwefeldioxidreduktion. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 154

Der dritte Weg, den wir auch heute noch weitergehen, war die Substitution von schwefelreichen Brennstoffen durch schwefelarme. Wir sind auf Erdgas umgestiegen, wodurch natürlich die Probleme unsere heimische Kohle betreffend eine nicht unwesentliche Ausweitung erfahren haben.

Man könnte glauben: Das Protokoll ist erfüllt, es ist eigentlich alles erledigt, wir verlängern es – viel mehr gibt dieser Tagesordnungspunkt nicht her. Es hat aber bereits mein Vorredner kurz angeschnitten, daß es wichtig ist, dieses Protokoll wiederum zu unterzeichnen, damit es auch in Zukunft völkerrechtlich verbindlich ist, denn bei unseren Nachbarn sieht die Situation noch nicht so gut aus, und zwar nicht nur bei den oft zitierten Ländern des ehemaligen Ostblocks. Auch in Deutschland gab es 1990 noch 5,8 Millionen Tonnen Schwefeldioxidemissionen. Im Jahre 2000 soll eine Reduktion auf 1,3 Millionen Tonnen erfolgen und erst im Jahre 2005 eine auf 990 000 Tonnen. Eine nicht unbeträchtliche Menge unserer Schwefeldepositionen stammt aus dem Hochtechnologiestandort Deutschland.

Meine Damen und Herren! Diese völkerrechtlich verbindlichen Ziele haben am Beispiel Schwefeldioxid gezeigt, daß solche Verträge Sinn machen. Wir werden solche Verträge weiterhin abschließen, und gerade am heutigen Tag sind die Verhandlungen über die Aufteilung der Emissionen gemäß Kyoto, über die Neuaufteilung der Emissionen innerhalb der "EU-Glocke" zu erwähnen. Minister Bartenstein ist mit einem Verhandlungsergebnis von 13 Prozent nach Hause gekommen – einem Verhandlungsergebnis, das für Österreich ein gutes Ergebnis ist. Ich danke ihm dafür, denn der "Rucksack", den er mithatte, war nicht so leicht.

Die Wirtschaft hat ihm gegenüber erklärt: 8 Prozent und keinen Schritt weiter, mehr tragen wir nicht. Die Grünen haben ihm vorgeworfen, daß er, wenn er nicht mit einem Ergebnis von 20 bis 25 Prozent nach Hause kommt, zu den Umfallern gehört – dieselben Grünen, die in Kyoto bei einer Reduktion von 15 Prozent auf 8 Prozent von einem "epochalen Erfolg" gesprochen haben. Wie sehr das Thema Luftschadstoffemissionen, Luftverschmutzung unsere Kollegen von den Grünen heute interessiert, sieht man an ihrer "Anwesenheit", aber wir werden so wie bisher unseren Weg auch ohne grüne Wortspenden weitergehen.

Meine Damen und Herren! Das zur Diskussion stehende Protokoll stärkt uns den Rücken, um mit internationalen Vereinbarungen die Auflagen von Kyoto in Österreich erreichen zu können. Gemeinsam werden wir bei einer Verlängerung des Protokolls von Kyoto feststellen können: Österreich hat seinen Beitrag geleistet. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Um gleich auf die Worte meines Vorredners einzugehen: Ich hätte angesichts des "Rucksackes", den der Herr Umweltminister mithatte, auch damit leben können, wenn er nur mit 8 Prozent nach Hause gekommen wäre, und ich will Ihnen auch sagen, warum. Nicht, weil ich der Meinung bin, man soll nicht in größtmöglichem Ausmaß reduzieren, sondern das Kyoto-Ziel war: 8 Prozent für die Europäische Union. Dann ging es um die Aufteilung: Je höher der Anteil an der Reduktion ist, den Österreich offiziell übernimmt, desto geringer wird der Anteil jener, die tatsächlich CO2 -Emissionen verursachen. Ein geringerer Anteil hätte uns nicht daran gehindert, in Österreich ein höheres CO2 -Reduktionsziel anzustreben. (Abg. Dr. Keppelmüller: Das tun wir ja! Das ist ja nicht ausgeschlossen!) Selbstverständlich! Aber dadurch wird der Anteil der Nachbarländer – und wir wissen, daß Deutschland beispielsweise nahezu das Doppelte an CO2-Emissionen hat – zwangsläufig verringert, was nicht wirklich sinnvoll erscheint. Aber das kommt wahrscheinlich auf den Blickwinkel des Beobachters an.

