Stenographisches Protokoll

135. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 9. Juli 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

135. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 9. Juli 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 9. Juli 1998: 9.02 – 23.57 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen der Bundesminister für Finanzen und für wirtschaftliche Angelegenheiten zur wirtschaftlichen Lage

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (BFG-Novelle 1999)

3. Punkt: 1. Dienstrechts-Novelle 1998

4. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

5. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

6. Punkt: Bericht über den Antrag 711/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend die Privatisierung von in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen

7. Punkt: Bericht über den Antrag 683/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend die dienstrechtliche Einstufung der Fachhochschulabsolventen

8. Punkt: Bericht über den Antrag 375/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird


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13. Punkt: Bericht über den Antrag 592/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird

16. Punkt: Bundesmuseen-Gesetz

17. Punkt: Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika

18. Punkt: 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBe


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G

19. Punkt: Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz –ÜbG) sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991

20. Punkt: Bericht über den Antrag 134/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Bundesgesetz über Aktiengesellschaften sowie das Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften geändert werden

21. Punkt: Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof und Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden

22. Punkt: Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, des Übereinkommens über den Beitritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik samt Erklärung der Republik Österreich zu Artikel IV Absatz 2 des Protokolls zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 13

Ordnungsruf 137

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend das Fernbleiben des Abgeordneten Peter Rosenstingl von dieser Sitzung 228

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 767/A (E) betreffend die Untätigkeit der österreichischen


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Bundesregierung in Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 16. Juli 1998 zu setzen 14

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 14

Redner:

Reinhart Gaugg 135

Anton Leikam 137

Georg Wurmitzer 139

Mag. Herbert Haupt 140

Mag. Helmut Peter 141

Dr. Alexander Van der Bellen 142

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über den Antrag, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 767/A (E) eine Frist zu setzen, die Zahl der "für" und "gegen" Stimmenden bekanntzugeben 143

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 143

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 15

Ersuchen des Abgeordneten Dr. Jörg Haider, die Sitzung zu unterbrechen 84

Wortmeldung des Abgeordneten Arnold Grabner betreffend die von Abgeordnetem Dr. Jörg Haider gewünschte Sitzungsunterbrechung 84

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 92

Unterbrechungen der Sitzung 92, 97

Antrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der politischen und rechtlichen Verantwortung im "BBU-Skandal" gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 227

Bekanntgabe 97

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG – Zurückziehung 97, 213

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der politischen und rechtlichen Verantwortung im "BBU-Skandal" die Zahl der "für" und "gegen" Stimmenden bekanntzugeben 228

Ablehnung des Antrages 228

Hinweis des Präsidenten Dr. Heinz Fischer auf die Bestimmung der Geschäftsordnung betreffend die Dauer der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage 110

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend Erteilung eines Ordnungsrufes 137

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 13

Ausschüsse

Zuweisungen 13

Auslieferungsbegehren

gegen den Abgeordneten Dr. Jörg Haider /I> 13

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebung von Kosovo-Albanern (4676/J) 98

Begründung: Mag. Terezija Stoisits 102

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 106

Debatte:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 113

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 115

Dr. Elisabeth Hlavac 116

Dkfm. DDr. Friedrich König 118

Dr. Helene Partik-Pablé 120

Dr. Volker Kier 123

Dr. Gabriela Moser 125

Herbert Scheibner 127

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 129

Andreas Wabl 129

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 131

Wolfgang Jung 132

Dr. Andreas Khol 133

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend humanitäres Aufenthaltsrecht für Kosovo-Flüchtlinge – Ablehnung 127, 134

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Unterstützung Ungarns zur Sanierung des Auffanglagers in Györ – Ablehnung 131, 134

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärungen der Bundesminister für Finanzen und für wirtschaftliche Angelegenheiten zur wirtschaftlichen Lage 15

Bundesminister Rudolf Edlinger 15

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 22

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 15

Redner:

Dr. Jörg Haider 29

Friedrich Verzetnitsch 33

Mag. Helmut Peter 35

Ing. Leopold Maderthaner 39

Dr. Alexander Van der Bellen 42

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 45, 63


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Dr. Ewald Nowotny 47

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 48

Bundesminister Rudolf Edlinger 50

Dr. Gottfried Feurstein 52

Dr. Volker Kier 53

Kurt Eder 58

Helmut Haigermoser 59

Georg Schwarzenberger 62

Reinhart Gaugg 64

Dr. Kurt Heindl 66

Ing. Wolfgang Nußbaumer 67

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 69

Mag. Karl Schweitzer 70

Peter Marizzi 72

Anna Elisabeth Aumayr 74

Ingrid Tichy-Schreder 74

Karl Öllinger 75

Hermann Böhacker 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen betreffend EU-Beitragssenkungen – Ablehnung 66, 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen betreffend die Notwendigkeit von Marketingaktivitäten in Hinblick auf die Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 – Ablehnung 70, 80

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1284 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (BFG-Novelle 1999) (1329 d. B.) 80

Redner:

Dr. Jörg Haider 80, 86

Ing. Kurt Gartlehner 81

Mag. Helmut Peter 82

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 83

Dr. Alexander Van der Bellen 84

Marianne Hagenhofer 85

Bundesminister Rudolf Edlinger 85

Anton Leikam 87

Mag. Dr. Udo Grollitsch (tatsächliche Berichtigung) 88

Karl Smolle 89

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigung) 90

Reinhart Gaugg 90

Anton Leikam (tatsächliche Berichtigung) 91

Annahme des Gesetzentwurfes in 1329 d. B. (namentliche Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen) 92

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1258 d. B.): 1. Dienstrechts-Novelle 1998 (1321 d. B.) 95

Berichterstatter: Mag. Dr. Josef Höchtl 95

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1081 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und


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zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1322 d. B.) 95

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (942 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (1323 d. B.) 95

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 711/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend die Privatisierung von in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen (1324 d. B.) 95

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 683/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend die dienstrechtliche Einstufung der Fachhochschulabsolventen (1325 d. B.) 95

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 375/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989 geändert wird (1326 d. B.) 95

Redner:

Hermann Böhacker 96

Marianne Hagenhofer 143

Hans Helmut Moser 144

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 146

Dr. Alexander Van der Bellen 148

Anna Huber 149

Mag. Reinhard Firlinger 150

Mag. Dr. Josef Höchtl 15


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1

Karl Smolle 152

Karl Gerfried Müller 154

Susanne Rieß 155

Jakob Auer 156

Herbert Scheibner 156

Ernst Fink 157

Mag. Cordula Frieser 158

Annahme des Gesetzentwurfes in 1321 d. B. 159

Genehmigung der Staatsverträge in 1322 und 1323 d. B. 160

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1324, 1325 und 1326 d. B. 160


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135. Sitzung / Seite 8

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Schaffung eines modernen leistungsorientierten Vertragsbedienstetenrechts – Ablehnung 96, 159

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1277 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1292 d. B.) 160

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1278 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1293 d. B.) 160

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1279 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (1294 d. B.) 160

12. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1280 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (1295 d. B.) 160

13. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 592/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1298 d. B.) 160

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 161

Mag. Dr. Josef Höchtl 162

Maria Schaffenrath 164

Dr. Dieter Antoni 168

Karl Öllinger 170

Dr. Gertrude Brinek 173

Elfriede Madl 175

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 176

Brunhilde Fuchs 178

Theresia Haidlmayr 178

Werner Amon 180

Mag. Dr. Udo Grollitsch 182

Dr. Robert Rada 183

Katharina Horngacher 184

Dr. Johann Stippel 185

MMag. Dr. Willi Brauneder 186

Johann Schuster 187

Emmerich Schwemlein 188

Franz Stampler 188

Franz Riepl 189

Annahme der Gesetzentwürfe in 1292, 1293, 1294 und 1295 d. B. 191, 192, 193

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1298 d. B. 193

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1292 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule (E 134) 191

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1281 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird (1296 d. B.) 194

15. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1282 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird (1297 d. B.) 194

Redner:

Dr. Christa Krammer 194

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 196

Karl Smolle 196

Mag. Terezija Stoisits 198, 201

Georg Wurmitzer (tatsächliche Berichtigung) 200

Mag. Dr. Josef Höchtl 201

Mag. Herbert Haupt 202

Annahme der Gesetzentwürfe in 1296 und 1297 d. B. 203, 204

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Smolle und Genossen betreffend Überführung von Schulversuchen im Bereich des Minderheitenschulwesens im Burgenland in das Regelschulwesen und Sicherung der Lernbetreuung für Schüler der Volksgruppe der Roma – Ablehnung 197, 203

16. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1202 d. B.): Bundesmuseen-Gesetz (1338 d. B.) 204

Redner:

Dr. Michael Krüger 204

Franz Morak 205

Dr. Gerhard Kurzmann 206

Inge Jäger 207

Dr. Gertrude Brinek 208

Dr. Günther Leiner 209

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 210

Annahme des Gesetzentwurfes in 1338 d. B. 211

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1338 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend "Museumskonzeption 2010" (E 135) 211

17. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1083 und Zu 1083 d. B.): Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (1343 d. B.) 211

Redner:

Dr. Harald Ofner 211, 215

Dr. Walter Schwimmer 213

Anton Heinzl 213

Mag. Terezija Stoisits 215

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 216

Genehmigung des Staatsvertrages in 1343 d. B. 217

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend Ergänzung des Auslieferungsabkommens – Ablehnung 212, 217

18. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1203 d. B.): 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG (1344 d. B.) 217

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 217

Mag. Dr. Josef Trinkl 218

Anna Huber 218

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 219

Annahme des Gesetzentwurfes in 1344 d. B. 220

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1276 d. B.): Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz – ÜbG) sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (1345 d. B.) 220

20. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 134/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das


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135. Sitzung / Seite 9

Bundesgesetz über Aktiengesellschaften sowie das Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften geändert werden (1346 d. B.) 220

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 220

Dr. Johannes Jarolim 222

Dr. Michael Krüger 222

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 223

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 223

Annahme des Gesetzentwurfes in 1345 d. B. 225

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1346 d. B. 225

21. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1232 d. B.): Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof und

über die Regierungsvorlage (1231 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (1347 d. B.) 225

Genehmigung des Staatsvertrages in 1347 d. B. 226

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 226

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 226

Annahme des Gesetzentwurfes in 1347 d. B. 226

22. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1285 d. B.): Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, des Übereinkommens über den Beitritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik samt Erklärung der Republik Österreich zu Artikel IV Absatz 2 des Protokolls zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (1348 d. B.) 226

Genehmigung des Staatsvertrages in 1348 d. B. 227

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 227

Eingebracht wurden

Bericht 14

III-142: Bericht betreffend Umweltförderungen des Bundes, 1997 sowie die Finanzvorschau über die dem Bund aus der Vollziehung des Umweltförderungsgesetzes erwachsenden Belastungen; BM f. Umwelt, Jugend und Familie


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135. Sitzung / Seite 10

Anträge der Abgeordneten

Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat über die Ergebnisse des Europäischen Rates (840/A) (E)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Verbesserung und Ausweitung der HIV-Meldepflicht (841/A) (E)

Anton Leikam, Paul Kiss und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG), BGBl. I Nr. 76, geändert wird (842/A)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz 1986 geändert wird (843/A)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend die Notwendigkeit von Marketingaktivitäten in Hinblick auf die Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 (844/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebung von Kosovo-Albanern (4676/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend ein Darlehensansuchen einer Großbäckerei (4677/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend durch den ORF zurückgewiesene, bezahlte Werbespots für das Bundesheer (4678/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den dringenden Verdacht, daß linksextreme Gewaltakte vom Bundesministerium für Inneres nicht ausreichend verfolgt werden (4679/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend illegale Beschäftigung von Ausländern (4680/J)

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verkehrsentlastung der Stadtgemeinde Hartberg (4681/J)

Mag. Walter Guggenberger, Dr. Günther Leiner, Dr. Alois Pumberger, Klara Motter, Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend den bundesweit uneinheitlichen Vollzug des Ausbildungsabschnittes des "Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz)" (4682/J)

Mag. Gisela Wurm und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Einhausung der Autobahnen A 12 und A 13 im Bereich Innsbruck (4683/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Wirksamkeit der bestehenden ARA-Verträge (4684/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Veränderung der Lehrverteilung an Universitäten und Hochschulen künstlerischer Richtung als Folge der Novellierungen des Hochschullehrer-Dienstrechts und -Besoldungsrechts (4685/J)


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135. Sitzung / Seite 11

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend künftige Ausgliederungen (4686/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ärztehonorare aufgrund der einschlägigen Berichte des Rechnungshofes (4687/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend dessen Mißverständnis bei der Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage 4046/AB der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Kollegen vom 24. April 1998 zu 4347/J (4688/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Hepatitis C (4689/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Stand der Verfahren im "BBU-Skandal" (4690/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend politische Intervention von Leitl bei Bundesminister Bartenstein und ihre Folgen im "BBU-Skandal" (4691/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kündigung des Vertrages, der zwischen der BBU und der ABRG abgeschlossen wurde (4692/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Technologieoffensive Österreich" (4693/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Tätigkeit des Veldener Bürgermeisters Mag. Werner Marinell an der Universität Klagenfurt (4694/J)

Karl Smolle und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Anbringung zweisprachiger topographischer Aufschriften im Burgenland in Durchführung des Artikels 7 Staatsvertrag von Wien 1955 (4695/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Dr. Heide Schmidt, Sonja Ablinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Benachteiligung von Frauen durch das Staatsopernorchester (4696/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Dr. Heide Schmidt, Sonja Ablinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Benachteiligung von Frauen durch das Staatsopernorchester (4697/J)

Ridi Steibl und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Ergebnisse des informellen EU-Arbeits-, Sozial- und Frauenministerrates in Innsbruck (4698/J)

Ridi Steibl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ergebnisse des informellen EU-Arbeits-, Sozial- und Frauenministerrates in Innsbruck (4699/J)

Mag. Gisela Wurm und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes gegen Gewalt in der Familie (4700/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend korrekte Preisauszeichnung in Kaufhäusern mit "Scanner-Kassen" (4701/J)


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Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Robert Wenitsch und Genossen (4083/AB zu 4424/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (4084/AB zu 4376/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (4085/AB zu 4358/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Matthias Ellmauer und Genossen (4086/AB zu 4405/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (4087/AB zu 4440/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (4088/AB zu 4418/J)


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Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 135. Sitzung des Nationalrates.

Ich stelle fest, daß das Amtliche Protokoll der 133. Sitzung vom 7. Juli in der Parlamentsdirektion aufgelegen und ohne Einspruch geblieben ist.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Kammerlander, Wenitsch, Haller, Großruck und Ing. Kaipel.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Tatsache, daß Herr Außenminister Dr. Wolfgang Schüssel von Herrn Bundesminister Dr. Fasslabend vertreten wird, berichtet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 4083/AB bis 4088/AB.

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuß:

Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen für Wien (9dE Vr 5025/98, Hv 3058/98) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 835/A (E) der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend gesetzliche Anerkennung des Blindenführhundes als Hilfsmittel und Diensthund,

Antrag 837/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Aufnahme von Erkrankungen des Stützapparates in die Berufskrankheitenliste,


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Antrag 839/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 836/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend unterstützende Maßnahmen für begabte SchülerInnen;

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 838/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Erstellung eines Konzeptes zur Flexibilisierung von Studienabschlüssen;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Umweltausschuß:

Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Umweltförderungen des Bundes, 1997 sowie die Finanzvorschau über die dem Bund aus der Vollziehung des Umweltförderungsgesetzes erwachsenden Belastungen (III-142 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 4676/J der Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen an den Herrn Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebung von Kosovo-Albanern dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung, die Ihnen bekannt sind, wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich vor Eingang in die Tagesordnung mitteilen, daß Herr Abgeordneter Mag. Haupt beantragt hat, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 767/A (E) betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 eine Frist bis zum 16. Juli 1998 zu setzen.

Da mir auch der Antrag vorliegt, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen, wird dementsprechend vorgegangen. Diese Kurzdebatte wird im Anschluß an die Verhandlung der Dringlichen Anfrage durchgeführt werden. Die Abstimmung erfolgt im unmittelbaren Anschluß an die Debatte.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 3 bis 8, 9 bis 13, 14 und 15 sowie 19 und 20 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Damit ist das so festgelegt.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.


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Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialsitzung wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten. Darüber hat das Hohe Haus zu entscheiden.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist beschlossen, daß wir in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Erklärungen der Bundesminister für Finanzen und für wirtschaftliche Angelegenheiten zur wirtschaftlichen Lage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Im Anschluß an die Erklärungen wird im Sinne des § 81 eine gemeinsame Debatte über diese Erklärungen stattfinden.

Ich darf nun dem Herrn Bundesminister für Finanzen das Wort erteilen.

9.06

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Traditionsgemäß berichten der Finanz- und der Wirtschaftsminister dem Hohen Haus einmal im Jahr über die wirtschaftliche Lage Österreichs und über wirtschaftliche Aspekte unseres Landes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr denn je muß dabei auch das internationale Umfeld betrachtet werden, in dem sich unser Land und unsere Wirtschaft zu bewegen haben. Wir waren und sind Zeitzeugen großer Veränderungen, die tiefgehende Einflüsse auf die Wirtschafts-, die Arbeits- und Lebensbedingungen in Österreich hatten, haben und auch in Zukunft haben werden.

Die Wandlung der osteuropäischen Staaten etwa zu Demokratien mit Marktwirtschaften hat viele neue Chancen und Perspektiven eröffnet. Sie hat ebenso historische Dimension wie die enormen Fortschritte bei der Europäischen Integration, insbesondere durch die Wirtschafts- und Währungsunion.

Nicht zuletzt beeinflußt auch die sogenannte Globalisierung der Wirtschaft die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns in Österreich.

Unsere Politik, die österreichische Politik, muß daher immer mehr auch auf die größtmögliche Mitgestaltung von internationalen Rahmenbedingungen für unser Land ausgerichtet sein. Die Integration Österreichs in der Europäischen Union und die Teilnahme an der WWU bedeuten für unser Land einerseits große Chancen, andererseits aber auch eine hohe Verantwortung bei der Mitgestaltung dieser Rahmenbedingungen.

Ich hatte zu Beginn dieser Woche als neuer Ratspräsident des ECOFIN in Brüssel die Gelegenheit, meinen Finanzministerkollegen aus den EU-Mitgliedstaaten und natürlich auch der Öffentlichkeit unser Programm für die österreichische Präsidentschaft vorzustellen. Ich möchte die heutige Gelegenheit auch dazu nützen, Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren des österreichischen Nationalrates, meine dort vertretenen Positionen zur Kenntnis zu bringen. Wirtschaftspolitische Fragen nehmen dabei einen wichtigen Stellenwert ein.

An der Spitze unserer Prioritäten muß und wird die Fortführung und Verstärkung der gemeinsamen Initiativen zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und zur Steigerung der Beschäftigung in der Union stehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Man könnte natürlich fragen, warum gerade Österreich diese Frage als vorrangig ansieht, hat doch unser Land die zweitniedrigste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union. Aber Arbeit ist eine entscheidende Existenzgrundlage für jeden einzelnen und das Fundament für wahren Fortschritt zu einem sozialen, zu einem gerechten und einem friedlichen Europa. Und das ist unser Ziel, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Nationale Aktionspläne für Beschäftigung wurden daher auf der Grundlage einer gemeinschaftlichen Strategie erarbeitet und sind in Umsetzung. Beim Europäischen Rat in Wien im Dezember dieses Jahres wird erstmals Zwischenbilanz über die Erfolge gezogen werden.

Eine weitere Aufgabe während der nächsten sechs Monate wird es sein, die Vorbereitung für die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung, den Euro, zum Abschluß zu bringen. Von großer Bedeutung wird dabei sein, daß wir parallel dazu die erforderliche Intensivierung der wirtschaftspolitischen Koordination in der Europäischen Union gut auf den Weg bringen. Mit der Euro-11-Gruppe haben wir ein Diskussionsforum geschaffen, das sich insbesondere dieser Frage widmet. Auch diese Gruppe, die sich bereits Anfang Juni unter meinem Vorsitz in Luxemburg konstituierte, tagte am Montag in Brüssel, und wir sind in dieser Frage einige Schritte weitergekommen.

Ein besonderes Anliegen muß es auch sein, bei der Harmonisierung der europäischen Steuerpolitik Fortschritte zu erzielen, obwohl mir bewußt ist, daß dies eine besonders schwierige Aufgabe ist. Aber: Steuerpolitik wird sehr stark als Instrument der Standortpolitik eingesetzt, und der Wettbewerb wird mitunter auch mit unfairen Mitteln geführt. Dabei geht es weder um Gleichschaltung noch um Anpassung. Es geht dabei in erster Linie um Koordination und – vor allem bei wichtigen wettbewerbsrelevanten Steuern – um Mindeststandards, um einen fairen Wettbewerb in der Europäischen Union zu gewährleisten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schließlich haben wir uns vorgenommen, in der Diskussion der Vorschläge der Europäischen Kommission zur Reform der EU-Politiken und zum neuen mittelfristigen Finanzrahmen, die in der "Agenda 2000" zusammengefaßt sind, möglichst viele Fragen zu klären, denn es soll in der ersten Hälfte des kommenden Jahres unter deutscher Präsidentschaft – noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament – in erster Linie eine abschließende politische Einigung über den weiteren Weg der Union im nächsten Jahrzehnt möglich werden. Daher haben wir die große Aufgabe, die sehr schwierigen Diskussionen im Bereich der mittelfristigen Finanzierung der Europäischen Union unter österreichischer Präsidentschaft strukturell entsprechend auf den Weg zu bringen.

Der Vorsitz in der Europäischen Union gibt uns also Gelegenheit, die gemeinsame Energie der Europäischen Union verstärkt auf jene Aufgaben zu lenken, die für eine gute Entwicklung Europas und damit auch für uns, unsere Wirtschaft und die darin arbeitenden Menschen besonders wichtig sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gestaltungsspielraum, der dem Vorsitzland der Europäischen Union traditionell zukommt, ist die besondere Chance, von der ich gesprochen habe, eine Chance, die wir gemeinsam nützen können und auch nützen werden. Dabei haben wir nach europäischen Lösungen zu suchen, die aber auch unseren österreichischen Anliegen gerecht werden. Aber uns muß klar sein, daß in einer Gemeinschaft nicht einer allein, sondern alle gemeinsam entscheiden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das zentrale Anliegen unserer Wirtschaftspolitik muß also der erfolgreiche Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sein. Denn Arbeitslosigkeit ist eine Verschwendung wertvoller menschlicher Talente und Fähigkeiten. Arbeitslosigkeit ist ein soziales Unrecht für die davon betroffenen Menschen. Arbeitslosigkeit und ihre Folgen belasten zudem die öffentlichen Haushalte. Und im Abbau der Arbeitslosigkeit liegt auch der Schlüssel für den nachhaltigen Erfolg der gemeinsamen europäischen Währung. (Weiterer Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich erinnere daran, daß beim Europäischen Rat von Amsterdam 1997 ein eigenes Kapitel betreffend die Beschäftigung in den Vertrag über die Europäische Union aufgenommen und eine Entschließung über Wachstum und Beschäftigung verabschiedet wurde. Österreichische Initiati


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ven – darauf können wir stolz sein – haben dazu maßgeblich beigetragen. Beim Beschäftigungsgipfel von Luxemburg wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung zu erstellen.

Für Österreich wurde der Nationale Aktionsplan für Beschäftigung von der Bundesregierung in intensiver Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern erarbeitet. Es ist ein gutes Programm, auch weil es von der gemeinsamen Überzeugung getragen ist, daß wirksame Beschäftigungspolitik den abgestimmten Einsatz vieler unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Instrumente erfordert, um den ebenfalls sehr vielfältigen und vielschichtigen Ursachen von Arbeitslosigkeit gerecht zu werden. Im einzelnen werden wir dabei folgende Schwerpunkte setzen:

Erstens: Der Nationale Aktionsplan zielt auf die weitere Verbesserung der Qualität der schulischen Ausbildung ab, die ein immer wichtigeres Fundament für gute Einkommens- und Beschäftigungschancen für alle Personen darstellt.

Zweitens: Weiterentwicklung des dualen Ausbildungssystems durch die Schaffung neuer Lehrberufe und flexiblerer Ausbildungsformen als Reaktion auf Veränderungen der Anforderungen an die Beschäftigten im Zuge des Strukturwandels.

Drittens: Ausbau der innovativen Arbeitsmarktpolitik des Arbeitsmarktservice durch zusätzliche Förderungsmaßnahmen für Ausbildung, neue Arbeitsplätze im Bereich sozialer Dienste, Arbeitsstiftungen und Wiedereinstiegsprogramme, die jeweils auf die Bedürfnisse einzelner von Arbeitslosigkeit besonders betroffener Gruppen zugeschnitten sind.

Viertens: Stärkung der Arbeitsnachfrage vor allem durch den Abbau von Barrieren, die den Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit behindern, und die Förderung des Entstehens neuer Arbeitsplätze insbesondere im Gesundheitsbereich. Diese Maßnahmen, sehr geehrte Damen und Herren, werden von den Sozialpartnern durch die Modernisierung des Arbeitsrechts ergänzt. Dieses soll es einerseits ermöglichen, den geänderten Wünschen der Arbeitnehmer auch besser Rechnung tragen zu können und gleichzeitig die erforderliche Anpassungsfähigkeit zu vergrößern.

Schließlich: Verbesserung der Chancengleichheit für Frauen, vor allem durch die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen und den Abbau von Barrieren für die Rückkehr ins Erwerbsleben.

Ein breites Programm, ein ambitioniertes Programm, ein Programm, das dazu beitragen wird, ein Mehr an Beschäftigung für die Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Ziel ist es – das ist ein ambitioniertes Ziel –, daß durch diese Maßnahmen die Grundlage für die Schaffung von etwa 100 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in den nächsten fünf Jahren entsteht und damit die Arbeitslosenquote auf einen Wert von nahezu 3,5 Prozent sinken kann. Das ist ein Ziel, dem wir uns mit all unseren Möglichkeiten verschrieben haben. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Insgesamt ist es durch den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung gelungen, das beschäftigungspolitische Instrumentarium weiterzuentwickeln. Gleichzeitig konnte die Basis für die Koordination zwischen jenen Institutionen verbessert werden, die die einzelnen Maßnahmen auch umzusetzen haben. Dies wird zu einer Steigerung der Effektivität der Beschäftigungspolitik insgesamt beitragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Nationale Aktionsplan ist das Ergebnis des Zusammenspiels von Initiativen auf europäischer und österreichischer Ebene. Er ist damit nicht zuletzt ein gelungenes Beispiel für die Nutzung der neuen wirtschaftspolitischen Möglichkeiten durch unseren Beitritt zur Europäischen Union.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung der Beschäftigung in Österreich zeigt tatsächlich ein teilweise sehr erfreuliches Bild, wenngleich ich nicht unerwähnt lasse, daß mir die


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Arbeitslosigkeit große Sorgen bereitet. Mit Ende Juni dieses Jahres waren in Österreich etwas mehr als 3,1 Millionen Menschen unselbständig erwerbstätig. Das ist die höchste Zahl unselbständig Beschäftigter, die wir jemals in Österreich in diesem Monat hatten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das ist vielen Menschen kaum bewußt und wird auch viel zuwenig gesagt. Wir haben in Österreich einen Beschäftigtenrekord. Die Zunahme der Zahl der Arbeitsplätze in Österreich betrug damit gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres zirka 26 000. Das bedeutet, daß in Österreich innerhalb eines Jahres Rahmenbedingungen geschaffen wurden, die es ermöglicht haben, 26 000 Menschen zusätzlich Arbeit zu geben. Erfreulich dabei ist, daß über zwei Drittel dieser neuen Arbeitsplätze mit Frauen besetzt sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Wirtschaftsforscher erwarten für heuer ein Beschäftigungswachstum von 32 000 neuen Arbeitsplätzen. Obwohl die Zahl der Arbeitsplätze in Österreich steigt, steigt – für viele Menschen, aber auch für manche Fachleute überraschend und unverständlich – auch die Zahl der Arbeitsuchenden. Denn noch stärker als die Zahl neuer Arbeitsplätze wächst das Arbeitskräfteangebot, also die Zahl jener, die auf den Arbeitsmarkt kommen und eine Beschäftigungsmöglichkeit finden wollen. Im Juni waren das etwas über 200 000 Personen; das waren um 8 000 mehr als im Juni des Vorjahres.

Meine Damen und Herren! Dies legitimiert unsere großen Anstrengungen, jene Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, die zu einem Mehr an Beschäftigung führen werden. Bei allen Problemen möchte ich insbesondere darauf hinweisen, daß die jugendpolitischen Maßnahmen des Vorjahres dazu führten, daß wir einen Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den Jungen registrieren konnten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Österreich hat die niedrigste Quote der Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Und das halte ich für ganz besonders bemerkenswert und wichtig, denn in der Startphase des Lebens ist es wichtig, durch eine Ausbildungsstelle oder Beschäftigungsmöglichkeit eine materielle, aber auch eine psychische Basis für den Aufbau des Lebens zu haben.

Besonders erfreulich ist schließlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Wirtschaftsforscher für 1999 erstmals seit 1994 wieder ein Sinken der Arbeitslosigkeit erwarten. Wir können also feststellen, daß sich die Anstrengungen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gelohnt haben! (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte hier aber keinesfalls nur die positiven Seiten darstellen. Selbstverständlich gibt es noch Aufgaben und Herausforderungen, die aufgenommen und gelöst werden müssen. Zum Erfolg werden uns vor allem, wie ich meine, zwei Wege führen: einerseits eine aktive Arbeitsmarktpolitik, durch die wir insbesondere die Qualifikation der Arbeitsuchenden entsprechend der Nachfrage der Wirtschaft fördern. Der Nationale Aktionsplan für Beschäftigung hat dafür eine Reihe von Initiativen vorgesehen, für die auch das nötige zusätzliche Geld bereitgestellt wird.

Der andere Weg ist eine weitere Belebung eines robusten Wachstums der Wirtschaft selbst. Beflügelt durch Exporte und eine sich belebende Inlandsnachfrage klettert bereits heuer die Konjunktur auf ein relativ hohes Niveau. Das Wachstum unserer Wirtschaft betrug im Vorjahr 2,5 Prozent. Es wird heuer voraussichtlich 3 Prozent betragen, und für das kommende Jahr ist ein weiteres Wachstum in der Höhe von 3,2 Prozent prognostiziert.

Das Exportwachstum wird heuer und im kommenden Jahr real etwa 10 Prozent betragen und höher ausfallen als das Importwachstum, wodurch auch die Handels- und die Leistungsbilanz Österreichs deutlich entlastet werden. Die Ausrüstungsinvestitionen wachsen deutlich, und auch im Reiseverkehr ist eine Trendwende feststellbar. Die Inflationsrate wird dank der Stabilitätspolitik weiterhin auf einem historisch niedrigen Niveau bleiben.

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind auch jene Rahmenbedingungen, die den exakten Vollzug des Budgets 1999, das Sie vor wenigen Wochen hier beschlossen haben, garantieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Der Abgang wird danach, wie Sie wissen, 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Die öffentliche Verschuldung wird im kommenden Jahr weiter auf unter 65 Prozent zurückgehen. Seit 1995, als das Defizit des Bundes bei 5,2 Prozent und die öffentliche Verschuldung bei knapp 70 Prozent lagen, ist damit eine nachhaltige Verbesserung der finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte gelungen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Basis für diesen Erfolg war das Konsolidierungsprogramm. Es hat nicht zuletzt auch durch seine ausgewogene Verteilung von notwendigen Maßnahmen – trotz manch schmerzhafter Schritte – Akzeptanz gefunden. Und es ist auch gelungen, negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung weitestgehend hintanzuhalten.

Ein weiteres Merkmal dieses Programms besteht darin, daß es sich nicht in kurzfristig und nur einmal wirksamen Maßnahmen erschöpft hat, sondern wesentliche Weichen für strukturelle Reformen gestellt hat.

Auf den Erfolgen dieses Programms gilt es nun weiter aufzubauen, und zwar aus einer Reihe triftiger Gründe, von denen ich drei erwähnen möchte:

Erstens: Der Aufwand für die Zinsen und Spesen der Finanzschuld des Bundes wird weiterhin über 100 Milliarden Schilling jährlich betragen. Budgetkonsolidierung ist daher auch in Zukunft notwendig, um mehr Geld für andere, produktivere Aufgaben freizumachen.

Zweitens: Österreich hat sich zum bereits angesprochenen Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichtet. Um auch in konjunkturell schlechteren Jahren ein Überschreiten der Defizitgrenze zu vermeiden, muß der Sicherheitspolster unter der 3-Prozent-Marke ausreichend groß werden.

Drittens: Die sich rasch ändernden gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erfordern auch eine Anpassung der öffentlichen Dienstleistungen an die sich ändernden Bedürfnisse. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zunehmende internationale Standortkonkurrenz macht die Qualität öffentlicher Leistungen zu einem immer wichtigeren Standortfaktor.

Das heißt, wir müssen uns weiterhin darum bemühen, den Abgang der öffentlichen Haushalte in Österreich zu verringern – eine Maßnahme, die uns einhellig auch von vielen namhaften internationalen Institutionen, nicht zuletzt auch vom Internationalen Währungsfonds, empfohlen wird, und ein Vorgehen, zu dem uns auch die Vereinbarungen in der Europäischen Union im Interesse der Stabilität des künftigen europäischen Wirtschafts- und Währungsraumes sinnvollerweise verpflichten.

Ein wichtiger Aspekt, meine sehr verehrten Damen und Herren, den ich dabei besonders hervorstreichen möchte, ist der gestiegene Koordinationsbedarf der Finanzpolitik auch in unserem eigenen Land, also zwischen den Gebietskörperschaften. Denn die Zielgrößen für die öffentlichen Haushalte auf europäischer Ebene gelten für den Gesamtstaat, sind also nicht nur für den Bund allein formuliert.

Vor diesem Hintergrund haben Bund, Länder und Gemeinden bereits bisher erfolgreich zusammengearbeitet und nun auf politischer Ebene einen Konsultationsmechanismus vereinbart. Durch diesen soll verhindert werden, daß Gesetze oder Verordnungen einer Gebietskörperschaft eine andere gegen deren Willen belastet. Was noch fehlt, ist ein Stabilitätspakt, der innerösterreichisch die Defizit- und Schuldenquoten zwischen den Gebietskörperschaften aufteilt. Dieser wird im Herbst – davon gehe ich aus – ausverhandelt sein.

Generell – das halte ich für sehr wichtig – wird es in Zukunft noch wichtiger sein als schon in der Vergangenheit, daß alle öffentlichen Haushalte gemeinsam und gleichermaßen die Grundsätze wirtschaftlicher, effizienter und effektiver Haushaltsführung verfolgen, damit Österreich seine Chancen im Rahmen der europäischen Partnerschaft ausreichend wahrnehmen kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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In diesem Zusammenhang möchte ich schon jetzt darauf hinweisen, daß die Verhandlungen über den Finanzausgleich für die Periode nach der Jahrtausendwende, also ab dem Jahr 2001, von diesem Prinzip der Gesamtverantwortung für die Finanzen des Gesamtstaates geprägt sein müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch das Konsolidierungsprogramm 1996/1997 wurde einerseits bei den Staatsausgaben gespart, andererseits sind natürlich auch die Einnahmen gestiegen. Dies kommt auch in der etwas gestiegenen Steuer- und Abgabenquote zum Ausdruck, wenngleich ich betonen muß, daß mehr als die Hälfte dieser Quote nicht dem Bund, sondern den Ländern und Gemeinden und vor allem auch den Sozialversicherungen sowie zu einem geringen Teil auch der Europäischen Union zugute kommt.

Das, was in den letzten Wochen mitunter zu hören war, nämlich daß die Steuerzahler fast die Hälfte ihrer Zeit für den Finanzminister arbeiten würden, stimmt also nicht. Die Bürger arbeiten nämlich für sich selbst. Sie arbeiten für sich selbst und für ihre Lebensqualität. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich bin überzeugt davon, Sie werden das vom Rednerpult aus sagen, und dann kann ich dazu Stellung nehmen. Ich verstehe Sie jetzt nicht.

Die Bürger finanzieren nämlich mit ihren Steuern und Abgaben zum Beispiel – das werden nicht einmal Sie abstreiten – ein international vorbildliches Bildungssystem. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sie finanzieren ein soziales Sicherungssystem, das ihnen im Falle von Arbeitslosigkeit, Unfall oder Krankheit eine gute Versorgung garantiert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie finanzieren ein Pensionssicherungssystem, das zu den besten der Welt gehört. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

In keinem anderen Land gibt es eine so großzügige Förderung von Familien und eine so gute Betreuung pflegebedürftiger Menschen wie bei uns in Österreich. Und dazu bekennen wir uns. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Auch die Sicherheit in unserem Land ist weit höher als anderswo.

Die Bundesländer bieten weiters sehr großzügige Wohnbauförderungssysteme an.

Noch etwas, meine sehr verehrten Damen und Herren: Gerade wenn man in andere europäische Städte kommt, kann man feststellen – und das ist sehr positiv –, daß Österreichs Städte und Gemeinden nicht zuletzt dank der gut funktionierenden kommunalen Dienstleistungen schön, sauber und lebenswert sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

All diese Vorteile zusammen bilden wichtige Standortfaktoren für Österreich.

Ich weiß nicht, warum Sie lachen, wenn ich sage, daß die Städte sicher und vorbildlich sind. Das ist nämlich gar nicht komisch, sondern ein Faktum, eine Feststellung, auf die wir in Österreich stolz sein können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

In Österreich braucht sich nämlich niemand, weder in Wien noch anderswo, zu fürchten, wenn er am Abend spazieren geht, wie das jedoch in anderen Städten Europas, selbst in der europäischen Hauptstadt Brüssel, der Fall ist. Das möchte ich schon in aller Deutlichkeit feststellen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das kann nicht wegdiskutiert werden, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht paßt. Und das ist auch ein Ergebnis der Politik, für die diese Bundesregierung steht. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage dies alles nicht deshalb, um Selbstbeweihräucherung zu betreiben, sondern das sind Fakten. Ich sage dies, weil jeder Veränderung von


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Staatseinnahmen naturgemäß Auswirkungen auf der Leistungsseite gegenüberstehen. Jeder Strukturreform müssen daher auch seriöse und präzise Überlegungen zugrunde liegen. Dies ist sehr wichtig, wenn man an eine Änderung der Steuerpolitik herangeht.

Ich sage noch einmal, damit kein Irrtum aufkommt, was ich schon mehrmals hier in diesem Hause gesagt habe: Die österreichische Bundesregierung bereitet eine kluge, ausgewogene Steuerreform für das Jahr 2000 vor. Österreichs beste Experten auf diesem Gebiet prüfen derzeit vorbehaltlos, wo aus sachlichen Gründen Veränderungen notwendig und zweckmäßig sind. Es ist dies ein komplexes Projekt, welches mehreren Zielsetzungen gerecht werden muß.

Einerseits streben wir eine sowohl beschäftigungs- als auch umweltfreundlichere Verteilung der Steuerlast an. Das soll dadurch erreicht werden, daß der Faktor Arbeit entlastet und der Ressourcenverbrauch stärker belastet werden soll. Die Entlastung des Faktors Arbeit ist ein Ziel, das in ganz Europa verfolgt wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Andererseits muß der politische Handlungsspielraum der öffentlichen Körperschaften gesichert bleiben, damit auch in Zukunft unser umfassendes und vorbildliches System der sozialen Sicherung, der Investitions- und Beschäftigungspolitik, der Sicherheits- und Bildungspolitik sichergestellt werden kann, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir müssen daher mit großer Verantwortung für die Stabilität der öffentlichen Haushalte, aber auch für die gesamte Entwicklung in unserem Land an diese Steuerreform herangehen.

Wir haben mit der Familiensteuerreform bereits einen ersten Schritt zu dieser Reform gesetzt. Es waren in diesem Zusammenhang aber auch Stimmen zu hören, daß wir dabei ein wenig zu großzügig waren. Daher strebe ich eine maßvolle, strukturpolitisch notwendige und für den Haushalt leistbare Reform an. Was ich ganz sicher nicht haben möchte – ich sage das ganz deutlich –, ist eine Steuerreform der guten Hoffnung, an deren Ende ein Sparpaket Nummer 3 stehen müßte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nur über Steuersenkungen nachzudenken, wäre daher völlig unzureichend und einseitig. Wir müssen im Sinne der Fortentwicklung und der Gerechtigkeit unseres Steuersystems einen Schritt weitergehen und uns viel mehr mit der Frage einer vernünftigen und gerechten Verteilung von Steuern in unserem Lande und in unserer Gesellschaft beschäftigen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das schließt sowohl den Aspekt von Steuersenkungen als auch die Beschäftigung mit der Frage, wie durch die Höhe von Steuern Entwicklungen in unserer Gesellschaft beeinflußt werden können, ein. Im Sinne der gemeinsamen Verantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden werden dabei auch die in deren Bereich fallenden Steuern sowohl von der Steuerreformkommission als auch in die Diskussion zum neuen Finanzausgleich einzubeziehen sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die Verzahnung der Wirtschaftspolitik im Rahmen der Verantwortung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Politik auf Gemeinschaftsebene zurückkommen.

Wir stehen wenige Monate vor Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion. Enorme wirtschaftliche Chancen und Möglichkeiten tun sich durch die neue gemeinsame europäische Währung auf. Sie wird den Binnenmarkt künftig vor Wechselkursschwankungen verschonen. Berechenbare wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind eine wichtige Grundlage für mehr Investitionen, Wachstum und Beschäftigung. Der Wettbewerb innerhalb Europas wird also fairer und transparenter.

Ein wesentlicher Bereich, der für das Funktionieren der gesamten Union und des Binnenmarktes von Bedeutung ist, ist daher auch  – ich betone das noch einmal – die Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten und damit der Kampf gegen schädlichen Steuerwettbewerb.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Steuerpolitik ist ein Instrument der Standortpolitik. Es wird dabei auch mit unfairen Mitteln gearbeitet. Einerseits müssen wir daher insbesondere dem


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schädlichen Steuerwettbewerb entgegenwirken, der die fiskalische Ergiebigkeit der nationalen Steuersysteme und damit die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte beeinträchtigt, andererseits müssen wir die Besteuerung der immobilen Produktionsfaktoren verringern – zu Lasten anderer, etwa von Kapital und Energie –, wenn wir erreichen wollen, daß die Wirtschaft in Europa nicht einseitig, also ohne Beschäftigung, wächst und diesem Wachstum die sozialen Sicherheitssysteme nicht geopfert werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Hochgeschätzte Damen und Herren! Österreichs Wirtschaft befindet sich auf einem robusten Wachstumspfad. Wir werden heuer und im kommenden Jahr Wachstumswerte erreichen wie zuletzt in der Hochkonjunktur vor zehn Jahren. Auch in anderen EU-Staaten verläuft die Entwicklung ähnlich. Heuer wird ein Wirtschaftswachstum der EU in der Höhe von 2,8 Prozent und 1999 eines in der Höhe von 3 Prozent erwartet. Das ist mehr, als die USA, Japan und die OECD erwarten können. "Europe is back." – Österreich ist wieder da; so hat eine amerikanische Zeitung kürzlich neidvoll zugeben müssen.

Der Wirtschaftsbericht der Bundesregierung, den ich Ihnen heute gemeinsam mit meinem Kollegen Farnleitner vorlegen darf, enthält eine umfassende und, wie ich meine, beeindruckende Zusammenschau unserer wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Leistungen im abgelaufenen Jahr und gibt auch einen Ausblick auf die vor uns liegenden Herausforderungen. Ich bin überzeugt davon, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß Österreich insgesamt eine ausgezeichnete Basis für einen guten Weg in eine wirtschaftlich erfolgreiche und sozial sichere Zukunft hat. (Langanhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister für Finanzen.

Auch der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat schriftlich mitgeteilt, daß er eine Erklärung abzugeben wünscht. – Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

9.41

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Nachdem die Tage des Feierns anläßlich der Übernahme der Präsidentschaft vorbei sind, geht es nun darum, in der Europäischen Union zu fragen und festzulegen – wie schon mein geschätzter Vorredner gesagt hat –, was die neuen europäischen Rahmenbedingungen für die Konzeption der Wirtschaftspolitik der nächsten Jahre bedeuten.

Gerade in der Auseinandersetzung über die Frage, was in Brüssel, was in den Ländern und Regionen gemacht werden soll, sollte man nicht übersehen, daß es heute vor allem darum geht, daß das Europa der 15 ein System höchst unterschiedlicher Länder ist, und zwar nicht nur unterschiedlicher Kulturen, sondern auch völlig unterschiedlicher Wirtschaftsdynamiken. In den letzten Jahren ist es gelungen – vor allem, seit wir dabei sind; das ist immer wieder zu unterstreichen –, zwei neue Instrumente verstärkt in die Wirtschaftspolitik einzuführen; diese englischen Ausdrücke sind Standardgebrauch geworden: Best practices und Benchmarking.

Entscheidend ist, daß viele Länder auf sehr unterschiedlichem Wege versucht haben, mit den sich in allen Ländern gleicherweise stellenden Problemen fertigzuwerden, und es ist nur logisch, daß daher versucht wird, das jeweils beste Rezept zu vergleichen und vielleicht auch selbst zur Anwendung zu bringen. Das ist eine Dimension europäischer Wirtschaftspolitik, die in den nächsten Jahren wichtiger werden wird. Und das erreicht man, indem man regelmäßige Vergleiche zwischen den Politiken zieht, wie das etwa vor allem im Bereich der Arbeitsplatzpolitik zum ersten Mal beim Wiener Gipfel in der Frage der Evaluierung der Nationalen Aktionspläne für Beschäftigung der Fall sein wird.

Wenn wir dieses Instrumentarium konsequent nützen und uns weniger die Frage stellen, wer wo wann was macht, dann werden wir zu einer Bereicherung der Wirtschaftspolitik im europäischen Raum kommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Hohes Haus! Gerade in einer Zeit, in der immer mehr internationale Analysen sich die Fragen stellen, wann und unter welchen Umständen es gelingen könnte, die asiatische Krise nicht nur einzugrenzen, sondern wieder in einen Wachstumsprozeß umzudrehen, ist es notwendig, sich auch die Frage über die Standortqualität der Europäischen Union zu stellen.

Ich möchte Ihnen hier sagen, daß nach meiner Auffassung Europa im internationalen Vergleich regelmäßig weit unterbewertet wird. Wenn wir die ökonomischen Kennziffern der Wirtschaftsräume miteinander vergleichen, zeigt sich völlig klar, daß der beste regionale Wirtschaftsraum jener Westeuropas ist.

Meine Damen und Herren! Zum Unterschied von den Vereinigten Staaten hat Westeuropa ein riesiges Handelsbilanzaktivum, einen Überschuß von 169 Milliarden US-Dollar im Jahr 1997, und einen Leistungsbilanzüberschuß von 125 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich dazu: USA: minus 198 Milliarden Dollar beziehungsweise 166 Milliarden Dollar. Wir sollten daher nicht übersehen, daß der Weltwirtschaftsstandort Europa insgesamt günstig ist. Das sollte uns in die Lage versetzen, uns vor einem positiven Hintergrund mehr und offener mit den noch anstehenden Problemen auseinanderzusetzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es wächst nicht nur der Wirtschaftsraum Europa stärker als die anderen Wirtschaftsräume, sondern wir haben es gerade in Österreich mit dem Glücksfall zu tun, daß wir am Rande einer Wachstumsregion in den nördlichen und östlichen Nachbarstaaten leben. In diesem Raum, in dem etwa 100 Millionen Menschen leben, werden sich in den nächsten Jahren, vor allem auch forciert durch die finanziellen Hilfen, die die Europäische Union in diesem Bereich gewähren wird – in der "Agenda 2000" ist so etwas wie ein Marshallplan vorgesehen, Hilfe in der doppelten Höhe –, Wachstumsraten zwischen 4 und 6 Prozent etablieren, von denen Österreich durch seine außerordentlich dichte ökonomische Verflechtung in besonderer Weise profitieren wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Darüber hinaus ist auch die Besserung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland für uns ein wichtiger Punkt, denn – dies sagte ich bei anderer Gelegenheit in München –: Wenn es Bayern gut geht, geht es Österreich besser. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Wie meinen Sie das?)

Meine Damen und Herren! Wenn wir fragen, wem die nächsten Jahre gehören werden, können wir vor diesem Hintergrund ruhig davon ausgehen, daß wir in ein europäisches Zeitalter hineingehen, jedoch nicht in eines, das von Märkten dominiert wird, wie wir es in der Literatur vor noch Jahren gelesen haben.

Kommen wir zu uns selbst! Meine Damen und Herren! Die erstaunliche Entwicklung im internationalen Vergleich, die Kollege Edlinger dargestellt hat, führen wir zunächst – genauso wie die Wirtschaftsforschungsinstitute – vor allem auf einen außerordentlich dynamischen Wachstumsprozeß der Exportwirtschaft zurück. Ich habe von dieser Stelle aus vor zwei Jahren gesagt, daß wir im Export vor allem eine Binnenmarktoffensive brauchen, weil wir das größte Handelsbilanzdefizit mit Ländern der Europäischen Union haben.

Die Zahlen, die Sie in meinem Bericht sehen, sprechen Bände: Österreichs Außenhandel mit dem oder Lieferungen in den Binnenmarkt sind stärker gewachsen als die Binnenmarktlieferungen anderer Länder untereinander, nämlich um 13 Prozent im Jahr 1997, und wir haben auch im ersten Quartal dieses Jahres einen Zuwachs von 10 Prozent zu verzeichnen. In Begriffen der Handelsbilanz bedeutet dies, daß wir im Jahr 1997 die Handelsbilanz im europäischen Raum, also in der EU, um 11 Milliarden Schilling verbessern konnten und allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres um weitere 4 Milliarden Schilling. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das bedeutet: Österreichs Wirtschaft nimmt die Chancen des Binnenmarktes immer konsequenter wahr, und wir sollten alles tun, um das auch durch die Rahmenbedingungen im europäischen Binnenmarkt zu verbessern.

Meine Damen und Herren! Ein besonders erfreuliches Ergebnis bringt der Außenhandel mit Osteuropa. Österreichs Verflechtung mit diesen Teilen der Welt ist die höchste der OECD. Im


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Exportbereich – wir haben hier Marktanteile von über 17 Prozent – bedeutet dies auch, daß wir nach einem Wachstum von fast 35 Prozent im letzten Jahr einen Zahlungsbilanzüberschuß von fast 40 Milliarden Schilling haben.

Das macht auch deutlich, daß wir in allen Diskussionen über die künftigen Beziehungen mit diesen Ländern mit Ängsten und Erwartungen sorgfältig umzugehen haben. Wir haben in diesen Ländern in den nächsten Jahren noch viel zu gewinnen, wenn der Prozeß so weitergeht, wie er sich abzeichnet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Lassen Sie mich zu einem generellen Teil der Beurteilung des Standortes Österreich kommen. Es ist so, meine Damen und Herren, daß man nach Jahrzehnten der Tätigkeit in der Wirtschaftspolitik sagen kann, daß Österreichs Wirtschaftsunternehmen heute mit Rahmenbedingungen konfrontiert sind, von denen Vorgängergenerationen nur hätten träumen können. Ich rufe in Erinnerung, daß wir heute – nicht zuletzt auch dank des Euro – mit einer Situation konfrontiert sind, die von niedriger Inflation, sehr niedrigen Zinsen, niedrigen Unternehmenssteuern und freiem Marktzugang zu allen Nachbarmärkten gekennzeichnet ist, wobei zunehmende Innovation und Flexibilisierung unsere Standortqualität noch verbessern.

Entgegen vielen Unkenrufen ist der Standort Österreich in der Diskussion der Investoren weit besser als in der publizierten Meinung. Ich kann das aus den Erfahrungen der letzten Tage, vor allem aber aus der Erfahrung der ABA, der Austrian Business Agency, einem meinem Ministerium vorgelagerten Unternehmen, sagen. Wir haben im letzten Jahr das beste Ansiedlungsjahr seit Jahrzehnten gehabt, und wir haben allein im ersten Halbjahr dieses Jahres alle Voraussetzungen, daß wir in etwa gleicher Größe wieder Investitionen und Arbeitsplätze schaffen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Gerade in den letzten Tagen war eine Reihe von Großinvestoren auch in meinem Haus, um anzukündigen, daß sie in Österreich erneut und nachhaltig investieren werden. Konkret geht es dabei etwa um die neue Mercedes-Chrysler-Gruppe, es geht um Magna Europa, die eindeutige Pläne haben, hier in Österreich ihre derzeitigen Aktivitäten weiter zu vertiefen und vor allem – worüber wir sehr froh sind – den Bereich der Forschung in Österreich stark auszuweiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Unter diesen Rahmenbedingungen, meine Damen und Herren, muß sich die wirtschaftspolitische Diskussion auf den immer deutlicher werdenden Wettbewerbsvorteil in der modernen Auseinandersetzung verschiedener Gesellschaftssysteme marktwirtschaftlichen Zuschnitts konzentrieren, nämlich darauf, was man handwerkliche Fähigkeiten der Bevölkerung nennt. Der entscheidende Faktor im Vergleich von Standortqualitäten ist in Zukunft weniger mehr Förderung, weniger Steuern, Anschlußgebühren und ähnliches, sondern die Qualität der Mitarbeiter. Und das ist die Aufforderung – auch an dieses Haus. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Lassen Sie mich, Herr Präsident, eine Anekdote aus den letzten Tagen erzählen. (Abg. Mag. Schweitzer: Darf ich meine Sekretärin holen?)  – Mitschreiben, Kollege! (Abg. Mag. Schweitzer: Ich hole meine Sekretärin!) Wenn Sie es wollen.

Bei einer Ordensverleihung hat der Generaldirektor von BMW International erzählt, daß zuletzt bei einem großen Autorennen im Wettlauf von Dieselmotoren das in Österreich gefertigte Produkt so gut unterwegs war, daß das deutsche Konkurrenzprodukt vom Chef dieses Unternehmens nach einigen Stunden aus dem Wettlauf genommen wurde. Er sagte, er hätte am nächsten Tag den Generaldirektor des Konkurrenzunternehmens angerufen und ihm gesagt: Das war nur, weil Sie nicht mit österreichischen Motoren fahren, die von österreichischen Experten gemacht worden sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Schlußfolgerung daraus: Der bei der gleichen Ordensverleihung anwesende Vertreter eines weiteren österreichischen Großunternehmens – ich kann es hier sagen, es war Magna – hat dann erzählt, er hätte einen Tag vorher einen Anruf aus Deutschland bekommen mit dem Auftrag, einen 2,5-Liter-Dieselmoter in Österreich für das nächste Rennen im nächsten Jahr zu entwickeln. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Dieses Beispiel möge zeigen, daß das vielleicht wichtiger ist als manche Zahlenvergleiche. (Abg. Mag. Schweitzer: Der Motor ist von freiheitlichen Facharbeitern gemacht!)

Meine Damen und Herren! Das ändert aber nichts daran, daß wir gerade dann, wenn wir über Skills reden, auch über Probleme unseres Arbeitsmarktes reden müssen. Wir haben uns – Kollegin Hostasch und ich – zusammengesetzt und mußten uns vor allem damit auseinandersetzen, daß etwa 40 Prozent der österreichischen Arbeitslosen immer wieder vom gleichen Arbeitnehmer aufgenommen werden. Das bedeutet, daß eine Reihe von Wirtschaftsbereichen ihre zyklischen Schwankungen der Konjunktur eindeutig auf den Arbeitsmarkt auslagern. Das bedeutet weiters, daß wir im Zusammenhang mit unseren nationalen Beschäftigungsplänen auch einige Tabuthemen des Arbeitsmarktes jenseits traditioneller Barrieren ansprechen müssen, denn das, was dort passiert, ist evident.

Meine Damen und Herren! Wenn wir lebenslanges Lernen mit ständiger Weiterqualifikation ernst nehmen, müssen wir uns auch da mit neuen Instrumenten auseinandersetzen. Ich erinnere nur an das von mir an anderer Stelle vorgeschlagene Bonus-Malus-System bei der Arbeitslosenversicherung.

Einige Worte zur Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben es im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit mit dem Phänomen zu tun, daß in der Lehrlingsausbildung zwar eine Trendumkehr insofern feststellbar ist, als wieder mehr Menschen in den Lehrstellenmarkt als in die fortbildenden Schulen gehen, gleichzeitig stellen aber aufgrund des raschen technologischen Wandels in der Wirtschaft viele unserer bestehenden Lehrberufe nicht mehr die Basis für ein lebenslanges Verbleiben in diesen Sektoren dar.

Daher stehen wir – Sozialpartner wie Regierung – vor der Herausforderung, in der Ausbildung mehr Basiswissen grundzulegen und die Bereitschaft zu lebenslangem Weiterbilden zu fördern. Aus meiner Sicht ist es daher sehr positiv, daß im NAP auch von seiten der Sozialpartner das Bekenntnis kam, daß man durchaus auch mit zweijährigen Ausbildungen einsteigen kann, wenn sichergestellt ist, daß damit die Basis für weitere und höhere Qualifikationen gelegt ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Kollegin Hostasch und ich haben jüngst bei einer Besprechung mit den Generalsekretären der Sozialpartner für die nächsten Monate erstens die Beschleunigung der Verfahren zur Anerkennung und Durchsetzung neuer Berufe vereinbart und zweitens auch darüber gesprochen, daß es notwendig sein wird, bei jedem neuen Beruf a priori sicherzustellen, daß genügend Unternehmen da sind, die bereit sind, diese Lehrlinge einzustellen. Synthetische Lehrberufe bringen keinen Vorteil. Sie werden sehen, daß wir in den nächsten Wochen noch 16 weitere neue Berufe, vor allem neue Berufsbilder in Richtung neue Technologien, umsetzen werden.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt: Technologiepolitik. Wenn Skills und Innovation, wie das so schön heißt, die entscheidenden Wettbewerbsfaktoren sind, dann muß es einem zu denken geben, wenn in Österreich immer wieder wie Loch Ness der Begriff der Forschungslücke gerade vor der Sommerzeit publiziert wird. In den nächsten Tagen geht ein Technologieförderungsgesetz in Begutachtung – Kollege Einem und ich sind dafür verantwortlich –, wonach sowohl der Rat für Wissenschaft und Forschung neu gegliedert werden soll als auch ein Lenkungsausschuß für die Koordinierung der einschlägigen Ministerien und schließlich ein Fonds, KIR genannt, neue Förderungsmittel für Innovation und Technologie der Regierung, geschaffen werden wird.

Es ist hier in diesem Haus sehr oft darüber geredet worden, daß mehr geschehen muß. Ja, es wird mehr geschehen, aber nur dann, wenn wir auch mehr Unternehmen haben, vor allem große Unternehmen, die in diesem Land forschen. Einer der Schwerpunkte meines Hauses ist es daher, mit allen großen Investoren in Österreich zu vereinbaren, daß sie entweder mit Forschungsaktivitäten beginnen oder diese verstärken mögen. Das gilt von General Motors bis Chrysler, wie ich sie Ihnen genannt habe. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Es gilt aber auch, den Klein- und Mittelbetrieben durch Beratungsinstitutionen, wie etwa dem BIT im Bereich der Wirtschaftskammern und Ministerien, den Zugang zur technologischen Innovation zu erleichtern.

Zur Finanzierung: Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen ist sichergestellt worden, daß der von mir zu verantwortende FFF sowohl aus Mitteln des Budgets eine Extradotierung von 470 Millionen Schilling erhält als auch darüber hinaus Mittel aus meinem Haus, sodaß er heuer noch mit einem weiteren Zuschuß in der Höhe von 630 Millionen Schilling rechnen kann. Darüber hinaus sind Kollege Edlinger und ich übereingekommen, den Fonds mit einem Haftungsrahmen von 2 Milliarden Schilling auszustatten. Das bedeutet, daß es hier keine Finanzierungsprobleme gibt und der um 16 Prozent angestiegene Bedarf durchaus und ohne Schwierigkeiten bedeckt werden kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal mit einer anderen Mär aufräumen. Es ist üblich, Österreichs Forschungsperformance immer daran zu messen, wie viele Patente pro Kopf angemeldet werden. Hier liegen wir nicht an der europäischen Spitze. Aber in einer Diskussion der einschlägigen europäischen Experten sind wir zu dem Schluß gekommen, daß man das Potential der Innovation an zwei Kriterien messen muß: an der Zahl der Patente und an der Zahl der angemeldeten Gebrauchsmuster, denn die Gebrauchsmuster sind jene Innovation, die sich am raschesten auf dem Markt umsetzen. Nimmt man die Zahl von Patenten und Gebrauchsmustern, dann liegt Österreich in Europa vor Schweden und Frankreich eindeutig an der Spitze.

Ich nehme die Gelegenheit dieser Rede wahr, um Ihnen auch diese Perspektive darzustellen. Wir sind gerne dazu bereit, das einmal in internen Gesprächen mit Vertretern der Klubs durch Herren des Patentamtes und meine Experten erläutern zu lassen, damit wir vielleicht zu einem deutlichen Konsens gelangen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein ständiger Diskussionspunkt in diesem Land ist: Gehen uns die Unternehmer aus, oder haben wir genügend Unternehmen? Es ist völlig klar, wir haben eine niedrigere Selbständigenquote. Und wenn wir die Selbständigenquote in Österreich erhöhen wollen, dann ist das nicht mit Regierungsappellen oder Förderprogrammen allein zu machen, sondern dann geht es auch darum, daß wir jahrzehntelang etablierte mentale Barrieren beseitigen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen sagen, daß viele der österreichischen Neuunternehmer eigentlich ältere Menschen sind. Es ist so, daß wir in Österreich vier Kategorien von Neuunternehmern haben. Wir haben Unternehmer aus Berufung – dieser wird in jedem Fall Unternehmer, auch wenn er vorher zweimal gescheitert ist. Wir haben Unternehmer aus Zwang – das sind viele ältere Menschen, so ab 50, 55 Jahren, in den frühen Sechzigern, die in ihren Berufen aus den Firmen mit großen Abfertigungen hinausgelobt werden und dann als Unternehmensberater oder Serviceunternehmer selbständig sind und von den Unternehmen noch ein, zwei Jahre lang mit Aufträgen gesponsert werden. Aber wir haben auch relativ viele Unternehmer aus Verzweiflung – etwa wenn Arbeitslose über Jahre versucht haben, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und als letzten Schritt den Weg in die Selbständigkeit gehen.

Wir haben heuer bei der Verleihung des Staatspreises für Beschäftigung wirklich mit großem Stolz festgestellt, daß es Arbeitslosen-Unternehmen, Kooperativen, etwa die Steyrer-Initiativen, gibt, die in wenigen Jahren zu echten lokalen Wachstumsunternehmen geworden sind. Wenn wir diese Message, man muß nicht aus Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit in Österreich Unternehmer werden, einmal rüberbringen könnten, vor allem etwa bei Entrepreneurship-Lehrkanzeln auf den Hochschulen, wäre das ein großartiger Durchbruch. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: ... der fahrlässigen Krida müßte weg! Das ist ein Problem!)  – Ich komme noch darauf zu sprechen.

Hohes Haus! Es sind zwei Dinge, die sich als Notwendigkeit dartun. Erster Punkt: Wir wissen aus sicherer Quelle, daß jeder zweite Lehrling, männlichen oder weiblichen Geschlechtes, da


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von träumt, selbständig zu werden. Und unterschiedlich nach Hochschulen sind es 2 bis 4 Prozent der Hochschulabsolventen, die mit dem Gedanken der Selbständigkeit spielen. Das ist unser Problem Nummer eins. Wir müssen den Unternehmerdrall auch von oben, von der oberen Bildungsschicht bekommen.

Zweiter Punkt: Es wäre ein Fehler, in dieser Rede nicht auch über Insolvenzraten in Österreich zu reden. Jede wachsende und vor allem im Strukturwandel befindliche Wirtschaft muß Insolvenzen haben. Das Kommen und Gehen gehört zum Wirtschaftsmechanismus. Nur passieren viele Insolvenzen in Österreich deshalb, weil man schon immer mit zuwenig Kapital gewirtschaftet hat. Die Konkurse ohne Masse sind unser Menetekel in Österreich.

Eine hohe Insolvenzrate kann auch dadurch bedingt sein, daß etwa junge Leute zuviel riskiert haben. Dann heißt es aber, dieses Einmal-Scheitern ihm nicht ein Leben lang vorzuhalten, sondern ihn noch einmal probieren zu lassen (Abg. Dr. Ofner: Nicht kriminalisieren!), wenn keine bewußte Schädigung von Mitbewerbern oder Kunden passiert ist. Wenn wir mit diesen neuen Ansätzen in die Politik gehen, werden wir es leichter haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Einer der Schwerpunkte, die wir in unserer Präsidentschaft im Bereich der EU forcieren wollen, ist der Bereich der Klein- und Mittelbetriebe. Wir werden hiezu ein Seminar mit den für den Mittelstand zuständigen Ministern und internationalen Organisationen und Experten in Baden organisieren und darüber hinaus ein heute beginnendes, in diesen Tagen stattfindendes Seminar mit einschlägigen EU-Verantwortlichen über Tourismuspolitik veranstalten. Es geht einmal mehr darum, nicht über die Verlagerung von Kompetenzen zu reden, sondern darüber, welche Rahmenbedingungen wir brauchen. Wir erwarten uns etwa von dem Seminar in Baden betreffend den Mittelstandsbereich, daß wir klarmachen können, daß ein Europa der Konzerne nicht die Antwort auf die Frage der Beschäftigungspolitik wie auf die Frage etwa auch der Tourismuspolitik ist. Wichtig ist, daß der Großteil der Klein- und Mittelbetriebe, die Arbeitsplätze schaffen, Rahmenbedingungen vorfinden, mit denen sie besser leben können.

Es ist heute für mich eine der bedrückendsten Erfahrungen, daß viele Neuunternehmer nicht über die traditionellen Gebühren, die bei der Unternehmensgründung anfallen, klagen, sondern vom ersten Tag an sagen: Früher war ich ein guter Verkäufer, und jetzt muß ich plötzlich 20 Prozent oder mehr meiner Zeit in das Ausfüllen von Statistiken, komplizierte Lohnabrechnungen oder in andere diesbezügliche Dinge investieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher müssen diese Dinge auf europäischer Ebene forciert werden – und das haben wir eingeleitet –, denn sie sind die Basis für Erfolge in diesem Bereich: Die bürokratischen Aufgaben müssen reduziert werden, weniger Statistiken würden mehr Information gewährleisten. Eine Vereinfachung aller Abrechnungsbereiche muß umgesetzt werden, auch jener Dinge, die man selbst vereinbart hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Problem stellt sich im Bereich der europäischen Wirtschaftspolitik schon: Wir haben den mächtigen ECOFIN-Ministerrat und den Euro-Elf-Ministerrat, und wir fragen uns, ob wir nicht in anderen Bereichen zu viele Ministerräte haben. Daher habe ich in meiner Präsidentschaft im Binnenmarkt- wie im Industrieministerrat vorgeschlagen, zu überlegen, diese beiden Ministerräte gemeinsam zur Tagesordnung "Standort Europa" tagen zu lassen und uns in einen Leistungswettbewerb der Ideen mit unseren Freunden, den Finanzministern, zu begeben. Das könnte eine Belebung der ideellen Auseinandersetzung werden, wenn wir uns nicht gegenseitig in denselben Ministerräten auf den Wecker gehen sollen.

Meine Damen und Herren! Noch eine kurze Bemerkung zum Tourismus. Wir haben in diesem Bereich in Europa eine eindeutige Trendumkehr. Aber das ändert nichts daran, daß der wichtigste Punkt für eine dauerhaft bessere Entwicklung in Europa selbst die Verbesserung der Urlaubsfähigkeit der europäischen Bürger ist. Daher sind die Nationalen Aktionspläne im innersten Kern auch ein Programm zur Förderung des Tourismus in Europa. Daher ist auch aus dieser Sicht darauf Wert zu legen. In Österreich selbst zeigen die Prognosen, daß wir wieder mit stei


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genden Umsätzen zu rechnen haben. Das ändert aber nichts an unseren internen Strukturproblemen.

Zweitens wird der Haftungsrahmen, den Kollege Edlinger und ich vereinbart haben, in der Höhe von 7 Milliarden Schilling hinreichend Raum für eine nachhaltige Umfinanzierung der Strukturen im Tourismus bieten. Ich darf auch ankündigen, daß wir mit EU-Unterstützung ein gleiches Programm für den Bereich der gewerblichen Betriebe außerhalb des Tourismus planen, aber erst in der zweiten Jahreshälfte umsetzen werden.

Meine Damen und Herren! Auch die angekündigte Direktmarketingaktivität meines Hauses wird in diesen Tagen beginnen. Anträge haben wir in Hülle und Fülle. Ich sage am Rande: Jene Unternehmen, die wir in den letzten Monaten davon überzeugen konnten, ihr Market mit Internet durchzuführen, zeigen eine hohe, weit bessere Auslastung als alle anderen in diesem Bereich. Wir werden uns im gesamten Bereich des – unter Anführungszeichen – "Verkaufs" Österreichs im Tourismusmarkt zu mehr Modernität und Direktbeziehung zwischen Hotel und Kunden bekennen müssen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Punkte nur noch streifen. Zwei wichtige Bereiche für die Wettbewerbsfähigkeit sind in den letzten Monaten in Österreich geregelt worden, bevor sich in der Freiheit bessere Bedingungen ergeben. Das ist zum ersten die Liberalisierung des Telekom-Marktes, die bereits von Investoren anerkannt wird. Mit rund 30 Lizenzen ist ein markanter Rückgang der Kosten feststellbar, bei den Unternehmen, die von der Freiheit Gebrauch machen.

Zweiter Punkt: Die Liberalisierung des Elektrizitätssektors wird wahrgenommen, wird auch durchaus von Kapitalmärkten und Investoren honoriert, wenngleich hier noch schwierige Entscheidungen im zweiten Halbjahr – ich nenne nur Stranded costs, Netzgebühr – zu treffen und die Ausführungsgesetze zu beschließen sind.

Ich kündige an, meine Damen und Herren, daß sich dieses Haus wahrscheinlich im zweiten Halbjahr auch mit der Liberalisierung des Gasmarktes auseinandersetzen muß. Wir haben die Richtlinien der EU beschlossen, wir werden jetzt das österreichische Gesetz nach dem ElWOG einbringen. Das würde bedeuten, daß wir im Bereich des immer wichtiger werdenden Gasmarktes wettbewerbsfähigere Preise für österreichische Investoren bekommen.

Unter all diesen Bedingungen, meine Damen und Herren, bleibt ein weiterer Faktor zu diskutieren, nämlich jener der öffentlichen Dienstleistungen. Wenn Skills, handwerkliche Fähigkeiten und die Innovationskraft einer Gesellschaft gefordert sind, dann darf das nicht übersehen werden. Wir sehen das an der asiatischen Entwicklung: Die strukturelle Anpassungsgeschwindigkeit unserer osteuropäischen Nachbarn ist jene eines Autos im Vergleich zu dem, was wir heute in Asien sehen. Die asiatische Krise ist zum Teil auch ein Effekt der nicht zeitgerechten Anpassung entscheidender Strukturen.

Wenn wir daher jetzt sagen, daß der öffentlichen Administration unter diesen Bedingungen eine entscheidende Bedeutung zukommt, dann gilt es, Motivation und Engagement für diesen Bereich zu wecken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit bei den Bezirkshauptleuten, die es in einer unglaublichen neuen Dienstleistungsgesinnung mit der neuen Gewerbeordnung geschafft haben, 80 bis 90 Prozent der Verfahren in einer Dauer von unter drei Monaten zu erledigen. Wir werden in diesen Tagen die §-359b-Verordnung hinausgeben, in der eindeutig definiert wird, für welche Verfahren das vereinfachte Verfahren nicht angewendet werden kann, und damit kann das vereinfachte Verfahren noch leichter angewendet werden. Ein letzter Punkt: Sie werden hoffentlich noch im Herbst den Entwurf eines einheitlichen Anlagenrechtes vorgelegt bekommen, damit wir auch diesen Barrieresprung, wie angekündigt, schaffen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zum Schluß möchte ich mich auch als Wirtschaftsminister bei allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Unternehmern für ihre unglaubliche Arbeitsmoral bedanken. Wer dieses Land kennt, weiß, worin unser wirklicher Vorteil liegt.


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Ein allerletzter Punkt: Es hat ein österreichischer Merkantilist, Philipp Wilhelm von Hörnigk, 1684 in Dresden ein Buch unter dem Titel "Österreich über alles, wann es nur will" publiziert. Ich glaube, würde er das Buch heute schreiben, würde er sagen: Österreich über alles, weil es will. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke auch dem Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten für seine Erklärung.

In der Debatte über beide Erklärungen erhält als erster Herr Abgeordneter Dr. Haider das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.12

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die beiden Berichte, die wir heute zu diskutieren haben, sind sehr unterschiedlich zu bewerten. Der Herr Wirtschaftsminister hat einen durchaus differenzierten Überblick über die österreichische Wirtschaftsrealität gegeben, mit auch selbstkritischen Anmerkungen über das, was zu tun ist. Ich glaube, daß das richtig ist, auch der Situation entspricht, denn es kann nicht so sein, daß man in Anbetracht der ungelösten Probleme versucht, eine Welt zu erzeugen, die in der Realität halt anders ausschaut. Nur, wenn Sie in Ihrer Darstellung sagen: Ja, wir sind uns bewußt, wir müssen für die klein- und mittelständische Wirtschaft etwas tun, weil es nicht ein Europa der Konzerne geben darf!, dann frage ich mich: Warum tun Sie es denn nicht? Warum tun Sie es nicht wirklich? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Abwandlung Ihres Schlußwortes: Es geht nicht um ein Österreich, das will, es geht um eine Regierung, die endlich will, daß Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit jene, die als Mittelständler bisher den ganzen Karren gezogen haben, auch in Zukunft Vorgaben machen können, Arbeitsplätze sichern können und den Erfolg des Landes gewährleisten können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum reden Sie, Herr Wirtschaftsminister, von einer mangelhaften Eigenkapitalausstattung und verweigern hier im Parlament Beschlüssen die Zustimmung, bei denen es um eine Verbesserung des Steuersystems geht? Sie verkaufen etwa durch Ihren oberösterreichischen Finanzlandesrat Dr. Leitl das sogenannte Leitl-Modell, über das wir hier schon abgestimmt haben, nämlich daß die nicht entnommenen Gewinne steuerfrei zu stellen sind, damit auch die gewerbliche mittelständische Wirtschaft mehr Arbeitsplätze schaffen kann und mehr Investitionsfreude bekommt, lehnen es hier ab und regen es wieder an.

Was soll der Österreicher von einer Politik halten, die von Politikern gemacht wird, die sagen, wir wissen, was wir zu tun haben, aber eigentlich freut es uns nicht, unsere Verpflichtungen zu erfüllen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum reden Sie davon, Herr Wirtschaftsminister, daß Sie die Bürokratie einschränken müssen? Ein schlanker Staat – jawohl, hundertprozentige Zustimmung von uns! Sie selbst sind heute Vorsitzender in der EU, und dann kommen von der Europäischen Statistischen Abteilung neue bürokratische Erschwernisse für die Betriebe. Solche Konvolute sind auszufüllen! (Der Redner hält einen Packen Papier in die Höhe.) Das dient der Verdienststrukturerhebung. 11 500 Betriebe müssen zwangsweise eine komplizierte Verdienststrukturerhebung durchführen. Das ist soeben bei den Betrieben eingelangt und kostet einen Mittelständler im Schnitt, wenn er einen Steuerberater einschaltet, der ihm hilft, diesen Unsinn auszufüllen, zwischen 15 000 S und 20 000 S, wenn er nicht bereit ist, eine Strafe in Kauf zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Wer hindert Sie daran, zu entbürokratisieren, indem Sie Ihren eigenen Kammern einmal sagen: Schafft die Einverleibungsgebühren ab, schafft die Bürokratie in den Kammern ab, schafft die Nachsichtsverfahren ab, die kompliziertester Natur sind!? Damit würden wir es den jungen Menschen und neuen Unternehmern erleichtern, Gründungsinvestitionen zu tätigen. Es liegt an Ihnen! Nur zu jammern, daß wir zuviel Bürokratie haben, selbst aber als Zuständiger nichts dagegen zu tun, nur zu jammern, daß 42 000 Menschen in Österreich Tag und Nacht


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damit beschäftigt sind, kostenlose Arbeit für den Staat zu machen, Statistiken auszufüllen und Abrechnungen durchzuführen, nur zu jammern, daß 70 Millionen unbezahlte Arbeitsstunden – das ist kostenlose Arbeitstätigkeit für den Staat! – im Jahr anfallen, das ist mir zuwenig. Es bedarf hier der konkreten Maßnahmen, und diese fehlen mir jetzt schön langsam. Immer wieder wird nur gesagt, was zu tun ist, aber dann kommt nichts heraus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da ich gesagt habe, daß es mir gefällt, daß Sie, Herr Wirtschaftsminister, differenziert argumentiert haben, muß ich an die Adresse des Finanzministers sagen, daß seine Darstellung einfach übertrieben war, schamlos übertrieben. Herr Finanzminister! Sie haben hier eine Welt gezaubert, die in der Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Bei der Beschäftigung habe es eine tolle Entwicklung gegeben – 26 000 neue Arbeitsplätze seien im vergangenen Jahr geschaffen worden. Sagen Sie aber auch dazu – und tun Sie nicht so, als wüßten Sie es nicht! –, daß ein Großteil dieser 26 000 Arbeitsplätze Teilzeitarbeitsplätze sind! Das heißt, jene Vollzeitarbeitsplätze, die durch Ihre Politik vernichtet worden sind, werden jetzt durch Teilzeitarbeitsplätze kompensiert, die wesentlich schlechter sind, die wesentlich weniger Einkommen bringen und die Mitarbeiter schlechter stellen. Das ist einfach die Realität, mit der Sie sich einmal auseinandersetzen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Herr Finanzminister! Sie gehen her und sagen, wir seien das Land mit der niedrigsten Arbeitslosenrate. Und vor zwei Tagen ... (Abg. Marizzi: Was ja stimmt!) Mit der Statistik läßt sich alles beweisen, Herr Kollege! Aber vor zwei Tagen hat Ihnen die Tageszeitung "Die Presse", die dieser Koalition nicht feindlich gesinnt ist, vorgerechnet: Würde man alle dazurechnen, die Pensionsanträge gestellt haben und aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen, alle, die in Arbeitsstiftungen untergebracht sind, weil sie schon lange beschäftigungslos sind, alle, die vorzeitig wegen langer Arbeitslosigkeit in Pension geschickt werden, alle jungen Leute, die noch nie gearbeitet haben, weil sie nach der Schule keinen Job bekommen haben, dann kommen Sie nicht auf 200 000 bis 250 000 Arbeitslose, dann kommen Sie auf über 600 000 Arbeitslose, die der Staat zu erhalten hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Herr Professor Nowotny, darum geht es. Ausgaben für Arbeitslose sind in Wirklichkeit eine Herausforderung, Arbeitsplätze zu schaffen und nicht fehlzuinvestieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen ein paar Beispiele nennen, Herr Finanzminister, weil Sie gesagt haben, die Beschäftigung funktioniere so gut. Heute steht in den "Salzburger Nachrichten", daß bei dieser Sicherheitsgurtenproduktion von 730 Arbeitsplätzen 400 verlorengehen, nach Osteuropa verlagert werden. Das sind unsere "Chancen", die wir nützen, von denen Sie hier geredet haben. Innerhalb einer Woche sind in Österreich fast 2 000 Arbeitsplätze verlorengegangen, allein 400 werden von einer Salzburger mittelständischen Unternehmung nach Osteuropa verlagert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) – Seien Sie vorsichtig! Sie sind für die teilzeitbeschäftigten Verkäuferinnen, ich bin für die vollzeitbeschäftigten Familienerhalter, denn das ist letztlich die Vision, die wir haben müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Sie kritisieren das holländische Modell, wollen es aber in Wirklichkeit durchführen. Wir wollen das österreichische Modell: Vollzeitbeschäftigung, Dauerarbeitsplätze, sichere Arbeit für die Jugend und für die Mittelständler eine verantwortungsvolle Steuerpolitik. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Und der Herr Prinzhorn hat einen Betrieb in Ungarn! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Zehn Jahre versprechen Sie das, zehn Jahre geschieht es nicht! (Abg. Marizzi: Er hat doch einen Betrieb in Ungarn?)  – Geh, Kollege Marizzi, kümmern Sie sich um Ihre mafiosen Probleme, und lassen Sie uns bitte hier mit diesen Dingen in Ruhe! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Innerhalb einer Woche (Zwischenruf des Abg. Koppler )  – ich möchte das dem Kollegen Koppler sagen, aber er ist nicht fähig, zuzuhören – sind fast 2 000 Arbeitsplätze verlorengegangen. In Salzburg die genannten 400. Die Firma Illbau-Baugruppe hat nach der Fusion mit der ERA-Bau 1 000 Kündigungen ausgesprochen. Am 30. Juni waren bei der Firma Panalpina – sie sperrt überhaupt in Österreich zu – auf einmal 570 Arbeitsplätze, und zwar qualifizierte Arbeitsplätze, weg. Die Firma Leykam sperrt zwei Maschinen zu, alle Mitarbeiter, die an diesen Maschinen gearbeitet haben, wurden gekündigt. Oder: Die Firma Koflach meldet im Rahmen des Frühwarnsystems 150 weitere Mitarbeiter zur Kündigung an. Das sind,


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meine Damen und Herren, innerhalb einer Woche fast 2 000 Arbeitsplätze, die verlorengegangen sind. (Abg. Dr. Nowotny: Nennen Sie auch die neuen Stellen!) Da können Sie sich doch nicht hierher stellen und sagen: Alles ist super, alles paletti, wir sind hervorragend in Österreich unterwegs! – Das bilden Sie sich ein, Sie reden sich das wirklich ein.

Sie sagen, die Zeit des Feierns sei jetzt vorbei. Gestern hat die Konferenz der Sozial- und Arbeitsminister und der Frauenminister begonnen. In Wirklichkeit ist das ein Vergnügungstreffen: von 72 Stunden Konferenz sind sechs Stunden tatsächliche Konferenzzeit. Der Rest ist Freizeit mit einem Besuch bei "Swarovski Kristallwelt" sowie einem Mittagessen bei der Familie Swarovski. (Abg. Marizzi: In Taiwan hat man dich auch zum Essen eingeladen!) Weiters gibt es ein Kulturprogramm, das einen Besuch des Schlosses Ambras vorsieht. Die Tagung selbst wird mit einem Mittagessen begonnen. Am Abend gibt es Galadiner, das vier Stunden lang dauert. Die Tiroler Landesregierung gibt ein Galaessen, damit sich die Arbeitslosen freuen. Diese Galadiners werden anscheinend deswegen veranstaltet, damit man 72 Stunden lang beieinander sein kann. Die Konferenz aller europäischen Sozialminister: 72 Stunden sind die Minister insgesamt beisammen, und im Grunde genommen haben sie nur sechs Stunden Zeit, um sich mit den Problemen der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungssituation auseinanderzusetzen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Entspricht das wirklich dem, was Sie uns versprochen haben, Herr Finanzminister? Genau das ist der Vorwurf der Opposition: Sie feiern, anstatt zu arbeiten. Sie provozieren damit all jene, die keine Arbeit, die Probleme mit der Umschulung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Wer noch nie Aufträge gebracht hat, weiß nicht, was das ist!)

Sie sagen, Sie hätten große Erfolge gehabt. – Warum kann man dann heute in einer Zeitung lesen, daß die Lehrlinge schon wieder vor geschlossenen Türen stehen? Es gibt heuer wiederum 4 000 Lehrlinge, die man nicht unterbringen kann. Ihre Reaktion darauf besteht darin, sie zu "verschulen", sie in die Schulen hineinzubringen. Damit werden ihnen aber keine Arbeitsplätze geboten. Das stellt keine wirkliche Alternative dar! Wenn Sie jenes Geld, das Sie für Kurse, Schulungen und Arbeitsstiftungen einsetzen, für eine vernünftige steuerlichen Entlastung der Ausbildungsbetriebe verwenden würden, dann hätten Sie Tausende Lehrstellen mehr. Sparen Sie sich diesen ganzen Zinnober, den Sie da machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kammerpräsident, diese Maßnahmen sind doch ausschließlich ein Geschäft für das WIFI. Sie brauchen eine Finanzierung für Ihre Kammer, und aus diesem Grund wird das Fehlen von Lehrstellen dafür als Vorwand genommen, dort vom Staat finanzierte Kurse zu veranstalten, anstatt die Steuern für die Betriebe zu senken, damit diese mehr Lehrlinge einstellen können. Das wäre doch die eigentliche Alternative! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber Sie denken halt anders: Die Bürokratie ist Ihnen wichtiger als Beschäftigung und florierende Betriebe! (Abg. Marizzi: Das ist "Retortenökonomie"! Das lernt man in Amerika!)

Ein weiterer Punkt: Sie sagten, Sie würden neue Lehrberufe schaffen. – Wer hindert Sie denn daran, neue Berufsfelder rechtzeitig zu akzeptieren? Seit 15 Jahren gibt es die Systemgastronomie in Österreich, und zwar in beachtlichem Umfang. Jetzt müssen die Verantwortlichen der Systemgastronomie, von McDonalds bis hin zu anderen, die in diesem Wirtschaftszweig tätig sind, das Ministerium geradezu bestürmen und an Sie appellieren: Machen Sie endlich eine Ausbildungsordnung! Wir nehmen ein paar hundert Lehrlinge sofort auf, wenn wir sie auch ausbilden dürfen! – Aber es dauert Jahre bei Ihnen, da etwas zu tun, und das ist das Problem! (Bundesminister Dr. Farnleitner: Das dauert drei bis vier Monate!)

Sie kündigen das erst jetzt an, wobei es dieses Problem schon zehn Jahren gibt und wir seit drei Jahren das Problem "fehlende Lehrstellen" haben. Da wäre es doch schon längst an der Zeit gewesen, endlich einmal zu handeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nun komme ich zum Thema Wirtschaftsförderung. Sie sind mit der Wirtschaftsförderung befaßt und reden groß davon, daß sich die Betriebe bei Ihnen anstellen würden. Noch im Vorjahr hätte die Firma ELSA, in der Zwischenzeit der größte Personal-Computer-Hersteller der Welt, ihren Europastandort in Österreich errichten wollen. Dieser Betrieb hat


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nicht einmal für seine Familienmitglieder die nötigen Möglichkeiten dazu bekommen. Jetzt hat dieser Konzern Siemens-Nixdorf aufgekauft. Es wäre für Österreich gut gewesen, wenn dieser Konzern seinen Standort in unserem Land hätte. Er wurde aber von Ihnen "vertrieben". Sie reden aber von der Hochtechnologie. Diese könnten wir haben, wenn das Ministerium entsprechend entschieden hätte.

Herr Minister! Sie reden von großen Forschungs- und Industrieprojekten. Schauen Sie sich einmal das EU-Projekt im Burgenland an, die Lyocellproduktion! In dieses Projekt wurden Millionen investiert. – Die Firma ist aber heute pleite, weil sie zuwenig Absatz hatte. 200 Millionen Schilling Defizit im ersten Jahr! In Oberösterreich wurden 120 Arbeitsplätze dieser Firma und 500 in derselben Firmengruppe ruiniert. – Das ist eine Politik, deren Zielsetzung verfehlt ist und die einfach nicht zusammenpaßt. Daher sage ich Ihnen, was Sie tun sollten: Stellen Sie einfach die Rahmenbedingungen richtig! Doch da kommen Sie an einer Änderung der Steuerpolitik nicht vorbei.

Herrn Finanzminister, Sie sagen, daß die Beschäftigung so gut sei. Schauen Sie sich doch die diesbezüglichen Daten des Monats Juni an! Im Juni, also zur Zeit der Hochsaison, haben wir in Österreich eine Steigerung der Arbeitslosigkeit von 4,3 Prozent zu verzeichnen. (Abg. Marizzi: Wir haben derzeit den höchsten Beschäftigungsstand!) Bei den Frauen, für die man jetzt angeblich sehr viele Arbeitsplätze geschaffen hat – die meisten Arbeitsplätze für Frauen; 26 000 seien es, haben Sie gesagt –, ist die Arbeitslosigkeit um 6,1 Prozent gestiegen.

Wenn Sie sich die Arbeitslosigkeit im Bereich der Bauwirtschaft anschauen, dann werden Sie sehen, daß es dort derzeit – im Hochsommer bitte! – einen neuen Rekord an Arbeitslosigkeit gibt: 12 186 Bauarbeiter sind momentan arbeitslos. Wo ist da der investive Bereich Ihres Budgets? Sie sind dazu nicht mehr in der Lage, weil Sie zwar die Erfüllung der Maastricht-Kriterien verfolgen, aber keine Wirtschaftspolitik betreiben, die Dynamik ausstrahlt und die letztlich auch Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Verlauf von zehn Jahren gab es zur Hochsaison am Bau eine Steigerung der Arbeitslosigkeit um 100 Prozent! Vor zehn Jahren gab es 6 700 Arbeitslose in unserem Land, im Juni waren es 12 900 Arbeitslose. Das ist die Realität!

Sie sollten also hier nicht schönfärben, sondern das tun, wozu Sie beauftragt wurden, nämlich gute Rahmenbedingungen für das Wirtschaften schaffen. Sie sagen, man müsse eine Steuerreform machen, die klug ist, und wichtig sei, daß der Steuerwettlauf nach unten gestoppt werde. – Das sagt der Finanzminister eines Staates, der Spitzenreiter in bezug auf die Abgabenquote ist.

Den Steuerwettlauf solle man nach unten stoppen, sagen Sie. – Ja beginnen Sie doch einmal mit dem Wettlauf! Die anderen EU-Staaten sind uns doch schon längst voraus. Selbst die EU als Ganzes hat eine niedrigere Steuer- und Abgabenquote als Österreich! Doch Sie wollen alles stoppen, damit Sie gleich langsam, bürokratisch und fiskalistisch bleiben, damit Sie weiter Milliarden, die eigentlich die Betriebe verdient haben, schöpfen können. – Lassen Sie doch die Leute verdienen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie die Leute verdienen! Das ist es, was wir haben wollen! Seit zehn Jahren warten wir im Bereich der berufstätigen Menschen, der Arbeiter, der Angestellten auf eine Steuerreform. Die sind von der kalten Progression betroffen. (Abg. Dr. Nowotny: Wir wollen eine seriöse Beschäftigungspolitik!)

Herr Kollege Nowotny hat die Stirn, sich hier herzustellen und zu sagen, daß er seine Partei davor warne, die Lohnsteuer zu senken. – Warnen Sie nur Ihre Partei! Das zeigt das wahre Gesicht der Sozialdemokraten! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Kollege Nowotny, wir wollen eine Lohnsteuersenkung, denn jene Leute in unserem Lande, die arbeiten, die fleißig sind, sollen endlich etwas verdienen – und nicht beim Finanzminister alles abliefern müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wir verlangen eine Steuerreform, und wir meinen, daß eine Steuerreform ein guter Beitrag dazu wäre, die nötige Kaufkraft in unserem Lande wiederherzustellen.

Das sind die Bemerkungen, die wir zu Ihren schönen Berichten anbringen wollen: Handeln Sie endlich so, wie es notwendig wäre – und versuchen Sie nicht, sich selbst in die Tasche zu lügen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.28

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Haider, nur drei kurze Bemerkungen: Auch ich wünsche mir eine höhere Beschäftigungsquote in Österreich, es ist aber umgekehrt auch ein Faktum, daß die Erwerbsquote in Österreich internationalen Spitzenrang hat. Auch das muß man anerkennen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Nicht, wenn sie genau im Durchschnitt der EU ist!) Internationaler Spitzenrang bitte! Diese Zahlen können Sie nicht wegdiskutieren!