Nun zum vorliegenden Abkommen. Es ist durchaus sinnvoll, dieses Abkommen zu unterzeichnen. Die wesentlichen Punkte wurden bereits genannt, und wir sind uns diesbezüglich einig. Allerdings führte mein Vorredner aus, daß 95 Prozent der in Österreich wirksam werdenden Emissionen von Schwefel in oxidierter Form letztlich aus den Nachbarstaaten kommen. Wir dürfen aber nicht verschweigen, daß trotz der Reduktion, die ja seit Ende der siebziger Jahre


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 155

entscheidend vorangeschritten ist, auch in Österreich emittiert wird. Das heißt also: Nicht alles, was in Österreich emittiert wird, fällt auf Österreich als Immission wieder zurück. Das müssen wir auch sehen.

Wir werden jedenfalls der Unterzeichnung dieses Protokolls zustimmen. Wir halten es für zweckmäßig, die Möglichkeit der Überprüfung des diesbezüglichen Fortschrittes der anderen mitunterzeichnenden Staaten zu haben, obwohl letztlich im Falle von Streitigkeiten – wenn die Ziele auf diese Weise nicht erreicht werden – der Spruch Empfehlungscharakter haben wird. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, auf internationaler Ebene ein koordiniertes Vorgehen zu entwickeln.

Es wurde bereits die Exportchance angesprochen, die Österreich beim Export von Umweltanlagen hat. Österreich hat da eine Technologie, auf die wir zurückgreifen können und die auch eine Exportchance eröffnet. Auch das halte ich für positiv. Wir werden dem Beitritt zu diesem Protokoll zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (den Vorsitz übernehmend): Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Keppelmüller  – das Rednerpult auf eine geringere Höhe einstellend: Der Hofmann ist so groß, furchtbar! – Abg. Mag. Stadler: In jeder Hinsicht!)

19.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Ich möchte auf diesen Zwischenruf nicht eingehen, denn dazu könnte man einiges sagen.

Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der Beschluß über das zur Debatte stehende Protokoll ist an sich eine Formalität, aber ich bin schon ein bißchen traurig, denn die Umweltdiskussionen in diesem Hohen Haus haben vor einiger Zeit schon mehr "Pfeffer" gehabt. Wenn ich mir vorstelle, daß ... (Abg. Dr. Fekter: Weil die Langthaler fehlt!) Nicht, weil die Frau Kollegin Langthaler weg ist, das ist es möglicherweise auch, aber es gibt ja auch noch andere Umweltsprecher.

Es ist weder ein Sprecher der Grünen da, noch ist der Spitzensprecher der Freiheitlichen im Umweltbereich, der Karli Schweitzer, nicht im Einsatz. Man nützt also die Möglichkeit nicht, den Minister heute hier – Minister Bartenstein, nicht nur den Staatssekretär – verbal zu prügeln, wie man das in den Zeitungen getan hat. Da heißt es: Heftige Kritik kommt von den Grünen – und, sage ich in Klammern dazu, ihrer Vorfeldorganisation Greenpeace, die natürlich den Minister prügeln. Ich habe mir erwartet, daß das heute eine ordentliche "Schlacht" wird. Dazu ist es aber nicht gekommen. Ich bin ein bißchen traurig darüber, weil es den Stellenwert zeigt, den die Umweltpolitik in Österreich zum Teil hat. (Abg. Dr. Lukesch: Bei den Grünen!)