Zweite Bemerkung: Herr Abgeordneter Haider – ich bin sicher, daß dies auch für die anderen Abgeordneten Ihrer Fraktion gilt –, Arbeitsessen dürften auch Ihnen nichts Unbekanntes sein. (Abg. Dr. Haider: Ja, ja, auf Kosten des Staates! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Dritte Bemerkung: Wer Investitionen von seiten des Staates verlangt, muß dem Staat auch die Mittel dafür geben. Ich glaube, daß man das nicht voneinander trennen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wifo-Konjunkturtest zeigt sehr deutlich, daß die Wirtschaft sowohl die aktuelle als auch die künftige wirtschaftliche Situation sehr optimistisch einschätzt. Die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft verbessert sich weiterhin. Die Lohnstückkosten der Industrie sinken gegenüber jenen der wichtigsten Handelspartner um 2,9 Prozent. Die Exporte werden sowohl 1998 als auch 1999 um 10 Prozent steigen.

Ich sehe in diesen Fakten und Zahlen durchaus einen Erfolgsbericht der Leistungen der Österreicherinnen und Österreicher und der in unserem Land tätigen ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wirtschaft und Wirtschaftspolitik dürfen aber kein Selbstzweck sein. Das Ziel, das wir uns gemeinsam stecken müssen, muß sein, daß es uns besser geht. Dieses Ziel ist aber meiner Meinung nach nicht teilbar. Auch wenn von Unternehmern und Wirtschaftsforschern sehr positive aktuelle Einschätzungen für die Zukunft vorliegen, reicht das zur Lösung des Beschäftigungsproblems sicherlich nicht aus. Ein wirtschaftsliberaler Ansatz allein ist eben nicht ausreichend.

Es reicht auch nicht der Hinweis darauf, daß man an die "Kräfte des Marktes" glauben solle, denn damit werde sich die Beschäftigungslage schon verbessern. Es wird ja oft genug gesagt: Vertrauen Sie auf die Kräfte des Marktes! (Abg. Mag. Peter: Der Markt ist stärker als die Bürokratie!) – Ich halte fest: Dieses Vertrauen ist nicht in jedem Ausmaß gerechtfertigt. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Wenn man bedenkt, was die Lohnentwicklung und Flexibilisierung in letzter Zeit gebracht haben, kommt man zu dem Schluß, daß sich zwar die Wirtschaftslage verbessert hat, aber es kaum mehr Arbeitsplätze gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Farnleitner hat gesagt, daß wir über makroökonomische Rahmenbedingungen verfügen, von denen Unternehmer in früheren Jahren nur träumen konnten. Er hat damit sicherlich recht. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. In unserem Land träumen auch Hunderttausende Menschen von Arbeit, von Zukunft,


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von einem Einkommen. Ich glaube, daß die Realisierung des Wunsches, mehr Beschäftigung in unserem Land zu haben, auch unser Ziel sein muß. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Verbesserung der Situation von arbeitslosen Jugendlichen und vor allem auch von Langzeitarbeitslosen ist die Herausforderung, die uns in den nächsten Jahren, vor allem auch durch die nationalen Beschäftigungspläne, motivieren muß, mehr für die Beschäftigung zu tun.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns mit einem Trend beschäftigen, der auch in unserem Land bemerkbar ist: Es steigt die Langzeitarbeitslosigkeit, es nimmt die Teilzeitbeschäftigung – sowohl die gewünschte als auch die ungewünschte – zu, die Zahl der geringfügig Beschäftigten wird immer höher, und es steigt auch die Zahl der Leiharbeitnehmer. Ich glaube, daß das Ziel der Vollarbeitszeitplätze nicht auf der Strecke bleiben darf.

In diesem Zusammenhang ist meiner Meinung nach die Arbeitszeitverkürzung ein wichtiges Thema, das damit keinesfalls schon vom Tisch ist. Ich glaube, daß man das durchaus ansprechen soll. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist aber der falsche Weg!) Darüber kann man lange diskutieren. Beispiele in Frankreich und Italien zeigen, daß man das auch anders sehen kann. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Wir müssen vor allem die inländische Nachfrage ankurbeln. Das ist nicht alleine ein gewerkschaftliches oder ein sozialdemokratisches Statement, sondern auch die Wirtschaftsforschung sagt in ihren Jahresberichten, daß die Stabilität der österreichischen Wirtschaftsentwicklung vor allem durch die Inlandsnachfrage erreicht werden muß.

Die Situation in der Bauwirtschaft ist zu Recht kritisiert worden. Die Bauwirtschaft wird sich vor allem dann positiv entwickeln, wenn wir die Inangriffnahme neuer Infrastrukturprojekte nicht verhindern. Wir können feststellen, daß wir über Infrastrukturprojekte zu lange diskutieren und sie damit oft blockieren, anstatt sie so schnell wie möglich umzusetzen. Es ist notwendig, die erstellten Infrastrukturprogramme zu realisieren, um das Rückgrat für die Weiterentwicklung der Wirtschaft in nächster Zeit zu stärken. Es ist ein Faktum, daß durch die Verschleppung und die Nichtverwirklichung von Programmen die Zukunft der österreichischen Wirtschaft, aber auch unseres Landes insgesamt, in ein anderes Licht zu rücken ist.

Meine Damen und Herren! Bundesminister Farnleitner hat auf das Auffangnetz, auf die Stiftungen und die Lehrgänge im Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildung hingewiesen und gemeint, daß diese keine Behinderung für das Lehrausbildungssystem darstellen beziehungsweise es nicht ersetzen dürfen. Da stimme ich ihm hundertprozentig zu. Aber der einfachste Weg – ich glaube, darin sind wir uns beide einig – wäre doch, wenn die Wirtschaft selbst ausreichend Lehrplätze zur Verfügung stellen würde. (Abg. Haigermoser: Da müssen die Rahmenbedingungen stimmen!) In diesem Falle bräuchten wir das dann gar nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, daß es wirklich notwendig ist, über neue Berufe nachzudenken. Wir sollten aber auch darüber nachdenken, ob eine zu frühe Spezialisierung tatsächlich im Interesse der Jugendlichen liegt.

Meine Damen und Herren! Wegen der Kürze der Zeit möchte ich hier nur noch eines sagen, aber das sehr deutlich: Wir halten eine Lohnsteuerreform im Jahre 2000 für unabdingbar. Das entspricht einer Forderung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben durch das Sparpaket sehr deutlich dazu beigetragen, daß die Staatsfinanzen in Ordnung gebracht wurden. Aber ich glaube, daß auf der Unternehmerseite noch einiges offen ist. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß zum Beispiel die LKW-Maut zu jenen Programmen zählt, die wir noch immer nicht umgesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Unterschiede zwischen den lohnabhängigen Steuern und der Vermögenssteuer ansieht, dann kommt man zu der Überzeugung, daß mehr denn je eine Änderung unseres Steuersystems gerechtfertigt ist, um eine gleichwertige und vor allem gerechte Verteilung des Steueraufkommens zu erreichen. Der Faktor Arbeit muß von den Steuern entlastet werden, ohne daß die sozialen Netze dadurch in Gefahr geraten. Meiner Mei


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nung nach ist der Faktor Arbeit durch eine Reihe von Möglichkeiten durchaus entlastbar, so zum Beispiel durch die Reduktion der lohnabhängigen Abgaben, durch die Besteuerung von Spekulationsgewinnen oder auch durch die gleichzeitige Einführung der Wertschöpfungsabgabe. (Abg. Meisinger: Die Belastungspakete sollen weg!) Wir werden sehen, wie man über diese Möglichkeiten gemeinsam diskutieren kann.

Meine Damen und Herren! Wenn wir in der Zukunft durch den Entwurf des europäischen Wirtschaftsberichtes und der "economic guidelines 1999" werden feststellen müssen, daß wieder die Preisstabilität und die Haushaltskonsolidierung im Vordergrund stehen, dann wird es an uns Parlamentariern liegen, daß auch die Beschäftigung entsprechend berücksichtigt wird. Ich nehme gerne das Wort "Beschäftigungsdividende" auf. Wir brauchen eine Beschäftigungsdividende als Initiative für mehr Beschäftigung – nicht nur in Österreich, sondern überhaupt in Europa.

Meine Damen und Herren! Die Wirtschaftsberichte sind zu Recht optimistisch, aber sie dürfen nicht einseitig optimistisch sein. Wir brauchen auch für jene, die Arbeit suchen und arbeiten wollen, eine optimistische Zukunftsaussicht. (Beifall bei der SPÖ.)

10.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. Er hat das Wort.

10.36

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Wer dem Bericht der beiden Bundesminister gefolgt ist, mußte zu der Überzeugung gelangen, daß Jubel angesagt ist, denn es hieß darin: Die Wirtschaft wächst, und zwar mit 3 Prozent real – mein Kompliment! –, die Einkommen wachsen real, die Beschäftigung entwickelt sich positiv – wenn auch die Arbeitslosigkeit weiter steigt –, die Exporte wachsen in zweistelliger Höhe, der private Konsum springt wieder an – das ist ganz wesentlich für die Beschäftigung im Dienstleistungssektor –, die Gesellschaft ist stabil, Euro-Konvergenzkriterien sind erreicht, der Stabilitätspakt wird weitere Budgetdisziplin erfordern, und die EU-Osterweiterung steht vor der Tür, sodaß wir mit weiteren Märkten rechnen können.

Meine Damen und Herren! Jubel ist von Ihrer Seite angesagt, aber in Anbetracht der Arbeitslosigkeit in unserem Land fragen wir Oppositionspolitiker uns, ob Jubel wirklich angebracht ist. Die Frage müßte vielmehr lauten: Was muß getan werden? Also man muß sich die Frage stellen: Ist Jubel wirklich angesagt? Haben wir den Erfolg für die Zukunft gesichert? 

Ich möchte die Aufgabe eines Oppositionellen anders definieren, als es hier von Dr. Haider, der die punktuelle Skandalisierung in den Vordergrund gestellt hat, in gewohnter Art gemacht wurde. Auch das kann man natürlich als Oppositionspolitik verstehen. – Ich meine, wir sollten unsere Aufgaben vielmehr darin sehen, Strukturmängel zu analysieren, vor Fehlentwicklungen zu warnen beziehungsweise entsprechend bessere Vorschläge zu machen. (Abg. Haigermoser: Da gehören die Arbeitsmarktprobleme dazu!) Auf Basis des Geleisteten ist das große Defizit – das wissen die Herren auf der Regierungsbank in unserem Land –, daß wir dem beschleunigten Wandel keine wirkliche Beschleunigung der Reform gegenübersetzen.

Die wichtigsten Schwerpunkte aus liberaler Sicht: Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Sie dieser Gesellschaft in Ihrer Regierungsverantwortung, in der Sie stehen, geben, beziehen sich immer noch überwiegend auf eine Industriegesellschaft. Sie sind dort steckengeblieben. Wir befinden uns aber zunehmend in einer Wissens- und Informationsgesellschaft mit einem unerhörten Tempo des Wandels. Die Sozialpartner tragen dem nicht Rechnung, sondern sie bremsen ihn.

Denken Sie nur etwa an die unselige Diskussion um den Kronen-Streit der Zahnärzte und Sozialversicherungen, wobei in bezug auf die 55. ASVG-Novelle aus Ihrer unproduktiven Streiterei heraus wichtige Reformschritte den Wandel verwehrt haben!

Denken Sie weiters an die blockierende Haltung der Wirtschaftskammer zum Thema Liberalisierung der Gewerbeordnung! Denken Sie an die blockierende Haltung der Sozialdemokraten oder


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der Arbeiterkammer bei der Aufhebung der Reglementierung der Arbeitswelt! – Der wesentliche Punkt ist also: Der Wandel in diesem Land geht viel schneller vor sich, als Sie, die Fraktionen der Bundesregierung, Reformen umzusetzen in der Lage sind.

Die Basis für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg – davon bin ich fest überzeugt – ist die Solidarität in der BürgerInnengesellschaft. Das soziale Netz ist und bleibt der größte Beitrag zur politischen Kultur, aber dieses soziale Netz ist in zunehmendem Maße nicht mehr leistbar. Die Abgaben des sozialen Netzes steigen jedes Jahr um 1 Prozent schneller als die übrigen Abgaben in unserem Lande. Sie steigen also überproportional, und das hat mit dem ... (Abg. Verzetnitsch: Sind die Unternehmer für die Abänderung der 55. ASVG-Novelle oder nicht?) Es geht da ganz konkret darum, daß das, was Sie in den letzten Jahren im sozialen Netz weiterentwickelt haben, zu immer weiteren Kostensteigerungen geführt hat, die den Wirtschaftsstandort Österreich langfristig beeinträchtigen. Das ist das wirkliche Problem! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie haben das soziale Netz, Herr Präsident Verzetnitsch, auf Pump finanziert. Sie wissen das. Ihr Finanzminister macht heuer – bei einem 3prozentigen realen Wirtschaftswachstum – 70 Milliarden Schilling Nettoneuverschuldung. Dieses Geld wird nicht investiv ausgegeben, sondern zur Finanzierung von sozialen Leistungen verwendet. Das heißt, die sozialen Leistungen des Jahres 1998 werden auf Kosten der Zukunft der nächsten Generation finanziert. (Abg. Verzetnitsch: Wollen auch die Unternehmer die 55. ASVG-Novelle – oder nicht?)

Es geht da nicht um Unternehmer! Herr Verzetnitsch, ich bedauere, daß Sie noch immer Ihr altes Bild: hie die Unternehmer – da die Arbeitnehmer, vor sich haben. Verstehen Sie nicht, was sich auf dieser Welt abspielt? Die Begriffe "Selbständigkeit" und "Unselbständigkeit" verschwimmen in zunehmenden Maße. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )

Die soziale Sicherheit, die sich sowohl auf Unternehmer als auch auf Unselbständige ausdehnt, ist in der Form, wie Sie sie garantieren wollen, zu teuer geworden, sie grenzt den Wirtschaftsstandort Österreich laufend ein, und das ist das Problem. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Arbeitslosigkeit in Österreich – darauf hat Herr Dr. Haider richtigerweise hingewiesen – ist natürlich mit der Zahl, die Sie anbieten, nicht drittvergleichsfähig. Das wissen Sie alle. Sie haben die Arbeitslosigkeit in Österreich besser "geparkt"; das stimmt. Sie haben sich damit aber gleichzeitig ein Problem mit der Altersversorgung aufgehalst, auf das Sie keine Antwort wissen. Auch das schränkt den Wirtschaftsstandort Österreich in zunehmendem Maße ein, weil auf diese Weise eine weitere Wachstumsspirale in der Finanzierung des sozialen Netzes enthalten ist. Sie werden in Ihrem Pensionssystem nun einmal nur ein Sechstel der von Rürup vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen – und das ab dem Jahre 2003.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Meine Herren Bundesminister! Sie wissen doch ganz genau, daß laut demographischer Prognose im Jahre 2030 die Zahl der Menschen unter 20 Jahren und jener über 60 Jahre höher als die Zahl der Menschen zwischen 20 und 60 Jahren sein wird. Der Anteil jener Personen, die im Berufs- und Erwerbsleben stehen und mit ihren Beiträgen das soziale Netz finanzieren, wird kleiner sein als der jener Personen, die in Ausbildung oder in Pension sind.

Das sind die Dinge, die mich, was den Wirtschaftsstandort Österreich betrifft, beunruhigen – trotz der Erfolge, die die Wirtschaftsdaten aufweisen und die wir Gott sei Dank, auf der europäischen Konjunktur mitschwimmend, für unser Land generieren können. Der Horizont der Umstellung der Altersversorgung dauert eine Generation. Das Jahr 2030 ist demnach viel näher, als Sie glauben.

Meine Damen und Herren! Sie haben in Ihren beiden Berichten zur wirtschaftlichen Lage Österreichs keine Antwort hinsichtlich einer Neudefinition der Arbeit gefunden. Sie reden zwar immer von einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff, meinen damit aber nur Arbeiter und Angestellte. Warum meinen Sie nicht auch die Bediensteten von Post, Bahn und öffentlichen Dienst? Warum beziehen Sie nicht auch diese ein? Warum haben Sie gestern noch den völligen Unsinn


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eines Post-Betriebsverfassungsgesetzes beschlossen? (Abg. Verzetnitsch: Vorgestern!)  – Vorgestern; danke, Herr Verzetnitsch, Sie waren sehr aufmerksam – Das ist doch völlig unsinnig!

Wenn Sie von einem gemeinsamen Arbeitnehmerbegriff reden, dann leben Sie ihn doch auch! Erzählen Sie uns nicht nur täglich davon, sondern verwirklichen Sie ihn! (Abg. Marizzi: Schritte setzen!) Herr Marizzi, zu Ihren Schritten möchte ich nur so viel sagen: So langsam wie Sie vorwärts gehen, kann ich gar nicht rückwärts gehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine Angleichung der geschützten Bereiche an die Wettbewerbswirtschaft findet letztlich nicht statt. Wir haben das gestern anläßlich der Ausgliederung der Bundessportheime erlebt, wo Sie in den Allgemeinen Teil der Erläuterungen hineingeschrieben haben, daß der geschützte Bereich gar nicht in der Lage ist, einen Betrieb zu führen. Das war der Inhalt Ihrer Allgemeinen Erläuterungen. (Zwischenruf des Abg. Marizzi. )

Die Grenzen zwischen selbständig und unselbständig verschwimmen. Haben Sie nicht verstanden, daß Ihre Trennung: hier die "bösen" Unternehmer, dort die "armen" Arbeitnehmer die sozialdemokratische Doktrin von vor-, vor-, vorgestern ist. (Beifall beim Liberalen Forum.) Ihre sozialdemokratischen Genossen haben am 1. Mai in Wien plakatiert: "Mehr Unternehmer für Wien!" – Bekennen Sie sich dazu und machen Sie eine Politik, die dazu führt, daß es mehr Unternehmer gibt! (Beifall des Abg. Smolle. )

Meine Damen und Herren! Es gab von den beiden Ministern keine Stellungnahme zu dem Umstand, daß Erwerbsarbeit und soziale Arbeit immer mehr ineinander verschwimmen und der Arbeitsbegriff neu zu definieren ist. Dazu haben sie sich mit keinem Wort geäußert. Die bezahlte Erwerbsarbeit ist die eine Sache, die sozial leistbare Arbeit, die im Bruttosozialprodukt nicht aufscheint, ist eine andere Sache, und zwar eine Sache, die letztlich die Lebensqualität unserer Gesellschaft ausmacht.

Sie haben nicht darüber gesprochen, daß Ihnen die Kontrolle über die unregistrierte Arbeit aus der Hand geglitten ist. Es wird zuwenig registrierte Arbeit und zuviel unregistrierte Arbeit geleistet. Es muß doch mit den von Ihnen geschaffenen Rahmenbedingungen zu tun haben, daß der "Pfusch", daß die Schwarzarbeit in Österreich dramatisch ansteigt. Das werden Sie mit Polizeimaßnahmen nicht bekämpfen können. Sie werden nicht arbeitslose Zöllner als neue Sheriffs ausbilden können. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, und die Damen und Herren auf der Regierungsbank werden sich vielmehr den Kopf darüber zerbrechen müssen, wie die Rahmenbedingungen hinsichtlich Arbeit ausschauen müssen, damit die registrierte Arbeit attraktiver und die unregistrierte Arbeit weniger attraktiv wird.

Ich komme nun auf das Thema "neue Selbständigkeit" zu sprechen. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Sie alle wollen mehr neue Selbständige, auch die Sozialdemokraten haben dies am 1. Mai auf dem Rathausplatz in Wien verkündet. Doch was tun Sie dafür? Heute erleben wir aufgrund eines beinharten Strukturwandels die höchste Zahl an Insolvenzen, die es jemals in unserem Lande gab. Nicht dem Volumen nach, sondern der Anzahl nach werden wir leider ein Allzeithoch erreichen. Das hat mit vielen Fehlern zu tun, vor allem aber mit der Frage einer strukturellen Eigenkapitalausstattung und der Rendite, dem Ertrag der Unternehmungen. Die Klein- und Mittelbetriebe Österreichs verdienen zuwenig, weil sie zu hohe Kosten aufgelastet bekommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie wirklich mehr neue Selbständigkeit wollen, müssen Sie dem Potential an Selbständigkeit, das es ja in Österreich Gott sei Dank gibt, den Weg freimachen und dürfen ihn nicht verbauen. Wo sind im Bereich der Gewerbeordnung, der Ladenöffnungszeiten und hinsichtlich Umstieg vom Reglementierungs- zum Verantwortungsprinzip die von Ihnen angekündigten Liberalisierungsschritte? (Zwischenruf des Abg. Dr. Heindl. )

Lieber Herr Dr. Heindl! Das ist die Sprache des Besitzenden, der sagt: Laß mich ruhen, ich habe alles, was ich brauche! – Ich aber führe das Wort für jene, die nicht besitzend sind, die selbständig werden wollen, die den Weg in die Selbständigkeit schaffen wollen, aber dies aufgrund des Hindernislaufes bei den Rahmenbedingungen nicht schaffen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Über das Bildungssystem ist Gott sei Dank die eine oder andere Bemerkung von seiten der beiden Bundesminister gefallen. Das Bildungssystem halte ich für die eigentliche Basis des wirtschaftlichen Erfolgs. Es wird von guten und Gott sei Dank auch von vielen engagierten Pädagogen getragen. Aber können Sie mir sagen, wo es in dem Bildungssystem, das Sie als Regierungsparteien zu verantworten haben, auch nur den leisesten Hauch eines Ansatzes von Selbständigkeit gibt? Können Sie mir erklären, wie beispielsweise pragmatisierte Geographielehrer Selbständigkeit unterrichten sollen? Können Sie mir einen einzigen Unterrichtsgegenstand nennen, in dem Selbständigkeit als Philosophie und als Lebenshaltung unterrichtet wird?

An der Wirtschaftsuniversität, die in Österreich heuer 100 Jahre alt wird, gab es bis zum Wintersemester 1998/1999 kein einziges Seminar, das Unterricht über den Weg in die Selbständigkeit anbietet. Es wird Professor Risak sein, der die ersten Seminare in dieser Richtung veranstalten wird.

Unser Land ist kein Land für Selbständige, sondern es ist ein Land von pragmatisierten Beamten! Doch von diesem Denken müssen Sie sich mental lösen, und dies werden Sie wohl nur über die Bildung schaffen. Ich erinnere mich mit einigem Schrecken daran, was gesagt wurde, als wir vor Monatsfrist über die Frage der wirtschaftlichen Entwicklungen diskutiert haben. Da haben die aus den geschützten Bereichen kommenden Universitätsprofessoren mit einer gewissen Überheblichkeit über das Jammern des Gewerbetreibenden gesprochen.

Meine Damen und Herren Universitätsprofessoren! Sie wissen gar nicht, was das ist. Sie haben wirklich nicht das Recht, darüber zu reden. Es ist unerträglich, eine solche Überheblichkeit an den Tag zu legen und das als "Jammern" abzutun (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Haigermoser ), wenn Ihnen diejenigen, die Wirtschaft betreiben, sagen, daß sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen nur sehr schwer erfolgreich sein können. Ich weiß schon, jetzt schauen die Universitätsprofessoren betroffen, weil Sie doch so recht haben. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Professor Lukesch ist ein ausgezeichneter Professor! – Abg. Dr. Lukesch: Das ist eine Frechheit, Herr Peter, ...! – Ruf: Das Jammern ist der Gruß der Kaufleute!)

Das Jammern ist nicht der Gruß der Kaufleute, sondern die klare Formulierung der Klein- und Mittelbetriebe beziehungsweise Selbständigen, die sie in diesem Land gebrauchen, um erfolgreicher sein zu können, denen Sie aber Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, unter denen sie eben nicht erfolgreich sein können. Das ist der Punkt! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Unser Bildungssystem ist immer noch dem abprüfbaren Wissen verhaftet. Das ist genau das, was wir in einer Kultur der neuen Selbständigkeit nicht brauchen. Die Kultur der neuen Selbständigkeit wird Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit und Neugierde erfordern. Das ist die Basis, die wir brauchen, um mehr Unternehmer in unserem Land zu haben. Wo ist der entsprechende Unterricht? – Herr Wirtschaftsminister! Sie sind zwar nicht Unterrichtsminister, trotzdem sage ich Ihnen: Es sollte in der Bildungsarbeit ein Schwerpunkt sein, auf ein etwas überkommenes Bildungssystem einzuwirken und diese neuen Kriterien der Selbständigkeit zu unterrichten.

Was die Jugendbeschäftigung betrifft, kann ich Ihnen vordergründig nur ein Kompliment machen. Im Gegensatz zur Arbeitslosigkeit insgesamt, die entgegen Ihren Aussagen nicht drittvergleichsfähig ist, sind Sie auf diesem Gebiet erfolgreich. Aber um welchen Preis? – Auch da versuchen Sie, Jugendbeschäftigung zu erzeugen, indem Sie, ohne Reformen durchzuführen, das Problem mit Geld zudecken. Das haben sie 1997 getan, das werden Sie im Sommer 1998 probieren: einmal mit 2 Milliarden Schilling, heuer mit 1,8 Milliarden Schilling.

Herr Feurstein, warum haben Sie nicht den Mut, die Lehre einer wirklichen Reform zu unterziehen und sie als gleichberechtigte Säule in die sekundäre Bildungsstufe einzubauen?! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Warum haben Sie nicht den Mut, zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildungszeit zu trennen? Warum sind Sie nicht in der Lage, die duale Ausbildung in einer neuen Form durch


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zuführen, indem Sie statt Geld Reformen und statt Wortgebirgen neue Strukturen einsetzen und den Wandel über "wohlerworbene Rechte" stellen? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend: Die Antworten, die diese Bundesregierung auf die Probleme der Wissens- und Informationsgesellschaft gibt, sind meiner Ansicht nach ungenügend. Die Antwort liegt – das ist unsere liberale Sicht – in der Stärkung des einzelnen in zweifacher Hinsicht: zum einen in der Stärkung des einzelnen durch Übertragung von mehr Verantwortung mittels Deregulierung, zum anderen in der Stärkung des einzelnen durch nachhaltige Absicherung mittels Grundsicherung, die wir Liberalen schon mehrfach vorgeschlagen haben.

Sie werden den Weg der Dualität zwischen einer nachhaltigen Absicherung der Menschen und einem Mehr an Verantwortung des einzelnen gehen müssen. Nachhaltige Absicherung ist die Basis für mehr Verantwortung, und mehr Verantwortung impliziert nachhaltige Absicherung.

Meine Damen und Herren! Die Basis für den volkswirtschaftlichen Erfolg findet nicht in der Statistik statt, sondern er findet in den vielen Haushalten und in den vielen Betriebswirtschaften in unserem Land statt. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, was Churchill einmal so treffend formuliert hat: Unternehmer können als räudige Hunde betrachtet werden, die man erschlagen muß. Vielleicht sind sie auch die Kühe, die man dauernd melken muß – aber vielleicht verstehen Sie endlich, daß sie die Esel sind, die den Karren ziehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maderthaner. Er hat das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.50

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Peter, Sie haben einiges gesagt, was man durchaus unterstreichen kann, aber auch vieles, was meiner Meinung nach nicht stimmt. Hinsichtlich Liberalisierung der Gewerbeordnung würde ich mich zumindest darüber freuen, wenn Sie anerkennen würden, daß die Zahl der bewilligungspflichtigen Gewerbe halbiert wurde. Aber das ist Ihnen sicher zuwenig – ich weiß das –, denn Sie vertreten das amerikanische System und meinen, daß wir da überhaupt keine Ordnung mehr brauchen. Dem halte ich allerdings folgendes entgegen: Schauen Sie einmal, wie viele Schadenersatzprozesse in Amerika geführt werden – nicht nur zum Nachteil der Wirtschaftstreibenden, sondern auch zum Nachteil der Konsumenten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sowohl der Finanzminister als auch der Wirtschaftsminister haben in ihren durchaus ausgewogenen Beiträgen und Berichten versucht, den erfolgreichen Weg der österreichischen Wirtschaft, aber auch die notwendigen Anstrengungen, die wir noch zu unternehmen haben, aufzuzeigen. Sie haben vor allem auch den hohen Stellenwert der Exportwirtschaft und auch jenen von Forschung und Entwicklung betont. Seit eineinhalb Jahren ist auch immer wieder von der Technologie- und Exportoffensive die Rede. Dazu muß ich sagen: Die österreichische Wirtschaft hätte sich seitens der Regierung mehr konkrete Aktionen und vor allem im Technologiebereich mehr Innovationen erwartet.

Meine Damen und Herren! Bei der Exportoffensive – dieses Thema habe ich mir besonders vorgenommen – kann die Wirtschaftskammer seit langem mit ihrer Außenwirtschaftsorganisation punkten. Exporte bedeuten Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum und Wohlstand in unserem Land. Gerade in den letzten Jahren haben wir vor allem mit den vielen leistungsfähigen Klein- und Mittelbetrieben einen gewissen Erfolg erzielt, weil wir versucht haben, sie zum Export zu ermutigen. Wir haben auch eine entsprechende konkrete Hilfestellung angeboten.

Bekanntlich steht und fällt ja in Österreich fast jeder zweite Arbeitsplatz mit den Erfolgen im Export. Je mehr wir exportieren und je mehr ausländische Gäste – sicher auch inländische – in unserem Land Urlaub machen, desto besser geht es den Betrieben und desto mehr Arbeit gibt es in Österreich.


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Es ist von Herrn Kollegen Haider von dieser Stelle aus angeführt worden, daß schon wieder 4 000 Lehrlinge einen Ausbildungsplatz suchen würden. Dem ist entgegenzuhalten, daß erst vor einer Woche Schulschluß war und daß diese Schulabgänger nicht von heute auf morgen eingesetzt werden können. (Abg. Tichy-Schreder: Vielleicht wollen sie auch gar nicht sofort eingesetzt werden!) Ich bin aber davon überzeugt, daß wir es heuer noch leichter als im Vorjahr schaffen werden, die jungen Menschen einer Ausbildung zuzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme aber wieder auf das Thema "Export" zurück. Ich meine, daß wir eine noch höhere Exportquote brauchen, denn diese allein macht es möglich, Arbeitsplätze zu sichern und auch neue zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Im Vorjahr konnten im Ausland pro Minute österreichische Waren im Gegenwert von 1,36 Millionen Schilling abgesetzt werden. Das sind insgesamt 715 Milliarden Schilling oder knapp ein Drittel unseres Bruttoinlandsproduktes. Das ist eine bedeutende Leistung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unsere Exporte sind meiner Meinung nach nicht rein zufällig im Vorjahr von einem Jahr auf das andere um insgesamt – jetzt darf ich die genaue Zahl nennen – 16,8 Prozent gestiegen. Das ist zurückzuführen auf unsere gezielte Arbeit, daß die Klein- und Mittelbetriebe mit unserer tatkräftigen Unterstützung in ihren Bestrebungen und Anstrengungen, neue Märkte aufzusuchen, unterstützt werden und daß sie dort mit ihren Dienstleistungen, ihren Waren und ihrer Qualität auch ankommen. Die großen Betriebe waren gute Vorreiter, wenn ich das so sagen darf, sie haben Mut gemacht, und die kleinen und mittleren Betriebe werden immer mehr in den Export drängen. Ich erlebe immer wieder, daß die Handelsdelegierten sagen, daß es jedes Jahr viele neue Firmen gibt, die man vorher noch nicht gekannt hat. Ich meine, daß das ein gutes Zeichen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Den Motor dieses Exportbooms stellt in erster Linie die Leistungsfähigkeit unserer Betriebe mit ihren hervorragenden und tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dar, sicher aber auch die konsequente Tätigkeit unserer Außenwirtschaftsorganisation mit 84 Außenhandelsstellen auf der ganzen Welt, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit österreichische Unternehmen beraten, informieren und Kontakte vermitteln. (Beifall bei der ÖVP.) Die Folge dieser Exportsteigerung hat sicherlich auch gute Auswirkungen auf unsere Wirtschaftsdaten und auf die Arbeitsplätze. Die Wirtschaftsforscher erwarten eine weitere Abnahme des Handelsbilanzdefizits – der Herr Wirtschaftsminister hat darauf schon hingewiesen –, wobei zu sagen ist, daß bereits im Vorjahr eine ganz beachtliche Absenkung erreicht wurde.

Meine Damen und Herren! Wirtschaftsforscher sagen – und Exportprognosen lassen dies auch erwarten –, daß sowohl 1998 als auch 1999 die Zahl der Beschäftigten um jeweils 30 000 zunehmen wird. Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen – ich sage das auch ganz deutlich –, daß österreichische Unternehmer im internationalen Wettbewerb mit zu hohen Lohnnebenkosten, mit einer viel zu hohen Zahl an bürokratischen Vorschriften und mit zuwenig Eigenkapital zu kämpfen haben. Das muß man an dieser Stelle natürlich auch sagen, wenn man eine ehrliche Bilanz ziehen will. Natürlich bin ich mit dem Gewerkschaftspräsidenten nicht einer Meinung, wenn er sagt, daß die Arbeitszeitverkürzung auch wichtig wäre. (Abg. Verzetnitsch: Ein wichtiges Mittel!) Sie erhöht auf alle Fälle die Nebenkosten. Alles, was die Lohnnebenkosten erhöht, sollten wir derzeit vermeiden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Lieber Herr Kollege Verzetnitsch! Es wurden in diesem Zusammenhang Frankreich und Italien als Beispiele angeführt. In Frankreich beginnt man gerade damit – man wird erst sehen, wie sich das auswirken wird –, und in Italien beginnt man noch lange nicht damit. (Abg. Haigermoser: Dort haben sich die Kommunisten durchgesetzt, in Italien! Die Kommunisten haben die Regierung erpreßt!) Dort hat man nur gesagt: Wir werden es machen!

Ich habe in der Zwischenzeit mit mehreren Politikern in Italien gesprochen, die gesagt haben: Na ja, wir werden sehen, ob wir überhaupt dazu kommen werden, das wird davon abhängen, wie sich die Wirtschaft entwickelt! – Dieses Mittel der Arbeitsplatzbeschaffung ist meiner Ansicht


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nach immer ein sehr zweifelhaftes, denn ich glaube, daß nur eine starke Wirtschaft, die sich international bewährt, in der Lage ist, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Aber da sind wir anderer Meinung. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Hohes Haus! Die Wirtschaftskammer Österreich hat in diesen Tagen den Bericht "Pro Export" fertiggestellt. Ich darf Ihnen diesen geben – am Ende meiner Rede zunächst einmal dem Wirtschaftsminister und dem Finanzminister; Sie alle werden diesen Exportbericht in Ihren Fächern finden. Da können Sie genau nachlesen, was in den letzten Jahren geschehen ist und wie die Lage der österreichischen Wirtschaft auf den einzelnen Kontinenten, in den Regionen und Ländern ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Bericht beweist jedenfalls die Richtigkeit der Überlegungen hinsichtlich unserer permanenten Aktivitäten im Exportbereich. Er gibt auch einen objektiven Überblick über die Entwicklungen der letzten Jahre aller Kontinente. Er bringt sehr klar zum Ausdruck, daß es nicht genügt, über den Export zu reden, sondern daß man konkrete Maßnahmen setzen muß, damit es zu solchen Leistungen kommt. So werden Sie beispielsweise in diesem Bericht lesen, daß pro Jahr etwa 12 000 Kontaktgespräche geführt werden. Pro Monat bedeutet dies 1 000 Gespräche, die sich, über die ganze Welt verteilt, mit dem Thema Export und der Unterstützung der österreichischen Wirtschaft auf fremden Märkten befassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters gibt es 125 Auslandsveranstaltungen, Messen, die von der Wirtschaftskammer gestaltet werden. Pro Monat bedeutet dies jeweils ungefähr zehn Veranstaltungen, bei denen österreichische Unternehmen in kleinerer oder größerer Gruppe auftreten. Das sind die Zahlen, die zum Erfolg führen.

Meine Damen und Herren! Viel ist in diesen Tagen auch von der EU-Osterweiterung die Rede. Ich weiß, daß eine Mehrheit unserer Mitbürger diesen Bestrebungen mehr als skeptisch gegenübersteht. Ich muß aber auch berichten, daß wir gerade in den davon betroffenen Ländern Mittel- und Osteuropas besonders erfolgreich unterwegs waren beziehungsweise sind. Im Vorjahr gingen in diese Länder Mittel- und Osteuropas bereits 17,6 Prozent aller österreichischen Ausfuhren. (Abg. Haigermoser: Das ist ein Beweis dafür, daß wir die EU-Osterweiterung erst in 50 Jahren brauchen!) Das waren im Jahre 1990 nur ungefähr 11 Prozent; das ist also eine kräftige Steigerung. Um mehr als 70 Prozent hat dieser Export zugenommen.

Bedenken Sie bitte, daß es gerade auch die Exportzuwächse in die sogenannten Reformländer Europas waren – also zu unseren "alten Nachbarn", wenn ich so sagen darf –, die durch diese Erfolge unseren Sprung in die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion leichter gemacht haben.

Meine Damen und Herren! Ich will auch gar nicht die Schwierigkeiten leugnen, die es dabei gibt, selbstverständlich ist das ein gewaltiges Vorhaben, aber mit gezielter Vorbereitung und mit Unterstützung der davon betroffenen Grenzregionen und natürlich auch mit einem angemessenem Zeitplan werden wir, so glaube ich, diese große Aufgabe durchaus positiv meistern können, und zwar zum Vorteil der österreichischen Wirtschaft und damit der österreichischen Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe auch schon gesagt, daß die Exporte ein Garant für Wachstum sind. Deshalb brauchen wir die österreichischen Exportunternehmen neben den Exporthilfen, aber wir brauchen auch – ich sage das sehr deutlich – ein bißchen mehr finanzielle Unterstützung durch den Staat, und zwar vor allem in der Startphase. In Gesprächen, die ich in Klein- und Mittelbetrieben führe, bekomme ich immer zu hören: Wir gehen gerne, aber der erste Schritt ist so schwierig, da brauchen wir ein bißchen Unterstützung! – Diesbezüglich möchte ich meine Gespräche gerne weiterführen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne appelliere ich an die Bundesregierung, die Exportbemühungen der österreichischen Unternehmen noch stärker zu unterstützen, um unser wichtigstes Anliegen, nämlich die Schaffung und die Sicherung von Arbeitsplätzen und damit auch die Absicherung unserer sozialen Grundlagen, auch in Zukunft umsetzen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.01


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.01

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage des Wirtschaftsberichtes hat zumindest zwei Dinge mit Weihnachten gemeinsam: Das erste ist, daß von den Regierungsparteien immer sehr viel Weihrauch gestreut wird und sich die Oppositionsparteien mehr oder weniger erfolgreich bemühen, den Nebel, der dadurch entsteht, ein bißchen zu lüften. Das zweite ist, daß mich das Verhalten der zuständigen Bundesminister immer an den überforderten Menschen vor Weihnachten erinnert, der sich nicht und nicht daran gewöhnen kann, daß Weihnachten am 24. Dezember ist.

Es ist seit Jahrzehnten üblich, daß der Wirtschaftsbericht in der letzten Julisitzung vorgelegt wird. Wir haben den Bericht von Herrn Minister Farnleitner gestern um 18.30 Uhr gefaxt bekommen – vielen Dank! –, jenen vom Minister Edlinger heute früh. Daß jemand in den Wirtschaftsbericht hineingeschaut hat, der erst heute früh vorgelegt wurde, wird man doch nicht im Ernst erwarten. Das ist offenbar die Sommerlektüre, die uns bevorsteht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Feurstein: Das ist etwas zum Nachschlagen!)

Herr Minister Farnleitner! Es ist natürlich positiv – und ich bin sehr froh darüber –, daß endlich eine Reihe neuer Lehrberufe – ich komme auf die Lehrlinge zu sprechen – von den Sozialpartnern nicht nur erfunden, sondern auch abgesegnet worden ist. Was zu klären bleibt, ist natürlich die Qualität der alten und der neuen Berufe, ob sie den Arbeitsmarkterfordernissen entspricht. Es beunruhigt mich auch immer wieder, daß gerade Frauen – in diesem Fall Mädchen – Lehrberufe ergreifen, die ihnen für die Zukunft zumindest vorerst einmal niedrige Einkommen garantieren.

Nach wie vor ist die Lehrberufswahl weiblicher Lehrlinge nicht jene, die man sich wünschen würde, und zum Schluß braucht man sich dann nicht zu wundern – das ist jedenfalls einer jener Faktoren, die dazu beitragen –, daß das Lebenseinkommen der Frauen geringer ist als jenes der Männer.

Herr Bundesminister! Ihre Rede könnte den Eindruck erwecken, daß sich die Situation im dualen Ausbildungssystem wesentlich gebessert hat. Daß sie wesentlich besser geworden ist, kann ich nicht erkennen. Wenn man der heutigen Ausgabe des "Kurier" – also vom 9. Juli –, der sich auf Daten des Arbeitsmarktservice beruft, Glauben schenken kann, wird man in dieser Meinung bestätigt.

Es ist schon richtig, daß die Situation in der Tendenz etwas besser ist, als sie es noch im Jahre 1997 war: 500 Plätze weniger fehlen bei den sofort verfügbaren Lehrstellen, und bei den nicht sofort verfügbaren Lehrstellen fehlen um 1 000 weniger. Aber das ist wenig beruhigend vor dem Hintergrund, daß im Jahre 1997 viele zusätzliche Milliarden in diesen Bereich geflossen sind und daß heuer wieder viele Unternehmen darauf warten, die gleichen Mittel wie 1997 zu bekommen. Dieser Droge müssen sie erst wieder entwöhnt werden.

Herr Bundesminister! Ich habe in Ihrer Rede auch ein Wort zur Frage vermißt, wieviel einerseits der Staat tun kann – darauf haben Sie sich im wesentlichen konzentriert, und das ist auch wichtig und richtig – und was andererseits mit den Firmen ist. Die Einstellung der Firmen zur Ausbildung von Lehrlingen hat sich doch in den letzten fünf bis zehn Jahren eindeutig gewandelt. Zu einem Teil – wir haben das hier schon des öfteren diskutiert – kann man das auch theoretisch begründen. Nichtsdestoweniger darf man die Firmen aus dieser Pflicht nicht entlassen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich hatte letzte Woche das Vergnügen, die Firma Blum in Vorarlberg zu besuchen; ein Modellfall, das muß man wirklich sagen. Das ist ein Familienunternehmen mit rund 2 000 Angestellten, soferne ich mich recht erinnere. Diese Firma hat wirklich ein vorbildliches Lehrlingssystem installiert, und zwar nicht nur deshalb, weil High-tech-Ausbildung geboten wird, weil es für hohe Produktivität sorgt, sondern auch deswegen, weil es abgesehen von der technischen Ausbildung


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am Computer und an den hochmodernen Maschinen, die diese Firma hat, ein ganzheitliches Konzept verfolgt und auch soziale Kompetenzen der Lehrlinge fördert und miteinbezieht: vom Reden über Sprachausbildung bis zum Sich-Präsentieren und so weiter – alles Fähigkeiten, die, wie wir wissen, genauso wichtig sind wie die technischen Fertigkeiten, die man erlernt. Dieser Standard, den die Firma Blum in Vorarlberg aufweist und der bekannt ist, ist nicht der allgemeine Standard der Firmen in Österreich. (Abg. Mag. Peter: Das liegt an den Berufsschulen!) Ich weiß nicht, ob das nur an den Berufsschulen liegt. (Abg. Mag. Peter: Auch!) Das ist ein zweites Problem.

Herr Bundesminister Farnleitner! Daß die Technologiepolitik in Österreich plötzlich ein Erfolg ist, wollen Sie uns aber nicht im Ernst einreden. Es gibt – das wissen Sie genauso gut wie wir alle – bis heute keine Technologiemilliarde, die x-fach versprochen worden ist. Wir alle wissen, daß das Konzept des letzten Jahres des Direktors des FWF, des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, und des Generaldirektors von Siemens von der Politik verschlampt worden ist und nicht verwirklicht wurde.

Wir alle wissen, daß der zuständige Industrieausschuß im Grunde genommen immer nur knapp vor dem endgültigen Entschlafen – nicht nur Verschlafen – bewahrt werden kann. Ich kann jetzt nur sagen: Ich bin gespannt auf das neue Gesetz, das Sie hier angekündigt haben. Aber bis jetzt ist das eines der größten Trauerspiele der fast schon vergangenen Legislaturperiode.

Ich verstehe auch nicht Ihren Jubel über die Patent- und Innovationsbilanz in Österreich. Ich weiß nicht, woher Sie diese Daten haben. Vor drei Tagen, und zwar am Montag, dem 6. Juli, ist im "Standard" ein langer Artikel über die Technologiesituation in Österreich erschienen. Das Wifo und Seibersdorf haben gemeinsam den Technologiebericht 1997 erstellt, aber in diesem Bericht für 1997 ist keinerlei Besserung zu erkennen, und das wird doch nicht 1998 alles ganz anders sein. (Bundesminister Dr. Farnleitner: Geh!)

Auch die Daten stimmen in keiner Weise überein. Einbeziehung von Gebrauchsmustern hin oder her – es kann nur einer von beiden recht haben, Herr Bundesminister: entweder Sie, der Sie etwas anderes behaupten, oder diese beiden Forschungsinstitute. Es ist nämlich ganz egal, was man anschaut: die F&E-Quote oder die Patentanmeldungen oder die sogenannte technologische Zahlungsbilanz, die die Einnahmen und Ausgaben aus dem Handel mit Patenten, Lizenzen und so weiter gegenüberstellt, nirgends sieht man eine Trendwende – jedenfalls nach dem Bericht dieser beiden Forschungsinstitute.

Herr Bundesminister! Ein Detail am Rande – vielleicht könnten Sie, wenn Sie sich noch einmal zu Wort melden, einen kleinen Punkt noch aufklären –: Am Anfang Ihrer Rede sagten Sie unter anderem, daß ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik erforderlich ist – ja, das sehen wir auch so – und erwähnen als Beispiel, daß die Zinssubventionen ein beliebtes Instrument der Wirtschaftspolitik der Vergangenheit waren. Beim FFF erlebt das gerade fröhliche Urständ. Das geht aus Ihrer Rede nämlich hervor. Denn: Was sind denn Kreditzuschüsse, wie Sie das nennen, anderes als Zinssubventionen, außer daß sie in eine sprachlich andere Form gefaßt sind? Das scheint mir verdammt ähnlich zu sein.

Wir Grünen stimmen Ihnen zu, was die Wichtigkeit, die besondere Bedeutung der Firmenneugründungen, der jungen Unternehmen und so weiter betrifft. Es zeigt sich im internationalen Vergleich schon seit langem, daß die netto neuen Arbeitsplätze nicht in der Industrie entstehen, sondern bei den jungen Unternehmen, und zwar vor allem im Bereich des Gewerbes und im Bereich der Dienstleistungen. Dort ist die große Dynamik zu finden.

Sie haben ja recht, wenn Sie hier wiederholt den zu geringen Anteil der Neugründungen in Österreich beklagen. Möglicherweise ist es auch richtig, Lehrstühle für Entrepreneurship, wie Sie das nennen, in Österreich zu gründen, aber eines werden diese Lehrstühle sicher nicht tun, Herr Bundesminister: nämlich "potentielle und zukünftige Unternehmensgründer auf Händen tragen". – Daß das zum Selbstverständnis all jener Institutionen gehören soll, die sich mit jungen Unternehmen beschäftigen, meinen Sie doch nicht im Ernst. Dem nächsten Halbsatz stimme ich absolut zu, wo zu lesen steht: optimale Serviceleistungen wie zum Beispiel Beratung und Infor


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mationen – selbstverständlich! Aber auf Händen werden wir sie nicht tragen, sie sollen Unternehmer werden. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Dr. Farnleitner: Gründen wir zuerst welche!)

Ein bißchen vermißt habe ich auch den Hinweis auf eine weitere Schwachstelle – und zwar eine klassische, typisch österreichische Schwachstelle – im Bereich der Gründung junger Unternehmen, nämlich auf die Venture-Capital-Problematik. Die Banken sind offensichtlich ungeeignet, die Funktion der Finanzierung neu entstehender Unternehmen zu übernehmen. Das zeigt die Erfahrung zur Genüge.

Herr Bundesminister Edlinger! Sie haben zu Recht – das vermerke ich hier positiv – auf die Frage der Bedeutung der Steuerharmonisierung innerhalb der EU im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft hingewiesen. Das ist ein Punkt, in dem wir Sie aus verschiedenen Gründen immer wieder unterstützt haben, und zwar vor allem im Bereich eines Mindestmaßes an Harmonisierung bei der Kapitalertragbesteuerung und, wie ich meine, bei der Körperschaftsteuer. Damit bin ich aber mit meinen positiven Anmerkungen schon fast am Ende, Herr Bundesminister Edlinger. (Abg. Dr. Fekter: Die Redezeit ist eh vorbei!)  – Nein, es sind nur die ersten zehn Minuten vorbei. Ich überziehe jetzt gnadenlos. (Abg. Dr. Fekter: Das ist bei Ihnen nicht so schlimm!) Die Hoffnung haben Sie sich zu früh gemacht.

Herr Bundesminister Edlinger! Es ist eben immer das gut, was die Bundesregierung gerade tut, aber das, was die Opposition, egal welche Fraktion, vorschlägt, ist immer schlecht: Das ist ein ödes Spiel, das hier in diesem Parlament getrieben wird!

Ein kleines Beispiel: Wie oft schon haben wir die Erhöhung der Mittel für die Kinderbetreuungseinrichtungen als eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für die Erwerbstätigkeit und Gleichstellung der Frau gefordert? Soweit ich weiß, habe ich noch im Dezember oder im Jänner im einschlägigen Ausschuß einen diesbezüglichen Antrag gestellt. Er wurde ohne Diskussion niedergestimmt. Höchstens erfährt man privat noch: "Was wollen Sie eigentlich? Wir haben kein Geld!" – Das war alles in diesem Zusammenhang.

Drei Monate später war das Geld selbstverständlich da, und das ist  gut und richtig, weil Sie es beschließen. Aber all das mag ich nicht noch einmal in einem Wirtschaftsbericht lesen, denn das ist ja öd!

Was aber besonders ärgerlich ist, Herr Bundesminister Edlinger, ist der Umstand, daß Sie mit Pathos, im Brustton der Überzeugung über Notwendigkeiten berichten beziehungsweise die Notwendigkeit irgendeiner Handlung betonen und so tun, als ob das, was notwendig wäre, gerade geschähe beziehungsweise von dieser – von Ihnen "effektiv" genannten – Bundesregierung gerade verwirklicht würde, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Das finde ich schon stark!

Zur Frage der Bundesbudgetdefizite, Herr Bundesminister, sagen Sie, wir müßten uns weiterhin darum bemühen, den Abgang der öffentlichen Haushalte in Österreich zu verringern – eine Maßnahme, die uns einhellig auch von vielen namhaften internationalen Institutionen, zuletzt vom IWF, empfohlen wird, und ein Vorgehen, zu dem uns auch der Stabilitätspakt sinngemäß verpflichtet.

Das ist wirklich raffiniert, Herr Bundesminister! Sie stellen hier drei oder vier richtige Sätze aneinander, aber die Kombination dieser Sätze wird einfach dadurch falsch, daß Sie bestimmte Dinge nicht sagen. Was Sie nicht sagen, ist, daß all diese internationalen Institutionen, die Sie zitieren, sagen, daß das strukturelle Budgetdefizit in Österreich jetzt zu hoch ist, nicht irgendwann in der Zukunft, daß diese internationalen Institutionen – aber nicht nur diese! – kritisieren, daß bei der jetzigen Konjunkturlage 1998/99 das Defizit zu hoch ist.

Was wir aber alle anscheinend schon vergessen haben oder was Sie zumindest gerne hätten, daß wir es vergessen, ist, daß wir das Budget für 1999 vor kurzem beschlossen haben, und zwar mit einem Defizit, das den Vorgaben der internationalen Institutionen, die Sie zitieren, in keiner Weise entspricht. – Okay, ich nehme das als interessanten Versuch, Weihrauch zu streuen, und zwar vielleicht als einen mißlungenen Versuch.


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Ich glaube auch nicht, daß die nachhaltige Verbesserung, die Sie für das Budget 1998/99 beschwören, stimmt. Das kann ja gar nicht stimmen, wenn Sie gleichzeitig die internationalen Institutionen zitieren, die das Gegenteil sagen, nämlich, daß es keine nachhaltige Verbesserung gibt.

Im übrigen, Herr Bundesminister, sollten Sie sich noch einmal zu Wort melden, würde ich von Ihnen gerne folgendes erfahren: Wir alle wissen, daß die Mittel für Lehrlinge im Jahre 1997 zwar in positiver Absicht – das gestehen wir zu –, aber schon im Vorgriff auf das Jahr 1998 vergeben wurden, sodaß heuer diese Mittel fehlen. Was ist eigentlich mit den zusätzlichen 10 Milliarden Schilling, die Sie für 1998 schon eingenommen haben? Ich meine die Gewinne aus der Nationalbank, die weit höher waren als prognostiziert, und die Bundesanteile an der Bank Austria, die gerade an die Dresdner Bank und an andere Interessenten verscherbelt worden sind. Das sind insgesamt mindestens 10 Milliarden Schilling. Ist da nicht auch etwas für die aktive Arbeitsmarktpolitik drinnen?

Herr Bundesminister! Zum Schluß: Wir danken Ihnen sehr dafür, daß einmal mehr ein deutliches Bekenntnis zur ökologischen Steuerreform in Ihrer Rede vorgekommen ist. (Abg. Ing. Langthaler: Seit zehn Jahren!) Seit zehn Jahren! – Der Faktor Arbeit soll entlastet werden, der Ressourcenverbrauch stärker belastet werden. Wunderbar! Aber wissen Sie, wie müde man dieser Bekenntnisse wird? Was hat es für einen Sinn, immer wieder diese Bekenntnisse abzugeben? Wenn Sie es machen wollen, dann machen Sie es doch! (Abg. Verzetnitsch: Gemeinsam!) Machen wir es doch gemeinsam! Da brauchen wir... (Abg. Verzetnitsch: Schwierig!) Schwierig. In Gottes Namen, Sie sind die Regierung, nicht wir!

Wenn Sie es seit Jahren ankündigen, werden Sie es eines Tages wohl auch zusammenbringen. Der Grund, daß es keine Mittel im Budget gibt, kann da keine Ausrede sein. Wir Grünen haben eine hoffentlich diskussionswürdige Grundlage erstellt und haben Ihnen hoffentlich dadurch etwas Arbeit erspart. Das Ganze ist strikt aufkommensneutral. Wenn man es will – Sie werden es selbstverständlich nicht genauso machen, das ist schon klar –, kann man es machen. Wir werden Ihnen zustimmen, denn für gute Ideen, selbst wenn Sie unser Konzept Punkt für Punkt, Beistrich für Beistrich übernehmen sollten, soll es kein Copyright geben. Wir werden dann das Konzept Edlinger loben. (Beifall bei den Grünen.)

11.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Bundesminister Dr. Farnleitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

11.17

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Da ich zu verschiedenen Sachen gefragt und angesprochen wurde, möchte ich gleich antworten.

Zuerst zu jenen Dingen, die Herr Professor Van der Bellen gesagt hat. Erster Punkt: Venture Capital. Ich lade Sie gerne dazu ein, mit mir die Unterlagen durchzugehen. Wir haben im Augenblick 5 Milliarden Schilling nicht beanspruchtes Venture Capital in Österreich. Wir brauchen mehr Projekte, und nicht mehr Forderungen nach Venture Capital. Ich habe dieser Tage die Stiftung für einen neuen Venture Capital-Fonds mit der "Horizonte Venture Management GmbH" unterschrieben, wobei wir uns auf Biotechnik und Telekomtechnologie konzentrieren werden. Aus 150 Millionen Schilling sind rund 500 Millionen Schilling geworden. Wir haben auch dort Projekte. Aber lassen wir Standardklagen einmal beiseite; darüber können wir uns noch auseinandersetzen. Wir haben im Augenblick genügend Institutionen und Einrichtungen. Es mangelt uns zum Teil an Projekten. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: neue Unternehmen und Statistiken. Sie finden in meiner Rede zwar keinen Hinweis darauf, aber ich habe es hier sicher schon ein paarmal gesagt: Wir müssen einen Auftrag an mehrere Institutionen vergeben, damit wir endlich eine vernünftige Neugründerstatistik in Österreich erreichen. Bis jetzt zählen die einen, wie der Kreditschutzverband, nur die protokollierten Unternehmen, die anderen, wie die Wirtschaftskammer, zählen nur Gewerbemitgliedschaften, also Gewerbeberechtigungen, aber wir haben aber keinen hinreichenden Überblick über die Zahl der selbständigen Gründungen. Ich nehme an, daß die neue Statistik im Septem


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ber als Modell zur Verfügung stehen wird, sodaß wir vielleicht bei der nächsten Auseinandersetzung im Detail darüber werden reden können.

Zur Frage der Subventionspraxis im FFF möchte ich deutlich sagen: Die Politik dort ist folgende – das habe ich hier mehrmals erklärt –: Mit Ausnahme der ganz kleinen Unternehmen, die kaum Eigenkapital haben und daher auf Kreditfinanzierung angewiesen sind, hat das Instrument der Zinsstützung ausgedient. Dort haben Haftungen eingesetzt zu werden, denn die großen Investoren, die in Österreich Forschungsprojekte beantragen, liegen liquiditätsmäßig weit besser als die Institutionen, die wir hier repräsentieren. Aber das ist eine Umstellung der Politik, die jetzt vorgenommen wurde.

Zur Frage der Technologieeinschätzung: Was den Industrieausschuß betrifft, so geht mich das zwar nichts an, aber ich erlaube mir als Beobachter folgendes zu sagen: Ich würde mich freuen, wenn wir dort einmal eingeladen würden und uns mit dem auseinandersetzen könnten, was an den aufgestellten Behauptungen wirklich stimmt. Ich bin es wirklich leid, daß die Forschungsinstitute jedes Jahr zur sauren Gurkenzeit dieselben Ziffern liefern und sagen: Wenn Österreich 2,5 Prozent des Budgets für Forschung ausgäbe, hätten wir eine bestimmte Höhe von Forschungsausgaben, die haben wir aber nicht, daher brauchen wir 20 Milliarden Schilling mehr!

Ich sehe weder aus dem FFF eine Projektlücke, noch sehe ich sie aus dem FWF. Es wird von einem der Koautoren des Forschungskonzeptes argumentiert, daß zu viele Institute nur forschen, um auf dem Stand der Wissenschaft bleiben, aber nichts weitertreiben. Daher würde ich gerne eine Diskussion in diesem Bereich mit allen Beteiligten führen.

Nochmals zur generellen Situation auf dem Lehrstellenmarkt. Den zweiten Teil des "Kurier"-Artikels haben Sie nicht vorgelesen, denn darin wurde auch die Wirtschaftskammer gefragt. Diese Woche fand ein Meeting aller Lehrstellenverantwortlichen statt, und dabei sind wir draufgekommen, daß in den meisten Bundesländern die bisher etablierten Projektgruppen keine Probleme auf dem Lehrlingsmarkt sehen – ausgenommen Oberösterreich, Wien und Steiermark; dort werden wir Probleme bekommen. Aber schon jetzt mit diesen "Alarmmeldungen" an die Öffentlichkeit zu gehen, ist wirklich eine sommerliche Zeitungsente.

Wir haben jedes Jahr dasselbe Phänomen, daß es etwa 3 000 aus vielen Gründen nicht vermittelbare Jugendliche gibt, die auch aus dem Markt verschwinden – in Dänemark wirft man sie nach kurzer Zeit überhaupt aus dem Markt –, und es bleiben uns jedes Jahr etwa 4 000 problematische Fälle übrig, bei denen wir aus regionalen, funktionellen Gegebenheiten Probleme haben. Für diese wird aber heuer mit den Lehrgängen rechtzeitig Vorsorge getroffen werden.

Herr Abgeordneter Peter hat mich zum Thema Pfusch angesprochen. Ich unterschreibe all das, nur gestatten Sie mir zu sagen: Daß in Österreich viel organisierter Pfusch dann beginnt, wenn die Behörden schließen, ist auf die Dauer nicht sinnvoll. Das hat nichts mit zu hohen Kosten zu tun, sondern das ist ein organisierter Markt geworden, der davon profitiert, daß die Behörde wegschaut. Da könnten wir locker Geld für viele Maßnahmen hereinbekommen. (Abg. Haigermoser: Die Konvergenzkriterien ...!)

Herr Präsident Verzetnitsch hat von Arbeitszeitverkürzung gesprochen. Dazu nur ein Aperçu: Ich wurde unlängst von Herrn Ciampi und von meinem französischen Kollegen Pierret gefragt, was Österreich zur Arbeitszeitverkürzung in Italien und Frankreich sagt. Ich habe geantwortet: Als Wirtschaftsminister gratuliere ich im Namen der österreichischen Wettbewerbsfähigkeit! – Soweit sind wir in der innereuropäischen Diskussion. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Peter. )

Zur Baukonjunktur – ich habe das auch kurz in meinem schriftlichen Text angesprochen: Beide Bauverbände, mit denen wir in Kontakt stehen, haben hinsichtlich Vergabe- und Entscheidungspraxis in meinem Haus keine Probleme. Es wurde ja eine Diskussion darüber angezettelt, wann der Straßenbau finanziell einbrechen werde. Auch dazu sei deutlich gesagt: Die ASFINAG kann ihre Rechenkreise bis zum Jahre 2001 mit allen Projekten, die derzeit im Laufen sind, vorantreiben. Dann wird es an der Zeit sein, daß das vorgesehene Road-Pricing für Lkw umgesetzt wird. Entsprechende Aufträge sind an die ASFINAG ergangen. Wir können auch im Hinblick auf


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das, was unsere deutschen Nachbarn vorhaben, durchaus damit rechnen, daß es zu diesem Zeitpunkt dazu kommen wird und die Projekte weiter finanziert werden können.

Zur Entbürokratisierung: Wenn man mich mißt, dann möge man mich daran messen, was mein Haus verantwortet, und nicht daran, was ich bei anderen nicht verhindern kann. Wir erledigen alleine 50 000 COPCOM-Genehmigungen, also Warenexportgenehmigungen, im Online-Service, wir bearbeiten auch 25 000 CITES-Verfahren für seltene Tierrassen im Online-Verfahren, was Entbürokratisierung bedeutet. Wir haben jene Statistiken, die mein Haus zu verantworten hat, zum Teil radikal vereinfacht, daher bitte mich an den ... (Abg. Haigermoser: Ich sage nur: Euroabgabengesetz!)

Wenn Sie es gelesen haben, werden Sie draufkommen, daß das Euroabgabengesetz von der Auswirkung her liberaler ist als die berühmte Übereinkunft der europäischen Verbände über die freiwillige Auszeichnung. Bitte vergleichen und mir nichts erzählen! (Abg. Mag. Mühlbachler: Er hat es ja nicht gelesen!)

Zur Eigenkapitaldiskussion: Abgeordneter Haider ist jetzt nicht da. Man muß zunächst einmal davon ausgehen, daß in jenen Unternehmensbereichen, in denen heute 95 bis 97 Prozent an Fremdkapital vorliegen – nämlich Tourismus und Kleingewerbebetriebe –, die drückende Altzinsenlast die Betriebe umbringt. Daher ist das Umfinanzierungsprogramm das wichtigste, was man tun kann. Soviel kann ein Unternehmer gar nicht verdienen, um diese Effekte zu erzielen.

Ich halte nichts vom Leitl-Modell. Ich persönlich bin – wie viele Experten – eher der Meinung, daß es derzeit klüger wäre, das eingesetzte Eigenkapital im Betrieb mit denselben Zinsen wie Fremdkapital oder die Sekundärmarktrendite zu akzeptieren, dann gäbe es endlich einmal einen vernünftigen Anreiz, das Geld in den Betrieb und nicht auf dem grauen Markt zu investieren.

Soviel zu den Überlegungen, die im Zusammenhang mit meinen Ausführungen angestellt worden sind. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Peter. )

11.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny zu Wort gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.24

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Mein geschätzter Kollege Van der Bellen hat ja recht. Diese Debatte zum Wirtschaftsbericht hat einen gewissen rituellen Charakter. Das Ritual besteht darin, daß sich die Oppositionsparteien bemühen, möglichst viel Schlechtes oder Probleme aufzuzeigen, und das ist zugegebenermaßen ein Anreiz für Vertreter der Regierungsparteien, die positiven Seiten hervorzuheben. (Abg. Mag. Peter: Und Sie müssen besonders viel jubeln!) So ist es.

Ich möchte heute versuchen, aus diesem Ritual ein bißchen auszubrechen und ein etwas differenzierteres Bild zu zeichnen.

Es wird ja wohl kaum jemand ernsthaft bestreiten, daß wir im Augenblick in Österreich hervorragende Wirtschaftsdaten haben. Die Prognosen sind im Laufe dieser Woche sogar noch hinaufgesetzt worden. Das ist, glaube ich, ein Faktum, das wir außer Streit stellen müssen.

Richtig ist natürlich, daß diese positiven Wirtschaftsdaten nicht nur auf die Tätigkeit der Regierung zurückzuführen sind, was ja auch niemand behauptet hat. Wenn man sich allerdings – und das ist schon wichtig – an die Wirtschaftsdebatte erinnert, die wir vor einem Jahr geführt haben, welche Kassandrarufe da ergangen und welche Überlegungen angestellt worden sind, wie diese Regierung der Wirtschaft schaden wird, dann muß man schon sagen: Die Zahlen, die jetzt vorliegen, zeigen eindeutig, daß die Maßnahmen der Bundesregierung diesen Wirtschaftsaufschwung nicht nur nicht behindert, sondern sehr wohl dazu beigetragen haben, daß wir heute eine positive Wirtschaftsentwicklung haben – wesentlich besser, als viele erwartet haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Nun gibt es aber natürlich auch Probleme, und ich möchte mich angesichts der Kürze der Redezeit auf zwei Bereiche konzentrieren: der eine ist der Arbeitsmarkt, der andere das Budget.

Wir haben in Österreich erfreulicherweise die niedrigste Arbeitslosenrate nach Luxemburg. In diesem Zusammenhang wird immer das Argument gebracht: Wir haben ja so viele versteckte Arbeitslose. – Nun gibt es sicherlich gewisse Bereiche, die quasi latent sind und nicht in den Arbeitslosenzahlen aufscheinen, aber das ist kein speziell österreichisches Phänomen. Die wirklich relevante Aussage ist jene, wieviel Prozent der Bevölkerung am Arbeitsmarkt teilnehmen, also die Erwerbsquote. Und da zeigt sich eben, daß Österreich im EU-Durchschnitt eine der höchsten Erwerbsquoten hat. Diese Leute können nicht versteckt sein, das sind die Leute, die tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt sind. Gerade an der Kombination von niedriger Arbeitslosenrate und hoher Erwerbsquote zeigt sich ja der Erfolg der österreichischen Arbeitsmarktpolitik. Inzwischen ist es auch so, daß dieses österreichische Modell europaweit immer mehr Interesse findet und sehr viel öfter diskutiert und zur Nachahmung empfohlen wird, als das viele in diesem Haus wahrhaben wollen.

Natürlich – das muß man auch sagen – hat dieser Einsatz für den Arbeitsmarkt viel Geld gekostet – sei es im Rahmen der direkten Arbeitsmarktförderung, seien es Maßnahmen im Lehrstellenbereich, seien es indirekte Maßnahmen. Aber ich muß sagen: Zu diesem Einsatz des Budgets bekennen wir uns! Und das ist genau jener Punkt, der für uns Sozialdemokraten eine sehr eindeutige Priorität hat, weil wir genau wissen, daß nichts für einen Menschen schädlicher ist, daß nichts sein Wesen, seine Entwicklungschancen so sehr beeinflußt wie Arbeitslosigkeit – im speziellen Fall Jugendarbeitslosigkeit. Daher hat das für uns Priorität, und daher sind wir auch bereit dazu, dafür Budgetmittel einzusetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein. )

Diesbezüglich möchte ich einige Hinweise zur Budgetentwicklung geben. Ich glaube, das muß man im Zusammenhang sehen. Es ist richtig: Es gibt heute eine Reihe von Staaten in der EU, die niedrigere Nettodefizite als Österreich haben. Zum Beispiel haben sämtliche skandinavische Staaten derzeit Budgetüberschüsse. Schweden hat in diesem Jahr 0,5 Prozent Überschuß, Finnland hat 0,3 Prozent Überschuß. Aber man muß sich doch gleichzeitig auch die Arbeitslosenraten anschauen: Schweden hat eine Arbeitslosenrate von 9 Prozent, Finnland von 11,6 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. ) Wenn man diese Zahlen im Zusammenhang sieht, dann hat Österreich zweifellos die bessere Kombination gewählt: nämlich eine Budgetkonsolidierung mit Augenmaß und gleichzeitig Erfolge im Bereich des Arbeitsmarktes. Ich meine, das ist die Kombination, auf die es ankommt und die wir auch weiterführen wollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

11.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Es ist heute schon gesagt worden: Es ist der 9. Juli, der Urlaub naht, und die Urlaubsreden kommen wie das Amen im Gebet. Sie sind letztes Jahr am 8. Juli gehalten worden, heuer einen Tag später, und beide Reden strotzen vor Allgemeinheiten. Ich sage Ihnen: Die beiden Herren Minister werden in die Geschichte eingehen: der eine als Belastungsminister und der andere als Bewahrungsminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn der Herr Finanzminister von einem Sparpaket redet, bei dem der überwiegende Anteil Belastungen sind, dann kann ich nur sagen: Wo ist da der Spareffekt? Wo ist der Struktureffekt? Auch das ist heute schon mehrfach zitiert worden.

Wenn ich meinen Mitarbeitern im Jahr 1998 drei zusätzliche Löhne aufgrund besonders guter Leistung bezahle, dann werden sie zu mir kommen und sagen: Herr Prinzhorn, wissen Sie, wofür das gut war? Nur, um den unersättlichen Appetit des Herrn Finanzministers auf weitere Lohnsummensteuererhöhungen und Abgaben auch heuer wieder stillen zu können. Uns bleibt


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von dem Ganzen überhaupt nichts. – Das ist die kalte Progression, das ist Ihr kalter Blick! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Wo gibt es 100 Prozent Grenzsteuer?)

Wenn Sie sagen, daß Sie sehr schlau sind, dann gebe ich Ihnen schon recht. Nur hat man im Finanzsektor nicht schlau zu sein, sondern man hat etwas zu tun, was die Zukunft saniert und nicht belastet. Sie belasten aber die Zukunft unserer Kinder – egal, ob durch eine Pensionsregelung oder eine Abgabenquote. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt derzeit die interessante Situation, daß Sie als ECOFIN-Präsident Aussagen machen, zu denen Sie dann als österreichischer Finanzminister stehen müssen. Zum Beispiel haben Sie gemeint: Ich sage als Präsident der ECOFIN, ein gutes Konjunkturjahr muß dazu verwendet werden, um Schulden abzubauen. – Und was machen Sie in Österreich? – Also offensichtlich haben wir zwei Edlinger: einen, der in Brüssel als Präsident der ECOFIN redet, und einen, der in Österreich genau das Entgegengesetzte von dem macht, was er als ECOFIN-Präsident seinen anderen Partnern empfiehlt.

Bei der Abgabenquote machen Sie es ganz genauso. Sie weigern sich einfach, die Eustat anzuerkennen und overrulen sie mit der Östat. Sie nehmen die Östat-Daten auf Östat-Papier von 44,8 Prozent her und behaupten, daß das die Zahlen von 1996 sind. Dabei wissen Sie, daß uns die Eustat auf 45,7 Prozent festgelegt hat und die Holländer darunter liegen. Sie handeln wider besseres Wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Falsche Daten!)

Aber wie gesagt, ein Jahr, in dem man 70 Milliarden Schilling auf die Schulden dazulegt, in dem man bereits einen Schuldendienst in dreistelliger Milliardenhöhe hat, obwohl die Zinsen zurückgegangen sind, mag für Sie vielleicht kurzfristig "schlau" sein. Für das Unternehmen Österreich und die Finanzsituation Österreichs ist das in höchstem Maße belastend.

Herr Minister Farnleitner hat gesagt, wie "toll" sich die österreichischen Unternehmen im Jahre 1998 doch entwickelt haben und wie "toll" sich der Kfz-Bereich entwickelt hat; die Dieselmotoren seien der neue Renner. – Umso trauriger ist es, daß Sie, Herr Minister, zugesehen haben, wie man dieses echte Kompetenzzentrum der Kfz-Industrie im heurigen Jahr an das Ausland verkauft hat. Darauf sind Sie heute so besonders stolz gewesen, auf dieses Kfz-Cluster, das wir in Österreich haben. Die Firma Steyr-Daimler-Puch, die heuer verschleudert wurde, ist wirklich ein Juwel gewesen. Sie ist verschleudert worden! Wir Freiheitliche werden in den nächsten Tagen eine Sachverhaltsdarstellung an den Staatsanwalt übermitteln, wie Sie, Herr Minister Edlinger, in diesem Zusammenhang auf die Kleinaktionäre aufgepaßt haben und wie Sie, Herr Wirtschaftsminister, Kompetenzzentren, die Sie selbst heute vorgestellt haben, ich möchte fast sagen, weit unter dem Wert an das Ausland verschleudert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gott sei Dank gibt es ja auch ein paar Ehrliche in den Reihen hier. Es tut mir besonders leid, daß die Liberalen immer wieder Fakten, die wir Freiheitliche aufzeigen, mit Skandalisierung verwechseln. Wenn eine Oppositionspartei einmal so weit gekommen ist, daß sie Fakten als Skandalisierung auffaßt, dann wird sie nicht mehr lange Oppositionspartei sein – sosehr ich viele andere Ansätze rein strukturpolitischer Art von dieser Seite begrüße.

Aber auch Herr Verzetnitsch ist natürlich sehr ehrlich, denn auch er kritisiert die Langzeitarbeitslosigkeit. Er sagt, daß wir in weiten Bereichen Schlußlicht sind, insbesondere was die Arbeitszeit betrifft. Aber trotzdem verlangt er eine Arbeitszeitverkürzung, damit wir noch weiter absinken in unserer Wettbewerbsfähigkeit. Da ist er ein sehr zwiespältiger Mann.

Herr Abgeordneter Maderthaner hat dem Herrn Wirtschaftsminister schon einigermaßen die Leviten gelesen, wenn man genau hingehört hat. Aber, wie gesagt, er muß ja heute auch keine Urlaubsrede halten. Sie, Herr Minister, gehen ja auf Urlaub.

Herr Van der Bellen gibt der ÖVP Nachhilfeunterricht – Ihnen gibt er Nachhilfe, Herr Minister! – in Sachen Marktwirtschaft. Sagen Sie, wie tief ist die Wirtschaftskompetenz beziehungsweise der Liberalisierungsgedanke Ihrer Wirtschaftspolitik in der ÖVP gesunken? Das muß ich Sie


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wirklich fragen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Dr. Farnleitner: Haben Sie zugehört?)

Abschließend: Schreiben Sie sich die Kritik von Herrn Felderer, die Kritik von Herrn Kofler in Ihr Stammbuch, Herr Minister Edlinger. Die Entlastung im Lohnsteuerbereich ist dringend notwendig, ebenso die verabsäumte Budgetentlastung auf der Ausgabenseite. Sie sind nicht einmal imstande, die Wohnbauförderung von einer Objektförderung auf eine Subjektförderung umzustellen. Nicht einmal zu einer Mindestreform, die wirklich strukturell etwas gebracht hätte, sind Sie imstande.

Ich muß Ihnen sagen: Sie haben sich von allen Reformen abgewendet. Das einzige, was bei Ihnen im Vordergrund steht, ist, Urlaubsreden zu halten, die Steuern möglichst hoch zu halten und die Statistiken zu verschleiern. Und das ist mir zuwenig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Herr Prinzhorn, Sie verlieren Niveau!)

11.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Edlinger. – Bitte, Herr Minister.

11.36

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Politik ist durch verschiedene Faktoren geprägt. Einerseits – und das spricht für die Demokratie – ist es legitim, daß man unterschiedliche Auffassungen vertritt. Ich bin ja eigentlich sehr froh darüber, daß meine politischen Auffassungen nicht deckungsgleich mit jenen sind, die beispielsweise Herr Abgeordneter Prinzhorn hier vertreten hat. Das ist ja an und für sich kein Unglück. Die Reife der Demokratie und das Prinzip des Parlamentarismus bestehen darin, daß man auch dann, wenn man unterschiedlicher Meinung ist, auf der Basis von Fakten bleibt und bestimmte Diktionen vermeidet, weil sie die Diskussion erschweren.

Zunächst zu der sehr von sich selbst überzeugten Feststellung, die beiden Minister hätten Urlaubsreden gehalten. Ich kann Ihnen erstens sagen, ich mache heuer keinen Urlaub, weil ich zuviel Arbeit habe. Ich habe zweitens auch viele Debattenbeiträge subjektiv als Dutzendbeiträge empfunden, und ich würde mir nicht anmaßen, das so zu sagen. Und drittens: Wenn Sie meinen, ich sei ein Belastungsminister und mein Kollege sei ein Bewahrungsminister, dann sind Sie ein Übertreibungs-Gott-sei-Dank-Nicht -Minister. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Denn eigentlich ist alles, was ich von Ihnen höre, die Kumulation unterschiedlicher Forderungen.

Wenn ich mir ... (Abg. Dr. Krüger: Die kalte Progression können Sie doch nicht leugnen!)  – Ich leugne überhaupt nichts! Ich habe selbst gesagt, daß die Steuerreform 2000 darauf Rücksicht nimmt, daß es Effekte der kalten Progression gibt, und wir werden daher Korrekturen vornehmen. (Abg. Dr. Krüger: Das ist nichts anderes als eine schleichende Steuererhöhung!) Aber wenn Sie immer so tun, als ob das kein Aspekt meiner Überlegungen wäre, obwohl ich das schon zehnmal oder noch öfter gesagt habe (Abg. Dr. Krüger: Von Überlegungen hat man leider nichts!), dann kommt zur Bezeichnung "Übertreibungs-Gott-sei-Dank-Nicht-Minister" auch noch "schwerhöriger Gott-sei-Dank-Nicht-Minister". (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist Polemik!)  – Wieso? Ich stelle ja nur fest, daß Herr Prinzhorn kein Minister ist, und das ist ein Faktum. Das ist, glaube ich, keine Polemik.

Wir haben gestern begonnen, über Statistiken und Interpretationen zu diskutieren. Natürlich sind Statistiken äußerst interessant, sie ändern nur an bestimmten Situationen gar nichts. Würde es gelingen, durch Statistiken irgendwelche Maßnahmen zu verändern, würde ich mir täglich Statistiken wünschen. Ob jetzt der Herr ... (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ob 70 Milliarden Budgetdefizit herauskommen oder nicht?!) Das ist ja keine Statistik, sondern das ist auch ein Faktum. Dafür brauche ich keine Statistik.

Herr Abgeordneter Prinzhorn, ich hoffe, daß wir einmal die Gelegenheit haben werden, das zu diskutieren. Sie haben gesagt, der Schuldenabbau sei wesentlich. Ein anderer Redner der Freiheitlichen, der jetzt nicht anwesend ist, hat gemeint, eigentlich sollte man die Steuerquote senken. Es wurde eine Reihe von Maßnahmen, die ohne jeden Zweifel Kosten verursachen, urgiert.


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Dankenswerterweise hat Herr Professor Van der Bellen bei einer der letzten Nationalratssitzungen vorgerechnet, wohin Ihre Forderungen führen. Daher möchte ich es mir einfach machen und nur resümieren.

Die Kumulierung der Forderungen, von der ich immer wieder höre, ergibt keinen Sinn. Wenn man seriöse Politik macht, muß man versuchen, das Gesamtheitliche auch in der Politik zu beurteilen. Sie haben gesagt, Schönwetterreferate wurden gehalten. – Das gebe ich schon zu. (Abg. Dr. Krüger: 45 Prozent Abgaben sind unerträglich!) Ich habe das in einigen Passagen meiner Rede durchaus gesagt, es ist zwar nicht gedruckt worden, ich habe es aber gesagt, weil ich es handschriftlich in mein Manuskript eingefügt habe, daß ich nämlich keinesfalls davon ausgehe, daß in Österreich alle Probleme gelöst werden können. Überhaupt nicht! Wir müssen ganz einfach mit einer positiven Einstellung und mit der Überzeugung, daß wir es gemeinsam mit den Menschen dieser Republik schaffen werden, die Rahmenbedingungen verbessern, wie dies notwendig ist, um unsere Chancen innerhalb der Union wahrnehmen zu können. Das ist eigentlich das, von dem ich bei dieser Diskussion ausgehe. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Sie erwarten noch Freude beim Steuerzahler!)

Ich erwarte keine Freude beim Steuerzahler, sondern ich weiß, daß die Österreicher froh darüber sind, in diesem Lande zu leben, in einem Lande mit großer sozialer Sicherheit und hoher Lebensqualität; und das kostet eben einiges. Das kann man nicht mit anderen Ländern vergleichen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Und saubere Seen!) Dazu bekenne ich mich auch. Ich freue mich darüber, daß die Österreicher nicht nur als Fußballfans, sondern auch überhaupt gerne Österreicher sind. (Abg. Dr. Krüger: Saubere Seen haben wir auch!) Das muß man wirklich in aller Deutlichkeit sagen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haigermoser: Dürfen wir uns auch freuen, daß wir in diesem Land leben? Ich freue mich riesig!)  – Aber selbstverständlich! Aber vielleicht könnten Sie manchmal auch sagen, daß Sie sich freuen, daß Sie in diesem Lande leben, Herr Abgeordneter. Machen Sie doch nicht alles mies, was in unserem Lande passiert! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich bin Herrn Abgeordneten Peter wirklich sehr dankbar für seine Ehrlichkeit. Herr Abgeordneter Peter! Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, weil ich nie geglaubt hätte, daß sich ein Abgeordneter hier herstellt und meint, daß die logische Konsequenz seines Diskussionsbeitrages eigentlich der massive Abbau der sozialen Komponenten in unserem Staate ist. Sie haben das ganz klar gesagt; ich bin Ihnen dankbar dafür, und dann wird Ihnen auch niemand etwas unterstellen.

Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, daß mir die soziale Realität in unserem Lande auch aus der Perspektive, aus der ich die Politik beurteile, sehr viel wert ist. Ich bin sehr froh darüber, daß es überhaupt keine Differenzen innerhalb der Koalitionsregierung hinsichtlich dessen gibt, daß wir in einem sozialen Lande leben und daß es dabei auch bleiben soll. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich gebe Ihnen aber recht, Herr Abgeordneter Peter, daß in Österreich manche Dinge langsamer vonstatten gehen als anderswo, denn Österreich ist ein Land, in dem von unserer historischen Tradition her eine Politik des Konsenses und des Kompromisses betrieben wird. Österreich ist ein Land, das eine sehr zivilisierte Form der Konfliktaustragung, was auch immer mehr von unserer europäischen Partnern bemerkt wird – teilweise über diese Partnerschaft, aber auch über andere Institutionen –, entwickelt hat. Es dauert bei uns manches länger, es ist vielleicht manches nicht so effektiv, aber wir ersparen uns jene politische Polarisation und Eskalation, die Menschen auf die Straße zwingt und die letztendlich volkswirtschaftlich viel größeren Schaden verursacht als das, was wir in unserem Lande vorfinden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haigermoser: Erzählen Sie keine Geschichten!) Das ist ein weiterer Grund dafür, warum ich gerne Österreicher und vor allem Politiker in diesem Lande bin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Debattenbeitrag des Herrn Professors Van der Bellen etwas sagen. Es ist richtig – und ich nehme das zur Kenntnis –, daß Sie kritisieren, daß ich in meiner Rede nicht auf die Notwendigkeit der Senkung des strukturellen Defizits hingewiesen habe. Aber Sie wissen, Herr Professor Van der Bellen, daß ich dies bereits mehrfach in der Öffentlichkeit gesagt habe. Der Unterschied – und ich glaube gar nicht, daß der zu Ihnen besteht, sondern zu anderen, die das strukturelle Defizit kritisieren – liegt allerdings

 


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darin, daß die Frage zu beantworten ist, wann korrigiert werden soll. Ich habe hier in diesem Hause mehrfach gesagt, daß es eine wichtige Aufgabe war, die große Zahl von Einmalmaßnahmen des Konsolidierungspaketes 1996/97 durch nachhaltige Maßnahmen zu ersetzen. Das war das Ziel dieses Schrittes. Wir müssen das strukturelle Defizit meiner Einschätzung nach um mindestens 1 Prozent absenken, zumindest in jener Zeitdimension, in der der derzeitige Konjunkturzyklus noch hält.

Das muß im Rahmen der Steuerreformkommission mitberücksichtigt werden. Ich fühle mich hier nicht ertappt, sondern ich habe es heute nur nicht in meiner Rede erwähnt, weil ich meine, daß die Steuerreform zu einer Reihe von Notwendigkeiten struktureller Veränderungen in der Steuerstruktur und auch da oder dort zu Tarifsenkungen führt. Diese sehr wichtige Frage des strukturellen Defizits und der Verringerung desselben – das ist gar keine ideologische Frage, sondern eine Frage einer vernünftigen Zweckmäßigkeit – bedeutet, tatsächlich eine Budgetstruktur zu haben, die es uns gestattet, im Falle einer "Konjunkturdelle" jenen Atem zu haben, den wir dann brauchen werden, um auch Politik in diesem Lande machen zu können.

Ich werde die Steuerreform daher auch nach diesen Grundsätzen vorbereiten. Und: Danke für die Urgenz, Herr Professor. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.46

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich mit Ihren Ausführungen, Herr Abgeordneter Prinzhorn, nicht mehr auseinandersetzen, das hat der Herr Finanzminister bereits getan. Eines ist jedoch eindeutig: Sie haben hier nicht zu jenen Problemen, mit denen wir heute konfrontiert sind, und zu jenen Anliegen, die von den beiden Ministern vorgetragen wurden, Stellung genommen. Ich unterstelle Ihnen nicht, schwerhörig zu sein, aber ich unterstelle Ihnen (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ich habe dazu schon Stellung genommen!), daß Sie manche Vorschläge und manche konstruktiven Beiträge einfach nicht hören und nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Das wollen Sie nicht, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Reden Sie mit dem Herrn Sausgruber!)

Das Problem der Sanierung des Budgets, Herr Abgeordneter Prinzhorn, ist seit drei Jahren ein echtes Anliegen dieser Bundesregierung. Das können Sie nicht wegdiskutieren, Herr Abgeordneter Prinzhorn! (Beifall bei der ÖVP.) Sich hier herzustellen und zu sagen, es seien keine Erfolge erzielt worden, ist einfach falsch. – Es sind sehr wohl Erfolge erzielt worden, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Zum Thema Beschäftigungspolitik sage ich Ihnen folgendes: Für uns steht heute die Beschäftigungspolitik im Mittelpunkt der Diskussion. Es gibt nicht mehr die Vollbeschäftigung der siebziger Jahre, meine Damen und Herren. Aber eines sage ich Ihnen auch ganz klar – das sage ich sowohl Herrn Abgeordneten Van der Bellen als auch den Abgeordneten von der FPÖ –: Wir akzeptieren keine Trends, die auf eine 70 : 30- oder 50 : 50 Prozent-Gesellschaft hindeuten, daß nämlich nur noch 70 Prozent der Menschen Arbeit haben, aber 30 Prozent der Menschen ohne Arbeit sind. Und noch weniger akzeptieren wir den Trend in Richtung 50 : 50 Prozent. Dieser Entwicklung sind wir entgegengetreten – und werden wir entgegentreten (Zwischenrufe der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Haigermoser ), und zwar mit dem Nationalen Aktionsplan zur Beschäftigung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Aktionsplan enthält ganz konkrete Vorschläge. Das sind natürlich Vorschläge, die eindeutig von dem abweichen, was Herr Dr. Haider gesagt hat. Wir von der ÖVP sind nicht dafür, daß man beispielsweise die Meisterprüfung abschafft, daß man keine Zugangskriterien zu Handwerk und Gewerbe hat. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn:  ...keine Zulassungsbedingung! Sie haben es nicht gelesen!) Wir glauben, daß es sehr wichtig ist, daß gewisse Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn man Gewerbe- oder Handwerksunternehmer werden will. Das ist eine ganz wichtige Sache. Diesen Vorschlägen zur Abschaffung von Befähigungsnachweisen treten wir entgegen. Wir sind aber dafür, daß alle Schwierigkeiten für junge Unternehmer, die selbständig werden

 


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wollen, beseitigt werden.

Ich möchte Ihnen folgendes klar sagen: In die Reihung der Prioritäten des ÖAAB für den Nationalen Aktionsplan zur Beschäftigung stehen die Gründerwelle und die neue Selbständigkeit in Österreich an erster Stelle. Es sind bereits verschiedene Punkte verwirklicht worden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) Die soziale Absicherung der jungen Unternehmer, jener Menschen, die sich selbständig machen wollen, wurde durch die freiwillige Arbeitslosenversicherung, die vorgestern beschlossen wurde, weit ausgedehnt. Ich nehme an und erwarte mir, daß wir noch vor dem Sommer die Möglichkeiten der Begünstigungen in der Sozialversicherung für junge Unternehmer, für Personen, die sich selbständig machen möchten, beschließen werden, meine Damen und Herren.

Herr Dr. Stummvoll hatte schon recht, als er sagte, er verstehe es nicht, daß man die Möglichkeit einer Begünstigung des Selbständigwerdens davon abhängig macht, ob sich Hauptverband und Ärztekammer einigen, meine Damen und Herren. Das verstehen wir tatsächlich nicht. (Beifall bei der ÖVP.) In dieser Frage wollen wir so rasch wie möglich Klarheit, damit auch die jungen Menschen, die sich selbständig machen wollen, Klarheit haben, was sie erwartet.

Unsere Aufmerksamkeit gilt auch den Lehrlingen. Im letzten Jahr, Herr Abgeordneter Mag. Peter, wurden 3 000 bis 4 000 neue Lehrstellen geschaffen. Das ist kein Zudecken, sondern ein aktives Einsetzen für und ein aktives Diskutieren über Notwendigkeiten und Voraussetzungen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Wenn es so leicht wäre – wie uns das immer gesagt wird –, daß man nur die Sozialversicherungsbeiträge zu senken braucht, um neue Lehrstellen zu schaffen, wäre es schön. Wir haben für die Lehrlinge im ersten Lehrjahr in den letzten 18 Monaten die Sozialversicherungsbeiträge um 7 Prozentpunkte gesenkt, das sind über 15 Prozent weniger an Sozialversicherungsbeiträgen. Wir haben jetzt einen Freibetrag für die Einstellung von Lehrlingen in der Höhe von 20 000 S eingeführt. Das ist nicht wenig. Aber mit finanziellen Maßnahmen alleine – darüber bin ich mir im klaren – kann man dieses Problem nicht lösen. Wir brauchen auch Öffentlichkeitsarbeit und eine Änderung der Mentalität. Und an diesen Dingen arbeiten wir, meine Damen und Herren.

Es wurde ein Auffangsystem für Schulabgänger eingeführt, das nur im äußersten Fall Mitte November zum Tragen kommen soll. Unser Ziel ist es, im Herbst jedem Schulabgänger des heurigen Schuljahres einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Und das wird uns gelingen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es geht auch um die Behinderten. Ich sage Ihnen ganz offen: In diesem Bereich gibt es momentan ein Defizit. Arbeitsplätze für behinderte Menschen fehlen; da bedarf es zusätzlicher Anstrengungen, aber im Aktionsplan sind dazu konkrete Initiativen und Vorschläge enthalten.

Zum Schluß kommend: Man könnte noch vieles sagen, aber eines ist klar: Wir sind – wie der Herr Wirtschaftsminister gesagt hat – auf einem guten Weg, und wir sollten konsequent auf diesem Weg, der auch im Nationalen Aktionsplan zur Beschäftigung festgeschrieben ist, fortschreiten. Dann werden wir nämlich auch für die Jahre 1998 und 1999 die Voraussetzungen dafür schaffen, daß mehr Menschen Arbeitsplätze finden und daß zusätzliche Arbeitsplätze für Selbständige und Unselbständige geschaffen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fuhrmann. )

11.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

11.53

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte hat schon einiges ergeben, worauf ich mich beziehen kann. Ich möchte mit Herrn Bundesminister Edlinger und einigen Aspekten seiner Rede beginnen. – Der Herr Bundesminister ist jetzt leider nicht im Saal, was mir leid tut, denn ich weiß, daß


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er, wäre er hier, tatsächlich zuhören und vielleicht sogar das eine oder andere mitnehmen würde.

Er hat von der Langsamkeit der österreichischen Politik gesprochen und diese gelobt. – Jetzt sage ich Ihnen: Das ist für sich genommen eine Leerformel. Es gibt Problemfelder, bei denen Langsamkeit ein guter Ansatz ist; "Behutsamkeit" wäre vielleicht das sympathischere Wort. (Abg. Tichy-Schreder: Richtig!) Aber es gibt auch Bereiche, in denen Langsamkeit eine Ausrede ist, wie zum Beispiel bei der Steuerreformproblematik. Es ist ja keineswegs so, daß das, was jetzt allgemein gefordert wird, nämlich eine strukturelle Steuerreform mit Senkungstendenz, mit starker Signalwirkung, etwas ganz Neues wäre, das nun schnell kommen muß und "überhudelt" begehrt wird.

Die Steuerreformkommission gibt es schon länger, sie wurde nicht erst gestern eingerichtet. Die Forderung beispielsweise nach der ökologischen Steuerreform hat mindestens zehn Jahre auf dem Buckel. Der Anspruch, Lohnnebenkosten zu senken, wurde nicht erst gestern neu in die Diskussion eingebracht. Und diese Langsamkeit des Nichtstuns ist eine gefährliche Langsamkeit. Auch wenn von der Regierungsbank aus zu hören war, daß viele Gespräche laufen, kann ich dazu nur sagen: Hoffentlich laufen Gespräche, aber bitte mit welchen Ergebnissen – und wann?! Das ist eine zentrale Frage. Etwas sollten wir in den letzten Jahren gelernt haben: Das Motto im Wettbewerb lautet nicht so sehr "groß gegen klein", sondern "schnell gegen langsam". (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Das hat Vizekanzler Schüssel vor Jahren gesagt!)

Wenn man im Rahmen der Infrastrukturprobleme und der Voraussetzungen für das Wirtschaften – was auch gelegentlich als die Qualität des Wirtschaftsstandortes bezeichnet wird – zu langsam ist – die These der Opposition und der Liberalen ist, daß wir zu langsam sind –, dann ist das schlecht für den gemeinsamen Erfolg. Langsamkeit für sich kann kein Selbstzweck sein, auch wenn das zugegebenermaßen ein Wesensmerkmal der Art und Weise ist, wie in Österreich teilweise Probleme gelöst werden.

Da Sie das Wort "Langsamkeit", Herr Bundesminister Edlinger – er ist leider immer noch nicht zurückgekehrt –, als so positiv betont haben, möchte ich schon sagen, daß der Nationale Aktionsplan zur Beschäftigung diese Langsamkeit bereits enthält. Er enthält nämlich keine überprüfbaren Zwischenziele. Das heißt, man hat von vornherein den Plan so angelegt, daß sich bestenfalls am Ende der fünfjährigen Planungsperiode herausstellen wird, ob die Ziele erreicht wurden oder nicht. Das ist ein Beweis dafür, daß Sie gar nicht vorhaben, ihn zu evaluieren. Sie haben ihn daher so formuliert, daß er gar nicht evaluiert werden kann. Und das macht man dann, wenn Langsamkeit das Prinzip der Politik ist. Auf diese Art und Weise ist man nämlich auf dem Weg zur sogenannten Zielerreichung – frei von der Gefahr, ertappt zu werden, daß man zu langsam ist, daß man das Ziel noch nicht wirklich erreicht hat. Das ist unterwegs ohnedies nicht zu erwarten, aber daß man nicht einmal ein Zwischenziel erreichen wird, ist bedauerlich. Das liegt dann auf dem Tisch und ist der Beweis für Langsamkeit, aber nicht für Geschwindigkeit. Wenn Sie das vermeiden wollen, müssen Sie andere Pläne vorlegen.

Die Steuersenkungsproblematik hat mehrere Aspekte, und ich werde hier die sozialen vorbringen. Es geht auch um die Massenkaufkraft, es geht auch um eine Art von Sozialpolitik, bei der der einzelne aus dem ihm verbleibenden Resteinkommen, das nach der Besteuerung "Nettoeinkommen" heißt, tatsächlich nicht noch zusätzlich auf Transfers angewiesen sein muß. Der eleganteste Transfer ist nämlich das Geld, das den Menschen gelassen und ihnen nicht vorher weggenommen wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Überall dort, wo das möglich ist, sollte dies das erste Ziel sein; das heißt nicht, daß man nicht dort, wo es notwendig ist, selbstverständlich noch Transfers geben soll. Warum, glauben Sie, haben wir Liberale ein Grundsicherungsmodell vorgelegt, bei dem die sozialen Transfers ein Teilelement der Steuern bilden? Und warum verweigern Sie darüber die Diskussion?

Damit wäre aus unserer Sicht die Möglichkeit gegeben, daß eben mit hoher Treffsicherheit die existentielle Basis für jedermann und jede Frau in diesem Land mit Sicherheit gewährleistet wäre. Als Teilelement von Steuern ist es eine Strukturlösung, die, wie ich meine, wirklich diskussionstauglich ist und daher auch diskutiert werden sollte.


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Wenn der Herr Bundesminister für Finanzen seinen Anspruch, daß eben die Dinge ineinandergreifen müssen, wenn man so eine Steuerreform macht, wirklich ernst nimmt, dann muß er diesen Teilaspekt mitdiskutieren, denn international wird er diskutiert – egal, ob das in Österreich gerne gehört wird oder nicht. Es ist international ein Thema, die soziale Sicherheit so weiterzuentwickeln, daß sie sich als Teilelement des Steuersystems in ihren Fundamenten abbildet. Daß man damit die Probleme im Bereich Gesundheit nicht lösen kann, daß damit selbstverständlich die Bildungspolitik nicht mitgelöst ist, daß damit auch die Frauenfrage per se nicht mitgelöst ist, erwähne ich nur deswegen, weil einem ja immer wieder – aus Gründen der Miesmacherei – vorgeworfen wird, man glaube, mit einer fundamentalen sozialen Absicherung alle Fragen dieser Republik lösen zu können. Man schafft zwar die Voraussetzung für die Lösung aller anderen Fragen, aber man löst sie deswegen noch nicht.

Wenn Herr Bundesminister Edlinger gemeint hat, wir hätten ein so hervorragendes soziales Sicherungssystem, dann ist das mehr als kühn. Wir haben zwar ein soziales Sicherungssystem, das sich in den letzten 40, 50 Jahren recht und schlecht bewährt hat, aber man muß erkennen, daß es seit mindestens 10 Jahren im schweren Sinkflug befindlich ist, daß seine Lösungsqualität von Jahr zu Jahr abnimmt, daß Sparpakete notwendig waren, um es noch einigermaßen hinzubekommen. Diese Sparpakete haben gleichzeitig bewirkt, daß die seinerzeitige Qualität unserer sozialen Systeme schwer Not gelitten hat, daß die Anspruchszeiten bei Arbeitslosigkeit verkürzt werden mußten, daß die Notstandshilfen gesenkt, die Pflegegelder reduziert, die Leistungshorizonte im Gesundheitswesen verringert werden mußten.

Warum wird denn so merkwürdig über den festen Zahnersatz diskutiert, nämlich ohne daß irgend jemand erwähnt, daß die Sozialversicherungsträger in Österreich ihren Versicherten diesen festen Zahnersatz überhaupt noch nie ersetzt haben? Überhaupt noch nie! Das Skurrile an dieser Diskussion ist, daß sich der Hauptverband anmaßt, sich zum Teil in irgend etwas einzumischen, was er selber gar nicht zahlt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Diese Diskussion wird nicht geführt, aber genau das wäre die Strukturdiskussion, daß man sich eben überlegt: Ist nicht am Beispiel des festen Zahnersatzes der Beweis auf dem Tisch, daß Selbstbehalte etwas sind, was man nicht a priori verteufeln muß? Denn die festen Zahnersätze werden derzeit von den Sozialversicherungsträgern nach der Philosophie des hundert prozentigen Selbstbehaltes behandelt. Das ist vielleicht der eigentliche Fehler.

Wenn man das daher wirklich lösen wollte, müßte man allerdings in manchen Dingen mehr ausgeben als bisher und in anderen Dingen weniger ausgeben als bisher. Denn eines ist sicher richtig: Die Staatsquote wird man zu diesem Zweck nicht erhöhen können. Im Gegenteil, man sollte sich eher bemühen, sie zu senken. (Beifall beim Liberalen Forum.) Dies genau nach der von mir hier schon formulierten These: Das Geld, das man den Menschen läßt, ist der beste Transfer. Das, glaube ich, ist völlig aus den Augen verloren worden.

Ein weiterer Gedanke, der mir in diesem Zusammenhang wichtig ist: Warum wird in der Strukturdiskussionsfrage der liberale Antrag, die Arbeitgeberbeiträge im Sozialversicherungsbereich von der Lohnsumme zu nehmen, einfach so vom Tisch gewischt, obwohl er eindeutig – eindeutig! – zahllose Probleme, die wir mit dem Inkasso dieser Beiträge haben, lösen würde? Die Frage der Geringfügigkeitsgrenzen würde sich nicht mehr stellen, aber auch das Ausweichen über die Höchstbeitragsgrundlage hinaus würde es in diesem Bereich nicht mehr geben. Endlich würde arbeitgeberseitig jeder Lohnschilling dieselben Lasten tragen.

Das ist unser Zugang. Aber diesen verweigert die Sozialdemokratie, obwohl sie hinter vorgehaltener Hand sagt, das sei eine großartige Idee. Jeder, der einigermaßen etwas von Bürokratie und Bürokratieabbau versteht, weiß, daß das selbstverständlich ein Quantensprung in der Vereinfachung der Lohnverrechnung wäre. Aber das würde ja nur die Unternehmen bürokratisch entlasten, und daher interessiert das offenbar niemanden.

Ein weiterer Aspekt, auf den Bundesminister Edlinger auch zu sprechen gekommen ist, ist das "vorbildliche" Bildungssystem. Unser Bildungssystem ist so recht und schlecht, wie es ist. Aber es vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Probleme, die wir haben, als "vorbildlich" zu bezeichnen, ist tollkühn! Berufsbilder werden definiert mit einer Langsamkeit im Sinne Edlingers, die penetrant ist, damit sich die duale Ausbildung entfalten kann, obwohl sich die Wirklichkeit


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der Arbeitswelt längst Kilometer von diesen Berufsbildern entfernt hat, bevor sie definiert sind. Man hat immer noch einen völlig statischen Zugang zur Ausbildung. Man meint, man könne ein Berufsbild definieren, es dem jungen Menschen auf die Lebensreise mitgeben, und das werde dann bis an sein Lebensende halten, statt daß man sich darauf konzentriert, das lebensbegleitende Lernen zu entwickeln.

Nur mit einem so statischen Zugang kann überhaupt jemand glauben, daß Befähigungsnachweise – im Sinne des Kollegen Feurstein – irgendeinen nachhaltigen Sinn ergeben. Selbstverständlich macht jede gute Ausbildung, die dann letztlich auch ein Befähigungsnachweis ist, Sinn, aber nur dann, wenn sie mit dem Verständnis in Angriff genommen wird, daß man sie, nachdem man die erste Etappe abgeschlossen hat, an sich selbst fortsetzen muß. An dieser mangelnden Gesinnung scheitert vieles! Diese mentalen Barrieren müssen überwunden werden, weil Struktur und Qualität unserer Ausbildung nicht wirklich zufriedenstellend sind. Das sage ich Ihnen in meiner Eigenschaft als Unternehmensberater, der Personalentwicklung macht.

Dort, wo die Leute entwicklungsfähig sind, haben sie sich das selbst entwickelt. Nicht aus der Schule haben sie es mitgebracht, nicht aus der Lehre haben sie es mitgebracht – es sei denn, sie hatten zufällig Glück und hatten einen exzellenten Lehrherrn, der etwas macht, was Kollege Van der Bellen als Beispiel angeführt hat, nämlich der sich darum kümmert, daß die bei ihm in Ausbildung stehenden Menschen auch soziale Kompetenzen entwickeln, sich auszudrücken lernen und aufzutreten lernen. Aber glauben Sie mir, in der Wirklichkeit des Lehrlingswesens ist das nicht der Normalfall, und das ist mehr als schade!

Diese Qualifikationsdefizite bestehen, und eine heile Welt der Gewerbeordnung glaubt, diese abbauen zu können, wenn man Befähigungsnachweise zum A und O macht. Ob das dann mehr oder weniger sind, ist nämlich nicht die Frage. Das hat Kollege Maderthaner leider nicht verstanden. Es geht nicht darum, ob man die Anzahl der Befähigungsnachweiserfordernisse halbiert oder nicht, sondern es geht darum, daß man selbstverständlich Qualifikation bei den kleinen und mittleren Unternehmen und im Gewerbebereich haben will. Aber dazu muß die Frage, wer der Schiedsrichter über die Qualifikation ist, beantwortet werden. – Der Markt ist der Schiedsrichter über die Qualifikation, nicht die Wirtschaftskammer! Und dieser Unterschied ist bedeutend! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Selbstverständlich ist das nicht ohne Risiko möglich. Selbstverständlich gibt es da eine Risikogruppe, eine Betroffenheitsgruppe, und das sind im Zweifelsfall die Konsumenten. Daher hat mein Kollege Helmut Peter in seinen Vorschlägen eine obligatorische Haftpflichtversicherung vorgesehen, damit solche Schadensfälle nicht auf dem Rücken des letzten Gliedes in diesem Prozeß ausgetragen werden. Aber da hat es dann geheißen, das sei zu teuer. Daß aber auch jetzt schon Schäden im Bereich des Gewerbes auftreten, die dann nicht gedeckt werden können, weil die Unternehmen nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit haben, für diese Schäden auch noch einzustehen, da sie weder genügend Eigenkapital noch eine Versicherung haben, das wird füglich verschwiegen. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Dr. Kier! Das ist der falsche Ansatz!)

Das heißt, es ist jetzt schon genauso teuer, wie es dann wäre, nur zahlt das jetzt der Konsument, weil er sich nicht durchsetzen kann mangels Haftpflichtversicherung. In unserem Fall hätte er eine Versicherung an seiner Seite. Und wenn die Kollegin aus der ersten Reihe meint, das sei der falsche Ansatz, dann lade ich sie ein: Schaffen wir die obligatorische Haftpflichtversicherung im Kfz-Bereich wieder ab, wenn das ein falscher Ansatz ist! Dort haben wir genau gewußt: Wer die Vorteile der Betriebsgefahr hat, hat für das Risiko einzustehen. Und ich meine: Wer Unternehmer ist und die Vorteile seiner unternehmerischen Tätigkeit zu erreichen versucht, hat auch für das Risiko, das er auslöst, einzustehen.

Das ruft nach einer obligatorischen Haftpflichtversicherung, die übrigens alle freien Berufe selbstverständlich haben. Alle Ärzte, alle Rechtsanwälte, alle Steuerberater haben eine solche Berufshaftpflichtversicherung, in unterschiedlicher Höhe allerdings. Und das macht ja Sinn. Wenn ein Unternehmen, empirisch gesehen, immer hervorragend gearbeitet hat und daher ein kleines Schadensrisiko hat, dann wird es eine relativ niedrige Prämie zahlen. Davor braucht sich niemand zu fürchten!


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Daher meine ich, das ist ein Lösungsansatz, der einfach diskutiert werden muß, da er ein struktureller Ansatz ist und die strukturellen Fragen wichtiger sind als kurzfristige Kosmetik – obwohl ich natürlich verstehe, daß im Zusammenhang mit der Erreichung des Euro-Zieles die kurzfristige Budgetkosmetik vorübergehend als wichtiger erschienen sein mag als die nachhaltige strukturelle Reform.

Herr Bundesminister Edlinger, den ich diesbezüglich gerne angesprochen hätte, ist noch immer nicht zurückgekehrt. Das tut mir in diesem Fall wirklich leid. So sieht er nicht, daß das, was er hier der Opposition vorgeworfen hat, nämlich daß wir nicht wirklich diskussionsfähig wären und auf die Argumente nicht richtig eingehen würden, nicht wahr ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Man wird sich doch oppositionell wenigstens noch darüber ärgern dürfen, daß der Bundesminister die Wahrnehmung der Diskussion über seinen eigenen Bericht verweigert. Das wird man ja noch dürfen!

Ein weiterer Punkt ist die Technologieförderung. Herr Bundesminister Farnleitner, Sie sind glücklicherweise im Saal – aber auch Edlinger wäre davon betroffen. Die Technologieförderung ist nicht so rosig, wie Sie sie darstellen. Darüber diskutieren wir seit 1987, seit den ersten fünf Technologie-Milliarden, die Sie sich damals geschaffen haben, als Sie Teile der Verbundgesellschaft verkauft haben. Sie sind allerdings nie wirklich aufgetaucht, außer in Etiketten, die Fonds waren, aber nie eine Substanz erhalten haben, sondern nur den Anspruch ans Budget. Diese Technologie-Milliarde, die hier regelmäßig vorgezeigt, aber nie ausgegeben wird, existiert seit über zehn Jahren!

Wenn Sie, Herr Bundesminister, hier ausgeführt haben, die großen Unternehmen müssen mehr forschen und die kleinen brauchen Beratung, dann sage ich Ihnen: Das ist auch eine Beschreibung des Befundes in der Wirtschaft, die nur sehr teilweise stimmt. Denn in Wirklichkeit hat sich längst eine Struktur virtueller Industrie entwickelt, die hauptsächlich aus kleinen, miteinander zusammenarbeitenden, hochinnovativen Unternehmen besteht, die allerdings aufgrund der Kammerstruktur von Ihnen nicht wahrgenommen werden, da die Belegschaftsgrößen in den einzelnen Unternehmen einfach gering sind. In Summe aber sind das mächtige Konglomerate, die fallweise zusammenarbeiten und zum Teil Weltmarktführer sind, zum Beispiel im Bereich der Kabelindustrie.

Aber Sie kennen in der Kammer diese Firmen gar nicht, denn diese haben zum Teil nur 50 Beschäftigte. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist nicht wahr!) Diese Unternehmen sind bestenfalls im Außenwirtschaftsbereich bekannt, aber dieser hat eigentlich, wenn man es genau nimmt, mit der Kammer nichts zu tun; hätte er das nämlich, wäre er nicht so effizient. Das möchte ich schon ganz deutlich sagen. (Heiterkeit der Abg. Tichy-Schreder. )

Sie können darüber lachen, soviel Sie wollen. Wenn Sie die Wirklichkeit des Wirtschaftens im internationalen Feld kennen würden, dann würden Sie wissen, daß die Leute in den Außenwirtschaftsbereichen in einer Art und Weise auftreten, die mit dem, was man hier zu Hause erlebt, wenn man mit der Kammer in Kontakt tritt, überhaupt nichts zu tun hat. Das ist eine mentale Frage, nicht nur eine formal organisatorische. Daß der Herr Generalsekretär zuständig ist und daß es auch in der Wiedner Hauptstraße ein paar Leute gibt, die administrativ dahinterstehen, das bestreite ich ja nicht. Das ist nicht das Thema.

Die mentalen Barrieren gegen das Selbständigwerden kann ich zehnmal bestätigen. Zwischen jungen und älteren sich selbständig Machenden beträgt die Quote 1 : 7. Auf einen jungen Unternehmer, der wirklich erfolgreich ist, kommen sieben ausgesteuerte Manager, die sich selbständig machen mußten. Das ist aber ein Jammer! Glauben Sie mir, das ist auch ein Ergebnis der Tatsache, daß es in Österreich keine Venture-Capital-Situation gibt, die befriedigend ist. Dies aber nicht nur allein deswegen, weil man, wie mein Kollege Helmut Peter sagt, als junges Unternehmen nicht so schnell 20 Prozent verdienen kann, sondern auch weil es keine Einrichtungen gibt, die bereit sind, das Risiko mit dem Venture-Capital-Bedürftigen zu teilen, da bürokratisches Bankendenken statt innovatives, unternehmerisches Denken vorherrscht.

Ein abschließender Satz in diesem Zusammenhang zur Wirtschaftsstatistik, die viel beklagt und von den Unternehmen zu Recht als bürokratische Belastung beschrieben wird. Das ist eben in Österreich keine Statistik, sondern Wirtschaftsbuchhaltung, denn Wirtschaftsstatistik käme mit


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Stichproben aus, käme mit mathematischen Werkzeugen aus, nicht mit dem Zählen jeder einzelnen Kuh im Stall. Wenn man Wirtschaftsstatistik wie bei uns macht, von der Bürokratie her, von seiten eines ÖSTAT, das ein Amt ist statt eine innovative Einrichtung, dann werden wir ewig auf dem Fleck treten und werden ewig in der peinlichen Lage sein, daß Österreich bei allen OECD-Statistiken das Land ist, das seine Zahlen zuletzt abgibt. (Abg. Dr. Feurstein: Das stimmt nicht, Herr Dr. Kier! Das ist falsch!) Nicht alle Zahlen, das nehme ich zurück; fast alle Zahlen, Kollege Feurstein, damit ich korrekt bleibe! Genau diese Langsamkeit kritisieren wir. Diese Langsamkeit ist schlecht und schadet. (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

Ein Schlußsatz: Man möge doch begreifen, daß eine der vornehmen öffentlichen Aufgaben der Wirtschaftspolitik wäre, endlich die Infrastruktur zu modernisieren und sich nicht mit Halbherzigkeiten wie dem ElWOG, Herr Bundesminister Farnleitner, zufriedenzugeben, man möge endlich begreifen, daß Infrastruktur Hardware und Software heißt, also Infrastruktur im physischen Sinn: Schiene, Kabel, Straße, und Infrastruktur im immateriellen Sinn, nämlich Bürokratieabbau. Das nennt man moderne Infrastruktur. Das ist die Software der modernen Infrastruktur. Aber dieses Wording ist der Bundesregierung fremd. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Nein, das kennen nur Sie, Herr Dr. Kier!)

12.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Eder. Ich stelle die Uhr auf 7 Minuten ein. – Bitte.

12.14

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe jetzt Kollegen Kier sehr aufmerksam zugehört und bei seiner Rede den Eindruck gewonnen, daß das Betätigungsfeld, auf dem er sich bewegt, derart groß ist, daß es ihm manches Mal schon ein bißchen schwerfällt, in der Sachdiskussion die Dinge wirklich richtig zu durchschauen. Wenn er hier über Langsamkeit und Geschwindigkeit philosophiert hat, dann kann ich ihm ein herrliches Buch empfehlen, nämlich "Die unendliche Langsamkeit des Seins". Wenn er dieses Buch gelesen hätte, dann könnte man mit ihm auch inhaltlich über dieses Thema reden. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Er hat es wahrscheinlich nicht gelesen und vieles andere auch nicht, muß aber hier zu vielen Themen Stellung beziehen, die ihm nicht so ganz vertraut sind. Ich verstehe das schon: In einer kleinen Fraktion hat man natürlich diesbezüglich mehr Probleme, man muß sich mit sehr vielen Themen beschäftigen, und Kollege Kier scheint einer jener liberalen Abgeordneten zu sein, die zu allen Themen ad hoc sehr viel sagen können (Abg. Schaffenrath: Weil er es kann!), aber das ist dann auch ein bißchen an der Qualität zu merken. Das ist aber kein Vorwurf, sondern das ist eben ganz einfach aufgrund der geringen Anzahl von liberalen Abgeordneten ein Problem, mit dem man sich herumschlagen muß.

Zum Beispiel trifft Kier folgende Aussage: Der Markt ist der Schiedsrichter über die Qualifikation, nicht die Wirtschaftskammer. – Ein wunderschöner Satz! Ich habe die Wirtschaftskammer noch nie in irgendeiner Form Qualifizierungen von Mitarbeitern aussprechen gehört. Das ist mir ganz etwas Neues. Aber er behauptet das, das wird so wunderschön dahingesagt. (Abg. Dr. Schmidt: Die Gewerbeordnung ist ein Instrument der Kammer! – Abg. Tichy-Schreder: Nein, wirklich nicht!) Ich bin aber nicht der Vertreter oder der Anwalt der Wirtschaftskammer, ich wollte nur anhand eines Beispiels verdeutlichen, wie leicht man in der Langsamkeit des Denkens unter Umständen Aussagen macht, die man sich, hätte man kein so breites Betätigungsfeld, vorher besser überlegen könnte. (Abg. Dr. Schmidt: Sie sollten sich die Gewerbeordnung anschauen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber es ist jetzt nicht meine Absicht, mich mit den Inhalten der Rede des Kollegen Kier auseinanderzusetzen, denn da müßte man sehr viele Dinge ansprechen, die ich heute gar nicht diskutieren möchte. Meine Wortmeldung dient in erster Linie dazu, mich noch einmal mit einem ganz wichtigen Punkt in unserer finanz- und wirtschaftspolitischen Szene auseinanderzusetzen, nämlich mit der Frage, wie wir in Zukunft die Neuordnung der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes zustande bringen. Der Herr Bundesminister hat ja vorhin in seiner zweiten Wortmeldung schon einige Bemerkungen dazu gemacht. All das, was ich jetzt hier ausführen möchte, sehr geehrter Herr Bundesminister, ist nicht als


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Kritik an dem, was geschieht, zu verstehen – wir wissen beide, wie schwierig es ist, diese Dinge voranzutreiben –, sondern soll dort oder da eine Anregung oder auch in gewisser Weise eine Unterstützung sein.

So möchte ich darauf aufmerksam machen, daß ich in der Diskussion von jenen, die das alles zu managen und durchzuführen haben, also denen das Management der ASFINAG obliegt, immer wieder höre, daß doch noch die eine oder andere legistische Voraussetzung fehlt, um das Road-Pricing für LKW zustande zu bringen, und daß auch eine Novellierung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes notwendig wäre. Wir haben schon einige Male darüber gesprochen. Es gibt ja unterschiedliche Rechtsauffassungen dazu; damit möchte ich auch nicht hinter dem Berg halten.

Um Rechtssicherheit zu haben, wäre es vielleicht doch sinnvoll, die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Teile zu korrigieren und eine genauere Determinierung im Bundesstraßenfinanzierungsgesetz festzulegen, sodaß es für das Management der ASFINAG etwas leichter wäre, die Verhandlungen mit den Ländern aufzunehmen. Es geht ja jetzt darum, daß ein Mautverordnungsentwurf erarbeitet werden muß, der dann von Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, erlassen werden muß, damit man aktiv werden kann, damit das Management der ASFINAG die entsprechenden Ausschreibungen vornehmen und die entsprechenden Aufträge vergeben kann. Es handelt sich dabei um ein immerhin doch beachtliches Potential. Es geht um ein Investitionspotential in der Größenordnung von rund 3,5 Milliarden Schilling. Ich gehe davon aus, daß wir zuerst einmal 24 Hauptmautstellen und dann noch 70 Nebenmautstellen in den Bundesländern zu errichten haben werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß wir diese Investitionen, die jetzt anstehen, in der Form, wie wir es gemeinsam in der Koalitionsregierung im Bundesstraßenfinanzierungsgesetz und im Infrastrukturfinanzierungsgesetz festgelegt haben, tätigen sollten. Ziel muß es sein, daß letztendlich 2001 – das ist in nicht allzu langer Zeit, da muß ganz schön daran gearbeitet werden, damit das alles umsetzbar ist – der Probebetrieb beginnen kann, also etwa Mitte 2001. Der Vollbetrieb müßte dann im Jahr 2002 erfolgen. Ich glaube, das sind realistische Daten, wobei ich aber dazusage, daß wir darauf achten müssen, daß ein Betrieb sinnvollerweise nur zu Jahresbeginn erfolgen soll und nicht während des Jahres, weil viele Umstellungsdaten et cetera notwendig sind. Daher wäre dieses Ziel wenn möglich mit 1. Jänner 2002 anzupeilen.

Es muß uns auch klar sein, daß, sobald dieses Ziel erreicht ist, auch zusätzliche Einnahmen in der Größenordnung von netto 2,5 Milliarden Schilling – da sind alle Aufwendungen schon abgerechnet – zu den jetzigen etwa 6,2 Milliarden Schilling zur Verfügung stehen, um das hochrangige Straßennetz in Österreich zu bewirtschaften. Und wir können auch die Konvergenzkriterien, die ja im Zusammenhang mit der Ausgliederung der ASFINAG-Schuld stehen, erfüllen.

Ich hoffe, daß dieses Werk gelingt, Herr Bundesminister, und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.

12.20

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir können schon in einen Dialog eintreten. Herr Bundesminister! Niemand von der Opposition wird ehrlichen Herzens behaupten, daß dieses Land nicht im Verein mit seinen Bürgern eine wirtschaftspolitische Kraft entwickelt hat, welche der überwiegenden Zahl der Mitbürger Brot und Arbeit gibt; das ist ja unstrittig. Und auch wir Freiheitlichen dürfen – ich kann Herrn Kollegen Edlinger jetzt nicht ansprechen, da er nicht anwesend ist – in diesem Lande leben, und wir leben gerne da.


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Deswegen fühlen wir uns auch bemüßigt, Herr Bundesminister, einzumahnen, daß diese Sicht des Positiven nicht dazu führen darf, daß Sie Ihre Sonntagsreden halten und sagen: "Alles paletti, alles in Ordnung, da gibt es zwar ein paar Kleinigkeiten, die werden wir aber schon erledigen!", wenn die Fakten ganz anders aussehen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Fakten sehen zum Beispiel so aus, daß Sie ein ElWOG beschlossen haben, welches, und das ist zugegebenermaßen positiv, den Großabnehmern entsprechende Preise zugesteht, aber den Klein- und Mittelständlern schnalzen Sie nach wie vor die hohen Energiepreise drauf, und das bedeutet, daß sie in der Konkurrenzfähigkeit ein weiteres Mal gegenüber den ausländischen Nachbarn zurückfallen. Das sind negative Rahmenbedingungen, die Sie da schaffen, meine Damen und Herren.

Wir wissen schon, daß die Globalisierung – und wie die Schlagworte alle lauten – auch maßgebend ist dafür, Herr Kollege Feurstein, daß Schwierigkeiten auftreten. Aber nehmen wir uns einmal Ihre Versprechungen zur Hand, nur auszugsweise: Ruster Beschlüsse, groß gefeiert in einem Regierungs-Event. Sie haben gesagt, 50 000 Unternehmer sofort! Und was sagt der Bundesgeschäftsführer der Jungen Wirtschaft, Frau Tichy-Schreder, der Ihnen sicherlich nicht unbekannt ist, Ihrer Partei zugehörig? (Abg. Tichy-Schreder: Das weiß ich nicht, ob er meiner Partei zugehört!) Was sagt denn der?

Helmel: Der Startschuß der Bundesregierung für eine Gründeroffensive ging ins eigene Knie. Wir wissen, sagt er weiter, daß gerade die Startkosten bei Unternehmensgründungen eine enorme Belastung darstellen. Eine Senkung der Beitragsbelastung während der ersten drei Jahre wäre daher nicht nur eine intelligente Investition in die Zukunft (Abg. Dr. Feurstein: Machen wir! Stimmen Sie zu!), sondern auch ein klares Willkommenssignal an alle potentiellen Jungunternehmer.

Nichts haben Sie gemacht, sagt der Herr Helmel, meine Damen und Herren, der Bundesgeschäftsführer der Jungen Wirtschaft, der es wissen müßte. Und dann sagt er: Die Regierung prolongiert ihr jungunternehmerisches Debakel unnötig lang. – Ende dieses Zitats. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir sind nicht die Krankjammerer. Wir wollen nur die Dinge auf den Punkt bringen, das heißt, das Bohren harter Bretter ist angesagt, Herr Bundesminister. Nehmen Sie endlich einmal die rosarote Brille ab, denn sonst wird den österreichischen Wirtschaftstreibenden schwarz vor den Augen, und das wollen wir verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die Zahlen stimmen – und ich gehe davon aus –, haben wir im ersten Quartal 1998 bei den Insolvenzen ein Plus von mehr als 20 Prozent, Herr Kollege Feurstein. 20 Prozent zusätzliche Insolvenzen! Hinzu kommen rückläufige Zahlen bei den Neueintragungen – das sind die Zahlen der Wirtschaftskammer, ich berufe mich darauf, ich hoffe, daß die nicht getürkt sind –, und zwar ein Minus von zirka 15 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 1997.

Also Helmel hat recht; er beruft sich auf diese Zahl. Ein Schuß ins wirtschaftspolitische Knie, meine Damen und Herren, ist Ihre sogenannte Gründeroffensive! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich stehe noch unter dem Eindruck – und der Herr Kollege Schwarzenberger war dabei – eines Gespräches am vergangenen Dienstag, bei dem die Abgeordneten der drei wichtigen Parteien dabei waren, eines Gesprächs mit vier Wirtschaftstreibenden, Industriellen aus Salzburg: MACO – 900 Mitarbeiter –, WIBERG – 350 Mitarbeiter –, SENOPLAST – mehr als 100 Mitarbeiter –, Kuchler Gipswerke – 100 Mitarbeiter. (Abg.Schwemlein: Mehr!) Mehr als 100 Mitarbeiter. (Abg. Schwemlein: Viel mehr!) Viel mehr, okay, ist ja egal.

Meine Damen und Herren – und du warst dabei –: All diese Unternehmer haben ihre Sorge darüber geäußert, daß sie die Betriebe, die Arbeitsplätze in Hinkunft nicht behalten können, wenn die Rahmenbedingungen nicht verbessert werden, wenn die Bürokratie nicht abgebaut wird, wenn nicht steuerliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die das Wirtschaften ermöglichen. Das sind alles tüchtige österreichische Unternehmer, die von Null angefangen


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haben, beispielsweise 1948 die Firma MACO mit 900 Mitarbeitern. Diese Leute haben uns glaubwürdig versichert, sie müssen dann blutenden Herzens, um international konkurrenzfähig bleiben zu können, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.

Aber Sie, Herr Bundesminister, sagen: Alles paletti, alles in Ordnung!

Meine Damen und Herren! Das sind keine Jammerer gewesen, sondern das waren innovative Unternehmungen. Keiner der dort anwesend gewesenen Abgeordneten wird etwas anderes sagen können, als ich es hier dargelegt habe.

Meine Damen und Herren, Ihre Sonntagsreden gehören auf den Tisch! Was sagen Sie draußen, und wie handeln Sie hier? Das ist nämlich die "Gretchenfrage" der Politik.

Da heißt es etwa: Eine Steuerreform, die Arbeit schafft. Fünf Vorschläge zur Entlastung der Wirtschaft und zur Beschäftigungssicherung. – Der leistungsorientierte Mittelstand muß entlastet werden. Die steuerschonende Behandlung des nichtentnommenen Gewinnes hat absolute Priorität. Es muß flankierende entlastende Maßnahmen bei Unternehmungsgründungen geben. Es sollte künftig steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung, für Ausbildung und die private Altersvorsorge geben.

Diese Sätze sind nicht dem freiheitlichen Steuerprogramm entnommen, hätten aber diesem entnommen werden können. Wer sagt denn das? – Der Herr Stummvoll am Unternehmertag, am 2. 6. 1998, meine Damen und Herren. (Abg. Aumayr: Das ist ein Skandal!)

Das sind die Probleme, die Sie haben! Das ist eine wunderbare Forderung, aber Sie, Frau Tichy-Schreder, werden heute dann als Letztrednerin herauskommen und sagen: Das ist nicht so gemeint gewesen, genau so haben wir es nicht gemeint! Da haben wir halt etwas erzählt, weil Sonntag war, meine Damen und Herren. – Es ist Werktag angesagt, Frau Tichy-Schreder! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir müssen den Betrieben wieder das Wirtschaften ermöglichen.

Und einen Satz noch zur linken Reichshälfte, weil die Arbeitszeitverkürzung wieder angetönt ist, als wäre das überhaupt das Seligmachende. (Abg. Mag. Posch: Die muß kommen!) Die Geschichte der Arbeitszeitverkürzung ist die Geschichte der Arbeitslosigkeit und die Geschichte der Schwarzarbeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das hat kein Geringerer gesagt als Ihr großes Vorbild Tony Blair, und auch Schröder sagte das.

Meine Damen und Herren! Sie sollten sich Intelligenteres einfallen lassen als das, was von Ihnen jetzt ins Spiel gebracht wird.

Noch nie hat eine Demokratie in der Vergangenheit überleben können, während ihre Kerngruppe des bürgerlichen Mittelstandes diskriminiert, ausgegrenzt, manipuliert oder ausgebeutet wurde. – Das sagt Professor Haumer, Chef des Mittelstandsinstitutes der Bundesrepublik Deutschland.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie nicht umkehren in Ihren "Kompromißchen", dann wird es wirklich schwierig werden – siehe die Aussagen dieser vier tüchtigen mittelständischen Salzburger Unternehmer.

Wir wollen auch in diesem Lande leben können, nicht nur in einer gesunden Umwelt, sondern in einer Wirtschaftsstruktur, die es ermöglicht, Lehrlinge auszubilden, Steuern zu zahlen und konkurrenzfähig zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.28

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kollege Haigermoser! Sie machen sich die Diskussion


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schon sehr einfach – als Angehöriger der Wirtschaft sicher Ihr gutes Recht. Sie plädieren natürlich für Steuersenkungen, für günstigere Rahmenbedingungen (Abg. Haigermoser: Der Stummvoll hat sich’s leichtgemacht, nicht ich!)  – ja, das ist auch das Recht des Wirtschaftskammergeneralsekretärs –, aber gleichzeitig wird dann etwa vom Kollegen Scheibner gefordert: Natürlich muß wesentlich mehr für die Landesverteidigung zur Verfügung gestellt werden! Kollegin Haller fordert wesentlich mehr für die Familienförderung, Kollegin Aumayr fordert wesentlich mehr für die Landwirtschaft. – Darüber würde ich mich auch freuen. (Abg. Haigermoser: Deine Rede werden sie sich einrahmen, die meisten Parteifreunde von dir – noch!) Gleichzeitig darf selbstverständlich das Nettodefizit nicht erhöht werden.

Diesen Bankomat gibt es noch nicht, wo man nur herausholen kann, ohne etwas hineinzugeben. (Beifall bei der ÖVP.) Ein Bundesbudget kann umschichten, aber es muß auch alles bezahlt werden, was ausgegeben wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich nicht länger mit dem Haigermoser befassen; meine Zeit ist mit 5 Minuten beschränkt. Ich möchte mich der wirtschaftlichen Lage am Agrarsektor zuwenden, denn auch die Landwirtschaft ist ein Teil der Wirtschaft.

Der Agrarsektor war im Jahre 1997 von einem Anstieg der land- und forstwirtschaftlichen Produktion um 2,5 Prozent auf rund 63 Milliarden Schilling gekennzeichnet. Diese Steigerung der Endproduktion ist in erster Linie auf bessere Preise und auf mehr Einschlag in der Forstwirtschaft zurückzuführen. Hier gäbe es noch Reserven, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden wären. (Abg. Aumayr: Und wer beschließt die Rahmenbedingungen?)

Wir haben in Österreich einen Holzzuwachs von zirka 30 Millionen Festmetern pro Jahr, genutzt werden aber im Schnitt nur etwa 20 Millionen Festmeter. Das heißt, wir könnten die Nutzung um 50 Prozent ausweiten und trotzdem nachhaltig wirtschaften, weil immer noch so viel zuwächst, wie genutzt wird.

Es gibt sogar eine im Auftrag des Sozialministeriums erstellte Studie, die besagt: Wenn sämtliche Reserven genutzt würden, auch in der Biomasse, könnten in Österreich 40 000 bis 50 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Natürlich ist es notwendig, daß wir mit einer ökologischen Steuerreform bezüglich dieser Rohstoffe, die alle sozusagen auf Arbeit aufgebaut sind, bessere Bedingungen gegenüber jenen fossilen Energiestoffen schaffen, die nur aus den Vorräten der Erde herausgeholt werden können.

Laut Agrarstrukturerhebung 1995 – und ich erwähne das auch in diesem Zusammenhang, weil die Landwirtschaft immer als kleiner Anteil am Bruttoinlandsprodukt abgetan wird –, laut Agrarstrukturerhebung 1995 – und das ist in jedem einzelnen Haushalt erhoben worden – leben in der Landwirtschaft 950 000 Personen in bäuerlichen Haushalten; das sind immerhin 12 Prozent der gesamten österreichischen Bevölkerung. Von diesen 950 000 Personen arbeiten 630 000 Personen entweder ständig oder teilweise in der Landwirtschaft. Wir haben sehr viele Nebenerwerbsbauern. 70 Prozent unserer Bauern sind Nebenerwerbsbauern, die in der Statistik selbstverständlich nicht mehr als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft erfaßt werden. Sie denken aber wie Bauern und arbeiten auch in der Landwirtschaft.

Trotz dieser Steigerung der Endproduktion gingen aber die Einkommen je Beschäftigten in der Landwirtschaft real um 2,5 Prozent zurück. Wie ist das zustande gekommen?

Ursache ist in erster Linie die planmäßige Zurücknahme der degressiven Ausgleichszahlungen; das wußten wir seit 1995. Es sind ja, um sozusagen den Beitritt zur EU in der Landwirtschaft abzufedern, über einen vierjährigen Zeitraum degressive Zahlungen vereinbart worden. Diese sind um 2,2 Milliarden niedriger gewesen als ein Jahr zuvor, aber auch, und das ist an und für sich für die Landwirtschaft wieder erfreulicher, die Abwanderung in der Landwirtschaft ist seit Mitte der neunziger Jahre etwa auf die Hälfte zurückgegangen gegenüber dem Beginn der neunziger Jahre, wobei damals schon die Abwanderung niedriger war, als sie etwa in den achtziger Jahren gewesen ist.

Es kann natürlich auch mit eine Rolle spielen, daß die Arbeitsplätze in zumutbarer Umgebung nicht in entsprechendem Ausmaß vorhanden sind, und ein gewisser Trend zur Abwanderung ist


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sicherlich vorhanden. Das heißt aber nicht, daß die Bauern alle fluchtartig die Landwirtschaft verlassen, sondern die Abwanderung ist eher zurückgegangen.

Der Wert der Landwirtschaft wird immer im Bruttoinlandsprodukt gemessen. Es werden aber viele Leistungen der Landwirtschaft nicht statistisch erfaßt, etwa die Pflege der Kulturlandschaft. Immerhin werden 80 Prozent der österreichischen Gesamtfläche bis hinauf in die Gletscherregionen von Bauern gepflegt – als Grundlage auch für den Erholungsurlaub, für den Tourismus in Österreich, aber auch für die Versorgung der Bevölkerung. Zu keiner Zeit vorher haben die Bauern in Österreich den Tisch des Volkes in so ausreichendem Maße und in so guter Qualität gedeckt, und wir wären in der Lage, nicht nur 8 Millionen Österreicher zu ernähren, sondern wir wären durchaus in der Lage, auch 10 und mehr Millionen Österreicher zu ernähren. Das ist wirklich eine Leistung der Bauern.

In der Landwirtschaft ist die Produktivität in den letzten Jahrzehnten also stärker angestiegen, als das in der Industrie der Fall war. Es kann aber nicht geleugnet werden, daß Agrarreformen notwendig sind. Insgesamt steigt europaweit die Produktion, natürlich je nach Witterung, in etwa um 2 Prozent pro Jahr. Die Bevölkerung wächst nicht mehr, und die Europäer sind relativ gut ernährt. Es ist also hier wenig Spielraum vorhanden. Das heißt, wir sind zunehmend auf den Weltmarkt angewiesen.

Mit den Auflagen aber, die wir in Europa haben, etwa mit den Umweltauflagen, mit den Tierschutzauflagen, auch mit den Sozialauflagen, zu denen wir uns bekennen, können wir nicht mit Weltmarktpreisen konkurrieren. Das heißt, wir brauchen vernünftige Regelungen, und ich hoffe, daß im Rahmen der Agenda 2000 innerhalb eines Jahres Regelungen gefunden werden, die auch die Bauern akzeptieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

12.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt der Abgeordnete Gaugg zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. – Ach, bitte um Entschuldigung, Herr Abgeordneter! Ich habe vergessen, daß sich vorhin der Herr Minister zu Wort gemeldet hat. Das war mein Versehen. Sie sind dann der nächste.

Zu Wort gelangt jetzt der Herr Bundesminister.

12.37

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Zu den an mich gestellten Fragen in aller Kürze: Zur Frage Road-Pricing: Beim Road-Pricing haben wir der ASFINAG den Auftrag gegeben, die Untersuchungen auf das einheitlich entwickelte Transroute-System auszurichten. Dabei hat sich gezeigt, daß es in verschiedenen Bundesländern durch die selektiven Mautstellen zu Ungerechtigkeiten für einzelne Regionen kommt, die untersucht werden müssen, bevor wir an die Reparatur des § 1 und 2 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz gehen werden.

Daher liegt es zunächst an der ASFINAG, endlich diese Untersuchungen durchzuführen. Dann wird das im Sinne dessen, was wir uns vorgenommen haben, umgesetzt werden.

Zum zweiten, Herr Abgeordneter Haigermoser, zum ElWOG: Die Kund’ vernehm’ ich wohl, doch: Die Konsumentenpreise – also die Preise für jene, die nicht Unternehmer sind – liegen im europäischen Schnitt im unteren Drittel der Preise. Die sonstigen österreichischen Verbraucher liegen im zweiten Drittel, und die Industrie liegt im absolut oberen Drittel und wird durch die Reform auf eine internationale Wettbewerbsfähigkeit gebracht. Dort liegt auch die Herausforderung der nächsten Jahre, und dort war der dringendste Handlungsbedarf gegeben.

Zum Kollegen Helmel habe ich mir, als ich dasselbe las, was Sie vorgelesen haben, gedacht: Jetzt schießt er sich ins Knie! Es gibt wirklich sehr viele in der Politik, auch Jungfunktionäre, die glauben, daß man von seiten der Regierung irgend etwas hinstellt und 100 000 Leute zum Rapport als Unternehmer befiehlt. Das ist doch völlig undenkbar! Wir haben eine Menge Fördereinrichtungen, und es sollen auch Jungorganisationen zur Kenntnis nehmen, daß nicht alles, was sie parteienmäßig publizieren, stimmt. Aus unserem Gründerservice wissen wir, daß die Grün


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dungskosten nicht das große Problem der Unternehmensgründer sind, sondern die Probleme, die wir in meinem Gründerservice festgestellt haben, sind, daß sich sehr viele Jungunternehmer trotz aller Qualifikation gerade auf die reguliertesten Gewerbe festlegen, die wir in Österreich noch haben, auf die 80 oder 84, und nicht auf die 800 anderen Möglichkeiten, mit denen man sich im Markt bestätigen kann.

Zweitens werden jetzt durch die Öffnung etwa des Telekom- und Service-Marktes zum ersten Mal eine ganze Reihe neuer Berufe kommen.

Zum Herrn Abgeordneten Schwarzenberger: Du weißt, wir haben uns darauf verständigt, sehr rasch ein Biomassezentrum als Kompetenzzentrum ins Leben zu rufen, weil der Waldzuwachs in Österreich auf Dauer dazu einlädt, das optimal für E-Wirtschaft und Biogasnutzung zu verwenden. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Abgeordneter Gaugg, jetzt sind Sie am Wort.

12.39

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Minister! Geschätzte Damen und Herren! Als jemand, der noch nicht so lange Abgeordneter ist, würde man erwarten, daß Sie, wenn vom Wirtschaftsminister und vom Finanzminister Erklärungen abgegeben werden, Lösungsansätze haben, daß Sie Lösungsansätze haben, wie Sie die EU-Osterweiterung gestalten wollen, wie Sie damit umgehen, daß wir derzeit 600 000 Arbeitslose haben, daß wir insgesamt eine geringe Beschäftigung haben und ähnliches mehr.

Hier aber wird nichts anderes fabriziert als Erklärungen, wie gut Sie sind, nichts anderes als eine gegenseitige Beweihräucherung, ohne daß nur im Ansatz daran gedacht wird, die wirklichen Probleme anzusprechen.

Das geht soweit, daß Präsident Verzetnitsch heute immer wieder betont, was er für die Arbeitskräfte in diesem Land tut, aber in Wirklichkeit betreibt er Kindesweglegung. Er war ein begeisterter EU-Befürworter, er ist ein begeisterter Anhänger des Euro; im gleichen Atemzug jedoch demonstriert er in Tirol mit Tourismusangestellten. Das ist eine Kindesweglegung erster Ordnung, das ist eine Ignoranz gegenüber den Betroffenen, die ihresgleichen sucht. Wir wissen ja, daß es eine ständig steigende Arbeitslosigkeit im Tourismus gibt, es gibt rund 33 000 Arbeitslose allein in diesem Bereich.

Sie wissen auch, daß es eine Olympiabewerbung des Bundeslandes Kärnten und der Stadt Klagenfurt gibt. Auch da wird in einem besonderen Ausmaß Ignoranz geübt: Egal, was die da unten machen, irgendwie wird es schon gehen.

Sie wurden in Anträgen aufgefordert, endlich einmal die Haftung von 13 Milliarden Schilling zu übernehmen, damit diese Bewerbung auch entsprechend und pünktlich am 1. September dieses Jahres abgegeben werden kann. – Das ist Ihnen völlig egal, unerheblich, das prallt am sozialistischen Jackett ab, das interessiert Sie nicht, was da unten passiert, denn dort sind die Roten eher am Aussterben begriffen, und daher unterstützen Sie sie nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Ich hätte mir von Ihnen auch erwartet, daß Sie dazu Stellung beziehen, wie Sie die Umweltstandards, die Sicherheitsstandards, die Sozialstandards, dieses Wohlstandsgefälle zwischen dem Osten und der heutigen EU bewerkstelligen wollen. Wie soll das funktionieren? Damit sind doch beträchtliche Belastungen für die heimischen Arbeitnehmer verbunden. Das wird alles weggewischt. Sie sind gut, Sie sind schön, Sie sind klasse.

Dann kommt der Herr Maderthaner und spricht über die Exporterfolge. Es mag schon sein, daß es in den vergangenen Jahren um 16,8 Prozent mehr Exporte gegeben hat. Tatsache ist jedoch, daß an diesen Erfolgen die Arbeitnehmer in Österreich nicht teilnehmen haben dürfen. Es gab statt dessen Nullohnrunden, es gab Lohnverzicht und Belastungspakete und ähnliches mehr. Kollege Maderthaner kommt mir vor wie die Bankdirektoren: Diese verkaufen ihre Unternehmen


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nach außen hin immer wie die goldene Gans, und gegenüber den Mitarbeitern im eigenen Haus als gerupfte Henne. So ungefähr schaut das aus: außen strahlen und innen jammern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So ähnlich läuft das. Wo ist die Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaft, die im Ausland unbestritten vorhanden ist? Warum kann diese Leistungsfähigkeit nicht auch im Inland umgesetzt werden, sodaß die Kaufkraft entsprechend gestärkt wird und die Sicherheit der Arbeitsplätze gewährleistet werden kann, die sich bis zu den Lehrlingen fortsetzt?

Wo ist die Attraktivierung der Ausbildung? Wo greifen denn Ihre Maßnahmen, die Sie mit Hunderten Millionen Schilling unterstützen? – Trotz allem werden 7 000 Lehrlinge im Herbst dieses Jahres "übrigbleiben". (Abg. Dr. Feurstein: Wissen Sie das?)

Wo ist die Verbesserung der Lebenseinkommen der Arbeiter in Österreich geblieben? Wo ist die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten? (Abg. Dr. Feurstein: Woher wissen Sie das?) Da meldet sich der Richtige, der Herr Feurstein, der immer aus der geschützten Werkstätte spricht! Ich sage Ihnen: Sie sind mitverantwortlich dafür, daß die heimischen Arbeitnehmer immer schlechtere Bedingungen haben. Das ist Ihre Art der Sozialpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Feurstein und Rosemarie Bauer. )

Sie sind nicht einmal in der Lage, die 55. ASVG-Novelle ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen. Monatelang wird mit Krämpfen gearbeitet. Sie sind einer der Hauptverantwortlichen dafür. Sie sind Bremser, Hemmer einer guten Entwicklung in der Sozialpolitik in diesem Lande! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist denn mit Ihrem Bündnis mit dem derzeitigen Bundeskanzler Kohl in Deutschland, der seit kurzem sehr wohl massiv eine Senkung der Beiträge in seinem Land verlangt? Wo ist denn Ihr Ruf danach? Es heißt immer, das geht bei uns nicht. Bei uns geht überhaupt alles nicht! In Japan geht das, daß man mit sofortiger Wirkung die Lohnsteuer senkt; bei uns geht das nicht. Wir müssen warten bis zum Jahr 2001. (Abg. Dr. Nowotny: Japan ist kein gutes Beispiel!) – Na gut, Sie als Privilegienritter sind davon in keiner Weise betroffen. Sie sind nur nicht Direktor der EZB geworden – das ist das einzige, das Ihnen weh tut. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Können Sie auch sachlich argumentieren?)

Sie sind kein Betroffener davon. Sie zahlen zwar die Lohnsteuer aus der linken Tasche, aber der Arbeitnehmer, der drei Jahre lang keine Lohnerhöhung bekommt, der leidet unter Ihrer Politik. Das geht bis hin zur Sistierung der Lohnsteuerfreibeträge, die Sie aktivieren. Sie sind der, der die Einkommen kürzt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Können Sie auch sachlich argumentieren?) Sie reden locker, Sie sind einmal da, dann sind Sie nicht da, dann gehen Sie auf die Universität und lehren ein bißchen, dann bewerben Sie sich wieder bei einer Bank. – Das ist Ihre Tätigkeit. Sie wollen Sozialdemokrat sein?! (Abg. Dr. Nowotny: Sie können nicht sachlich argumentieren!)  – Wohl, ich argumentiere sachlich. Ich argumentiere gerne sachlich (Abg. Dr. Nowotny: Dann machen Sie es einmal!), wenn Sie bereit sind, einmal einen Vorschlag einzubringen, wie die Lohnsteuer für die heimischen Arbeitnehmer rasch und umfassend gesenkt werden kann. Die kalte Progression allein frißt Milliarden Schilling weg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin gerne bereit (Abg. Dr. Nowotny: Das zahlt sich gar nicht aus!), aber Sie können nur polemisieren. Sie können ausschließlich polemisieren, und daher freue ich mich, da Sie eine sachliche Kooperation wollen ... (Abg. Dr. Haider: Die warnen ja im NEWS vor einer Lohnsteuersenkung!)  – Ja, genauso ist es, sie warnen. 45 Prozent Abgabenquote. – Ich würde sie noch weiter erhöhen! (Abg. Dr. Nowotny: Ich bin für den Sozialstaat!) Aber nur so lange es Sie betrifft. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Herr Universitätsprofessor, da kennen Sie mich schlecht. (Abg. Dr. Nowotny: Jetzt sind Sie sachlich!)

Aber Sie haben eine riesengroße Chance: Sie können heute einem


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Entschließungsantrag der Freiheitlichen betreffend die EU-Beitragssenkung zustimmen. Da können Sie mit dabeisein.

Ich bringe folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Kollegen betreffend EU-Beitragssenkungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den Verhandlungen über die künftigen Eigenmittel der Europäischen Union und die Beiträge zum EU-Haushalt zu bewirken, daß die hohen österreichischen Beitragszahlungen an die Europäische Union maßgeblich und dauerhaft verringert werden."

*****

Herr Professor! Ich lade Sie ein: Gehen Sie einmal mit mir gemeinsam in ein Arbeitergasthaus, und dann diskutieren wir darüber! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Gaugg hat den Entschließungsantrag betreffend EU-Beitragssenkungen verlesen. Er ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Heindl mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

12.46

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen! Ich fasse den Wirtschaftsbericht nicht so auf, wie ihr das tut, muß ich sagen, so quasi als Selbstbeweihräucherung der Regierungsarbeit, denn die Regierung arbeitet nicht in den Betrieben. Wir stellen einen erfolgreichen Bericht vor – ich habe ihn mir heute nacht durchgelesen, nachdem ich das vorbereitet hatte, was ich mir selbst immer wieder zurechtlege –, und ich komme zu dem Ergebnis: Seien wir doch froh, daß wir solche Fakten haben!

Helmut Haigermoser! Ich bin der letzte, der sagt, die Rahmenbedingungen sind so exzellent, wir sollten sie überhaupt nicht ändern. Ich bin sehr wohl der Auffassung, daß man über Rahmenbedingungen täglich nachdenken und sie immer wieder erneuern muß. Um uns ändert sich alles, daher muß man auch Rahmenbedingungen ändern. (Abg. Haigermoser: Da hat er recht!) Das ist einmal der erste Grundsatz dazu. Ich weiß, und das ist durchaus legitim, die Opposition sagt: Das hätte schon gestern passieren sollen. (Abg. Haigermoser: Ich bin schon mit morgen zufrieden!)  – Laß mich doch auch einmal ein bißchen übertreiben! – Na gut, also morgen.

Auch ich hätte gerne manches rascher geändert. Der Wirtschaftsminister sagt: Ich bekenne mich dazu, daß natürlich einige Dinge wieder raschest geändert werden müssen, zum Beispiel die Wirtschaftstreuhänderordnung. Dabei geht es nicht um den Buchhalter und den Selbständigen allein, Kollege Böhacker. Da geht es um viele Dinge. Es geht primär unter anderem auch darum, daß die Klein- und Mittelbetriebe – diese stehen immer wieder im Raum – im Wettbewerb Zugang zu kostengünstigerer Beratung haben, unter Umständen auch zu einer rascheren Beratung. Das werden wir diskutieren. Wir hoffen, daß wir das im Herbst machen können. (Abg. Böhacker: Ich bin gerne bereit, mit Ihnen zu diskutieren!)

Sie kritisieren die Gewerbeordnungsnovelle. Ich will keine neue Debatte über die Gewerbeordnung, aber eines muß ich sagen: Als ich damals drei Monate verlangt habe, haben alle – selbst meine Experten – gesagt, ich verlange zuviel beim Anlagenrecht. Heute geben sie zu: Das Unmögliche ist möglich geworden. Es funktioniert, mit diesem – ich gebe zu – epochalen Schritt, in einer so kurzen Zeit eine Anlagengenehmigung zu erreichen.

Auch das ist mir noch zuwenig, lieber Helmut Haigermoser! Minister Farnleitner kündigt an, daß wir ein umfassendes Anlagenrecht schaffen. Genau das brauchen wir, weil noch immer etliche Dinge nicht so sind, daß sie den jetzigen Rahmenbedingungen optimal entsprechen. Es ist aber im Laufen. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Haigermoser. )


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Ich muß bei aller kritischen Betrachtung sagen – und das hat nichts mit Beweihräucherung zu tun –: Die wirtschaftlichen Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Im OECD-Bericht – den wirst du doch auch gelesen haben – steht, daß die konjunkturelle Belebung in Österreich im Jahr 1997 vorwiegend auf einem starken Exportwachstum basiert und – das sollten wir registrieren – auf einer Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. – Das heißt, daß wir in Österreich geeignete Rahmenbedingungen haben müssen, sodaß unsere Betriebe im Wettbewerb, sei es im Inland oder sei es beim Export, günstig abschneiden können. Sonst wäre das nicht möglich. Das ist ja nicht ein Ergebnis der Regierungsarbeit, sondern die Wirtschaft akzeptiert, daß die Rahmenbedingungen sinnvoll sind.

Die Situation hat sich also eindeutig verbessert. Wo haben sich aber in euren Beiträgen die Rahmenbedingungen verbessert? – Ich habe kein Wort von euch dazu gehört, ich hätte es aber gerne gehört.

Ich wollte eigentlich etwas ganz anderes sagen, aber ich muß dazu jetzt Stellung nehmen, denn es betrifft vor allem die Klein- und Mittelbetriebe: der Wegfall der Grenzkontrollen und im Zusammenhang damit der Wegfall der Wartezeiten und Grenzformalitäten. Das hat vor allem dem klein- und mittelbetrieblichen Exporteur genutzt. Auch wenn du den Kopf schüttelst, Kollege Böhacker, es ist eine sehr, sehr goße Verbesserung. Das bringt zwischen 8 und 16 Milliarden Schilling. Es ist aber nicht nur das Geld, sondern die ganze Manipulation fällt weg.

Der Betrieb braucht kein Grenzlager mehr, er kann direkt liefern. Das "just in time" ist heute von Österreich aus möglich. Das sind Dinge, die eine Verbesserung gebracht haben. Das sind Verbesserungen der Rahmenbedingungen. Tun wir doch nicht so, als wäre das etwas anderes! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Herr Kollege! Ich könnte noch etliche Dinge erwähnen. Das ist die Realität. Oder: der Wegfall der Ursprungsregelungen. – Warum hat sich in manchen Bereichen der Textilwirtschaft im Export gerade ... – Ich muß schon wieder aufhören, aber ich könnte jetzt eine Fülle von Dingen sagen, bei denen sich die Situation verbessert hat. (Abg. Haigermoser: Wir müssen uns einmal anders unterhalten!)

Ich gebe zu, es gibt noch etliche Dinge – ich habe nur zwei erwähnt –, wo wir Verbesserungen bringen müssen, das ist überhaupt keine Frage. Insgesamt haben wir aber nicht nur ein entsprechendes Klima, sondern auch Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Klein- und Mittelbetriebe, daß die Exportwirtschaft funktionieren können.

Eine Zahl darf ich zum Schluß noch nennen. Es kann doch kein Zufall sein, es ist ja heute kein Export mehr im herkömmlichen Sinn, daß die Lieferungen in die EU gerade von Klein- und Mittelbetrieben um 60 Prozent gestiegen sind! Das sind doch Fakten! Das hat doch nichts mit Beweihräuchern zu tun, sondern das ist die wirtschaftliche Realität, und über diese sollten wir reden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.52

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Abgeordneter Heindl! Wissen Sie, der Bericht ist eine Beweihräucherung. Denn das Außenhandelsdefizit mit der OECD macht allein 107 Milliarden Schilling aus, und man weiß auch, warum die OECD immer wieder einmahnt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Heindl. )

Ein Bericht von 22 Seiten, in dem 20 Seiten für Erfolgsmeldungen verwendet werden und nur zwei Seiten für zukünftige Maßnahmen, steht einfach diametral zur Wirklichkeit. 100 Milliarden Schilling Zinsen und Spesen für die Staatsschuld, 100 Milliarden Schilling Außenhandelsdefizit gegenüber den EU-Staaten, nach wie vor 70 Milliarden Schilling Neuverschuldung jährlich und eine bis heute steigende Arbeitslosigkeit! – Das muß man einfach festhalten.


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Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben in Ihren Berichten die Erfolgsquote einfach in ein zu kleines Korsett gezwängt. Das ist ein zu kleines Konzept. Ich akzeptiere zwar das Eingeständnis von Minister Farnleitner, der sagt, daß die Forschungstätigkeit endlich angekurbelt werde, aber die Technologiemilliarde ist bis heute nicht geflossen. – Das muß man auch festhalten.

Daß der Unternehmerdrall von den oberen Bildungsschichten kommen muß, ist eine Feststellung, die tatsächlich auch stimmt. Denn jetzt drängen die gut ausgebildeten Leute in sehr hohem Maße in die Pragmatisierung. Das heißt, daß die Struktur einfach nicht stimmt.

Daß die Eigenkapitalquote zu niedrig ist, ist auch ein Eingeständnis, das ich an sich positiv vermerkt habe.

Wenn man aber in die Tiefe geht, dann erstrahlt eigentlich nur die Fassade aus diesen Berichten. Beim Gerät des Bundesheeres blitzen an sich nur mehr die Trompeten der Gardemusik auf, das haben wir gestern sehr eindrucksvoll gesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Herr Ingenieur Nußbaumer!) Es sind keine Investitionsmittel für die Geräte an sich vorhanden.

Die EU-Präsidentschaft strahlt auch in die Welt, Herr Bundesminister! Sie fordern Harmonisierung. Diese hätte man an sich schon vor dem Beitritt einleiten müssen. Ich gebe Ihnen recht, Harmonisierung ist notwendig. Aber die Liste der österreichischen Verstöße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht wird immer länger: Sparbuch, Maut, Vergabenordnung, Salami. – Das sind nur die Themen und Schlagzeilen der Medien. In Wirklichkeit ist die Harmonisierung, die notwendig und eine Chance gewesen wäre, jetzt im Zusammenhang mit dem ElWOG jedenfalls keine Liberalisierung im Sinne der Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Das Ergebnis, das Ihr Kollege Farnleitner mit den Patenten und Mustern gebracht hat, ist wirklich kein echtes, denn Gebrauchsmuster genießen in der Welt kaum einen Schutz – vielleicht noch in Österreich, aber nicht in der Welt. Also: Mit Gebrauchsmustern können Sie sich "schleichen", wenn Sie nach Amerika oder nach Japan exportieren wollen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Noch etwas erscheint mir typisch – das haben nicht Sie gesagt, aber ich möchte es trotzdem erwähnen. Farnleitner hat ausschließlich Beispiele aus der Großindustrie gebracht: General Motors, Stronach – überall dort setzt er sich ein. Für die klein- und mittelständischen Unternehmen ist offensichtlich weder Zeit noch Neigung vorhanden. (Abg. Haigermoser: So ist es!) Das erinnert mich sehr an meine Zeit im Europäischen Parlament. Bangemann ist auch nur – und man hat es ihm auch angesehen – mit den Leuten der Großindustrie ausgegangen und hat sich einen Schmarren um die klein- und mittelständischen Unternehmen gekümmert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Richtig! Genau!)

Ich vermisse jetzt leider meinen lieben Freund Gottfried, aber vielleicht ist Kollege Stummvoll so nett und wird das weitergeben. Gottfried Feurstein sagt, daß die Gründerwelle an der ersten Stelle dieses Berichts stehe. Es steht aber überhaupt nicht dabei, mit welchen Maßnahmen denn diese Gründerwelle endlich eingeleitet werden soll.

Herr Finanzminister! Sie feiern die Erreichung der Konvergenzkriterien mit Stolz, das haben Sie gesagt. In Wirklichkeit aber – und ich glaube, das muß man als Oppositionspolitiker natürlich sagen, und ich bitte Sie, das auch zur Kenntnis zu nehmen – ermahnen uns die internationalen Institutionen, daß das Budgetdefizit zu hoch ist und im heurigen Jahr maximal bei 1,8 Prozent Neuverschuldung sein dürfte. Sie ermahnen uns, weil die notwendigen Strukturreformen nicht eingeleitet worden sind. (Bundesminister Edlinger: Die Gesamtschuld Österreichs!)

Die Gesamtschuld Österreichs kommt natürlich dazu. (Bundesminister Edlinger: Und auf 2,2!) Das ist aber auch in den 100 Milliarden Zinsen und Spesen enthalten, die Sie jährlich haben. Es gibt aber keine Möglichkeit mehr, die entsprechenden Investitionen durchzuführen. Deshalb ist es falsch, wenn Sie die 26 000 neuen Arbeitsplätze feiern. Sie sollten bedauern, daß allein in der letzten Woche – und das wurde hier vom Pult aus von unserem Parteiobmann bereits erwähnt – 2 000 Arbeitsplätze verlorengegangen sind.


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135. Sitzung / Seite 69

Ich hätte noch gerne etwas zum Export gesagt, aber meine Redezeit ist zu Ende. Vielleicht noch eine Schlußbemerkung: Die Exporterfolge sind nur rudimentär, denn die Exporterfolge in die Europäische Union mit einem Außenhandelsdefizit von insgesamt 101,4 Milliarden zeigen doch ganz deutlich auf, wie schwach und schlecht die Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Wirtschaft ist. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.58

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Situation in Österreich wurde jetzt schon vielschichtig geschildert; Pros und Kontras, wie man es sich in einer Diskussion, in einer Debatte zwischen der Regierung und der Opposition erwartet.

Ich bin glücklich, in diesem Österreich mit allen seinen positiven und negativen Seiten, mit allen seinen Problemen zu leben. Diese werden wir in der Zukunft angreifen müssen, wir werden sie lösen müssen. Wir werden Lösungen finden in einem Umfeld eines totalen Wandels der Gesellschaft und damit eines totalen Wandels der Wirtschaft: Mikrochips, Datenautobahnen bestimmen die derzeitige Entwicklung. Ich werde mich daher in der heutigen Wirtschaftsdebatte mit der Globalisierung, die mit einer derart großen Anzahl von positiven und negativen Assoziationen verbunden ist, im Hinblick auf die Wirtschaft und auch auf die Finanzen beschäftigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der ÖVP werden diese Herausforderung der Jahrtausendwende annehmen. Wir werden sie meistern. Wir sind uns auch bewußt, daß in der Zukunft viel Verantwortung von uns zu tragen sein wird.

Die nationale Ordnungspolitik, die eigentlich von uns, vom Parlament ausgehen müßte, wird bei einer stetig wachsenden Verflechtung der Volkswirtschaften durch einen stetig steigenden Warendienstleistungs- und Kapitalaustausch über die Landesgrenzen hinaus immer mehr eingeschränkt. Wir haben uns daher in der Wirtschaftspolitik klar darüber zu sein, daß global agierende Unternehmen durch die Ausrichtung auf internationale Märkte in Zukunft immer mehr den nationalen Rahmenbedingungen entfliehen. Andererseits hat Österreich mit seiner wirtschaftlichen Struktur sicherlich alle Chancen, in seinen Betrieben mit unseren Nachbarländern im Westen und vor allem auch im Osten die Europäisierung voranzutreiben. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vergessen wir daher über die Globalisierungseuphorie hinaus nicht Europa, denn hier kann sich die Wirtschaft in Ruhe, Sicherheit und großer Stabilität entwickeln. Kürzlich stand in der "Zürcher Zeitung" zu lesen: Wer nichts riskiert, riskiert am meisten. Dieses Motto gilt uneingeschränkt für jeden Unternehmer. Es sollte auch für uns gelten. Auch wir, die Träger der Ordnungspolitik, werden in Zukunft den Unternehmern Freiräume schaffen, damit sie unternehmen können und nicht unterlassen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch einige Worte zum Steuersystem sagen, denn wir sollten uns auch damit beschäftigen. Arbeitsplätze entstehen in den Betrieben, daher muß auch die Finanzpolitik darauf ausgerichtet sein. Die besteuerten Produktionsfaktoren sind unterschiedlich mobil. Portfolio-Kapital weist weltweit die höchste Mobilität auf. Sachkapital ist, solange die Entscheidung nicht gefallen ist, wo die Investition zu tätigen ist, natürlich auch vollkommen mobil, nach dieser Entscheidung jedoch nicht mehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es bleibt nur mehr der Faktor Arbeit übrig. Arbeit ist nämlich immobil, sieht man vom oberen und unteren Segment der Einkommenspalette ab. Mobiles Kapital ist kaum besteuerbar, da es ansonsten sofort Ausweichreaktionen gibt. Für eine Besteuerung des relativ immobilen Faktors Arbeit können wir meiner Überzeugung nach nicht sein, und die ÖVP steht dazu, daß die Arbeit nicht weiter belastbar ist. (Beifall bei der ÖVP.)


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Auch wenn es schwierig ist, sollten wir daher – der Herr Finanzminister hat es heute schon gesagt – so schnell wie möglich darüber nachdenken, wie man eine supranationale Harmonisierung der Kapitalbesteuerung besonders im europäischen Raum schaffen könnte. Ich persönlich glaube, daß wir eine umfassende Selbstveranlagung der Einkommensbereiche haben müssen und etwa Ökosteuern nur im europäischen Gleichschritt einführen sollten. Das ist bereits im Unionsvertrag von Maastricht, im Artikel 130r und 130s, geregelt.

Hohes Haus! Unsere soziale Marktwirtschaft ist mehr als je zuvor in ihrer ethischen Grundhaltung, nämlich der Gemeinwertorientierung, gefordert und von größter Bedeutung. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Wirtschaftsethik entspricht eine bestimmte soziale Gesinnung und ein bestimmtes Umweltbewußtsein. Dies sind Werte, nach denen jeder Bürger den ihm möglichen Beitrag zu Sicherung und Verbesserung der Lebensqualität leisten kann. Die ÖVP tritt für eine solidarische, auf Leistung und Eigenverantwortlichkeit begründete Wirtschafts- und Sozialethik und damit auch Wirtschafts- und Sozialpolitik ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist die Grundlage, auf die wir bauen können und auf der wir das verwirklichen können, was Josef Taus einmal gesagt hat. Er meinte, die Zukunft werde ein großes Abenteuer, auch für die Österreicher, auch für Österreich. Das sei gut für die Jungen, die Herausforderungen zu meistern haben werden, die wir Alten, die ältere Generation, noch nicht einmal gekannt hätten. Wir von der ÖVP stehen auf der Seite jener Menschen, die diese Zukunft in diesem Sinne meistern wollen und werden. (Beifall bei der ÖVP.)

13.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Stummvoll: Jetzt ist es natürlich schwer! – Abg. Mag. Schweitzer: Sehr schwer!)

13.04

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst ein Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Mag. Haupt, Marolt und Kollegen betreffend die Notwendigkeit von Marketingaktivitäten in Hinblick auf die Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird insbesondere in seiner ressortmäßigen Verantwortung für den Bereich Tourismus aufgefordert, umgehend Marketingaktivitäten zur wirksamen Unterstützung der österreichischen Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2006 einzuleiten und sich in diesem Zusammenhang für die Herausgabe einer entsprechenden Sonderbriefmarke einzusetzen."

*****

(Abg. Dr. Stummvoll: Das ist nicht schwer! – Abg. Dr. Rasinger: Super! – Abg. Öllinger: Noch schneller!) Herr Kollege Stummvoll! Sie und Ihre Partei treten immer für die kleinen und mittleren Unternehmen ein, die besonders gestärkt, gefördert und entlastet werden müssen. (Abg. Dr. Stummvoll: Wir treten dafür ein! Ja!)

Ich bringe Ihnen nun ein Beispiel aus jenem Land, in dem Kollege Kiss und ich leben dürfen. Dort hat die rot-schwarze Wirtschaftskompetenz wieder einmal ein besonders signifikantes Beispiel für erfolgreiche Wirtschaftspolitik produziert. (Abg. Dr. Stummvoll: Jeder hat seine Bei


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spiele!) Ich rede, Herr Kollege Stummvoll, von der Errichtung dieses klassischen Leitbetriebes in Heiligenkreuz: Lyocell.

Sie wissen, daß auch Lenzing sich darum bemüht, es aber nicht bekommen hat. Inzwischen sind in Lenzing 500 Arbeitsplätze eingespart worden. In Heiligenkreuz hat man 116 Arbeitsplätze mit einer Gesamtinvestition von bis jetzt 2,2 Milliarden Schilling geschaffen. (Abg. Mag. Kukacka: Da waren Sie aber auch dafür! – Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Schauen Sie in den Rechnungshofbericht, dort steht es, Herr Kollege Nowotny: 2,2 Milliarden Schilling. Das Land Burgenland hat das Kapital für die Kofinanzierung nicht gehabt und im Nicht-EU-Land Schweiz einen Kredit aufnehmen müssen, der jetzt über Jahrzehnte zurückzuzahlen ist.

Sehen wir uns diesen Vorzeigebetrieb in Heiligenkreuz nun einmal genauer an: Die Inbetriebnahme erfolgte vor einem Jahr, ausgelegt auf eine Gesamtproduktion, Herr Kollege Stummvoll, von 80 000 Jahrestonnen! (Abg. Mag. Kukacka: Sie waren dafür bei der Gründung!) Nun stellt man fest, daß der Markt insgesamt nur 15 000 Jahrestonnen benötigt und davon mehr als 80 Prozent von der Konkurrenz geliefert werden. Für Lyocell-Heiligenkreuz bleibt ein Segment von mageren 12 Prozent. Wissen Sie, wieviel das ausmacht? – 1 800 Jahrestonnen! Liaunig hat es mir im Rechnungshofausschuß bestätigt. Von 80 000 Jahrestonnen Gesamtkapazität bringen Sie ganze 1 800 auf dem Markt unter, der Rest – und es ist erst eine Linie in Betrieb – geht ins Lager.

Die Lagerkapazitäten sind jedoch erschöpft. Wissen Sie, was Sie nun mit dem Leitbetrieb tun müssen? Sie müssen ihn im Sommer zusperren! Herr Kollege Stummvoll! Sie müssen diesen "tollen" Leitbetrieb für sechs Wochen zusperren (Abg. Mag. Kukacka: Aber Sie waren dafür! – Abg. Haigermoser: Das ist ja nicht wahr! Dagegen waren wir!), weil nach diesem Produkt auf dem Markt keine Nachfrage herrscht.

2,2 Milliarden Schilling für einen Betrieb, der bereits zusperrt! Das ist Ihre Wirtschaftskompetenz, das ist Ihre Wirtschaftsförderung, meine Damen und Herren von Rot und Schwarz. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Warum waren Sie ursprünglich dafür?) Wir waren dagegen! Denn wir sind dafür, daß diese Unsummen an Förderungen in die kleinen und mittleren Betriebe gehen, wo wirklich die Arbeitsplätze geschaffen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese sozialistischen Wirtschaftsexperten haben mit 2,2 Milliarden Schilling ganze 116 Arbeitsplätze geschaffen, und jetzt, nach einem Jahr Betrieb, muß sechs Wochen lang zugesperrt werden, weil die Lagerhallen voll sind. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Dazu kommt noch etwas, das sehr kompliziert klingt, Herr Kollege Schwarzenberger: Aufsichtsratsvorsitzender Liaunig sagte im Ausschuß, daß es ein Defibrilierungsproblem mit der Faser gebe. Auf deutsch heißt das, daß sich die Faser bei der Verarbeitung auflöst. Stellen Sie sich das vor! Jetzt löst sich auch noch das Produkt auf! Es ist gut, daß Sie nicht mehr verkauft haben, sonst würde sich noch mehr auflösen! (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Ich will damit sagen: Man macht einer Region Hoffnungen, der Leitbetrieb werde unzählige Folgebetriebe nach sich ziehen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Bis jetzt gibt es in Heiligenkreuz keinen einzigen Folgebetrieb, der Leitbetrieb sperrt aber bereits wieder zu, weil Sie das Produkt auf dem Markt nicht unterbringen können und weil sich das Produkt auch als nicht verarbeitungsfähig erwiesen hat. Sie können das Produkt, das sich auflöst, einlagern, solange die Kapazitäten reichen. Wenn die Kapazitäten für das Einlagern erschöpft sind, dann müssen Sie den Betrieb für sechs Wochen zusperren. (Abg. Öllinger: Dann müssen Sie das Produkt auflösen!)

Herr Finanzminister! Liaunig hat gesagt, ein Verkauf von Lenzing scheitere im Moment daran, daß Sie den Klotz Lyocell am Bein haben. Der Leitbetrieb Heiligenkreuz-Lyocell ist also innerhalb eines Jahres zum "Klotz am Bein" geworden. Das ist Ihre Wirtschaftspolitik, das ist Ihre Wirtschaftskompetenz. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Der eingangs verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marizzi. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Vielleicht könnte man das Ganze in eine Weihraucherzeugung umbauen!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

13.10

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon einmal gesagt, daß nicht alles, was die Freiheitlichen sagen, falsch ist (Abg. Schwarzenberger: Aber fast alles!) und auch nicht schlecht.

Aber Herr Kollege Haider hat heute wieder einmal zu mir gesagt: Sie mit Ihren mafiosen Verbindungen. – Der Herr Bundespräsident hat bei seiner Angelobung gestern gemeint, man solle die Verrohung der Sprache zurückstellen. Ich habe zu euch hinübergeschaut, ihr habt dazu natürlich geklatscht, wenn auch sehr verhalten. Aber das ist so eure Art. Ihr stellt immer nur Dinge in den Raum. (Abg. Meisinger: Sagen Sie das dem Kostelka und dem Khol!) Ich habe damals für Kindberg, für die VOEST Aufträge akquiriert. Darauf bin ich stolz, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Haider war in Taiwan, hat aber keinen einzigen Auftrag zurückgebracht. Er war auch oft in den USA, ich habe aber nichts davon gemerkt. Wir sind für die Wirtschaft da, wir haben Aufträge akquiriert. Daher kann er mir nicht ununterbrochen mafiose Verbindungen unterstellen. Halten Sie sich mit diesen Dingen und mit solchen Äußerungen zurück! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Rieß und Dipl.-Ing. Schöggl. ) Seien Sie ruhig da oben auf den schlechten Plätzen!

Herr Kollege Haigermoser hat die Arbeitszeitverkürzung erwähnt. Ist das etwas Falsches? Vielleicht gibt es in dieser Frage keine ideologischen Unterschiede. Ich war vor zehn Jahren in den Preßblechfertigungen des BMW-Betriebes. Damals haben dort 2 000 Leute gearbeitet. Voriges Jahr war ich wieder dort: Jetzt arbeiten nur mehr 80 Mitarbeiter daran. Auf die österreichische Industrie umgelegt bedeutet das, daß es gegenüber 800 000 Beschäftigten in den achtziger Jahren heute nur mehr 400 000 gibt, die jedoch das Doppelte erzeugen.

Es ist meiner Ansicht nach notwendig, daß in manchen Sparten die Arbeit verteilt wird, da sonst die Arbeitslosigkeit zunimmt. Ich behaupte, daß es in manchen Sparten vielleicht notwendig sein wird, daß die Menschen in 20 Jahren etwa nur mehr 20 Stunden arbeiten. Das ist keine Linksideologie, sondern einfach ein Verteilungsmechanismus, um die Arbeit gerecht zu verteilen. Über all das können wir meiner Meinung nach diskutieren. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Im Robinson-Club hat er auch "eingefädelt"!)

Herr Kollege Hofmann! Die Lage unseres Landes ist im internationalen Vergleich positiv. Für die konfliktfreie Zusammenarbeit auf Regierungsebene in punkto Wirtschaft, die aus den beiden heutigen Berichten zu ersehen ist, möchte ich – ohne Hallelujah zu rufen und Weihrauch zu verstreuen – den Herren Bundesministern Farnleitner und Edlinger herzlich danken. Schauen wir uns die Zahlen an!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind froh darüber, daß die Österreicher derartig positive Berichte in ihre wohlverdienten Ferien mitnehmen können, Herr Kollege Prinzhorn. Das ist kein Ferienkehraus, weil das Klima positiv ist, und die Einstellung spielt sich auch im Kopf ab. Die Kritik an der Wirtschaftspolitik immer unter der Gürtellinie anzusetzen und immer wieder zu sagen, daß alles schlecht sei, ist zwar das Recht der Opposition, aber Sie müssen auch die Daten anerkennen.


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Herr Kollege Haider hat "Die Presse" zitiert. Ich zitiere nun den "Kurier": "Wirtschaft boomt, ...!" "Neue Kronen-Zeitung": "Das Wachstum beschleunigt sich weiter, die Inflation ist niedrig wie selten. Rekorde bei der Beschäftigung, bald 3,12 Millionen Arbeitsplätze." (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Es geht noch weiter. "Der Standard": "Österreichs Wirtschaft in Hochform." – Das alles sind natürlich "Regierungsblätter". – "Wachstumshoch 1998 ..." – Ich könnte es weiter fortsetzen. Das sind Daten und Fakten. Über den Aktionsplan hat bereits Herr Kollege Feurstein gesprochen. Neue Lehrberufe kommen.

Ich darf noch etwas zitieren – und zwar nicht irgend etwas, sondern den Wifo-Bericht: "Österreichs Wirtschaft wächst heuer – bei kräftigem Warenexport und guter Industrie- und Investitionskonjunktur – real um 3 Prozent. 1999 kommt dem privaten Konsum eine tragende Rolle in der Expansion der Gesamtwirtschaft zu, die Konjunktur erreicht mit einem Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent einen Höhepunkt. Unter diesen Bedingungen weitet sich auch die Beschäftigung aus und steigt auf ein neues Rekordniveau. Die Arbeitslosigkeit geht im kommenden Jahr erstmals seit 1994 zurück." – Nun, ist das schlecht? (Abg. Schwarzenberger: Für die Opposition schon!) Können wir darauf nicht stolz sein, meine Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Muß man ununterbrochen madig machen, heruntermachen, beschimpfen, persönlich denunzieren? Das ist Ihr politisches Strickmuster, und mit diesem Strickmuster bleiben Sie auf der Strecke. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Gaugg – er ist jetzt nicht hier – hat von einer Nullohnrunde bei den Arbeitnehmern gesprochen. – Lesen Sie den Wifo-Bericht! Sie kriegen ihn! Sie brauchen ihn sich nur anzusehen. Darin steht bei den Realeinkommen für 1998 plus 0,8, für 1999 plus 1,2.

Schauen Sie sich bitte – und auch der Herr Bundesminister für Finanzen – den ÖIAG-Bericht an (der Redner zeigt den Geschäftsbericht der ÖIAG für 1997): Vor zehn Jahren war es ein Schrotthaufen, heute ist es ein Leistungskonzern, ein strategischer Konzern der Sonderklasse. Seien wir ein bißchen stolz, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Böhacker: Da gibt es aber noch andere Facetten!)

Noch schnell ein letzter Punkt, ich habe nur mehr eine Minute: Niemand soll verlieren! Herr Kollege Gaugg hat gemeint, wir kümmerten uns nicht um die Arbeiter. – Bitte, wer außer den Sozialdemokraten hat mit dem ÖGB die "Aktion Fairneß" gestartet, um die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten zu erreichen und diese Frage nicht zu ideologisieren? Wir stehen vor einer Jahrtausendwende, und wir wissen ganz genau, wie wichtig heute der Mitarbeiter, der Arbeiter im Betrieb ist. Die Unterschiede müssen weg. In dieser Frage können Sie mit uns mitstimmen und nicht immer darüber jammern und dagegen opponieren.

Abschließend kann ich nur sagen: Die österreichische Bundesregierung hat wirklich mit Elan gearbeitet. Das ist vor allem aus den Noten für Herrn Finanzminister Edlinger in der Zeitschrift "News" ersichtlich: Er hat fast eine glatte Eins bekommen, auf die wir, Herr Finanzminister Edlinger, auch stolz sind. Es zeichnet uns aus, daß wir einen so guten Finanzminister haben und auch einen, ich betone das, in der Zusammenarbeit so guten Wirtschaftsminister. Wir sind stolz auf die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich, und diese beiden Minister tragen wesentlich dazu bei. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Smolle. )

13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Smolle: Verblasen Sie den Weihrauch!)

13.17

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Kollege Schwarzenberger! Sie haben von diesem Pult aus die Agrarpolitik gelobt. Ich glaube, Sie


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haben die heutige "Presse" noch nicht gelesen, denn darin steht, daß wir ein "gewaltiges Agrar-Defizit" eingefahren haben. Ich zitiere: "Entgegen den Aussagen des Landwirtschaftsministeriums und der Agrarmarkt Austria nimmt das Defizit im Außenhandel mit agrarischen Primärprodukten ständig zu." (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Herr Kollege Schwarzenberger! Sie müssen sich vorstellen: 1995 lagen die Agrarimporte bei 43 Milliarden Schilling, nur zwei Jahre später, 1997, haben wir Agrarimporte um 53 Milliarden Schilling. Das muß man sich einmal vorstellen, Herr Kollege Schwarzenberger! Entscheidend ist noch ein Satz in diesem Artikel: "Das Defizit entfällt fast zur Gänze auf den Handel mit der Europäischen Union, mit Drittstaaten gibt es eine ausgeglichene Bilanz."xxxvgl.Sd. – Das heißt, Sie sind wegen Ihrer Politik und trotz Millionenschröpfaktionen der Agrarmarkt Austria, die bei den Bauern Marketingbeiträge kassiert, nicht in der Lage, mit den von Ihnen vorhin so gelobten österreichischen Agrarprodukten endlich eine Exportoffensive in die Europäische Union zu starten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Ihr macht ja unsere Produkte immer schlecht!)

Sie reden wie der Blinde von der Farbe, Herr Kollege Schwarzenberger! Sie machen die österreichische Landwirtschaft zu einem Sozialfall! Ich habe Sie beobachtet. Während Herr Kollege Marizzi gesprochen und die Reallohnsteigerungen bei den Arbeitnehmern gelobt hat, haben Sie geklatscht. (Abg. Schwarzenberger: Ist das schlecht? – Abg. Dr. Nowotny: Ist das schlecht?) Aber im gleichen Fall machen Sie eine Politik, durch die die Einkommen der Bauern ... (Abg. Schwarzenberger: Ich bin dafür, daß alle am Wohlstand teilnehmen!) Vielleicht denken Sie einmal darüber nach, wen Sie eigentlich in diesem Haus vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind Salzburger Bauernvertreter. Wenn Sie in Salzburg in den Zug einsteigen, dann haben Sie schon die Hälfte der Bauern vergessen, und wenn Sie in Wien am Hauptbahnhof, am Westbahnhof, aussteigen, haben Sie bereits alle Bauern vergessen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.20

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Aumayr! Es tut mir leid, daß Sie Ihren Redebeitrag mit persönlichen Unterstellungen gestaltet haben. Ich freue mich, daß einige Kollegen Ihrer Fraktion nicht ganz so in dieses Horn geblasen haben. Obwohl ich von manchen überrascht war, so von Kollegen Prinzhorn, von dem ich eigentlich mehr Inhaltliches gewohnt bin. Doch heute war sein Wirtschaftsbeitrag eher inhaltsleer, was ich sehr bedaure, weil ich ihn auch anders kenne.

Auch Kollege Haigermoser hat einige Beispiele gebracht. (Abg. Haigermoser: Bitte nicht zuviel loben, das schadet mir sonst!) Herr Kollege Haigermoser! Ich weiß, Sie können es nicht aushalten, Sie müssen immer dazwischenrufen! Es kommt schon die Replik.

Sie haben eine Bemerkung von Herrn Geschäftsführer Helmel bezüglich Junge Wirtschaft und Jungunternehmer angezogen. (Abg. Haigermoser: Zitiert habe ich!) – Zitiert! Es ist richtig, daß es in der Wirtschaftskammer Gott sei Dank Organisationen und Jungunternehmer gibt, die sich zusammenfinden, die Forderungen erheben und die bei der Beratung neuer Jungunternehmer, junger Menschen, die sich selbständig machen, sehr erfolgreich sind. Das heißt, gerade die Junge Wirtschaft mit Geschäftsführer Helmel ist da sehr erfolgreich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Das habe ich nie in Frage gestellt!)