Herr Kollege Lukesch, bei den Grünen, ja, aber auch in der Bevölkerung. Machen wir uns nichts vor! Die Umwelt ist nicht das Thema. Da gibt es, Kollegin Fekter, das Berggesetz und ähnliche Themen, die den Leuten vor Ort unter die Haut gehen. Das ist viel wichtiger. (Abg. Dr. Fekter: Das ist auch ein Umweltthema! – Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. ) Wirklich wahr? Das freut mich, wenn die Wirtschaftskammer so viel mit umweltbewegten Intervenienten zu tun hat. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zurück zur eigentlichen Diskussion. – Wir sind sehr stolz darauf, daß wir hinsichtlich der SO2-Emissionen wirklich viel erreicht haben. Wenn man sich die Werte anschaut, dann stellt man fest, daß wir, glaube ich, fast Weltmeister sind. Ich möchte aber doch daran erinnern, daß wir auch im Luftbereich noch Hausaufgaben zu machen haben. Wir haben große Probleme in anderen Bereichen: im Abfallbereich, beim Grundwasser, bei den Altlasten; wir wissen das. Aber auch in bezug auf den Luftbereich – und deshalb sollten wir nicht zuviel jubeln – besteht Grund zur Sorge: Ich meine damit vor allem auch den zunehmenden Verkehr und damit verbunden die Steigerung bei Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen – Benzol; Sie wissen, das stammt von den Autos; wir haben einige große österreichische Erzeuger, aber ich habe leider niemanden von


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 156

meiner Firma auf der Regierungsbank, den ich loben kann. Wir haben aber auch in der Landwirtschaft – Herr Kollege Schwarzenberger weiß das – Probleme.

Wir kämpfen mit den Emissionen der Landwirtschaft: Methan, treibhauswirksame Gase, und bezüglich CO2-Werte sind wir auch nicht gerade Weltmeister. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Ich weiß schon, bei den Kühen schlagen Sie einen Stöpsel vor, nicht? (Abg. Mag.  Stadler: Nein!) Das wäre ein typischer Vorschlag der Freiheitlichen. Vielleicht kommt er noch, er würde sich ganz gut einreihen. (Beifall bei der SPÖ.) Ein Stoppel, Herr Kollege Stadler, wäre schlecht.

Aber gestatten Sie mir noch einen Hinweis, damit man die Problematik erkennt. Kollegen Hofmann ist nämlich ein Irrtum unterlaufen. Er hat schon recht, wenn er sagt, er ist eigentlich froh, daß das Reduktionsziel nur 8 Prozent beträgt, weil sonst hätten wir nicht nur wir mehr, sondern die "Schweindln" eigentlich weniger gehabt. Er übersieht aber, daß da nur die EU-Staaten gemeint sind. Er hat richtigerweise Deutschland angezogen, aber die wahren Emittenten, die uns in Österreich tangieren, sind die Ostländer an unseren Grenzen.

Ein Vergleich in diesem Zusammenhang: Österreich: 8 Kilogramm SO2 -Emission pro Kopf, Tschechien: 106 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Man muß aber fairerweise auch sagen, daß sich seit etwa 1989 all diese Ostländer sehr anstrengen – nur sind sie vorher eben auf einem enorm hohen Level gewesen. Die Ausgaben, die sie tätigen müssen, um ihre Umweltprobleme zu bereinigen, betragen, glaube ich, etwa 1 700 Milliarden Schilling. Das müssen sie aufbringen. Wenn wir wollen, daß dort früher etwas geschieht, werden wir über unseren derzeitigen Umwelt-Ostfonds hinaus nachdenken müssen, wie wir diesen Ländern verstärkt helfen.