Ich möchte aber noch auf die Beiträge der Kollegen Dr. Kier, Frau Dr. Schmidt und Mag. Peter zu sprechen kommen (Abg. Schwarzenberger: Alle nicht hier!), die jetzt alle nicht anwesend sind. Dr. Kier hat so bedauert, daß der Herr Finanzminister während seiner Rede nicht da war, aber Dr. Kier ist auch immer nur dann anwesend, wenn er spricht, und dann verläßt er den Saal. Das heißt, wir können uns seine guten Vorschläge anhören, aber Replik darauf nimmt er nur ungern entgegen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )


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Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Smolle, weil Sie da sind (Abg. Smolle: Ich bin da! Ja!), folgendes sagen: Sie versuchen immer wieder, die Gewerbeordnung als großes Hemmnis der Wirtschaft darzustellen. (Abg. Smolle: Das stimmt! Das ist wahr!) – Herr Kollege Smolle! Bitte lassen Sie mich ausreden.

Es hat sich einiges im Laufe der Geschichte verändert. Und gerade Herr Dr. Kier, der so viel von neuen Ideen hält, sollte zum Beispiel auch die Zeitschrift oder das Magazin "Konturen" lesen. Wir haben dieses zugesandt bekommen, und in der Nummer 8 ist ein sehr guter Beitrag von Professor William Bridges enthalten, in dem es um Job-shift geht. Dieser Beitrag stammt zwar vom Oktober 1997, ist also schon einige Zeit her, aber trotzdem interessant. Darin wird folgendes festgehalten: Die Zeit der regelmäßigen Fulltimejobs hat von 1840 bis 1990 gedauert, und diese Zeit ist nun vorbei. Es hat sich etwas ganz Neues entwickelt, und in dieser Entwicklungsphase, in dieser Umorientierung befinden wir uns jetzt.

Es geht nicht mehr darum, daß Beschäftigung geschaffen wird, sondern darum, daß man die Arbeit, die liegt, aufnimmt und auch bewältigt. Es geht nicht nur um Arbeitszeitverkürzungen. Kollege Marizzi hat gesagt, daß es in den verschiedenen Bereichen der Industrie unterschiedliche Arbeitszeitmodelle gibt. Aber eine generelle Arbeitszeitverkürzung ist nicht der richtige Weg, denn gerade William Bridges sagt: Geistige Arbeit ist schwieriger zu teilen als körperliche Arbeit.

Wir wissen, daß sich seit 1970 das Ausmaß am Dienstleistungssektor, und zwar am Tertiärsektor gewaltig gesteigert hat. 1970 lag der europäische Durchschnitt beim Dienstleistungssektor noch bei 36 Prozent, jetzt, 1998, sind es 50 Prozent. Das zeigt uns, wie rasch die Veränderungen vonstatten gehen. Das heißt, daß sich auch die Mentalität verändern muß, daß wir eine andere Mentalität im Bereich Dienstleistung brauchen, die wir in Österreich noch nicht oder nur zum Teil haben.

Wir sollten uns das chinesische Sprichwort "Wenn man nicht lächeln kann, soll man kein Geschäft aufmachen" zu Herzen nehmen, denn man kann auch mit Lächeln und mit menschlicher Verbundenheit Geschäfte machen, ja sogar nur dann. Es wird dies also für die Zukunft notwendig sein, denn gerade in Europa wird die körperliche Arbeit immer weniger, und die geistige Arbeit tritt immer mehr in den Vordergrund. In diesen Bereichen haben wir also für die Zukunft einige Aufgaben vor uns.

Die österreichische Bundesregierung hat heute nur den Bericht zur wirtschaftlichen Lage vorgelegt. Die Zukunftsaussichten haben wir in anderen Papieren bereits diskutiert, und es ist noch einiges zu tun. Wir sind auf dem richtigen Weg. Auch mir geht manches, Herr Finanzminister, zu langsam, aber vielleicht ist das da und dort der richtige Weg, um schneller ans Ziel zu kommen.

Ich glaube, daß Österreich mit all seinen Auseinandersetzungen, die wir da und dort haben, doch auf dem richtigen Weg ist, diesen Umschwung zum tertiären Sektor leichter zu schaffen, als das vielleicht in anderen Ländern der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mir das zu Herzen nehmen, was Frau Kollegin Tichy-Schreder gesagt hat: Nur wer gut lächeln kann, kann auch ein Geschäft aufmachen. Ich werde versuchen, den Herrn Finanzminister schön anzulächeln, natürlich auch Sie, Frau Kollegin Tichy-Schreder, aber ob daraus ein Geschäft wird, darüber bin ich mir noch nicht sicher. (Bundesminister Edlinger: Das halte ich gar nicht aus!)

Mein Geschäft in dieser Debatte wäre nämlich, etwas von der aktiven Arbeitsmarktpolitik einzufordern, Herr Bundesminister, aber ich fürchte, da wird mir das Lächeln nichts helfen. Ich hoffe,


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daß Ihnen und uns das Lachen nicht vergehen wird, wenn ich mir ansehe, was sich in diesem Bereich tut, Frau Kollegin Tichy-Schreder!

Doch zuvor eine Vorbemerkung. Es sind schon viele Zeitungen zitiert worden, auch ich zitiere eine, nämlich die heutige "Neue Zürcher Zeitung". Im Lokalteil steht: Auch im Juni deutlich weniger Arbeitslose. Bundeswirtschaftsamt erwartet Rückgang auf 100 000 Betroffene. – Ich kann mich noch gut an jene Zeiten erinnern, als Österreich sehr süffisant in Richtung Schweiz gelächelt und gesagt hat: Die werden sich anschauen, jetzt haben sie das Problem der Arbeitslosigkeit! Aber offensichtlich – ich möchte das jetzt nicht in extenso interpretieren – kommt die Schweiz zumindest mit dem Problem Arbeitslosigkeit wesentlich besser zurecht als Österreich.

Frau Kollegin Tichy-Schreder! Es gibt in der Schweiz 130 000 Arbeitslose! Die nationale Quote sank von 3,9 auf 3,6 Prozent innerhalb eines Monats. Man rechnet mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit bis zum Jahresende auf 100 000 Arbeitslose. (Abg. Tichy-Schreder: Wieviel Dienstleistung und wieviel Produktion gibt es dort?) Natürlich ist die Frage berechtigt, Frau Kollegin Tichy-Schreder! Was ist die Ursache dafür? – Eine Ursache dafür, Herr Finanzminister – damit bin ich wieder beim Lächeln –, ist, daß die Schweiz wesentlich mehr für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben hat als Österreich.

Jetzt bin ich bei Ihrer Erklärung, Herr Bundesminister, in der Sie gesagt haben: Über den Nationalen Aktionsplan hat die Bundesregierung das nötige zusätzliche Geld bereitgestellt. Das stimmt überhaupt nicht, aber schon gar nicht! Der Nationale Aktionsplan ist ein tönerner Koloß auf ganz dürren Beinchen. Das einzige, was im Nationalen Aktionsplan enthalten und materiell abgesichert ist, ist ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Dabei stehen Zahlen, aber sonst sind nirgendwo Zahlen und Maßnahmen enthalten. In der Einleitung findet sich der bemerkenswerte Hinweis: Das müssen wir erst ausverhandeln. In den Budgetverhandlungen für 2000 und folgende Jahre müssen erst die Mittel für diesen Nationalen Aktionsplan besichert werden.

Jetzt lese ich zu meinem Erstaunen, daß Frau Bundesministerin Hostasch bei einem Treffen in Innsbruck gesagt hat, daß diese Art und Weise, wie die Nationalen Aktionspläne von den Mitgliedsländern erstellt wurden, indem keine konkreten Zahlen genannt wurden und keine Mittel angegeben sind, nicht angehe, da müsse sich etwas ändern, da müßten sich die EU-Länder unter der österreichischen Präsidentschaft auf etwas anderes gefaßt machen.

Meine Damen und Herren! Das hätten Sie schon längst beim Nationalen Aktionsplan beschließen können, darin waren nämlich ursprünglich auch konkrete Zahlen und Maßnahmen enthalten; Kollege Haupt kann das sicher bestätigen, zumindest habe ich das noch sehr deutlich vor Augen. Jetzt befindet sich Österreich in der Situation, daß offensichtlich weder zusätzliche Mittel für den Nationalen Aktionsplan vorhanden sind, noch das bestehende Niveau der aktiven Arbeitsmarktpolitik garantiert werden kann.

Interessant ist, daß sich der Herr Wirtschaftsminister da herstellt und sagt, er hätte gerne ein Bonus-Malus-System im Rahmen der Arbeitslosenversicherung, damit sich die Arbeitslosen besser oder motivierter qualifizieren.

Frau Kollegin Reitsamer! Sie wissen, daß der Bonus für die Arbeitslosen gestrichen worden ist. Dieser Bonus war für Arbeitslose, die eine Bildungs- und Qualifikationsmaßnahme für sich beanspruchen, bisher – das sollte er auch heuer sein – eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes, also neben dem Arbeitslosengeld noch ein zusätzliches Entgelt, damit die Arbeitslosen einen Anreiz haben, sich zu qualifizieren. Im Zuge der Sparmaßnahmen wurde im Bereich des Arbeitsmarktservice die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes gestrichen.

Warum stellt sich dann der Herr Wirtschaftsminister her und sagt, wir wollen ein Bonus-Malus-System? – Er kann offensichtlich, nachdem der Bonus gestrichen wurde, nur noch einen Malus für Arbeitslose im Auge oder im Sinn haben. Ist es das, meine Damen und Herren, was Sie wollen, so wie das Kollege Khol schon des öfteren angetönt hat, oder haben Sie wirklich vor, etwas für die Arbeitslosen zu machen? (Abg. Silhavy: Haben Sie Minister Edlinger nicht zugehört?)


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Ich erinnere daran – Sie sollten aufpassen! –, daß es nicht nur um die Streichung der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes geht, sondern auch darum, daß das AMS parallel zu diesem schönen Gipfel in Innsbruck seit mehreren Monaten die Kinderbetreuungsbeihilfen von drei Jahren auf ein Jahr reduziert hat. Das heißt also, genau jene Frauen, denen der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht werden soll – das ist auch eine der Maßnahmen des Nationalen Aktionsplanes –, werden durch den Entzug der Mittel, durch die Verweigerung einer längerfristigen Betreuung bestraft. Und es sind nicht nur diese Frauen davon betroffen, sondern selbstverständlich auch jene Frauen, die die Betreuung selbst durchführen.

Ein anderes Beispiel, Herr Bundesminister: Das Akademikertraining war bisher eine jener Maßnahmen im Bereich aktiver Arbeitsmarktpolitik, die weitgehend unbestritten war. Seit Mitte Juni ist das Akademikertraining in Wien und in Niederösterreich gestrichen. – Ich weiß nicht, in welchen Bundesländern sonst noch. Sind das die Maßnahmen, die Sie setzen wollen, um Jugendliche in Beschäftigung zu bringen?

Offensichtlich gibt es da nicht nur Defizite, sondern auch einen zusätzlichen Reformstau, denn eines kann ich Ihnen schon sagen: So wichtig und sinnvoll Maßnahmen bei den Lehrlingen sind, genauso notwendig wären die Maßnahmen im Bereich der anderen jungen Einsteiger in den Arbeitsmarkt. Offensichtlich streichen Sie da jetzt.

Wie schaut es mit den älteren Arbeitslosen aus? – Seit ein oder zwei Jahren bewegen sich die Raten der Arbeitslosigkeit in zweistelligen Prozentzahlen. Wo sind die Maßnahmen, die die Bundesregierung im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik ergreift?

Wie schaut es mit den Frauenberatungsstellen aus? – Quer durch das Bundesgebiet werden die Frauenberatungsstellen, die die Betreuung dieser Frauen, der Wiedereinsteigerinnen, organisieren, die ihnen entsprechende Wiedereinstiegsprogramme anbieten, gestrichen. In Niederösterreich, Oberösterreich, überall werden diese gestrichen.

Meine Damen und Herren! Hinzufügen könnte man noch die sozialökonomischen Beschäftigungsprojekte, die in den letzten Jahren zusammengestrichen worden sind. Sind das die Maßnahmen, die Sie hier ankündigen, für die zusätzliches notwendiges Geld bereitgestellt worden ist? Versuchen Sie uns nicht das Blaue vom Himmel herunter zu verkaufen, meine Damen und Herren!

Keine der von Ihnen angesprochenen Versprechungen, die Sie gemacht und heute wieder verkündet haben, wie der Herr Wirtschaftsminister mit seinem Bonus-Malus-System oder die Äußerungen hinsichtlich der zusätzlichen Mittel, halten einer näheren Untersuchung stand. Es gibt keine zusätzlichen Mittel!

Mein Kollege Van der Bellen hat nur kurz darauf hingewiesen, daß man diesen Wirtschaftsbericht nicht durchstudieren kann. Aber wenn Sie sich nur auf Seite 104 die Tabelle bezüglich aktiver Arbeitsmarktpolitik ansehen, wird Ihnen auffallen, daß im Jahr 1997 7,4 Milliarden veranschlagt waren und im Jahr 1998 nur 6,7 Milliarden. Es gibt also keine zusätzlichen Mittel.

Die einzigen zusätzlichen Mittel, die Sie aufstellen können – das sind aber keine zusätzlichen Mittel, denn das zahlen sich die Arbeitslosen selbst –, sind die Umwandlungen von passiven Leistungen in aktive. Mit denen wird es Ihnen dann am Jahresende wieder gelingen, zu sagen: Wir haben mehr ausgegeben. Tatsächlich bezahlen sich das die Arbeitslosen aus ihrer eigenen Kasse.

Ein Punkt noch, Herr Bundesminister: Wäre es nicht notwendig gewesen – darauf hätte ich ganz gerne eine konkrete Antwort gehabt, Herr Bundesminister –, im Rahmen eines Berichtes, wie Sie ihn heute gelegt haben, darauf hinzuweisen, daß die veranschlagten Arbeitslosenraten für das Budget 1998 und 1999 nicht einhaltbar sind? Wäre es nicht notwendig gewesen, darauf hinzuweisen, daß wesentlich mehr Ausgaben im Bereich der Arbeitslosenversichertengelder zur Verfügung gestellt werden müssen, als tatsächlich budgetiert worden sind?


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Wir haben im Voranschlag 1998 eine Arbeitslosenrate von 6,9 Prozent. Wir werden im günstigsten Fall 7,3 Prozent erreichen. Das bedeutet – je nachdem, wie dann noch bei den Arbeitslosen gedrückt wird – Mehrausgaben in der Höhe von 1 bis 2 Milliarden. Wo nehmen Sie diese her, Herr Bundesminister? – Wie lautet Ihre Antwort darauf? Für 1999 schaut es auch nicht viel besser aus, auch wenn man optimistischen Prognosen zufolge damit rechnen kann, daß es sich irgendwie ausgehen könnte. Aber das Defizit von 1998 bleibt und wird in das Budget 1999 übernommen. Und da hätte ich schon ganz gerne gewußt, wer das ausbaden wird müssen.

Herr Bundesminister! Theoretisch wäre es schon seit zwei, drei Jahren möglich, mit dem Betrag, der für Arbeitslose ausgegeben wird, den Versicherungsbeitrag zu senken. Das wäre jederzeit möglich. Aber Sie haben einen begehrlichen Blick auf das Budget der Arbeitslosenversicherung geworfen und denken sich, die Arbeitslosen brauchen nicht soviel, für die aktive Arbeitsmarktpolitik brauchen wir auch nicht soviel, diesbezüglich gehören wir sowieso zu den europäischen Schlußlichtern, also nehme ich das Geld für die Pensionsversicherung und verteile es in diesem Topf um.

Herr Bundesminister! Ist das nicht auch ein Problem der falschen Umverteilung? – Die Beiträge für die Pensionsversicherung, für die Arbeitslosenversicherung werden nur von den unselbständig Beschäftigten gezahlt. In der Pensionsversicherung partizipieren von der Umverteilung an die Pensionsversicherung auch die Selbständigen, weil dort das Defizit eines der höchsten ist. Das heißt, die arbeitslosen Versicherten, die Beitragszahler zahlen auch, Herr Kollege Maderthaner, das Pensionsdefizit der Selbständigen mit. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Wirtschaft relativ ruhig ist und keine Rücknahme bei den Arbeitslosenversichertenbeiträgen, keine Ausweitung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik fordert, sondern ganz zufrieden damit ist, daß ein Loch gestopft wird, das eher von den Selbständigen zu stopfen wäre. (Abg. Dr. Lukesch: Das Argument war schon immer falsch!)

Herr Kollege Maderthaner! Aber wenn wir nicht nur den Budgetbericht, sondern, so wie gestern, auch Verteilungsfragen – auch wenn es nur ganz kurz war – diskutieren, dann sollte man vielleicht auch in die Überlegungen für ein Budget der nächsten Jahre hineinnehmen, daß etwas mehr Budgetwahrheit angesagt wäre, und zwar nicht nur bei der Erstellung der Arbeitslosenzahlen, sondern auch dahin gehend, wie Sie einen Topf aus dem anderen Topf finanzieren.

Weiters würde mich interessieren, Herr Bundesminister, wie Sie tatsächlich gedenken, aktive Arbeitsmarktpolitik mit ausreichenden Mitteln und auf einem Standard zu betreiben, der international nicht nur mit der Schweiz vergleichbar wäre, sondern endlich einmal EU-Durchschnitt erreichen würde, sodaß die Arbeitslosen in diesem Land – es gibt nicht nur die jugendlichen Arbeitslosen, sondern auch andere Gruppen – auch davon profitieren können. (Beifall bei den Grünen.)

13.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.40

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident Verzetnitsch! Herzlichen Dank, daß Sie die Forderung der Freiheitlichen nach Lohnsteuersenkung zur Abgeltung der kalten Progression so nachhaltig unterstützen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich hoffe nur, Herr Präsident, Sie setzen sich in Ihrem Parlamentsklub durch, weil Sie im Widerspruch zu Ihrem Steuer- und Finanzsprecher Nowotny stehen. Also wir werden sehen, wer hier gewinnt!

Herr Präsident Verzetnitsch! Sie haben auch einige Bedeckungsvorschläge angerissen: Besteuerung von Spekulationsgewinnen. (Abg. Verzetnitsch: Mir fällt noch etwas ein: Umsatzsteuerrückzahlung!) – Ich habe nur 4 Minuten Zeit! Ich frage Sie aber: Wollen Sie wirklich das zarte Pflänzchen namens Kapitalmarkt in Österreich, bevor es überhaupt noch richtig erblüht, bereits wieder zertreten? (Abg. Verzetnitsch: Zu wessen Lasten?) – Hier ist Vorsicht geboten! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber grundsätzlich ein Ja zur Besteuerung von Spekulationsgewinnen.


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Zweiter Punkt: höhere Besteuerung von Vermögen. Herr Präsident! Heraus mit der Sprache! Welches Vermögen wollen Sie höher besteuern? – Die Kapitalerträge sind bereits endbesteuert. Wollen Sie wieder die Vermögensteuer einführen? Wollen Sie das Betriebsvermögen neu besteuern? Oder – und hier schließt sich der Kreis – wollen Sie das Grundvermögen besteuern? Einheitswerterhöhung? – Darüber haben wir gestern alles gehört, Sie haben dementiert, es sei alles nicht wahr! Die SPÖ will keine Einheitswerterhöhung, aber sie will das Vermögen neu besteuern. Herr Präsident! Welches Vermögen?

Herr Professor Nowotny! Sie haben gestern den leider allzu früh verstorbenen Professor Haidinger als Schuldigen bezeichnet, der die Diskussion um die Erhöhung der Einheitswerte herbeigeführt habe. Das stimmt nicht! Sie haben bereits im Jahre 1996 die Erhöhung der Einheitswerte auf die Verkehrswerte gefordert, und das ist schriftlich dokumentiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Steuerharmonisierung – ja. Ich gebe Ihnen völlig recht. Spät, aber doch kommen Sie drauf! Das waren wir Freiheitlichen, die vor dem EU-Beitritt bereits im Rahmen der Hausaufgaben eine Harmonisierung der Wirtschaftssysteme, der Sozialsysteme, aber auch des Steuersystems eingefordert haben. Herr Bundesminister! Solange es nicht möglich ist, auf europäischer Ebene das Umsatzsteuersystem vom Bestimmungslandprinzip auf das Ursprungslandprinzip umzustellen, werden Sie nicht in der Lage sein, Milliardenbetrügereien im Bereich der Umsatzsteuer zu verhindern. – Da können Sie Steuern einheben, aber nicht bei den kleinen Leuten!

Herr Bundesminister! Sie haben gemeint, nicht Statistiken zählen, sondern Fakten. Just am Tag, als der Beginn der EU-Präsidentschaft Österreichs am Heldenplatz gefeiert wurde, gab es in den "Salzburger Nachrichten" folgende Wirtschaftsseite, Herr Bundesminister (der Redner hält die Zeitung in die Höhe) : "Panalpina streicht 570 Jobs. Koflach: 150 Mitarbeiter werden gekündigt. Bangen um TRW geht weiter. Keine Einigung auf Sozialplan. 700 Arbeitsplätze" – in meiner Heimatgemeinde Bergheim – "gefährdet."

Was sagt der Europachef der TRW? – Er bezeichnet die Produktionsverlagerung als legitim, obwohl das Bergheimer Werk im operativen Geschäft nach wie vor Gewinne macht. Das ist das Europa der Konzerne, das ist der Turbo-Kapitalismus, den wir Freiheitlichen nicht wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Schluß kommend: Kollege Marizzi, was den ÖIAG-Bericht angeht: Jawohl, wir können grundsätzlich stolz sein! Aber nur drei Kennzahlen dazu. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) OMV-AG: Umsatz 1995: 73 Milliarden Schilling, 1997: 83 Milliarden Schilling; Betriebserfolg: 2 Milliarden, 1997: 5,7 Milliarden; Stand der Mitarbeiter – nun, Kollege Marizzi, paß auf! – 1995: 9 600, 1997: 7 934; die Dividende ist um 8 Prozentpunkte gestiegen. Das ist eine Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Arbeitnehmer, die wir ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaugg und Genossen betreffend EU-Beitragssenkungen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.


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Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaugg und Genossen betreffend die Notwendigkeit von Marketingaktivitäten im Hinblick auf die Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1284 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (BFG-Novelle 1999) (1329 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nunmehr den Punkt 2 der Tagesordnung auf.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Dr. Haider vor. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.47

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bringe einen Abänderungsantrag ein, der lautet:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Dr. Haider, Dolinschek, Gaugg und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (BFG-Novelle 1999) (1284 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1329 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

Im Artikel I ist folgende Z 4 anzufügen:

"4. Im Artikel IX (1) wird der Punkt nach der Z 7 durch einen Strichpunkt ersetzt und als Z 8 angefügt:

,8. die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB gegenüber dem IOC für die aus der Ausrichtung der XX. Olympischen Winterspiele 2006 der Gastgeberstadt Klagenfurt vertraglich entstehenden finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem IOC bis zu einem Gesamtbetrag von 14 Milliarden Schilling an Kapital, Zinsen und Kosten zu übernehmen.‘"

*****

Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist deshalb notwendig, weil das Bundesfinanzgesetz eine entsprechende gesetzliche Absicherung möglicher Garantieübernahmen durch die österreichische Bundesregierung vorsieht. Sie wissen, daß mit September des heurigen Jahres die Bewerberstadt Klagenfurt gemeinsam mit dem Österreichischen Olympischen Comité in der Lage sein muß, die Garantieübernahme für die Durchführung der Olympischen Spiele im Ausmaß von 14 Milliarden Schilling abzugeben.

Diese Garantieübernahme ist bisher nicht ausgehandelt. Auf Beamtenebene hat es Gespräche gegeben. Wie wir heute in Erfahrung bringen konnten, ist der Herr Finanzminister bisher noch mit keinem Detail dieser Regelung konfrontiert gewesen. Das heißt, es herrscht ein chaotischer Zustand um die Haftungsübernahme – und das kurz vor Ende der Sommerpause des Parla


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135. Sitzung / Seite 81

ments, das dann nicht mehr zusammentreten wird. Und im September muß Klagenfurt bereits seine Bewerbung abgeben. Ohne eine verfassungskonforme Übernahme der Garantien ist es völlig ausgeschlossen, daß Klagenfurt und Kärnten eine Chance haben, als Bewerber bei den Olympischen Spielen im IOC akzeptiert zu werden. Daher haben wir diesen Antrag eingebracht.

Ich möchte aber auch die Damen und Herren von den Regierungsparteien darauf aufmerksam machen, daß der § 66 des Bundeshaushaltsgesetzes unter dem Titel Bundeshaftungen folgendes vorschreibt: § 66 (1): Eine Haftung (Bürgschaft) gemäß § 1346f ABGB oder Garantie des Bundes darf nur der Bundesminister für Finanzen übernehmen. Dieser darf eine Haftung nur nach Maßgabe der hierfür im Bundesfinanzgesetz oder in einem besonderen Bundesgesetz im Sinne des Artikels 42 (5) B-VG enthaltenen Ermächtigungen übernehmen, wobei er insbesondere darauf zu achten hat, daß Haftungen nur für Verpflichtungen übernommen werden, die sich auf Vorhaben beziehen, die in der betreffenden gesetzlichen Ermächtigung näher umschrieben sind.

Der Plan der österreichischen Regierung, diese Haftungen nur mit einem Regierungsbeschluß zu übernehmen, ist erstens nicht verfassungskonform, zweitens rechtlich unverbindlich, und drittens birgt er die Gefahr, daß damit das Anbot und die Kandidatur Klagenfurts für die Olympischen Spiele vor dem IOC als nicht konform akzeptiert wird.

Dies ist der Grund, warum wir diese Initiative übernehmen und den Vorstoß machen, zu dem wir auch die KollegInnen von den anderen Parteien einladen, mitzumachen, denn im Grunde genommen geht es nicht um die Frage, ob die Opposition oder die Regierung diesen Antrag stellt, sondern es geht um eine verfassungskonforme, gesetzlich verbindliche Regelung der Haftungsübernahme, die für den Fall, daß sie heute nicht erfolgt, die Olympischen Spiele und die Kandidatur Klagenfurts und Kärntens erheblich gefährdet.

Ich appelliere auch an Kollegen Leikam, der sich dieser Situation bewußt ist, seine Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien mit zu überzeugen, daß wir jetzt die Gelegenheit hätten und uns nicht mehr hinhalten lassen sollten, daß dieses Problem mit einem unverbindlichen Beschluß der Bundesregierung gelöst werden könnte. Wir haben bewußt für das Budget 1999 diese Vorsorge getroffen, die wir jetzt beschließen müssen, damit wir gegenüber dem IOC den verfassungskonformen Zustand nachweisen können, denn sonst wird man uns sagen: Liebe Freunde, das sind leere Kilometer! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Nicht einmal die in der Verfassung und im Haushaltsrecht vorgesehenen Bestimmungen sind eingehalten.

Wenn es Ihnen ernst ist, daß Sie die Olympischen Spiele im südlichsten Bundesland tatsächlich fördern wollen, dann dürfen Sie nicht den Herren der Regierungsparteien Glauben schenken, die das auf die lange Bank schieben wollen, sondern dann müssen Sie heute Nägel mit Köpfen machen, dann müssen aber auch die Regierungsparteien über ihren Schatten springen und jetzt den Finanzminister ermächtigen, diese Haftungen zu übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.52

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir realisieren heute eine Bundesfinanzgesetz-Novelle, die im wesentlichen die Aktivitäten der Koalitionsregierung, die im Koalitionsabkommen festgeschrieben waren, in die Realität umsetzt. Es geht im wesentlichen um die Ausgliederung von Dienststellen, von denen im letzten Koalitionspakt vereinbart wurde, diese aus dem kameralistischen Bereich "auszuphasen" und sozusagen in eine betriebswirtschaftliche Dimension zu bringen, weil die praktische Arbeit, die Tagesarbeit in diesem Bereich dadurch wesentlich erleichtert werden kann.


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Es geht im wesentlichen um die Bundessportheime und die Bundesmuseen, wobei vorerst einmal mit dem Kunsthistorischen Museum begonnen wird, und natürlich auch um die Bundestheater und das Umweltbundesamt. Die inhaltliche Debatte dazu hat an sich bereits gestern am späten Abend stattgefunden. Wir behandeln jetzt im Augenblick sozusagen die monetäre Auswirkung auf unseren Budgethaushalt im kommenden Jahr. Wir Sozialdemokraten stehen natürlich nicht an, dieser Novelle zuzustimmen.

Im wesentlichen geht es um ein Reengineering, wenn Sie so wollen, unserer Verwaltungsbereiche, die wir heute mit diesem Schritt in eine moderne und international vergleichbare Konstellation gebracht haben. Das wird dazu führen, daß diese Einrichtungen flexibler und innovativer agieren können, daß sie auch im budgetären Bereich autonomer als bisher unterwegs sein werden und die Kreativität der Vorgesetzten in diesen Einrichtungen und Institutionen noch mehr als bisher gefordert, aber auch eingebracht werden kann.

Mittelfristig hat das natürlich auch monetäre Auswirkungen für den Bundeshaushalt, und zwar in der Form, daß durch die Veränderung weg vom Beamtenstatus hin in die ASVG-Einkommens- und Pensionsrechte erhebliche Einsparungsmöglichkeiten natürlich in erster Linie bei den Pensionen bestehen und wir bemüht sind, diese Potentiale an Kosteneinsparungen sozusagen für den künstlerischen Bewerb und auch für die sportlichen Aktivitäten aufzuwenden und wieder in den Prozeß hineinzubekommen, also sozusagen die Struktur zum Wohle der Einrichtungen selbst zu verändern.

Zum Antrag der Freiheitlichen Partei – man spürt schon den kommenden Landtagswahlkampf in Kärnten – möchte ich nur so viel sagen, daß es logisch und klar ist, daß die österreichische Bundesregierung Klagenfurt für diese Olympiade tatkräftigst unterstützt und auch sicher bereit ist, die entsprechenden monetären Haftungen zu tätigen. Allerdings bitte ich schon, darauf Rücksicht zu nehmen, daß diese Olympischen Spiele im Jahr 2006 stattfinden werden und daß wir noch sehr viele Budgets wirksam werden lassen. (Abg. Gaugg: Bis 1. September abgeben! – Abg. Dr. Ofner: Jetzt ist Schluß! Ja oder nein! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Natürlich genügt eine Erklärung der österreichischen Bundesregierung, aber es ist bisher – und das bitte ich euren Klagenfurter Freunden auszurichten – noch kein derartiges Ansuchen an den Herrn Finanzminister herangetragen worden. Ich kann aber jetzt schon bestätigen – die Kollegen von der ÖVP werden das ebenfalls tun –, daß es aus diesem Titel mit der Olympiade 2006 sicher kein Problem geben wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.56

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich begrüße den Antrag von Dr. Haider, der klar ausdrückt, daß sich die Freiheitliche Partei jetzt hinter die Bewerbung Senza Confini stellt, daß sie, wie ich hoffe, jetzt bedingungslos für diese gemeinsamen Olympischen Spiele mit Klagenfurt, Friaul und Slowenien als Standort eintritt. Das ist eine einmalige Chance für diese Gegend, den Süden Österreichs und seine angrenzenden Nachbarländer, sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich zu erholen. Ich halte es für klug.

Was ich nicht verstehe, ist – vielleicht darf ich den Herrn Finanzminister kurz stören; Sie geben vielleicht nachher eine kurze Erklärung ab –, warum die Zusage der Haftung, die üblich ist, wenn sich eine Stadt für die Olympischen Spiele bewirbt, angesichts der Tatsache, daß doch der 1. September der Termin ist, bis heute nicht erfolgt ist. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dazu eine kurze Erklärung abgeben würden, denn es kann doch nicht die Aufgabe einer einzelnen Fraktion sein, die Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, daß diese Haftung bis 1. September notwendig ist, und das Hohe Haus kann ja diese wohl nur bis 1. September beschließen.


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Eine kurze Bemerkung zur vorliegenden Regierungsvorlage: Der frühzeitige Budgetbeschluß wurde von den Ausgliederungen betroffen, er ist daher zu ändern. Wir Liberalen begrüßen die wirtschaftliche Betriebsführung, die durch Ausgliederungen strukturell möglich ist. Wir sind sicher, daß Qualität und Produktivität gesteigert werden können und auch ein nachhaltiges Controlling eingeführt werden kann. Wir haben das gestern spätabends bereits diskutiert.

Wir Parlamentarier sollten uns aber im Rahmen dieser Ausgliederungen immer dessen bewußt sein, daß das staatliche Eigentum und in vielen Fragen ein Monopol weitererhalten wird – ohne direkte Kontrolle des Parlamentes und ohne Interpellationsrecht von uns Abgeordneten. Ich halte das immer für ein zweischneidiges Schwert. Wir werden daher darauf angewiesen sein, die Rechnungshofberichte über diese ausgegliederten Unternehmungen, bei denen es in weitesten Bereichen um öffentliche Gelder geht, sehr genau zu studieren. Das wird unsere einzige Möglichkeit sein, zu kontrollieren, ob diese ausgegliederten – im überwiegenden Maße – Monopole ordnungsgemäß, zielorientiert und leistungsorientiert wirtschaften.

Ich halte noch einmal fest: Gestern war sehr wenig Zeit, darauf einzugehen, daß ich als Parlamentarier mit diesem § 3 betreffend die Ausgliederung der Bundessportheime, der dem Herrn Bundeskanzler einen Freibrief gibt, diesen gesamten Anteil des Bundes an diesen Bundessportheimen zur Gänze zu verkaufen, zu teilen oder den Bundessportorganisationen zu übergeben, mit einem solchen Ermächtigungsparagraphen nicht zufrieden bin. Es wäre viel klüger, wenn die Regierung einen konkreten Vorschlag in das Parlament brächte, den wir als Vertreter der Bevölkerung dann annehmen oder ablehnen könnten. Insgesamt stimmen wir dieser Vorlage zu. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.00


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135. Sitzung / Seite 84

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.00

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Vorsitzender! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf den Abänderungsantrag Dr. Haider, Dolinschek, Gaugg und Kollegen Bezug nehmen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es zeigt die "Seriosität" – unter Anführungszeichen – dieses Antrages, in dem es um eine Haftungsübernahme im Ausmaß von 14 Milliarden Schilling geht, daß wir ihn eine Viertelstunde vor Beschlußfassung übermittelt bekommen haben. Das ist "seriöse" Arbeit! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Lies das Haushaltsgesetz, lieber Freund!)

Es haben weder der Finanzminister noch die beiden Sprecher der Regierungsfraktionen in diesem Haus vorher etwas von diesem Antrag gewußt, Herr Kollege Haider, und ich unterstelle, daß hier wirklich zutiefst unseriös gearbeitet wird. Offensichtlich nur für die mediale Szene! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In der Sache selbst darf ich folgendes mitteilen: Es ist gar keine Frage, daß die Regierungsparteien voll hinter dieser Olympiabewerbung von Klagenfurt und Kärnten stehen. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zur Frage, ob und in welchem Ausmaß parlamentarische Beschlüsse für die Haftungsübernahme notwendig sind: Ich habe in dieser Viertelstunde, die wir Zeit hatten, gehört (Abg. Dr. Ofner: Da hast du dich tummeln müssen!) , daß dem IOC ein Ministerratsbeschluß genügt. Wir werden das dann auch im Parlament absegnen. (Abg. Dr. Ofner: Wann?) Es ist durchaus ausreichend, Herr Kollege, wenn wir das zum gegebenen Zeitpunkt tun. Die Klagenfurter, die Kärntner können sich darauf verlassen, daß die beiden Regierungsfraktionen dafür sorgen werden, daß – entgegen aller Polemik der Opposition – diese Kandidatur sehr wohl voll unterstützt wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Gaugg: Herr Generalsekretär! Das war jetzt alles derstunken und derlogen!)

14.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. – Bitte.

14.02

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! In Anbetracht der Tatsache, daß diese Notwendigkeit der Haftungsübernahme in den Verhandlungen zwar schon seit einem halben Jahr bekannt ist, aber die Koalitionsparteien sich beraten wollen, beantrage ich eine Sitzungsunterbrechung, um zu erreichen, daß diese Bewerbung Klagenfurts und Kärntens bei den Olympischen Spielen ordnungsgemäß möglich gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Darf ich Sie fragen, zu welchem Zweck die Sitzung unterbrochen werden soll?

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend) (zur Geschäftsbehandlung): Damit sich die Koalitionsparteien auf einen Antrag einigen können, den Sie offenbar nicht zur Kenntnis nehmen. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Grabner: Das werden wir schon selber beantragen!)

14.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich habe die Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Dr. Van der Bellen. Das wäre die letzte Wortmeldung zu diesem Punkt.

Besteht seitens anderer Fraktionen im Hause auch der Wunsch nach einer Unterbrechung? (Nein-Rufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Grabner: Zur Geschäftsordnung!) – Bitte.

14.03

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Unsere Fraktion findet nicht, daß eine Unterbrechung notwendig ist. Es ist ja erst vor einem halben Jahr der Beschluß gefaßt worden, und Kärnten hat erst jetzt alle finanzmäßig erforderlichen Unterlagen eingebracht.

Es werden rechtzeitig die Beschlüsse im Ministerrat gefaßt werden, und das ist auch für das Internationale Olympische Comité mehr als genug. (Abg. Dr. Ofner: Das ist erst ein halbes Jahr her! Sehr wenig!)

14.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich stelle fest, es besteht sonst kein Wunsch nach einer Sitzungsunterbrechung. Ich unterbreche daher die Sitzung nicht, sondern erteile Herrn Abgeordneten Van der Bellen das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Es scheint jetzt im Moment niemand auf der Rednerliste auf. Kommt aber noch.

14.04

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage zieht, wie schon meine Vorredner erwähnt haben, die Konsequenzen aus verschiedenen Ausgliederungen bezüglich der Bundessporteinrichtungen, Museen, Umweltbundesamt und Theater.

Meine Fraktion ist nicht grundsätzlich gegen Ausgliederungen, ganz im Gegenteil, vor allem dann nicht, wenn es sich um die Übertragung von Einrichtungen handelt, die einem Marktrisiko ausgesetzt werden können, sodaß dann die entsprechenden Mechanismen des Marktes wirken können. Aber heute, Kollege Peter, haben wir auch das Umweltbundesamt dabei, und da wir uns gestern massiv gegen diese Art von Ausgliederung beziehungsweise Privatisierung beim Umweltbundesamt ausgesprochen haben, werden wir auch dieser BFG-Novelle nicht zustimmen.

Aber abgesehen davon, meine Damen und Herren, Herr Bundesfinanzminister, wie immer man jetzt zu Ausgliederungen im einzelnen steht, möchte ich noch auf eines hinweisen: Diese Ausgliederungen, so richtig sie im Einzelfall hin und wieder sein mögen, haben das Problem, daß die Transparenz, die Durchschaubarkeit des Budgets insgesamt regelmäßig stark darunter leidet.


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135. Sitzung / Seite 85

Daher haben wir schon einen heute nicht abzustimmenden Selbständigen Antrag eingebracht, der demnächst im Budgetausschuß zu verhandeln sein wird, und ich bitte Sie, Herr Finanzminister, Ihre Zusage aus dem Ausschuß einzuhalten, daß wir über diese Dinge in Ruhe reden können. Ich denke, einige wenige Änderungen im Bundeshaushaltsgesetz, namentlich zum Beispiel im Bereich des § 98, könnten hier schon sehr viel mehr Transparenz schaffen. Und wenn es nur darum ginge, die Bilanzen, das heißt, die Vermögens- und Schuldenrechnungen und die Erfolgsrechnungen, also die GuV-Rechnungen, aus solchen ausgegliederten Einrichtungen – soweit sie nicht vollständig Unternehmen geworden sind, die dem Marktrisiko ausgesetzt sind – in Zukunft vom Bundeshaushaltsgesetz auch zu erfassen. – Danke.

14.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.06

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe hiermit folgenden Abänderungsantrag zum Bundesfinanzgesetz 1999 ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Dr. Van der Bellen, Ing. Gartlehner, Dr. Stummvoll und Hagenhofer zur Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (BFG-Novelle 1999) (1284 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1329 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (BFG-Novelle 1999) (1284 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1329 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Artikel I ist als neue Z4 einzufügen:

"4. Artikel 7 Z 3 hat wie folgt zu lauten:

,3. Bei den Voranschlagsansätzen 1/10006 und 1/10068 bis zu einem Betrag von insgesamt 100 Millionen Schilling für Hilfsmaßnahmen zum Wiederaufbau in Bosnien-Herzegowina sowie von insgesamt 20 Millionen Schilling für Hilfsmaßnahmen in den übrigen Nachfolgestaaten der früheren Bundesrepublik Jugoslawien.‘

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Edlinger. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.08

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß diese BFG-Novelle notwendig ist, denn seit der Beschlußfassung des BFG 1999 im Plenum des Nationalrates hat eine Reihe von detaillierten Gesprächen stattgefunden, die es nun ermöglichen, weitere Ausgliederungen vorzunehmen: die Bundessporteinrichtungen, das Kunsthistorische Museum, das Umweltbundesamt und die Bundestheater. Es soll damit sichergestellt werden, daß in Hinkunft diese Einrichtungen effizienter, sachnäher und kostengünstiger operieren können.

Herr Professor Van der Bellen! Selbstverständlichen arbeiten wir daran, auch jene Überlegungen, die gemeinsam im Ausschuß als notwendig anerkannt worden sind, um ein Mehr an Trans


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135. Sitzung / Seite 86

parenz sicherzustellen, wie das der Herr Staatssekretär im Ausschuß festgestellt hat, umzusetzen. Wir werden die Strukturen so verändern, daß die mit Recht kritisierte mangelhafte Transparenz, die durch ein Mehr an Ausgliederungen ganz einfach entsteht, weil sich letztendlich dann manches außerbudgetär abspielt, beseitigt wird und die Abgeordneten natürlich auch jene Unterlagen beziehungsweise jene Struktur der Unterlagen bekommen, die es ihnen ermöglicht, die Auswirkungen auch entsprechend erkennen zu können.

Ich möchte zuletzt zu dem von Herrn Abgeordneten Dr. Haider eingebrachten Abänderungsantrag feststellen, daß es ja überhaupt keine Frage ist, daß Österreich daran interessiert ist, daß die Olympiade 2006 nach Klagenfurt kommt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Mag. Peter und Dr. Van der Bellen. ) Dafür bedarf es wirklich keines Abänderungsantrages. Die Bundesregierung wird daher auch die entsprechenden Beschlüsse zeitgerecht fassen. Was mich allerdings wundert, ist, mit welcher Leichtfertigkeit hier über einen Haftungsrahmen von 14 Milliarden Schilling – das ist immerhin ein erheblicher Betrag – drübergegangen wird – und das gerade von einer Partei, die dauernd meint, man möge mit großer Sparsamkeit, mit sehr großer Gründlichkeit an Überlegungen herangehen –, obwohl man heute nach den Verhandlungen weiß, daß ein weit geringerer Betrag notwendig ist, um sich für diese Olympiade zu bewerben.

Ich bedaure zutiefst, daß selbst ein Ereignis, das dem gesamten Lande dienen kann, wenn es stattfindet, Gegenstand parteipolitischer Attacken wird. Ich bedaure dies zutiefst! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Seit wann ist ein Antrag eine Attacke?)

14.1


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135. Sitzung / Seite 87

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Haider. Zweite Wortmeldung. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

14.11

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil Ihre Arroganz von der Regierungsbank aus nicht mehr zu überbieten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Fuchs: Was heißt Arroganz? Das ist ja ungeheuerlich!)

Sie wissen seit dem 14. Mai aufgrund eines Entschließungsantrages, den auch Ihre Regierungsparteien beschlossen haben, daß Sie unter Zeitdruck stehen und vor dem Sommer eine entsprechende gesetzeskonforme Haftungsübernahme möglich machen müssen. Sie wissen, da Sie Finanzminister sind, daß Sie namens der Bundesregierung keine Garantien übernehmen dürfen, die nicht gesetzlich gedeckt sind. Sie wissen, daß das Angebot Anfang September beim Internationalen Olympischen Comité eingereicht werden muß, daß aber Anfang September kein Parlament tagt, das die Haftungen übernehmen könnte.

Sie gefährden damit in einem erheblichen Ausmaß die erfolgreiche Kandidatur Kärntens und Klagenfurts für diese Olympischen Spiele. Das muß ich Ihnen hier einmal sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie selbst haben als Finanzminister durch Ihre Beamten vor einem Monat zur Bedingung gemacht, daß die Zustimmungen der Gemeinden, der Länder sowie die Haftungen von Slowenien und die Haftungen von Friaul vorliegen müssen, dann würden Sie diese ausgehandelten 13,8 Milliarden Schilling Haftungen übernehmen.

All das liegt vor, und jetzt drücken Sie sich wieder davor. Es ist wirklich schändlich, wie Sie mit den Interessen des südlichsten Bundeslandes umgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor von Frau Abgeordneter Hagenhofer verlesene Antrag war ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.12

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte einmal in aller Deutlichkeit klarstellen: Wenn jemand die Olympiabewerbung Klagenfurts 2006 gefährdet, Herr Dr. Haider, dann sind das Sie! Dann sind das ausschließlich Sie! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Jung: Da gackern ja die Hühner!)

Ich brauche Ihnen nicht in Erinnerung zu rufen, was vor einigen Wochen in Kärnten stattgefunden hat. Mit ein Grund für die Ablöse von Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Grasser war auch, daß Grasser nicht mehr arbeiten konnte, obwohl er durchaus bemüht war, sich für diese Bewerbung zu engagieren. (Abg. Aumayr: Blödsinn!) Aber Ihnen hat es nicht gepaßt, daß etwas weitergeht für diese Bewerbung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen, darunter: Das ist eine Frechheit! – Abg. Aumayr: So ein Blödsinn! Das muß man sich anhören! So eine Argumentation ist ja peinlich!)

Die Kärntner Abgeordneten in Ihren Reihen kennen die Berichterstattung der "Kleinen Zeitung", die durchaus keine sozialdemokratische Zeitung ist. Darin wurde ganz deutlich und klar festgestellt (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Aumayr ), daß der Dr. Haider als Oppositionspolitiker kein Interesse daran haben kann, daß die Olympischen Spiele in Kärnten stattfinden. Von dieser Zeitung wurden klare Schuldzuweisungen vorgenommen, warum es zu diesem Konflikt in Kärnten gekommen ist. (Abg. Aumayr: Was ist mit der Ausfallshaftung?) Grasser wurde untersagt, gemeinsam mit den anderen Mitbewerbern, mit Zernatto und Außerwinkler, ins Ausland zu fahren, um für Olympia Klagenfurt 2006 zu werben. (Lebhafte Mißfallensäußerungen bei SPÖ und ÖVP.) Das war mit ein Grund, warum er zurückgetreten ist, meine Damen und Herren. Tun Sie heute nicht so scheinheilig, als ob die Bundesregierung oder das Parlament säumig wären. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Madl: Der Grasser hat sich gesträubt!)

Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, daß es erst einige Monate her ist, daß eine schriftliche parlamentarische Anfrage an den Herrn Bundeskanzler eingebracht wurde. (Abg. Aumayr: Was ist mit der Ausfallshaftung?) Herr Dr. Grollitsch, Dr. Haider und Kollegen waren die Anfragesteller. Die Frage 9 hat gelautet, ob der Herr Bundeskanzler persönlich beim Österreichischen Olympischen Comité interveniert hätte, damit Klagenfurt die innerösterreichische Bewerbung gewinnt, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre – das steht wörtlich da drinnen –, einen Bewerber zu bevorzugen, der nicht mit anderen Partnern gemeinsam diese Olympischen Spiele durchführt. (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das war vor wenigen Monaten noch eine parlamentarische Anfrage. Sie haben damals klar zum Ausdruck gebracht, daß Sie nicht für Kärnten sind. Sie haben klar zum Ausdruck gebracht, daß Sie nicht diese gemeinsame Bewerbung haben wollen, sondern eine rein innerösterreichische Bewerbung. (Abg. Aumayr: Das war eine Frage! – Pfui-Rufe bei der SPÖ.) Lesen Sie Ihre eigene schriftliche Anfrage und auch die Beantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Als heute der Fristsetzungsantrag der Freiheitlichen eingebracht wurde, habe ich auch mit dem derzeitigen Geschäftsführer, mit Herrn Dr. Kalt, telefoniert und auch ihn noch einmal gefragt: Was wird tatsächlich jetzt erwartet? Was braucht das Bewerbungskomitee, um zeitgerecht Anfang September beim IOC die Bewerbung einreichen zu können? (Abg. Aumayr: Die Ausfallshaftung!) Es gibt hier klare Vorgaben. In all diesen Vorgaben ist die Garantieerklärung einzelner Minister erforderlich, ganz konkret des Finanzministers, ganz konkret des Innenministers und ganz konkret des Bundeskanzlers, der wiederum in Doppelfunktion zum einen als Chef der Bundesregierung und zum anderen auch für die Bewerberstadt Klagenfurt tätig wird. (Abg. Scheibner: Haben Sie schon etwas von einer Rechtsordnung gehört?) Es sind hier Garantien abzugeben, und es genügt dem Internationalen Olympischen Comité, es genügt dem Österreichischen Olympischen Comité, daß diese Garantieerklärungen von der Bundesregierung abgegeben werden. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Ich darf daran erinnern, daß das Parlament schon einen einstimmigen Entschließungsantrag in dieser Richtung verabschiedet hat (Abg. Scheibner: Das ist verfassungswidrig!) und den Willen des Parlaments hier klar zum Ausdruck gebracht hat. (Abg. Aumayr: Sie brechen die Verfas


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sung!) Das ist die derzeitige Situation. Nicht mehr und nicht weniger wird vom Internationalen Olympischen Comité verlangt. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Kollege Leikam! Haben Sie schon einmal was von einer Rechtsordnung gehört? Irgendwann einmal?) Herr Dkfm. Bauer, Sie waren einmal Staatssekretär, und das war nicht die beste Phase Ihrer Laufbahn. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen. Dazu gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Du hast es nicht einmal so weit gebracht!)

Dann, meine Damen und Herren, gilt es natürlich festzustellen, daß diese Kärntner Bewerbung auf einer guten Schiene ist. Überhaupt keine Frage! Es wird gearbeitet. Es sind also in allen Bereichen gewaltige Fortschritte zu verzeichnen. Wir haben hervorragende Chancen. (Abg. Dr. Haider: Die werden Sie verspielen!) Diese ständigen Querschläge aus den Reihen der Freiheitlichen Partei tun allerdings der Bewerbung sicherlich nicht gut. Auf gar keinen Fall tun sie dieser Bewerbung gut.

Und wenn Sie von Kosten reden und einmal 13,8 Milliarden Schilling, dann wieder 14 Milliarden anführen, so ersieht man schon daraus, wie ernst eine solche Bewerbung gemeint ist. Da spielen Hunderte Millionen Schilling überhaupt keine Rolle mehr; einmal sind es 14 Milliarden, einmal sind es 13,8 Milliarden. (Abg. Dr. Haider: Die zu bezahlen sein werden!) Auch das ist falsch, auch das ist falsch!

Letzter Stand – und ich bin gerne bereit, Sie heute hier offiziell zu informieren –: 7,6 Milliarden Schilling (Abg. Dr. Haider: Nein!) kostet die Durchführung, kostet die Organisation der Olympischen Spiele. 7,6 Milliarden Schilling. Letzter Stand. Dazu kommen 2,4 Milliarden Schilling Infrastrukturmittel. Da gibt es da und dort noch die eine oder andere Unsicherheit, weil Landesstraßen mit dabei sein sollen, die nicht Aufgabe des Bundes sind, und so weiter. Insgesamt sind das also nicht einmal 10 Milliarden Schilling, Sie jedoch reden hier von 13,8 oder 14 Milliarden Schilling.

Das ist nicht seriös, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei. Seriös ist das, was errechnet, was erarbeitet wurde, was von Hunderten Mitarbeitern erarbeitet wurde und auf dem Tisch liegt.

Die Bundesregierung wird am 23. Juli diese Garantieerklärung über diesen Betrag fassen (Abg. Dr. Haider: Aber!), und wir können dann, wenn darüber hinaus noch Beschlüsse notwendig sein sollten, durchaus noch die entsprechenden Beschlüsse fassen.

Aber es besteht kein Grund, hier zu dramatisieren und so zu tun, als ob Sie der Retter der Olympischen Spiele wären. Sie sind vielleicht der Totengräber dieser Spiele! Zumindest Ihre bisherige Vorgangsweise war in diese Richtung zu deuten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.20


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135. Sitzung / Seite 89

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder
(zu dem bereits am Rednerpult stehenden Abgeordneten Smolle): Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter. Herr Abgeordneter Grollitsch hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Diese ist vorher durchzuführen.

Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch! Bitte zu einer tatsächlichen Berichtigung . Die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung sind bekannt.

14.20

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Leikam hat soeben in seiner Rede eine Anfrage dem Inhalt nach interpretiert und Punkt 8 falsch zitiert. (Abg. Leikam: Punkt 9!) Ich korrigiere: Er hat Punkt 9 falsch zitiert. (Abg. Schieder: Was hat er gesagt?) Tendenz der Anfrage ist es, die Bewerbung ... (Abg. Schieder: Nicht die Tendenz, sondern die Wortmeldung! – Abg. Leikam: Lesen Sie die Frage vor!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, Herr Abgeordneter, referieren Sie zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt und tragen Sie dann die Berichtigung aus Ihrer Sicht klar und deutlich vor. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (fortsetzend): Herr Kollege Leikam hat den tatsächlichen Inhalt beziehungsweise die Tendenz der Anfrage falsch ... (Abg. Schieder: Nicht die Tendenz!) Herr Kollege Leikam hat tatsachenwidrig die Tendenz dieser Anfrage mit folgenden Worten interpretiert: ... (Weitere Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Präsident! Ich bitte um Schutz, mich im Sinne der Bestimmungen äußern zu dürfen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, bitte machen Sie von Ihrem Rederecht Gebrauch! Stellen Sie den zu berichtigenden Sachverhalt fest und schließen Sie die Berichtigung an! – Das, bitte, innerhalb von 2 Minuten.

Ich bitte das Hohe Haus, auch zuzuhören. Ich kann sonst nicht feststellen, ob eine tatsächliche Berichtigung vorliegt oder nicht. Ich werde diese 2 Minuten Redezeit um die Dauer meiner eigenen Ausführungen verlängern. Sie haben also insgesamt etwas länger als 2 Minuten Zeit. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (fortsetzend): Ich nehme die Knebelung zur Kenntnis (Heiterkeit bei der SPÖ) und berichtige den Punkt 9: Stimmt es, daß Sie persönlich einzelne Mitglieder des ÖOC für Kärnten mit dem Argument, diese Entscheidung könne bei der Landtagswahl 1999 einen politischen Wettbewerbsvorteil für Sie bringen, zu gewinnen suchten ... (Abg. Schieder: Herr Präsident, er sagt es nicht! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich verstehe überhaupt nicht, was am Rednerpult vorgetragen wird. Es tut mir leid, ich verstehe es nicht. Ich verweise auf den Kommentar von Präsidenten Fischer, in dem ausdrücklich festgehalten ist, daß hierorts die Akustik im Raum am schlechtesten ist. Ich bitte Sie, daß Sie dies durch Stillschweigen akzeptieren mögen. Ich werde nachher feststellen, ob es eine tatsächliche Berichtigung war oder nicht.

Herr Abgeordneter Grollitsch! Ich möchte Sie noch einmal strikt auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung verweisen. Ich räume Ihnen jetzt noch eine Minute ein.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (fortsetzend): Ich versuche verzweifelt, die tatsachenwidrige Behauptung des Herrn Kollegen Leikam zu zitieren, die sich auf Punkt 9 der Anfrage und auf die Tendenz der Anfrage bezogen hat. (Abg. Leikam: Lesen Sie vor!)

Ich habe Ihnen jetzt den tatsächlichen Punkt 9 der Anfrage vorgelesen. Das hat mit der Interpretation durch Kollegen Leikam nichts zu tun. Der Sinn der Anfrage bezog sich eindeutig und klar auf die Unterstützung der Bewerbung "Senza confini" und nicht ... (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das ist eine Behauptung!)

14.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Die 2 Minuten plus Zusatz sind abgelaufen. Eine tatsächliche Berichtigung war das nur bei weitherzigster Auslegung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte festhalten, daß das, was wir jetzt gehört haben, nicht als Beispiel für tatsächliche Berichtigungen genommen werden sollte. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zu Wort gelangt jetzt Abgeordneter Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.24

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, hat in Kärnten der Wahlkampf begonnen. Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Sie sind wieder einmal die besten Wahlhelfer für den hier in der ersten Reihe sitzenden Herrn. Da müßten


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Sie doch ein bißchen in sich gehen und auch kritisch mit sich selbst sein. (Abg. Dr. Schwimmer: Smolle als Adjutant von Haider!)

Es handelt sich um ein Versäumnis der Bundesregierung. Was das IOC verlangt, ist ein Kapitel, was wir aber hier in diesem Haus zu beachten haben, sind Gesetze, und wir müssen die Voraussetzung für die Haftung schaffen.

Kollege Haider! Wenn Sie ein seriöser, ernster Politiker wären, wenn Ihnen das Land Kärnten wirklich am Herzen läge, dann hätten Sie die Bundesregierung und die Abgeordneten im Interesse eines zielführenden Ablaufes längst auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht und nicht zu diesem ernsten Thema so einen Jahrmarkt hier veranstaltet. (Abg. Dr. Haider: 14. Mai! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das ist genau der Punkt, worin wir uns von Ihnen unterscheiden. Wir werden Ihren Antrag mittragen, weil wir meinen, daß er inhaltlich richtig ist. Wir können den Haftungsrahmen von hier aus nicht prüfen. Auch die Beamten sind nicht in der Lage, zu klären, ob es diesen oder den von Leikam erwähnten Haftungsrahmen geben wird. Das ist natürlich in erster Linie auf das Negativkonto der Bundesregierung zu schreiben.

Begreifen Sie doch endlich: Wir können nur durch eine gute Politik auch die FPÖ in ihre Schranken weisen, aber nicht dadurch, daß wir hier im Parlament dauernd Regierungsfehler ausbessern müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. – Bitte.

14.26

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Smolle hat behauptet, es sei nicht Beispiel einer seriösen Politik, die Bundesregierung mit einer 14-Milliarden-Garantieerklärung zu überfallen. Das ist unrichtig.

Ich stelle dazu fest: Die Freiheitliche Partei hat bereits am 14. Mai 1998 einen diesbezüglichen Entschließungsantrag mit den entsprechenden zu bedienenden Garantien und den ziffernmäßigen Beurteilungen eingereicht. Das hat dazu geführt, daß in derselben Sitzung die Regierungsparteien einen ähnlich lautenden Entschließungsantrag beschlossen haben. Es war also dem Finanzministerium seit mehr als einem Monat bekannt, daß diese 14-Milliarden-Schilling-Haftung zu übernehmen ist, um hier, wie Sie richtig sagen, einen verfassungskonformen und gesetzeskonformen Zustand herzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zahlreiche Zwischenrufe.)

14.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.27

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Mir stellen sich zwei Fragen: Warum gibt es diese zögerliche Haltung, und worin liegt die Unanständigkeit im Einbringen eines Abänderungsantrages? Das hat mir bis dato auch der Herr Bundesminister für Finanzen nicht erklären können. Was ist daran unanständig, wenn jemand einen Antrag einbringt, mit dem gesichert werden soll, daß Olympische Spiele nicht nur beworben, sondern auch durchgeführt werden können? – Das ist zunächst einmal das Thema. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Emotionalisiert und polemisiert hat Herr Abgeordneter Leikam, den natürlich die kommende Wahl ganz besonders plagt, weil er bis heute noch nicht weiß, wer sein Spitzenkandidat in Kärnten sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er hat von seinen Genossen nur eine Galgenfrist bekommen – eine Galgenfrist bis Oktober dieses Jahres, falls er nicht "Wunderwuzi" werden sollte. (Abg. Leikam: Ich weiß, daß ich wieder ins Parlament komme! Das wissen Sie nicht!


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Wissen Sie, ob Sie nächste Periode noch da sind? Sie wissen nicht, ob Sie morgen noch da sein werden!) Der Magdalensberger Beschluß für Ihren Ausserwinkler ist ja deshalb notwendig geworden, Herr Kollege, weil er auch in der Olympiafrage massiv versagt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Monate wurden nutzlos vertan, weil ein gewisser Novak, von Ihnen favorisiert, zum Olympiamanager bestellt wurde. Außer daß er reisend durch die Lande zog, hat er überhaupt nichts zustande gebracht. Das, was jetzt passiert, das, was Dieter Kalt nunmehr vollziehen muß, basiert auf dem Scherbenhaufen, den Sie mit verursacht haben.

Sie sind der große Manager. Sie sind vom Amt der Kärntner Landesregierung als der große Manager für die Landesausstellungen eingesetzt worden. Dabei haben Sie aber völlig versagt. (Abg. Dr. Haider: Pleitemanager!) Die Gemeinden sind pleite, sie stehen vor dem Kadi, aber Sie sind der, der hier über Management und ähnliches reden will. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Haben Sie doch einmal den Mut und vertreten Sie nicht parteipolitische Interessen, sondern Interessen des Landes Kärnten! Das würde Ihnen nämlich gut anstehen.

Ich werde Ihnen jetzt sagen, was die Wahrheit ist und warum Sie so verärgert sind: Erstens haben Sie den Termin für die Abgabe der Haftungsgarantie übersehen, zweitens tut es Ihnen weh, daß nunmehr unser Spitzenkandidat Dr. Jörg Haider in Kärnten mit den besten Aussichten in die Wahl geht. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Sie haben eben Angst, daß das Thema "Olympiade" nicht jenes der SPÖ bleibt. Gott sei Dank! Denn überall dort, wo die SPÖ in Kärnten die Finger drin hat, geht etwas daneben. Da sind Sie einer jener, die die Seriosität besonders vermissen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

(Fertig xxx)Wie Sie wissen, ist am 1. September 1998 in Lausanne das Dossier abzugeben. Heute schreiben wir den 9. Juli 1998, und es liegt noch keine Zeile über die Garantieübernahme und deren wesentlichsten Teil, Punkt 18, vor.

Ich frage Sie noch einmal: Wozu haben Sie dann am 14. Mai 1998 ebenfalls diesen Antrag im Parlament eingebracht, der auch mit unseren Stimmen beschlossen wurde? Das frage ich Sie heute und jetzt. Wenn Sie einen Funken Verantwortung für das Land Kärnten haben, dann stimmen Sie diesem Abänderungsantrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Leikam gemeldet. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung glaube ich nicht wiederholen zu müssen. – Bitte.

14.31

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich berichtige die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Gaugg, der gemeint hat, daß ich bei zwei Landesausstellungen der große Manager gewesen wäre, daß die Ausstellungen ein Flop gewesen wären und die Gemeinden vor dem Richter stünden. (Abg. Dr. Haider: Koordinator warst du! Warst du Koordinator oder nicht?)

Ich berichtige: Alle drei Vorwürfe sind völlig falsch. Ich war nicht der Manager bei diesen Ausstellungen. Ich war Mitarbeiter im Ausstellungsbüro mit einem ganz konkreten Aufgabenbereich, den ich auch voll erfüllt habe. (Abg. Dr. Haider: Und jetzt haben wir eine Pleite!)

Zum zweiten waren beide Ausstellungen hervorragend besucht, wovon sich viele Abgeordnete persönlich überzeugen konnten. Nur ein Abgeordneter war nicht dabei. Das war Herr Abgeordneter Haider, der die Kärntner Ausstellungen nicht ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich bitte Sie, sich an die Bestimmungen für tatsächliche Berichtigungen zu halten!

Abgeordneter Anton Leikam (fortsetzend): Das dritte: Es mußte keine Gemeinde vor den Kadi, sondern alle Landesausstellungen sind ordnungsgemäß abgerechnet worden. (Beifall bei der


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135. Sitzung / Seite 92

SPÖ. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: War das eine vorbildliche Berichtigung? – Abg. Dr. Haider: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

14.32


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135. Sitzung / Seite 93

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Herrn Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte zu diesem Zweck die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils den Platz einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1284 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1329 der Beilagen angeschlossenen Änderungen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Haider und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Dr. Van der Bellen, Ing. Gartlehner, Mag. Peter und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die Zusatzanträge und dann über den Gesetzentwurf abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Haider und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer in Artikel I betreffend Artikel IX bezieht, und ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen.

Es ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist diese Abstimmung durchzuführen.

Ich werde diese namentliche Abstimmung in der Weise durchführen, daß die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen werden und die Stimmabgabe vom Abgeordnetensitz aus mündlich erfolgt.

Zum Zwecke der Stimmabgabe bitte ich die Abstimmenden, sich nach Namensaufruf vom Platz zu erheben und laut und deutlich zu antworten.

Jene Abgeordneten, die für den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen stimmen, ersuche ich, ausschließlich – ich füge hinzu: deutlich – mit "Ja", und jene, die dagegen stimmen, ausschließlich und gleichfalls deutlich mit "Nein" zu antworten. Ich bitte auch, diese ausschließlichen Worte nicht zu kommentieren.

Durch Wiederholung des Namens des aufgerufenen Abgeordneten und Wiedergabe seines Stimmverhaltens werde ich zusätzlich Klarheit über das Abstimmungsverhalten schaffen oder zu schaffen versuchen. Ist ein Abgeordneter nicht anwesend, werde ich diesen Umstand ausdrücklich feststellen.

Ich beginne nun mit dem Namensaufruf.

(Präsident Dr. Brauneder ruft die Namen der Abgeordneten auf und wiederholt diese zusammen mit dem jeweiligen Stimmverhalten der einzelnen Abgeordneten.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Damit ist der Namensaufruf beendet. Ich unterbreche die Sitzung zwecks Auszählung der Stimmen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.43 Uhr unterbrochen und um 14.48 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Da wir im Abstimmungsverfahren sind und weiter abstimmen, bitte ich, doch wiederum den jeweiligen Platz einzunehmen.

Ich gebe das Abstimmungsergebnis über den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen bekannt: Abgegeben wurden 162 Stimmen, davon "Ja"-Stimmen: 50, "Nein"-Stimmen: 112. Der Zusatzantrag ist damit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Stimmverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Apfelbeck, Aumayr;

Bauer Holger, Blünegger, Böhacker, Brauneder;

Dolinschek;

Firlinger;

Gatterer, Gaugg, Graf, Gredler, Grollitsch;

Haider, Haidlmayr, Haigermoser, Haupt, Hofmann;

Jung;

Klein, Koller, Kurzmann;

Lafer;

Madl, Marolt, Meischberger, Meisinger, Moser Gabriela, Motter;

Nußbaumer;

Ofner; Öllinger;

Partik-Pablé, Peter, Petrovic, Preisinger, Prinzhorn, Pumberger;

Rieß;

Salzl, Schaffenrath, Scheibner, Schöggl, Schweitzer, Smolle, Stadler, Stoisits;

Trattner;

Van der Bellen;

Wurmitzer.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Amon, Antoni, Auer;

Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Binder, Brinek, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Donabauer;


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135. Sitzung / Seite 94

Eder, Edler, Ellmauer;

Fekter, Feurstein, Fink, Freund, Frieser, Fuchs, Fuhrmann;

Gaál, Gartlehner, Gaßner, Grabner, Gradwohl, Guggenberger, Gusenbauer;

Hagenhofer, Heindl, Heinzl, Hlavac, Höchtl, Horngacher, Huber, Hums;

Jäger, Jarolim;

Kampichler, Karlsson, Keppelmüller, Khol, Kiermaier, König, Konrad, Kopf, Koppler, Kostelka, Krammer, Kräuter, Kröll, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Leikam, Leiner, Löschnak, Lukesch;

Maier, Maitz, Marizzi, Mertel, Mock, Morak, Moser-Starrach, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Niederwieser, Nowotny;

Oberhaidinger;

Parfuss, Parnigoni, Pittermann, Platter, Posch, Puttinger;

Rada, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riepl;

Sauer, Schieder, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Spindelegger, Stampler, Steibl, Steindl, Stippel, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Verzetnitsch;

Wallner, Wimmer, Wurm;

Zweytick.

*****

Wir kommen nun zur Abstimmung über einen weiteren Zusatzantrag.

Die Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Dr. Van der Bellen, Ing. Gartlehner, Mag. Peter und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer in Artikel I betreffend Artikel VII zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1329 der Beilagen angeschlossenen Änderungen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.


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3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1258 der Beilagen): 1. Dienstrechts-Novelle 1998 (1321 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1081 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1322 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (942 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (1323 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Entschließungsantrag 711/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend die Privatisierung von in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen (1324 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Entschließungsantrag 683/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend die dienstrechtliche Einstufung der Fachhochschulabsolventen (1325 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 375/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989 geändert wird (1326 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 3 bis 8 auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zu einer Druckfehlerberichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Höchtl als Berichterstatter gemeldet. – Bitte, Herr Berichterstatter.

Berichterstatter Mag. Dr. Josef Höchtl: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich nur zu einer Druckfehlerberichtigung im Bericht des Finanzausschusses in 1321 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1258 der Beilagen betreffend die 1. Dienstrechts-Novelle 1998 zu Wort gemeldet.

Ich berichtige einen Druckfehler im Ausschußbericht in 1321 der Beilagen wie folgt: Auf Seite 5 des Berichtes ist in der Ausschußfeststellung das Wort "Koordinationsfähigkeit" durch das Wort "Koordinationstätigkeit" zu ersetzen.

Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, in die Debatte einzugehen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Es liegt kein weiteres Verlangen auf mündliche Berichterstattung vor. Wir gehen daher in die Debatte ein.


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Als erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Böhacker gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.53

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rodelverbandes! Herr Berichterstatter Höchtl! Die nächsten Wochen und Monate werden sicherlich spannend werden, und zwar deswegen, weil soeben die Regierungsparteien die Haftungsübernahme für die Durchführung der Olympischen Spiele in Klagenfurt abgelehnt haben. Gleichzeitig hat der Herr Finanzminister vor wenigen Minuten erklärt, daß er sich dafür verwenden wird, im Ministerrat entsprechende Beschlüsse herbeizuführen. Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus. Will die Bundesregierung etwa gegen die Mehrheit im Hohen Haus eine Entscheidung treffen? Will sie das Hohe Haus ausschalten? Das ist wirklich eine hochinteressante Situation. Herr Kollege Leikam! Bedeutet das wirklich das Ende für eine Bewerbung um die Olympischen Spiele in Klagenfurt? Das ist eine wirklich interessante Sache. (Abg. Dr. Mertel: Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen!) Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Mit Ihrem Stimmverhalten haben Sie meiner Meinung nach dem Land Kärnten und der Republik Österreich einen schlechten Dienst erwiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun aber zum Tagesordnungspunkt Dienstrechts-Novelle 1998. Ich habe schon im Ausschuß gesagt, daß dieses Konvolut, diese Regierungsvorlage, mit der 21 Gesetze novelliert beziehungsweise geändert werden, absolut unlesbar ist. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Edlinger. ) Nahezu unlesbar. Herr Finanzminister! Ich habe nur 4 Minuten Zeit. Wenn Sie im Ausschuß gewesen wären, dann hätten Sie auch die Argumentation von Vertretern der Regierungsparteien gehört, aber Sie haben Ihren Beamtenstaatssekretär geschickt, der auch fachlich zuständig ist. Das wird ja anerkannt.

Tatsache ist aber, daß diese Regierungsvorlage praktisch unlesbar ist. Jeder, der heute diesem Gesetz zustimmt, handelt aus meiner Sicht verfassungsrechtlich bedenklich. Selbst Herr Kollege Stummvoll, der im Ausschuß erklärt hat, er hätte eine Infrastruktur zur Verfügung, die wesentlich besser sei als jene der anderen Abgeordneten, war nicht in der Lage, den Abänderungsantrag entsprechend durchzuarbeiten.

Herr Kollege Stummvoll! Es ist schon nett, daß Sie sich heute wieder darüber alteriert haben, daß die Freiheitlichen kurzfristig einen Antrag eingebracht haben. Sie selbst haben zu diesem Abänderungsantrag im Finanzausschuß inhaltlich folgendes gesagt: Hinsichtlich des Abänderungsantrages ist meine Fraktion, die ÖVP-Fraktion, aber das letzte Mal bereit, eine derart kurzfristige Vorgangsweise zu akzeptieren. – Soweit Herr Kollege Stummvoll.

Wer hat denn diesen Abänderungsantrag eingebracht? – Nowotny, Stummvoll. Herr Kollege Stummvoll! Sie kritisieren Ihre eigene Vorgangsweise. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Keine Ahnung, worum es geht!) Das ist wirklich bezeichnend. Allein dieses Dienstrechtsgesetz bietet im gesamten gesehen Anlaß genug, ein neues, modernes und leistungsorientiertes Vertragsbedienstetenrecht zu schaffen.

Ich darf daher nachstehenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Mag. Stadler, Rieß und Kollegen betreffend Schaffung eines modernen leistungsorientierten Vertragsbedienstetenrechtes, eingebracht am 9. Juli 1998 im Zuge der Debatte zur Regierungsvorlage 1258 der Beilagen betreffend die 1. Dienstrechts-Novelle 1998

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat innerhalb von drei Monaten den Entwurf eines neuen Vertragsbedienstetenrechtes für den öffentlichen Dienst vorzulegen, der insbesondere folgendes vorsieht:

leistungsorientierte Besoldung, bestehend aus

einem flach ansteigenden Grundgehalt (Erfahrungskomponente),

einer Funktionskomponente zur Abgeltung der Verantwortung,

einer Leistungskomponente zur Abgeltung der individuellen Leistung,

Abkehr vom Dienstaltersprinzip,

Abbau des Zulagen- und Nebengebührenunwesens,

gleiche Entlohnung für gleiche Dienste (Beseitigung des Besoldungsgefälles zwischen Beamten und Vertragsbediensteten),

Verbesserung der Karrieremöglichkeiten (Abbau der Benachteiligung gegenüber Beamten),

Anreize zur Förderung der Mobilität zwischen Wirtschaft und Verwaltung.

*****

Dieser Entschließungsantrag soll den bisherigen Versprechungen der Bundesregierung entsprechenden Nachdruck verleihen. Ich bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe vor Erteilung der nächsten Wortmeldung bekannt, daß folgender Antrag eingebracht worden ist:

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und zwar zur Aufklärung der politischen und rechtlichen Verantwortung im "BBU-Skandal".

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Kurzdebatte durchzuführen.

Gemäß § 33 Abs. 2 werden diese Debatte und die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung stattfinden.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Sie wollen die Wortmeldung jetzt nicht mehr konsumieren, weil in zwei Minuten die


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Dringliche Anfrage aufzurufen wäre. – Gut.

Ich unterbreche daher die Sitzung bis zum Aufruf der Dringlichen Anfrage um 15 Uhr.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebung von Kosovo-Albanern (4676/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4676/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Wer wegen der aktuellen Bedrohung an Leib und Leben, aus Furcht vor ethnischen Säuberungen, Vergewaltigungen und Folter aus der von Serben regierten Krisenregion Kosovo oder einem anderen politischen Krisengebiet nach meist abenteuerlicher Reise per Bahn, Schiff, Flugzeug oder Bus in Österreich gelandet ist, sollte sich noch nicht in Sicherheit wähnen. Die meisten Flüchtlinge müssen kennenlernen, was Schubhaft und Abschiebung ist.

Gerade in letzter Zeit haben aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen vermehrt Kosovo-Albaner in Österreich um Asyl angesucht, da sie in ihrem Heimatland brutal verfolgt werden. Im Fall der Kosovo-Albaner sind die Asylbehörden derzeit eher der Ansicht, daß diese Verfolgten keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention seien. Das geht so weit, daß laut Berichten von FlüchtlingsbetreuerInnen Beamte der Bundesasylbehörde Flüchtlingen aus dem Kosovo vorschlagen, ihre Heimat zu verlassen und sich in der jugoslawischen Teilrepublik Crna Gora/Montenegro anzusiedeln. Der Zynismus mancher Bescheidbegründungen ist kaum zu überbieten:

In einem Asylbescheid vom 6.5.1998 betreffend einen Kosovo-Albaner heißt es:

,Dieser Übergriff durch die Polizei ist für Sie sicherlich furchtbar gewesen, doch darf seitens der Asylbehörde auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sich hiebei um eine zwar schärfstens zu verurteilende, aber leider allgemein übliche Vorgangsweise handelt (...)‘

Aus einem Asylbescheid vom 22.5.1998 betreffend einen Kosovo-Albaner, dessen Schwager und der Vater des Schwagers bei dem Massaker an ethnischen Albanern in Likoshan ermordet wurden (dieses Massaker wurde von der schweizerischen Flüchtlingshilfe dokumentiert):

,Soweit Sie vorbringen, in Ihrem Heimatland von der dort herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation betroffen zu sein, so ist dies allein nicht als geeignet anzusehen, das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention glaubhaft zu machen, weil den aus solchen Verhältnissen resultierenden Benachteiligungen sämtliche dort lebende Bewohner ausgesetzt sind und solche Verhältnisse daher nicht als konkrete, individuell gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft werden können.

Die allgemeine Lage ist zwar angespannt, und es kommt immer wieder zu Übergriffen und Kampfhandlungen. Diese Ereignisse haben jedoch noch nicht ein solches Ausmaß erreicht, daß etwa jeder Kosovo-Albaner mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit in seiner physischen Existenz, seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner persönlichen Freiheit aktuell bedroht wäre, wie dies etwa in Zeiten einer völligen Anarchie der Fall wäre. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß Sie konkret keine Bedrohung im Sinne des § 57 Fremdengesetz zu gewärtigen hätten.‘

Mit der gleichen Begründung wurde der Asylantrag eines Kosovo-Albaners, dessen Kind zwischen 5. und 7.3.1998 ermordet wurde, abgelehnt und gleichzeitig festgestellt, daß eine Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat (!) zulässig sei.

Aus einem weiteren ablehnenden Asylbescheid betreffend einen Kosovo-Albaner vom 2.6.1998:


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,Wenn jedoch, wie Sie selbst behaupten, Ihr Vater ein Offizier der UCK sein sollte, so ist nicht anzunehmen, daß sich die Polizei bei der Gewinnung wichtiger Erkenntnisse über einen Offizier der UCK im Verhör nur auf Schreien beschränken sollte. Viel eher wäre es wahrscheinlich, daß Sie geschlagen oder auch auf sonstige Weise mißhandelt worden wären. Die Tatsache, daß Sie jedoch nur durch Schreien in Angst versetzt worden sein sollen, weist viel eher darauf hin, daß die Polizei an der Befragung Ihrer Person gar kein so großes Interesse hatte. Gestützt wird diese Annahme durch die Tatsache, daß die Polizei Sie wieder freigelassen hat und Ihnen nur auftrug, sich in zwei Tagen wieder zu melden.

Auch zu den weiteren Fragen, wozu man einen Offizier brauche beziehungsweise ob Sie noch etwas über die UCK wissen, erklären Sie lediglich, Sie wüßten nichts. Bei Betrachtung des gesamten Verlaufes der Befragung konnte die Behörde daher nicht umhin festzustellen, daß der Asylwerber am Verfahrensablauf mangelndes Interesse zeigte und an der Sachverhaltsfeststellung nicht im nötigen Maß mitwirkte.

Aufgrund der Mißbräuchlichkeit Ihrer Asylantragstellung beziehungsweise der Tatsache, daß die Behauptung, in Ihrem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, jeder Grundlage entbehrt, ist auch das Vorliegen stichhaltiger Gründe für die Annahme, daß Sie im Falle der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung einer Gefahr im Sinne obzitierter Gesetzesstelle ausgesetzt sind, auszuschließen.‘

Am 6.7.1998 wurde eine dreiköpfige Flüchtlingsfamilie aus dem Kosovo, bestehend aus einer schwangeren Frau, einem verletzten Mann und einem dreijährigen Kleinkind, am Grenzübergang Nickelsdorf den ungarischen Behörden übergeben. Die Flüchtlingsfamilie war im April aus dem Kosovo geflüchtet und fand in Zwettl bei einem in Österreich legal ansässigen Verwandten Unterkunft. Der Familienvater hatte sich bei der Flucht den Oberschenkel gebrochen. Der Asylantrag wurde unter Berufung auf die sogenannte Drittlandsicherheit abgelehnt (siehe APA-Meldung vom 6.7.1998).

Mit Stichtag 15.6.1998 befanden sich im Polizeigefangenenhaus Salzburg 36 Kosovo-Albaner in Schubhaft. Weitere sind bereits vorher nach Ungarn abgeschoben worden.

Die Spruchpraxis der Bundesasylbehörden in den einzelnen Ländern ist vollkommen unterschiedlich, so werden Asylanträge von der Asylbehörde im Burgenland grundsätzlich gemäß § 4 Asylgesetz wegen Drittstaatsicherheit abgelehnt. In Traiskirchen, Wien und Salzburg wurde bei einigen Anträgen festgestellt, daß die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig sei (§ 8 Asylgesetz). In Salzburg und in Traiskirchen wurde in einigen Fällen Asyl gewährt.

Die uneinheitliche Spruchpraxis beklagt auch der steirische Rechtsanwalt Marc Oliver Stenitzer. So wurde von vier Flüchtlingen aus dem Kosovo einem Ehepaar in zweiter Instanz (UBAS) Asyl gewährt, während die Anträge von Herrn M. B. aus Priština und Frau S. S. aus dem Kampfgebiet von Drenica – die Frau wurde nach ihren Angaben vergewaltigt – abgelehnt wurden. Herr B. befindet sich in Klagenfurt in Schubhaft und Frau S. steht praktisch unter Hausarrest, obwohl bereits eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde. Die beiden Flüchtlinge sollen nach Ungarn abgeschoben werden. Der Rechtsanwalt Stenitzer kommentiert die unterschiedliche Spruchpraxis der selben Behörde bei völlig identischem Sachverhalt so: ,Ihr Pech war, daß sie einen anderen Anfangsbuchstaben haben und daher anderen Sachbearbeitern zugewiesen wurden. (...) Es kann doch nicht sein, daß das Schicksal eines Menschen in Österreich vom Anfangsbuchstaben seines Familiennamens abhängt. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit in unserem Land‘.

Herr B. und Frau S. waren nach Österreich zu den hier lebenden Verwandten geflüchtet. Wie diese beiden Personen flüchten derzeit viele Albaner aus dem Kosovo zu ihren Verwandten nach Österreich.

Die Schweiz schiebt jedenfalls bis Ende Juli keine abgewiesenen Asylwerber in den Kosovo ab (APA-Meldung vom 12.6.1998). Mehrere Bundesländer in Deutschland – vor allem die SPD-re


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gierten – schicken derzeit keine Asylsuchenden in die von Serben regierte Krisenregion Kosovo zurück (APA-Meldung vom 11.3.1998). UNHCR, Caritas, die Asylkoordination, Amnesty International und weitere Organisationen fordern mit Vehemenz, Kosovo-Albaner weder nach Ungarn noch nach Jugoslawien ab- oder zurückzuschieben.

Der UNHCR und Flüchtlingshilfsorganisationen haben schon vor Monaten festgestellt, daß sich die aus dem Kosovo notorisch bekannten Formen der Unterdrückung und der Menschenrechtsverletzungen – willkürliche Maßnahmen, Vorladungen, Kontrollen, Mißhandlungen und so weiter – insgesamt gehäuft und intensiviert haben, bedingt zum Teil durch die massiv gesteigerte Polizei- und Militärpräsenz. Aufgefallen ist weiters, daß auch die Übergriffe serbischer Zivilisten gegen Kosovo-Albaner stark zugenommen haben, die Opfer jedoch keinen staatlichen Schutz erwarten können.

Es ist daher zu begrüßen, daß laut Innenminister Mag. Schlögl vorerst keine Flüchtlinge aus dem Kosovo direkt nach Jugoslawien ab- beziehungsweise zurückgeschoben werden. Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, daß laut Auskunft von Caritas-Betreuern zuständige Beamte erklärt haben, auch weiterhin die Ausstellung von Heimreisezertifikaten anzustreben und vorzubereiten.

Laut Innenministerium werden aber sehr wohl albanische Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Ungarn ab- beziehungsweise zurückgeschoben. Laut UNHCR kann Ungarn nicht als verfolgungssicher angesehen werden. Die Caritas und etliche Menschenrechtsorganisationen behaupten, daß es in Ungarn kaum Chancen auf ein faires Asylverfahren gibt und daß aus Österreich abgeschobene Kosovo-Flüchtlinge Gefahr laufen, von Ungarn unmittelbar nach Jugoslawien weitergeschoben zu werden. Amnesty International hat gestern einen dokumentierten Fall vorgelegt, der die umgehende Weiterschiebung von Kosovo-Albanern in den Verfolgerstaat durch Ungarn beweist und damit die Behauptung des Innenministeriums, eine Abschiebung aus Österreich nach Ungarn sei zulässig, weil Ungarn ein sicheres Drittland sei, als falsche Schutzbehauptung entlarvt. (APA-Meldung vom 7.7.1998).

Laut Amnesty International ist der Kosovo-Albaner I. I. im März dieses Jahres gemeinsam mit seiner Schwester und drei weiteren Kosovo-Albanern über Ungarn nach Österreich geflüchtet. Von einem Dolmetscher der Grenzbehörden hätte er erfahren, daß er keinen Asylantrag stellen könne. Zurück in Ungarn wurde ein Aufenthaltsverbot bis 2001 in seinen Paß gestempelt. In einer Kaserne in Györ wurden Daten und Fingerabdrücke aufgenommen. Noch am selben Tage sei er in Handschellen der serbischen Polizei übergeben worden. In einem Gedächtnisprotokoll, das Amnesty International vorliegt, berichtet I. von schweren Mißhandlungen seitens der jugoslawischen Behörden: ,Die drei (Polizisten) traktierten uns zuerst mit den Fäusten, danach schlugen sie uns mit Lederschläuchen, die mit Sand gefüllt waren. Ich wurde mehrmals bewußtlos, sie »weckten« mich mit Wasser wieder auf. Sie beschimpften und demütigten uns auf die gemeinste Weise. Nachdem sie uns zusammengeschlagen hatten, gingen sie zu den beiden anderen, und wir hörten sie dasselbe tun wie bei uns.‘ Dem Betroffenen ist inzwischen erneut die Flucht geglückt.

Die von Österreich ab-, zurückgeschobenen beziehungsweise zurückgewiesenen Flüchtlinge werden von den ungarischen Beamten an der Grenze entgegengenommen und umgehend in Auffanglager gebracht, unter anderem ins Lager Györ.

Im Auffanglager in Györ herrschen katastrophale Verhältnisse, wie aus einem Augenscheinbericht von Eva Menasse hervorgeht (siehe Beilage). Das Auffanglager ist in einer desolaten, stillgelegten Kaserne untergebracht. Zum Besichtigungszeitpunkt befanden sich in dem Lager 114 Erwachsene und 13 kleine Kinder. Das bedeutet ein zirka 100prozentigen Überbelag, wie vom Lagerleiter bestätigt wurde. Von Jänner bis Ende Mai 1998 sind insgesamt 1 716 Menschen in diesem Lager untergebracht worden. Zirka 700 kamen direkt aus Österreich. Bei dem ,Lager‘ handelt es sich um einen vergitterten Korridor mit ein paar Schlafsälen. Die Toiletten sind unbenützbar, verstopft und die Tür nicht verschließbar. Die Installateure aus Györ haben sich geweigert, die sanitären Anlagen zu reparieren. Die Schlafsäle sind derart überfüllt, daß sich immer sechs Menschen zwei aneinandergeschobene Stockbetten teilen müssen. Männer, Frauen und


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Kinder liegen durcheinander. Wenn sich die Frauen duschen wollen, hält angeblich ein Soldat vor der Tür Wache, da die nicht abschließbar ist. Den Bewohnern fehlt jede Information. Bei vielen handelt es sich um Kosovo-Albaner (siehe ,Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ vom 30.5.1998, Seite 33, und ,Standard‘ vom 27.5.1998, Seite 33).

Ungarn ist aufgrund der Zurückschiebung von zahlreichen Personen durch die österreichischen Behörden restlos überfordert, wie das Auffanglager in Györ zeigt. Innenminister Schlögl redet von einer gerechten Lastenverteilung, die auf EU-Ebene durchaus zu begrüßen wäre, er meint dabei aber offensichtlich die Abschiebung von ,Lasten‘ (= Menschen und Verantwortung) nach Ungarn. Spätestens seit den Berichten in den Zeitungen und im ORF über die Zustände des Auffanglagers in Györ muß auch der Innenminister darüber Bescheid wissen. Der Innenminister macht sich daher an der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung von Personen, die nach der Zurückschiebung beziehungsweise Abschiebung durch Österreich nach Ungarn in diesem Auffanglager untergebracht werden, mitverantwortlich.

Die angeführten Umstände reichen aus, um einen sofortigen und absoluten Abschiebestopp für Kosovo-Albaner zu verfügen. Wie dargelegt, ist auch eine Abschiebung nach Ungarn weder rechtlich noch moralisch zulässig, weil Ungarn offenkundig kein sicheres Drittland ist. Aus all diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage:

1. Wie viele Kosovo-Albaner wurden im Jahr 1998 nach Jugoslawien ab- beziehungsweise zurückgeschoben?

2. Wie viele Kosovo-Albaner wurden im Jahr 1998 nach Ungarn ab- beziehungsweise zurückgeschoben beziehungsweise zurückgewiesen?

3. Wie rechtfertigen Sie eine Ab-, Zurückschiebung beziehungsweise Zurückweisung von Kosovo-Albanern und anderen Flüchtlingen nach Ungarn, zumal vom UNHCR festgestellt wurde, daß Ungarn kein sicheres Drittland sei, und dokumentiert ist, daß Flüchtlinge in Verfolgerstaaten weitergeschoben werden?

4. Wie rechtfertigen Sie eine Ab-, Zurückschiebung beziehungsweise Zurückweisung von Kosovo-Albanern und anderen Flüchtlingen nach Ungarn, obwohl bekannt ist, daß diese Personen im Auffanglager in Györ unter katastrophalen Verhältnissen (siehe beiliegender Artikel von Eva Menasse in der ,FAZ‘ vom 30.5.1998, Nr. 124 ) untergebracht werden?

5. Kann bei einer Unterbringung von Personen unter den unmenschlichen und erniedrigenden Zuständen wie in Györ überhaupt von einem sicheren Drittland gesprochen werden?

6. Werden Sie dafür sorgen, daß keine Personen mehr nach Ungarn ab- beziehungsweise zurückgeschoben werden, solange damit zu rechnen ist, daß sie im Auffanglager von Györ und ähnlichen ,Lagern‘ untergebracht werden?

7. Wie rechtfertigen Sie die Entscheidungen des Bundesasylsenates, wonach Übergriffe und Kampfhandlungen im Kosovo noch nicht ein solches Ausmaß erreicht hätten, daß jeder Kosovo-Albaner mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit in seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner persönlichen Freiheit aktuell bedroht wäre, wie dies etwa in Zeiten völliger Anarchie der Fall wäre und daher eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig sei?

8. Wie rechtfertigen Sie die unterschiedliche Spruchpraxis der Behörden des Bundesasylamtes in den einzelnen Bundesländern – im Burgenland werden zum Beispiel generell Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit abgelehnt?

9. Teilen Sie die Meinung, daß unter den derzeitigen Verhältnissen Albaner aus dem Kosovo im Sinne des § 57 Fremdengesetz nicht nach Jugoslawien zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden dürfen? Wenn ja, werden Sie eine entsprechende Weisung erteilen?