Das wird ganz wichtig sein, wenn wir auch für unsere Bevölkerung noch bessere Verhältnisse schaffen wollen, wenn es uns gelingen soll, daß nicht nur die Emissionen bei uns gering sind, sondern daß auch die Immissionen, die wir abbekommen, entsprechend verringert werden. Dazu – das möchte ich abschließend sagen – brauchen wir sicherlich auch gute Ideen, vielleicht auch die vom Stöpsel. Wir brauchen aber auch ein starkes, bezüglich seiner Aufgabe voll erhaltenes Umweltbundesamt. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. (Beifall bei der SPÖ.)

19.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.05

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Da ich sozusagen das jüngstgediente Mitglied im Klub der Grünen bin, habe ich noch die meiste Ausdauer beziehungsweise noch nicht so viele Frustrationserlebnisse in umweltpolitischen Belangen wie meine Kolleginnen und Kollegen. (Abg. Tichy-Schreder: Also bitte!)

Kollegin Langthaler trägt schon acht Jahre lang mehr oder minder die Bürde dieses Amtes (Abg. Mag. Kukacka  – auf die Bankreihen der Grünen weisend  –: Warum sind die alle heimgegangen?), die darin liegt, daß ihre Forderungen, Vorschläge und Initiativen nicht mehr als sozusagen Rufe eines Menschen in der Wüste sind. (Abg. Mag. Kukacka: Warum sind die alle heimgegangen?) Sie haben viel zuwenig von dem berücksichtigt, was berechtigterweise immer wieder gefordert ist. (Abg. Dr. Keppelmüller: Wieso schreiben dann die Zeitungen, daß die Langthaler so erfolgreich war?)

Das Defizit, das wir angesammelt haben bei umweltpolitischen Maßnahmen, zum Beispiel im Bereich der Luftreinhaltung, wird sich jetzt rächen. Wir haben jetzt die Diskussion über dieses internationale Übereinkommen, und im Hintergrund steht auch das internationale Übereinkommen, das in Kyoto getroffen worden ist.

Meine Vorredner, vor allem Herr Kollege Ellmauer, haben dankenswerterweise geradezu in epischer Breite und detailreich präsentiert, was alles getan werden muß aufgrund des Klimaschutzes, was verpflichtend zu unternehmen ist aufgrund der Kyoto-Beschlüsse. Was aber geschieht tatsächlich, und was führt zu dem Frust, der mehr oder weniger in einen "Streik" der Grünen hier ausartet?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 157

In Kyoto hat der Herr Umweltminister, der jetzt nicht hier ist – bezeichnenderweise, klarerweise, verständlicherweise –, versprochen, daß Österreich, das immer wieder sagt, es sei der Vorreiter, es sei der Schrittmacher, es sei das Paradebeispiel einer umweltschutzorientierten Politik, 25 Prozent seines CO2-Ausstoßes reduzieren will. Das hat er in Kyoto versprochen: großherzig, großmäulig – entschuldigen Sie diesen Ausdruck. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Das stimmt nicht! Er hat in Kyoto gesagt, das muß neu verhandelt werden!) Er hat das nicht akkordiert zu Hause, er hat sich nicht abgesprochen. Daher kann er dort großartig sagen, Österreich ist so nett und wird das Ziel erreichen, das international angepeilt wird, nämlich eine Reduktion auf ein Viertel, Ausgangsbasis 1988. Das hat er dort versprochen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ein Meilenstein war Kyoto! – Abg. Dr. Keppelmüller: Kollegin Langthaler hat Kyoto als "Meilenstein" bezeichnet!)