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10. Ist es richtig, daß Ihnen von Amnesty International ein Fall vorgelegt wurde, wonach ein Kosovo-Albaner von Ungarn nach Jugoslawien weitergeschickt wurde?

11. Werden Sie in diesem Zusammenhang Ihre Haltung betreffend die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von Kosovo-Albanern nach Ungarn beziehungsweise in ein anderes Drittland ändern? Wenn nein, warum nicht?

12. Werden Sie dafür eintreten, daß Kosovo-Albanern, die aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen nach Österreich flüchten, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht erhalten?"

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich erteile Frau Abgeordneter Mag. Stoisits als Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.00

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane gospodin president! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister Edlinger! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die derzeit im Kosovo herrschende Krise geht wohl an niemandem vorüber. Es gibt dramatische Menschenrechtsverletzungen – so dramatische Menschenrechtsverletzungen, daß die NATO überlegt, selbst ohne Beschluß des Sicherheitsrates möglicherweise im Kosovo einzugreifen. Es ist eine Krise, die uns allabendlich oder auch jeden Tag via Rundfunk, via Fernsehen, via Zeitungen ins Haus geliefert wird, ohne Anstrengung für uns. (Abg. Jung: Jaja, Frau Kollegin, Sie wissen, daß Sie mit dieser Dringlichen ins Fernsehen kommen, deswegen schauen Sie ...!) 80 000 bis 100 000 Menschen – das sind die Schätzungen, die auch via Medien kolportiert werden – sind auf der Flucht. Sie sind auf der Flucht innerhalb Jugoslawiens, dort vor allem nach Crna Gora/Montenegro, sie sind auf der Flucht nach Albanien gelangt – diese Bilder sind Ihnen sicherlich noch vor Augen –, und sie sind auch auf der Flucht in den Nachbarstaat Makedonien.

Einige wenige Menschen aus dem Kosovo, nämlich vor allem solche, die Anknüpfungspunkte in Österreich haben, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland, flüchten nach Österreich. Das sind – wie ich vor allem von Betreuungsorganisationen, von Flüchtlingsorganisationen und von Menschenrechtsorganisationen weiß – in erster Linie verzweifelte, um ihr Leben besorgte Menschen, die in Österreich Anknüpfungspunkte in Form von Verwandten haben, die hier schon lange als Gastarbeiter leben oder schon früher als Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind. Das ist ja nicht etwa ein Phänomen, das jetzt neu auftritt – wir kennen es von der Krise in Bosnien –, daß man sich natürlich, wenn man in Not ist, wenn man unter Repression lebt, wenn man Angst um sich selbst, aber vor allem auch um die Familie hat, dorthin flüchtet, wo man Hilfe erwarten kann oder wo es einem realistisch erscheint, Hilfe zu bekommen. Das ist logischeweise bei Verwandten, bei Freunden, bei Menschen aus dem gleichen Dorf. Und in Österreich leben ja Tausende Kosovo-Albaner als sogenannte Gastarbeiter oder Zuwanderer seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Die Situation im Kosovo hat sich in den letzten Monaten – und es wird ja von Tag zu Tag schlimmer – so dramatisch entwickelt, daß es wirklich zulässig ist, ohne sich dabei dem Vorwurf einer Übertreibung aussetzen zu müssen, von ethnischen Säuberungen im Kosovo zu sprechen. Es kommt zu politisch motivierten Vergewaltigungen, und es passieren permanent Menschenrechtsverletzungen vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Das geschieht nicht etwa im Verborgenen, das ist kein Land, das unbekannt ist – es liegt sehr nahe bei Österreich, nur ein ganz kleines Stück weiter als Bosnien, und Sie werden sicherlich noch alle sehr gut in Erinnerung haben, was dort passiert ist –, es geschieht nicht im Geheimen, sondern absolut öffentlich, vor den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit!

Und genauso öffentlich, wie ethnische Säuberungen, politische Verfolgung, drastische Menschenrechtsverletzungen, Vergewaltigungen passieren, genauso öffentlich suchen auch Men


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schen aus dem Kosovo Schutz, Schutz vor Verfolgung in Österreich und auch in anderen Staaten Westeuropas. Und was ist die Reaktion bei uns, aber nicht nur bei uns, nicht nur in Österreich, auch in anderen EU-Staaten, westeuropäischen Staaten, um das jetzt noch zu präzisieren, denn es geht selbstverständlich auch um die Schweiz? Was geschieht bei uns? – Bei uns werden die Tore zugemacht, wir sperren die Tür für Flüchtlinge zu!

Aber nicht nur, daß wir die Türen zusperren, wir schmeißen sie auch raus aus Österreich, aus unserem Haus! Wir schicken Menschen aus dem Kosovo, jugoslawische Staatsangehörige, zurück in ihr Verfolgerland. Wir schicken sie dorthin zurück, woher sie im guten Glauben oder sich in Sicherheit wähnend gekommen sind, nach Jugoslawien. (Abg. Jung: Wir schicken sie nicht zurück!)

Meine Damen und Herren! Während bis zum Ende der achtziger Jahre Flüchtlinge in Österreich im allgemeinen mit Sympathien rechnen konnten, hat sich in den letzten Jahren die öffentliche Einstellung (Abg. Jung: Warum denn? – Abg. Scheibner: Warum ist das so? Wegen der ungezügelten Einwanderungspolitik!), angeheizt vor allem durch Boulevardmedien, aber vor allem auch durch populistische Politiker, enorm verschlechtert.

Bis zum Fall der kommunistischen Systeme galten Flüchtlinge in der öffentlichen Meinung in Österreich als ganz besonders engagierte Menschen, die ihre Existenz und ihr Leben aufs Spiel setzen, um in ihrer Heimat gegen ein totalitäres Regime zu kämpfen, um für mehr Menschenrechte, für mehr Demokratie zu kämpfen und diese Grundrechte zu ertrotzen. Österreich sah sich in dieser Zeit auch verpflichtet, diesen Menschen Schutz zu bieten, wenn sie in ihrer Heimat nicht die Möglichkeit für ein nach unseren Kriterien gemessenes menschenwürdiges Lebens hatten, wenn ihnen – und das ist ja die Bedingung – die Flucht aus ihren Heimatländern gelang. Österreich war stolz darauf, daß man Flüchtlinge aus den kommunistischen Regimen unterstützt und ihnen geholfen hat.

Inzwischen, meine Damen und Herren, schaut es ganz anders aus. Flüchtlinge in Österreich sehen sich mit ganz anderen Einstellungen konfrontiert, nicht nur mit einer anderen Einstellung der Bevölkerung, aufgeheizt durch Populisten und Boulevard, sondern auch mit einer anderen Einstellung der Behörden. Ganz pauschal wird jetzt in Österreich Flüchtlingen unterstellt, sie wollten sich im Ausland sozusagen nur ein besseres Leben ertrotzen, sie wollten es sich richten, und das alles auf unsere Kosten. – Meinungen, die täglich in kleinformatigen Blättern nachzulesen sind.

Dieser Meinungswandel ist so weit gegangen, daß auch der Gesetzgeber reagiert hat, und es war gar nicht schwer, ein neues Asylgesetz hier im Parlament durchzuziehen. Der Widerstand war groß, aber die Mehrheit und der Druck von Populismus und Boulevardpresse im Nacken waren größer.

Die erste Änderung des Asylgesetzes im Jahr 1992 brachte vor allem massive Einschränkungen mit sich, wenn es um positive Bescheide ging. Bis zum Jahr 1992, also vor dem neuen Asylgesetz, gab es in Österreich Anerkennungsquoten bei den Asylwerbern von 45 Prozent – in manchen Jahren bis zu 85 Prozent! Das war damals, zwischen 1980 und 1985, Realität, und zwar bei weit mehr Anträgen als heute. Es ist ganz wesentlich, auch das festzustellen. Inzwischen ist die Anerkennungsquote längst unter 10 Prozent gedrückt, und eine ideelle Sekunde Aufenthalt in einem sogenannten sicheren Drittland reicht nach Ansicht der österreichischen Behörden und der österreichischen Politik aus, um alles Recht zu verwirken, Flüchtling in Österreich zu sein. Bloßes Betreten eines Landes mit einem Fuß reicht aus, um nicht mehr als Flüchtling anerkannt zu werden!

1997 waren es – in absoluten Zahlen gesprochen – 639 Personen, die in Österreich noch Asyl bekommen haben, und in den Monaten Jänner bis Mai des Jahres 1998 ist laut Statistik des Innenministeriums 149 Menschen ein positiver Bescheid ausgestellt worden. In fünf Monaten 149 positive Bescheide von insgesamt – und diese Relation zu sehen, ist sehr wesentlich – 3 633 Erledigungen, wie das in der Beamtensprache so schön heißt! 149 positive Bescheide im Vergleich zu 3 633 Erledigungen laut Statistik des Innenministeriums! Meine sehr geehrten Damen


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und Herren! Aus diesen 3 633 Erledigungen dieser Art möchte ich Ihnen einiges vortragen, vortragen im Hinblick darauf, was Sie täglich und allabendlich im ORF sehen können – diese Berichte gibt es wirklich täglich, Gott sei Dank täglich – und was Sie in den Zeitungen lesen können. Österreichs Asylbehörden reagieren auf diese Bilder mit Sätzen wie – ich zitiere aus einem Asylbescheid vom 6. Mai 1998 betreffend einen Kosovo-Albaner, der in Österreich Schutz vor Verfolgung sucht und als Reaktion darauf folgendes zu lesen bekommt –:

"Dieser Übergriff durch die Polizei" – die serbische Polizei ist hier gemeint – "ist für Sie sicherlich furchtbar gewesen, doch darf seitens der Asylbehörde auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sich hiebei um eine zwar schärfstens zu verurteilende, aber leider allgemein übliche Vorgangsweise handelt."

Die Verfolgung durch serbische Polizei wird als eine "allgemein übliche Vorgangsweise" bezeichnet – nachzulesen in österreichischen Asylbescheiden.

Aber es geht noch weiter: Einem Kosovo-Albaner, der in Österreich Zuflucht sucht und hier um Asyl ansucht – sein Schwager und der Vater des Schwagers wurden massakriert, weil sie einer "falschen", unter Anführungszeichen, Ethnie angehören –, wird von der Behörde folgendes geschrieben:

"Soweit Sie vorbringen, in Ihrem Heimatland von der dort herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation betroffen zu sein, so ist dies allein nicht als geeignet anzusehen, das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention glaubhaft zu machen, weil den aus solchen Verhältnissen resultierenden Benachteiligungen sämtliche dort lebende Bewohner ausgesetzt sind und solche Verhältnisse daher nicht als konkrete, individuell gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft werden können." Denn – und das ist ein Nachsatz von mir – die "konkrete, individuelle Verfolgungshandlung" war ja die gegen den Schwager, der tot ist, und gegen den Vater des Schwagers, der ebenfalls ermordet wurde.

Das heißt nach meinen Worten: Nur ein toter Flüchtling ist ein guter Flüchtling in Österreich. Das ist die Diktion von Asylbescheiden wie diesen. (Abg. Dr. Mertel: Das war Ihre Diktion!) Behörden in Österreich bezweifeln Menschenrechtsverletzungen nicht. Amtlich gibt es die Bestätigung von Menschenrechtsverletzungen im Kosovo. Ich habe es Ihnen gerade vorgelesen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht noch viel weiter. Es werden Menschenrechtsverletzungen nicht bezweifelt, es wird auch nicht geschrieben: Wir glauben Ihnen nicht!, nein, die Österreicher gehen weiter, sie sagen: Es interessiert uns nicht, was Sie sagen. Es stimmt, es gibt Menschenrechtsverletzungen im Kosovo, aber uns interessiert das in Ihrem Fall nicht. – Das ist weit tragischer, und das ist von einem Zynismus geprägt, der zu allem geeignet ist, nur nicht dazu, an eine Tradition anzuknüpfen, auf die Österreich zu Recht stolz ist. (Beifall bei den Grünen.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das in meinen Augen eigentlich Fiese kommt erst. Das Fiese ist nämlich der Versuch, der erfolgreiche Versuch, die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und für die davon Betroffenen auf andere Länder abzuschieben. (Abg. Marizzi: Hat nicht Österreich die meisten Flüchtlinge aufgenommen?) Da gibt es jetzt ein ganz gutes Wort dafür, man nennt das europäischer Lastenausgleich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gegen einen europäischen Lastenausgleich überhaupt nichts einzuwenden. Wenn man konkret vor Augen hat, worum es geht, dann ist das der Versuch, nicht nur einzelne Länder durch Bürgerkriege und Kriege und daraus entstehende Flucht zu belasten, sondern diese Last zu verteilen. Jede Initiative, die der österreichische Innenminister in diese Richtung macht, unterstützen wir. Wir unterstützen jede Initiative, die einen Lastenausgleich, daß heißt eine faire Verteilung der Flüchtlingslast, tatsächlich auch umsetzt.

Es geht um die Umsetzung dieser fairen Verteilung, denn heute ist die Realität eine ganz andere. Wie sieht die Realität aus? Staaten schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Sie schieben sich die Last – und die Last sind in diesem Fall physische Menschen – gegenseitig zu,


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und diese Menschen bleiben auf der Strecke. Für Österreich bedeutet das: Wir schieben diese Verantwortung und diese Last auf Ungarn ab. Das wird dann so begründet, wie man hört, liest und sieht, indem man sagt: Nur wegen des Bürgerkrieges im Kosovo lassen wir uns doch Ungarn als sicheres Drittland nicht in Verruf bringen oder kaputtmachen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ungarn ist kein sicheres Drittland, und der Herr Innenminister weiß es, denn er liest auch jene Dokumente, die internationale Organisationen erstellen. (Abg. Smolle: Frau Kollegin, Vorsicht!) Der UNHCR hat erst am 5. Mai 1998 in einem Schreiben an eine österreichische Behörde – also nicht in irgendeinem Papier, das ein Mitarbeiter informell erstellt, sondern in einem offiziellen Schreiben – ganz konkret gesagt, worum es geht. Der UNHCR schreibt folgendes:

"Unter Hinweis auf Artikel 35 der Genfer Flüchtlingskonvention erlaubt sich unser Amt" – nämlich der Hochkommissar für Flüchtlinge in Österreich – "infolge der obigen Anführungen festzu-stellen, daß in Ungarn derzeit keine Verfolgungssicherheit erlangt werden kann, da nach dem Grundsatz ,im Zweifel für den Betreffenden‘ nicht ausgeschlossen ist, daß Asylsuchende, die wegen Drittlandsicherheit von österreichischen Behörden nach Ungarn zurückgestellt werden, ihr Asylbegehren in Ungarn nicht inhaltlich überprüfen können.

Zudem dürfen wir darauf hinweisen" – schreibt der UNHCR, in diesem Fall einem österreichischen, einem Wiener Jugendamt –, "daß die den internationalen Standards entsprechenden Verfahrensgarantien insofern noch nicht zur Gänze sichergestellt sind, als aufgrund der derzeitigen Rechtslage nicht gewährleistet ist, daß sich ein Asylwerber bis zum Ende des zweitinstanzlichen Asylverfahrens in Ungarn aufhalten darf."

Das ist die Realität. Das, meine Damen und Herren, ist inzwischen dokumentiert. Das ist nicht etwas, was eine Vermutung ist, sondern das sind konkrete Fälle – der Herr Innenminister kennt diese konkreten Fälle –, die zeigen, wie die Vorgangsweise ist.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in den österreichischen Behörden, die dafür zuständig sind, geht es drunter und drüber. Da weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. Jedenfalls weiß der Innenminister nicht, was seine Behörden tun, und umgekehrt. Da wird die Zufälligkeit des Anfangsbuchstabens eines Namens entscheidend dafür, ob man vor Verfolgung sicher ist oder nicht. Es ist nämlich ein Unterschied, ob mein Name den Anfangsbuchstaben "B" oder "S" hat. Beginnt er mit "S", dann bin ich schon in Ungarn und in der Folge im Kosovo, und beginnt er mit einem anderen Buchstaben, dann darf ich hierbleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hat nichts mehr zu tun mit Rechtsstaatlichkeit, das hat nichts mehr zu tun mit Schutz vor Verfolgung, das hat nichts mehr zu tun mit dem, was ständig in den öffentlichen Aussagen der zuständigen Politiker zu hören ist, nämlich daß Österreich Menschen schützt und nicht Menschen in Gefahr bringt. Das Gegenteil ist der Fall.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und wo landen dann jene, die in Österreich mit solchen Bescheiden, wie Sie sie vorher gehört haben, konfrontiert sind? Wo landen die? Sie landen – und das ist Hunderten Kosovo-Albanern, aber nicht nur Kosovo-Albanern, in diesem Jahr passiert – in Györ, im Auffanglager Györ.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muß nicht im Auffanglager in Györ gewesen sein, um zu wissen, wie die Zustände dort sind. Man braucht nur "Zeit im Bild 2" zu schauen oder nur "profil", "FAZ", den "Standard" oder andere österreichische Zeitungen zu lesen, um darüber informiert zu sein. Man braucht sich nicht einmal die Mühe zu machen, sich das dort anzuschauen, denn es wird dokumentiert. Trotzdem negiert die österreichische Öffentlichkeit, vertreten durch die österreichischen Behörden, daß es in diesem Auffanglager untragbare Zustände gibt.

Allein das Unterbringen in solch einem Auffanglager läßt mich daran zweifeln – diese Tatsache genügt schon, man muß noch gar nicht weitergeschoben werden –, daß es gerechtfertigt ist, wirklich von Drittstaatsicherheit zu sprechen, meine Damen und Herren. Denn die Zustände dort sind so katastrophal, daß Menschen, die dort untergebracht sind – man ist dort nicht unter


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gebracht wie in einer Pension oder in einem Hotel, sondern wie in einem Gefängnis –, sagen: Lieber wollen wir in den Kosovo zurückkehren, als noch einige Monate hier bleiben!

Deshalb sind unsere Forderungen so konkret, und deshalb fordern wir vom Innenminister den sofortigen, absoluten Abschiebestopp für Kosovo-Albaner in den Kosovo. Deshalb fordern wir ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Deshalb fordern wir, meine Damen und Herren: Schluß mit den augenzwinkernden Abschiebungen nach Ungarn nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn, was gehen uns die Flüchtlinge an?! Deshalb fordern wir ein befristetes humanitäres Aufenthaltsrechts für Kosovo-Albaner, solange diese Krise dort läuft und solange die Menschen dort in Gefahr sind. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle. )

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Thema der Dringlichen Anfrage erhält der Herr Bundesminister das Wort. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.22

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich erlaube mir, die Dringliche Anfrage der grünen Parlamentsfraktion zu beantworten. Einleitend möchte ich aber einige generelle Bemerkungen machen, die über den konkreten Zusammenhang hinausreichen, die mir aber wichtig erscheinen. Damit soll die österreichische Asylpolitik grundsätzlich beleuchtet werden.

Ich bin überzeugt davon, daß ich mit Zahlen und Fakten beweisen kann, daß Österreich innerhalb der internationalen Gemeinschaft und innerhalb Europas eine führende Rolle beim Flüchtlingsschutz einnimmt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Österreich kann beispielsweise im heurigen Jahr bei den Asylwerbern gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 56 Prozent verzeichnen. Das ist eine Steigerung, die es in keinem anderen EU-Mitgliedstaat in diesem Ausmaß gibt. Im Gegenteil: Die Asylwerberzahlen gingen in den meisten anderen EU-Staaten sogar zurück oder sind weitgehend konstant. Am Beispiel Deutschland ist das am deutlichsten zu sehen, wo die Zahl der Asylwerber gegenüber Österreich klar zurückgegangen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann also nicht davon sprechen, daß sich Österreich aus seiner Verantwortung, zu der ich mich auch hier und heute ganz klar bekennen möchte, davonstehlen würde.

Noch deutlicher wird das, wenn man die Asylwerberzahlen mit jenen unserer östlichen und südlichen Nachbarstaaten vergleicht. Österreich hat im Vorjahr rund 7 000 Asylwerber gehabt, für Ungarn weist der UNHCR 1 000 Anträge aus, für Italien 1 900 Anträge und für die Tschechische Republik 2 100. Das macht deutlich, daß wir die Hauptverantwortung tragen, und zwar nicht nur im Vergleich zu unseren östlichen Nachbarstaaten, sondern auch zu unseren südlichen Nachbarstaaten.

Wenn ich das mit den Zahlen anderer europäischer Staaten vergleiche, so zeigt sich, daß Österreich bei den Asylzahlen führend ist. Den größten Anteil hat Deutschland mit 51 Prozent... (Abg. Öllinger: Bei den Bewerbern, nicht bei denen, die Asyl haben! – Abg. Smolle: Bewerber – das ist ja keine Kunst! Es ist ja so, daß eben sehr viele herkommen!) Ich werde mir erlauben, auch auf dieses Argument gleich danach einzugehen.

Bei den Bewerbern liegt Deutschland klar an der Spitze mit knapp 52 Prozent, gefolgt von Großbritannien und den Niederlanden, und dann kommt nach Frankreich bereits Österreich mit einem Anteil von mehr als 3 Prozent. Große und reiche Länder Europas haben einen geringeren Anteil: Dänemark 2,5 Prozent, Spanien 2 Prozent, Schweden 2 Prozent, Griechenland 0,7 Prozent, Irland 0,52 Prozent, Finnland 0,31 Prozent, Italien gar nur 0,24 Prozent, Luxemburg


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0,12 Prozent und Portugal auch nur 0,12 Prozent. Ich glaube, daß diese Zahlen sehr eindrucksvoll zeigen, daß Österreich bei den Asylwerbern eine sehr deutliche und gute Stellung innehat.

Wir haben gestern bereits darüber gesprochen – mir erscheint es trotzdem notwendig, es hier zu wiederholen –, daß wir in den letzten Jahren 92 000 bosnische Kriegsflüchtlinge aufgenommen haben. Davon haben wir mehr als 66 000 in Österreich integriert, und dafür haben wir seit dem Jahre 1992 mehr als 5 Milliarden Schilling aufgewendet. Und was noch wichtiger ist: Wir haben gemeinsam mit den Ländern und den verschiedenen Hilfsorganisationen ein solidarisches Netz der Hilfe, der Integration, aber auch der Möglichkeit zur Rückkehr aufgebaut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Liberalen und von den Grünen! Österreich hat in den letzten zehn Jahren weit über 100 000 Asylwerber aufgenommen und das dafür notwendige Verfahren durchgeführt. In diesem Zeitraum wurden von den mehr als 100 000 Asylwerbern mehr als 10 000 als politische Flüchtlinge anerkannt. Das ist ein Prozentsatz von knapp über 10 Prozent, und dieser liegt deutlich über dem Durchschnitt der Prozentsätze aller anderen europäischen Staaten. In der Statistik, die ich zur Verfügung habe, liegt Österreich bei der Anerkennungsquote unter den 15 EU-Mitgliedstaaten an vierter oder fünfter Stelle.

Das heißt, die Rolle Österreichs als ein Land, in welchem Menschen sich um Asyl bewerben und in welchem sie auch die Möglichkeit haben, eine Anerkennung zu erlangen, ist eine, die weit über das hinausgeht, was in anderen Staaten der Fall ist.

Darüber hinaus möchte ich noch betonen, daß die Zahl der Asylwerber im ersten halben Jahr deutlich gestiegen ist. Hatten wir in Österreich im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres noch rund 2 600 Asylwerber, so ist diese Zahl im ersten Halbjahr 1998 auf 4 528 gestiegen. Das ist eine Steigerung um 56 Prozent. Kein anderes Land innerhalb der Europäischen Union hat eine solche Steigerung zu verzeichnen. Ich glaube, daß allein aus dieser Steigerung schon offenbar wird, daß aus der Sicht der Asylwerber Österreich nach wie vor ein sehr attraktives Asylland ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch im Zusammenhang mit der Situation im Kosovo war Österreich in der ersten Stunde bei der Flüchtlingshilfe aktiv. Der Ministerrat hat bereits Anfang Juni dieses Jahres eine humanitäre Soforthilfe in der Höhe von 5 Millionen Schilling für die Unterstützung der Vertriebenen, die sich in Mazedonien, in Nordalbanien und im Kosovo selbst aufhalten, zur Verfügung gestellt. Der Einsatz dieser Mittel erfolgt über nichtstaatliche Organisationen. Wir haben 5 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt, während meines Wissens die EU-Kommission auch denselben Betrag zur Verfügung gestellt hat. Auch das zeigt, daß wir da in führender Position sind. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt nicht, daß wir ein restriktives Asylgesetz haben. Es ist gerade das Gegenteil der Fall! Wenn man sich die Asylgesetze anschaut, die in unseren europäischen Nachbarstaaten beschlossen worden sind, und diese mit dem österreichichen Asylgesetz, das vor einem Jahr beschlossen wurde, vergleicht, so sieht man deutlich, daß Österreich im internationalen Vergleich ein Asylgesetz hat, das viel liberaler, viel offener ist als die Asylgesetze anderer europäischer Staaten.

Ich möchte nur einige Beispiele aufzählen, die meiner Meinung nach signifikante und gute Verbesserungen waren, die Österreich im neuen Aslygesetz 1997 beschlossen hat.

Es hat erstens beschlossen, daß die Drittstaatsklausel, die von Ihnen so bekämpft wird, nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft gilt. Das heißt also, daß ein Mann oder eine Frau nur dann in einen sicheren Drittstaat zurückgeführt werden können, wenn künftig gewährleistet ist, daß sie in diesem sicheren Drittstaat tatsächlich ein Asylverfahren bekommen, wenn zweitens künftig gewährleistet ist, daß sie während dieses Verfahrens zum Aufenthalt in diesem Land berechtigt sind, und wenn drittens gewährleistet ist, daß sie vor der Rückschiebung in den Herkunftsstaat geschützt sind.

Zweitens haben wir im Asylgesetz des vergangenen Jahres beschlossen, daß beim Asyl auf dem Flughafen künftig der UNHCR mit einbezogen wird und daß es keine Entscheidung gegen


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den UNHCR geben darf. Das hatte zur Folge, daß die Zahl der Bewerber um Asyl beispielsweise auf dem Flughafen Schwechat im ersten Halbjahr 1998 sprunghaft gestiegen ist.

Drittens: Wir haben im neuen Asylgesetz die Möglichkeit geschaffen, daß neben politischen, rassischen und religiösen Gründen der Verfolgung auch die Vergewaltigung als Grund der Verfolgung und somit als Fluchtgrund anerkannt wird.

Viertens: Wir haben die Möglichkeit geschaffen, auch an der Grenze um Asyl anzusuchen. Diese Möglichkeit wird zugegebenermaßen derzeit erst in geringem Ausmaß in Anspruch genommen, aber die Gelegenheit hiezu besteht.

Es wurde ein eigener Integrationsbeirat im Innenministerium angesiedelt, der die Aufgabe hat, den Innenminister zu beraten und in Härtefällen das sogenannte humanitäre Aufenthaltsrecht zu genehmigen.

Wir haben weiters eine unabhängige, weisungsungebundene Behörde, nämlich den Bundesasylsenat, geschaffen. Er wird in der zweiten Instanz tätig und steht mit dem Innenministerium in keiner Verbindung. Die bisherige Tätigkeit dieses Unabhängigen Bundesasylsenates ist dergestalt, daß sie auch von den Oppositionsparteien – von den Grünen und von den Liberalen – zumindest als neutral, wenn nicht sogar als positiv beurteilt worden ist.

Wir haben im neuen Asylrecht auch eine Reihe von anderen, meiner Meinung nach sehr wichtigen Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehört beispielsweise eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung, wenn jemand gesetzeskonform nach Österreich eingereist ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bereits am Beginn der Diskussion im Parlament klar gesagt, daß das neue Asylgesetz nach einem Jahr Praxis nochmals von allen Betroffenen diskutiert werden soll, und zwar auch unter Einschluß der verschiedenen nichtstaatlichen Organisationen, und daß wir aufgrund der Erfahrungen, die wir in der Praxis im ersten Jahr mit dem neuen Asylgesetz machen, notwendige Adaptierungen vornehmen werden und ich konkrete Vorschläge umsetzen werde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat der Verfassungsgerichtshof bekanntgegeben, daß er aufgrund einer Beschwerde des Unabhängigen Bundesasylsenates eine Frist im neuen Asylgesetz – das Sie zugegebenermaßen immer kritisiert haben – aufgehoben hat, und es wird heute noch ein Initiativantrag im Parlament eingebracht werden, mit welchem diesem Spruch des Verfassungsgerichtshofes ehebaldigst Rechnung getragen wird.

Ich glaube, daß es uns gelungen ist, mit dem neuen Asylgesetz zu erreichen, daß Österreich ein Land ist, das auch in Zukunft Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen – seien sie politischer, religiöser oder ethnischer Natur – verfolgt werden, Hilfe und Schutz bietet.

Anders, meine sehr geehrten Damen und Herren, schaut die Gesetzeslage im Asylbereich in anderen europäischen Staaten aus. So hat beispielsweise die Schweiz vor wenigen Tagen beschlossen, daß Ausländer, die ohne Papiere in die Schweiz einreisen oder sich illegal in der Schweiz aufhalten, keinen Asylantrag mehr stellen können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist eh richtig!) Deutschland hat die Sozialleistungen an Asylwerber gekürzt. Italien hat die Regelungen über die Haft von Asylwerbern verschärft. Dänemark hat ein ganzes Paket restriktiver Maßnahmen beschlossen.

Dieser direkte Vergleich, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigt meiner Meinung nach eindrucksvoll, daß Österreich ein Land ist, das das Asylgesetz so gestaltet hat, daß es im Interesse derjenigen Menschen ist, die wirklich verfolgt werden, während andere europäische Staaten da eine drastische und deutliche Verschärfung vollzogen haben, die ich mich nicht einmal in Gedanken getraue, in Österreich auch nur in irgendeiner Form durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schwarzenberger. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist der Lastenausgleich, wie es die Frau Abgeordneten Stoisits genannt hat, auch sehr wichtig. Ich sehe es aber nicht als Lastenaus


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gleich, sondern als Solidaritätsausgleich. Ich werde mich bemühen, daß während des Vorsitzes Österreichs in der Europäischen Union mit diesem Solidaritätsausgleich wirklich ein entscheidender Schritt in eine gute und richtige Richtung gesetzt wird.

Gemeinsam mit der EU-Kommission legen wir dieser Tage zwei Entwürfe für eine gemeinsame Maßnahme vor mit dem Ziel, daß der Status vorübergehend aufgenommener Personen und von Personen, die im Zuge von Massenfluchtbewegungen fliehen, innerhalb der Europäischen Union solidarisch geregelt wird. Ich glaube, daß das sehr wichtig ist. Es geht dabei nicht nur um einen finanziellen Ausgleich zwischen den europäischen Staaten, sondern auch um einen Ausgleich bei Personen, sodaß gewährleistet ist, daß nicht ein Land alleine die Last tragen muß. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch sehr offen: Ich nehme eine Anregung des Liberalen Forums, die heute in einer Presseaussendung gemacht worden ist, sehr gerne auf, in welcher das Liberale Forum der Meinung ist, daß dieser Lastenausgleich, dieser Solidarausgleich nicht nur innerhalb der Europäischen Union erfolgen soll, sondern auch auf die EU-Beitrittskandidaten – zumindest auf jene der ersten Runde – ausgedehnt werden soll, weil ich glaube, daß das sinnvoll und richtig ist, und ich werde mich bemühen, zu erreichen, daß unsere unmittelbaren Nachbarstaaten, die Mitglieder der Europäischen Union werden wollen, auch in diesen solidarischen Lastenausgleich mitaufgenommen werden. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber hinaus möchte ich berichten, daß ich mich nächste Woche mit meinen Innenministerkollegen aus Deutschland, aus Frankreich, aus Italien und aus der Schweiz treffen werde. Wir werden versuchen, eine einheitliche Haltung in wesentlichen Flüchtlingsfragen und eine gemeinsame Vorgangsweise in den Fragen der Bewältigung der kriegerischen Ereignisse im Kosovo und der daraus resultierenden Konsequenzen für unsere Länder zu finden.

Ich habe auch an meinen neuen ungarischen Innenministerkollegen bereits einen Brief geschrieben mit der Bitte, daß wir uns so bald wie möglich zusammensetzen, um gemeinsam offene Fragen zu diskutieren, aber auch festzulegen, wie die Frage der Bewältigung von Flüchtlingsbewegungen zwischen Ungarn und Österreich in Zukunft gelöst wird.

Bei diesem Gespräch mit meinem ungarischen Ministerkollegen werde ich auch sehr offen und sehr klar die Frage der Qualität der Aufnahmezentren in Ungarn ansprechen. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, daß eine Verbesserung der Situation in diesen Aufnahmezentren dringend notwendig ist, und erachte es als sinnvoll, daß die Europäische Union – und damit auch Österreich – ihren Teil dazu beiträgt, daß die Situation in diesen Aufnahmezentren deutlich verbessert wird.

Diese Dringliche Anfrage spricht meiner Meinung nach zu Recht die Notwendigkeit an, bei allen asylrechtlichen und fremdenrechtlichen Entscheidungen über die Anträge von Personen, die aus einem Konfliktgebiet kommen – und das muß nicht nur der Kosovo, sondern das können auch andere Konfliktgebiete sein –, mit größter Sorgfalt vorzugehen. Ich halte es für geboten und bin sehr froh darüber, daß aufgrund der neuen Gesetzeslage das Bundesasylamt nicht nur über den Asylantrag, sondern auch über die Refoulementgründe spricht und erforderlichenfalls auch den Fremdenbehörden entsprechende Gutachten zur Verfügung stellt.

Ich halte es für wichtig – ich sage das hier sehr klar –, daß Österreich gegenüber Personen, die direkt aus dem Krisengebiet, aus dem Konfliktgebiet, aus den umkämpften Orten und Städten kommen, mit besonderer Sensibilität vorgeht. Ich glaube, daß wir trotz der Drittstaatssicherheit bei Personen, die nachweislich aus dem unmittelbaren Konfliktgebiet kommen, mit äußerster Sensibilität bei Zurückschiebungen vorgehen müssen. Ich werde deshalb auch mit den entsprechenden Beamten, die für diese Fragen zuständig sind, morgen ein sehr intensives Gespräch führen, um zu erreichen, daß trotz Drittstaatssicherheit bei Personen, die aus Gebieten kommen, die nachweislich umkämpft werden, äußerst sensibel vorgegangen wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der Anfrage ist auch zu entnehmen – und die Frau Abgeordneten Stoisits hat ja den Mut gehabt, das sehr klar zu sagen –, daß die Grünen der Meinung sind, daß Ungarn ein unsicherer Staat ist, daß Ungarn ein Staat ist ... (Abg. Mag. Stoisits: Nicht die Grünen, sondern der UNHCR!) Sie hat gesagt, daß die Grünen der Ansicht sind, daß Ungarn kein sicherer Drittstaat ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: "Große" Außenpolitikerin!) Ich teile diese Ansicht nicht, um das sehr klar zu sagen; ich werde das später noch im Detail begründen. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, daß gerade eine politische Partei, der viel an der EU-Osterweiterung liegt – und das ist die Grüne Partei –, mit Pauschalurteilen sehr vorsichtig sein sollte und von pauschalen Verurteilungen Abstand nehmen sollte.

Jedenfalls gilt das, wenn es nicht schon für eine politische Partei gilt, auf jeden Fall für eine Regierung und insbesondere für eine Regierung, die derzeit den Ratsvorsitz in der Europäischen Union innehat.

Wie Sie wissen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Ich habe ein kleines Problem. Die Anfragebeantwortung soll 20 Minuten nicht überschreiten. Wir sind jetzt bei 19 Minuten angelangt. Sie kann natürlich länger dauern, wenn viele Fragen gestellt worden sind. Ich bitte nur, zur Beantwortung der einzelnen Anfragen zu kommen. (Abg. Mag. Stoisits: Das ist die beste PR für den Innenminister, aber keine Beantwortung der Anfrage!)

Der Herr Minister hat das Recht, die 20 Minuten zu überschreiten. Ich mache ihn nur darauf aufmerksam, daß er langsam zu den einzelnen Fragen kommen sollte. – Bitte, Herr Minister. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Seien Sie froh, daß es einen Minister gibt, der uns Auskunft gibt!)


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Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl
(fortsetzend): Herr Präsident! Ich habe extra gefragt, ob es eine zeitliche Begrenzung gibt, und mir wurde gesagt, es steht dem Minister zu, so lange zu reden, wie er es für sinnvoll erachtet. Ich verspreche Ihnen, kein Dauerredner zu sein. Aber ich glaube, daß es notwendig und wichtig ist, sehr intensiv auf die Vorschläge, Vorwürfe und Meinungen der Grünen einzugehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Fekter. – Abg. Koppler: Bravo!)

Ich halte es wirklich für falsch, wenn man diese berechtigten Sorgen und Anliegen der Grünen ignoriert, und meine, daß man sich wirklich damit auseinandersetzen sollte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, ich ignoriere nichts! Ich darf den Wortlaut der Geschäftsordnung, an die ich mich zu halten habe, verlesen: Das befragte Mitglied der Bundesregierung oder der zum Wort gemeldete Staatssekretär ist verpflichtet, nach der Begründung der Anfrage eine Stellungnahme zum Gegenstand abzugeben. Die Stellungnahme beziehungsweise Beantwortung soll 20 Minuten nicht übersteigen.

Das heißt, sie kann 20 Minuten überschreiten. Aber ich habe mich verpflichtet gefühlt, darauf hinzuweisen, weil ich das bei allen Regierungsmitgliedern so handhabe.

Bitte fortzusetzen, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl (fortsetzend): Ich werde versuchen, mich sehr kurz zu fassen. Es ist für mich klar, daß Ungarn ein sicherer Drittstaat ist. Ungarn erfüllt alle Voraussetzungen für einen sicheren Drittstaat. Daß es in manchen Bereichen, vor allem hinsichtlich der Qualität der Aufnahmezentren, ohne Zweifel wichtig und notwendig ist, daß Verbesserungen durchgeführt werden, ist meiner Meinung nach unbestritten.

Soviel, meine sehr geehrten Damen und Herren, zum allgemeinen Teil. Wenn der Herr Präsident einverstanden ist, werde ich mich nach dem nächsten Redner noch einmal zu Wort melden und dann die einzelnen Fragen im konkreten beantworten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte gleich fortzusetzen, Herr Minister. Machen Sie es in einem.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den einzelnen Fragen.

Zur Frage 1:

Die nach EU-Vorgaben geführten fremdenpolizeilichen Statistiken weisen nur die Staatsangehörigkeit aus und keine ethnischen Gruppen. Deshalb kann ich Ihnen nur Angaben über jugoslawische Staatsangehörige machen, nicht aber konkrete Angaben zu Kosovo-Albanern. Unter dieser Prämisse kann ich Ihnen sagen, daß im Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Mai 1998 folgende Gesamtzahlen für ab- oder zurückgeschobene jugoslawische Staatsbürger bekanntgegeben werden:

Auf dem Landweg sind 616 Personen, auf dem Luftweg 154 Personen ab- beziehungsweise zurückgeschoben worden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1998 wurden rund 4 600 Asylansuchen gestellt. Von diesen 4 600 Asylansuchenden stammen rund 1 300 aus Jugoslawien, und laut unseren Berechnungen und Schätzungen sind rund 80 Prozent davon aus dem Kosovo.

Zur Frage 2:

Eine gesonderte Statistik über Zurückweisungen nach Ungarn liegt nicht vor und kann kurzfristig auch nicht erstellt werden. An den österreichischen Grenzübergangsstellen wurden im Zeitraum 1. Jänner bis 31. Mai 1998 insgesamt 1 238 jugoslawische Staatsbürger aus den unterschiedlichsten Gründen zurückgewiesen. An den Grenzübergangsstellen des Burgenlandes waren es insgesamt 584. Im genannten Zeitraum wurden 302 jugoslawische Staatsangehörige aufgrund des österreichisch-ungarischen Schubabkommens nach Ungarn zurückgestellt.

Zur Frage 3:

Die Voraussetzungen für Abschiebungen, Zurückschiebungen und Zurückweisungen nach Ungarn sind sowohl im Fremdengesetz als auch im bilateralen Schubabkommen mit Ungarn geregelt. Ich weise in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, daß nach dem Schubabkommen mit Ungarn eine Durchbeförderung dann nicht erfolgen darf, wenn die betroffene Person "Gefahr läuft, unmenschlicher Behandlung oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, oder in seinem Leben oder seiner Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre." Diese Klausel im Artikel 4 des Abkommens ist eine Klausel, die der österreichische Gesetzgeber bei vielen Schubabkommen bereits genehmigt hat.

Im übrigen, Frau Abgeordnete Stoisits, trifft die Aussage der Anfrage nicht zu, daß vom UNHCR festgestellt wurde, daß Ungarn prinzipiell kein sicheres Drittland sei. Nach Ansicht des UNHCR, so wie ich das sehe und wie ich informiert bin, kann vielmehr in konkreten Fällen und bei bestimmten Konstellationen nicht von vornherein von einer Drittstaatssicherheit ausgegangen werden.

Zu den Fragen 4 und 5:

Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß es meine feste Überzeugung ist, daß man aus tagespolitischer Opportunität nicht Werturteile über einen Nachbarstaat treffen kann, noch dazu Werturteile, die meiner Meinung nach in keiner Weise gerechtfertigt sind. Ungarn ist für die österreichische Bundesregierung ein sicherer Drittstaat. Ungarn ist Mitglied des Europarates und hat sich im vollen Umfang der Kontrolle der Menschenrechtsbestimmungen des Europarates unterworfen. (Abg. Mag. Stoisits: Auch Jugoslawien ist Mitglied des Europarates!)

In Ungarn gilt nicht nur die Europäische Menschenrechtskonvention, sondern steht auch das Recht der Individualbeschwerde bei behaupteten Verletzungen dieser Konvention im vollen Umfang zur Verfügung. Ungarn hat die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und hat mit 1. März


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dieses Jahres auch jeden Vorbehalt zur Konvention zurückgenommen. Ungarn erfüllt daher die Flüchtlingskonvention, so wie es alle anderen westeuropäischen Staaten tun.

Ungarn hat klare Regelungen über den Flüchtlingsschutz, den Abschiebungsschutz in seinem Asylgesetz und in seinem Fremdengesetz. Auch der UNHCR, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich mehrfach lobend über die neue ungarische Gesetzgebung geäußert.

Ungarn hat meiner Ansicht nach ein entsprechendes Asylsystem, das auch einer nachprüfenden Kontrolle durch Gerichtshöfe standhält. Zudem gibt es in Ungarn eine UNHCR-Vertretung, die mit den ungarischen Behörden sehr eng zusammenarbeitet.

Zur Frage 6:

Österreich sieht keinen Anlaß, Ungarn als unsicheres Land abzuqualifizieren, sondern ist sehr froh über die unbestreitbar positive Entwicklung der ungarischen Rechtsordnung in den letzten Jahren. Es ist daher kein Grund dafür erkennbar, im Fremdenrecht Ungarn anders als andere Nachbarstaaten zu behandeln und generell von Abschiebungen und Zurückschiebungen nach Ungarn abzusehen.

Zu den Fragen 7 und 8:

Wie Sie wissen, wurde mit dem neuen Asylgesetz auch der Unabhängige Bundesasylsenat geschaffen. Die Forderung nach Herauslösung dieser Behörde aus dem Bereich des Innenressorts und nach völliger Unabhängigkeit wurde besonders vehement unter anderem auch von seiten der Grünen erhoben und von mir als Minister auch unterstützt.

Es ist daher für mich als Innenminister sehr schwierig, auf die Vorwürfe, die in diesen beiden Fragen erhoben werden, einzugehen, weil ich diesbezüglich keine Zuständigkeit habe. Trotzdem möchte ich dazu aber festhalten, daß es in einer Übergangsphase ohne Zweifel schwierig ist, eine einheitliche Judikatur zu erreichen, noch dazu, wenn es eine Einzelrichterentscheidung ist. Ich bin aber überzeugt davon, daß es zu einer Angleichung der Judikatur gerade in dieser wichtigen Frage in der nächsten Zeit kommen wird.

Zur Frage 9:

Die Voraussetzungen des § 57 Fremdengesetz sind materielle, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilende Voraussetzungen. Aus guten Gründen sieht das Gesetz nicht vor, daß in gewisse Staaten ganz generell nicht abgeschoben werden darf. Insofern hätte der Innenminister gar keine Zuständigkeit, ein generelles Verbot der Abschiebung in einen bestimmten Staat auszusprechen.

Es wird daher in jedem einzelnen Fall zu prüfen sein, ob im Falle der Abschiebung konkret bei der betroffenen Person die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe besteht oder das Leben oder die Freiheit wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder wegen der politischen Ansichten bedroht sind. Wenn die Prüfung eine solche Gefahr bestätigt, darf nicht zurückgeschoben und abgeschoben werden. Dies ergibt sich aus dem Gesetz, und dies ist auch klar von mir angewiesen.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, glaube ich, daß es notwendig und wichtig ist, daß man sehr stark differenziert und daß Entscheidungen nicht generell, sondern nur nach den Umständen des einzelnen Falles getroffen werden. Und solche Entscheidungen können keiner generellen Weisung bedürfen.

Zur Frage 10:

Ich habe am gestrigen Abend ein Fax des Generalsekretärs von Amnesty International erhalten. Es enthält die Darstellung eines Sachverhaltes vom März dieses Jahres. Die Überprüfung dieses Sachverhaltes habe ich natürlich veranlaßt. Bisher konnte ich aber noch keine endgültige Stellungnahme zu dieser Überprüfung bekommen, vor allem auch deswegen nicht, weil die An


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gaben nicht sehr genau sind. Sobald ich eine endgültige Stellungnahme habe – auch eine Stellungnahmen von den ungarischen Behörden, weil sich diese Sachverhaltsdarstellung im wesentlichen auf Ereignisse bezieht, die in Ungarn stattgefunden haben –, werde ich Ihnen dazu eine entsprechende Mitteilung machen.

Zur Frage 11:

Ich kann erst Konsequenzen daraus ziehen, wenn ich den Fall genau geprüft habe. Die Prüfung dieses Falles ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb kann ich daraus noch keine Konsequenzen ziehen.

Zur Frage 12:

Die Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes für Personen, die aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen ihr Heimatland verlassen, ist eine Frage, die beim heute erreichten Stand der europäischen Integration meiner Meinung nach nicht von einem Land alleine gelöst werden soll und auch nicht gelöst werden kann. Ich halte es für notwendig und wichtig, daß die Staaten der Europäischen Union da gemeinsam eine Vorgangsweise finden.

Ich darf Ihnen versichern, daß ich mit ganzer Kraft an einer solchen gemeinsamen Vorgangsweise arbeite, weil ich glaube, daß dies nicht nur eine Vorgangsweise im Interesse der Sicherheit unseres Landes und im Interesse der Menschen in unserem Land ist, sondern auch sehr, sehr wichtig ist für Menschen, die von solchen kriegerischen Ereignissen betroffen sind. Ich werde deshalb gemeinsam mit der Kommission Sorge tragen, daß so bald wie möglich innerhalb der Europäischen Union ein solcher Solidarausgleich für Menschen, die vorübergehend des Schutzes bedürfen, erreicht wird. Ich glaube, daß es da zu keinem Alleingang Österreichs kommen sollte, sondern daß es in einer breiten Akkordanz zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union unbedingt notwendig ist, einen solchen Solidarausgleich zu finden.

Das waren, meine sehr geehrten Damen und Herren, in aller Kürze meine Antworten. – Herr Präsident, ich hätte gerne noch mehr dazu gesagt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herr Bundesminister für die Anfragebeantwortung.

Die Redezeiten der Redner aus dem Hohen Haus betragen pro Person 10 Minuten und pro Klub maximal 25 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.53

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In einem Punkt, Herr Bundesminister, möchte ich Ihre Ausführungen sehr unterstützen, nämlich in dem Punkt, daß Sie sehr große Skepsis und Zurückhaltung bei dem Wort "Lastenausgleich" in bezug auf Menschen, wie es sich durch die Boulevardpresse eingebürgert hat, an den Tag legen. Ich teile diese Skepsis. Menschen sind keine Lasten, sie sollten es nicht sein, und ich finde Ihren Ausdruck "Solidaritätsausgleich" viel trefflicher. Ich merke auch an, daß mir das Wort "Solidarität" in diesem Zusammenhang viel besser gefällt und auch viel richtiger vorkommt als im Zusammenhang mit Waffenbrüderschaften.

Aber, Herr Bundesminister, ansonsten möchte ich Ihnen Ihre Ausführungen, die ich mir sehr genau angehört habe, wirklich noch einmal zum Überdenken ans Herz legen. Wäre die Lage vor 50, 60 Jahren so gewesen, als hier in diesen Landen die schlimmsten Ereignisse der Geschichte im Gange waren, und hätte damals solch eine Haltung geherrscht, daß man nicht jeden Einzelfall prüfen könne und damit überfordert wäre – ich weiß nicht, was das Schicksal eines Bruno Kreisky, einer Alma Mahler, einer Sophie Freud gewesen wäre. Ich weiß nicht, was heute


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in den Geschichtsbüchern Österreichs stünde, wenn damals in Schweden und in anderen Ländern solch eine Haltung geherrscht hätte, wie sie offenbar mittlerweile salonfähig geworden ist.

Herr Bundesminister, zu Ihren eigenen Worten: Sie sagen, Sie erfassen die Flüchtlinge, die Asylwerberinnen und -werber nicht nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern nach ihrem Reisepaß, und Sie könnten uns nur die Zahlen der unter Anführungszeichen "Serbinnen und Serben" nennen, die abgeschoben oder zurückgewiesen worden sind. Ich frage Sie aber: Wie wollen Sie dann Ihrem eben geäußerten Anspruch genügen, über bestimmte Fälle eine Entscheidung zu treffen?

Ich weiß nicht, warum die Caritas, die Sie sicherlich nicht ohne Grund kritisiert, ich weiß nicht, warum der UNHCR, Amnesty International oder auch die Bürgerliste der Grünen in Salzburg eher als Sie mit Ihrem ganzen Behördenapparat in der Lage sind, derartige Feststellungen zu treffen. Ich gebe Ihnen gerne diese Listen, die wir aus Salzburg und aus Wien haben. Demnach sind in Salzburg per 15. Juni jedenfalls 36 Kosovo-Albaner – keine weltbewegende Zahl, nichts, was den Wohlstand, die innere Sicherheit oder irgend etwas gefährden könnte –, 36 Menschen, die in bitterster Not und Verzweiflung sind, 36 Kosovo-Albaner in Salzburg in Schubhaft. Ich gebe Ihnen dann gleich die Namen. Vielleicht können Sie das doch mit Ihrem Behördenapparat überprüfen. Ich glaube, Sie wären aufgrund des Gesetzes dazu verpflichtet. Es sind weitere 16 Personen angeführt, bei denen diese Überprüfung noch nicht durchgeführt werden konnte, wo es aber aufgrund des Namens wahrscheinlich ist, daß sie Kosovo-Albaner sind.

Ich weiß nicht, warum Sie das nicht feststellen können, Herr Bundesminister, wenn es die NGOs, wenn es die Caritas oder Amnesty können. Ich denke, Sie sollten dies tun – bei jenen Menschen, die in Wien und in anderen Schubhaftgefängnissen sitzen. (Die Rednerin reicht Bundesminister Mag. Schlögl eine Liste.)

Herr Bundesminister! Niemand von den Grünen hat irgendein Land, geschweige denn Ungarn, generell angegriffen, kritisiert oder geächtet. Im Gegenteil, Herr Bundesminister: Wir plädieren massiv dafür, endlich den Reformstaaten, die ja alle immer noch dabei sind, sich von einem bitteren politischen und ökonomischen Los zu befreien, mehr Hilfe zu geben. Es geht nicht darum, ein Land zu verurteilen – das ist eine demagogische Verdrehung der Ausführungen meiner Kollegin Stoisits –, sondern es gilt, wie Sie gesagt haben, im Einzelfall festzustellen, was mit einer bestimmten Person in Ungarn passieren könnte.

Herr Bundesminister, ich weiß nicht, warum es so lange dauert, einen sehr klaren Bericht zu überprüfen. Ihre Behörden sind schneller, wenn es darum geht, Menschen aus dem Lande zu bringen. Ich weiß nicht, was so schwer daran ist, einen Bericht zu überprüfen, wonach ein Kosovo-Albaner, der bereits seine Füße auf österreichischem Boden hatte, dem man hier an der Grenze mitgeteilt hat, es gibt kein Asyl an der Grenze, und der nach Ungarn zurückgeschoben worden ist, von dort postwendend in Handschellen der serbischen Polizei übergeben worden ist und dann in Serbien zuerst mit Fäusten, danach mit Lederschläuchen, die mit Sand gefüllt waren, traktiert wurde, so lange geschlagen wurde, bis er bewußtlos war, dann mit Wasser wieder aufgeweckt und beschimpft und gedemütigt wurde und so fort.

Sie haben einmal gesagt: Zeigen Sie uns einen einzigen Fall, an dem Sie das dokumentieren können, und wir werden keine Menschen mehr nach Ungarn abschieben! – Nun ist dieser Fall da. Ich frage Sie: Werden heute, morgen irgendwelche Menschen nach Ungarn abgeschoben, oder ist das zumindest so lange sistiert, bis dieser Fall überprüft ist? Wie überprüfen Sie die anderen Fälle? Wie helfen Sie jetzt den Ungarn, die mit ihren Belastungen so wie Slowenien, so wie Kroatien, so wie viele andere Staaten sicherlich schwerer fertigwerden als Österreich? Wie helfen Sie diesen Staaten heute, morgen, hier?

Herr Bundesminister! Es muß für einen Ressortchef, der einen großen Behördenapparat hat und über viel mehr Möglichkeiten verfügt als amnesty international oder die Caritas, doch leicht sein, diesen Vorfall zu überprüfen. Vor allem: Da kann es um Stunden gehen, die über Menschenleben entscheiden. Und ich sage: Im Zweifel soll so entschieden werden, daß das Leben


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auf der sicheren Seite ist. Das ist eigentlich die einzige Forderung, die hier und heute von einem menschlichen – auch von einem christlichen – Standpunkt aus einzubringen ist.

Herr Bundesminister! Ich frage mich wirklich: Welchen Grund sollte die Caritas haben, Sie, Ihr Ressort oder einzelne Beamtinnen und Beamte anzuschwärzen? – Ich gehe davon aus, daß sich diese nach Kräften darum bemüht, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge und hier in Österreich zu helfen. Ich sehe keinen Grund, warum die Caritas irgendwelche falschen Behauptungen vorbringen sollte. Die Caritas hat nicht gesagt, Ungarn sei generell ein unsicheres Drittland. Sie wissen genau, was sie gesagt hat, nämlich: Die Bestimmungen des ungarischen Asylgesetzes legen die Vermutung nahe, daß die ungarischen Behörden die Drittstaatsicherheit eines Asylwerbers in Österreich auch dann annehmen könnten, wenn sich Österreich seinerseits auf die Drittstaatsicherheit des Asylwerbers in Ungarn berufen hat.

Das ist geradezu ein Menschenkarussell: Die Österreicher sagen, der Asylwerber sei ja schon in Ungarn sicher gewesen, und die Ungarn sagen dann, er sei aber bereits in Österreich gewesen, wo er hätte sicher sein können. Wissen Sie: Die Formulierung "hätte sicher sein können" ist für ein Menschenleben zuwenig. Menschenleben müssen gesichert werden!

Herr Bundesminister! Sagen Sie doch bitte zumindest dem Kreis der hier Versammelten und auch den Medien: Um wie viele Menschen könnte es denn gehen? Können Sie nicht, so wie die Caritas und amnesty international, aufgrund der Namen und durch Befragen feststellen, wer von den Schubhäftlingen ein Kosovo-Albaner, eine Kosovo-Albanerin ist? Können Sie nicht, was diese Menschen betrifft – ich nehme an, es werden keine 300 Menschen sein –, während dieser Krieg tobt, also für diese paar Menschen, die ein reiches Land wie Österreich in keinster Weise gefährden, einmal Humanität vor irgend einem Behördenbefehl walten lassen? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Noch ein Punkt: Sie haben gesagt, das Gesetz sei ein gutes, sei besser als viele andere. Sie haben auch gesagt, der Verfassungsgerichtshof habe heute eine wichtige Bestimmung aufgehoben. Zwei Tage hatten Asylwerberinnen und Asylwerber Zeit, Berufung einzulegen! Zwei Tage, wo doch jeder Staatsbürger, der Deutsch kann, 14 Tage Zeit dazu hat!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Herr Bundesminister! Die Grünen und Liberalen haben immer schon gesagt: Das ist verfassungswidrig! Ich meine, diese Feststellung sollte Sie dazu veranlassen, heute sicherzustellen, daß kein einziger Mensch aus dem Kosovo mehr aus Österreich "verschwindet", solange dieser Krieg nicht zu Ende ist. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte, Herr Minister.

16.03

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Petrovic! Ich möchte kurz zu Ihren Vorhaltungen Stellung nehmen.

Vorerst möchte ich mich dafür bedanken, daß wir hier eine gemeinsame Vorgangsweise in der Vermeidung des Wortes "Lastenausgleich" gefunden haben, weil ich das genauso sehe wie Sie. Ich meine, wenn man von Menschen spricht, die Schutz suchen und Hilfe brauchen, darf man nie von einer Last reden. Darum glaube ich, daß der Begriff "Solidarausgleich" oder "Solidaritätsausgleich" ein sehr wichtiger ist.

Das zweite, was ich auch klar sagen möchte – vielleicht haben Sie das unwissentlich mißverstanden –, ist folgendes: Ich habe nie behauptet, daß wir die Zahl der Angehörigen ethnischer Gruppen, die nach Österreich flüchten, nicht ungefähr kennen. Es wird nur keine offizielle Statistik nach ethnischen Gruppen aufgestellt. Wie in der Europäischen Union üblich erstellen wir Statistiken nach jenen Ländern, aus denen die Menschen nach Österreich flüchten. Darum bin


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ich nicht in der Lage, Ihnen eine präzise Antwort darauf zu geben, wie viele Menschen konkret aus Jugoslawien nach Österreich geflüchtet sind, die aus dem Kosovo kommen. (Abg. Wabl: Ungefähr! – Abg. Mag. Stoisits: Aber Sie wissen ganz genau, daß Sie sie zurückschicken werden! Das ist doch absurd!)  – Ich habe es bereits ungefähr gesagt, und ich werde es jetzt nochmals wiederholen.

Das ist unter anderem deswegen so schwierig, weil ja ein Teil dieser Flüchtlinge – was den Kosovo betrifft, zugegebenermaßen nicht in so großem Maße – undokumentiert kommt. Es gibt bestimmte Gebiete, von wo Menschen prinzipiell ohne Dokumente kommen, und es gibt andere Teile der Welt, von wo Flüchtlinge größtenteils mit Dokumenten kommen. Im heurigen Jahr haben wir bis jetzt rund 1 300 Flüchtlinge aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien; davon stammen ungefähr 1 000, also knappe 80 Prozent, aus dem Kosovo. Aber das ist eine ungefähre und keine genaue statistische Zahl.

Zur nächsten Frage, die Sie gestellt haben, warum ich nicht schneller auf dieses Schreiben von amnesty international antworten könne. – Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe gestern am Abend, nach Ende der Debatte im Nationalrat über das Staatsbürgerschaftsgesetz, in meinen Büro ein Fax vorgefunden. Wenn man einen Fall seriös prüfen soll, muß man sich nicht nur mit den Vorwürfen gegenüber den österreichischen Behörden auseinandersetzen, sondern man muß auch die ungarischen Behörden fragen, ob sich der besagte Vorfall im März vergangenen Jahres wirklich so abgespielt hat. (Abg. Dr. Petrovic: Werden Sie auch die anderen Fälle prüfen?)

Bei aller Kritik, die Sie bisher an mir geübt haben und die vielleicht auch gerechtfertigt war: Ich habe in meiner Amtsführung doch immer versucht, mich, wenn Vorwürfe gekommen sind, mit diesen auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein. ) Wenn Sie mir konkrete Fälle nennen, bin ich gerne dazu bereit, jeden einzelnen Fall zu überprüfen. Ich werde auch den genannten Fall sehr genau überprüfen, und ich werde die Ergebnisse amnesty international, aber auch Ihnen zur Verfügung stellen.

Schlußendlich – das ist meiner Ansicht nach auch sehr wichtig – möchte ich nochmals betonen, daß wir einen Flüchtling aus dem Kosovo nicht ungeprüft nach Ungarn abschieben, sondern daß wir – das habe ich heute auch sehr klar betont – eine Einzelfallprüfung vornehmen. Wir schauen uns jedes einzelne Schicksal sehr genau an und achten bei jedem einzelnen Schicksal auch sehr genau darauf, von wo diese Menschen kommen. Es macht eben einen Unterschied, ob sie aus einem Gebiet kommen, in dem es zerstörte Dörfer und zerstörte Städte gibt oder ob sie aus einem Gebiet kommen, in dem keinerlei Kampfhandlungen stattfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

16.08

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir nehmen Diskussionen und Kritik betreffend die Praxis der Asylgewährung und die österreichischen Asylgesetze sehr ernst. Der Herr Bundesminister hat das jetzt dadurch bewiesen, daß er sich sehr ausführlich mit den Vorwürfen, die hier gemacht wurden, auseinandergesetzt hat. Ich weiß – wir alle wissen es –, daß der Herr Bundesminister, wenn es konkrete Vorwürfe gibt, diese auch prüfen läßt, und daß er, wenn es zu einem Fehlverhalten kommt oder das Gesetz unmenschlich ausgelegt wird, etwas dagegen unternimmt.

Ich möchte mich daher dagegen verwahren, daß gesagt wird, die Verantwortung werde "abgeschoben". Österreich drückt sich wirklich nicht vor seiner Verantwortung! Wenn man unser Asylgesetz mit dem anderer Länder vergleicht, kann man das eindeutig erkennen. Während andere Länder die Lage für Asylwerber tatsächlich verschlechtern, ist das in unserem Land nicht geschehen und wird auch nicht geschehen. (Abg. Mag. Stoisits: Haben Sie nicht die Novelle letztes Jahr mitgekriegt?)


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Die Asylgesetznovelle, die im vergangenen Jahr beschlossen wurde, ist auch vom UNHCR als eindeutige Verbesserung gelobt worden. Natürlich hat es Kritikpunkte gegeben, die nicht nur von Ihnen, sondern auch von uns gekommen sind. Wenn nun die Möglichkeit besteht, von der zweitägigen Berufungsfrist abzugehen (Abg. Mag. Stoisits: Was heißt: die Möglichkeit? Verfassungswidrig ist das! Das ist eine Schande für das Parlament!), halte ich das für sehr wichtig, denn auch wir haben Bedenken, ob dieser Zeitraum ausreicht. Das ist mit dem Schubabkommen begründet worden. Wenn es jetzt nicht nur aufgrund des Erkenntnisses, sondern auch deswegen, weil wir das so wollen, zu einer Änderung und zu einer Verlängerung der Berufungsfrist kommt, so ist das sehr zu begrüßen.

Ich möchte mich auch mit dem Vorwurf an Ungarn auseinandersetzen. Als wir die Fremdengesetze im Jahre 1997 beschlossen haben, ist ja der Vorwurf an den ungarischen Staat gerichtet worden, daß er kein sicherer Drittstaat sei, und zwar deshalb, weil Ungarn die Genfer Konvention zwar unterzeichnet, aber mit Vorbehalt ratifiziert hat. Dieser Vorbehalt hat sich damals allerdings nur auf außereuropäische Asylwerber bezogen, was im Falle Kosovo ja nicht zutrifft. Ungarn hat diesen Vorbehalt inzwischen zurückgezogen.

Ich kann mich auch daran erinnern, daß ich in einer Rede den Herrn Bundesminister darum ersucht habe, die Gespräche mit seinem ungarischen Amtskollegen weiterzuführen. Der Herr Bundesminister hat sich sehr darum bemüht, daß es mit Ungarn zu einer Vereinheitlichung der Praxis kommt und daß dieser Vorbehalt beseitigt wird. – Das ist jetzt der Fall. Es wird Ungarn auch bescheinigt, daß die neuen Fremdengesetze gute Gesetze sind. Daher möchte ich grundsätzlich davon ausgehen, daß Ungarn auch tatsächlich eine menschenrechtskonforme Auslegung der Genfer Konvention und der Menschenrechtskonvention anwendet.

Herr Bundesminister Schlögl hat angekündigt, daß er trotzdem sehr genau prüfen lassen wird, ob Kosovo-Albaner nach Ungarn abgeschoben werden. Das ist auch als sehr positiv zu werten. Ich denke, daß es aus verschiedenen Gründen notwendig ist, in dieser Frage die Probleme nicht Ungarn alleine zu überlassen. Es ist schon öfters das Wort "Lastenausgleich" gefallen. Der Herr Bundesminister hat das durch den Begriff "Solidaritätsausgleich" ersetzt. Das ist ein Zeichen, das gewisse Bedeutung hat, denn die Sprache sagt sehr viel aus über die Art, wie gedacht, wie ein Problem gesehen wird.

Ungarn braucht zweifellos Unterstützung. Es geht sicherlich nicht an, daß Länder, die an der Grenze von Mitgliedstaaten der Europäischen Union liegen, die große wirtschaftliche Probleme haben, die ihre eigene Vergangenheit erst überwinden müssen, die meisten Lasten im Zusammenhang mit Flüchtlingen zu tragen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch sagen, daß Ungarn zwar zweifellos große Lasten hinsichtlich der Flüchtlinge trägt, daß Österreich aber gerade in der Frage der bosnischen Flüchtlinge eine vorbildliche Rolle gespielt hat. Ich rede jetzt nicht von den 5 Milliarden Schilling; das soll nicht auf das Finanzielle reduziert werden. Daß aber 92 000 Flüchtlinge aufgenommen, daß 66 000 davon bei uns integriert wurden und wir erst vor kurzem eine, wie ich glaube, humane Lösung für die restlichen gefunden haben, zeigt doch, daß Österreich eine menschliche Politik gegenüber Flüchtlingen betreibt.

Meine Damen und Herren! Es gibt sicher Möglichkeiten, die Frage der Kosovo-Albaner in unserem Land menschlich und auch gesetzeskonform zu lösen. Es gibt zweifellos Flüchtlinge, die familiäre Beziehungen nach Österreich haben und daher versuchen, hierher zu kommen. Ich bin überzeugt davon, daß es die Möglichkeit gibt, diesbezüglich eine Lösung zu finden, die human ist und den Gesetzen entspricht.

Zur Lösung dieses Problems ist es natürlich auch notwendig, ja von zentraler Bedeutung, daß es der internationalen Staatengemeinschaft gelingt, eine Lösung für das Kosovo-Problem als Ganzes zu finden. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, wenn man die Eskalation betrachtet und sieht, wie auch unter den Albanern im Kosovo die Unterschiede und Spannungen größer werden. Es wird zweifellos notwendig sein, daß die Europäische Union mit einer Zunge spricht


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und den erforderlichen Druck auf die einzelnen Parteien ausübt, sich an einen Tisch zu setzen und zu versuchen, die Probleme gemeinsam zu lösen.

Meine Damen und Herren! Die Frage der Kosovo-Albaner ist eine sehr sensible. Sie ist eine Frage, mit der wir uns nicht früh genug beschäftigen können. Ich bin der Überzeugung, daß seitens des Innenministeriums behutsam und verantwortungsbewußt vorgegangen wird. Es soll keine Abschiebungen nach Jugoslawien geben, wie der Herr Bundesminister ja gesagt hat. Eine sehr vorsichtige Haltung bei Zurückschiebungen in andere Länder, auch wenn sie sichere Drittländer sind, ist angezeigt.

Weiters ist eine Diskussion und die Klärung der Frage eines Solidaritätsausgleiches zwischen den verschiedenen europäischen Ländern, und zwar nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern in Europa als Ganzem durchzuführen.

Im Einzelfall erfolgt eine Prüfung durch den Unabhängigen Bundesasylsenat und durch die Höchstgerichte.

Ich denke, daß das ein richtiger Weg ist und daß die skizzierte Vorgangsweise des Innenministeriums in die richtige Richtung weist. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. König. – Bitte.

16.17

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unbestritten ist, daß die Leistungen Österreichs im Zusammenhang mit der Tragödie in Bosnien von allen Staaten als vorbildlich anerkannt wurden. Wir haben daher überhaupt keinen Grund, uns zu schämen. Ganz im Gegenteil: Österreich zählt zu den Ländern, die in dieser Hinsicht am allermeisten getan haben. Kein anderes Land der EU hat so viele Flüchtlinge aus Bosnien aufgenommen – der Herr Minister hat die Zahl genannt: insgesamt 92 000 – wie Österreich, mit Ausnahme Deutschlands. Aber im Verhältnis zur Größe Deutschlands hat Österreich sehr viel mehr Flüchtlinge aufgenommen. Ich meine, daß das eine Leistung ist, die auch gewürdigt werden muß. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Österreich und diese Koalitionsregierung haben sich immer zum Asylrecht bekannt. Darüber besteht überhaupt kein Zweifel, und das wurde auch unter Beweis gestellt. Ich möchte auch anerkennen, daß der Herr Innenminister in diesen Fragen – es gibt natürlich Einzelfälle –, die sehr viel Sensibilität erfordern, diese auch immer aufgebracht hat. Ich bin der Meinung, auch das zeichnet Österreich aus.

Aber eines muß sehr offen gesagt werden: Die Ausweitung sowie den Mißbrauch des Asylrechtes können wir keineswegs dulden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Wovon reden wir denn jetzt? Reden wir jetzt von Kosovo-Flüchtlingen?) Denn sonst wird man, wie auch Frau Abgeordnete Stoisits, immer mehr bejammern müssen, daß die Bevölkerung hiefür kein Verständnis hat. (Abg. Wabl: Sie machen schon wieder Stimmung!) Sie verwechseln nämlich Ursache und Wirkung. (Abg. Dr. Petrovic: Betreiben Kosovo-Albaner Mißbrauch?)  – Lassen Sie mich ausreden, ich habe nur 10 Minuten Redezeit! Ich habe Sie auch nicht unterbrochen. Hören Sie zu, dann werden Sie eine Antwort bekommen!

Die Menschen werden zu jener Haltung getrieben, die Sie, Frau Abgeordnete Stoisits, bedauert haben, wenn nicht zwischen Asylwerbern, Flüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden und daher Ablehnung in der Bevölkerung provoziert wird. Sie provozieren sie, nicht die Regierung! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist es! – Abg. Dr. Petrovic: Betreiben Kosovo-Albaner Mißbrauch?)

Lassen Sie mich folgendes sagen, da Sie dem Herrn Bundesminister hier Demagogie vorgeworfen haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da hat er recht!) Ich werfe Ihnen nicht Demagogie vor, wohl aber, daß Sie den Artikel aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in der Beilage zu Ihrer Anfrage sehr selektiv zitieren. Darin heißt es: "Die Zielländer sind immer dieselben: Deutschland,


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Österreich. Sie denken, dort sei das Paradies." – Das muß man auch sehen. Und das geht eben nicht! (Abg. Wabl: Wo sollen sie sonst hingehen?)

Ich möchte hier festhalten, daß die EU im Kosovo derzeit massive Bemühungen setzt, um eine Einstellung der Kampfhandlungen zu erreichen. Das ist die Voraussetzung für eine politische Lösung.

Da Sie die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen zitiert haben, möchte ich die Hochkommissarin dieser Organisation zitieren. Sie hat in einem Bericht vom 26. Juni festgehalten, daß die jugoslawische Regierung – das ist jene in Belgrad – sich ihr gegenüber bereit erklärt hat, mit ihrer Organisation zusammen an der Rückführung der Flüchtlinge mitzuwirken. Ob das tatsächlich realisiert wird – bei all dem, was wir mit Miloševic schon erlebt haben –, möchte ich nicht einfach so beurteilen. Die Hochkommissarin schreibt das jedenfalls.

Eines ist sicher: Nur durch internationalen Druck wird es möglich sein, zu erreichen, daß dort der Friede wiederhergestellt wird und die Waffen schweigen. Das ist die einzige Chance auf eine politische Lösung! (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb hat der Vorsitzende der Europäischen Union, unser Außenminister und Vizekanzler Wolfgang Schüssel, den österreichischen Botschafter jener Mission beigestellt, die sich nunmehr in Priština vor Ort bemüht, diesen Prozeß auf der politischen Ebene weiterzubringen – nachdem seitens Jugoslawiens gestattet worden ist, daß dabei auch internationale Beobachter eingesetzt werden.

Jetzt muß ich Ihnen eine Frage stellen, Frau Abgeordnete Petrovic, Ihnen und den anderen Vertretern der grünen Fraktion, auf die ich sehr gerne eine Antwort hören würde.

Wir haben in diesem Haus – im Zusammenhang mit dem Außenpolitischen Bericht – einen Entschließungsantrag von Helmut Moser, Liberale, Peter Schieder, Sozialdemokraten, und Walter Schwimmer, ÖVP, beschlossen, in dem unter anderem gefordert wird: Abschluß der Vorbereitungen zu friedenssichernden und humanitären Maßnahmen sowie Bereitschaft zu friedensschaffenden Maßnahmen der europäischen oder internationalen Staatengemeinschaft im Kosovo.

Sie haben sich diesem Antrag versagt! Glauben Sie ernsthaft, daß gegenüber den Menschen im Kosovo, deren einzige Hoffnung es ist, daß die internationale Staatengemeinschaft diesmal rechtzeitig jenen Druck ausübt (Abg. Dr. Petrovic: Rechtzeitig? – Ha!), der Miloševic zwingt, seine Spezialpolizei zurückzuschicken, diese Hoffnung dadurch zerstört werden soll, daß man sich als politische Fraktion versagt? – Aber hier wird großartig auf die Tränendrüse gedrückt und behauptet, daß Österreich angeblich zuwenig tut! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Lernen Sie Geschichte! Kosovo 1989!)

Wenn Sie sagen: Man muß den Menschen helfen!, dann bin ich bei Ihnen. Wir tun das. Sie reden davon, und wir tun es! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Österreich hat bereits jetzt 3 Millionen Schilling dem Internationalen Roten Kreuz im Kosovo für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, 6 Millionen dem Internationalen Roten Kreuz für die Flüchtlinge in Montenegro und 6 Millionen Schilling dem Österreichischen Roten Kreuz für die Flüchtlinge in Albanien; bisher insgesamt schon 15 Millionen Schilling. Das ist aktive Hilfe! Ich denke, damit kann sich Österreich sehen lassen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Heindl. )

Zu Ihrer Behauptung, Ungarn sei kein sicheres Drittland: Es ist schon gesagt worden, daß Ungarn zu den sechs Staaten gehört, mit denen wir intensive Verhandlungen über die Aufnahme in die Europäische Union führen wollen. Ungarn ist ein anerkanntes Mitglied des Europarates. Es hat alle Konventionen ratifiziert und hält sich auch daran. Das muß man dazusagen: Es hält sich auch daran! Daher ist es einfach in höchstem Maße unfair, in einer so undifferenzierten, verallgemeinernden Weise zu erklären: Ungarn ist kein sicheres Land. Das haben sich unsere Nachbarn nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Was schreiben Sie in Ihrer Anfrage als Begründung dafür, daß Ungarn kein sicheres Land sei? – In Frage Nummer 5 heißt es: "Kann bei einer Unterbringung von Personen unter den unmenschlichen und erniedrigenden Zuständen wie in Györ überhaupt von einem sicheren Drittland gesprochen werden?" (Abg. Wabl: Kennen Sie den Brief des UNHCR?)

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" beschreibt in ihrem Bericht vom 30. Mai 1998 die dortigen Zustände, das ist richtig. Aber Sie haben auch da manipulativ zitiert. Sie haben nämlich nicht so zitiert, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" tatsächlich schreibt, sondern Sie haben Weglassungen vorgenommen.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, daß das Lager momentan durch den starken Zustrom logistisch überfordert ist. Aber wenn Sie sagen, daß die Leute dort nicht leben können, weil die Toiletten kaputt sind und die ungarischen Installateure sich weigern, sie zu richten, dann ist das manipulativ zitiert. Denn in dem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" steht, daß die Installateure sich weigern, die Toiletten zu richten, weil sie nicht gesäubert werden. Und gesäubert werden sie nicht, weil sich die Insassen weigern, sie zu säubern. Sie wollen sie nämlich von anderen gesäubert haben; so die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wörtlich. – Sehen Sie, das ist auch etwas, was man nicht tun soll: Man soll nicht mit Halbwahrheiten ein Land beschuldigen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte eines feststellen: Österreich wird und die Regierungsparteien werden weiterhin zur Anerkennung des Asylrechtes stehen, auch zu einer menschlichen Behandlung der Kriegsflüchtlinge, aber vor allem zur Hilfe vor Ort. Wir werden uns dafür einsetzen, daß wir diesmal nicht wieder zu spät den Druck ausüben, der verhindert, daß es zu Massenfluchtbewegungen kommt und daß es zu Greueltaten wie in Bosnien kommt.

Eines muß ich dem hinzufügen: Es muß klar sein – wir können das auch nicht zulassen –, daß es sich niemand wird aussuchen können, wo er als Asylant hingeht. Das wird nicht möglich sein, und das werden Sie auch nicht durch die Unterstellung, daß Ungarn kein sicheres Drittland sei, erreichen können! (Beifall bei der ÖVP.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Gleiche Redezeit. – Bitte.

16.27

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Was jetzt passiert – eine Flüchtlingsbewegung ähnlich jener, die wir schon gehabt haben, damals allerdings aus Bosnien –, hat sich schon lange abgezeichnet.

Herr Minister! Ich kann mich erinnern, daß ich Sie vor einigen Wochen – vielleicht ist es auch schon zwei Monate her – in einer Sitzung des Innenausschusses gefragt habe, was Sie für den Fall planen, daß eine ebensolche Flüchtlingswelle wie aus Bosnien auf uns zukommt. Es war, wie gesagt, leicht vorauszusehen, was passieren wird, wenn man nur ein bißchen die Zeitungen gelesen hat. Damals haben Sie mir versichert: Es wird keine solche zweite Welle geben, weil Sie sich bemühen werden, einen europäischen Lastenausgleich herbeizuführen. Nun haben wir zwar den EU-Gipfel in Österreich, aber wir haben noch immer keinen Lastenausgleich, sehr geehrter Herr Innenminister!

Jetzt sind die Flüchtlinge da, und wir stehen dieser Situation praktisch hilflos gegenüber. Wir haben gesehen, daß sich die Flüchtlingsanzahl gegenüber dem Vorjahr schon verstärkt hat. 4 600 Flüchtlinge sind es in den ersten paar Monaten 1998 bereits gewesen.

Herr Minister! Ich kann mir angesichts der großzügigen Behandlung, die wir 90 000 Bosniern zugestanden haben, nicht vorstellen, daß es zu einem internationalen Lastenausgleich kommen wird. Denn jeder in Europa wird sich denken, daß die Österreicher neue Flüchtlinge förmlich brauchen, denn sonst würden sie nicht 90 000 Menschen, die eigentlich als Flüchtlinge gekommen sind, ein Niederlassungsrecht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Jäger: Wieso 90 000?)


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Der Herr Minister sagt, es sind 90 000. Diese Zahl stammt nicht von mir. (Abg. Jäger: Aber Sie sprechen von 90 000!) Ich kann es Ihnen erklären – der Herr Minister hat es schon genau dargelegt, und wären Sie im Innenausschuß, dann wüßten Sie es –: 10 000 sind weitergewandert, 10 000 sind heimgewandert, der Rest ist hiergeblieben: 90 000. Der Herr Minister hat sogar von 90 000 bis 100 000 gesprochen. (Abg. Scheibner: Sie kann es gar nicht glauben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Regen Sie sich nicht künstlich auf, wenn ich anhand von Zahlen vorrechne, was der Herr Minister gesagt hat. Sie sind Opfer Ihrer eigenen Fremdenpolitik geworden, und jetzt bekommen Sie dafür die Rechnung präsentiert! Der Herr Minister wird mit dem Lastenausgleich meiner Meinung nach überhaupt keinen Erfolg haben. Wir allein werden weiterhin die gesamten Lasten in der Flüchtlingspolitik zu tragen haben. Ich kann mir schon vorstellen, was aus dem Kosovo noch auf uns zukommen wird.

Frau Stoisits! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich sind die dargestellten Einzelschicksale tragisch. Aber es muß doch auch einmal anerkannt werden, daß es nicht möglich ist, alle Menschen aus einem Kriegsgebiet, die ein tragisches Schicksal haben, bei uns in Österreich aufzunehmen. Es gibt die Genfer Konvention – dazu ist sie ja geschaffen worden –, um in solchen Fällen den Ländern mehr oder weniger Richtlinien dafür zu geben beziehungsweise sie zu verpflichten, nur in den Fällen, in denen es individuelle Verfolgung gibt, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; aber nicht bei Kriegswirren. Ich denke, man muß endlich damit beginnen – das hat Herr Abgeordneter König schon gesagt –, zwischen Flüchtlingen und Einwanderern zu unterscheiden. Solange man das nicht tut, kann keine seriöse Diskussion stattfinden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Was sind diejenigen, die aus dem Kosovo kommen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurden hier auch Beispiele zitiert, die die Rechtsprechung des Unabhängigen Asylsenates ... (Abg. Wabl: Was sind das aus dem Kosovo? Einwanderer?) Würden Sie mich bitte reden lassen? – Selbstverständlich sind sie das, denn sie sind nach der Genfer Konvention nicht Flüchtlinge. Das wissen Sie ganz genau, Herr Wabl!

Ich möchte jetzt noch einmal auf den Bundesasylsenat zu sprechen kommen. Daß dieser nicht funktioniert, ist ja nichts Neues, Herr Minister! Das wissen Sie ganz genau. Deshalb kommt es zu so kuriosen Rechtsprechungen wie jener, daß es vom Familiennamen abhängt, ob man abgeschoben wird oder nicht. Ich denke, es ist vollkommen klar, daß das nicht vorkommen darf, Herr Minister!

Meiner Ansicht nach muß man dem Unabhängigen Bundesasylsenat erstens Informationen geben, die tatsächlich aktuell und korrekt sind, damit er nicht abhängig ist von Informationen von der Caritas, von amnesty international oder von anderen Organisationen, die primär Hilfeleistungen erbringen, aber nicht außenpolitische Agenden erledigen sollen. Ich denke auch, daß es, wenn es nicht gelingt, den Bundesasylsenat zu einer mehr oder weniger einheitlichen Rechtsprechung zu bringen, notwendig sein wird, das Gesetz zu ändern. Dann muß man dem Bundesasylsenat eben andere Richtlinien geben und von dessen Unabhängigkeit absehen. – Ich denke, dazu müßte man sich bekennen.

Es ist nicht das erste Mal, daß der Bundesasylsenat die Bestrebungen, das Asyl- und Fremdenrecht zu regeln, konterkariert. Denn auch in einem zweiten Fall hat der Bundesasylsenat festgestellt, daß ein Nachbarstaat Österreichs kein sicherer Drittstaat sei, und zwar die Slowakei. Vom Bundesasylsenat wurde also festgestellt, daß neben Ungarn auch die Slowakei kein sicherer Drittstaat sei. Ich denke, da muß man irgend etwas unternehmen.

Wenn das durch Informationen nicht möglich ist, Herr Minister – denn auf ein unabhängiges Gremium kann man sehr schwer einwirken –, dann fordere ich Sie, wie gesagt, auf, daß Sie Initiativen vorlegen, damit man das Gesetz ändert. Das obliegt ja Ihnen. Wenn wir einen solchen Vorschlag machen, wenn wir einen solchen Initiativantrag einbringen, dann weiß ich schon, was damit geschieht: Dann landet er leider in der Schublade. Deshalb liegt das Handlungsvolumen bei Ihnen. Bitte machen Sie etwas! Denn ich finde, wir können uns ganz einfach nicht darauf


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einlassen, daß es eine Rechtsprechung gibt, die Österreich berechtigterweise auch in Mißkredit bringt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch eines möchte ich Ihnen, Herr Minister, und Ihnen von SPÖ und ÖVP sagen: Sie sehen ja, daß Ihnen alle Ihre Bemühungen – Sie loben sich: wir haben das liberalste Asylgesetz, wir haben die höchste Anerkennungsquote, wir sind das offenste Land – nichts nützen. Die Aufnahme von 90 000 Bosniern nützt nicht, das liberalste Asylgesetz nützt nicht, von der Kritik der Grünen loszukommen. Deshalb möchte ich Sie bitten: Richten Sie sich doch nicht nach der wirklich kleinsten und unbedeutendsten Parlamentspartei! Sie stehen hier und weinen praktisch Frau Stoisits und Frau Petrovic an, Sie rechtfertigen sich – aber Sie werden es ihnen nie recht machen können, Herr Minister! Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese ganze Liebedienerei hat keinen Sinn. Wie gesagt: Erst wenn Sie sagen: Kommt alle zu uns, die ihr in irgendeiner wirtschaftlichen Not seid!, wird Frau Stoisits vielleicht – auch dann nur vielleicht! – zufrieden sein. Ich glaube, man müßte einmal relativieren, was von dort an Anträgen kommt. Und das Liberale Forum handelt ja ähnlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir lehnen es jedenfalls ab – das sage ich jetzt schon, noch bevor es soweit kommt –, daß den Kosovo-Albanern derselbe Status wie den Bosnien-Flüchtlingen zuerkannt wird, nämlich daß sie als De-facto-Flüchtlinge anerkannt werden. Ich erkläre Ihnen auch den Grund dafür: Die meisten Menschen aus Bosnien und höchstwahrscheinlich auch aus dem Kosovo kommen nicht als Flüchtlinge zu uns – sonst würden sie nach der Flüchtlingskonvention anerkannt werden –, sondern als Einwanderer. Aber wir können ganz einfach nicht so viele Einwanderer aufnehmen.

Darüber hinaus hat sich die Situation völlig geändert. Frau Stoisits und Frau Petrovic weinen jener Zeit nach, als wir Flüchtlinge aus dem Bereich des Kommunismus aufnahmen. Damals war es anders: Diese Leute sind wieder heimgekehrt. Aber jetzt kehren die Flüchtlinge nicht mehr nach Hause zurück, weder die De-facto-Flüchtlinge noch die anderen, selbst wenn sich in ihrem Heimatland die Situation wieder beruhigt hat.

Das akzeptiert auch die Bevölkerung nicht. Ich denke, man muß auch einmal berücksichtigen, was die österreichische Bevölkerung über das Ganze eigentlich denkt. (Abg. Jäger: Die ist humaner als Sie! Die hat sich sehr engagiert!) Es geht nicht nur um die Befindlichkeit der Kosovo-Albaner, der Bosnier, der Afrikaner, der Iraker und so weiter, sondern es geht in Österreich auch um die Befindlichkeit der Österreicher! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dadurch, daß Sie nicht darauf geachtet haben, daß Flüchtlinge nach der Gefahr wieder nach Hause zurückkehren, haben Sie es ermöglicht und auch verursacht, daß keine Kapazitäten für neue Flüchtlinge mehr vorhanden sind. Wir haben davor immer gewarnt. Jetzt aber jammert Frau Stoisits darüber, daß es anders geworden ist. Es ist heute deshalb anders, weil Ihre Fremdenpolitik in den vergangenen Jahren ganz einfach falsch war! Es war falsch, daß Sie nicht zwischen Einwanderern und Flüchtlingen unterschieden haben und daß Sie nicht gesagt haben, daß Flüchtlinge wieder nach Hause zurückkehren müssen.

Ich denke, deshalb ist es dringend notwendig, daß man die Fremdenpolitik ändert. Wir haben jetzt auch insofern eine andere Situation, als wir selbst budgetär ziemlich schlecht gestellt sind. 5 Milliarden Schilling sind keine Kleinigkeit. Frau Petrovic hat gesagt, daß wir über das Geld nicht reden dürfen. Aber ich denke, es ist trotzdem notwendig, daß man über 5 Milliarden Schilling redet. Denn das hat das Ganze gekostet.

Wir haben einen neuen Arbeitslosenrekord in Wien. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich höre gleich auf! – Der Großteil der Bosnier, aber auch der Einwanderer setzt sich natürlich in Wien fest. Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen: Wie können wir aus dieser ganzen Sache so herauskommen, daß die in Österreich lebenden Ausländer, aber auch die Österreicher selbst keinen Nachteil durch neu Zuziehende haben? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Wir werden das schon regeln! "Ausländer raus"!)


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Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, daß man Ungarn finanziell unterstützen sollte, damit Zustände, wie sie in den Flüchtlingslagern offensichtlich gegeben sind, verbessert werden. Ich bin aber nicht der Meinung, daß wir eine Flüchtlingswelle (Präsident Dr. Fischer gibt erneut das Glockenzeichen) wie jene der Bosnier hier in Österreich akzeptieren sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

16.38

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ausnahmsweise zum Teil mit dem Schlußsatz der Frau Kollegin Partik-Pablé einverstanden. Aber nur teilweise: Ich bin auch der Meinung, daß wir alles unternehmen müssen, daß es zu keiner Flüchtlingswelle aus dem Kosovo kommt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich messe dieser Zustimmung überhaupt keine Bedeutung bei!) Wenn man es in diesem Sinne auffassen würde, könnte ich ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Weder das eine noch das andere!) Aber wenn Sie das so liebenswürdig zurückweisen, dann haben Sie es wahrscheinlich nicht so gemeint.

Ich denke aber, es muß das oberste Ziel sein, daß das Problem in seiner Ursächlichkeit gelöst wird. Nur fürchte ich, daß das kurzfristig nicht ohne weiteres möglich ist. Daher nun zur Dringlichen Anfrage beziehungsweise zur Beantwortung durch den Herrn Bundesminister. (Abg. Jäger steht vor der Ministerbank und spricht mit Bundesminister Mag. Schlögl.) Frau Kollegin Jäger bitte ich, die Aufmerksamkeit des Bundesministers nicht so stark in Anspruch zu nehmen.

Schauen Sie: Die Frage, ob ... (Abg. Dr. Fuhrmann: Er ist ein cäsarischer Typ und kann beiden zuhören!) Ja, das ist teilweise richtig. Er ist der beste Mann der FPÖ in der Regierung und wird gleichzeitig von ihr beschimpft. Das ist das Interessante. Die "Kronen Zeitung" sagt ... (Abg. Dr. Fuhrmann: Das weise ich zurück!) Na, freundliche Worte von der Kollegin waren es gerade nicht. Vielleicht ist "beschimpft" zuviel gesagt, aber freundliche Worte an den Bundesminister waren es nicht. – Ich meine nur, das ist diese cäsarische Gleichzeitigkeit, von der Kollege Fuhrmann gesprochen hat.

Wir haben ein zufälliges Zusammentreffen von zwei Ereignissen: zum einen eine Dringliche Anfrage und zum anderen ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Asylgesetz. Sie werden verstehen, daß ich dieses zufällige Zusammentreffen in diesem Fall für wichtig halte, denn es hat einen unheimlich hohen Symbolgehalt bezüglich des Themas. Ich erinnere mich an die Diskussionen im Ausschuß, wo die liberale Fraktion und auch die Grünen Sie mit Intensität darauf aufmerksam gemacht haben, daß das verfassungswidrig ist. Und ich erinnere mich auch an die Aussage eines Spitzenbeamten – ich bilde mir ein, es war ein Sektionschef –, der gesagt hat: Ja, das ist eine verfassungsrechtliche Gratwanderung.

Ich war damals schon der Meinung, daß es keine Gratwanderung, sondern eindeutig verfassungswidrig ist. Daß der Verfassungsgerichtshof sein Erkenntnis so schnell gefaßt hat, halte ich in dem Fall für bemerkenswert. Und ich meine: Überlegen Sie einmal, was es heißt, wenn Spitzenbeamte nur deswegen, weil sich die Politik extrem kurze Fristen wünscht, Ihnen eine Expertise zur Verfügung stellen, die – im Jargon der Leute selbst – grenzwertig ist, in Wirklichkeit sogar verfassungswidrig ist. Überlegen Sie einmal, ob Sie auf das rechtliche und fachliche Urteil von solchen Leuten in Zukunft setzen sollten! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Sie sagen – und das glaube ich Ihnen ja, das haben Sie wiederholt bewiesen –, daß Sie, wenn Fälle aufgezeigt werden, diese nachprüfen lassen werden. Wer bewacht in Ihrem Haus die Wächter? – Diese Schlüsselfrage scheint mir nicht ganz befriedigend beantwortet zu sein – und das vor dem Hintergrund Ihrer 48-Stunden-Frist für Asylberufungen an der Grenze sowie vor dem Hintergrund, daß man das in Ihrem Haus offenbar trotz stringenter Argumente der Opposition für rechtens gehalten hat.

Man darf sich einen Rechtsirrtum leisten – aber nicht zu oft, bitte, und nicht zu nachhaltig und nicht zu Lasten von Flüchtlingen, die wegen solcher Fristsetzungen wirklich schwer zu Schaden


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kommen können, da sie, wenn sie eben die Fristen nicht wahrnehmen können, dann ein ungewisses Schicksal erleiden. Da ist eine Rechtsgüterabwägung auch im Sinne einer Risikoabwägung allemal besser als Verwaltungsstringenz und Verwaltungseffizienz in Form von 48-Stunden-Fristen so nach dem Motto: In dieser Zeit wird man das Rechtsmittel schon nicht schaffen, und dann haben wir den Akt erledigt, können ihn schließen beziehungsweise brauchen ihn – im eigentlichen Sinn des Wortes – gar nicht erst anzulegen.

Solche 48stündigen Fristen gibt es in den Ländern Schweiz, Deutschland, Italien und Dänemark, die Sie als abschreckende Beispiele hinstellen, weil dort alles viel strenger sei, nicht. Das ist so eindeutig nicht rechtsstaatskonform, daß selbst sehr restriktive Länder keine solchen 48-Stunden-Fristen haben.

Daher meine ich, das sollte ein Anlaß sein, in dieser Frage umzukehren. Daß es allerdings der Unabhängige Bundesasylsenat war, der dieses Verfahren in die Wege geleitet hat, spricht in gewisser Weise für Sie, Herr Bundesminister, das räume ich ein, denn immerhin gibt es ihn noch gar nicht so lange. Das ist etwas, was positiv zu sehen ist.

Aber wenn Sie erklären, das Asylgesetz wurde seinerzeit auch gelobt, dann muß ich feststellen: Das gefällt mir nicht, daß Sie das sagen. Nur weil das eine oder andere, was im neuen Asylgesetz tatsächlich ein bißchen besser ist, anerkannt wurde, so zum Beispiel auch von unserer Fraktion, hat das nie geheißen, daß wir das neue Asylgesetz damals gelobt haben, sondern wir haben einhellig – ob amnesty international, ob die Caritas, ob der Vorsitzende der Bischofskonferenz oder der UNHCR – die Meinung vertreten: Das ist in Summe eine Verschlechterung, auch wenn es da oder dort eine Verbesserung gibt. – Es war mir wichtig, das gesagt zu haben, denn sonst entsteht womöglich noch der Eindruck, es war wirklich ein besseres Asylgesetz, das damals beschlossen wurde.

Jetzt möchte ich zum Kern der Frage: Ungarn – sicheres Drittland? kommen und hier folgende Erklärung, die auch für die Fraktion gilt, abgeben – der Herr Bundesminister hat sich ohnedies schon darauf bezogen –: Wir haben versucht, das Problem innerhalb der Fraktion zu diskutieren, und haben festgestellt: Ob das jetzt so ist oder nicht, wird man jeweils über die Einzelfallprüfung klären müssen. Aber wenn Sie, Herr Bundesminister, gesagt haben: Nennen Sie mir einen einzigen Fall, und wir werden nicht mehr nach Ungarn abschieben!, dann haben Sie sich damit eigentlich von der Einzelfallprüfung verabschiedet, weil Sie offenbar der Meinung sind, wenn es einen Fall gibt, werden Sie überhaupt nicht mehr zurückschieben – was ich aus humanitärer Sicht begrüßen würde. Aber das hieße dann, daß Sie die Einzelfallprüfung aufgeben, denn wenn Sie aufgrund eines Falles, der schiefgegangen ist in Ungarn, das gesamte System verändern wollen, so ist das, glaube ich, mehr auf den Effekt als auf den Rechtsstaat abzielend formuliert. – Das nur zum Mitdenken auch in diesem Fall.

Wir haben uns überlegt: Was muß denn das gemeinsame Ziel sein? – Das gemeinsame Ziel müßte doch sein, daß Ungarn, wenn es nicht ohnedies schon ein sicherer Drittstaat sein sollte, ein sicherer Drittstaat wird, und zwar so rasch wie möglich. Ziel müßte sein, daß sich Ungarn so entwickelt, daß es ein Staat wird, der allen Ansprüchen unzweifelhaft entspricht. Und der gleiche Anspruch gilt für alle Reformländer. Für alle Beitrittswerber der EU muß gelten, daß sie, wenn sie nicht ohnedies schon ein sicheres Drittland sein sollten, es möglichst bald sein werden.

Das Problem der Flüchtlinge aus dem Kosovo wird sich unabhängig davon entwickeln, ob wir Ungarn, Slowenien, Tschechien oder sonst ein Land für ein sicheres Drittland halten oder nicht. Aber eines darf nicht passieren, nämlich daß wir ihnen dann, wenn sie sich endlich so reformiert haben, daß sie unbezweifelbar – etwa auch nach Meinung der Kollegin Stoisits – sichere Drittländer sind, was ja ein gemeinsames Ziel sein muß, sagen: Aber in der Flüchtlingsfrage lassen wir euch allein, denn da haben wir die neue Schengen-Grenze, und da habt ihr leider Pech gehabt!

Daher ist es zwingend notwendig, daß wir einen gesamteuropäischen Solidaritätsschulterschluß machen – einschließlich der Länder, die wir üblicherweise als Reformstaaten oder als Beitrittskandidaten bezeichnen, und zwar unabhängig davon, ob wir sie für sichere Drittländer halten


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oder nicht. Das Problem werden wir nur dann lösen können, wenn wir uns an der Wurzel, also im Kosovo selbst, bemühen, den Konflikt möglichst zu deeskalieren, sodaß die Fluchtgründe wegfallen – das wäre das wunderbarste, wenn es schnell gelingt –, und sollte das nicht ganz so erfolgreich sein und sollten daher Flüchtlinge kommen, diese dann europäisch solidarisch von allen europäischen Staaten, die eben nicht in der mißlichen Lage des Kosovo sind, als Kriegsflüchtlinge behandelt und aufgenommen werden.

Wenn Sie, Herr Bundesminister, tatsächlich diesen unseren Vorschlag, den wir ja schon öffentlich gemacht haben, im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft in der EU ernsthaft aufgreifen, dann würden Sie ein doppeltes Signal setzen: a) daß wir eben nicht an den EU-Außengrenzen einfach haltmachen mit der Humanität und b) daß wir die Beitrittskandidaten in jeder Hinsicht ernst nehmen und unabhängig vom Stadium der Beitrittsverhandlungen sagen: In dieser Frage gibt es kein: Erst wenn ihr beigetreten seid!, sondern in dieser Frage muß es ein Sofort geben. Und das wäre dann immerhin befriedigend. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Ich erteile ihr das Wort.

16.47

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Keine Frage, es ist sehr verständlich, daß Sie für Ihr Asylgesetz hier eine Bresche schlagen, daß Sie hier die Vorteile, das Herausragende, das im internationalen Vergleich durchaus Bestechende des österreichischen Asylgesetzes erwähnen. Das ist Ihr Recht, und da können Sie eventuell als Einäugiger unter Blinden in Europa reüssieren. Aber auf der anderen Seite ist es umso unverständlicher und umso bedenklicher für mich, daß Sie die Vorbehalte, die Kritik, die bereits bei den Verhandlungen laut wurde und jetzt im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ihre Bestätigung findet, im Ausschuß ignoriert haben. Sie sind durch dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in Ihrer Darstellung des Asylgesetzes ja auch etwas blamiert. – Diese Diskrepanz zum ersten.

Zum zweiten: Es ist durchaus verständlich, Herr Minister, daß Sie für eine Solidargemeinschaft in Europa plädieren, daß Sie dafür eintreten, daß es in der Frage der Menschenrechte und auch in der Frage des Asylrechtes und in der Frage der Hilfe für Flüchtlinge, für Verfolgte, für Asylwerber einen gemeinsamen Lastenausgleich gibt. Das alles ist verständlich, und es ist notwendig. Ich bin froh, daß Sie sich dafür einsetzen, und ich wäre erfreut darüber, wenn das, wie auch mein Vorredner bereits erwähnte, ein primäres Anliegen der österreichischen EU-Präsidentschaft werden würde: europäische Solidarität, europäische Humanität, vorgelebt an Beispielen, an Einzelbeispielen. Keine Frage, das ist verständlich, und da muß Österreich eine Vorreiterrolle spielen.

Auf der anderen Seite ist es für mich unverständlich, daß man gleichzeitig irgendwie ins Spiel bringt: Es könnte durchaus auch nach dem Florianiprinzip gehandhabt werden. Wir waren herausragend, wir waren hervorragend im Zuge des Bosnien-Konflikts. Wir haben sehr offensiv gehandelt, wir haben vielen Leuten geholfen. Wir haben, glaube ich, 90 000 Bosnien-Flüchtlinge versorgt mit Wohnung, mit Nahrung, ihnen auch die Chance gegeben, sich neue Existenzen aufzubauen. Aber jetzt ist es genug. Jetzt sollen sich – so nach dem Florianiprinzip – einmal die Staaten der EU bemühen, jetzt sollen einmal England, Deutschland, Frankreich und so weiter Millionen hineinbuttern, da wir bereits Vorleistungen erbracht haben.

Ich glaube, es ist nach wie vor notwendig, als Pförtner vor dem Tor der Beitrittsstaaten im Osten die europäische Solidarität nicht nur einzumahnen, sondern auch selber vorzuleben. Wir müssen nach wie vor – das ist unser mitteleuropäisches Schicksal – die Pförtnerrolle, die Pilotprojektrolle spielen, wir müssen die Vorreiterrolle offensiv angehen.

Herr Minister! Ich finde es durchaus lobenswert, daß Sie versichert haben, Einzelfallprüfungen durchzuführen. Keine Frage, das ist notwendig. Aber was Ihre Behörden in Einzelfällen bereits entschieden haben, ist höchst verurteilenswert. Ich habe mir nur drei Beispiele herausgesucht:


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"Innenministerium schob am Montag dreijähriges Kind ab gemeinsam mit schwangerer Mutter und verletztem Vater." Und im Artikel wird ausgeführt: "Die albanische Flüchtlingsfamilie war im April aus der serbischen Unruheprovinz geflüchtet. Der Mann hatte sich auf der Flucht den Oberschenkel gebrochen. Die Familie konnte sich aber über Ungarn nach Österreich durchschlagen, wo sie bei Verwandten Unterkunft fand." – Bitte, bei Verwandten waren sie versorgt, bei Verwandten sind sie betreut worden. Sie sind Österreich nicht direkt zur Last gefallen, und trotzdem wurden sie abgeschoben. Das ist deutlich dokumentierte Inhumanität, die Ihre Behörden, die Ihre Beamten praktizieren. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist verurteilenswert. Prüfen Sie die Einzelfälle! Es ist dies dringend notwendig. Manche Ihrer Mitarbeiter halten sich leider nicht an das, was an sich als Solidarprinzip unumstritten ist. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Ein zweites Beispiel – das darf ich gerade im Hinblick auf meinen Vorredner von seiten der ÖVP erwähnen –: Der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau hält die Rückschiebungen von Kosovo-Flüchtlingen nach Ungarn für eine – ich zitiere hier aus dem "Standard" – "unglaubliche Sauerei". Er fordert einen sofortigen Stopp der Abschiebungen und ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für geflüchtete Kosovo-Albaner in Österreich. (Ruf bei der ÖVP: Na und?)  – Bitte, das fordert der Caritas-Direktor. Und Sie nennen sich eine christlichsoziale Partei! (Abg. DDr. König: Eine undifferenzierte Haltung! – Abg. Kiss: Der Landau hat schon permanent geirrt!)

Sie praktizieren leider nicht dieses Ideal. Sie überlassen das der Caritas. Sie waschen sozusagen Ihre Hände in Unschuld, indem Sie darauf verweisen: Bei den Bosniern waren wir großartig! Und: Wir müssen Hilfe vor Ort leisten. Das ist das, was Kollege König formuliert hat. Was heißt denn "Hilfe vor Ort" im konkreten Fall der Kosovo-Albaner? Leisten Sie Hilfe in den Gefängnissen, wo gefoltert wird? Können Sie dort "Hilfe vor Ort" leisten? Leisten Sie Hilfe, wenn Leute geprügelt werden, wenn Leute getreten werden, wenn Leute geschlagen werden? Wo sind Ihre Mitglieder, die da "Hilfe vor Ort" leisten? (Abg. DDr. König: Ich frage Sie, warum Sie das nicht wollen!)

Das ist dort nicht möglich. Man kann nur – das ist zu Recht bereits erwähnt worden, das hat mein Kollege Kier auch herausgestrichen – im Vorfeld der Konfliktbereinigung schauen, daß diese Konflikte deeskalieren. Aber im konkreten Fall der Kosovo-Albaner "Hilfe vor Ort" zu leisten, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Daher, muß ich sagen, sind die Bemerkungen des Herrn Kollegen König wirklich mehr als pharisäerhaft.

Ich möchte noch auf ein drittes Beispiel verweisen und hier Herrn Caritas-Direktor Küberl aus den "Salzburger Nachrichten" zitieren. Er appellierte auch am Freitag wieder in einem Brief an Sie, Herr Minister – das war kein Fax von gestern, das war ein Brief vom Freitag –, daß wir unbedingt den Kosovo-Vertriebenen vorübergehend Schutz in Österreich gewähren sollten. (Abg. Scheibner: "Vorübergehend"!)

Ich darf darauf hinweisen, daß sehr wohl Flüchtlinge, etwa jene, die zum Beispiel im Jahr 1956 aus Ungarn zu uns gekommen sind, vorübergehend hier blieben und dann woanders hinzogen. Es sind auch verschiedene Flüchtlinge aus dem Balkanbereich vorübergehend in Österreich geblieben und dann woanders hingezogen. (Abg. Kiss: Sie reden von Dingen, die Sie nicht verstehen!) Es sind auch welche hiergeblieben, kein Zweifel. Aber jene, die hier blieben, gründeten zum Beispiel auch Unternehmungen, gründeten Existenzen und sind jetzt hier Steuerzahler. Aber es gibt auch verschiedene Leute, die nur vorübergehend hier Schutz suchen und dann einen anderen Standort anpeilen.

Dazu möchte ich noch folgendes sagen: Herr Kollege König hat den Mißbrauch erwähnt, er hat darauf hingewiesen, daß es eine mißbräuchliche Inanspruchnahme von österreichischen Asylmöglichkeiten gibt. Ich hingegen behaupte, es gibt vor allem auch einen Mißbrauch durch die österreichischen Behörden, die nicht rechtens vorgehen, die abschieben in das sogenannte sichere Drittland Ungarn. Bitte, das ist für mich ein Mißbrauch und nicht, daß verfolgte Leute hier bei uns um Asyl ansuchen. (Beifall bei den Grünen.)

Und deshalb möchte ich folgenden


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135. Sitzung / Seite 127

Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Freunde und Freundinnen betreffend humanitäres Aufenthaltsrecht für Kosovo-Flüchtlinge

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, daß den Flüchtlingen aus dem Kosovo zumindest bis zum Ende des Konfliktes im Kosovo ein Aufenthaltsrecht in der Republik Österreich gewährt wird.

*****

Herr Innenminister! Sie gelten durchaus als Innenminister mit einem menschlichen Antlitz. (Abg. Dr. Khol: Das ist unbestreitbar! Das menschliche Antlitz kann man ihm nicht bestreiten!) Sie zeigen auch in der Debatte immer wieder sehr menschliche Züge. Das ist sehr dankenswert. Bitte geben Sie jetzt endlich auch Ihren Behörden eine menschliche Handschrift! Das wäre mir sehr wesentlich. (Beifall bei den Grünen.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, der soeben verlesen wurde, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner.

16.57

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Moser hat sehr oft die Caritas zitiert, vor allem den Präsidenten der Caritas Wien, Landau, und gesagt, man möge seine Anliegen verfolgen und unterstützen.

Frau Kollegin Moser! Sie können die Caritas Wien auch in einem anderen Anliegen unterstützen, und ich hoffe, Sie machen das mit derselben Vehemenz. Man hat sich nämlich in einem Gespräch bitter beklagt – Herr Innenminister, das ist auch für Sie interessant –, daß die Caritas Wien in ihren Flüchtlingsheimen zuwenig Unterstützung durch die Polizei hat, wenn es darum geht, nigerianische Drogendealer aus diesen Caritas-Heimen zu entfernen, die dort die Betreuer und die Verantwortlichen der Caritas bedrohen. Wenn man nach der Polizei ruft, heiße es, man könne nichts unternehmen. (Abg. Dr. Petrovic: Was hat das mit den Kosovo-Albanern zu tun?)

Frau Kollegin Moser! Dabei würden wir uns finden, daß wir der Caritas Unterstützung geben, wenn es darum geht, nigerianische Drogendealer aus ihren Heimen zu entfernen, damit es zu keinen negativen Aspekten in der Flüchtlingsproblematik kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Innenminister! Ich würde mir erwarten, daß es dabei entsprechende Unterstützung gibt.

Frau Abgeordnete Stoisits hat in ihrer Eingangsrede wieder einmal die mangelnde Bereitschaft zur Flüchtlingsaufnahme in der österreichischen Bevölkerung beklagt. Frau Kollegin Stoisits! Das stört mich wirklich. In jeder Debatte über Flüchtlinge und Asylpolitik kommt das so unterschwellig: Diese "bösen" Österreicher sind nicht bereit, den armen Flüchtlingen Unterstützung zu geben. Ich halte das wirklich für eine pauschale Diffamierung der Österreicher (Beifall bei den Freiheitlichen), die über Jahrzehnte Zehntausende, ja Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen haben: 1956 nach der Ungarnkrise, 1968 nach der Tschechienkrise, in den achtziger Jahren ist aus Polen eine Flüchtlingswelle gekommen, und sogar – und ich sage aus gutem Grund "sogar" – in den neunziger Jahren, als ein großer Flüchtlingsstrom aus Bosnien gekommen ist, gab es selbstverständlich nicht nur einen politischen, sondern auch einen nationalen Konsens in der Bevölkerung, daß man diesen verfolgten Menschen Aufnahme gewähren muß.


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135. Sitzung / Seite 128

Ich sage deshalb "sogar", weil gleichzeitig Ende der achtziger Jahre durch eine verfehlte Einwanderungspolitik ein Zustrom von Einwanderern nach Österreich gekommen ist. Der Herr Innenminister hat es gestern selbst gesagt: 750 000 Ausländer haben wir in Österreich legal aufhältig. Ich weiß nicht, welche Schätzungen es jetzt über die Zahl an Illegalen gibt. Man sagt auch, zwischen 150 000 und 300 000. Also gegen 1 Million Ausländer haben wir hier in Österreich. Und trotzdem, Frau Kollegin Stoisits, gab es immer die Bereitschaft der Österreicher, wirklich politisch Verfolgten Aufnahme zu gewähren.

Nur, Herr Innenminister und meine Damen und Herren von den Grünen, wenn man, wie eben nun bei den Bosnienflüchtlingen, merkt, daß jene, die man sehr gerne aufgenommen hat – und Frau Kollegin Moser hat gesagt: "vorübergehend"; sehr richtig, man hat gedacht, das ist vorübergehend; man nimmt sie auf, solange sie wirklich an Leib und Leben gefährdet sind, und rechnet damit, daß sie danach wieder in ihre Heimat gehen werden –, jetzt eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung bekommen – Sie haben ja vor wenigen Wochen hier beschlossen, daß 90 000 Flüchtlinge, die damals nach Österreich gekommen sind, jetzt dauerhaften Aufenthalt bekommen –, dann darf man sich nicht wundern, wenn in Zukunft eine Integration nicht mehr möglich ist. (Abg. Jäger: Das stimmt doch nicht!)

Frau Kollegin, fragen Sie doch Ihren eigenen Minister, wie die Zahlen ausschauen! Er hat Ihnen sogar noch zugenickt, daß das, was Frau Kollegin Partik-Pablé gesagt hat, vollkommen richtig ist. 90 000 bosnische Flüchtlinge müssen hier in Österreich integriert werden, obwohl es, wie der Minister auch gesagt hat, 750 000 legal hier ansässige Ausländer gibt. (Abg. Wabl: Herr Kollege! Sie irren um 30 000!)

Das sind Größenordnungen, Frau Kollegin, angesichts derer eine Integration, für die wir uns alle aussprechen würden, nicht mehr möglich ist. Wo wollen Sie denn etwa in den Wohnbezirken, wo es 30 oder 40 Prozent Ausländeranteil gibt, in den Schulen mit einem Ausländeranteil von bis zu 90 Prozent noch jemanden integrieren? Wo wollen Sie die Zuwanderer in unsere Gesellschaft, in die einheimische Bevölkerung integrieren? Das funktioniert doch alles nicht, und das ist die Problematik, auf die wir immer wieder hinweisen wollen.

Unserer Meinung nach geschieht auch zuwenig in bezug auf die Behebung der Mißstände gerade im Bereich der Kriminalität und der illegalen Ausländer in Österreich. Frau Kollegin Partik-Pablé ist doch immer wieder mit Vorschlägen gekommen, wie man dieser Problemen Herr werden kann. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es kann ja auch nicht so sein, Herr Kollege Wabl, daß es schon Beschreibungen und Überlieferungen gibt, wie man sich am besten aus der Schubhaft freipreßt.

Das sind die Problematiken! Solange es eine derartige Einwanderungspolitik gibt, daß Integration nicht mehr möglich ist, daß sich die Österreicher in ihrer Wohnumgebung nicht mehr wohl fühlen, weil sie Fremde in der eigenen Heimat geworden sind (Abg. Dr. Petrovic: Da fühlen sich die Brasilianer auch nicht wohl, wenn so viele kriminelle Österreicher dort sind!), so lange wird es schwierig sein, Frau Kollegin, das zu verwirklichen, was Sie wollen, nämlich daß Österreich seine Grenzen öffnet und all jenen Aufnahme gewährt, denen es hier besser geht als in ihrer eigenen Heimat. Das ist sicher das falsche Konzept! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Grünen! Selbstverständlich ist es notwendig, für die Kosovo-Albaner etwas zu tun. Aber es kann doch wohl kein Lösungsansatz sein, zu sagen, sie können jetzt alle zu uns kommen. (Abg. Wabl: Das sagt ja niemand!) Das kann wohl nicht die Lösung sein! Der Lösungsansatz muß doch wohl sein, alles in unserer Macht Stehende zu tun, den Kosovo-Albanern im Kosovo zu helfen, daß wir dort dafür sorgen, daß endlich diese Gewaltmaßnahmen des Herrn Miloševi% aufhören (Abg. Wabl: Wie sorgen Sie dafür?), daß wir endlich dafür sorgen, daß die Kosovo-Albaner in ihrer eigenen Heimat in Frieden und Freiheit und in Demokratie leben können. (Abg. Wabl: Wie sorgen Sie dafür?)

Herr Wabl! Ich hoffe doch, daß Sie dann zustimmen werden, wenn Verhandlungen nichts helfen, daß man dort endlich mit der einzigen Sprache redet und reagiert, die Diktatoren wie Herr Miloševi% verstehen, daß man dort auch mit militärischen Maßnahmen dafür sorgt, daß dieses


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135. Sitzung / Seite 129

Morden und dieses Vertreiben endlich ein Ende hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das sind die Dinge, die den Kosovo-Albanern wirklich helfen, und nicht Debatten hier im Haus, wie man Flüchtlingsströme bei uns in Österreich aufnimmt.

Bei dieser Art der Krisenprävention, und zwar daß man solchen Diktatoren, solchen Verbrechern wirklich rechtzeitig zeigt, daß die demokratische Staatengemeinschaft nicht zusieht, wie diese Herrschaften ihre imperialistischen Machtbestrebungen und ihre unmenschlichen Ziele verfolgen, Herr Kollege Wabl, sähen Sie uns als Verbündeten. (Abg. Wabl: Wollen Sie, daß Österreich Serbien angreift?) Aber da sind Sie immer sehr leise, wenn es um derartige Debatten geht.

Meine Damen und Herren! Wir sind selbstverständlich dafür – und das ist auch ein Prinzip von uns allen –, daß man politisch Verfolgten, an Leib und Leben Verfolgten, bei uns, soweit es möglich ist, Aufnahme gewährt. Aber das kann keine Aufgabe Österreichs allein sein. Hier hat die demokratische Staatengemeinschaft, hier hat auch die Europäische Union gemeinsam eine Verantwortung. Es soll aber unser erstes Ziel sein, die Probleme dort anzupacken, wo sie am besten zu lösen sind, nämlich an der Wurzel, dort, wo dieses Regime derartige Vertreibungen und derartige Flüchtlingsströme verursacht.

Herr Innenminister! Im Inland würden wir uns erwarten, daß Sie bei den Mißständen in der Flüchtlingspolitik und bei den Mißständen in der Ausländerpolitik energisch eingreifen, damit die Österreicher sehen, daß hier unterschieden wird zwischen jenen, die sich hier integrieren können, jenen, die wirklich politisch verfolgt sind, und jenen, die Österreich und die Österreicher dazu mißbrauchen, es sich in unserem Lande besser gehen zu lassen, und die oft genug auch gegen die Rechtsordnung verstoßen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Öllinger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, beginnen Sie im Sinne der Geschäftsordnung mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. – Bitte.

17.05

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Scheibner hat behauptet, Frau Kollegin Stoisits hätte in ihrem Debattenbeitrag davon gesprochen, daß die österreichische Bevölkerung mangelnde Aufnahmebereitschaft zeige, sich darüber beklagt hätte, und daß das – so Abgeordneter Scheibner dann in seiner Bewertung dieser Behauptung – eine pauschale Diffamierung der österreichischen Bevölkerung sei. Das waren Ihre Aussagen, Kollege Scheibner! (Abg. Scheibner: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Ich stelle tatsächlich richtig: Frau Kollegin Stoisits hat davon gesprochen, daß sich Flüchtlinge in diesem Land inzwischen mit einer anderen Einstellung der Behörden in Österreich konfrontiert sehen. Behörden sind nicht dasselbe wie Bevölkerung, Herr Kollege Scheibner! Insbesondere handelt es sich dabei, vor allem deswegen, weil Kollegin Stoisits auch von der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gesprochen hat, nicht um eine pauschale Diffamierung der österreichischen Bevölkerung. Die pauschale Diffamierung liegt bei Ihnen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Das ist ungeheuerlich!)

17.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Die Restredezeit für Ihren Klub in dieser Debatte beträgt noch 7 Minuten. – Bitte.

17.07

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Problematik um die Flüchtlinge ist in der Diskussion gerade in diesem Haus eine der schwierigsten geworden, und dies vor allem dann, wenn Abgeordnete hier an das Rednerpult treten – so wie Herr Kollege König – und in einer Art und Weise argumentieren, die meines Erachtens unverständlich ist.


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Es ist für mich unverständlich, daß gerade ein Abgeordneter, der bereits sehr, sehr lange diesem Haus angehört, der auch Klubobmann der ÖVP war – einer christlich-sozialen Partei –, offensichtlich meint, er könne jener Partei, die sich für die Menschenrechte einsetzt, jener Partei, die sich in einem besonderen Ausmaß für die Flüchtlinge einsetzt, vorwerfen, sie argumentiere undifferenziert, pauschalierend, greife generell an und könne nicht unterscheiden.

Herr Kollege König! Die Grünen wissen ganz genau, was Österreich im Zusammenhang mit den Flüchtlingen, im Zusammenhang mit der Not von Menschen aus Nachbarländern alles geleistet hat. Ich gebe dem Herrn Bundesminister selbstverständlich recht, wenn er sagt, daß Österreich im Zusammenhang mit dem Bosnien-Konflikt, mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien sehr vieles und Großartiges geleistet hat – selbstverständlich aufgrund der Steuerleistung der österreichischen Bevölkerung und selbstverständlich aufgrund des persönlichen Einsatzes sehr, sehr vieler Menschen.

Herr Abgeordneter König! Es ist aber unzulässig und sehr bedauerlich, daß gerade Sie als Vertreter einer Partei, die eine andere Tradition hat als die der Freiheitlichen, einer Partei, die bisher immer das Wort Solidarität groß geschrieben hat, sich zu einem Fürsprecher jener machen, die Stimmung machen gegen ganz bestimmte Menschen, die in Not sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat doch nicht Stimmung gemacht!) Frau Partik-Pablé, ich gehe auf Sie heute in einem Ausmaß ein, das Sie hoffentlich zufriedenstellen wird. Das, was Sie sonst in Ihren Reden sagen, ist ja meistens nicht akzeptabel. Frau Abgeordnete Pablé, Sie könnten dem Herrn König die Hand geben, und Sie wären in einer Koalition mit ihm hervorragend aufgehoben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie machen Stimmung!)

Ich sage Ihnen, die Dringliche Anfrage der Grünen wurde heute gestellt, weil Österreich in den letzen Wochen und Monaten aufgrund der neuen Gesetze, die Sie mit Mehrheit beschlossen haben, nämlich aufgrund der Regelung des sicheren Drittlandes, eine derartige Abschiebepraxis geübt hat. Meine Damen und Herren! Diese Regelung ist inhuman, unsolidarisch und ungerecht. Sie wissen ganz genau, was das in der konkreten Situation bedeutet.

Meine Damen und Herren! Jetzt gehe ich einmal davon aus, daß der Innenminister recht hat, wenn er sagt, Ungarn ist ein sicheres Drittland. Aber wenn es von Gruppen, von Institutionen Meldungen gibt, wonach Ungarn kein sicheres Drittland in jedem Fall ist, Herr Bundesminister, dann sollten Sie diese Meldungen, diese Informationen ernst nehmen und sollten sie konkret untersuchen.

Damit komme ich zu Ihnen, Frau Partik-Pablé: Ich bin gespannt, ob man Sie beim Wort nehmen kann oder ob das, was Sie heute hier wieder geboten haben, reiner Populismus, reine Stimmungsmache war. Sie haben viele Dinge gesagt, die ich massivst ablehne, weil sie unterschwellig Stimmung machen. Aber das will ich jetzt nicht mit Ihnen diskutieren, Frau Partik-Pablé. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie machen ja die ganze Zeit Stimmung! Sie machen Stimmung gegen Menschen, gegen mich zum Beispiel!)

Ich will auch nicht über die merkwürdige Position des Herrn Scheibner diskutieren, der meint, die Solidarität Österreichs bestünde darin, daß das österreichische Militär in Serbien mit Kampfeinsätzen interveniere. (Abg. Scheibner: Wer hat das gesagt?) Ja was meinen Sie denn sonst damit, Herr Abgeordneter Scheibner? Was meinen Sie denn sonst damit, wenn Sie die Zustimmung der Grünen für Kampfeinsätze wollen? – Sie verbrämen es mit friedensschaffenden Einsätzen. Herr Abgeordneter Scheibner, Österreich kann einen solidarischen Beitrag leisten, aber nicht in der Waffenbrüderschaft (Beifall bei den Grünen) , sondern Österreich kann dort einen Beitrag leisten, wo es tatsächlich solidarische Hilfe leisten kann, und das betrifft im Augenblick konkret jene Menschen, die aus dem Kosovo flüchten. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Frau Abgeordnete Pablé! Im Jahre 1989 wurde den Kosovo-Albanern die Autonomie genommen. Was war Ihre politische Arbeit? Was war Ihre politische Intervention in dieser Angelegenheit? Herr König, wie sah 1989 Ihre Intervention von seiten der ÖVP aus? Sagen Sie das! Kommen Sie herunter und erklären Sie diesem Haus, was Sie damals gemacht haben! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was haben Sie denn gemacht?)


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Meine Damen und Herren! Weil ich aber meine Rede nicht nur mit dem Angriff gegen den Herrn König und mit dem Angriff gegen den Herrn Scheibner beenden möchte, nehme ich einen Vorschlag der Frau Kollegin Partik-Pablé auf, der konkret die Umsetzung unserer Vorwürfe, und zwar im positiven Sinn, beinhaltet. Sie haben gesagt, Sie sind dafür, daß jene Lager, in die jene Menschen abgeschoben werden, die in Österreich keine Zuflucht finden, saniert und hergerichtet werden, wie zum Beispiel das Lager Györ, das eher ein Stall ist als ein Aufhaltelager für Menschen.

Wir Grünen haben diesbezüglich einen Antrag vorbereitet, den ich hiemit einbringe, und ich lade Sie, Frau Kollegin, wenn Ihre Aussage hier ernst gemeint war, und auch Herrn König, dazu ein, diesen Antrag gemeinsam mit einzubringen und mit zu unterzeichnen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie beschimpfen mich dauernd, und dann soll ich Ihren Antrag unterstützen?)  – Es geht nicht um mich.


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter, verlesen Sie bitte den Antrag, die Redezeit läuft ab.

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Wenn Sie der Meinung sind, daß ich Sie beschimpft habe, dann ziehe ich das zugunsten dieses Antrages zurück. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, Sie können das nicht zurücknehmen, was Sie da gesagt haben!)

Unser Antrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Andreas Wabl, Freunde und Freundinnen betreffend Unterstützung Ungarns zur Sanierung des Auffanglagers in Györ

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich der Republik Ungarn einen Betrag von 5 Millionen Schilling zur Sanierung des Auffanglagers in Györ zur Verfügung zu stellen, damit dieses sofort saniert werden kann.

*****

Das ist ganz in Ihrem Sinne. (Beifall bei den Grünen.)

17.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich rufe wieder in Erinnerung, die Verlesung von Entschließungsanträgen so einzuplanen, daß sie innerhalb der geschäftsordnungsmäßig vorgesehenen Redezeit erfolgen kann.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner, der eine tatsächliche Berichtigung machen will. Herr Abgeordneter, Sie kennen das Wesen der tatsächlichen Berichtigung. – Bitte.

17.15

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wabl hat behauptet, ich hätte in meinem Debattenbeitrag verlangt, daß das österreichische Militär im Kosovo einschreitet. – Das ist unrichtig.

Ich habe vielmehr die Hoffnung gehabt, daß die Grünen Ihre Zustimmung geben, wenn man im Kosovo, dann, wenn Verhandlungen nicht mehr helfen, Miloševi% auch mit militärischen Mitteln davon abhält (Abg. Öllinger: Wer ist "man"?), daß er weiter mordet und weiter vertreibt. Sie wissen ganz genau, daß die NATO die einzige Organisation ist, die dazu in der Lage ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Wer ist "man"?)

17.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich halte noch fest, daß der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Wabl verlesen hat, geschäftsordnungsgemäß überreicht wurde und in die Verhandlung mit einbezogen wird.

Als vorläufig letzter Redner in dieser Debatte hat sich Herr Abgeordneter Jung zu Wort gemeldet. 7 Minuten an Redezeit stehen Ihrem Klub noch zur Verfügung. – Bitte.

17.16

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Freiheitlichen und Grünen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Wabl hat hier wieder einmal das klassische Beispiel eines phrasendreschenden "Gutmenschen" gegeben. (Beifall des Abg. Scheibner. ) Sie haben die ÖVP und uns gefragt, was wir im Jahre 1989 als die Kosovo-Problematik neben anderen Problematiken im Balkanraum akut wurde, dagegen getan haben. Herr Kollege Wabl, Sie meinen doch nicht im Ernst, daß der Herr Miloševi% auf die ÖVP oder auf die FPÖ aus Österreich gehört hätte! Das ist doch geradezu lächerlich, der hat zu diesem Zeitpunkt auch auf die Amerikaner nicht gehört. (Abg. Dr. Krüger: Auf den Wabl auch nicht!) Was soll denn das? Was ist das anderes als Phrasendreschen?

Dann habe ich Ihnen noch etwas zu sagen, Herr Kollege Wabl, und ich habe eine Zeitlang überlegt, ob ich das jetzt sagen soll. (Abg. Wabl: Sie mit Ihrem Heeresnachrichtendienst waren ja unten, Sie haben ohnehin alles gewußt! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Sind Sie jetzt fertig, Herr Kollege? – Jetzt sage ich Ihnen nämlich etwas, Sie "Obergutmensch": Ich habe von 1991 bis 1995 – jetzt kommt nicht der Heeresnachrichtendienst – nachweislich mehr als 40 000 S an zwei Familien in Restjugoslawien gezahlt. Sie "Obergutmensch", ich weiß nicht, wie viele das bei Ihnen gemacht haben. Geben Sie endlich einmal Ruhe mit Ihrem "Gutmenschdasein" und mit Ihrem schablonenhaften Einteilen! Ich habe das bis oben satt – und viele andere auch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Realität und zu Ihrer Anfrage zurück. Sie haben ja in Ihrem Zorn auf die FPÖ vergessen, daß Sie die Anfrage eigentlich an den Innenminister richten wollten. Es geht bei Ihnen in erster Linie um die Nichtanerkennung von Sprüchen zur Frage der Asylgewährung oder Nichtgewährung. In dieser Frage können Sie die Beamten nur sehr beschränkt oder nicht kritisieren, denn die Beamten vollziehen die Gesetze, die ihnen von diesem Haus hier gegeben wurden, und es gibt bisher keinen Beweis, daß ein Beamter dagegen verstoßen hätte. Sie werfen da Menschen etwas vor, die sich nicht dagegen wehren können. Das ist einmal Faktum Nummer 1. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Moser hat gemeint, es müßte das Solidaritätsprinzip gelten. – Frau Kollegin, für die Arbeit der Beamten gilt immer noch das Legalitätsprinzip. Das andere, das, was den Bereich der Solidarität betrifft, können wir in diesem Haus hier vorgeben. Der Beamte hat die Gesetze so zu vollziehen, wie wir es ihm vorgeben. Daher: Greifen Sie nicht die Falschen an! Da müssen Sie die SPÖ, die ÖVP angreifen, aber lassen Sie die Beamten damit in Frieden! – Soweit diese Sache. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jede andere Verhaltensweise würde außerdem, und das sei Ihnen auch gesagt, zu einem völligen Chaos führen; wir haben es ja heute gehört. In welche Staaten ziehen die Asylanten und Flüchtlinge am liebsten? – Klarerweise, jeder würde das tun, dorthin, wo es ihnen am besten geht: Sie kommen nach Österreich, sie kommen nach Deutschland. Das allein zeigt, daß Ihre Vorwürfe gegenüber der Republik Österreich oder gegenüber Einzelpersonen ungerechtfertigt sind, denn sie kämen ja nicht nach Österreich, wenn sie hier nicht gut aufgenommen würden. Auch das zeigt die Haltlosigkeit Ihrer Vorwürfe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber in diesem Zusammenhang ist noch ein viel wichtigerer Punkt anzusprechen: Wenn Sie im Kosovo wirklich etwas ändern wollen, wenn Sie verhindern wollen, daß es zu viel schlimmeren Vorfällen kommt, als das jetzt der Fall ist, dann hätten Sie diese Anfrage heute nicht an den Innenminister richten müssen, sondern an den Außenminister. Dann hätten Sie Herrn Dr. Mock fragen müssen, was er, was der Vorsitz und was die EU zu tun gedenkt, damit die Lage dort


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unten ... (Rufe: Nicht Mock! Schüssel!) Bitte um Entschuldigung, Herrn Dr. Schüssel. Ich habe mir einen Besseren gewünscht als jenen, der jetzt den Vorsitz führt. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Dann hätten Sie den Außenminister fragen müssen, was sich dort tut, und was dort noch passieren wird, wenn wir nicht eingreifen, wenn Europa nicht etwas unternimmt.

Das ist keine neue Erkenntnis, das hat man schon vor drei, vier, fünf Jahren gewußt, zu Beginn des Balkanfeldzuges. Diese Situation dort – das sage ich Ihnen heute, und ich hoffe, ich muß Sie nicht daran erinnern – wird noch wesentlich schlimmer werden, schlimmer als damals in Jugoslawien. Denn da geht es nicht nur um den Kosovo, da geht es um die Frage Mazedonien. Wenn es um Mazedonien geht – Bulgarien hat wegen dieses Gebietes drei Kriege geführt –, kommen die Türkei und Griechenland dazu; der ganze Balkanraum bis hinunter zur Türkei wird zu einer Krisenregion. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Da gilt es, rechtzeitig etwas zu tun. Aber es werden hier ja allgemein nur Phrasen gedroschen – gerade von Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen! (Abg. Schieder: Dann sagen Sie, was Sie tun wollen! Wollen Sie Belgrad bombardieren?)  – Herr Kollege Schieder! Ich sage Ihnen: Das Bombardieren in Bosnien und Herzegowina hat dort das Ende des Krieges herbeigeführt. (Abg. Schieder: In Belgrad wird es die Menschen töten!)  – Es hat auch in Bosnien Menschen getötet, sonst hätte es nicht gewirkt. (Abg. Schieder: Ihre Haltung ist zynisch!)

Nein, Herr Kollege, das ist nicht zynisch, das ist die Realität. Es stellt sich bestimmt die Frage, ob Menschenleben zu Schaden kämen. Aber ich sage Ihnen: Durch Ihre Haltung – und die ist bequem, denn die kann man leicht in der Öffentlichkeit vertreten – kommen viel mehr Menschen ums Leben. (Abg. Scheibner: 300 000 Tote in Bosnien!) Denn die "paar" Soldaten, die draufgezahlt haben, waren auch die Unschuldigen, man hat nicht Miloševi% getroffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hunderttausende Zivilisten sind davon betroffen, Herr Kollege Schieder. Was sagen Sie diesen Leuten? Das ist die "Gutmenschenhaltung", die ich in all diesen Redeweisen angreife. Es ist immer leicht, es ist bequem, sich auf diese Position zurückzuziehen und das zu sagen, was sich schön anhört und was in der Öffentlichkeit aufgenommen wird. Es ist aber etwas ganz anderes, und das ist auch das Problem vieler Offiziere ... (Abg. Schieder: So eine Haltung ist furchtbar! Bei einem Offizier ist das doppelt furchtbar!)  – Ist es nicht furchtbarer, Herr Kollege, zuzuschauen, wenn Hunderttausende Frauen, Kinder, Zivilisten umgebracht werden? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Lieber Belgrad bombardieren!)  – Ich habe nicht gesagt: Belgrad bombardieren. (Abg. Schieder: Furchtbar!) Das haben Sie gesagt. Das bleibt Ihnen überlassen.

Es geht darum, entsprechend zu zeigen, daß man es ernst meint. Als die NATO nur ein einziges Mal versucht hat zu zeigen, daß man es ernst meint, da hat Österreich wieder gekniffen – selbst bei den Übungen. Man hat nicht einmal die Überfluggenehmigung erteilt, obwohl der Herr Außenminister vorher ausdrücklich gesagt hat, was den Kosovo betreffe, könne man nicht neutral sein. Auch das ist ein "Gutmenschentum", das ich der ÖVP vorwerfe. Auf der einen Seite reden, wenn es aber auf den Punkt kommt, dann trauen Sie sich nicht. Das ist das Faktum. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.23

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Wabl hat gefragt, was die Bundesregierung, was die Volkspartei, was die Sozialdemokraten getan haben, als die Verfassung von 1974 des früheren Jugoslawiens einseitig durch Miloševi% außer Kraft gesetzt und der quasiautonome Status des Kosovo beendet wurde.

Ich darf es Ihnen sagen: Mit dem Moment, als dies geschah, hat es ständige Interventionen des Außenministeriums in Serbien gegeben. Seit Beendigung der Autonomie des Kosovo wurde die KSZE damit befaßt. Der damalige Außenminister Mock hat die erste Stufe des KSZE-Verfahrens eingeleitet, dann die zweite Stufe. Das ist keinem einzigen anderen Fall in Europa je ge


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schehen. Es hat auf Parteienebene der Sozialdemokraten und der EDU im Kosovo, wo man mit Herrn Rugova, Herrn Krasnixi und mit anderen Vertretern der Opposition Kontakt aufgenommen hat, eine Reihe von Fact-finding-Missions gegeben.

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Kollege Wabl: Es war Ihre Abgeordnete Marijana Grandits, die mit Herrn Kollegen Schieder und mir in die Krisenregion gefahren ist. Deswegen habe ich mich jetzt zu Wort gemeldet, damit diese Dinge nicht unbeantwortet im Raum stehen bleiben. Es war dieses Hohe Haus, das eine Altparteiendelegation auf den Balkan geschickt hat. Wir waren bei Miloševi%, Herr Schieder, Frau Grandits und ich. Wir haben Miloševi% intensiv nach dem Kosovo gefragt.

Er hat uns damals angeboten – Peter Schieder, du erinnerst dich –, in den Kosovo hinunterzufliegen – er stelle uns ein Flugzeug zur Verfügung – um die geschlossene Universität zu inspizieren. Wir haben uns massiv für die Öffnung der Universität eingesetzt.

Ihre Kollegin, Marijana Grandits, hat im übrigen im Rahmen dieser Mission dem damaligen Präsidenten Tudjman schwerste Fragen betreffend Waffen et cetera gestellt. Das heißt also, wir haben uns konsequent und immer für die Menschenrechte der Albaner im Kosovo eingesetzt. Alois Mock hat viele, viele Male persönlich telefoniert, interveniert, er hat sogar deshalb den Ruf bekommen, die Serben ungerecht zu behandeln. Diese Politik ist von Wolfgang Schüssel, auch jetzt als Ratsvorsitzendem, konsequent weitergeführt worden.

Eine Haupttätigkeit des Außenministers und Vizekanzlers Wolfgang Schüssel und der gesamten Bundesregierung ist es, die Menschenrechte im Kosovo zu schützen. Ich meine, das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir haben jetzt über zwei eingebrachte Entschließungsanträge abzustimmen.

Zuerst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen betreffend humanitäres Aufenthaltsrecht für Kosovo-Flüchtlinge.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Unterstützung Ungarns zur Sanierung des Auffanglagers in Györ.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen zur Durchführung einer kurzen Debatte. Diese kurze Debatte betrifft den Antrag des Abgeordneten Mag. Haupt, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 767/A (E) betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 eine Frist bis 16. Juli zu setzen.

Die Abstimmung über diesen Antrag erfolgt nach Schluß der Debatte.

Wir beginnen jetzt mit der Debatte.


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Ich rufe die Geschäftsordnungsbestimmungen in Erinnerung, daß kein Redner länger als 5 Minuten reden darf. Der Erstredner hat allerdings 10 Minuten zur Verfügung. Auch für Mitglieder der Bundesregierung und für Staatssekretäre gelten 10 Minuten als Richtgröße.

Ich erteile zunächst Herrn Abgeordneten Gaugg zur Begründung dieses Antrages das Wort. Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

17.28

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Da über eine solch wesentliche Frage wie die Olympiabewerbung von Klagenfurt – Friaul – Slowenien beraten wird, wundert es mich schon, daß es kein einziges Regierungsmitglied der Mühe wert findet, bei dieser Debatte anwesend zu sein, welche beim Bundesfinanzgesetz ja schon Gegenstand von Diskussionen war.

Wir halten es für eine der wesentlichsten und wichtigsten Entscheidungen in den kommenden Jahren für das Bundesland Kärnten, daß eine Bewerbung nicht oberflächlich, leichtsinnig und halbherzig vollzogen wird, sondern daß die gesamte wirtschaftliche und politische Kraft eines Bundeslandes, aber auch der Republik Österreich dahinterstehen sollte.

Dabei appelliere ich in aller Ernsthaftigkeit gerade an die sozialdemokratischen Abgeordneten des Landes Kärnten, sich dieser Verantwortung bewußt zu sein. Diese Olympiabewerbung, die eine Jahrhundertchance darstellt, darf nicht zum Spielball parteipolitischen Taktierens absacken. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe des Abg. Smolle.  – Heiterkeit der Abg. Tichy-Schreder.  – Abg. Smolle: Das ist ein gutes Schlußwort!)

Ich habe den Eindruck, daß es die Sozialdemokratische Partei in Kärnten noch nicht überwunden hat ... (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Smolle. )  – Kollege Smolle, vielleicht verstehe ich dich auf Slowenisch leichter. Es scheint jedenfalls so zu sein, daß es die Sozialdemokratische Partei noch immer nicht verkraftet hat, daß sie seit dem Jahre 1989 keine absolute Mehrheit mehr in Kärnten hat, daß sie sich seit damals zu einem Intrigantenhaufen entwickelt hat, der meuchelmordend die eigenen Funktionäre letztlich ins Abseits stellt, daß der jetzige zuständige Sportreferent Ausserwinkler sowohl als Spitzenkandidat in Frage gestellt wird als auch auf Bundesebene als Gesundheitsminister nicht gerade eine besondere Leuchte war.

Ich muß sagen, aus dem "Auwi" ist ein "Auweh" geworden (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen), der zunächst einmal die Alleinvereinnahmung für die SPÖ bei der Olympiabewerbung betrieben hat, dann gesehen hat ... (Abg. Mag. Peter: Freund Gaugg! Diese Wahlrede mußt du in Kärnten halten! Das ist ja eine Wahlrede!)  – Nein, das ist auch hier sehr wichtig.

Lieber Herr – was immer du bist – Präsident der Hoteliervereinigung! Das ist ein ganz entscheidendes Thema, gerade für einen Hotelier im Tourismus, der angesichts von 33 000 Arbeitslosen doch daran Interesse haben müßte, daß, wenn schon nicht Salzburg und Tirol, so doch Kärnten bei der Olympiabewerbung berücksichtigt wird, weil wir dringend Arbeitsplätze und infrastrukturelle Maßnahmen brauchen, die zur Vorbereitung der Olympiakandidatur notwendig sind.

Aber in unserem schönen Land Kärnten gelingt es der SPÖ im besonderen ja immer wieder, bei der Auswahl der Manager danebenzugreifen – ob das bei der HW, der KTG, in den Landeskrankenanstalten oder beim Olympiamanager ist, da wird also zunächst einmal nach der Zuteilung der Olympischen Spiele geschlafen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann kommt jemand, der aus der dritten Garnitur eines Privatunternehmens als Wunderwuzi erscheint, und man braucht Wochen, bis man dahinterkommt, daß er vielleicht doch nicht der Geeignete ist. Wieder ist diese "Nudler-Partie" gelähmt, bis man dann zu einem greift ... (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Wie bitte? "Nudler-Partie"? Was ist das? Unerhört!)

Herr Abgeordneter Khol! Das, was die SPÖ in Kärnten fabriziert hat, war und ist eine "Nudler-Partie". (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen. – Anhaltende Rufe bei SPÖ und ÖVP: Das ist unerhört!) Ich kann Ihnen das sagen, wissen Sie warum? – Ich finde keine anderen Worte. Ich kann auch Totalversager sagen, alles, was Sie sich dabei denken können!


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Herr Kostelka! Sie können es gern hören, aber es werden Ihnen Ihre Parteifreunde, die im Sportbereich in Kärnten tätig sind ... (Abg. Dr. Kostelka: Ich brauche es nicht zu hören, der Herr Präsident muß es hören!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Entschuldigen Sie, vielleicht können wir uns jetzt wieder ein bißchen beruhigen, ja? Nur nicht gegenseitig aufstacheln! (Rufe: Herr Präsident! Der sagt "Nudler-Partie"!)  – Nein, nein, ich habe auch Zwischenrufe gehört, die ich lieber nicht gehört haben will.

Ich bitte jetzt um einen gemäßigten Ton vom Pult aus, und unterlassen Sie die Zwischenrufe. (Ruf bei der SPÖ: Das Wort verrät den Menschen!)

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Wissen Sie, was mich stört? Daß, wenn die FPÖ einen Antrag auf der ... (Ruf bei der SPÖ: Der lebt von der Gunst des Präsidenten! – Abg. Marizzi: Sie können uns doch nicht als "Nudler-Partie" bezeichnen!)

Beruhigt euch doch! Ihr braucht ja nicht so nervös zu sein, wenn wir euch erwischen. Schaut, ihr braucht nur diesem Fristsetzungsantrag, der bis 16. Juli gilt, die Zustimmung zu erteilen, dann könnte ich meinen Redebeitrag abkürzen. Es ist meiner Meinung nach schon entscheidend, ob man einer Bewerbung ernsthaft ins Auge sieht, oder ob man sie nur als Scherz im Hinblick auf die kommenden Wahlauseinandersetzungen in den Bundesländern sieht. (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Weil ja Salzburg und Tirol ... (Abg. Marizzi: Sie können uns doch nicht als "Nudler-Partie" bezeichnen!) Lieber Freund Marizzi, ausnahmsweise sind da deine Kärntner Freunde gemeint, damit wir es eingrenzen, damit die Aufregung nicht so groß ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es wurde zugesagt, es würden alle Garantien schon seit Wochen und Monaten vorliegen. Tatsache ist, daß sie erst jetzt vorliegen. Und obwohl sie aus Slowenien, aus Friaul, aus Kärnten, aus Klagenfurt vorliegen, sind Sie nicht bereit dazu, einem Antrag zuzustimmen, der der Bewerbung eine entsprechende Bedeutung gibt. Gemäß Punkt 18 dieser Bewerbung, die spätestens am 1. September dieses Jahres abzugeben ist, sind Garantieerklärungen des Bundes erforderlich, die Haftung dafür zu übernehmen, daß diese Olympischen Spiele durchgeführt werden – Garantien für die Kandidatur, Garantien für die baulichen Maßnahmen und Garantien für Finanzen und so weiter. Und diese Garantieerklärungen fehlen.

All diese Dinge werden von Ihnen dazu benutzt, um ein Gelingen ja nicht zu garantieren. Anscheinend sind Ihnen die Wahlen in Salzburg und Tirol ebenso wichtig wie in Kärnten. Ihr Motto ist daher: Wir brauchen vorher keine Entscheidungen und lassen die Kärntner alleine im Regen stehen.

Die Bewerbung und die Vorbereitung für den Besuch in der Olympiastadt Nagano sprechen Bände: Sion druckte Sonderpostmarken, führte Werbefeldzüge, Turin war durch Agnelli in Nagano vertreten, der sich dort mit allen IOC-Mitgliedern traf. – Was ist mit den Kärntnern gewesen? Die haben nicht einmal Akkreditierungen gehabt, um entsprechend wirken und agieren zu können. Es ist auch zugesagt worden, es werde Sponsoren geben. Man weiß, daß sich die Einnahmen bei Olympischen Spielen zu 34 Prozent aus Sponsorgeldern zusammensetzen. Kärnten war aber bis heute nicht in der Lage, diese nachweisen zu können; also liegt auch da schweres Versagen des Sportreferenten Ausserwinkler vor.

Diese Olympischen Spiele, die mit einem hohen finanziellen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Risiko verbunden sind, werden dilettantisch von jemandem weiterbearbeitet, bei dem sich die SPÖ nicht einmal sicher ist, ob es vernünftig ist, ihn an der Spitze der Partei zu belassen.

Geben wir doch der Jugend, dem Tourismus, den Arbeitnehmern eine ernsthafte Chance, am Aufbau der Olympischen Spiele im Bundesland Kärnten, in der Stadt Klagenfurt, in Friaul und Slowenien, mitzuarbeiten! Sie sind es ja, die immer von der Internationalisierung sprechen, die immer davon sprechen, daß es notwendig ist, länderübergreifende Maßnahmen zu setzen, die


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angeblich alle davon begeistert waren, bis hin zum Herrn Sportsprecher Grabner, daß es notwendig ist, diese Spiele in Kärnten durchzuführen. Ich nehme an, er steht noch zu seinem Wort, daher würde ich ihn doch bitten, daß er einmal in erster Linie an die Kärntner Abgeordneten appelliert, daß sie auch zu diesem Gedanken stehen.

Ich frage noch einmal: Wo ist die wirkliche Hemmschwelle, einem Antrag zuzustimmen, der der Olympiabewerbung, wie sie vorliegt, eine solide und seriöse Chance gibt? Das ist unabhängig davon, wie hoch die Aufwendungen tatsächlich sein werden, denn die Experten betonen immer wieder: Wenn die Olympischen Spiele gut vermarktet werden, dann gibt es auch keine finanziellen Einbußen für eine Region, sondern eine entsprechende Belebung.

Das erwarte ich mir, weil das einfach für das Bundesland Kärnten notwendig ist. Daher mein Appell, daß diese Olympischen Spiele in Klagenfurt, Friaul und Slowenien zu einer nationalen Angelegenheit werden, denn wir haben nur einen Bewerber. Ich wünsche mir, daß alle Abgeordneten dieses Parlaments diese Chance erkennen und ergreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Gaugg! Es hat sich in den Debatten der letzten Monate gezeigt, daß hier zunehmend ein Ton einreißt, der eindeutig eine persönliche Verunglimpfung ist, und ich glaube, das schadet dem Parlament als Ganzem.

Ich möchte Ihnen ausdrücklich sagen, daß der Begriff "Nudler-Partie" ein Ausdruck einer solchen Verunglimpfung ist. Sie haben ihn mehrfach verwendet, wie ich mich jetzt vergewissert habe, und ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.

Ich möchte Sie aber nochmals bitten, meine Damen und Herren, dieser Art der Verunglimpfung, die eine ganz spezifische Form hat, hier ein für allemal ein Ende zu machen.

Herr Abgeordneter Kostelka! Sie haben sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet.

17.38

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich danke Ihnen für die objektive Führung der Geschäftsordnung. Ich wollte nach § 103 der Geschäftsordnung einen solchen Ordnungsruf verlangen, weil es für mich unerträglich ist, daß ein wesentlicher Teil der Bevölkerung eines ganzes Bundeslandes auf diese Art und Weise beleidigt wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Leikam. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

17.38

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausdruck "Nudler-Partie" ist ja im Zusammenhang ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Bitte, können wir jetzt diesen Begriff vergessen! Ich habe soeben klar zum Ausdruck gebracht, daß ich das ablehne. – Bitte. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Abgeordneter Anton Leikam (fortsetzend): Der ... (Abg. Schieder: Er hat es nicht zurückgenommen! Er hat einen Ordnungsruf bekommen, aber er hat sich ja nicht entschuldigt!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Am Wort ist der Abgeordnete Leikam, sonst niemand. Ich bitte auch, diese Zwischenrufduelle jetzt einzustellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Anton Leikam (fortsetzend): Trotzdem noch einmal: Der Ausdruck "Nudler-Partie" ist im Zusammenhang ... (Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Ja, Sie wollen das


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nicht hören. Das wird Ihnen sehr weh tun, meine Damen und Herren! Das wird Ihnen sehr weh tun, denn dieser Ausdruck ist im Zusammenhang mit dem Wunderwuzi gefallen, der aus der Privatwirtschaft geholt wurde, um die Olympiabewerbung zu vermarkten. Dieser Wunderwuzi aus der Privatwirtschaft war ein Industriemanager eines großen Kärntner Betriebes und wurde einstimmig – einstimmig! –, auch mit den Stimmen der zwei freiheitlichen Landesregierungsmitglieder von der Kärntner Landesregierung bestellt.

Also dieser Wunderwuzi aus der Privatwirtschaft ist auch über Wunsch der Freiheitlichen bestellt worden und muß daher auch in diesen Ausdruck mit eingebunden werden, der hier soeben am Rednerpult gebraucht worden ist. Auch Sie haben in Ihren Reihen diese Art von Menschen, wie sie Herr Abgeordneter Gaugg hier angesprochen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man dem Abgeordneten Gaugg zugehört hat, dann ist einem einmal mehr klargeworden, warum Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Grasser fluchtartig die Landesregierung verlassen hat: Es ist undenkbar, mit solchen Leuten überhaupt arbeiten zu können. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Krüger. ) Es ist undenkbar, mit Leuten ein solch großes Projekt verwirklichen zu können, die, wie wir soeben gehört haben, in einer unglaublich herabmachenden Art und Weise über andere, die sich sehr stark engagieren, herfallen.

Meine Damen und Herren! Österreich hat international – insgesamt und im Sport – eine hervorragende Reputation. Das beweisen die vielen Großveranstaltungen in unserem Lande: Weltmeisterschaften und Weltcupveranstaltungen in vielen Sparten. Diese internationale Reputation wird uns helfen, unser großes gemeinsames Ziel auch erreichen zu können.

Ich halte es wirklich für eine ganz arge Beleidigung der Hunderten ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter im Bewerbungskomitee für die Olympischen Spiele 2006 in Klagenfurt, wenn der Repräsentant der Freiheitlichen Partei das Ganze als oberflächlich und halbherzig abtut. Das ist eine Beleidigung dieser Mitarbeiter in allen Komitees, die tüchtig arbeiten und zeitlich voll im Plan sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schwarzenberger. )

Sie sind in Ihrer Art, Politik zu machen, von einem unglaublichen Vernichtungsdrang begleitet, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Es ist wirklich nicht mehr begreifbar, wie Sie in diesem Lande Politik machen wollen. Das Wort "Konsens" ist für Sie anscheinend ein Fremdwort, das kennen Sie ganz einfach nicht! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Instabilität ist offenbar der Mittelpunkt Ihrer politischen Überlegungen. Sie brauchen das, um Ihre politischen Ziele zu verwirklichen. Lassen Sie wenigstens die Olympiabewerbung aus dem Spiel, wenn Sie hier Ihre parteipolitischen Ziele verfolgen wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nun noch einmal zum Antrag der Freiheitlichen. Der Vorteil, wenn man vormittag dieselbe Diskussion führen kann wie am Nachmittag, liegt zweifellos auch darin, daß man noch mehr Informationen einholen kann, um auch darauf eingehen zu können. Zu diesem Antrag darf klar gesagt werden – ich habe mich jetzt noch einmal vergewissert, auch beim zuständigen Anwalt der Olympiabewerbung und nach Rücksprache beim Internationalen Olympischen Comit頖, was von der Bundesregierung erwartet wird. Es wird erwartet, daß die Bundesregierung eine quasi politische Erklärung abgibt, in der sie sich verpflichtet, daß der Vertrag zwischen dem Internationalen Olympischen Comité beziehungsweise der Olympischen Charta und der Veranstalterstadt auch vollinhaltlich eingehalten wird.

Meine Damen und Herren! Es ist ganz einfach nicht denkbar und auch nicht möglich, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt klare zahlenmäßige Garantieerklärungen abgegeben werden können, weil der Vertrag zwischen dem IOC und der Veranstalterstadt Klagenfurt erst nach einem eventuellen Zuschlag abgeschlossen wird. (Abg. Grabner: Absichtserklärung!) Daher genügt es dem Internationalen Olympischen Comit頖 und auch dahin gehend habe ich mich noch einmal vergewissert –, daß diese Garantieerklärung von der Bundesregierung als politische Absichtserklärung abgegeben wird. Daher brauchen wir diesen Antrag nicht. Wir brauchen auch diese Ermächtigung nicht, weil in dieser Garantieerklärung kein Betrag enthalten sein wird. Das ist die formelle Vorgangsweise. Nehmen Sie das bitte noch einmal zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. –

 


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Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
 – Das ist uns nicht jetzt eingefallen, sondern wir beschäftigen uns eben mit der Olympiabewerbung. Wir beschäftigen uns damit!

Meine Damen und Herren! Abschließend noch einmal zurück zu den Managern. Es wurde ein zweiter Manager bestellt, der angeblich der Wunschkandidat der Freiheitlichen, vor allem aber der Wunschkandidat des Parteiobmannes Haider war. Er ist nicht einmal einen Tag im Amt gewesen, da mußte er schon wieder zurücktreten. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Die Redezeit ist abgelaufen.

Abgeordneter Anton Leikam (fortsetzend): Gut, ist mir auch recht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. – Bitte.

17.44

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gaugg hat von dieser Stelle aus appelliert: Die Jahrhundertchance Olympia 2006 darf nicht zum politischen Spielball werden. Kollege Gaugg! Ich stimme dir zu. Ich frage dich nur: Warum hast du dann heute hier den Wahlkampf für Kärnten eröffnet, acht Monate vor der Zeit?

Zweite Frage: Warum verwendest du zur Bezeichnung deiner politischen Mitbewerber Ausdrücke wie "Nudler-Partie" und ähnliches? Glaubst du, daß das dazu geeignet ist, ein gemeinsames Vorgehen zu erreichen? Damit liegst du total daneben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist nämlich schon öfter vorgekommen, daß die Freiheitliche Partei mit einem Fuß auf der Bremse gestanden ist, während sie mit dem anderen versucht hat, Gas zu geben. Heute versucht sie sogar, Vollgas zu geben in einer Frage, in der man bisher alles blockiert hat, was nur blockierbar war. Ich brauche nur die diversen Zeitungsnotizen des letzten halben Jahres zu zitieren, um euch das zu beweisen.

Am 23. Dezember 1997 steht im "Standard" zu lesen: FP-Chef Jörg Haider hat mehr als einmal signalisiert, daß ihm Kärntens Dreiländerbewerbung ein Dorn im Auge ist. Wirtschaftslandesrat Karl-Heinz Grasser, ein erklärter Senza-Confini-Befürworter, soll jetzt offensichtlich innerparteilich isoliert werden. – Das ist geschehen, er ist weg! Er ist nicht freiwillig gegangen, das könnt ihr irgendwo erzählen, aber nicht in diesem Haus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die nächste öffentliche Äußerung stammt vom 9. Februar 1998. Haider: Slowenien nicht olympiareif. – Glaubt irgend jemand, daß die Slowenen das nicht lesen? Heute will man aber von ihnen haben, daß sie Garantieerklärungen abgeben, daß sie mit uns gemeinsame Gesellschaftsverträge machen. Glaubt ihr, daß das ein positiver Beitrag für die Olympiabewerbung war? Mitnichten! So schaut das aus.

Ihr habt also bisher alles sabotiert, was pro Olympia gewesen ist. Zwei Manager wurden auf Intervention der Freiheitlichen Partei beseitigt. Herr Schwab aus dem Ennstal ist gar nicht erst angetreten, und den zweiten, Novak, hat man dann solange traktiert, bis er von sich aus das Handtuch geworfen hat. Und heute wollen Sie mit Ihrem Fristsetzungsantrag die Flucht nach vorne antreten? – Ich darf Ihnen sagen: Die Menschen in Kärnten glauben Ihnen nicht. Sie glauben Ihnen das nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir als Volkspartei haben es nicht notwendig, Ihre Fluchtbewegungen mitzumachen. Wir hatten nämlich von Anfang an eine klare und eindeutige Haltung und haben ein klares und deutliches Ja zur Olympiabewerbung 2006 gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Nur deswegen ist es heute möglich, einen Gesellschaftsvertrag auf den Tisch zu legen, wobei die Stadt Klagenfurt 0,8 Millionen, das Land Kärnten 3,2 Millionen, Slowenien 4 Millionen und


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Friaul ebenfalls 4 Millionen Schilling eingebracht haben. Das ist die Grundvoraussetzung, sonst bräuchten wir gar nicht an das IOC heranzutreten.

Das zweite: Es liegt auch die Garantieerklärung von Friaul – von Slowenien wird sie diese Woche nachgereicht, vom Kärntner Landtag wurde sie vergangene Woche beschlossen – vor; aber nur, weil es einen Konsens von zumindest zwei Parteien in diesem Bundesland gegeben und weil man die Wertigkeit dieser großen Chance erkannt hat.

Kollege Gaugg! Als Kärntner bin ich davon überzeugt, daß uns die Republik Österreich in dieser Frage nicht im Stich lassen wird. Wir vertrauen auf unsere Regierung, und wir vertrauen auf unser Parlament. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, daß Österreich, sobald die Vorarbeiten auf der regionalen Ebene abgeschlossen sein werden, seine Verpflichtung erfüllen und unsere Bewerbung gegenüber dem Internationalen Olympischen Comité entsprechend unterstützen wird. Daher – und das meine ich ernst – fordere ich euch auf, als Fraktion im Land und hier endlich zu begreifen, worum es geht: Österreich und Klagenfurt haben nur eine Chance, wenn es diese Dreiländerbewerbung gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten des Liberalen Forums. – Abg. Dr. Ofner: Wird die Garantieerklärung abgegeben?)  – Die wird abgegeben, Kollege Ofner. Davon kannst du ausgehen.

Aber wir verderben unsere Chancen, wenn wir im innerparteilichen Streit sowohl im Land als auch im Bund nach außen hin ein falsches Signal setzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Deswegen fordere ich euch auf: Gebt eure Trotzhaltung auf! Auch wenn eine Idee von einer anderen politischen Seite kommt, ist sie deswegen noch lange nicht falsch. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Wir waren dafür!)

17.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Mag. Haupt. 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.50

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Wurmitzer! Ich möchte Ihnen zwei Dinge als Korrektur mit auf den Weg geben.

Erstens: Nicht Kollege Gaugg hat heute den Wahlkampf für Kärnten begonnen, sondern Ihre Partei mit dem Oympia-Plakat (Abg. Wurmitzer: Natürlich!) und gleich darauf auch Herr Landesparteiobmann Ausserwinkler, der sich wegen seiner negativen Imagewerte ebenfalls mit einem Olympia-Plakat in einen Vorwahlkampf für die SPÖ geworfen hat, haben damit begonnen, Olympia politisch zu verwerten. (Abg. Schwarzenberger: Und deshalb wollen Sie Olympia zerstören!)

Zweitens: Herr Kollege Wurmitzer! Wir brauchen uns von Ihnen nicht belehren zu lassen, daß wir nichts für Olympia in Kärnten getan hätten und auf der Bremse stünden. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Es ist evident und nachweisbar und für jeden Kärntner, den die Olympiabewerbung interessiert, klar, daß jene Gemeinden, in denen die Freiheitlichen den Bürgermeister stellen und bestimmenden Einfluß haben, die besten Abstimmungsergebnisse für Olympia in Kärnten gehabt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wurmitzer: Daher habt ihr sie auch boykottiert und sabotiert!)

Der Grund dafür ist jedoch nicht, daß Sie diese Olympiabewerbung gefördert haben beziehungsweise Herr Manzenreiter sich in Villach offiziell dagegen ausgesprochen hat, sondern daß die Freiheitlichen von Anfang an hinter der Kärntner Olympiabewerbung gestanden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Wurmitzer und Leikam. )

Herr Kollege Wurmitzer! Ich mache Sie auch darauf aufmerksam, daß sich der Landeshauptmann von Salzburg als schlechter Verlierer erwiesen hat. Auch nachdem die nationale Entscheidung, Kärnten die Zustimmung zu geben, gefallen war, hat Salzburg die Kärntner Bemühungen weiterhin madig gemacht und ist dagegen aufgetreten. Meines Wissens ist der Landeshaupt


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mann von Salzburg kein Parteiangehöriger der Freiheitlichen, auch keiner der Sozialdemokraten, sondern Ihrer Fraktion, Herr Kollege Wurmitzer. Suchen Sie also zuerst im eigenen Umfeld, wer diese Jahrhundertchance für Kärnten im Endeffekt in den Abgrund führen will! Es sind höchst egoistische und private Gründe, warum diese Front in Österreich entstanden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittens: Herr Kollege Wurmitzer! Sie wissen ganz genau, daß, wenn Österreich, wie Generalsekretär Jungwirth in einer öffentlichen Erklärung gemeint hat, bis 1. September 1998 keine vollständige Haftungs- und Garantieerklärung im finanziellen Bereich vorlegen kann, die Olympischen Spiele für Kärnten und für Österreich verloren sind.

Herr Kollege Wurmitzer! Herr Kollege Leikam! Auch diese Äußerungen sollten Ihnen doch einiges zu denken geben. Sie haben heute so getan, als ob eine Garantieerklärung, die die Bundesregierung vielleicht im Juli oder August, oder wann immer sie neben ihren Europavorhaben auch noch für nationale Anliegen Zeit hat, gibt, in entsprechender Form zeitgerecht sein wird. (Abg. Wurmitzer: Mit welchem Budget werdet ihr haften?) Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Wurmitzer, daß das nicht ausreichend sein wird. (Abg. Wurmitzer: Mit dem, was du immer abgelehnt hast?) In Österreich gibt es noch immer eine Finanzverfassung, in der deutlich und klar geschrieben steht, wer für solche Erklärungen budgetär vorzusorgen hat und wer verfassungsmäßig zuständig ist: Wir – das Parlament!

Herr Kollege Wurmitzer und Herr Kollege Leikam! Ich sagen Ihnen in aller Deutlichkeit: Wir Freiheitlichen werden nicht zuschauen, wie dieses Parlament in einer seiner wichtigen Kompetenzen, nämlich in der budgetären, von Ihnen in einer verfassungswidrigen Vorgangsweise beschnitten und an den Rand gedrängt wird. Das werden wir nicht hinnehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Ja, das ist es! Jetzt ist es heraußen!)

Nehmen Sie doch den Fristsetzungsantrag von uns Freiheitlichen auf! Wir könnten das am 16. Juli im Ausschuß erledigen und am 17. Juli, an einem Tag, an dem ohnehin zwei Sondersitzungen stattfinden, diese Garantieerklärungen im Hohen Haus verfassungskonform absegnen. (Abg. Leikam: Jetzt wissen wir, wo ihr hinwollt!)

Herr Kollege Leikam! Es ist kein Absprung, sondern wir Freiheitliche sagen wie immer: Ja zu diesen Olympischen Spielen! Diese müssen sich aber wirtschaftlich für Kärnten und Österreich rechnen und dürfen sich nicht "Senza confini" auf die Fahnen schreiben und die Rechte der altösterreichischen Minderheiten negieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Jetzt wissen wir es! – Abg. Wurmitzer: Jetzt kommt, was im Hinterkopf ist!) Diese Spiele sollten auch endlich jene Aufbruchstimmung für den Tourismus bringen, die diese Branche schon lange benötigt. Denn, Herr Kollege Leikam, auch Ihnen müßte es bekannt sein, daß Olympische Spiele auf Kosten der eigenen Minderheit ein schlechter und teurer Preis sind. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen.)

17.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.54

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Meine Damen und Herren! Wir machen soeben einen Blick in die Niederungen der Kärntner Landespolitik. Dieses wunderschöne Bundesland, in dem so nette Menschen wohnen, hat ein Problem, nämlich seine Landespolitik. Sie bringt diesem Land keine Lösungen, sondern nur Schwierigkeiten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich bin als Oberösterreicher nicht befugt, Schulnoten zu verteilen. Ich maße mir das nicht an. Ich kann nur allen Kärntnern gemeinsam sagen: Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie spielen diese Pradler Ritterspiele bis zum März durch und schädigen weiter die wirtschaftliche Basis Ihres Landes oder Sie kommen zur Vernunft. Aber das ist wohl eine Frage der Kärntner Landespolitik. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Daß diese Olympischen Spiele gemeinsam mit den Nachbarn in Slowenien und Friaul eine großartige Chance für das südlichste Bundesland Österreichs sind, daß dabei kulturell unerhört viel passiert, würde ich die Freiheitlichen bitten, auch dem Heimatdienst und anderen reaktionären Gruppierungen in Kärnten mitzuteilen, die immer noch meinen, daß Kärnten nur dann gut ist, wenn kein Ausländer hereinkommt – und anscheinend sind die Slowenen, die in Kärnten wohnen, auch schon Ausländer. Das ist eure Aufgabe! Die Freiheitliche Partei sollte nicht danach trachten, Stimmen zu ernten, sondern für die gemeinsame Idee Stimmung zu machen – für Friaul, für Slowenien und für Kärnten. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Gaugg: Du hast keine Ahnung!)  – Ich habe keine Ahnung, lieber Gaugg! Das weiß ich, denn ich bin kein Kärntner und nicht so verbohrt wie du.

Meine Damen und Herren! Es geht eigentlich um den Fristsetzungsantrag, dem wir Liberale zustimmen werden. Ich halte es in beträchtlichem Ausmaße für bedenklich, daß die Bundesregierung Beschlüsse für die Haftung über zweistellige Milliardenbeträge faßt, ohne das Parlament, dieses Hohe Haus, damit zu befassen. In § 51 der Bundesverfassung ist die Budgethoheit des Parlaments über das Bundesfinanzgesetz klar festgelegt. In § 77 der Bundesverfassung steht, daß die Bundesregierung das, was wir, die Vertreter des Volkes, in diesem Land beschließen, zu vollziehen hat.

Ich halte es für einen falschen Weg, und das gesamte Parlament, alle Fraktionen, sollten sich meiner Meinung nach gegen diesen Machtübergriff der Bundesregierung verwahren. Denn ihr Motto lautet: Wir beschließen irgendwann einmal im August irgendeine Zusage und werden es dann im Parlament ex post schon richten.

Das ist nicht der Parlamentarismus, den wir Liberale uns wünschen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Und ich bin sicher, daß auch die Damen und Herren der anderen Fraktionen des Hohen Hauses darüber einmal nachdenken müssen, wieweit sich das Parlament von der Regierung emanzipieren und seine eigentliche Rolle, nämlich als Vertreter des Volkes unseres Landes über der Regierung zu stehen, übernehmen sollte.

Meine Damen und Herren! Der Antrag selbst der Freiheitlichen – dem wir mit der Fristsetzung nicht zustimmen; wir stimmen nur zu, daß er behandelt werden soll – verwirrt mich. Wir haben vor drei, vier Stunden, als Herr Klubobmann Haider einen Antrag eingebracht hat, über eine Haftung von 14 Milliarden Schilling diskutiert. In diesem Antrag ist von 11 Milliarden Schilling die Rede. Wieviel sind es nun wirklich? (Abg. Smolle: Einige Milliarden mehr oder weniger ist egal!)

Es sind zwei bedauerliche Tatsachen festzustellen: Einerseits findet es die Bundesregierung offensichtlich nicht der Mühe wert, Haftungen in zweistelliger Milliardenhöhe rechtzeitig über das Parlament zu leiten. Andererseits ist es bedauerlich, wie die Freiheitlichen mit den Milliarden "herumschmeißen". (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

17.57

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz kurz drei Punkte:

Erstens: Die Grünen unterstützen voll und ganz das Projekt "Senza confini". Das wollte ich einmal festgehalten haben. (Abg. Grabner: Da haben wir gut entschieden! Ja?!)

Zweitens: Bei sportlichen Großveranstaltungen dieser Art – bei denen Grüne aus guten Gründen oft ein bißchen skeptisch sind – treten nicht nur finanzielle, organisatorische, legistische und ähnliche Fragen auf, sondern auch ökologische – speziell bei Winterspielen. Ich denke, daß Österreich, Italien und Slowenien die Chance haben, darin neue Wege zu beschreiten.

Drittens: Die nächsten Sommerspiele werden, wenn ich nicht irre, im Jahre 2000 in Sydney stattfinden. Australien hat mit Greenpeace eine Vereinbarung getroffen, daß man in diesem Zusam


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menhang verschiedene ökologische Fragen gemeinsam untersucht und angeht. In dieser oder ähnlicher Form vorzugehen, sollte man sich meiner Ansicht nach auch bei dem Projekt "Senza confini" überlegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. Bitte die Plätze einzunehmen!

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 767/A (E) der Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 eine Frist bis 16. Juli 1998 zu setzen. (Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident! Nach § 66 der Geschäftsordnung ersuche ich um Auszählung der Stimmen!)

Es ist Auszählung der Stimmen verlangt worden. (Abg. Dr. Khol: Wo ist denn der Haider? – Abg. Gaugg: Arbeiten!) Ich bitte die beiden Schriftführerinnen, zu mir zu kommen, um diese Auszählung durchzuführen. (Abg. Dr. Khol: Kein Stadler und kein Haider! – Abg. Leikam: Die Befürworter sind nicht einmal da!)

Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag, der zur Abstimmung steht, gehört.

Ich bitte jetzt jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Dr. Stippel: Oje! Das ist wenig! – Abg. Leikam: Die Hälfte der Fraktion ist dagegen! – Abg. Dr. Khol: Der Haider hat nicht einmal seine Fraktion unter Kontrolle! – Abg. Leikam: Auch der Haider ist dafür! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen. – Abg. Leikam: Da sieht man die Ernsthaftigkeit!) – Es wurden 29 Stimmen für diesen Antrag und 106 gegen diesen Antrag ausgezählt. Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt. (Lebhafte Zwischenrufe.)

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 8 der Tagesordnung wieder auf und erteile als nächster Rednerin der Frau Abgeordneten Hagenhofer das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.02

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Beamten-Dienstrechtsgesetz-Novelle ... (Anhaltende Unruhe im Saal.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete.

Erstens darf ich festhalten, daß Frau Abgeordnete Hagenhofer am Wort ist.

Könnte man zweitens dafür Sorge tragen, daß jemand von der Regierungsseite auf der Bank sitzt?

Bitte, Frau Abgeordnete, setzen Sie fort.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die heute zu behandelnde Beamten-Dienstrechtsgesetz-Novelle soll zunächst einmal in gewissen Dingen Klarheit und Transparenz, aber auch Verwaltungsvereinfachung sowohl für die Arbeitnehmer als auch für den Dienstgeber bringen.

Ich möchte einige Punkte herausgreifen, im speziellen die Schaffung einer zentralen ärztlichen Begutachtungsstelle beim Bundespensionsamt. Die Betrauung der Pensionsversicherungsan


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stalt der Angestellten mit der ärztlichen Begutachtung im Verfahren betreffend Dienstunfähigkeit mußte aufgrund eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs mit Juli 1997 eingestellt werden.

Jener Zustand, den wir vorher zu beseitigen glaubten, nämlich unterschiedliche Begutachtungspraxis etwa bei Beamten durch Begutachtung durch Amtsärzte, wurde dadurch wiederhergestellt. Das hatte neuerlich einen unterschiedlichen Standard beim Zugang zur Dienstunfähigkeitspension zur Folge. Mit der Schaffung einer zentralen ärztlichen Begutachtungsstelle beim Bundespensionsamt soll ein einheitlicher Gutachtenstandard erreicht werden. Künftig wird ein Chefarzt mit sachverständigen Ärzten, die eine spezielle Schulung auch im berufskundlichen Bereich haben, eine einheitliche Begutachtung durchführen.

Sind in bestimmten Fällen zusätzliche Facharztgutachten erforderlich, ist durchaus daran gedacht, auch Fachärzte der verschiedenen Regionen, je nachdem, woher der Beamte oder die Beamtin kommt, mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen. Dieses wird, wie gesagt, wiederum an dieses Bundespensionsamt zur Vorlage an den Chefarzt geschickt, der dann darüber befinden wird.

Ich halte diesen Weg für sehr gut, da einerseits auch dezentrale Gutachten angefertigt werden können, es aber andererseits eine Stelle gibt, die für alle Bundesbedienstete einen einheitlichen Zugang zur Erlangung der Dienstunfähigkeitspension schaffen kann. – Das wäre der erste wesentliche Punkt!

Ein weiterer meiner Ansicht nach sehr wichtiger Punkt ist auch die Änderung der Reisegebührenverordnung in § 39, durch den die Verwaltung insofern vereinfacht wird, als Gendarmeriebeamte, die Exekutivdienst versehen und überwiegend im Außendienst tätig sind, in Zukunft nicht mehr Einzelabrechnungen zu stellen haben, sondern alles in Form von Pauschalvergütung monatlich abgegolten bekommen.

Das ist durchaus sinnvoll, denn es bringt Verwaltungsvereinfachung sowohl für den Dienstgeber Bund als auch für die Beamten im Exekutivdienst. Aus Zeitgründen und aus Zeitdisziplin möchte ich meine Rede schließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Hans Helmut Moser: 5 Minuten, Herr Präsident!)

18.07

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Präsident! Einen Minister oder Staatssekretär auf der Regierungsbank kann man ja nicht begrüßen. Ich bedauere es, daß weder der Finanzminister noch der Herr Staatssekretär diese Debatte ernst nehmen und anwesend sind. Ich darf daher den Herrn Präsidenten bitten, die Sitzung zu unterbrechen, bis der Herr Staatssekretär oder der Herr Minister anwesend ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich habe eine Information bekommen, daß Herr Minister Edlinger in einer Minute kommen wird. Ich bitte um Verständnis. Setzen Sie bitte fort!

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute sechs Tagesordnungspunkte beziehungsweise sechs Berichte des Finanzausschusses in einem, die bedauerlicherweise in überhaupt keinem Zusammenhang stehen. Es hätte daher Sinn gemacht, die Debatte getrennt vorzunehmen.

In dieser Debatte wird über das Beamten-Dienstrecht diskutiert, dann über verschiedene Doppelbesteuerungsabkommen, es geht weiters um die dienstrechtliche Einstufung der Fachhochschulabsolventen und um das Börsegesetz. Ich halte eine derartige Zusammenstellung der Berichte nicht für sinnvoll und schlage vor, das nächste Mal bei der Festlegung der Tagesordnung etwas genauer vorzugehen beziehungsweise die Zusammenstellung so zu gestalten, daß wir vielleicht zu einem Thema eine schwerpunktmäßige Debatte führen können.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag auf die Novelle zum Beamten-Dienstrechtsgesetz konzentrieren. Die Situation im Zusammenhang mit dieser Novelle ist eine etwas skurrile. Wir haben bereits im Ausschuß angemerkt, daß wir eine Novelle zum Beamten-Dienstrecht debattieren mußten, bei der offen und ehrlich gesagt die verschiedenen Angehörigen der Fraktionen nicht wirklich gewußt haben, worum es tatsächlich geht. Es ist eine Novelle, mit der 20 Bundesgesetze zu ändern sind. Wir hatten Abänderungsanträge verschiedenster Art sehr kurzfristig vorgelegt bekommen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine ernsthafte, seriöse Beratung in einem Ausschuß nicht möglich.

Daher ist mein Appell an die Ausschußvorsitzende beziehungsweise an die Regierungsparteien, sich doch endlich eine andere Vorgangsweise zu überlegen. Der Ausschußvorsitzende, Herr Kollege Nowotny, hat zwar angekündigt, daß er in Zukunft erstens den Mitgliedern des Ausschusses die Unterlagen früher übermitteln wird und zweitens auch die Opposition in die vorbereitenden Gespräche und in die Vorberatungen mit eingebunden wird. Die Nachricht hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, meine Damen und Herren.

Nun zum Hauptthema dieser Novelle, zum Beamten-Dienstrechtsgesetz. Meine Damen und Herren! Ich möchte auf drei wesentliche Punkte eingehen. Zunächst darf ich darauf hinweisen, daß es unter anderem um die Änderung des Eltern-Karenzurlaubsgeldes geht. Ich darf Sie daran erinnern, daß der Nationalrat eine Entschließung beschlossen hat, wonach der Begriff "Karenzurlaubsgeld" nicht mehr zu verwenden wäre, weil Karenz kein Urlaub ist und es daher auch kein Karenzurlaubsgeld geben kann. (Abg. Scheibner: Die fünf Minuten sind schon um!)

Der Herr Staatssekretär hat eine entsprechende Prüfung zugesagt. Ich bedauere, daß er nicht anwesend ist und daher dem Hohen Hause keine Antwort geben kann. Ich gehe davon aus, daß er, so wie er es zugesagt hat, von sich aus eine entsprechende Änderung vornehmen wird, sodaß wir die Bezeichnung der Gesetze so wählen, wie es vom Nationalrat tatsächlich vorgesehen wäre und auch vorgesehen war.

Zum zweiten geht es im Rahmen dieser Diskussion und im Rahmen dieser Novelle darum, daß die Bestellung in Funktionen im öffentlichen Dienst, vor allem in leitende Funktionen im öffentlichen Dienst, verändert werden soll, und zwar dahin gehend, daß eine verpflichtende Teilnahme an oder eine verpflichtende Vorverwendung im Rahmen von Praktika verlangt wird. Es ist eine Zusatzqualifikation im Zusammenhang mit Praktika in der Wirtschaft oder in Einrichtungen der Europäischen Union oder in zwischenstaatlichen Einrichtungen vorgesehen. Es wird eine zusätzliche Mobilität verlangt.

Das wird auch begründet, und ich darf dazu aus den Erläuternden Bemerkungen zitieren, weil diese Erläuternden Bemerkungen ein sehr interessantes Sittenbild des öffentlichen Dienstes widerspiegeln und auch zu einer Selbstdisqualifikation des öffentlichen Dienstes führen. Darin steht, daß diese verpflichtende Einführung von Praktika deshalb notwendig ist, weil ein zu langes Verweilen in ein und demselben Arbeitsbereich vor allem bei künftigen Führungskräften zu Überperfektionismus, Betriebsblindheit, mangelnder Kritikfähigkeit, mangelnder Kreativität und zu mangelnder Veränderungsbereitschaft führt.

Meine Damen und Herren! Damit bestätigen und schreiben Sie fest, daß das die Situation im öffentlichen Dienst ist und es deshalb verpflichtende Praktika geben muß, damit das abgebaut wird. Ich frage den verantwortlichen Herrn Minister, warum man nicht schon längst daran gegangen ist, im Rahmen von Laufbahnbildern entsprechende klare Regelungen zu treffen, mit denen sichergestellt wird, daß Spitzenfunktionen im Bereich des öffentlichen Dienstes mit Personen besetzt werden, die nicht in ihrem kleinen Dienstbereich geblieben sind, sondern andere Vorverwendungen im öffentlichen Dienst oder in anderen Bereichen gehabt haben.

Wir bräuchten derartige gesetzliche Regelungen nicht, weil sie in der autonomen Gestaltung des Bundesdienstes ohnehin möglich gewesen wären. Es ist zwar recht schön und gut, aber in Wirklichkeit wird es sehr schwer möglich sein, das Ganze umzusetzen. Denn meine Frage geht auch dahin: Wie wollen Sie das Ganze organisatorisch entsprechend umsetzen und durchsetzen?


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Dritter und letzter Punkt: Ich möchte auf einen Zustand hinweisen, der im Zuge der Debatte aufgetaucht ist und hinsichtlich dessen die Anwesenden nicht wirklich gewußt haben, worum es hier geht. Mit der Novelle zum Beamten-Dienstrechtsgesetz wird klammheimlich die Spitzengliederung des österreichischen Bundesheeres verändert. Ich weiß nicht, Herr Finanzminister – diese meine Frage richtet sich auch an die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion –, ob Ihnen das Ganze so bewußt ist. Im Rahmen dieser Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes wird ganz unscheinbar der bisherige Kabinettschef des Verteidigungsministers zu einem Stabschef des Ministers für Landesverteidigung aufgewertet, und man definiert auch die entsprechenden Kompetenzen.

Ich möchte diese hier vorlesen, damit sie auch im Protokoll festgehalten sind. Dem Stabschef des Ministers obliegen insbesondere die Führung der Gruppe sowie einzelner Abteilungen. – Jetzt wird es interessant: Zur wirkungsvollen Wahrnehmung und Koordinierung dieser Aufgaben besitzt der Stabschef des Ministers den Zugriff auf die Gesamtorganisation des Bundesheeres sowohl in der Zentralstelle als auch im nachgeordneten Bereich. (Abg. Scheibner: Daß das die SPÖ mit beschlossen hat, kann ich mir nicht vorstellen!) Er steht organisatorisch außerhalb und durch seine Besonderheit gleichgeordnet neben den Sektionen des Ressorts. Dem Stabschef obliegt daher auch die Aufgabe der Koordinierung zwischen den einzelnen Sektionen. (Abg. Jung: Da hat Ruttenstorfer nicht aufgepaßt!)