Minister Bartenstein ist wieder nach Hause gekommen, das Versprechen gilt, denn Kyoto hat ja Rechtscharakter, und was hat er wieder vermieden? Was hat er wieder verabsäumt? (Abg. Tichy-Schreder: Die Frau Kollegin Langthaler hat die Frau Kollegin Moser nicht informiert!) Wovor hat er sich wieder gedrückt? – Davor, das, was er in Kyoto versprochen hat, jetzt in Einzelgesprächen, in Einzelverhandlungen mit seinen Kolleginnen und Kollegen – sei es auf Ministerebene, sei es auf der Ebene der Sozialpartner, sei es auf der Ebene der Wirtschaftstreibenden – konkret durchzurechnen, konkret zu verhandeln, konkret und modellhaft bereits in Realisationsnähe zu bringen. Das hat er aber verabsäumt!

Und jetzt kommt das dicke Ende des ganzen Prozesses. Es gilt also sozusagen – wie soll man sagen? –, die Vorschrift der EU, die verbindliche Maßnahme der EU, zu reduzieren. Und jetzt kommt er in die Klemme: In Kyoto groß etwas versprechen, zu Hause nichts ausverhandeln. Da muß er jetzt Nägel mit Köpfen machen.

Der Herr Minister hat gesagt: 20 Prozent – das ist der österreichische Beitrag. – Na gut. Bei der Budgetdebatte ist er, glaube ich, auf 19 Prozent heruntergegangen. Das haben wir schon beklagt. Kollegin Langthaler hat gemeint, das ist schon das erste Rückzugsgefecht. Und dann liest man in der Zeitung: Der Finanzminister boykottiert Bartenstein. Auch der Wirtschaftsminister sieht das als unrealistisch an. Die Wirtschaftskammer ist dagegen. Die Industriellenvereinigung sieht keine Möglichkeit, dieses Kyoto-Ziel jemals zu erreichen. Und was geschieht dann bei den EU-Verhandlungen? – Weil Österreich aufgrund mangelhafter interner Koordination sein Versprechen nicht einhalten kann, drohen sogar die EU-Vereinbarungen zu wanken. Und was kommt unterm Strich heraus? – Mickrige 13 Prozent! Dann liest man großartig in der Zeitung: Wenn wir mehr Reduktion leisten würden, dann könnten es sich ja andere erlauben, weniger zu reduzieren. Deshalb wollen wir nicht 25 Prozent und auch nicht 20 oder 19 Prozent, sondern begnügen uns mit bescheidenen 13 Prozent. Denn das ist ja durchaus mit anderen EU-Ländern zu akkordieren, und das ergibt dann den "wunderbaren" EU-Durchschnitt von 8 Prozent. (Abg. Dr. Keppelmüller: Es haben die Engländer etwas erhöht!)

Bitte, das ist schlechte Umweltpolitik! Damit haben wir praktisch unsere Rolle, die wir uns immer wieder auf die Fahnen heften, nämlich Vorreiter zu sein, Schrittmacher zu spielen, als Musterland zu gelten, endgültig verspielt. (Widerspruch bei der SPÖ.) Wir sind blamiert! Bartenstein hat sich selbst blamiert – und er wird das hier noch mehrmals zu hören bekommen – mit dieser großartigen Ansage und diesen mickrigen 13 Prozent unterm Strich.

Ich möchte zum Schluß noch auf die wahre CO2-Gefährdung und -Quelle hinweisen. (Abg. Dr. Keppelmüller: Der Verkehr!) Meine Vorredner haben es zum Teil schon erwähnt: Es ist der Verkehr. 33 Prozent des CO2-Ausstoßes stammen aus dem Verkehr. Der Verkehr ist im Prinzip das Umweltproblem Nummer eins (Abg. Marizzi: Haben Sie ein Auto?) , und die Entwicklung sehen Sie hier sehr deutlich (die Rednerin hält ein Schriftstück mit einer Graphik in die Höhe): Das ist das Jahr 1980, und da haben wir 1997, und innerhalb dieser 17 Jahre sind die CO2-Emissionen von 100 Prozent auf 190 Prozent gestiegen. Das bedeutet, innerhalb von 17 Jahren gab es fast eine Verdoppelung. (Abg. Marizzi: Haben Sie ein Auto?)