Meine Damen und Herren! Das ist die Funktion eines Generalstabschefs. Die Einführung einer derartigen Funktion entspricht einer hochpolitischen Funktion, meine Damen und Herren! Es ist in allen Ländern üblich, daß derartige Funktionen auch einem entsprechenden demokratischen Kontrollinstrumentarium unterworfen sind. In Österreich geschieht es klammheimlich im Wege einer Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes.

Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, daß sich die sozialdemokratische Fraktion der Situation gar nicht bewußt ist und über den Tisch gezogen worden ist. Auch Ihre Versuche, das Ganze im Rahmen einer Ausschußfeststellung zu korrigieren, ist nur eine schwache Lösung, Herr Kollege Gaál. Ich möchte auch diese Ausschußfeststellung hier kurz kundtun, weil sie das Problem nicht wirklich beseitigt. Das heißt, es wird notwendig sein, diese Frage noch einmal zu diskutieren, und zwar politisch zu diskutieren, inwieweit wir eine derartige Funktion haben wollen.

Ich möchte abschließend für das Protokoll die Ausschußfeststellung verlesen: "Der Finanzausschuß geht davon aus, daß im Rahmen der Zuordnung des Stabschefs des Bundesministers für Landesverteidigung in die Funktionsgruppe 8 der Verwendungsgruppe M BO 1 ... der Zugriff auf die Gesamtorganisation des Ressorts sowie die organisatorische Selbständigkeit nur in bezug auf die in den Erläuterungen angeführten besonderen Funktionen ... besteht und auch nicht mit der ausgeübten Koordinationsfähigkeit verbunden ist." – Eine Ausschußfeststellung, die man fünfmal lesen muß, um sie einmal zu verstehen, und auch dann ist das Problem nicht gelöst. (Beifall beim Liberalen Forum sowie Beifall des Abg. Scheibner. )

Meine Damen und Herren! Einer derartigen Novelle können und wollen wir nicht unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.18

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aus den vorliegenden sechs Berichten des Finanzausschusses nur einen Bericht herausnehmen und für meinen Debattenbeitrag verwenden: Das ist die 1. Dienstrechts-Novelle 1998. Meiner Meinung nach ist sie mit Abstand das wichtigste Gesetzespaket aus diesen sechs Berichten des Finanzausschusses.

Meine Damen und Herren! Es geht hier um ein Gesetzespaket von 21 Gesetzesnovellen auf Basis einer Regierungsvorlage und eines umfassenden Abänderungsantrages des Finanzaus


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schusses. Ich möchte dazu zwei Dinge sagen, die ich auch schon im Finanzausschuß erwähnt habe: Ich gebe offen zu, ich kenne keinen Bereich, bei dem der Unterschied zwischen Formalverfassung und Realverfassung so groß ist wie gerade bei dieser Materie. In Wirklichkeit sollen wir hier Gesetze beschließen, deren Inhalt das Ergebnis monatelanger Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber öffentliche Hand und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ist – Bestimmungen, die in weiten Bereichen eigentlich fast Kollektivvertragscharakter haben, so würde ich sagen. Man muß so ehrlich sein und auch zugeben, daß es auf beiden Seiten – auf seiten des öffentlichen Arbeitgebers und auf seiten der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst – wahrscheinlich nur eine Handvoll Experten gibt, die dieses riesige Gesetzespaket überhaupt überblicken können.

Ich habe daher – das hat ein Vorredner zu Recht gesagt – im Finanzausschuß erklärt, wenn wir noch einmal – da habe ich für meine Fraktion gesprochen – ein solch umfangreiches Abänderungspaket zwei Tage vor dem Ausschuß bekommen, dann werden wir aus Selbstachtung vor dem Parlament dieses nicht mehr beschließen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin diesbezüglich einer Meinung mit meinen Fraktionskollegen und habe auch Verständnis dafür bei Herrn Staatssekretär Ruttenstorfer gefunden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas sagen: Ich glaube, wir sollten uns auch überlegen, ob in der Tat für all diese Dinge, die wir in diesem Paket beschließen, tatsächlich der Gesetzgeber unbedingt aufgerufen ist, das zu beschließen. Ich glaube, wir sollten so ehrlich sein, zu sagen, überlegen wir einmal, ob das nicht eine Änderung in unserem Stufenbau der Rechtsordnung verlangen würde. Es müssen nicht jeder Handgriff, den ein öffentlich Bediensteter macht, und jede Zulage vom Gesetzgeber genau geregelt und definiert werden.

Das ist eine Reglementierung, wie ich sie nicht haben möchte. Ich möchte eine Liberalisierung und eine Delegation von Verantwortung auch für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Punkt: Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir heute dieses Gesetzespaket beschließen, dann sollten wir auch jene Frage prüfen, die mir besonders am Herzen liegt, nämlich ob der öffentliche Arbeitgeber den Slogan "Humankapital ist das wichtigste Kapital" genauso ernst nimmt wie der private Dienstgeber. Ich sage dazu nur ein Beispiel: Wir haben für den Bereich Gesundheitsvorsorge, Arbeitnehmerschutz, Krankheitsprophylaxe ein umfassendes Arbeitnehmerschutzgesetz, welches wir in diesem Haus der Wirtschaft zugemutet haben. Im öffentlichen Dienst gibt es das aber bis heute nicht, mit der Begründung, es wäre zu teuer. Meine Damen und Herren! Entweder oder! – Entweder ist es auch für die Wirtschaft zu teuer, oder es kann sich das auch der öffentliche Dienst leisten! Hier erwarte ich eine Klarstellung dieses Hohen Hauses. (Beifall bei der ÖVP.)

Dritter Punkt, meine Damen und Herren: Wir leben in einer Zeit eines unglaublich rasanten Wandels. Die Welt verändert sich unglaublich rasant, und ich glaube, wir müssen davon ausgehen, daß diese Veränderungen am öffentlichen Dienst nicht vorbeigehen können. Die Bibliotheken sind voll mit Managementliteratur, mit Werken über Management of change, in denen immer ein fundamentaler Grundsatz erwähnt ist, nämlich der Grundsatz, daß man Veränderungswillen nicht verordnen kann, sondern Veränderungswillen muß man gemeinsam erleben und gemeinsam erarbeiten. Ich sage das deshalb, weil jede Veränderung im öffentlichen Dienst, so notwendig sie ist, nur gemeinsam mit den Mitarbeitern und nicht gegen die Mitarbeiter durchgeführt werden kann, meine Damen und Herren! Hier habe ich Verständnis für die Haltung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, auch wenn wir da natürlich in der Position des Arbeitgebers sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Ich glaube, wir sollten auch so ehrlich sein, wenn wir soviel von New Public Management, von Lean-Administration sprechen, und zugeben, daß dieses Ziel nur dann erreichbar ist, wenn wir als Gesetzgeber nicht jeden einzelnen Schritt, nicht jeden einzelnen Handgriff, den der öffentlich Bedienstete tut, via Gesetz und via Novellen festschreiben. Ich glaube, hier wäre ein großer Wurf mit Blickrichtung ins 21. Jahrhundert notwen


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dig. Wir müssen in der Tat einen Liberalisierungsschritt setzen, um auch Flexibilität im öffentlichen Dienst zu erreichen, im Interesse der öffentlichen Mitarbeiter, aber auch im Interesse der Standortqualität Österreichs, meine Damen und Herren!

Denn eines, glaube ich, ist unbestritten, das möchte ich zum Abschluß auch noch sagen, daß die Qualität der öffentlichen Verwaltung ein immer wichtigerer Standortfaktor im weltweiten Wettbewerb wird. Wenn wir heute viele ausländische Investoren anhören und die einzige Fragestellung oft nur lautet: Wenn ich mich entscheide, in Österreich zu investieren, wann kann ich anfangen?, dann heißt das, daß die Frage: Wie lange dauern Genehmigungsverfahren im öffentlichen Bereich? ein unglaublicher Wettbewerbsfaktor geworden ist. Wenn wir heute vom Herrn Wirtschaftsminister gehört haben, welch unglaublicher Erfolg es ist, daß 90 Prozent der Genehmigungsverfahren – 90 Prozent der Genehmigungsverfahren! – bereits unter drei Monaten dauern, meine Damen und Herren, dann sollten wir das auch einmal anerkennen. Wir sollten anerkennen, was diesbezüglich von dieser Regierung und auch vom öffentlichen Dienst an Reformgeist bereits gezeigt wurde. (Abg. Mag. Firlinger: Aber die ausländischen Investoren bleiben auch aus, wenn Sie ...!)

In diesem Sinne stimmen wir auch der vorliegenden Novelle gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.24

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Ich kann vielen Punkten, die Herr Dr. Stummvoll gerade erwähnt hat, sehr zustimmen. Es ist gar keine Frage, daß das eine Materie ist, bei der sich wahrscheinlich nicht einmal eine Handvoll Beamte, Gewerkschafter im Detail auskennt. Ich teile auch Ihre Ansicht, daß das natürlich über weiteste Strecken im Grunde genommen Kollektivvertragscharakter hat, was wir hier beschließen. Die Schwierigkeit, die ich sehe, ist folgende: Wenn im Wirtschaftsbereich Kollektivverträge abgeschlossen werden, dann stehen Arbeitgeberverbände und Arbeitnehmerverbände einander gegenüber, und die Arbeitgeber müssen sich überlegen, wie weit ihre Bereitschaft zu Zugeständnissen ist.

In diesem Bereich ist das anders: Der Arbeitgeber ist nicht der, der jetzt sozusagen das persönliche Risiko unmittelbar zu tragen hätte, und insofern ist es nicht ganz leicht zu sehen, wie wir ein erweitertes Kollektivvertragsmodell auf diese Art von Verträgen ausdehnen können, ohne dabei das Risiko von Verträgen zu Lasten Dritter, nämlich des Steuerzahlers, einzugehen. Das sage ich, obwohl ich selbst Beamter bin und vielleicht von dieser Art der Regelung profitieren würde.

Im Detail, so muß ich sagen, ist diese Regierungsvorlage in den Erläuterungen über weite Strecken ausgezeichnet dokumentiert – ich habe das auch schon im Ausschuß gesagt. Für alle, die es interessiert, enthält sie auch eine übersichtliche Tabelle beispielsweise über den Unterschied zwischen einer Ausgaben- beziehungsweise Einnahmenabschätzung auf der einen Seite und den Kosten beziehungsweise Erlösen auf der anderen Seite. – Diese zwei Dinge können durchaus auseinanderfallen. In ein oder zwei Punkten, die ich im Ausschuß moniert habe, hat mir Herr Staatssekretär Ruttenstorfer inzwischen auch die entsprechenden Informationen gegeben.

Im wesentlichen ist es aber eine Materie für Insider und eine Materie für Glossen für den Vorlesungs-, Hochschul- oder sonstigen Bereich. Zum Beispiel habe ich mit großem Interesse die Kostenabschätzung für den Punkt "Wie wirkt sich der Ausschluß der Einrede des gutgläubigen Empfangs von nach dem Tod des Beamten ausbezahlten Ruhebezügen aus?" studiert. Das ist ein wichtiger Punkt, zugegeben! Daß das einmal geregelt wird, wird wohl richtig und wichtig sein. Das Problem für uns Abgeordnete ist aber, daß sich dieses Beamten-Dienstrecht samt allen zugehörigen Materien inzwischen einer Komplexität nähert, die dem ASVG nahekommt – und das ist nicht unbedingt etwas Positives.

Kurz zu den anderen Punkten: Der Regierungsvorlage zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Slowenien werden wir zustimmen, demjenigen mit der Ukraine nicht, und zwar nicht deswegen,


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weil wir das Abkommen bezüglich der Ukraine für schlecht halten, sondern nur um auf einen Punkt plakativ hinzuweisen: Im Vertrag mit Slowenien ist etwas klar geregelt – ob es jetzt gut oder schlecht ist, steht auf einem anderen Blatt; aber es ist ganz klar geregelt –, was mir, soweit ich Dekan auf der Universität war, immer wieder große Schwierigkeiten bereitet hat: Wie werden ausländische Professoren, die zu Vorträgen, Gastvorträgen, Gastprofessuren und so weiter eingeladen werden, steuerlich behandelt? – Diesbezüglich herrscht regelmäßig größte Unsicherheit. Das gleiche gilt sicherlich für Künstler und ähnliche Vortragende. Im Vertrag mit Slowenien ist das im Artikel 20 eindeutig geregelt, im Vertrag mit der Ukraine nicht. Ich glaube, da sollten sich auch die österreichischen Verhandlungsführer einmal überlegen, was sie denn in diese Doppelbesteuerungsabkommen zu diesem Punkt tatsächlich hineinschreiben wollen.

Dem Antrag Firlinger – das ist der nächste Punkt – bezüglich Privatisierung von in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen kann ich leider nicht zustimmen; wir haben das auch schon im Ausschuß besprochen. Er enthält drei Punkte, wovon ich die ersten beiden Punkte ausgezeichnet finde: Die verbindliche Vorschreibung von Gutachten, bevor ein Unternehmen übertragen wird, und die Sache mit den Belegschaftsaktien, die vorher zu prüfen ist, sind völlig in Ordnung. Aber warum unbedingt 50 Prozent des insgesamt zu veräußernden Anteils über die Börse erfolgen muß, verstehe ich nicht. Das mag in der Regel richtig sein, aber ich kann mich erinnern, daß der Bund, so glaube ich, noch Dutzende von Kleinbeteiligungen an Seilbahnen, Verkehrsgesellschaften, teilweise obskursten Unternehmungen hat, und warum soll man die Veräußerung eines 3-Prozent-Anteils an solch einer Unternehmung unbedingt an den Börsegang binden? Das, so glaube ich, macht keinen Sinn.

Umgekehrt halte ich den Antrag des Kollegen Haupt über die dienstrechtliche Einstufung der Fachhochschulabsolventen für absolut richtig und nachvollziehbar. Ich glaube auch nicht, daß das unmittelbar zu Kosten führt. Es wird nicht verlangt, daß ein Fachhochschulabsolvent automatisch A-wertig bezahlt wird, sondern daß er sich um einen A-Posten bewerben kann, als ob er einen Universitätstitel hätte. Ich meine, diese Art von Konkurrenz täte den Universitäten gar nicht schlecht, und soweit ich weiß, gibt es schon zumindest im kommunalen Bereich die Fachhochschule in Kärnten in Spittal. Die Gemeinden, so glaube ich, werden sich bezüglich der Einstufung dieser Leute schon etwas einfallen lassen müssen. Und für den Bund, so glaube ich, gilt im Prinzip das gleiche.

Ähnlich positiv stehen wir zum Antrag Haselsteiner bezüglich Börsegesetz. Der Antrag ist inzwischen wahrscheinlich im wesentlichen überholt, weil das Übernahmegesetz auf der Tagesordnung steht. Das ist nicht die Schuld des Kollegen Haselsteiner, weil sein Antrag seit Jänner 1997 im Ausschuß lag. Dieser ist sehr kurz und hätte auf eine sehr elegante Weise, so glaube ich (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter ), das Problem des Minderheitenschutzes bei Übernahmen von Unternehmen lösen können, ist aber leider verschlampt worden.

Trotzdem halte ich es für das richtige Signal, dem Antrag heute zuzustimmen, auch wenn es sozusagen nur ein Anerkennungssymbol für die Idee des Kollegen Haselsteiner sein kann. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

18.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anna Huber. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte Frau Abgeordnete.

18.31

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich auch sehr kurz mit dem Beamten-Dienstrechtsgesetz beschäftigen. Es ist immerhin das Ergebnis von sehr langen Verhandlungen zwischen Dienstnehmern und dem Bund als Dienstgeber, und eigentlich ist es logisch nachvollziehbar, daß das natürlich eine sehr komplexe und vielschichtige Gesetzesvorlage geworden ist.

Neben den vielen formalen Anpassungen an geänderte Behördenzuständigkeiten, den Anpassungen an geänderte Rechtsvorschriften und dergleichen sind zum Teil geringfügigere, zum Teil weitreichendere Änderungen in dieser Novelle enthalten. Auch ich halte diese zentrale Begutachtungsstelle beim Bundespensionsamt für die Verfahren bei Dienstunfähigkeit für eine der


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sehr wichtigen Neuerungen. Meine Kollegin Hagenhofer ist bereits im Detail darauf eingegangen. Gerade in Anbetracht der bisher sehr unterschiedlichen Begutachtungen und Begutachtungsstellen halte ich eine solche zentrale Begutachtungsstelle, die zwar auf die jeweilige Dienstverwendung und die verbundene Belastung eingeht, aber doch im Sinne einheitlicher Normen und einheitlicher Standards begutachtet, für wesentlich gerechter.

Im Zusammenhang mit dem Beschluß dieses Beamten-Dienstrechtes denke ich, daß es auch sehr wichtig ist oder wäre, diesem Beamten-Dienstrecht ein neues vergleichbares Vertragsbedienstetendienstrecht zur Seite zu stellen, das bereits mit Arbeitnehmervertretern verhandelt wird. Denn von den rund 180 000 Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes sind 120 000 Beamte und 60 000 Vertragsbedienstete. Wir haben bereits für Beamte der allgemeinen Verwaltung und auch für jene in handwerklicher Verwendung ab dem Jahr 1995 Reformen in Richtung mehr Mobilität und bessere Bezahlung bei der Ausübung von Funktionen vorgesehen. Die Vertragsbediensteten sind allerdings schlechter bezahlt und haben in der Regel nicht jene Karrierechancen wie Beamte.

Das jetzt zwischen dem Bund und der Arbeitnehmervertretung verhandelte Vertragsbedienstetendienstrecht muß daher ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit bei der Entlohnung und auch zur Gleichstellung bei den Karrierechancen sein.

Da motivierte Mitarbeiter für jeden Betrieb und daher selbstverständlich auch für den Bund und für den öffentlichen Bereich von solch essentieller Bedeutung sind, halte ich ein modernes und ein leistungsorientiertes Dienstrecht für alle Arbeitnehmer für äußerst wichtig. Immerhin bildet die öffentliche Verwaltung sozusagen das Rückgrat unserer Volkswirtschaft, und ich bin überzeugt davon, daß nur engagierte und motivierte Mitarbeiter für ein reibungsloses Funktionieren der "Firma Österreich" im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sorgen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.34

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch zum Entschließungsantrag 711/A (E) betreffend Privatisierung von in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen kurz Stellung nehmen.

Herr Bundesminister! Sie haben im Ausschuß die Frage an mich gerichtet, ob ich denn mit den Ergebnissen der Privatisierungen, die in den letzten Jahren in der ÖIAG durchgeführt worden sind, nicht zufrieden sei. Ich habe Ihnen im Ausschuß gesagt, daß ich sehr wohl zufrieden bin und daß es keinen Anlaß zur Kritik daran gibt, was die beiden Herren in der ÖIAG an Privatisierungen bisher unternommen haben. Das ist ausgezeichnet gelaufen. Das ist auch nicht der Punkt.

Der Punkt ist vielmehr, daß es in den vergangenen Monaten und Wochen eine Reihe von Übertragungen in die ÖIAG gegeben hat, von denen Sie, Herr Finanzminister, und Ihr Staatssekretär behauptet haben, diese stünden nicht unmittelbar zur Privatisierung an. Die Anteile würden dort einmal geparkt. – Ich sage Ihnen darauf, man muß das längerfristig sehen, denn was heute gilt und was vielleicht die nächsten zwei Jahre gilt, muß nicht unbedingt auf alle Ewigkeit so zutreffen. Denn ich möchte Sie nur daran erinnern, was ein Finanzminister macht, wenn er wieder in arge Budgetnöte kommt. Er wird sich etwas zur Einnahmenbeschaffung überlegen, und dann wird die Privatisierungsfrage sehr wohl wieder auftauchen.

Da ist eine Reihe von guten Unternehmen, die durchaus privatisierungsfähig sind, dabei. Ich meine, es macht sehr wohl einen Sinn, bevor man überträgt, einmal zu wissen, wie hoch die kurzfristige Preisuntergrenze ist, was dieses Unternehmen wert ist. Man sollte das sauber und ordnungsgemäß durchführen, damit man hinterher kein Lamento hört, daß man das zu billig hergegeben hat. Meine Damen und Herren! Darum geht es uns, und das fordere ich hiermit ein!


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Zweiter Punkt: Kollege Van der Bellen hat gesagt, er sieht nicht ein, daß das unbedingt über die Börse transferiert werden muß. Ich meine schon, denn es gibt sensible Mehrheiten. Gerade im Bankenbereich, gerade wenn man vielleicht einmal die Frage AVZ-Beteiligung hernimmt, wird man sehr wohl sehen, daß der Weg über die Börse der einzig saubere und transparente Weg ist, der verhindert, daß irgendwo gemauschelt wird, Herr Bundesminister! Und darum geht es mir in diesem Antrag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie brauchen nur das Beispiel Steyr-Daimler-Puch herzunehmen. Hier hat man doch feststellen müssen, daß das Unternehmen eigentlich zu billig an den Mann gebracht wurde, auch wenn es sich nur um ein indirekt verstaatlichtes oder teilstaatliches Unternehmen handelt, aber daran sieht man die Problematik.

Letzter Punkt zu diesem Antrag: Herr Bundesminister! Mir geht es aber auch um die Mitarbeiterbeteiligung. Da gibt es keine Vorgaben, da gibt es keine Rahmenbedingungen. Das, was die VOEST-Alpine Stahl gemacht hat, war meines Erachtens vorbildlich. Sie haben ihren Mitarbeitern ein nennenswertes Paket angeboten, aber das ist freiwillig erfolgt. Ich hätte gerne, bevor man eine Lösung trifft – das verhehle ich nicht, Herr Bundesminister –, daß man sich auch darüber unterhält: Was ist eine angemessene Mitarbeiterbeteiligung? Sind das 10 oder 15 Prozent in diesen Bereichen, die zur Diskussion stehen? Wie schaut es mit der Behaltefrist aus, zwei Jahre, drei Jahre, mit der steuerlichen Erleichterung und all diesen Dingen? – Darum dieser Entschließungsantrag, weil auch die Mitarbeiter von solchen Privatisierungen entsprechend profitieren sollen.

Das wollen wir, das ist unser Anliegen, das sind wir den Wählern auch schuldig. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.38

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem gesamten Paket der Vorlagen, die wir nun diskutieren und beschließen, ist unter anderem jener Punkt enthalten, den Kollege Firlinger als mein unmittelbarer Vorredner angeschnitten hat, nämlich die Frage, welche Grundregeln bei der Privatisierung vorhanden sein und Beachtung finden sollen.

Ich möchte auch hier im Plenum wiederholen, was wir im Finanzausschuß diskutiert haben. Einen der drei Aspekte hätte ich von unserer Fraktion zweifellos sehr unterstützt, nämlich daß wir bei den verschiedensten Privatisierungsmöglichkeiten immer auch die Chance der Beteiligung der Mitarbeiter vorsehen (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), weil gerade diese Mitarbeiterbeteiligung die Möglichkeit bietet, die Eigentumsstreuung wesentlich breiter zu halten, und dadurch Arbeitnehmer die Chance haben, auch Eigentum zu erwerben. Dadurch ist auch eine wesentlich stärkere Identifikation mit dem Unternehmen, in dem der einzelne Arbeitnehmer tätig ist, gegeben. – Das heißt ein absolutes Ja zu dieser Intention. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zu jener der verschiedenen Gesetzesvorlagen, die auch im Ausschuß sicherlich die breiteste Diskussion eingenommen hat, nämlich der Beamten-Dienstrechtsgesetz-Novelle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das vor allem eine Diskussion über das Procedere im Finanzausschuß ausgelöst hat. Es hat keine Fraktion gegeben, die nicht betont hat, daß wir gemeinsam versuchen müssen, einen anderen Weg zu gehen. Denn nicht nur die umfassende Form der Präsentation und die noch im letzten Moment vorgebrachten Änderungswünsche machen es für den einzelnen Abgeordneten schwierig, sich intensiv mit der Materie zu befassen, sondern vor allem natürlich das andauernde Ändern, das andauernde Zitieren von x Gesetzesstellen. Es gibt in den Abänderungsanträgen eine Passage von 15 oder 20 Zeilen, in der nichts anderes als Verweise auf andere Gesetze enthalten ist. Das ist selbst für gute Juristen – solche gibt es sicherlich auch im Parlament – schwer nachvollziehbar.


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Herr Finanzminister! Das heißt, das liegt nicht nur alleine am Finanzministerium, sondern an der Koordination sämtlicher Wünsche aller Institutionen. Diesbezüglich würden wir im Interesse der Verantwortung, die jeder einzelne Abgeordnete trägt, bitten, daß ein frühzeitiges und auch leicht durchschaubares Procedere gewählt wird, daß wir das nächste Mal – bei einer sicherlich wiederkommenden derartigen Novelle – diese Verantwortung auch rechtzeitig und umfassend wahrnehmen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nur ganz wenige Aspekte herausgreifen, die mir wichtig erscheinen. Solche Beamten-Dienstrechtsgesetz-Novellen haben wir öfters, weil natürlich bei 180 000 Personen, die in etliche Sparten untergliedert sind, immer wieder neue Problemstellungen auftauchen.

Ich stimme dem zu, was manche Vorredner gesagt haben, daß es für uns eine wichtige Regelung ist, daß wir eine einheitliche österreichweite Begutachtungsstelle, einen Standard bei Pensionierungen haben werden, und zwar durch die Zentralisierung beim Bundespensionsamt. Ich glaube, dadurch ist eine Einheitlichkeit gegeben, die wir wollen.

Zum zweiten: Ich sehe es als positiv an, daß wir einen weiteren Schritt in Richtung Durchlässigkeit im öffentlichen Dienst gehen, weil in diesem BDG auch die Chance existiert, daß eine größere Berücksichtigung von Auslandserfahrungen – bei Bestellung in höchste Führungspositionen – integriert wird. Gerade das ist ein Aspekt, den wir nicht genug betonen können.

Ich möchte auch die Regelung der Schülerberatertätigkeit von Lehrern an Polytechnischen Schulen sowie eine Erleichterung für die Verwaltung hervorheben, daß wir die pauschale Abgeltung für Reisegebühren im exekutiven Außendienst der Gendarmerie möglich gemacht haben.

Abschließend ein Aspekt, der meines Erachtens wirklich wichtig ist: Wir haben in Österreich eine Verwaltung – das haben wir gerade in den vergangenen Jahren erlebt –, die für zahlreiche ehemals kommunistische Staaten, die jetzt ins marktwirtschaftliche System umzusteigen versuchen, Vorbildwirkung hat. Je besser die öffentliche Verwaltung eines Staates funktioniert, desto wettbewerbsfähiger ist die Wirtschaft. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren viel erreichen können. Wir sagen den vielen öffentlich Bediensteten danke, die in ihrem jeweiligen Bereich versuchen, sich diesen Erfordernissen effizient anzupassen, kundenfreundlich und partnerschaftlich ihre Tätigkeit auszuüben!

Wir stimmen der Novelle zu. (Beifall bei der ÖVP.)

18.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte.

18.44

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Gospod minister! Visoki dom! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Minister! Ich erlaube mir, zum Tagesordnungspunkt 5 kurz Stellung zu nehmen. Ich glaube, es ist eine ganz besondere Angelegenheit, wenn wir mit unserem Nachbarn Slowenien dieses wichtige Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung schließen. Das ist ein recht guter Anfang. Wir sehen die Schaffung eines Vertragsgeflechts mit unseren Nachbarländern vor allem auch als Aufforderung in Richtung dieser Länder, die Reformen im Bereich des Rechtswesens und der Gesetze durchzuführen.

Das gilt vor allem auch für Slowenien. Slowenien ist, wie wir wissen, was die Wirtschaftsdaten betrifft, ein sehr guter Partner, ein ausgezeichneter Partner. Wir wissen, wir tätigen österreichische Investitionen in der Höhe von fast 5 Milliarden Schilling in Slowenien. Wir haben einen österreichischen Export nach Slowenien in der Höhe von fast 13 Milliarden Schilling. Wir importieren aus Slowenien Güter im Wert von 6,8 Milliarden Schilling. Die Slowenen kaufen schon mehr bei uns als die Schweizer. Sie stehen sozusagen an erster Stelle mit im Schnitt 6 500 S pro Kopf und Nase. Das sind beachtliche Daten.

Herr Finanzminister! Daran sieht man, wie wichtig es ist, daß wir die Osterweiterung rasch angehen. Wenn wir gute Partner schaffen, wenn wir ihnen helfen, auch Geld zu verdienen, sind sie auch in der Lage, bei uns einzukaufen. Es ist ganz wichtig, daß wir sozusagen im Rahmen die


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ser Kooperation in diesen Ländern intensiv tätig werden, gemeinsame Investitionen, grenzüberschreitende und vor allem auch wirtschaftliche Investitionen tätigen.

Daher, Herr Minister, ist es ganz wichtig – ich habe gestern schon mit dem Herrn Innenminister darüber gesprochen –, daß wir die notorisch schleppenden Grenzabfertigung beseitigen. Waren und Menschen und Ideen sollen rasch und zügig über die Grenzen gehen (Beifall beim Liberalen Forum), sie sollen einander befruchten, sollen sozusagen die Grenzregionen zu blühenden Regionen machen. Die Grenzregionen, die sich jetzt am Rande befinden, sollen genau durch diese Öffnung faktisch und auch wirtschaftlich gestärkt werden und damit in die Mitte kommen. Das ist etwas ganz Zentrales.

Herr Minister! In diesem Zusammenhang verstehe ich die Haltung Ihres Amtskollegen, Bundeskanzlers Klima, nicht, der sagt: Osterweiterung ja, aber. – Da gibt es kein Aber! Das heißt nur: Gehen wir das große Projekt an! Wir sehen es am Beispiel Slowenien, daß, wenn wir vernünftig kooperieren, wenn wir es den Firmen ermöglichen, dort hinzugehen, so manche österreichische Firma, auch kleine Firma, gerade deshalb Arbeitsplätze in Österreich erhalten kann, weil sie mit dem Nachbar zusammenarbeitet.

So schafft man Arbeitsplätze, nicht durch Angstmachen, wie es der ÖGB immer wieder versucht, indem er sagt, schreckliche Dinge aus dem Osten kämen auf uns zu, sondern eben durch diese ganz klare Kooperation. Wir müssen unsere Nachbarn auch verdienen lassen, damit sie einkaufen können, und wir müssen bereit sein, ihnen auch eine Verdienstmöglichkeit zukommen zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir brauchen keine Angst vor der Ost- oder Südosterweiterung zu haben, denn über die wirtschaftliche Zusammenarbeit werden diese Länder blühen und sich auch stabilisieren. Daher erlauben Sie mir, auch einige Sätze Kritik in Richtung Slowenien zu äußern. Ich glaube, daß es keinen Sinn ergibt, den restriktiven Liegenschaftserwerb beizubehalten. Ich habe keine Angst – ich sage das als Slowene – um den sogenannten slowenischen Boden. Ich glaube, daß es wichtig ist, daß auf diesem Boden gesunde, gute Betriebe entstehen, daß dabei auch Arbeitsplätze und daraus dann gute Lebensräume und eine gute Existenzbasis entstehen.

Ich sehe auch nicht ein, daß die slowenischen Unternehmen derart hohe Zinsen zahlen müssen, daß sie ins Ausland ausweichen, im Ausland Geld aufnehmen müssen, gleichzeitig aber enorm hohe Depots bei der Slowenischen Nationalbank hinterlegen müssen. Das entspricht noch dieser alten Bewirtschaftungsmentalität, die wir auch hier in Österreich hatten, und zwar vor Jahrzehnten hatten.

Die Wirtschaft braucht gute Rahmenbedingungen, sie braucht klare Rahmenbedingungen, aber sie braucht keine Reglementierung – auch nicht in Slowenien, damit wir uns recht verstehen!

Ganz wichtig ist auch die Aufgabe der Rechtsbereinigung in diesen Nachbarländern, konkret eben auch in Slowenien, eine effektivere Justiz, eine effektivere Verwaltung. Wir werden helfen, das zu erreichen, indem wir bereit sein werden – offen, ohne oberlehrerhaft zu sein –, mit unseren Nachbarn zu kooperieren.

In diesem Sinne, Herr Minister, möchte ich noch ein kleines Randproblem erwähnen, das eigentlich kein so großes Problem ist. Wenn wir sagen, der Geist soll wehen, wo er will und wo er kann, dann muß ich auch sagen, das gilt auch für die Ausbildung. Wir haben eine Reihe von Jugendlichen aus Slowenien, die bereit sind, an österreichischen Schulen mitzumachen. Ich glaube, das ist ein ganz guter Ansatz, das ist ein ganz vernünftiger Ansatz, daß wir Bildung anbieten und damit bereits erste Bekanntschaften für spätere menschliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit knüpfen.

Ich weiß, ich werde schon ermahnt von unserer Ordnerin – die ist sehr streng mit uns –, daß ich mich kürzer fassen soll. Ich werde das tun in diesem Sinne. (Beifall des Abg. Dr. Khol. ) Das war der erste falsche Klatscher heute, Kollege Khol. Die anderen waren noch erträglich, aber das war der erste falsche. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Khol.  – Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Dr. Khol: Du warst schon das letzte Mal immer zu lang! Ich kann mich noch erinnern!)


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Das freut mich, daß du dich an meine Reden erinnerst. Ich hoffe auch, daß du dich vor allem mit den Inhalten meiner Reden befaßt hast und mir daher helfen wirst, einige ganz wichtige Probleme auch in der Nachbarschaftspolitik zu erledigen. Die ÖVP hat ja den Außenminister. Machen wir gemeinsam etwas Vernünftiges! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Getretener Quark wird breit, nicht stark!)

18.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Abgeordneter Karl Gerfried Müller. 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.51

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Eingangs möchte ich unserem Finanzminister zu dem wirklich ausgezeichneten Regierungszeugnis, das wir gestern im "NEWS" lesen konnten, herzlichst gratulieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Antrag des Abgeordneten Firlinger und dem von der FPÖ wegen der Machenschaften Rosenstingl nunmehr hinausgeschmissenen Mag. Schreiner betreffend die Privatisierung von staatlichen Unternehmungen über Mitarbeiteraktien möchte ich deutlich darauf hinweisen, daß damit für die Arbeitnehmer naturgemäß auch gewisse Gefahren und Risiken verbunden sind. Durch den Kauf von Aktien beteiligen sich die Mitarbeiter direkt an jenem Unternehmen, in dem sie arbeiten.

Herr Kollege Dr. Höchtl hat sich uneingeschränkt dafür ausgesprochen, ich gebe aber zu bedenken, daß unter Umständen innerbetrieblich einerseits eine Unterscheidung getroffen wird zwischen jenen Mitarbeitern, die über das notwendige Kapital verfügen und sich die Aktien leisten können, und jenen, die nicht die Möglichkeit dazu haben. Wie sich das auf das Arbeitsklima unter den Mitarbeitern auswirkt und welche Konsequenzen von der Führungsebene zu erwarten sind, kann man sich ebenfalls ausmalen.

Ich befürworte die Loyalität zu einem Unternehmen, aber ich spreche mich deutlich gegen ein Abhängigmachen durch Firmenbeteiligungen aus. Im schlimmsten Fall kann nämlich diese Arbeitnehmerbeteiligung neben dem Verlust des Arbeitsplatzes auch noch zu schmerzlichen finanziellen Verlusten führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Grundsätzlich vertrete ich die Meinung, daß die gänzliche Privatisierung staatlicher Unternehmen kein absolutes Allheilmittel ist. Mittlerweile haben wir, glaube ich, bei den Privatisierungen den Plafonds erreicht. Es gibt staatliche Betriebe, die durchaus erfolgreich agieren und dem Konkurrenzkampf auch gewachsen sind. Mit jeder weiteren Privatisierung verliert der Staat aber auch Lenkungsmechanismen, die sich nachhaltig – ich hoffe, nicht negativ – auf die Arbeitsmarktsituation auswirken können. Warum soll der Staat gewinnbringende Unternehmen nicht selbst führen?

Meiner Meinung nach sind staatliche Betriebe in manchen Bereichen sinnvoll und wichtig, und es wird unsere Aufgabe sein, unter Rücksicht auf die Mitarbeiter sehr genau zu prüfen, welche Auswirkungen und welche Konsequenzen weitere Privatisierungen mit sich bringen.

Der vorliegende freiheitliche Antrag ist keinesfalls ein Rezept für Privatisierungen, denn es liegt klar auf der Hand, daß hier die Interessen der Mitarbeiter nicht im Vordergrund stehen. Gewinnmaximierung auf Kosten der Arbeitnehmer, um die Brieftaschen der Aktionäre zu befriedigen, und Effizienzsteigerungen durch Arbeitskräfteausbeutungen können nicht das Ziel einer gesunden Volkswirtschaft sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Nußbaumer: Klassenkampf! Das ist Klassenkampf!)

Meine Damen und Herren! Ich bin nicht glücklich darüber, daß jene Manager, die am meisten Arbeitnehmer wegrationalisieren, am Jahresende dann zum Unternehmer des Jahres gekürt werden. Meiner Meinung nach sollen jene Unternehmer und jene Manager hervorgehoben werden, welche neben den zweifellos wichtigen kaufmännischen Gesichtspunkten vor allem auch die sozialen und arbeitsmarktpolitischen Komponenten in den Vordergrund stellen.


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135. Sitzung / Seite 155

In Anbetracht dieser möglichen Risken und der ohnehin im Privatisierungsgesetz festgelegten Rahmenbedingungen lehnt die sozialdemokratische Fraktion diesen freiheitlichen Antrag ab. (Beifall bei der SPÖ.)

18.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Rieß zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.55

Abgeordnete Susanne Rieß (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Uns liegt eine umfassende Regierungsvorlage, die 1. Dienstrechts-Novelle 1998, vor, mit der insgesamt 20 Gesetze abgeändert werden. Vor der Finanzausschußsitzung erhielten die Ausschußmitglieder der Regierungsparteien noch schnell einen Wegweiser durch diese Gesetzesmaterie und durch diesen Gesetzesdschungel. Wir, die Ausschußmitglieder der Oppositionsparteien, wurden nicht zu dieser Informationsveranstaltung geladen. – Soviel zu Fairneß und Chancengleichheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bemerkenswert und auch lobend zu erwähnen ist jedoch, daß erstmals für diese Regierungsvorlage eine Folgekostenrechnung angestellt wurde, so wie es § 14 Bundeshaushaltsgesetz vorsieht. Kritisch hingegen ist, daß diese vorliegende Dienstrechts-Novelle nicht die letzte des heurigen Jahres sein wird, denn für Herbst hat Staatssekretär Ruttenstorfer bereits die 2. Dienstrechts-Novelle angekündigt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man das derzeitige Beamtendienstrecht beurteilt, so muß man feststellen, daß es kasuistisch ist, daß es leistungsfeindlich ist und daß es wiederum ein Flickwerk der Anlaßgesetzgebung ist. Unserer Forderung nach einem einheitlichen Arbeitnehmerrecht wurde nicht Rechnung getragen. Sie bleibt daher weiterhin aufrecht, schon allein deswegen, weil viele öffentlich-rechtliche Betriebe nun in die sogenannte Privatwirtschaft ausgegliedert und privatisiert werden, sodaß man jetzt das Phänomen des beamteten ausgegliederten Bediensteten in privatrechtlichen Betrieben vorfindet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weiters wird in dieser Regierungsvorlage die Schaffung einer zentralen ärztlichen Begutachtungsstelle beim Bundespensionsamt vorgesehen. Man geht weg von den freiberuflichen Gutachtern und schafft statt dessen einen Überbegutachter. Wieder einmal wählt man den zentralistischen Weg, um den Antragstellern Schikanen und noch größere Hürden aufzubrummen.

In den Erläuterungen selbst wird ausgeführt, daß durch diese Maßnahme die Ruhestandsversetzung um ein Jahr verzögert wird und zirka 45,5 Millionen Schilling pro Jahr an Einsparung bringt.

Und nun zu § 24a des Gehaltsgesetzes. Grundvergütungen werden nun indexiert, sie erhalten eine Wertanpassung. Es kommt zu einer Neubemessung der Naturalwohnungen und der Dienstwohnungen, wenn Beamte in den Ruhestand treten. Eine neuerliche und nochmalige Neubemessung erfolgt nach dem Tod des Beamten, wenn die Hinterbliebenen die Dienstwohnung weiterhin benützen wollen.

Im Abs. 2 wird dann geregelt, daß die Grundvergütung nur bis 35 Prozent des Haushaltseinkommens ansteigen darf, um Härtefälle zu vermeiden.

Herr Minister! Hohes Haus! Mieterhöhungen bis 35 Prozent des Haushaltseinkommens, das heißt, Mieterhöhungen von 100, 200, 300 Prozent und mehr werden von dieser Bundesregierung gewollt, gewünscht und akzeptiert! Das ist ein sozialistischer Anschlag, Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie greifen in die Taschen der beamteten Pensionisten, und zwar wieder einmal durch die Hintertür. Maßnahmen dieser Art ... (Abg. Fuchs: Durch die Vordertür!) Nein, durch die Hintertür. Mietwucher nennt man das, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Dazu stehen wir Freiheitlichen nicht, daher werden wir dieser 1. Dienstrechts-Novelle 1998 nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.59

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Einige Redner haben zu Recht auf die unzumutbare Vorgangsweise betreffend die Beibringung oder Zurverfügungstellung des Abänderungsantrages hingewiesen. Wenn mein Kollege Stummvoll meinte, es sei unzumutbar, sich erst zwei Tage vorher mit diesem Entwurf beschäftigen zu können, so weise ich darauf hin, daß ich glücklich gewesen wäre, wenn ich ihn zwei Tage vorher gehabt hätte. Ich habe ihn um 9 Uhr, also eine Stunde vor Beginn des Finanzausschusses, erhalten. Ich würde daher tatsächlich bitten, daß Derartiges nicht mehr vorkommt.

Ich sage auch ausdrücklich, daß ich nicht sehr viel Freude mit diesem Beamten-Dienstrechtsgesetz habe. Es ist eine Abänderung auf 16 Seiten mit immerhin 56 Maßnahmen im Gesetz selber, und in manchen Punkten sind das – das füge ich hinzu – durchaus privilegierende Maßnahmen. (Abg. Mag. Schweitzer: Nicht zustimmen!) Ich bin niemandem etwas neidig, aber ich hoffe und wünsche, Herr Bundesminister, daß diese Maßnahmen der Besserstellung, die ich jedem einzelnen Beamten vergönne – das sei klargestellt –, dann auch bei anderen Berufsgruppen nachgeholt werden, damit auch da ein gerechter Ausgleich sichergestellt werden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Nußbaumer: Nicht zustimmen! – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt, der durchaus positiv zu bewerten ist, ist, daß die Freistellung von Gemeindemandataren neu geregelt wird. Aber wichtig wäre es auch, Herr Bundesminister, darüber nachzudenken, daß auch Lösungen für Freistellungsmöglichkeiten für mittlere Gemeindegrößen gefunden werden, daß vor allem für den Fall Lösungen gefunden werden, wenn Gemeindemandatare keine Bundesbediensteten sind. Denn es soll nicht so sein, daß den Bundesbediensteten fast alles und Beschäftigten in privaten Berufen kaum etwas möglich ist. Diese Erschwernisse sollten, glaube ich, gerechter aufgeteilt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

19.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten.

19.02

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ganz kurz zu einem Punkt, der auch schon in der Debatte angesprochen worden ist. So klammheimlich in wenigen Bestimmungen wird hier eine merkwürdige Regelung eingeführt, und zwar im Bundesministerium für Landesverteidigung.

Meine Damen und Herren! Ich kenne kein anderes Ministerium, in dem bezüglich des Kabinettschefs des Bundesministers so vorgegangen wird. Kabinettschef – das ist eigentlich eine halbpolitische Funktion. Da geht es um jemanden, der das Vertrauen, auch das volle politische Vertrauen, des Ministers hat, der den Bürobetrieb des Ministers organisiert und versucht, ihm die entsprechenden Informationen zu geben, manchmal auch nicht zu geben. Im Bereich des Verteidigungsministeriums wird jetzt diese halbpolitische Funktion in der Organisationshierarchie gleichgestellt mit den anderen Sektionschefs und so eine Art Stabschefposition – es heißt ja auch so: "Stabschef im Verteidigungsministerium" – eingerichtet.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ich verstehe nicht ganz, warum Sie dieser Regelung zustimmen. Dieser Stabschef hat umfangreiche Befugnisse. Er hat ein Eingriffsrecht in der gesamten Organisationsstruktur. Er wird in Wahrheit dem Generaltruppeninspektor gleichgestellt – als Sektionschef außerhalb der anderen Sektionen.


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Dazu gibt es eine Ausschußfeststellung, die angeblich bereinigend wirken soll. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Denn, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, eine Ausschußfeststellung kann als Interpretationshilfe eines Gesetzes, eines Ausschußberichtes oder eines Beschlusses herangezogen werden, aber doch niemals dafür, daß sie gegen das Gesetz gerichtet ist. Aus dem Gesetz gehen ausdrücklich die Kompetenzen eines Stabschefs hervor, und diese widersprechen ganz eminent der Einschränkung in dieser Ausschußfeststellung.

Meine Damen und Herren! Ich kann mir nicht vorstellen, daß es im Interesse dieses Hauses ist, daß man, unter Umgehung aller möglichen Gremien und vor allem unter Umgehung einer offensiven Diskussion über eine derart massive Heeresänderung, tatsächlich die Funktion eines Generalstabschefs einführt und das klammheimlich organisiert.

Deshalb, meine Damen und Herren, vor allem jene von den Sozialdemokraten, haben wir eine getrennte Abstimmung in diesem Punkt verlangt, um auch Ihnen die Gelegenheit zu geben – und ich hoffe, Sie nützen sie –, daß wir diesen Punkt rückverweisen und dann ordentlich darüber diskutieren, ob das Bundesheer einen Generalstabschef haben soll: Ja oder nein? Und wenn ja, dann sicherlich nicht in einer politischen Funktion im Kabinett des Bundesministers. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: So ist es! Bravo!)

19.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fink. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.04

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich muß zu meinem Freund Jakob Auer folgendes sagen: Das Motiv der angestrebten Änderung in dieser Novelle ist nicht die Besserstellung der Bediensteten des öffentlichen Dienstes, sondern sie stellt eine Verwaltungsvereinfachung dar und beseitigt Problembereiche in der Vollziehung. Das ist der Sinn dieser 1. Dienstrechts-Novelle 1998. Sie wird einerseits die Vollziehung dieser Vorschriften effizienter, wirtschaftlicher und kostengünstiger gestalten, andererseits wird damit gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen.

Heute hat jeder beklagt, was auch schon ein Bundeskanzler dieser Republik gesagt hat: "Es ist alles sehr kompliziert." – Das scheint auch beim Studium dieser Regierungsvorlage der Fall zu sein. Diese Probleme sind aber nicht nur im Bereich des öffentlichen Dienstes gegeben, sondern wenn ich mir das ASVG anschaue, so stelle ich dort ungefähr dasselbe fest, und wenn ich mir die Kollektivverträge in der Privatwirtschaft anschaue, dann sehe ich, auch dort ist es ungefähr das gleiche.

Ich glaube – da bin ich auch nicht unbedingt einverstanden mit dem, was meine Vorredner gesagt haben –, daß es falsch wäre, jetzt nach einheitlichen Bestimmungen für alle zu rufen. Alle über einen Kamm zu scheren, hat noch nie zu einer befriedigenden Lösung geführt.

Mir hat heute auch das Moderate der Freiheitlichen Partei gefallen. Auch von ihr hat man gehört: Es ist alles so kompliziert! – Ja, wenn wirklich alles so kompliziert ist, dann überlassen wir das bitte den Beamten. Die kennen sich aus! So schlecht sind die Beamten der Republik Österreich nicht. Zumindest kennen sie sich in dieser komplizierten Materie aus. Machen wir das so! Ich habe damit überhaupt kein Problem. Das müssen nicht wir Politiker machen. Überlassen wir das eben den Beamten!

Was die Freiheitliche Partei und besonders der Parteiobmann Jörg Haider alles zu den Beamten gesagt hat, möchte ich ganz kurz nur in drei Phasen in Erinnerung rufen.

Er hat gesagt: Nur ein Drittel der Beamten arbeitet. Wir haben einen Zustand, daß ein Drittel der Beamten gar nichts arbeitet, ein Drittel schiebt Dienst nach Vorschrift und ein Drittel macht die Arbeit für die anderen.

Wenn ich mir heute den Böhacker angeschaut habe ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Stimmt eh, meinen Sie? Ist eh klar! Das ist eure Einstellung! Jetzt jammert jeder, jetzt bedankt sich jeder bei den Beamten, aber letztendlich schimpft und jeiert jeder von der Freiheitlichen Partei gegen die Beamten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Am 18.6.1997 hat Parteiobmann Haider gesagt, es gebe zu viele Beamte. Zitat: "FP-Chef Haider skizzierte bei einer Pressekonferenz seine Pläne für die Beamten. Durch den natürlichen Abgang und die Privatisierung gewisser Bereiche der öffentlichen Hand können 40 Prozent aller Beamten eingespart werden." – Na sehr einfach wäre das. Wenn ich das überall so mache, wenn ich überall einspare, Beamte weg, Angestellte weg oder Arbeiter weg, dann ist das keine Kunst.

Die Beamtengewerkschafter, so sagt er, seien nicht zurechnungsfähig. Da heißt es: "Der FPÖ-Chef Haider bezeichnete diese als nicht zurechnungsfähig. Es gebe keine Solidarität unter den Beamten. Gewerkschafter würden nur für altgediente Beamte da sein."

Wenn ich mich daran erinnere, was Kollege Lafer gestern gesagt hat, dann möchte ich sagen: Denkt ihr selber einmal an die Altgedienten eurer Partei, damit es bei euch besser wird, und denkt nicht an die Beamten. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend, Herr Bundesminister, möchte ich noch eines sagen: Sie haben das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz zur Begutachtung ausgesendet. Das AVOG befindet sich derzeit, wie gesagt, in Begutachtung. Bezirksstädte, Gemeinden und die Bediensteten der Finanzverwaltung – weil das unmittelbar meine Kollegen betrifft – laufen dagegen selbstverständlich Sturm. Das Ziel dieser AVOG-Änderung soll eine Steigerung der Effizienz und die Aufrechterhaltung der Bürgernähe sein.

Herr Bundesminister! Ich glaube, das glauben Sie selber nicht! Daß es der Aufrechterhaltung der Bürgernähe dient, wenn jetzt zum Beispiel das Finanzamt in Bad Radkersburg – das ist ein Finanzamt in meinem Bereich – geschlossen wird und man die Leute nach Feldbach schicken muß, wohin sie 40 Kilometer weiter haben, das kann nicht wahr sein! Das steht aber in Ihrem Entwurf drinnen.

Herr Finanzminister! Ich bitte Sie, diesen Entwurf, sollte er wirklich so kommen, doch noch in der Form abzuändern, daß es tatsächlich zu einer Bürgernähe in diesem Bereich der Finanzverwaltung kommt. Ich selbst bin Finanzbeamter. Ich weiß, was Serviceleistung im Finanzamt bedeutet, wie wir als Beamte die Arbeit in einem Finanzamt leisten. Es ist aufbauend, wenn wir vom Ministerium hören, daß es eine gute Arbeit war, daß wir Serviceleistungen in diesen Bereichen haben, aber die Bürgernähe abzuschaffen durch eine Veränderung und Schließung der Finanzämter – das kann es wohl nicht sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.10

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zuerst einmal zu Tagesordnungspunkt 5, dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Slowenien. Mein Kollege Karl Smolle hat schon die Wichtigkeit dieses Abkommens herausgestrichen, und ich kann aufgrund meiner Berufserfahrung nur bestätigen, wie wichtig dieses Abkommen war, zumal gerade im Bereich der steirischen Wirtschaft Kooperationen mit Slowenien in intensivem Maße stattfinden. (Unruhe im Saal.) Aber da du ja besonders gute Beziehungen zu Slowenien hast, würde ich dich bitten, daß du die Mängel, die es dort in bezug auf das Steuerrecht, Handelsrecht und so weiter nach wie vor gibt ... (Abg. Smolle: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung! Die Rede der Frau Abgeordneten ist derart interessant, daß es mir leid tut, daß ich sie nicht höre, und ich bitte Sie, für Ruhe zu sorgen!)

Der Kollege Smolle kann es ja dann im Stenographischen Protokoll nachlesen, aber ich glaube, Karl, du fürchtest eine Aufforderung zur Arbeit. Du mußt in Slowenien noch einiges an Aufklärungsarbeit leisten, damit dieses Doppelbesteuerungsabkommen dann letztlich auch einen Sinn hat.

Ich möchte noch kurz zum Punkt 7 der Tagesordnung kommen, nämlich zum Begehren des Kollegen Haupt betreffend die dienstrechtliche Einstufung von Fachhochschulabsolventen. Also ich verstehe diesen Antrag überhaupt nicht. Ich verstehe daher auch nicht, warum Professor


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Van der Bellen diesem Antrag zustimmt. Ich glaube, daß es allgemein herrschende Ansicht ist, daß wir vom Beamtendienstrecht im Zusammenhang mit dem Besoldungsrecht an sich wegkommen wollen. Es besteht, so glaube ich, übereinstimmende Meinung darüber, daß das Besoldungssystem an sich ein leistungshemmendes System ist – nämlich hinsichtlich der Biennalsprünge –, und daß wir von der Pragmatisierung vom Prinzip her wegkommen wollen und nur bestimmte Berufsgruppen weiterhin in der Pragmatisierung belassen wollen. Daher ist mir das Begehren, Hochschulabsolventen jetzt wieder in dieses Korsett hineinzudrängen, völlig unverständlich. Ich glaube, daß wir mit dem Angestelltengesetz durchaus unser Auskommen hätten.

Ich muß jetzt leider aufgrund der knappen Zeit mit meiner Rede enden, weil mich mein Klubobmann schon ermahnt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

19.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir haben kein Schlußwort des Berichterstatters, treten daher in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1321 der Beilagen.

Hiezu liegt ein vom Abgeordneten Scheibner gestelltes Verlangen auf getrennte Abstimmung vor. Ich werde daher zunächst über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst gemäß § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung fest, daß das verfassungsmäßig vorgesehene Präsenzquorum gegeben ist.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Artikel I Z 71a in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Dies ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist die Mehrheit. Ausdrücklich stelle ich abermals das Vorliegen der erforderlichen Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend Schaffung eines modernen leistungsorientierten Vertragsbedienstetenrechtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages, nämlich Abkommen mit der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, in 1081 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


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So Sie dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Mehrheitlich angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages, nämlich Abkommen mit der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, in 942 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie die Genehmigung erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 1324 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Kenntnisnahme bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mehrheitlich der Fall. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 1325 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie ihn zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 1326 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie dem zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

9. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1277 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1292 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1278 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1293 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1279 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (1294 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1280 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (1295 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 592/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1298 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 9 bis 13 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Da auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet wurde, treten wir sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als erster Redner Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.18

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Unterrichtsminister! (Zu dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Edlinger:) Sind Sie in Vertretung da? (Bundesminister Edlinger: Ja!) Gut. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, daß der Bildungssprecher der Sozialdemokraten, Dieter Antoni, in einem Pressedienst vom 25. Juni 1998 offen zugibt, daß ein Großteil dieses Schulreformpaketes deshalb so schnell und kurzfristig geschnürt werden mußte, weil es eben den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung gibt und dafür bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden müssen.

Diese Voraussetzungen, die hier geschaffen wurden, dienen in erster Linie dazu, das unhaltbare Lehrlingsversprechen von Bundeskanzler Klima, jedem Lehrstellensuchenden einen Lehrplatz zu verschaffen, einigermaßen zu kaschieren.

Ich verweise nur auf die Tatsache, daß es jetzt auch für junge Menschen bis zu 18 Jahren möglich ist, den Schulabschluß nachzuholen, was soviel bedeutet, als daß junge Menschen, die es in neun Jahren nicht geschafft haben, auch ein zehntes und elftes Jahr in der Schule verbleiben können, um diesen Schulabschluß nachzuholen. Das heißt, hier wird ein gut Teil der Schüler, die den Schulabschluß in der dafür vorgesehenen Zeit nicht geschafft haben, in der Schule "geparkt", und somit drängt dieser Teil nicht mehr auf den Lehrstellenmarkt und fällt der Öffentlichkeit nicht in der Form zur Last, wie es der Bundeskanzler auch nicht sehen will.

Ein zweites Beispiel – und ich glaube, das ist noch viel dramatischer – ist die Aufhebung des Repetierverbotes. Es hat nämlich eine Bestimmung gegeben, aufgrund welcher junge Menschen, die mehr als drei Nicht genügend im Abschlußzeugnis gehabt haben, nicht die Gelegenheit gehabt haben, die Klasse zu wiederholen. Nun wurde dieses Repetierverbot aufgehoben. Das heißt, man kann auch mit vier, fünf, sechs und mehr Nicht genügend die Klasse wiederholen. (Abg. Dr. Stippel: Bei welchem Schultyp?)

Herr Kollege Stippel! Ich darf Ihnen folgendes sagen: Nehmen wir die HTL Pinkafeld her. In der HTL in Pinkafeld – das wurde mir von den dort unterrichtenden Lehrern bestätigt – ist es so, daß im kommenden Schuljahr nicht genügend Platz für all jene sein wird, die die Berechtigung für diese Schule erworben haben. Sie weisen ein positives Zeugnis auf, möchten die erste Klasse dieser Schule besuchen, müssen aber wegen Platzmangels abgelehnt werden. Und Platzmangel entsteht deshalb, weil das Repetierverbot aufgehoben wurde, weil die, die fünf, sechs und sieben Nicht genügend gehabt haben, jenen den Platz wegnehmen, die sich die Berechtigung zum Besuch dieser Klasse erworben haben. Wenn Sie das für eine gute Lösung halten, dann kann ich Ihnen beim besten Willen nicht helfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Regelung dient einzig und allein dazu, junge Menschen, die der Arbeitsmarkt nicht aufnehmen kann, weil Sie die Politik dafür nicht gemacht haben, in der Schule zu "verstecken".

Jetzt komme ich zu einem weiteren Punkt, der hochinteressant ist und hier diskutiert werden muß, nämlich zu dem Punkt, wie man jetzt die Integrationspolitik konterkariert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem jene von der SPÖ! Sie waren so stolz auf die Integration der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wir alle haben dieser Form der Integration auch zugestimmt, aber damals bereits die Frage gestellt: Was passiert denn, wenn die Unterstufe von diesen Schülern bewältigt wurde, kommen sie dann auch in die Oberstufe? Damals haben wir keine Antwort bekommen. Die Antwort wurde jetzt gegeben, und zwar in der Form, daß man die Schuleingangsphase von zwei Jahren auf drei Jahre erweitert hat und daß man für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Möglichkeit geschaffen hat, ein neuntes Schuljahr, ein berufsbildendes Jahr, zu besuchen.

Das heißt, Kinder, die bis jetzt in einer Integrationsklasse waren, wo man immer gesagt hat, man könne sie nicht aus dem Verband herausnehmen, es sei wichtig, daß sie in dieser Gruppe drinnen sind – das ist alles nachzuvollziehen und auch genau unsere Ansicht –, werden jetzt auf


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einmal in diesem neunten Schuljahr konzentriert. Integration acht Jahre lang und im neunten Schuljahr auf einmal die Konzentration! Das ist das Ende der hervorragenden Integrationspolitik dieser rot-schwarzen Regierung. Ich bin schon neugierig, was die sozialdemokratischen Bildungspolitiker dazu zu sagen haben (Abg. Dr. Krammer: Nur das Beste! Merk dir das und setz dich nieder!): Acht Jahre Integration, im neunten Schuljahr Konzentration, man könnte auch sagen: Segregation.

Meine Damen und Herren von der Bundespolitik! Rot-schwarze Bildungspolitik ist auf einmal Konzentrationspolitik bei der Integrationspolitik. Aber um nicht allzu oft in die Verlegenheit zu kommen, Kollege Antoni, haben Sie ja die flexible Schuleingangsphase vorgesehen. Das heißt, Sie werden darauf bedacht sein, daß man den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf drei Jahre Zeit für die ersten zwei Schuljahre gibt, damit Sie nicht allzu oft in die Situation kommen, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in diesem neunten Schuljahr, das Sie als Berufsvorbereitungsjahr bezeichnet haben, zu konzentrieren. Das ist die schlaue Lösung dieser Bundesregierung in einem Schulpaket, dessen oberstes Gebot es war, die zukünftigen arbeitslosen jungen Menschen so lange wie möglich in diesem Schulsystem zu verstecken. Wir Freiheitlichen werden dem nicht zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Aumayr: Jetzt wird es schwer!)

19.26

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, bei diesem Schulpaket ’98 haben wir nicht nur die Inhalte, die einer Verbesserung zugeführt worden sind – und diese sind zahlreich –, zu diskutieren, sondern wir haben auch ein bißchen den Stil zu diskutieren, in dem in den letzten paar Wochen verschiedene Beiträge in der Öffentlichkeit geleistet worden sind. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe manchmal den Eindruck gehabt – damit meine ich verschiedene Personen in diesem Hohen Haus, die sicherlich heute auch noch das Wort ergreifen werden –, daß, wenn das inhaltliche Argument ausgeht, man ganz einfach zur persönlichen Disqualifizierung, zum persönlichen Angriff, zur Diffamierung schreitet. Und das ist nicht der Stil, den wir in der Bildungspolitik benötigen! Das möchte ich heute ganz klar sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mich hat manchmal der Ton – und ich erwähne sie, weil sie erst nach mir kommt – der Kollegin Schaffenrath irritiert, weil sie Ausdrücke gebraucht hat, von denen ich geglaubt habe, daß sie nicht im Repertoire des Liberalen Forums sind. Wir kriegen manchmal natürlich auch kritische Stimmen zu hören, nicht inhaltliche, sondern persönliche, auch seitens der freiheitlichen Kollegen, aber daß hier sozusagen eine Art Koalitionspakt zwischen Liberalem Forum und den Freiheitlichen vorhanden ist, was die Art und Weise betrifft, wie man agiert, das war neu. (Abg. Schaffenrath: Ein Beispiel, Herr Kollege!)

Frau Kollegin Schaffenrath! Ich würde Sie nur ersuchen – und das betrifft ganz konkret Ihre Angriffe gegen die Frau Bundesministerin –: Machen wir eines nicht: Verlassen wir nicht die inhaltliche Diskussion! (Abg. Mag. Peter: Seien Sie nicht so pathetisch!) Wir mögen in vielen Punkten unterschiedliche Auffassungen inhaltlicher Natur haben. Aber unterlassen Sie derartige Bezeichnungen, wie Sie sie in den letzten Wochen der Frau Bundesministerin gegenüber verwendet haben! Kehren Sie zu einer seriösen Auseinandersetzung zurück! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen dieser seriösen Auseinandersetzung haben wir – letzten Endes auch in diesem Paket – vieles erreicht, vieles zustande gebracht. Es war nicht immer so, daß Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion und meiner Fraktion von vornherein einer Meinung waren. Aber die Qualität, insbesondere im bildungspolitischen Bereich, soll sich ja auch darin zeigen, daß wir jeweils um die beste Lösung ringen. Das ist ein wesentliches Zeichen in einer Demokratie.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bei Schulgesetzen notwendige Zweidrittelmehrheit – und diese haben Sie ja auch abschaffen wollen, wie Sie so vieles abschaffen wollen, vom Kruzifix in den Klassen bis zu den Noten (Abg. Schaffenrath: Seien Sie nicht so polemisch!)  – hat in der Bildungspolitik eine ganz zentrale Bedeutung, nämlich die, daß man im bildungspolitischen Bereich mit den Dingen nicht so leichtfertig umgeht und sagt: Jetzt machen wir es so, und im nächsten Moment machen wir es wieder anders! Wir wissen ganz genau, das ist ein sehr sensibler Bereich, der jeweils Schritt für Schritt Verbesserungen, Änderungen benötigt. Aber wir haben gesagt: Wir machen Änderungen, um zu verbessern, und nicht Änderungen, um zu reformieren! Das ist ein Grundsatz unserer bildungspolitischen Leitlinie. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich nur einige wenige Punkte erwähnen, die wir in diesem Paket verankert haben.

Erstens: Wir haben, da in Zukunft für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Jugend die Kenntnis von Fremdsprachen ganz entscheidend sein wird, schon in den vergangenen Jahren einige diesbezügliche Schritte gesetzt. Mit dieser Novelle setzen wir diese Leitlinie fort und beschließen nun eine Maßnahme, die vorsieht, daß ab dem kommenden Schuljahr eine Fremdsprache – wahrscheinlich in den meisten Fällen Englisch – schon ab der ersten Volksschule unterrichtet werden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das eine sehr wichtige Maßnahme ist, denn nur mit wirklich guten Fremdsprachenkenntnissen haben wir die Chance, daß Österreichs Jugend auch im dritten Jahrtausend wettbewerbsfähig ist. Dieses Ziel wollen wir erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens. Wir haben uns immer dazu bekannt, daß jedes Talent und jede Fähigkeit eines jungen Menschen – auch die Fähigkeiten der Höchsttalentierten – rechtzeitig erkannt und gefördert werden müssen. Deswegen verankern wir in dieser Novelle die Bestimmung, daß es für besonders begabte Schüler die Möglichkeit geben soll, in der Volksschule eine Klasse zu überspringen. Ich glaube, daß wir besonders talentierten jungen Menschen eine zusätzliche Chance zur Entwicklung geben müssen. So wie wir jenen, die einer zusätzlichen Unterstützung bedürfen, Hilfestellung bieten, müssen wir auch den besonders Talentierten die Chance geben, die Bildungslaufbahn in kürzerer Zeit zu durchlaufen. Das ist eine Bildungspolitik, welche den einzelnen Schüler in den Mittelpunkt stellt, welche in jedem Schüler den Menschen sieht und ihn in all seinen Entwicklungsmöglichkeiten fördert. Zu dieser Politik bekennen wir uns eindeutig. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Antoni. )

Nun eine Antwort an den Kollegen Schweitzer, was die Möglichkeit betrifft, die Hauptschulausbildung und den Hauptschulabschluß bis zum 18. Lebensjahr nachzuholen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen, daß viele junge Menschen, die keinen Hauptschulabschluß haben, große Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben. Deshalb sagen wir: Geben wir den jungen Menschen eine zweite Chance! Der junge Mensch verdient es! Deswegen sagen wir auch ein Ja zu der Maßnahme, die es möglich macht, auch noch mit 18 Jahren den Hauptschulabschluß nachzuholen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Wir haben darüber hinaus mehr Möglichkeiten der Förderung in der Schuleingangsphase geschaffen. Es wird auch die Möglichkeit geben, bei der Leistungsgruppeneinteilung in den Hauptschulen flexibler vorzugehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im gesamten Paket, das wir heute diskutieren und beschließen werden, folgendes zum Ausdruck gebracht: Wir bekennen uns zur Verläßlichkeit unserer Schule! Wir bekennen uns zur Klarheit! Wir glauben, daß die Stabilität in der Bildungspolitik erhalten werden muß und daß wir jeweils die besten Voraussetzungen für die Entwicklungsfähigkeit des jungen Menschen auch in den kommenden Jahrzehnten durch unsere Bildungspolitik sichern sollen!


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Wir haben dieses Paket gemeinsam mit unserem Koalitionspartner geschnürt. Die Frau Bundesministerin hat wesentliche Impulse zu den einzelnen Vorschlägen gegeben. Ich glaube, daß wir damit ein weiteres positives Stück der Bildungspolitik heute beschließen werden. Wir sagen ein eindeutiges Ja dazu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.34

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Höchtl! Mich irritiert Ihr Ton auch, und zwar deshalb, weil er so pathetisch klingt und weil Sie heute auf eine Situation, die in Österreich vielleicht neu sein mag, so übersensibel reagieren, nämlich auf die Situation, daß Bildung zu einem politischen Thema wird und daß Parteien nicht all das, was von Ihrer Seite, von dieser Seite (die Rednerin schaut in Richtung SPÖ) und auch von seiten der Frau Unterrichtsministerin an uns herangetragen wird, unhinterfragt hinnehmen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Höchtl: Da besteht kein Problem!)

Herr Abgeordneter! Sie haben kein einziges konkretes Beispiel genannt, wo ich mich im Ton vergriffen habe. (Abg. Dr. Höchtl: Ich wollte nicht die Begriffe verwenden, die Sie verwenden!) Sie können jeden Begriff verwenden. Ich sage Ihnen, welchen Begriff ich verwende. Er heißt "Reformpopulistin", und dazu stehe ich auch. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Höchtl: Sie haben einen anderen verwendet!)

Den Begriff, den Sie meinen, habe nicht ich verwendet, diesen Begriff hat "NEWS" verwendet. Wenden Sie sich mit Ihrer Kritik an das Medium und nicht an mich als Person. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Höchtl: In der Presseaussendung haben Sie einen anderen Begriff verwendet!) Schauen Sie sich das noch einmal genau an. Lesen Sie sich das noch einmal genau durch, Herr Kollege Höchtl, dann werden Sie sehen, daß dieser Begriff nicht von mir stammt. Das ist nicht mein Stil! (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. )

Noch etwas möchte ich Ihnen, Herr Kollege Höchtl, sagen: Wenn Sie hier heute die Zweidrittelmehrheit verteidigen und wenn Sie hier heute von der Stabilität des österreichischen Bildungssystems sprechen, dann sollten Sie dabei nicht vergessen, daß Stabilität auch Erstarrung bedeutet. Und das haben wir: Wir kommen nur mit sehr kleinen Schritten voran! (Abg. Dr. Höchtl: Nein, das stimmt nicht!)

Herr Kollege Höchtl! Ich unterschreibe ja jede Überschrift, die Sie hier heute genannt haben. Aber die Probleme liegen im Detail, und zwar liegen sie darin, daß es keine geeigneten Rahmenbedingungen und keine Möglichkeiten zu einer seriösen Umsetzung gibt. So sehr Sie hier auch die Arbeit der Koalition loben, so wenig wird das darüber hinwegtäuschen können, daß es da einen ideologischen Tauschhandel gibt. Das sage ich Ihnen noch einmal!

Ein ganz typisches Beispiel dafür ist die Ziffernnotenbeurteilung in der Schuleingangsphase – entgegen allen Empfehlungen im gesamten Begutachtungsverfahren, entgegen allen Erfahrungen, die man im Rahmen der Schulversuche gemacht hat! Da haben Sie sich durchgesetzt! Daß Sie im Austausch dafür der SPÖ, die sich da wirklich über den Tisch hat ziehen lassen – das sage ich ganz deutlich –, die Ausweitung der Schulversuche im Bereich der alternativen Leistungsbeurteilungen auf 25 Prozent zugestanden haben, spricht meiner Meinung nach nicht für eine gute Qualität unserer Bildungspolitik.

Ich kann Ihnen noch viele Beispiele nennen, wo Sie sozusagen im Austauschverfahren Ihre eigenen Ideologien verteidigen und eigentlich innerhalb dieser Grenzen leider erstarren. Das tut mir vor allem für das Bildungssystem leid.

In einem Punkt, Herr Kollege Höchtl, gebe ich Ihnen allerdings recht: Auch ich halte es für selbstverständlich – und das ist ein Punkt, den ich deutlich unterstreiche, und da bin ich ganz anderer Meinung als der Kollege Schweitzer –, daß Menschen die Chance haben sollen, einen


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Schulabschluß nachzuholen. Ich hoffe nur, daß man dafür auch die notwendigen Rahmenbedingungen schafft. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, daß alle Menschen die Chance auf einen Schulabschluß haben, denn mit der gleichen Selbstverständlichkeit finanzieren wir auf der anderen Seite ganze Universitätsstudien. Meiner Meinung brauchen vor allem die Schwachen die bestmöglichen Voraussetzungen. (Beifall beim Liberalen Forum und der Abg. Haidlmayr. )

Was die Aufhebung des Repetierverbots angeht, gebe ich Ihnen schon recht, daß es direkt zynisch anmutet, daß man, um die Erfordernisse des NAP besser erfüllen zu können oder um Arbeitslosenstatistiken aufzubessern, Maßnahmen im schulischen Bereich gesetzt hat. Was das Repetierverbot angeht, habe ich wirklich ein ganz persönliches Problem. Ich sage es noch einmal: Ich bin dafür, daß wir den jungen Menschen eine zweite Chance geben, aber ich halte es für eine grobe Ungerechtigkeit, daß die Schulabgänger und Schulabgängerinnen des Schuljahres 1997 diese Chance nicht hatten. Für drei Jahre wird diese zweite Chance gewährt. Was ist mit jenen jungen Menschen, die auch eine zweite Chance bräuchten, sie aber nicht mehr gewährt bekommen?

Frau Ministerin! Nicht nur daß dadurch Rechtsunsicherheit bei den jungen Menschen entsteht, ich halte es sogar für ungeheuerlich, daß man in Bildungslaufbahnen, in Lebenschancen von jungen Menschen, ich möchte beinahe sagen, willkürlich eingreift und das Ganze noch dazu auf einer so unsicheren Basis wie der Ziffernnotenbeurteilung macht. Frau Ministerin! Dazu können Sie wirklich meine Zustimmung nicht verlangen.

In diesem Zusammenhang ist mir auch noch folgendes wichtig zu sagen: Sie, Frau Ministerin, haben im Rahmen des Ausschusses, unterstützt von der Frau Kollegin Brinek, gesagt, Gesetze oder Gesetzesänderungen würden es eben mit sich bringen, daß es zu Ungerechtigkeiten kommt. Darauf möchte ich Ihnen sagen: Da geht es nicht um 100 S mehr oder weniger bei der Familienbeihilfe, sondern da geht es um Lebenschancen, um Chancen für die Berufsbildung und für die Berufslaufbahn von jungen Menschen. Angesichts dessen kann ich, ganz ehrlich gesagt, zu dieser Ihrer Aussage, Frau Ministerin, nichts anderes sagen, als daß ich sie wirklich als zynisch empfinde. (Beifall beim Liberalen Forum und der Abgeordneten Haidlmayr und Öllinger. )

Herr Kollege Höchtl! Sie haben, was den Bereich Schuleingangsphase betrifft, mehrere Dinge angesprochen. Wir stehen dem grundsätzlich positiv gegenüber. Sie haben auch davon gesprochen, daß es für die Schüler ab der ersten Klasse Volksschule einen Fremdsprachenunterricht geben wird. Auch dazu gibt es von unserer Seite Unterstützung. Weiters sagten Sie, daß Sie eine Neuordnung beim Wechsel innerhalb der Schulstufen wollen. Auch dazu geben wir unsere Unterstützung, weil es ein kleiner Schritt dazu ist, von der Illusion, daß altershomogene Gruppen besser zu unterrichten wären, wegzukommen.

Sie sprachen auch davon, daß es Erleichterungen beim Ein- und Umsteigen in den Leistungsgruppen geben soll. Dazu geben wir unsere Zustimmung nur mit Vorbehalt, weil es diesbezüglich schon einen weiter gehenden Ansatz in Richtung Auflösung von Leistungsgruppen gab, den ich schon in der öffentlichen Diskussion und auch im Rahmen des Ausschusses dargelegt habe.

Ein Punkt im Bereich der Schuleingangsphase ist mir allerdings ganz besonders wichtig, und daher nehme ich jede Gelegenheit wahr, unsere diesbezüglichen Abänderungsanträge noch einmal einzubringen. Ich rede nicht mehr davon, daß die SPÖ zugestimmt hat, daß es in dieser flexiblen Schuleingangsphase eine Ziffernnotenbeurteilung gibt, die eigentlich diese Eingangsphase konterkariert und meiner Meinung nach, Herr Kollege Höchtl – ich weiß, daß ich eine andere habe als Sie –, in der Umsetzung und in der Zielsetzung leider unmöglich macht.

Ich gehe jetzt gar nicht auf die Problematik der Ziffernnote ein, weil ich nicht mehr soviel Zeit habe, aber das, was mich wirklich sehr betroffen macht – und da gebe ich dem Kollegen Schweitzer recht –, ist folgendes: Eigentlich wird diese Schuleingangsphase einmal mehr zur Diskriminierung behinderter Menschen in unserer Gesellschaft benützt, weil die Formulierung in den Gesetzen es zuläßt und die Möglicheit eröffnet, daß Menschen mit Behinderungen drei


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Jahre in dieser Grundstufe bleiben. Das heißt, daß sie in der 8. Klasse – 4. Klasse Hauptschule oder wo immer sie dann sind – ihre Schulpflicht erfüllt haben werden.

Das entbindet Sie jetzt wirklich der Notwendigkeit, den Schulversuch "Integration an der Polytechnischen Schule" ins Regelschulwesen überzuführen, es entbindet Sie auch der Notwendigkeit, Schulversuche im berufsbildenden Schulsystem für behinderte Kinder einzurichten. Sie haben somit keine Chance mehr, ihr volles Potential, ihre Fähigkeiten bis zur Gänze auszuschöpfen. Darauf hat auch Herr Kollege Schweitzer schon hingewiesen. Dazu kommt noch, daß diese jungen Menschen mit Behinderungen eine achtjährige oder neunjährige erfolgreiche Integration abrupt beenden müssen, weil man sie an den Sonderschulen wieder in eigenen Klassen zum Zwecke der Berufsvorbereitung zusammenfaßt.

Ich sage Ihnen dazu folgendes: Ein Kriterium der Integration ist jedenfalls das Lernen in möglichst stabilen Bezugsgruppen. Ihrem Vorschlag können wir jedenfalls nicht zustimmen, denn das ist für uns ein, ich möchte beinahe sagen, Des integrationspaket. Dazu kommt noch, daß Sie den Eltern der betroffenen Kinder – einmal mehr! – kein Recht auf Mitentscheidung geben, und das ist ein wesentliches Kriterium. Das ist für uns eine Menschenrechtsfrage!

Ich bringe nun drei Abänderungsanträge ein.

Erster Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (1294 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der § 6 Abs. 2d in Ziffer 2 wird ersetzt und lautet:

"(2d) Die Aufnahme der schulpflichtig gewordenen Kinder, die nicht schulreif sind, ausgenommen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, hat in die Vorschulstufe zu erfolgen."

*****

Wir wollen damit verhindern, daß Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf automatisch eine dreijährige Schulzeit in der Grundstufe 1 absolvieren müssen.

Zweiter Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (1292 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Ziffer 1 wird ersetzt:

1. § 9 Abs. 1 lautet:

"(1) Die Volksschule hat in der Vorschulstufe jene Kinder, die in dem betreffenden Kalenderjahr schulpflichtig geworden sind, jedoch noch nicht die Schulreife besitzen, und ebenso jene Kinder, deren vorzeitige Aufnahme in die 1. Schulstufe widerrufen wurde, im Hinblick auf die für die 1. Schulstufe erforderliche Schulreife zu fördern, wobei die soziale Integration behinderter Kinder


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zu berücksichtigen ist. Bei Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf obliegt die Entscheidung über den Eintritt in eine Vorschulstufe den Erziehungsberechtigten."

*****

Dritter Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtesgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (1293 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Ziffer 2 wird ersetzt:

2. Dem § 18 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

"In der 1. und 2. Schulstufe der Volksschule und der Sonderschule kann das Klassenforum oder das Schulforum beschließen, daß die Beurteilung der Leistungen in Form einer Leistungsbeschreibung zu erfolgen hat."

Das wäre ein Passus, der von seiten der SPÖ volle Unterstützung finden müßte.

"2. Nach Ziffer 10 wird folgende Ziffer 10a einfgefügt:" – Erklärenderweise füge ich an dieser Stelle hinzu, daß es da darum geht, daß das Repetierverbot nicht wieder nach drei Jahren in Kraft gesetzt wird.

"10a. Im § 33 Abs. 2 lit. e wird der Strichpunkt durch einen Punkt ersetzt. Der § 33 Absatz 2 lit. f entfällt.

3. Die Ziffer 19 wird in folgender Hinsicht verändert:

Im Absatz 5e entfallen die Unterpunkte lit. 1 und lit. 5; die Numerierung der übrigen Unterpunkte wird angepaßt.

4. Die Ziffer 20 entfällt."

*****

Ich sehe, ich habe meine Zeit bei weitem überschritten, aber einen Punkt möchte ich hier noch anführen, da ich ihn für wichtig halte.

Im Ausschuß wurde unser Antrag auf Schaffung der Möglichkeit des Aufsteigens mit zwei Nicht genügend in die nächsthöhere Schulstufe einmal mehr abgelehnt, was jedoch nicht wirklich verwunderlich war.

Frau Ministerin, ich möchte Ihnen, wie bereits im Ausschuß, hier heute bewußt noch einmal vorlesen, welche Meinung Sie zu diesem Thema vertreten haben, und ich bitte Sie, mir heute zu antworten, ob Sie Ihre Meinung geändert haben, ob andere Umstände Sie vielleicht dazu veranlaßt haben, Ihre Meinung zu ändern, und wie Sie jetzt eigentlich zu dieser Problematik stehen.

Sie haben im Herbst 1996 folgendes gesagt – ich zitiere –: "Mir geht es im Prinzip nur darum, daß man nicht aufgrund eines zeitlich begrenzten Versagens – es gibt manchmal Probleme wie die Scheidung der Eltern, oder es geht einem mies, oder aufgrund der Pubertät – ein ganzes Jahr verliert. Denn welchen Sinn macht es, wenn man vierzehn Fächer hat, in dreizehn Fächern positiv abschneidet, in einem Fach negativ und alle anderen Fächer auch wieder machen muß?


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Das war die Ausgangsbasis der Diskussion. Dazugekommen ist noch, daß sich viele in Österreich beklagt haben, daß die Lehrerkonferenz nicht das bringt, was man meint, und daß oft nach der Klassenschülerzahl, nach der Teilungszahl im nächsten Jahr entschieden wird." – Ende des Zitats.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Zum Thema "Aufsteigen mit Nicht genügend" hat die Diskussion schon vor zehn Jahren geendet, weil alle Humanwissenschafter eigentlich einer Meinung waren, nämlich daß das Repetieren sozial unverträglich, pädagogisch sinnlos und teuer ist.

Sie selbst – nämlich die Verantwortlichen in den Regierungsparteien – zeigen ja eigentlich auch, wie unsinnig das Repetieren aufgrund einer Ziffernbeurteilung ist. Es ist doch im Gesetz bestimmt, daß nicht der letzte Stand der Leistung für ein Aufsteigen ausschlaggebend ist. Es gibt den Passus, daß beim zweitmaligen Besuch ein Nicht genügend das Aufsteigen nicht behindert, wenn beim erstmaligen Besuch der Schüler in dem betreffenden Gegenstand positiv war. Da muß man sich schon fragen: Kann er jetzt Englisch oder nicht, wenn er am Ende der Schulstufe ein Nicht genügend hatte?

Ich möchte Ihnen noch einen zweiten Beweis liefern, mit welchem Sie selbst eigentlich dieses Nicht-aufsteigen-Lassen konterkarieren. Es ist nämlich tatsächlich so, daß jeder österreichische Schüler oder jede Schülerin, der oder die für eine bestimmte Zeit im Ausland die Schule besucht, jedenfalls in die nächsthöhere Klasse aufsteigen darf, und zwar unabhänging davon, welche Beurteilung er oder sie hat.

Ich bin jedenfalls dafür, daß das Gewähren von Chancen dem Verwehren von Chancen immer noch vorzuziehen ist, und ich hoffe, daß in nicht allzu ferner Zeit sich auch die Meinung in diesem Hohen Haus zugunsten unserer Kinder verändern wird. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die soeben verlesenen drei Abänderungsanträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sie sind entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.50

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nicht umhin, ein paar Worte zum Kollegen Schweitzer zu sagen, von dem ich ja weiß, daß er Pädadoge und Lehrer ist. Ich verstehe eigentlich nicht ganz, daß du nicht akzeptierst, daß gerade junge Menschen im Alter von 14, 15, 16, 17 Jahren oft persönliche Probleme, Probleme in der Familie, im Freundeskreis haben, womöglich in Krisen hineinschlittern (Abg. Mag. Peter: Das kommt vor!), und die Schule selbstverständlich auch ein Faktor sein kann und muß, um ihnen da herauszuhelfen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das akzeptiere ich ja!)

Daher meine ich, daß es gerade angesichts der schwierigen Situation auf dem Lehrstellenmarkt sehr wohl Sinn macht, das Repetierverbot für die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen zunächst einmal für drei Jahre auszusetzen. Ich möchte das folgendermaßen zu begründen versuchen: Wir haben kein Verbot dieser Art im AHS-Bereich. Dort funktioniert das offenbar. Und wenn es nun für die berufsbildenden Schulen eingeführt wird, dann darf man das doch nicht als ein Vergehen betrachten und so negativ darstellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Auch wenn andere keinen Platz bekommen?)

Wir haben, Kollege Schweitzer – die Frau Bundesministerin wird darauf sicherlich noch näher eingehen –, mehr Dienstposten, mehr Planposten bekommen, damit das, was du befürchtest, nämlich daß andere aus diesem Grund keinen Platz bekommen, nicht eintreten wird. Und es wird sicherlich alles seitens des Ministeriums unternommen werden, damit wirklich jeder, der fähig ist, einen Ausbildungsplatz bekommt.


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Ich stimme mit Kollegen Höchtl im Bereich der Möglichkeit des Nachholens des Hauptschulabschlusses zwar überein – du hast schon recht, daß es Konsequenzen haben muß, wenn jemand die Schule nicht geschafft hat –, aber nehmen wir doch zur Kenntnis, daß etwa 4 000 Schülerinnen und Schüler die Pflichtschule ohne positiven Abschluß verlassen. Diese erfahren zurzeit auf dem Arbeitsmarkt, daß sie kaum die Chance einer Eingliederung haben. Ja ist es denn etwas Negatives, wenn man diesen jungen Menschen sagt: Ihr könnt noch einmal in die Schule zurückkommen, wir werden uns ganz besonders um euch bemühen!, und ihnen quasi kostenfrei die Möglichkeit gibt, positiv abzuschließen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist eine wunderbare Erklärung für das Schönen von Statistiken!) Ja, das ist deine Einstellung, Karl! (Abg. Dr. Krammer: Er versteht es nicht besser!)

Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, ehe ich auf ein paar Punkte des Gesetzespaketes, das wir beschließen wollen, eingehe, darauf hinweisen, daß am heutigen Tag in diesem Haus der Bedeutung von Bildung, der Bedeutung von lebensbegleitendem Lernen nicht nur jetzt das Wort geredet wird, sondern auch am Vormittag insbesondere vom Herrn Wirtschaftsminister und vom Herrn Finanzminister ganz besondere Bedeutung zugemessen wurde. Wiederholt haben sie in ihren Ausführungen gesagt, wie wichtig es ist, Weiterbildung sicherzustellen, wie wichtig es ist, der Bildung einen ganz besonderen Stellenwert einzuräumen, weil sich in unserer Gesellschaft auf dem Arbeitsmarkt derzeit enorm viel verändert und Ausbildung wahrscheinlich die einzige echte Chance ist, weiterzukommen.

Zu den meines Erachtens wichtigsten Punkten: Zunächst zur Flexibilisierung, der Kindorientierung des Schulstartes. Ich meine, die Flexibilisierung der Schulstartphase, also der gesamten Grundstufe 1, in der die Schulanfänger künftig ein, zwei oder drei Jahre verbleiben können, wird einerseits eine konsequentere Beachtung der unterschiedlichen Lernfähigkeiten und Lernvoraussetzungen ermöglichen, und andererseits kann zusätzlich das individuelle Lerntempo des einzelnen Kindes entsprechend berücksichtigt werden. Es wird daher meines Erachtens in Hinkunft keine Zurückstellung vom Schulbesuch mehr geben, es wird wesentlich weniger demotivierende, negative Beurteilungen geben, weil ja Zeit ist, es wird weniger negative Versetzungsmaßnahmen geben. Und im Falle – darauf wurde schon hingewiesen – einer besonderen Begabung und einer deutlich überdurchschnittlichen Leistung können Schulanfänger die Grundstufe 1 bereits nach einem Jahr in Richtung dritte Schulstufe, in Richtung dritte Klasse der Volksschule verlassen, also ein Jahr überspringen.

Ich glaube also, daß die nunmehr flexiblere Gestaltung der Schulstartphase es ermöglicht, auf den einzelnen Schulanfänger wirklich entwicklungsspezifisch einzugehen. Ich betone diese Vorzüge deshalb so deutlich, weil wir aus Statistiken und Evaluationen wissen, daß derzeit knapp 20 Prozent der österreichischen Schulanfängerinnen und Schulanfänger in der Schulstartphase Negativerlebnisse haben. Ich möchte nicht von einem Fehlstart sprechen, aber ich meine, derartige Maßnahmen, wie wir sie heute einführen, sind allemal in der Lage, Fehlstarts in Hinkunft zu vermeiden.

Wir Sozialdemokraten – und ich sage das hier ganz offen – hätten uns selbstverständlich auch erwartet, daß wir im Bereich der flexiblen Schuleingangsphase alternative Beurteilungsformen umsetzen können. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Stippel. )

Wir meinen, daß auch das ein Beitrag sein könnte, um zu Leistung und zum Lernen zu motivieren, Mut, Freude und Zuversicht an der eigenen Leistungsfähigkeit aufzubauen und sicherzustellen. Werte Kolleginnen und Kollegen, das ist aber jetzt nicht so zu qualifizieren, daß der eine oder andere über den Tisch gezogen worden oder der eine oder andere umgefallen ist. Das war eben ein zu erkämpfender, ein zu erarbeitender Kompromiß. Und es ist dabei eben herausgekommen, daß wir zunächst bei der Ziffernbeurteilung verbleiben, eine zusätzlichliche Leistungsbeschreibung aber möglich ist. 25 Prozent der Schulen bundesweit können Schulversuche zu alternativen Beurteilungen durchführen, und ich garantiere – ich glaube, das kann ich sagen –, es wird kein Ansuchen um alternative Beurteilung, das an das Unterrichtsministerium gestellt wird, aufgrund eines zu hohen Prozentsatzes abgelehnt werden. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Krammer. ) Ich meine, das ist doch auch ein Schritt, der sehr wohl zu begrüßen ist.


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Mit der Einführung der verbindlichen Übung lebende Fremdsprache in der ersten und zweiten Schulstufe machen wir meines Erachtens ebenfalls einen sehr mutigen Schritt. Wir von seiten der Sozialdemokraten begrüßen das! Eine lebende Fremdsprache wird dabei integrativ in spielerisch-kommunikativer Form vermittelt, sei es im täglichen Morgenkreis, sei es im Bereich Musikerziehung, sei es im Bereich der bildnerischen Erziehung, der Werkerziehung. Es bieten sich zahllose Möglichkeiten an, eine zweite Sprache in das Unterrichtsgeschehen einfließen zu lassen, und zwar ohne Vokabellernen, ohne Angst vor Grammatik, Schularbeit oder Test, aber mit der Zuversicht, das Gefühl für eine zweite Sprache zu erfahren und eine zweite Sprache in spielerischer Form zu erlernen.

Keine Frage, daß Lehreraus- und Fortbildung ganz besonders gefordert sind, keine Frage, daß die Bereitschaft und das Engagement der Schulaufsicht ebenfalls ganz besonders gefordert sein werden.