Sie wissen ja, die Entwicklung schreitet fort, und zwar weiter in diese bedrohliche Richtung. Es wird weitere Steigerungen der CO2-Emissionen im Verkehrsbereich geben, wenn nicht massiv


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 158

gegengesteuert wird, sozusagen das Volant herumgerissen wird im Verkehrsbereich. Dazu ist endlich Kostenwahrheit im Verkehrsbereich notwendig. Dazu ist es notwendig, auch die fahrleistungsabhängige Kilometerabgabe einzuführen. Wir müssen, um die lächerlichen 13 Prozent zu erreichen, endlich Konsequenzen im Verkehrsbereich ziehen.

Ich habe vorhin kurz mit dem Herrn Staatssekretär gesprochen. Wir könnten einmal die Braunkohlekraftwerke zusperren, die ohnehin fast nicht mehr in Betrieb sind. Das wird kaum etwas bringen. Wir könnten vielleicht noch Wärmedämmungsmaßnahmen umsetzen. Das wird erst in etwa zehn Jahren einen Effekt haben. Was sofort notwendig ist, ist eine massive Reduktion des CO2-Ausstoßes hinsichtlich des Verkehrs. Und da muß öffentlich initiativ agiert werden, beispielsweise in Form eines Ausbaus des öffentlichen Verkehrs, zum Beispiel in Form von Kostenwahrheit im Verkehr. Deshalb werde ich dafür plädieren und demnächst einen Antrag einbringen, daß wir endlich auch im Verkehrsbereich zur Kostenwahrheit kommen, im Sinne der EU, ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete, bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): ... damit diese Kurve nicht bedrohlich nach oben geht, sondern sich zumindest abflacht und die 13 Prozent eventuell Realität werden. (Beifall bei den Grünen.)

19.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Da kein Schlußwort des Herrn Berichterstatters stattfindet, treten wir in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, zu diesem Zweck jeweils den Platz einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, unter Berücksichtigung des Antrages der Abgeordneten Ellmauer und Dr. Keppelmüller, dem Abschluß des vorliegenden Staatsvertrages samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich, dessen Artikel 11 verfassungsändernd ist, in 1086 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Mit Rücksicht auf die eben erwähnte verfassungsändernde Bestimmung stelle ich zunächst gemäß § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung das erforderliche verfassungsmäßige Präsenzquorum fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für die Genehmigung aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Diese Genehmigung erfolgt einhellig; sie ist erteilt.

Ich lasse jetzt sogleich über den Antrag der Abgeordneten Ellmauer und Dr. Keppelmüller abstimmen, wonach der vorliegende Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

So Sie diesem Antrag zustimmen wollen, bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht mit Stimmeneinhelligkeit.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Ellmauer und Dr. Keppelmüller im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß die Kundmachung der Fassungen des Protokolls in französischer und russischer Sprache durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies erfolgt mit Stimmeneinhelligkeit. Dieser Antrag ist damit angenommen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
130. Sitzung / Seite 159

14. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 476/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätsabgabegesetz, Art. 60 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, das Erdgasabgabegesetz, Art. 61 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 und das Energieabgabenvergütungsgesetz, Art. 62 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 geändert werden (1215  der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine Berichterstattung wurde verzichtet.

Es liegen keine Wortmeldungen vor, und es wird vom Berichterstatter auch kein Schlußwort verlangt.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1215 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht einhellig. Der Antrag ist damit angenommen.

Ich weise den Antrag 476/A dem Finanzausschuß zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Feststellung betreffend Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich stelle fest, daß Herr Abgeordneter Rosenstingl auch zu dieser Sitzung nicht erschienen ist.

*****

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters gebe ich noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 813/A bis 823/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4556/J bis 4585/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 19.17 Uhr, das ist sogleich im Anschluß an diese Sitzung, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 19.17 Uhr