Zum Schluß kommend möchte ich Ihnen, Frau Bundesministerin, danke sagen, danke unserem Koalitionspartner, danke auch für die Geduld und Zuversicht der Beamten Ihres Hauses. Diese Gesetzesmaterie zu erarbeiten war mühsam, aber es war ein sehr fairer und offener Gedankenaustausch. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

19.57

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja fast schade, daß ich an diesem Unterrichtsausschuß nicht teilnehmen konnte, weil da einiges in der Luft liegt, aber ich fürchte, auch der Unterrichtsausschuß hätte mich von der quälenden Frage nicht befreit, was die Argumente sind, die Kollegen Höchtl noch immer bewegen, außer daß er Angst hat, Angst vor Veränderung (Abg. Dr. Höchtl: Also bitte! Ich habe Angst? Ich bin ja nicht der Öllinger!), Angst davor, etwas loszulassen und sich von etwas verabschieden zu müssen, was man als unumstößliche Sicherheit über Jahrzehnte hinweg sozusagen auf den Thron gestellt hat.

Was sind die Argumente, Herr Kollege Höchtl, die Sie noch immer dazu bewegen, die Ziffernnote in den Himmel zu erheben? (Abg. Dr. Höchtl: Die größte Klarheit im Ausdruck!) Ich meine, es geht gar nicht um die Ziffernnote allein – nicht nur bei Ihnen –, es geht um ein Monument und um Ihre Angst. Es geht aber wirklich nicht um die Ziffernnote allein, denn selbstverständlich könnte man darüber streiten, ob man beispielsweise aufsteigen kann, auch wenn man in der Ziffernnote negativ beurteilt wird. Und ich sehe überhaupt keinen Grund, warum das nicht möglich sein soll.

Denn eines, Herr Kollege Höchtl, können Sie mir nicht weismachen: daß Sie in allem so gut sind, daß Sie dazu befähigt sind, die Notwendigkeit, die Verpflichtung einzufordern von den Schülern, die es ihnen verunmöglicht (Abg. Dr. Khol: Schau einmal, wie du da wieder herauskommst!), eine Teilleistungsschwäche oder eine Schwäche in einem ganz spezifischen Bereich – zum Beispiel im sprachlichen Bereich – zu haben und trotzdem die Schule fortsetzen zu können. Denn Ihr Festhalten an der Ziffernnote als Aufstiegskriterium heißt ja nichts anderes (Abg. Mag. Kukacka: Sie sind argumentierbar!), als daß Sie noch immer von jenem universalgebildeten, humanistisch orientierten Menschen ausgehen, der seine Welt beisammen hat, der sozusagen in allen Teilbereichen gut ist und dem nichts fehlt, der sich überall zumindest ein bißchen auskennt und der alles beherrscht. Von diesem Menschenbild gehen Sie aus – und ich glaube, nicht nur im Bereich der allgemeinbildenden Schulen, sondern im besonderen auch im Bereich der berufsbildenden Schulen. (Abg. Dr. Höchtl: Der Mensch wird immer beurteilt, sein ganzes Leben lang!)

Dieses Menschenbild und diesen Zugang zur Ziffernnote müßten Sie sich abschminken. Denn selbstverständlich ist es so, daß weder Sie noch ich noch Kollegin Schaffenrath noch Kollege Antoni uns anmaßen können – und ich behaupte das auch gar nicht und Sie wahrscheinlich


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auch nicht –, daß wir in allem gut sind. Und das als Voraussetzung für den ... (Abg. Dr. Höchtl: Sie wissen aber, daß 70 bis 80 Prozent der Menschen in Österreich dafür sind!)

Ich bin ja für Leistungsbeurteilung! Leistungsbeurteilung muß aber nicht über die Ziffernnote erfolgen. Sie mißverstehen etwas: Leistungsbeurteilung muß nicht über die Ziffernnote allein erfolgen, sie kann auch durch andere Instrumente erfolgen. Und vor allem eines können Sie mir nicht erklären: Warum eine Leistungsbeurteilung in einem oder in zwei Fächern dazu führen soll, daß das Schuljahr wiederholt werden muß, und zwar auch in jenen Fächern, in denen der Schüler eine gute Leistung erbracht hat. (Abg. Dr. Höchtl: Na weil er die Leistung nicht erbracht hat!)

Herr Kollege Höchtl, ich kann ja noch einmal wiederholen (Abg. Dr. Höchtl: Ich verstehe Sie schon!), was ich schon öfter gesagt habe: Es gibt nur ganz wenige europäische Länder, in denen diese Form der Leistungsbeurteilung und der Verweigerung des Aufstiegs überhaupt noch praktiziert wird. (Abg. Dr. Höchtl: Wenn ein anderer in einen Brunnen springt, springe ich auch nicht nach!)

Das ist Ihr Rezept: nicht in den Brunnen zu springen. Aber manchmal wäre es vielleicht ganz erfrischend, wenn Sie sich etwas frisches Wasser zuführen würden, Herr Kollege Höchtl, wenn Sie sich diese Erfrischung gönnen würden und nicht vor lauter Angst, irgendwo in einen Brunnen oder ins Wasser hineinspringen zu müssen, einfach dort stehenbleiben, wo Sie immer schon gestanden sind, vielleicht den Wasserspiegel betrachtend.

Es wäre wünschenswert, Herr Kollege Höchtl, daß Sie sich ein bißchen orientieren. Es ist ja nicht zuviel verlangt, daß man sich umschaut, was andere machen, wie die Erfahrungen an anderen Schulen sind.

Dazu ist zu sagen – Kollegin Schaffenrath hat das in ihrem Debattenbeitrag ja schon ausführlich getan –: Das Eigentümliche an dieser Art von Pädagogik und dieser Verweigerung, über Pädagogik zu diskutieren, ist doch ... (Abg. Dr. Höchtl: Das ist ja nicht wahr! Ich diskutiere ja eh die ganze Zeit!) Sie diskutieren nicht, Herr Kollege Höchtl, sondern Sie stellen fest. Sie stellen fest und Sie beten an: die Ziffernnote und die Leistungsbeurteilung über die Ziffernnote, die das Aufsteigen verhindert. (Abg. Dr. Höchtl: Sie wissen aber, daß ich in Übereinstimmung mit 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung bin? Sind Sie ein Demokrat?)

Herr Kollege Höchtl! Es ist schwer, mit Ihnen darüber auch nur annähernd in eine Diskussion einzutreten, auch wenn ich sie mir wünschen würde. Aber es gibt bestimmte Grenzen, die für Sie offensichtlich in diesem Fall nicht zu überschreiten sind. Sie springen nicht, das haben Sie deutlich erklärt: weder in den Brunnen noch in ein anderes Wasser – auch wenn es manchmal gesund sein könnte. Ich nehme es zur Kenntnis. (Abg. Mag. Peter: Er kann nicht springen, der Höchtl!)

Was ich nicht zur Kenntnis nehme – und da knüpfe ich noch einmal an die Ausführungen der Kollegin Schaffenrath an, die sie Ihnen gegenüber gemacht hat, Frau Bundesministerin –, ist, daß Sie – zumindest für mich; ich glaube, auch für viele andere – angetreten sind mit einem – sagen wir einmal – erfrischend undogmatischen, unverkrampften Zugang zu bestimmten Dingen. Ja, so ist es! Sie sehen es auch nicht ein, daß jemand, der in 13 Fächern positiv ist, nur deswegen nicht aufsteigen darf, weil er im 14. Fach negativ ist. – Das ist erfrischend! Darüber kann jeder Mensch in Österreich nachdenken, nur Kollege Höchtl steht vor seinem Brunnen und betrachtet ihn, aber er traut sich nicht zu springen. (Abg. Dr. Höchtl: Ich wünsche Ihnen ja auch keinen Brunnen! Ich wünsche Ihnen ein langes Leben und keinen Selbstmord!)

Sie sind zumindest gedanklich gesprungen, und das, meine ich, war ein Ansatzpunkt. Aber Sie sind nicht weitergegangen und haben sich irgendwo in einer Röhre, die – allegorisch gesprochen – von der Bürokratie und von der Gewerkschaft, in dem Fall von der Lehrergewerkschaft, gebildet und offensichtlich zugestoppelt wurde, verfangen.

Das ist das Problem: Es geht nichts mehr weiter! Diese Debatte, die, glaube ich, gerade angesichts dessen, was wir heute diskutieren und was im Unterrichtsausschuß hätte diskutiert wer


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den können, notwendig wäre, gerade diese Debatte geht nicht weiter, und es paßt hinten und vorne nicht mehr. Denn eines ist klar: Die absolut wichtigen Fortschritte, die auch von uns unterstützt werden und die Sie etwa im Bereich der Schuleingangsphase veranlaßt haben, passen nicht zu dieser Art von Leistungsbeurteilung mit Verweigerung des Aufstiegs. Und damit bin ich schon wieder beim Repetierverbot des Kollegen Schweitzer: Wenn es das eine Mal geht – wenn auch nur mit Ausnahmen – und das andere Mal unmöglich ist, wenn beim Aufsteigen mit einem Nichtgenügend ganz komplizierte Regelungen notwendig sind, um überhaupt noch eine Gangbarkeit zu ermöglichen, dann stimmt etwas nicht. Und vor allem stimmt es nicht mehr in der Schuleingangsphase.

Meine Damen und Herren! Wenn wir dieses Thema ernst nehmen, dann sollten wir nicht dabei stehenbleiben. Sie, Frau Bundesministerin, sollten sich daran erinnern, daß Sie dieses Amt mit einer Auffassung und Überzeugung und einem erfrischenden Zugang – den konzediere ich Ihnen – angetreten haben, den ich jetzt nicht mehr sehe. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist reformpopulistisch!) Ich denke, es gibt wahrscheinlich einige Gründe dafür, warum da nichts mehr weitergeht. Aber nicht nur aus der Sicht einer Oppositionspartei, sondern auch aus der Sicht der Pädagogik in diesem Land ist es schade darum, weil Sie wahrscheinlich mehr Möglichkeiten hätten – nicht nur kraft Ihres Amtes, sondern auch aufgrund des unkomplizierten Zuganges –, einige Beschränkungen – und die gebe ich durchaus auch auf unserer Seite zu – zu lösen. Aber da rührt sich nichts mehr.

Wenn ich mir vorstelle – weil das jetzt schon einige Male angesprochen wurde –, wie schwer es Kollegen Höchtl etwa im Bereich dieses berühmten Repetierverbotes gefallen sein muß, nun doch zu springen (Abg. Dr. Höchtl: Wieso?) und seine ganzen leistungsmäßigen Verpflichtungen, die er vor Augen hat, fallenzulassen, nur um für die Dauer von drei Jahren – nicht aus bildungspolitischen Gründen, sondern aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, die seinen bildungspolitischen Zielen, nicht den meinen, widersprechen (Abg. Dr. Höchtl: Der muß ja repetieren! Er wird ja nicht automatisch hinaufgetragen!)  – diese Konzession zu machen, wie schwer es ihm gefallen sein muß, nun doch einen kleinen Hüpfer gemacht zu haben, dann frage ich mich wirklich, ob diese Art von Hüpferei bei der Noten- und Leistungsbeurteilung das wert ist. (Abg. Dr. Höchtl: Dafür steigt er ja nicht auf!)

Ich kann mir nicht vorstellen, daß das, was wir hier vorexerzieren nicht nur im Bereich des Repetierverbotes, sondern auch mit diesen vielen Verdrehungen und Verrenkungen im Bereich der Leistungsbeurteilung – und das bezieht sich nicht nur auf die Grundstufe oder auf die Eingangsphase, sondern das bezieht ja alle anderen Bereiche mit ein –, noch irgend jemandem verständlich ist.

Meiner Ansicht nach hängt das mit einer grundlegenden Problematik zusammen, die Sie, Frau Bundesministerin, irgendwann angehen müssen, sonst geht etwas verloren. Es geht bereits jetzt sehr vieles verloren, das haben wir ja auch in der Debatte über die Integration wieder gemerkt: Wenn nicht grundlegend bestimmte Sachen, die nicht nur an der Leistungsbeurteilung, nicht nur an der Note – denn auch über die Note kann man diskutieren –, sondern am Jahrgangsklassensystem hängen, das Sie ja im Bereich der Grundstufe aufzulösen bereit sind, wenn all das nicht komplett überlegt und hier etwas ermöglicht und mitgedacht wird, und zwar eine Innovation, die über diese Teilbereiche hinausgeht, dann versäumen wir eine der letzten Möglichkeiten, das öffentliche Schulwesen in diesem Bereich in eine dringend notwendige Richtung zu bringen.

All die Maßnahmen, die Sie gesetzt haben beziehungsweise die von diesem Haus im Bereich der Integration in den letzten Jahren gesetzt worden sind, gehen – wie gerade die heutige Diskussion und die Vorlagen beweisen – jetzt schon wieder einen Schritt zurück, weil sie zu diesem System nicht mehr dazupassen, weil sie in Widerspruch zu diesem System stehen, weil hier nicht konsequent weiterentwickelt wurde. Das ist das Bedauerliche daran.

Zum Thema Integration wird meine Kollegin Haidlmayr noch sprechen. Nur eine Anmerkung: Es ist schon vieles gesagt worden über die Schwierigkeiten. Aber bitte, Frau Ministerin, erklären Sie mir folgendes: Warum wird einerseits ein Jugendlicher oder eine Jugendliche, der oder die acht Jahre in einer integrativen Klasse verbracht hat, im neunten Jahr in eine Sonderschule zur Be


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rufsvorbereitung geschickt, und auf der anderen Seite ein Jugendlicher oder eine Jugendliche, der oder die eine Sonderschule absolviert hat und vorzeitig fertig geworden ist, im neunten Jahr in einen Polytechnischen Lehrgang oder in eine allgemeine integrative Klasse hineingesetzt?
Bei dem einen ist es möglich, in der 9. Klasse – im letzten Pflichtschuljahr – soziale Integration sozusagen noch zu erschnuppern, bei dem anderen wird genau das in der 9. Kasse verweigert. Ich sehe diese Regelung nicht ein.

Frau Bundesministerin! Ich hätte mir gewünscht, daß bei all dem, was Sie zu Unrecht kritisieren, versucht wird, die Integration geistig Behinderter bis zum Universitätsstudium irgendwie mitzudenken. Bei all dem, was Sie an Bedenken haben, können Sie mir aber nicht erklären, daß Sie dagegen sind, daß Integration – und ich hoffe, Sie sind nicht dagegen – in der Berufsvorbereitung, in berufsbildenden Schulen gemeinsam stattfindet. Darüber hätten wir zumindest sprechen und dazu hätte diese Reform führen sollen und auch können. Aber auch diese Chance ist versäumt worden, und deshalb kann ich nur sagen: Trotz vieler Punkte, die in diesem ganzen Reformpaket enthalten und durchaus positiv zu beurteilen sind, ergibt das in Summe ein negatives Bild.

Abschließend eine Bemerkung zum Englischunterricht in Volksschulen. Das kann ein großer Erfolg werden, aber nur, wenn es gründlich begleitet wird, und zwar über Schulbücher und natürlich über die Lehrerbildung. Herr Kollege Höchtl, gerade Sie werden doch zugeben – da Sie ja ganz großen Wert darauf legen, daß ordentliche Leistungen erbracht werden –, daß es problematisch ist, wenn LehrerInnen, die über zehn Jahre lang oder mehr keine Möglichkeit hatten, sich in bezug auf ihre Englischkenntnisse fortzubilden, jetzt mehr oder minder dazu veranlaßt sind, Englisch zu unterrichten, drei oder vier Jahre lang mit Kindern, mit Jugendlichen Englisch zu sprechen, obwohl dieses nicht gerade als "advanced" zu bezeichnen ist. (Abg. Dr. Höchtl: Das ist in den letzten Jahren bereits gemacht worden, Herr Kollege Öllinger!) Und das wird ein gewisses Problem darstellen: nicht für die Lehrer, sondern für die Kinder, und zwar dann, wenn diese in die Mittelschule kommen, dann, wenn die neuen Lehrer ihnen zum Beispiel das "th" umlernen müssen, weil die Kinder und Jugendlichen nicht die Möglichkeiten hatten, das richtig zu erlernen. (Abg. Dr. Höchtl: Sie reden von etwas, was nicht mehr zutrifft!)

Mir fällt dabei immer dieses eine Beispiel aus Italien ein: Dort war es offensichtlich möglich, daß ein Lehrer über 20 Jahre lang Englisch unterrichten konnte, wobei man dann nachträglich draufgekommen ist, daß er kein bißchen Englisch versteht.

Das sollte uns vielleicht doch auch zu denken geben – gerade Ihnen, Herr Kollege Höchtl, mit Ihrer Anbetung des Leistungssystems –, über Leistung und Schulsystem etwas grundsätzlichere Überlegungen anzustellen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schaffenrath. )

20.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.13

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Nach den psychoanalytischen Ausführungen meines Vorredners Öllinger doch auch ein Wort zur Kollegin Schaffenrath, zur Auffrischung ihrer Erinnerung. Das Wort, das sie im Diskurs mit Kollegen Höchtl den Medienvertretern in den Mund gelegt hat, hat sie sehr wohl selbst verwendet, wie ihrer eigene Aussendung vom 5. Juli zu entnehmen ist. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Ja, dieses Wort kann ich dir dann zeigen.

Mit dem ständigen Gerede, daß es Reformen bedürfe, daß das System nicht in Ordnung sei – kaputt, desolat, was auch immer –, kann man natürlich auch eine ganz bestimmte Politik verfolgen. Man kann das Selbstbewußtsein der handelnden Personen – Lehrer, Eltern, Schüler – so weit minimieren, bis der Eindruck entsteht, es müsse jemand besserer, stärkerer, anderer kommen, der es besser machen müsse. Man kann einen Popanz aufbauen, um ihn dann "abzuschießen" und mit besseren – bei genauerem Hinsehen vielleicht gar nicht so viel besseren – Alternativen zu kommen.


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Ich warne davor, ständig das Schulsystem, die Lehrer, die Eltern, die Schüler allesamt krankzujammern und hinzustellen, als lägen sie gerade im Sterben. (Beifall bei der ÖVP.) Dahinter kann nämlich System stecken. Ich muß dazu nicht ausführlich die statistischen Daten nennen. Es gibt höchste Zufriedenheit betreffend das Schulsystem, betreffend das differenzierte System. Es herrscht auch höchste Zufriedenheit hinsichtlich der dort handelnden Lehrer und sehr hohe bis höchste Zufriedenheit mit dem, was an schulpädagogischen Maßnahmen gesetzt wurde. – Soweit zum Vorspann. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Vorredner, vor allem Kollege Öllinger, haben sich so sehr mit der Leistungsbeurteilung beschäftigt. (Abg. Schaffenrath: Sprechen Sie als Erziehungswissenschafterin oder ...? Sie müssen sagen, als was Sie sprechen!) Die Form, die wir heute verabschieden werden, ist eine pädagogisch in höchstem Maße legitimierbare und darf letztlich nicht mit einer politischen vermischt werden. (Abg. Mag. Kukacka  – in Richtung der Abg. Schaffenrath –: Was ist liberal an Ihrer Schulpolitik?) Wenn Sie Erziehungswissenschafter zitieren, die Ihre Version unterstützen, dann zitiere ich welche, die meine Version unterstützen. Das ist der Punkt.

Noch einmal: Die heutige Entscheidung ist eine, die sich pädagogisch in höchstem Maße legitimieren läßt. Der Vorschlag regelt die Arbeit der Lehrer in einem ganz kleinen Bereich, nämlich eine Aufgabe, die sie zweimal im Jahr vollziehen, das heißt eine im Halbjahr und eine zum Schulschluß vollzogene Beurteilung. Sie greift nicht ein in das, was das ganze Jahr über passiert, und zwar die Mitbewertung und Mitberücksichtigung der mündlichen und schriftlichen Mitarbeit, die Arbeit, die durch Motivation, Hilfestellung, Förderung und Zwischendurchbeurteilung auf ganz vielfältige Weise geschieht. Dies alles steht nicht zur Diskussion. Ich verstehe daher die ganze Aufregung überhaupt nicht. Guter Unterricht basiert auf dieser Gesamteinstellung, und es gibt sehr viel guten Unterricht in Österreich. Das soll auch einmal gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Krammer. )

Was mir auch noch wichtig ist – das möchte ich festhalten –, ist, daß sich aufmerksame Eltern und Schüler ständig um dieses partnerschaftliche Gespräch, das auch Beurteilungs- und Rückmeldungscharakter hat, bemühen sollen und das auch tun. Andere Ambitionen, die gewerkschaftliche Schülertöne in die Schule hereinbringen wollen, laufen diesen partnerschaftlichen Bestrebungen zuwider. Darauf sollte man aufpassen.

Ich meine auch, daß der Vorwurf der Ungerechtigkeit im Zusammenhang mit der Ziffernbeurteilung nicht zutrifft, ebenso nicht die Frage der Motivation. Ich bringe Ihnen in Erinnerung, daß Platon bereits mit der Frage nach der Gerechtigkeit, die er den Sophisten gestellt hat, gescheitert ist. Das heißt, die Sophisten sind gescheitert, weil sie angefangen haben, diverse Gerechtigkeiten zu entwickeln.

Lassen wir daher die Gerechtigkeitsdiskussion dort, wo sie hingehört, lassen wir auch die Beurteilung dort, wo sie ihren rechten Platz hat! Ziffernnoten und andere Formen der Beurteilung sind Fachgutachten von Fachleuten, genauso wie jene von Ärztinnen oder Ärzten im Gesundheitsbereich. Ein Fachgutachten ist nicht eines, das verobjektivierbar ist. Es soll kein falsches Prüfverfahren auf eine Note oder eine Ziffernbeurteilung angelegt werden.

Vielleicht noch eine Bemerkung zu all den Alternativvertretern. Allzu gerne bringen Sie das Moment der Lebensnähe in die Schule. Ich frage mich: Wo bleibt die Logik, wenn man Leistungsbeurteilung in den Kontext zu Lebensnähe bringt? Da will man auf einmal nichts von Lebensnähe hören (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath ), da will man auf einmal nichts von demokratischer Gesellschaft hören! Da will man offenbar wieder zum alten Feudalsystem zurückkehren, in dem kein demokratisch standardisiertes Verfahren über die Aufstiegschancen entscheidet, sondern wieder Kriterien wie Geld, Religion, soziale Herkunft oder sonstige Dimensionen über Aufstiegschancen entscheiden. Frau Kollegin! Sie müssen sich entscheiden, ob Sie in dieser Welt, in dieser Demokratie leben oder nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schaffenrath: Ja! Ein Beispiel, wann Sie eine Note geben!)  – Ein bißchen mehr Logik.


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Zusammenfassend: Die demokratische Gesellschaft hält sich eine Schule mit einer Selektionsfunktion, und diese ist mir allemal lieber als Blutgruppe, Halsweite, Herkunft oder sonstiges.

Ich schließe, weil ich meinen Nachrednern auch noch Raum zur Beurteilung überlassen will, indem ich mich zu Schulschluß – auch im Westen Österreichs beginnen morgen die Sommerferien – bei Lehrern, Eltern und Schülern für ihre Arbeit bedanken will. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen zum nachdenklichen Schmunzeln noch eine Beschreibung dessen mit auf den Weg geben, was Schule in ihrer Unmöglichkeit ausmacht – mit einem Wort: Was ist Schule?

Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nordsüdlicher Richtung zu führen, und zwar so, daß alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielen ankommen. – Bringen wir heute Schule ein Stückchen weiter! (Beifall bei der ÖVP.)

20.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Madl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.20

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich glaube, jene Person, die nicht in dieser Demokratie beziehungsweise in dieser Welt lebt, sind Sie, Frau Kollegin Brinek. Anders kann ich mir diese höchste Zufriedenheit, die Sie gegenüber der Lehrerschaft oder der Elternschaft signalisiert haben, nicht erklären. Sie verspüren diese höchste Zufriedenheit wahrscheinlich hinsichtlich Schulen, von denen Sie geträumt haben, und das sind dieselben Schulen, in denen sich Frau Bundesministerin Gehrer bewegt, wenn sie sich Ideen für Gesetze holt, wie sie heute hier zur Verhandlung stehen.

Ich sage Ihnen, wie diese Form der höchsten Zufriedenheit, die Sie hier vom Rednerpult aus propagieren, aussieht: Es ist nämlich nicht nur das Repetierverbot, das die Schulen und die Schüler in unheimliche Schwierigkeiten bringt, sondern es sind auch die Abschaffung der Aufnahmsprüfung von der zweiten Leistungsgruppe der Hauptschulen (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt doch nicht!) oder die Gleichstellung der neuen Polytechnischen Schule mit der neunten Schulstufe.

Ich werde Ihnen auch gleich die Gründe dafür nennen. Sind Sie schon einmal in Schulen gegangen, die seit zwei Jahren proppenvoll sind (Abg. Dr. Brinek: Ja!), die seit zwei Jahren aus allen Nähten platzen, die seit zwei Jahren jede Kammer benützen müssen, um Klassen einzurichten? Waren Sie schon in solchen Schulen? Wie können Sie dann von Zufriedenheit reden? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist ja nicht nur so, Frau Kollegin, daß die ersten Klassen von jenen gefüllt werden können, die aufgrund ihres Abganges von der Hauptschule im ersten Klassenzug ein positives Zeugnis haben. Es wird ja noch viel schärfer! Es gibt nicht nur die HTL in Pinkafeld, Herr Kollege Schweitzer, es gibt auch die HTL in Leonding und die HAK/HASCH in Kirchdorf. Überall, wenigstens in Oberösterreich – nicht in Ihrer Traumwelt und Ihrer Traumfabrik –, gibt es Schulen, in denen die Schulleiter nicht mehr wissen, wo sie die zweiten Klassen unterbringen sollen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. )

Ich habe hier einen Artikel aus der "Kronen-Zeitung" mit der Schlagzeile: HTL-Leonding. Zweite Klasse: 30 müssen raus! – Schön! Frau Bundesministerin! Sie hören gar nicht zu, das interessiert Sie wohl nicht, denn Sie leben auch in einer Traumwelt. (Abg. Dr. Brinek: Sie haben nicht einmal dem Vorredner zugehört!) Ich sage Ihnen folgendes: Diese Traumwelt hat Sie soweit gebracht, daß in der Lehrerschaft ... (Zwischenbemerkung der Bundesministerin Gehrer. ) Wo Sie leben, weiß ich nicht, aber ich war sehr viel unterwegs und weiß daher: Es ist nicht ein Problem der Lehrer, die jetzt vielleicht vermehrt unterrichten können, sondern es ist ganz einfach ein Problem des Platzes und der Schulräume, weil diese schlicht nicht vorhanden sind.


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Frau Bundesministerin! Sie machen eine schlechte Arbeitsmarktpolitik, die Sie auf dem Rücken der Lehrerschaft, auf dem Rücken der Eltern und auf dem Rücken unserer Jugend austragen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin! Darum ist es so, daß jene, die Ihnen einen Bonus gegeben haben, die sehr viel auf Sie gehalten haben, als Sie Unterrichtsministerin geworden sind, nach einem Jahr so sehr über Sie schimpfen, daß ich diese Wort nicht einmal sagen darf, weil sie hier verboten sind. Und der andere Teil lacht über Sie. Wahrscheinlich – ich weiß es nicht – muß es in Ihrer Vergangenheit etwas geben, was manche Lehrer aufgrund Ihrer Bildungspolitik zum Lachen bringt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gaál und Dr. Krammer. ) Nur eine vernachlässigbar kleine Menge ist mit Ihrer Schulpolitik noch zufrieden.

Machen Sie nur so weiter auf Kosten unserer Kinder, Frau Bundesministerin! Machen Sie nur so weiter! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe.)

20.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

20.23

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zuerst einiges zu meinen Vorrednern. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und der Abg. Madl. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte um Aufmerksamkeit! Am Wort ist die Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer (fortsetzend): Wer sich wirklich in den Schulen umsieht und sich auskennt, weiß, daß es durchschnittliche Klassenschülerzahlen in der AHS von 25, in der Hauptschule von 24 und in der Volksschule von 20 gibt. Wer sich wirklich um Schule kümmert, hat bemerkt, daß die Anmeldezahlen für Handelsakademien und Handelsschulen nach dem Boom der letzten Jahre inzwischen etwas rückläufig sind. Wer sich wirklich um Schule kümmert, hat gesehen, welche Anstrengungen in den letzten Jahren unternommen wurden, um neue Schulgebäude zu errichten, neuen Schulraum zur Verfügung zu stellen und den Kindern ein gutes Angebot zu ermöglichen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Noch zwei Bemerkungen zu Vorrednern. Es ist um die Leistungsbeurteilung gegangen und auch darum, daß irgend jemand Angst hat. Aber ich sage Ihnen, es geht nicht um Angst, es geht um Leistung. Aber anscheinend haben manche hier herinnen Angst vor Leistung. Ich meine, wir sollten uns ganz nüchtern damit beschäftigen, daß doch in der Schule Leistung auch Leistung, Qualität auch Qualität bleiben muß, daß wir aber selbstverständlich den Kindern Chancen geben müssen.

Bezüglich des Aufsteigens mit einem Nichtgenügend, das immer wieder erwähnt wird, muß ich Ihnen sagen, daß wir zahlreiche Maßnahmen getroffen haben, um den Schülern Chancen zu geben, aber nicht in der Form, sie mit einem Fünfer aufsteigen zu lassen, sondern von vornherein zu verhindern, daß sie überhaupt einen Fünfer bekommen. Das ist nämlich das Wichtige! (Beifall bei der ÖVP.) Bewerkstelligt wird dies durch Förderkurse, durch das Frühwarnsystem – es gibt heuer 10 Prozent weniger Nichtgenügend; genau wie voriges Jahr –, durch den Auftrag an die Lehrerkonferenzen, die persönliche Situation der Jugendlichen in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen.

Ein Wort noch zur Frage der Berufsorientierung an den Sonderschulen.

Meine Damen und Herren! Diese Berufsorientierung, die wir als neuntes Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf verankert haben, ist ein Lückenschluß. Es gab dafür bisher kein neuntes Schuljahr für sonderpädagogischen Förderbedarf. Dieses Jahr der Berufsorientierung kann sowohl integrativ als auch an einem Sonderpädagogischen Zentrum, an einer Hauptschule oder an einem Polytechnischen Lehrgang durchgeführt werden, aber es ist endlich ein


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Anspruch für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gegeben, daß sie die Möglichkeit zur Berufsorientierung, zur Einführung in das berufliche Leben, zu einem Hinübergleiten in das berufliche Leben erhalten. Das ist ein Fortschritt! Das hat nichts damit zu tun, wo es angeboten wird. Dieses Berufsorientierungsjahr kann in jeder Form angeboten werden. Ich meine, das ist ein echter Fortschritt für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wer sich wirklich auskennt in Schulfragen, wer in Schulen geht, hat gesehen, daß sich in den letzten Jahren viel getan hat. Ich erwähne in diesem Zusammenhang mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortung, mehr Autonomie. Ich erwähne die Bereitschaft von Lehrern und Lehrerinnen, sich neuen Herausforderungen zu stellen, die vielen Projekte, die vielen neuen Lehr- und Lernformen. Ich erwähne weiters die gute Umsetzung der Sprachen- und der Technologieoffensive. Ganz wichtig ist mir auch die Lehrplanmodernisierung mit der Einteilung der Lehrpläne in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche, mit der Schaffung von fächerübergreifenden Möglichkeiten, zu lernen, mit der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen. Wir sind diesbezüglich mitten in der Arbeit und die Umsetzung schreitet zügig voran.

Alle Damen und Herren hier im Plenum, die Gesetze beschließen und die bisherige Legislaturperiode einmal Revue passieren lassen, müßten eigentlich wissen, was alles beschlossen wurde. Zum Beispiel die Berufsreifeprüfung im Juni 1997. Das war vor einem Jahr. Über 2 000 Schüler arbeiten auf hohem Niveau an dieser Berufsreifeprüfung, und es gibt bereits den ersten Absolventen dieser Berufsreifeprüfung. Das ist ein schöner Erfolg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich erwähne die Integration in Hauptschulen und der AHS-Unterstufe, die Teilrechtsfähigkeit, die ein enormer Fortschritt war – weg von der Kameralistik –, das Frühwarnsystem, die neue Polytechnische Schule, die verpflichtende Berufsorientierung, die jetzt umgesetzt wird, die leistungsbezogenen Kriterien für Anstellungen, die Direktoren auf Zeit und das Schulgesetz für Berufstätige. Ich erwähne auch, weil es mir besonders wichtig ist, die Vorlehre, die Sie vor einigen Wochen beschlossen haben und die jenen Kindern eine Chance gibt, die sozial benachteiligt sind.

Heute werden wieder wichtige Schritte gesetzt, und ich danke jenen, die diese wichtigen Schritte – Schuleingangsphase, lebende Fremdsprache – beschließen werden. Ich muß in diesem Zusammenhang jenen etwas sagen, die ihre Unkenrufe in alle Welt und an alle Medien schicken. Ab dem heurigen Herbst werden bereits 37 000 Kinder in der Grundstufe, also in der ersten und zweiten Klasse Volksschule, fremdsprachliche Vorschulung erhalten. Seit dem Jahre 1985 werden alle Lehrerinnen und Lehrer dahin gehend ausgebildet. Mit der Überleitung im Dienstrecht im Jahre 1990 haben alle Lehrerinnen und Lehrer dies nachgeholt. 27 000 Lehrer und Lehrerinnen werden sich heuer im Sommer in Kursen im fremdsprachlichen Unterricht und auch bezüglich der Technologieoffensive weiterbilden. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist die Gesamtzahl der Weiterbildungen, nicht nur in diesen Bereichen!)  – In diesen Bereichen, das sind die Schwerpunktbereiche. (Abg. Mag. Schweitzer: Unter anderem auch!)

Weiters werden heute beschlossen: die Flexibilisierung der Leistungsgruppen, die Möglichkeit des Überspringens von mehreren Klassen für Hochbegabte, das Nachholen des Hauptschulabschlusses – etwas ganz Wesentliches für diejenigen, die keinen Pflichtschulabschluß haben – und auch das Berufsvorbereitungsjahr für Kinder mit Handicap.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns diese Pakete anschauen, die alle schon beschlossen wurden und die wir bereits umsetzen, dann kann ich ganz schlicht und einfach feststellen: Die Schulen in Österreich sind europafit! Wir haben verläßliche Volksschulen, wir haben zukunftsorientierte Hauptschulen, wir haben bedarfsgerechte, gute Sonderschulen, wir haben gute vorbereitende Polytechnische Schulen, wir haben praxisorientierte Berufsschulen und berufsbildende mittlere und höhere Schulen, wir haben leistungsfähige Gymnasien, und wir haben sehr, sehr gute Lehrerausbildungsstätten und Lehrerweiterbildungsstätten. Ich danke allen Lehrerinnen und Lehrern für ihr Engagement! Sie sind der Garant dafür, daß unsere Schulen in Österreich Qualität haben und europafit sind! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.31


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Fuchs. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.31

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Einführung einer flexiblen Schuleingangsphase ist ebenso wie die Fremdsprachenoffensive aufgrund der Initiative der sozialdemokratischen Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker zustande gekommen. Ich möchte das besonders betonen, weil ich als Kleinkindpädagogin es für besonders wichtig halte, daß Schulanfänger und Schulanfängerinnen nunmehr bei Bedarf bis zu drei Jahren in der Grundstufe eins verbleiben können. In dieser Zeit können individuelle entwicklungsbedingte Unterschiede verstärkt berücksichtigt und auch ausgeglichen werden, was einen optimalen Schuleinstieg zur Folge hat.

Die besonders Begabten können künftig eine Klasse der Grundstufe überspringen, in der fünften und sechsten Schulstufe ist das noch ein weiteres Mal möglich, und ab der neunten Schulstufe ein drittes Mal. Es gibt jetzt also einerseits gezielte Begabtenförderung, andererseits müssen Kinder mit Problemen und Defiziten nicht den Schock einer Rückstellung in die Vorschulklasse bewältigen, sondern haben die Möglichkeit, länger im gewohnten, vertrauten Klassenverband zu verbleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Alle werden also entsprechend ihren individuellen Voraussetzungen beziehungsweise Lernfortschritten und Lernfähigkeiten gefördert. Die Chancen für eine erfolgreiche Schullaufbahn wurden mit dieser Reformmaßnahme wesentlich verbessert. Es ist dies wieder ein weiterer Schritt in Richtung Chancengleichheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein kleiner Wermutstropfen dabei ist allerdings die Form der Leistungsbeurteilung. Für den Bereich der Schuleingangsphase hätten wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns ausschließlich die Form der Leistungsbeschreibung vorgestellt und uns eine komplette Abschaffung der Ziffernnoten gewünscht. Leider mußten wir diesen Kompromiß eingehen. Wir begrüßen aber die Ausweitung der Möglichkeit, über Beschluß des Schulforums der Leistungsbeurteilung durch Ziffernnoten eine Beschreibung der Leistungen anzufügen. Jahrzehntelange diesbezügliche Schulversuche haben nur positive Ergebnisse gezeigt. Verstärkte Leistungsmotivation und Leistungsfreude der Schülerinnen und Schüler sind die Folge. Und diese Motivation und Freude beim Lernen sollten unser aller Ziel und Anliegen sein! (Beifall bei der SPÖ.)

20.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Es wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten angezeigt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.34

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen ein paar Punkte vorlesen, weil ich davon ausgehe, daß Sie bereits vergessen haben, was Sie einmal beschlossen haben.

Erstens: "Das Behindertenkonzept der österreichischen Bundesregierung vom 10. Dezember 1992 sieht vor, ,die (integrative) Förderungsmöglichkeit behinderter Schüler in allgemeinbildenden und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen auszuweiten‘." – Das war 1992.

Zweitens: "Die Entschließung des Nationalrates vom 14.7.1994 sieht vor, daß alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen sind, um die ,vollständige Integration und individuelle Entfaltung geistig und körperlich behinderter Kinder und Jugendlicher in allen Lebensbereichen‘ zu gewährleisten, was insbesondere auch für die Berufsorientierung, -findung und -vermittlung relevant ist."


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Drittens: Am 9. Juli 1997 – also vor genau einem Jahr – haben wir in diesem Haus beschlossen, daß niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf und Bund, Länder und Gemeinden zu gewährleisten haben, daß die Gleichstellung behinderter und nichtbehinderter Menschen in allen Lebensbereichen gesichert werden muß.

Ich habe Ihnen nur drei Bestimmungen genannt, die Sie in den letzten vier Jahren beschlossen haben. Heute liegt uns eine Schulorganisationsgesetz-Novelle vor, Frau Ministerin, die die Handschrift eines Beamten trägt, der in Ausübung seines Amtes nicht die Integrationspädagogik vertritt. Vielmehr handelt es sich ganz konkret um einen Ministerialbeamten, der als Präsident der Heilpädagogischen Gesellschaft eine aussondernde, defektorientierte Pädagogik vertritt. Und entsprechend diesem Muster und den Ideen dieses Präsidenten, der die defektorientierte Pädagogik vertritt, haben Sie auch diese Schulorganisationsgesetz-Novelle für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gestaltet.

Frau Ministerin! Ich weiß, daß Ihnen nicht unbekannt ist, was auf dem Gebiet der Schulintegration in Österreich in den letzten Jahren geleistet wurde und welche Fortschritte es im Rahmen des integrativen Unterrichtes gibt. Ich selbst habe Sie schon des öfteren auf Literatur von Schönwiese, Feuser, Gstöttner und Fragner verwiesen, und ich könnte die Liste noch elendslang fortführen. Frau Ministerin! Ihnen ist auch nicht unbekannt, was Rosa in Italien geleistet hat, welche positiven Erfolge sich dadurch langfristig speziell für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf abgezeichnet haben und welche Erfolge dort zu verbuchen sind.

Frau Ministerin! All das ist Ihnen nicht unbekannt, aber Sie haben das große Talent, genau diese Fortschritte zu verdrängen. Ich weiß nicht, warum Sie sich so verhalten, aber ich vermute, daß Sie massive Probleme mit behinderten Menschen haben! (Abg. Steibl: Das ist eine Unterstellung! Das Gegenteil ist der Fall! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn dem nicht so ist, dann frage ich Sie, Frau Ministerin, warum es Ihnen so unheimlich wichtig ist, daß jeder behinderte Mensch damit gebrandmarkt wird, daß für ihn sonderpädagogischer Förderbedarf besteht? Auf diese Weise nehmen Sie den Betroffenen spätestens dann, wenn die Eltern es geschafft haben, daß ihr behindertes Kind acht Jahre integrativ unterrichtet wurde, das Recht auf integrative Förderung! (Abg. Steibl: Das ist eine bodenlose Frechheit! – Zwischenruf der Abg. Fuchs. ) Denn dann werden die Kinder beziehungsweise jetzt bereits Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Sonderschulen mit Berufsorientierung eingegliedert! (Zwischenruf der Abg. Dr. Krammer. )

Meine Damen und Herren! Wissen Sie überhaupt, daß Sonderschulen überhaupt keine Berufsorientierung anbieten können, weil diese dafür nicht geeignet sind? (Abg. Steibl: Wir sind froh, daß Sie uns das sagen, damit wir es auch wissen!) Ich nehme an, daß Sie damit letztendlich doch nur erreichen wollen, daß Sie Ihr Sonderschulsystem, das Sie schon liebgewonnen haben, aufrechterhalten können. Was liegt Ihnen denn daran, die Sonderschulen mit aller Kraft aufrechtzuerhalten und deren Existenz und deren Fortbestand zu sichern?

Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP! Wenn Sie ernsthaft Interesse daran hätten, daß es wirklich eine Möglichkeit der integrativen Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, gegebenenfalls bis zum universitären Abschluß, gibt, dann dürften Sie die Integration nach acht Schulstufen nicht beenden, um die Schüler schließlich in eine Sonderschule mit Berufsvorbereitung zu stecken, sondern müßten letztere Einrichtungen ersatzlos streichen. Sie müßten die Regelung treffen, daß das neunte Schuljahr, das für nichtbehinderte Kinder selbstverständlich ist, in Polytechnischen Schulen, in Berufsschulen beziehungsweise in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen für Behinderte in Form eines integrativen Unterrichtes angeboten wird.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das ernsthaft gewollt hätten, dann hätten Sie eine entsprechende Regelung treffen können. Aber das wollen Sie offensichtlich nicht! Denn anscheinend ist es Ihnen – wobei ich nicht weiß, warum – noch immer wichtig, daß jedes Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf zwar eine Zeitlang Integration in die Gesellschaft schnuppern darf, irgendwann im Laufe seines Lebens jedoch in die Sondereinrichtung zurückgeholt wird – vielleicht deshalb, damit das Kind weiß, wie es läuft.


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135. Sitzung / Seite 180

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich auch nur ein wenig mit Integration auseinandergesetzt hätten, dann wüßten Sie, daß der Besuch jeder Sondereinrichtung für Personen mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur dazu führt, daß die Integration in die Gesellschaft für das betroffene Kind, den betroffenen Jugendlichen und dann auch für den Erwachsenen nur wesentlich erschwert wird. Auf diese Weise schaffen Sie die Voraussetzung dafür, daß behinderte Menschen die Isolation, die Sie ihnen aufzwingen, nicht mehr loswerden können. Denn wer einmal in einer Sondereinrichtung war, der hat kaum mehr eine Chance, in die Gesellschaft zurückgeführt werden zu können. Er ist gebrandmarkt, er hat den Titel "Sonder-", und der bleibt ihm! Wenn heute ein Vierzigjähriger eine Bank ausraubt, weil er kein Geld hat, dann schreiben die Zeitungen auch heute noch über den "ehemaligen Sonderschüler", weil diese Menschen diesen Titel nie mehr loswerden. Der bleibt ihnen, und damit sind sie ihr Leben lang behaftet.

Damit fügen Sie zu den Problemen, die sich behinderten Menschen in der Gesellschaft ohnedies von vornherein stellen, ein weiteres hinzu: Diese Menschen sind gebrandmarkt in einer Weise, die sie ihr ganzes Leben lang verfolgt und ihnen laufend Schwierigkeiten macht.

Frau Ministerin! Ich glaube daran, daß Ihnen die Integration doch irgendwann einmal wichtig sein wird oder vielleicht jetzt schon wichtig ist. Setzen Sie sich einmal mit Fachleuten, die Sonderpädagogik leben, über Sonderpädagogik und Integration geschrieben und Literatur und Erfahrungen gesammelt haben, auseinander! Ich glaube, daß Sie, wenn Sie bereit sind, solche Gespräche zu führen, auch mehr Bereitschaft zur Integration zeigen würden. Sie könnten – davon gehe ich aus – endlich zur Kenntnis nehmen, daß Integration eine wesentliche, ja eine der wichtigsten Voraussetzungen für behinderte Menschen ist, um wirklich in der Gesellschaft leben zu können. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Frau Ministerin! Heute vormittag ist eine Gruppe von behinderten Menschen in Rollstühlen über die Ringstraße gerollt. Sie haben für Menschenrechte für behinderte Menschen gekämpft und diese eingefordert. 365 Tage ist nunmehr die Verfassungsbestimmung alt, mit welcher die Diskriminierung behinderter Menschen in Zukunft verhindert werden sollte. Und heute, genau nach einem Jahr, Frau Ministerin, setzen Sie – und nicht nur Sie, sondern auch die SPÖ und die ÖVP – sich über den Beschluß, den Sie vor einem Jahr gefaßt haben, hinweg und führen die ganze Sache ad absurdum, indem Sie die Aussonderung und Diskriminierung behinderter Menschen in diesem Gesetz wiederum weiterhin festschreiben, anstatt Diskriminierung abzubauen.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Diese Tatsache ist für behinderte Menschen nicht nur bedauerlich, sondern sie hat dazu geführt, daß sehr viele behinderte Menschen die Hoffnung verloren haben und nicht mehr an das glauben können, was in unseren Gesetzen steht und durch unsere Bundesverfassung abgesichert wird.

Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die behinderten Menschen und diejenigen, die sich für Integration einsetzen, werden diese Novellierung des Schulorganisationsgesetzes nicht zur Kenntnis nehmen! (Abg. Steibl: Das ist uns ganz neu!)

Frau Ministerin! Ich möchte Ihnen sagen: Sie zwingen uns dazu, spätestens im Herbst, wenn es wieder um die Einschulung von Kindern geht, im Interesse behinderter Kinder zu handeln! Denn wir werden nicht zulassen, daß es zu einem zweiten Fall Retter in Reutte kommt. Frau Ministerin! Das werden wir nicht zulassen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

20.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.47

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! – Geschätzte Frau Kollegin Haidlmayr, ich möchte ganz kurz auf Ihre Ausführungen eingehen. (Abg. Murauer: Ja, das ist notwendig!) Denn bei allem Verständnis für die Problematik der Behindertenintegration – und das ist zweifelsohne ein sehr, sehr sensibles Thema – möchte ich doch in aller Deutlichkeit und aller Schärfe zurückweisen, daß Sie unserer


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Frau Bundesministerin unterstellen, daß sie Probleme mit behinderten Menschen hätte! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich kenne die Frau Bundesministerin und die internen Diskussionen und kann Ihnen garantieren, daß dem nicht so ist. Vielmehr bemüht sich die Frau Bundesministerin ausdrücklich sehr um die Behindertenintegration. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen aber auch, wenn Sie mir noch einen Augenblick Ihr Ohr leihen, aus eigener Erfahrung etwas sagen. Ich unterrichte selbst ein paar Stunden in einem Speziallehrgang für Management, Organisation und Kommunikation und habe dort heuer erstmals eine relativ schwerbehinderte junge Frau als Schülerin gehabt. Aufgrund dieser Erfahrung kann ich mir sehr, sehr gut vorstellen, daß der Unterricht von Behinderten manchen Lehrer und Lehrbeauftragten vor eine sehr schwierige Situation stellt. Daher meine ich, daß man auch Lehrer sehr behutsam auf eine solche Situation vorbereiten muß, weil wahrscheinlich nicht jeder Lehrer imstande ist, damit ohne weiteres fertigzuwerden. Wir sind ausdrücklich für die Integration Behinderter, aber in einer Art und Weise, daß es sowohl den Behinderten als auch den Lehrern, als auch den nichtbehinderten Schülern ermöglicht wird, damit fertigzuwerden. (Beifall bei der ÖVP.)

Eigentlich wollte ich einen nicht unbeträchtlichen Teil meiner Rede der Frau Kollegin Schaffenrath widmen, die sich aber an dieser bildungspolitischen Debatte offensichtlich nicht mehr beteiligt. (Abg. Smolle: Kollegin Motter und ich sind da!) Daher freut es mich, daß zwei andere Kollegen vom Liberalen Forum noch zugegen sind. Ich werde mich also mit einigen Punkten an Sie wenden und bitte Sie, dies dann freundlicherweise an Frau Kollegin Schaffenrath weiterzugeben!

Einerseits hat sich Frau Kollegin Schaffenrath darüber gefreut, daß Bildungspolitik endlich wieder ein Thema ist, andererseits hat sie den Stillstand in der Bildungspolitik bedauert. Ich habe natürlich bei weitem nicht die Lebenserfahrung von Frau Kollegin Schaffenrath im Hinblick auf Lebensjahre, ich verfolge die Schulpolitik aber seit den achtziger Jahren recht aufmerksam. Wie Sie wissen, war ich viele Jahre in der Schülervertretung tätig, und ich konnte den Eindruck gewinnen, daß Bildungspolitik in Österreich immer schon einen sehr hohen Stellenwert hatte und auch derzeit hat.

Kollegin Schaffenrath hat vor allem die Aufhebung des Repetierverbotes kritisiert. Damit hätte ich kein Problem, wenn sie einfach inhaltlich anderer Meinung wäre. Ich habe aber ein Problem mit ihrer Argumentation, wenn sie meint, wie unfair das doch jenen Schülern gegenüber ist, die nach der alten Systematik zur Schule gegangen sind. Dieser Argumentation zu folgen, würde einen bildungspolitischen Stillstand bedeuten, das würde bedeuten, daß wir keinerlei Reformen im Bildungsbereich vornehmen könnten, weil es immer wieder ehemalige Schüler gibt, deren Schulbesuch eine andere Systematik zugrunde lag. Das bedeutete einen echten Stillstand in der Bildungspolitik, und ich bin überzeugt davon, daß das Liberale Forum das eigentlich nicht will!

Darüber hinaus hat Kollegin Schaffenrath heute abermals das Aufsteigen mit zwei Nichtgenügend gefordert. Im Hinblick darauf stelle ich an Sie, Frau Kollegin Motter, beziehungsweise an Sie, Herr Kollege Smolle, die Frage: Warum spricht sie von zwei Nichtgenügend? Es könnten ja auch vier oder sechs sein! Ich frage Sie: Wo ziehen wir die Grenze? Denn wenn wir uns zu einem leistungsorientierten Schulsystem, in dem Leistung auch beurteilt wird, bekennen – und das ist zweifelsohne die Position der Volkspartei –, dann müssen wir irgendwo eine Grenze einziehen. Die Grenze, die derzeit eingezogen ist, erscheint uns sinnvoll, und daher wollen wir diese auch beibehalten! (Zwischenruf des Abg. Smolle. ) Die Note Nichtgenügend wirkt genauso viel oder genauso wenig motivierend wie eine verbale Beurteilung, die dasselbe zum Ausdruck bringt! (Beifall bei der ÖVP.) Sie wissen genausogut wie ich – das besagen alle einschlägigen Studien –, daß auch eine verbale Beurteilung nicht mehr motiviert als eine Beurteilung durch Ziffern.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang Professor Heitger, der im morgigen "Kurier" sagt: "Jene" – und das kann man durchaus auf Sie beziehen – "sollten wissen, daß Lernen und Bildung die


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treibende emanzipatorische Kraft zum gesellschaftlichen Aufstieg sind. Diese sollten daran erinnert werden, daß alles Bemühen um wahres Wissen auch Teilhabe an der einen unendlichen Wahrheit ist." – Professor Heitger sagt also ganz eindeutig, daß es Sinn macht, Wissen weiterzugeben und letztlich auch zu beurteilen.

Ich halte fest, daß wir uns in diesem Zusammenhang um eine inhaltliche Auseinandersetzung bemühen, und dieses Bemühen könnte man sehr schön mit einem Wort von Antoine de Saint-Exupéry ausdrücken, der gemeint hat: "Wenn du willst, daß die Menschen ein Boot bauen, dann gib ihnen nicht das Holz, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem Meer!" Und wenn wir heute einen Teil der Fremdsprachenoffensive in der Volksschule beschließen, dann wecken wir zweifelsohne einen gewaltigen Anteil an Sehnsucht! (Beifall bei der ÖVP.)

20.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.54

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Amon! Ich darf mit dem Zitat Heitger fortsetzen, denn Sie haben es unvollständig gebracht. Professor Heitger sagt nämlich auch in demselben Gastkommentar: "Das Ministerium leistet Beihilfe, indem von dort didaktisch-methodische Richtlinien kommen, welche die Anstrengung des Denkens und Lernens als überflüssig erklären." – Auch diesen Aspekt, den Professor Heitger ebenfalls anschneidet, indem er meint, daß es mit der gelebten Didaktik in unseren Schulen aufgrund der Vorgaben vielleicht doch nicht zum besten steht, wollte ich ein bißchen hereinschwingen lassen.

Herr Kollege Amon! Ich möchte aber auch zu Ihren einleitenden Worten, mit denen Sie die Frau Ministerin in bezug auf ihre Aufgeschlossenheit gegenüber Behinderten verteidigt haben, etwas sagen. Ich schließe mich diesen Ausführungen vollinhaltlich an – es war ungerecht, was hier gesagt wurde –, aber ich bitte Sie, Frau Bundesminister, den Horizont in Richtung Behinderung zu erweitern. Sie wissen, daß ich nicht müde werden werde, dem Schulsport das Wort zu reden, denn versteckte Behinderungen und versteckte Haltungsdeformitäten, also Auswirkungen einer ungenügenden Ausbildung in Leibeserziehung, treten immer stärker zutage, wie uns die Ärzte in den Schulen sagen. Sie kennen dieses Problem. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Kollege! Alles kann die Schule nicht machen! Dafür sind auch die Eltern verantwortlich!)

Das ist das Stichwort! Die Frau Bundesministerin hat in der "Pressestunde" am Sonntag viel Richtiges gesagt, dem ich zustimmen kann: Leistung muß Leistung bleiben, Schüler wollen und brauchen Noten, ja zum Religionsunterricht. – Sie sagen jetzt: Schule kann nicht allein die Defizite der Gesellschaft ausgleichen. Ich nehme an, das haben Sie jetzt gemeint, gnädige Frau! Selbstverständlich kann sie das nicht, aber die Schule kann Defizite verstärken. Etwa im Bereich des Bewegungsmangels – und das ist eben mein Thema – kann sie durch ungeeigneten oder zu wenig Unterricht in Leibeserziehung Bewegungsmangeldefizite verstärken. Und das tut sie! – Daher bleibe ich dabei: Der Ruf nach der täglichen Bewegungsstunde wird von meiner Seite nicht verhallen!

Frau Bundesministerin! In dieser "Pressestunde" wurden Sie etwas respektlos als "Ankündigungsliesel" bezeichnet. Sie haben das über sich ergehen lassen, haben sich aber zur Nennung einer Zahl hinreißen lassen: Sie haben gemeint, daß 90 Prozent Ihrer Ankündigungen umgesetzt wurden. – Ich habe hier ein Konvolut von etwa 50 bis 60 Ankündigungen aus Ihrem Munde, die nicht umgesetzt sind. Das rote Licht würde mich bei meiner Aufzählung unterbrechen, und aus Solidarität zu meinen Kollegen werde ich auch gleich aufhören, einige Anregungen möchte ich aber doch noch geben.

Sie haben bereits am 23. Mai 1995 von einer Schulbuchaktion gemäß einem neuen Modell gesprochen, die Sie einleiten werden. Sie haben gesagt, Sie werden sich zur Pragmatisierung der Lehrer etwas überlegen und das rasch umsetzen. Sie sprechen von einer Umverteilung in den Schulen, Verwaltungsaufgaben sollen künftig an billigeren Arbeitsplätzen erledigt werden. Auch davon war in der "Pressestunde" die Rede. Ferner haben Sie davon gesprochen, daß ein


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neues Lehrerleitbild geschaffen wird, in welchem genau festgelegt werden soll, was Lehrer außerhalb und innerhalb der Schule leisten sollen. Sie haben angekündigt, die Hauptschulen stärker zu fördern und die Schüleranteile dort zu erhöhen. Sie wollen die Lehrerausbildung reformieren und diesbezüglich mit den Universitäten Kontakt aufnehmen, die Pädak zur Hochschule machen. Sie wollen auch von Ihrer Seite her die Lehrlingsausbildung reformieren – dazu gibt es Ansätze –, Sie wollen die Landesschulräte zu Bildungsdrehscheiben machen. Und was ist passiert? – Eine gute, gewollte Dezentralisierung und eine Hebung der Kompetenz der Schulen spricht dagegen. Und so weiter und so weiter. Ich könnte das noch lange fortsetzen und vom Qualitätssicherungskoffer sowie über den Qualitätskoffer et cetera et cetera sprechen.

Frau Bundesministerin! Das mit den 90 Prozent nehme ich Ihnen nicht ab! Es gibt noch einiges zu tun! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.57

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geschätzte Damen und Herren! Frau Ministerin! Sie haben in Ihrem Debattenbeitrag immer wieder gesagt: "Wer sich in der Schule wirklich auskennt ...". Ich möchte diesen Satz fortsetzen und sagen: Wer sich in der Schule wirklich auskennt, der wird sicherlich feststellen, daß mit den heutigen Novellierungen vieles verändert wird, aber trotzdem noch vieles zu vollenden ist.

So stehe ich zum Beispiel nicht an, die Einführung der Schuleingangsphase als eine große Errungenschaft zu bezeichnen, gehe jetzt aber nicht mehr näher darauf ein, weil bereits einige Vorredner das Positive daran herausgestrichen haben. Nur einen Satz möchte ich dazu anbringen: Speziell im ländlichen Bereich hatten wir bisher, weil es eben keine Vorschulklasse gab, die Diskriminierung, daß Kinder, denen die Schulreife versagt wurde, im Elternhaus – nicht betreut – ihre notwendige Reife abwarten mußten, denn Kindergärten oder Kinderbetreuungsplätze sind gerade in diesen Regionen Mangelware. Und wenn ich sage, daß diesbezüglich noch vieles nachzuholen ist, dann denke ich in erster Linie an die Schulreifefeststellung.

Wenn wir mit der flexiblen Eingangsphase den Kindern die Möglichkeit geben, zwei oder drei Jahre zu reifen und Reiferückstände nachzuholen, ohne daß irgendwann ein Schulzeitverlust zu beklagen wäre, dann scheint es mir erläßlich zu sein, daß ein halbes Jahr vor Schuleintritt eine Schulreifefeststellung vorgenommen wird. Denn kein Lehrer kann zu diesem Zeitpunkt wirklich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob ein Kind mit Schulbeginn schulreif sein wird oder nicht. Nach zwei Jahren, beim Übertritt in die Grundstufe zwei, ergibt sich das ganz von selber und ganz automatisch. Daher scheint mir dieser Passus der Reifefeststellung entbehrlich zu sein.

Es wurde heute eine Ziffernbeurteilung mit einer allenfalls möglichen zusätzlichen Leistungsbeschreibung schon viel diskutiert. Mir scheint die Ziffernbeurteilung gerade in der Grundstufe I mehr als unnötig zu sein. Meiner Ansicht nach ist sie entbehrlich, und ich begründe das auch.

Bei vielen Schulversuchen zur alternativen Form von Leistungsbeurteilung gab es ein verpflichtendes Gespräch zwischen Eltern und Lehrern. Dieses Eltern-Lehrer-Gespräch anstelle eines Zeugnisses mit Ziffern hat den Eltern ganz klar und eindeutig vermittelt, welche Stärken das Kind hat, welche allfälligen Schwächen es zeigt und wo es leistungsmäßig gerade steht. Eine derartige Beschreibung ist meines Erachtens wesentlich leistungsfördernder als irgendeine Note, die gerade zu diesem Zeitpunkt mehr als nichtssagend ist.

Die Lehrer haben sich diese Form gewünscht, denn gerade in diesem Lebensalter haben sie größte Probleme, Notenwahrheit an den Tag zu legen, wie sie das Schulgesetz in der Novelle zur Leistungsbeurteilung vorschreibt.

Daher rege ich an, bei allfälligen weiteren Reparaturmaßnahmen zu überdenken, ob eine Leistungsbeschreibung – egal, in welcher Art – nicht sinnvoller wäre als eine Leistungsbeurteilung


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mit Noten, speziell im Hinblick auf das Lebensalter der Kinder. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Horngacher. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.01

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das Schulpaket 1998 bringt eine Reihe von Neuerungen für unsere Jugend. Wesentlich ist mir dabei, daß darin auf die Bedürfnisse der Kinder Rücksicht genommen wird, Bewährtes erhalten bleibt und Verbesserungen dort, wo sie notwendig sind, vorgenommen werden. Ich begrüße auch die flexible Gestaltung der Schuleingangsphase, bin aber doch froh, daß es immer noch die Möglichkeit gibt, zurückzustellen, wo dies wirklich notwendig ist, denn manche Kinder brauchen eben länger.

Es gibt weitere wichtige Neuerungen, wie die bereits in Schulversuchen als erfolgreich erwiesene Einführung der Fremdsprache in der 1. und 2. Klasse der Volksschule. Ich denke, das ist ein echter Fortschritt, denn dort können Kinder spielerisch lernen, und was man in so frühem Alter lernt, nimmt man viel natürlicher auf. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Die flexiblere Leistungsdifferenzierung in der Hauptschule und die Möglichkeit eines Berufsorientierungsjahres stellen einen echten Fortschritt dar, und eine flexiblere Handhabung bei der Einteilung in Leistungsgruppen ermöglicht dem Lehrer schnelleres Reagieren. Es ist ja so: Für den Schüler ist es motivierender, wenn er während des Jahres umgereiht werden kann, denn auch er spürt damit einen schnelleren Erfolg. Bei Schwächen kann ebenfalls besser reagiert werden.

Auch die neu geschaffene Möglichkeit für Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, freiwillig eventuell ein zehntes und elftes Jahr zu absolvieren, um den Hauptschulabschluß nachzuholen, ist bestimmt sehr begrüßenswert und bietet vielen eine echte Chance. Es ist bemerkenswert, wenn Abgeordneter Schweitzer hier davon spricht, daß Schüler "geparkt" werden. Autos werden geparkt, aber Schüler werden niemals geparkt! Schüler bekommen damit eine Chance. – Das ist dazu zu sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

In den letzten Jahren ist im Schulbereich sehr viel weitergegangen. Es gibt von unserer Seite ein klares Bekenntnis zu einem differenzierten Schulsystem, da es auch unterschiedliche Begabungen und unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Wir bekennen uns zur Leistung, zur Differenzierung und damit zum Notensystem. Die Mehrheit der Bevölkerung tut dasselbe und will ebenfalls eine klare Beurteilung der Leistung haben. Für viele Jugendliche ist diese Form nämlich auch ein positives Erlebnis. Man soll es nicht immer nur negativ sehen. Meine Kinder haben sich gefreut, wenn sie mit einer guten Note nach Hause gekommen sind, und ich habe mich auch darüber gefreut. Sie waren stolz auf ihre Leistung. Das ist Motivation!

Andere Formen der Beurteilung würden meiner Ansicht nach sehr schnell zu Floskeln werden. Wie soll man schriftlich beurteilen? – Dafür zieht man doch immer wieder die gleichen Stehsätze heran, und es ist im Grunde stets das gleiche.

Herr Öllinger hat hier von Angst gesprochen und auch darüber, daß man über Leistung im Schulsystem grundsätzlich nachdenken sollte. Ich bin auch der Meinung, daß man immer wieder darüber nachdenken sollte, nur denke ich: Leistung sollte verlangt werden, und sie sollte in klaren Noten ausgedrückt werden.

Etwas anderes ist es, wie die Eltern mit diesen Noten umgehen. Die Eltern müssen ihren Kindern das Gefühl geben, daß der Wert eines Kindes nicht von seiner Note abhängt, sondern daß jeder Mensch, ob er jetzt eine gute oder schlechtere Leistung erbringt, einen gleich großen Wert hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Kinder sollten keine Angst davor ha


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ben, mit einer schlechten Note heimzukommen. Dann brauchen sie eben etwas mehr Förderung und etwas mehr Zuwendung. – So sehe ich das.

Das Schulpaket 1998 ermöglicht es, auf die verschiedenen Lernentwicklungen unserer Kinder von der Volksschule bis zum Beruf stärker einzugehen. Es spannt einen weiten Bogen: von individuellen Lernabschnitten, in denen Begabte auch einen schnelleren Weg absolvieren können, bis hin zur Integration.

Frau Schaffenrath hat schon in vielen Aussendungen unserer Ministerin Reformpopulismus vorgeworfen – meiner Ansicht nach sehr zu Unrecht. Ich denke, das kann man wirklich nicht sagen, denn in der kurzen Zeit, in der unsere Ministerin zuständig ist, ist sehr viel weitergegangen. (Beifall bei der ÖVP.) Unsere Bundesministerin hat einen geraden und zukunftsorientierten Weg für unsere Jugend eingeschlagen – mit Vernunft und mit Augenmaß. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stippel. – Bitte.

21.07

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das Schulreformpaket, das uns heute zur Beschlußfassung vorliegt, stellt sicher kein Jahrhundertwerk dar und ist mit Sicherheit kein Meilenstein. Immerhin ist es aber ein kleiner Schritt in Richtung Fort- und Weiterentwicklung der österreichischen Schule.

Die Schule stellt einen sehr sensiblen Bereich dar, weil ganz einfach jeder von uns einmal oder sogar mehrmals in seinem Leben mit dieser Institution zu tun hatte. Daher ist es nicht verwunderlich, daß es in der Begutachtung, im Ausschuß und auch heute hier Pro und Kontra gibt. Auch ich bin nicht mit allem hundertprozentig einverstanden, was wir heute beschließen, aber das Pro überwiegt auch aus meiner Sicht; zum Beispiel, was die Volksschule der zwei Geschwindigkeiten angeht; zum Beispiel, was die Einführung des Fremdsprachenunterrichtes betrifft – wenngleich ich da auch die Forderung erhebe, daß wir danach trachten müssen, Frau Bundesminister, daß die Lehrenden wirklich entsprechend ausgebildet sind –; zum Beispiel, was die Begabtenförderung anlangt.

Es wird sicher sehr selten der Fall sein, daß – wie die Medien kritisiert haben – ein Fünfzehnjähriger zur Matura zugelassen wird. Aber da oder dort wird es in Zukunft möglich sein, daß ein Kind, daß ein junger Mensch früher, als es bisher möglich war, seine Reifeprüfung ablegen und damit seine Lebensgestaltung andere Formen annehmen kann, als das bisher der Fall war.

Ich begrüße zum Beispiel auch die Tatsache, daß der Hauptschulabschluß nachgeholt werden kann. Ich bin keineswegs der Meinung des Kollegen Schweitzer, daß wir diese Maßnahme nur setzen, um die Arbeitslosenzahlen zu beschönigen. Vielmehr wird damit Menschen in einer kritischen Lebensphase die Chance gegeben, Bildungsinhalte nachzuholen, sich besser zu qualifizieren und es daher später in der Arbeitswelt leichter zu haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 

Meine sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich hätte mit Ihnen gerne über manche Punkte diskutiert, die Sie in Ihrer "Pressestunde" angeschnitten haben, aber leider geht meine Redezeit zu Ende. Eines muß ich jedoch noch ansprechen, nämlich die Frage der gemeinsamen Schule der 10- bis 14jährigen. Klarerweise haben Sie sich in eine bestimmte Richtung ausgesprochen, aber ich frage Sie: Haben wir in Österreich nicht bereits diese gemeinsame Schule? – Sie ist im Bereich der 6- bis 10jährigen, in der Volksschule, unbestritten. Wir finden sie de facto auch bei den 10- bis 14jährigen bereits vor, und zwar dort, wo zum Beispiel in bestimmten Wiener Gemeindebezirken 80 bis 85 Prozent der Volksschulabgänger gemeinsam in der Unterstufe des Gymnasiums sitzen, und dort, wo in manchen ländlichen Hauptschulen bis zu 100 Prozent der Volksschüler gemeinsam die Hauptschule besuchen.

Wir würden uns so manches ersparen – das haben Sie auch schon angeschnitten –, nämlich den Unsinn des Repetierens auch in Gegenständen, in denen ein Schüler bereits positiv abgeschnitten hat. Wir verschwenden damit menschliche Talente. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir Sozialdemokraten werden uns daher auch im neuen Parteiprogramm und im neuen Bildungsprogramm zur gemeinsamen Schule der 10- bis 14jährigen bekennen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Nicht mit uns! – Abg. Dr. Stippel: Das weiß ich ja, Andreas!)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. – Bitte.

21.11

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Die Debatte hat mich animiert, mich zu Wort zu melden. Ich möchte auf zwei Dinge eingehen.

Zum ersten: Wenn mich jemand fragen würde, ob ich für Leistung eintrete, würde ich das vorbehaltlos bejahen und diese Antwort sogar mit dem berühmten Ohne-Wenn-und-Aber verzieren. Allerdings verdecken dieses Leistungsstreben, auch seitens jener, die es propagieren, gewisse – ich will nicht "Wortspielereien" sagen, aber vielleicht: – Floskeln, die man nicht mehr hinterfrägt. Dazu gehört das "spielerische Lernen". Nichts gegen spielerisches Lernen, wenn die Betonung auf "Lernen" liegt! Ich möchte auch sagen, daß es nicht nur auf das Lernen als Prozeß ankommt, sondern auch sehr wesentlich auf das schließlich Erlernte, auf das Wissen, welches man auch nach dem Lernprozeß behält, und zwar möglichst lebenslang. Denn "lebenslanges Lernen" an sich ist Unsinn, wenn es nicht auf schon erlerntem Wissen aufbauen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Amon hat mit der Sehnsucht nach dem Meer und dem Bootsbau ein sehr schönes Beispiel gebracht. Wenn mich allerdings die Sehnsucht ans Meer treibt, um ein Boot zu bauen, und ich dort sozusagen kein Schwemmholz, also kein Baumaterial finde, dann komme ich dort notgedrungen – im buchstäblichen und im übertragenen Sinne – ins Schwimmen. Denn mit der Sehnsucht allein kann man kein Boot bauen. Man braucht noch ein bißchen mehr dazu, wobei ich dieser Sehnsucht zum Meer sehr wohl das ... (Abg. Tichy-Schreder: Dann bin ich so gescheit und organisiere mir das! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Sehr verehrte Frau Kollegin! Bauen Sie ein Boot mit Sehnsucht, die über das Meer blickt – im Traum wohl wahr, aber nicht in der Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das zweite ist ein Fetisch, ein Popanz, der aufgebaut wird und auf den man eindrischt. Er hat einen Namen, dieser Name lautet "Ziffernnote". Ich habe mich anhand meiner eigenen Zeugnisse sozusagen kundig gemacht, welche Ziffernnoten ich bekommen habe und wann das war. Ich spreche jetzt also aus Erfahrung. Diese Ziffernnoten sind eigentlich Eigenschaftswörter vom – da spreche ich aus Erfahrung – "Sehr gut" über die Zwischenstufen bis "Nicht genügend". Wie gesagt, ich spreche tatsächlich aus Erfahrung. (Abg. Dr. Brinek: Auch "Nicht genügend"!)  – Sie haben sie erkannt, die Ironie, die ich Ihnen unterbreiten wollte, damit Sie applaudieren können. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Die Ziffern sind doch nur Chiffren für Eigenschaftswörter, die Leistungen bezeichnen. Sie stehen nicht für sich als Hauptwörter da, sondern es geht um eine "genügende" Leistung oder eine "befriedigende" Leistung.

Es gab in der – vielleicht guten – alten Zeit auch noch einige andere Beurteilungen, wie ich einem Volksschulzeugnis von mir entnehme. (Der Redner hält ein Schulzeugnis in die Höhe.) Nein, einer "Schulnachricht" entnehme ich es. Es gab entsprechend auch "Mangelhaft" oder "Tadelnswert" im Bereich des Betragens. (Abg. Smolle: Hört, hört!) Das heißt, die Ziffer steht in Wirklichkeit für eine Beschreibung.

Daher verstehe ich das Eindreschen auf die Ziffernnote nicht, die – auch wenn ich nicht sagen möchte, daß sie der Verwaltungsvereinfachung dient – auch in diesen präzisen Wörtern und Geboten nach meiner Ansicht verfassungsmäßig ist. Denn nur dadurch ist der Forderung im Artikel 18 Genüge getan, daß das Endprodukt, die Beurteilung, genau determiniert ist. Ich teile allerdings die Meinung von Frau Kollegin Brinek, daß es sich bei diesen Benotungen – Ziffern für Wörter, das möchte ich noch einmal hervorheben – um Gutachten handelt.


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135. Sitzung / Seite 187

Sehr verehrte Frau Bundesminister! Es gibt in Gesetzen den schönen Passus, daß Bezeichnungen doppelgeschlechtlich zu verstehen sind. Daher darf ich auch zu Ihnen in Abwandlung eines Klassikerzitats sagen, Frau Bundesministerin: Sire, sorgen Sie bitte für einen besseren Deutschunterricht, damit man weiß, daß das Wort "befriedigend" ein Eigenschaftswort und keine Ziffernnote ist. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Smolle: Herr Kollege! Trotz "Tadelnswert" ist etwas aus Ihnen geworden!)

21.14


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135. Sitzung / Seite 188

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Johann Schuster. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4. Das ist jetzt keine Schulnote, bitte, sondern eine Zeitangabe. (Abg. Smolle: Geht’s mit dem "Dreier" auch?)

21.14

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Letzte Woche war Schulschluß in den östlichen Bundesländern unserer Republik, morgen schließen die Pforten in den westlichen Bundesländern. Ich stehe nicht an, mich heute in der Diskussion zum Schulpaket sehr herzlich zu bedanken: bei den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Elternvereinen und bei den Schulausschüssen. Sie haben sich, soweit ich weiß, wirklich redlich bemüht, alles gut zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zur Debatte steht heute ein umfangreiches Schulpaket, mit dem in erster Linie bereits in Schulversuchen erprobte und bewährte Maßnahmen in das Regelschulwesen übergeführt werden sollen. Wir haben bereits gehört, wie weit Österreich diesbezüglich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Weißbuch der Europäischen Union wird zum Beispiel gefordert: drei Sprachen für jeden EU-Bürger. Weiters wird der Europarat das Jahr 2001 zum Jahr des Fremdsprachenlernens deklarieren. Man sieht also, daß man – ob EU oder Europarat – den Fremdsprachen große Bedeutung beimißt.

Hohes Haus! Die Internationalisierung der österreichischen Schulen ist ein deklariertes Ziel der Österreichischen Volkspartei. Ich denke, wir sind auf dem besten Weg dazu. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Bundesministerin! Prinzipiell bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihren Vorstoß betreffend Fremdsprachen in den Volksschulen. Ich begrüße diese Offensive und beurteile sie insgesamt als positiv. Ich bekenne mich aber auch zur Leistung, zur Leistung sowohl im Leben als auch in unseren Schulen. Ich möchte, daß gute Leistungen belohnt werden und sich deutlich von schlechteren Leistungen abheben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Krammer. )

Geschätzte Frau Bundesministerin! Weil wir nunmehr auch die EU-Präsidentschaft übernommen haben und es keine andere Möglichkeit mehr gibt, möchte ich mich noch mit einem besonderen Thema, von dem ich meine, daß die Schulen durchaus davon betroffen sind, an Sie wenden. Es geht um die Wirkung von Gewalt in den Medien auf Kinder und Jugendliche.

Meine Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, daß in den letzten Jahren bei jungen Menschen eine deutlich erhöhte Gewaltbereitschaft zu verzeichnen gewesen ist. In Österreich haben sich die diesbezüglichen Zahlen laut polizeilicher Kriminalstatistik mehr als verdoppelt. Frau Bundesministerin! Wir stellen fest, daß davon auch die Schulen nicht unberührt bleiben. Sie sind ebenfalls betroffen, und deshalb bitte ich Sie, Frau Bundesministerin, daß Sie im Rahmen der EU-Präsidentschaft als Unterrichtsministerin Projekte und Aktionen mit anderen Staaten zur Bekämpfung von Gewalt in den Medien planen und vorantreiben.

Frau Bundesministerin! Wir dürfen bei diesem Problem, von dem die Familie ebenso wie die Schule betroffen ist, die Eltern nicht allein lassen. Ich denke, daß uns im Zusammenhang mit der EU-Präsidentschaft länderübergreifende Projekte zu dem Zweck, die Gewalt in den Medien zurückzudrängen, ein großes Anliegen sein müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Smolle.  – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

21.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Khol: ... und Geburtstag!)

21.19

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Schon von einigen Vorrednern ist heute verschiedenen am Schulwesen Beteiligten Dank ausgesprochen worden. Einer Anregung folgend, möchte ich einmal Dank an die Schüler aussprechen, denn sie sind es, die mit uns ein ganzes Jahr hindurch kooperieren und uns auch dann, wenn wir nicht gut "drauf" sind, aushalten müssen. Ich denke, daß die Schüler im Vordergrund stehen sollten, und möchte daher diesen Dank bewußt an sie weiterleiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Für uns Sozialdemokraten und Arbeitnehmervertreter war die Durchsetzung der im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung vorgesehenen Maßnahmen im Bildungsbereich – wie das Nachholen des Hauptschulabschlusses, die Aufhebung des Repetierverbotes und das Auffangnetz für all jene Jugendlichen, die trotz aller Anstrengungen auf dem Arbeitsmarkt keine Lehrstelle finden – ein zentrales Anliegen. Ich bin sehr froh darüber, daß uns dies gelungen ist. Denn wir gehen davon aus, daß alle Jugendlichen ein Recht auf Ausbildung haben.

So werden mit dem heute zu beschließenden Schulreformpaket Schülerinnen und Schüler, die die 4. Klasse der Hauptschule oder den Polytechnischen Lehrgang im Rahmen ihrer Schullaufbahn nicht erfolgreich abgeschlossen haben, die Möglichkeit erhalten, bis zum 18. Lebensjahr den entsprechenden positiven Pflichtschulabschluß im Rahmen eines freiwilligen zehnten beziehungsweise elften Schuljahres kostenfrei nachzuholen. Dafür sind im Budget 50 Millionen Schilling vorgesehen. Vergessen wir dabei nicht, daß davon ungefähr 1 000 Jugendliche betroffen und Nutznießer sein werden.

Erfreulich ist weiters, daß es gelungen ist, das seit 1997 bestehende Repetierverbot für Schüler mit vier oder mehr "Nicht genügend" der ersten Stufe einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule für die Schuljahre 1997/98 bis 2001 auszusetzen. Dafür werden rund 350 zusätzliche Lehrer-Dienstposten zur Verfügung gestellt. Das ist sehr wichtig, weil uns in diesem Bereich Arbeitsplätze fehlen. Davon betroffen sind ungefähr 3 000 bis 4 000 Schüler.

Ich hoffe in diesem Zusammenhang, daß ein weiterer wichtiger Punkt des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung ebenfalls umgesetzt wird, nämlich die Herbeiführung einer Reduzierung der nach wie vor hohen Drop-out-Quoten im berufsbildenden Schulwesen.

Wir müssen alles daran setzen – von der Verbesserung des Frühwarnsystems bis hin zu pädagogisch-didaktischen Maßnahmen und entsprechend adaptierten Lernorganisationen –, die Behaltequote in diesen Schulen und damit die Chancen für eine weitere positive Schullaufbahn zu erhöhen.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend folgenden Satz: Ich glaube, man sollte dieses Rednerpult nicht nur dazu verwenden, auszuteilen, sondern auch dazu, einmal einzustecken und einen Fehler, einen Mangel oder ein Versagen zuzugeben. Und die Rede der Frau Abgeordneten Madl veranlaßt mich, mich als Angehöriger der Lehrerschaft von dieser Stelle aus bei ihr zu entschuldigen: Wir schaffen wirklich nicht alles, wir haben bei ihr leider versagt, aber ich wünsche ihr für die Zukunft trotzdem alles Gute! (Beifall bei der SPÖ.)

21.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stampler. – Bitte.

21.23

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Gleich vorweg: Schulversuche sind nicht dazu da, um ständig verlängert zu werden. Ich denke, daß man durch Schulversuche jene Ideen herausfinden soll, die geeignet sind, ins Regelschul


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wesen einzufließen. Erfahrungen, die man aufgrund von Schulversuchen gewonnen hat, können dann ins Schulwesen einfließen und die Unterrichtstätigkeit erweitern und bereichern.

Ungefähr ein Viertel der 3 295 öffentlichen Volksschulen hat in den vergangenen Jahren die Vorschulstufe geführt. Die Vorschulstufe ist allerdings nur dort möglich, wo sie auch von der Besiedlung her durchführbar ist. In dünner besiedelten Regionen war es bisher kaum möglich, den Schulversuch "Vorschulstufe" zu führen. Die Feststellung der mangelnden beziehungsweise fehlenden Schulreife bei Schuleintritt ist mit Unsicherheit im Unterricht verbunden. Daher muß allen schulpflichtigen und schulfähigen Kindern ein sanfter Einstieg in die Grundschule ermöglicht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn im Rahmen des Schulpakets 1998 im Schulorganisationsgesetz für den Schuleingangsbereich drei Ziele verwirklicht werden können, nämlich die Steigerung der positiven Motivation im Schuleingangsbereich, die bessere Zusammenarbeit zwischen Vorschulklassen und 1. und 2. Schulstufe sowie der Freiraum zu einer integrativen Gestaltung der Eingangsphase, so ist das lobend hervorzuheben.

Aus der eigenen Praxis kenne ich den unterschiedlichen Entwicklungsstand der Schulanfänger. Aufgabe eines jeden Lehrers ist es, den Schulanfänger nicht dort abzuholen, wo er ihn haben möchte, sondern dort, wo das Kind wirklich ist. Darin zeigt sich die Qualität des Lehrers: die vielfältigen Anfangsstände unter einen Hut zu bringen.

Gerade in der Schuleingangsphase kann und soll auch auf das Lerntempo der einzelnen Schüler Rücksicht genommen werden. Entwicklungsverzögerungen, die sich beim Schuleinstieg mitunter noch zeigen und zur Rückstellung führen müßten, könnten in der Eingangsphase besonders ausgeglichen werden.

Ich selbst habe den Schulversuch "Schuleingangsbereich" in meiner Schule durchgeführt und konnte feststellen, daß manche Schüler gerade in den ersten zwei Schuljahren Entwicklungssprünge machen, die sich für diese Kinder sehr positiv auswirken. Überdies ist es möglich, diese Kinder behutsam in den Schulbetrieb einzuführen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rosemarie Bauer  – in Richtung des Präsidenten Dr. Fischer –: Der Lärm hier ist unerträglich!)

Ich persönlich bin der Ansicht, daß diese entwicklungsverzögerten Kinder in einer Vorschulklasse eine bessere Förderung erhalten als im Kindergarten. In diesem Bereich sind im Rahmen der Integration auch Behinderte eingegliedert, die in der Gemeinschaft des Klassenverbandes ihre soziale Integration erhalten. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Kurz noch zur lebenden Fremdsprache Englisch: In der 3. und 4. Klasse zeigte sich ein großer Erfolg. Nun soll dieser Schulversuch auch auf die 1. und 2. Klasse ausgedehnt und dort in das Regelschulwesen übernommen werden, zwar integrativ, nicht extra, aber – was selbstverständlich besonders wichtig ist – im Sinne einer Internationalisierung, da das Erlernen von Fremdsprachen von eminenter Bedeutung ist. Da ist es Aufgabe der Schule, eine lustbetonte, spielerische und zwanglose Atmosphäre zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In diesem Sinne glaube ich, daß mit diesem Schulreformpaket wieder ein Schritt in die Zukunft getan wurde, der unseren Schülern bei ihrer Tätigkeit in der Schule zugute kommt. Und wenn ich das Wort der Kollegin Madl aufgreifen darf (Abg. Madl: Ja klar!), kann ich Ihnen nur sagen: Frau Unterrichtsminister! Machen Sie so weiter, dann ist mir um die Zukunft unserer Kinder nicht bange! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Jetzt hören wir noch dem vorläufig letzten Redner zu. – Herr Abgeordneter Riepl, bitte.

21.28

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die Frau Bundesminister hat in ihrem Redebeitrag vom Begriff "eurofit" im Bereich der


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Schule gesprochen. Ich denke, der Begriff ist gerechtfertigt, und wir sind auf gutem Weg dorthin. Aber ich meine, wir sind noch nicht ganz so fit, wie wir es uns vielleicht vorstellen.

Frau Bundesminister! Sie haben die Klassenschülerhöchstzahlen mancher Schulen angesprochen. Nicht angesprochen haben sie die HTLs, dort gibt es noch Klassenschülerhöchstzahlen von bis zu 36. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, da mein Sohn gerade eine solche Klasse besucht. Also gibt es da meiner Ansicht nach noch einiges zu tun.

Sehr verehrte Damen und Herren! Menschen die Chance geben, den Hauptschulabschluß nachzuholen – das ist ein Satz, der in der Debatte geprägt worden ist. Wir beschließen heute auch in diesem Bereich eine Novellierung. Ich denke, wir sollten allen Jugendlichen die Möglichkeit geben, bei einem Lehrplatzverlust beziehungsweise bei einer vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses weiter die Berufsschule zu besuchen. Im § 21 des Schulpflichtgesetzes ist geregelt, daß nicht alle die Berufsschule weiter besuchen dürfen, nämlich wenn sie anläßlich eines Lehrplatzwechsels noch keinen neuen Lehrplatz gefunden haben, aber in diesem Beruf weiterhin eine Ausbildung anstreben.

Ich ersuche insbesondere den Koalitionspartner – insbesondere die Signale von Herrn Abgeordnetem Höchtl und von Frau Abgeordneter Tichy-Schreder sind in diesem Zusammenhang positiv –, gemeinsam mit uns eine Lösung zu suchen, damit Jugendliche, die – vielleicht unverschuldet – den Lehrplatz verloren haben, nicht automatisch gleichzeitig vom Weiterbesuch der Berufsschule ausgeschlossen werden.

Ich gebe zu: Es geht dabei um eine kleine Gruppe. Ich meine aber, daß gerade auch kleine Gruppen es wert sind, besonders berücksichtigt zu werden.

Ein letzter Gedanke noch in dieser Diskussion zum Thema Berufsreifeprüfung: Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Auch Sie haben diese in Ihrem Redebeitrag genannt. Ich glaube, wir sollten uns daran erinnern, daß im Nationalen Aktionsplan von einer kostenmäßigen Förderung der Vorbereitungslehrgänge gesprochen wird. In diesem Punkt sind wir einander noch einiges an Arbeit schuldig, um dieser Förderung gerecht zu werden. Ich meine, daß man auch in diesem Bereich die Möglichkeiten nützen sollte, die es in den Berufsschulen bei den Vorbereitungsangeboten gibt.

In diesem Zusammenhang ist meiner Ansicht nach das Korsett für die Berufsschulen noch etwas eng. Mit etwas gutem Willen können wir unsere bewährten Berufsschulen jedoch dazu nützen, noch mehr als bisher dafür zu tun, daß sie für jene, die die Berufsreifeprüfung anstreben, tatsächlich Unterstützung im Bereich der Vorbereitung bieten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlußworte werden keine verlangt.

Wir gelangen daher zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Anträge getrennt vorgenommen werden.

Zuerst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1277 der Beilagen.

Es liegt ein Abänderungsantrag der Frau Abgeordneten Schaffenrath vor.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.

Der vorliegende Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, kann aufgrund des Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abge


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gebenen Stimmen beschlossen werden. Daher stelle ich das entsprechende Quorum als gegeben fest.

Ich komme nun zum erwähnten Abänderungsantrag der Abgeordneten Schaffenrath und Genossen betreffend Z. 1 des Gesetzentwurfes. (Abg. Schwarzenberger: Wo ist die Schaffenrath?)

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag Schaffenrath und Genossen zu Z. 1 zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit der verfassungsrechtlich erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich darf bitten, im Falle der Zustimmung sich durch Erheben von den Sitzen für diese Änderung auszusprechen. – Ich stelle fest: Dies ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit so beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen.

Wir stimmen nun ab über die dem Ausschußbericht 1292 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß diese Entschließung mit Mehrheit angenommen wurde. (E 134.)

Als nächstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1278 der Beilagen.

Auch hiezu liegt ein Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag der Frau Kollegin Schaffenrath vor.

Daher werde ich zunächst die Abstimmung über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile vornehmen.

Auch hiebei handelt es sich um ein Bundesgesetz, das im Sinne des Art. 14 Abs. 10 B-VG nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln abgeändert werden kann.

Ich komme zum Zusatzantrag der Abgeordneten Schaffenrath und Genossen betreffend Einfügung einer neuen Z. 10a.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. (Rufe bei der ÖVP: Auszählung!)  – Meinen Sie das ernst? Aber die Auszählung würde auch die Auszählung der nicht Zustimmenden erfordern, und das wird hier offenbar nicht verlangt. (Abg. Nürnberger: Herr Präsident! Es sind sechs anwesend!)  – Ich muß jetzt aufpassen, daß ich im Croquis nicht durcheinanderkomme!

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben – wie erwähnt – einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer neuen Z. 10a eingebracht. Dieser ist in der Minderheit geblieben.


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Außerdem haben die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Z. 2 § 18 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über Z. 2 § 18 Abs. 2 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies mehrheitlich angenommen ist.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben darüber hinaus einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Z. 19 § 82 Abs. 5e bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher über Z. 19 § 82 Abs. 5e in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend die Streichung der Z. 20 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Auch dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen daher über Z. 20 in der Fassung der Regierungsvorlage ab.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß Z. 20 in der Fassung der Regierungsvorlage mit Mehrheit angenommen wurde.

Damit können wir über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies mehrheitlich, und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, angenommen wurde.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Ich stelle fest, daß die Vorlage in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen wurde.

Als nächstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1279 der Beilagen.

Kollegin Schaffenrath hat dazu einen Abänderungsantrag eingebracht. (Abg. Mag. Kukacka: Wo ist sie denn? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich werde zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen lassen.


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Auch dieser Gesetzestext kann nach Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur mit Zweidrittelmehrheit bei erhöhtem Quorum beschlossen werden. Ich stelle fest, daß dieses Quorum gegeben ist.

Wir stimmen ab über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Schaffenrath und Genossen, der sich auf Z. 2 § 6 Abs. 2d bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich kann daher über diesen Teil der Vorlage in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Bejahung. – Dies ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich darf bitten, im Falle der Zustimmung sich von den Sitzen zu erheben. – Die restlichen Teile der Vorlage sind mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, sich von den Sitzen erheben. – Ich stelle fest, daß dies mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit in dritter Lesung so beschlossen wurde.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1280 der Beilagen.

Mit diesem Gesetzentwurf soll das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert werden, und er kann daher im Sinne des Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur bei erhöhtem Quorum mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Dieses Quorum von mindestens der Hälfte der Abgeordneten ist gegeben.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Gesetzentwurf mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit in zweiter Lesung angenommen wurde.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, im Falle der Zustimmung auch in dritter Lesung ein Zeichen zu geben. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Als letztes stimmen wir ab über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 1298 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Bericht beziehungsweise der Kenntnisnahme dieses Berichtes zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Damit haben wir die jetzt verhandelten Tagesordnungspunkte abgeschlossen.


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14. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1281 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird (1296 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1282 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird (1297 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 14 und 15, über welche die Debatte unter einem erfolgt.

Ein Verlangen auf Berichterstattung von seiten des Abgeordneten Amon liegt nicht vor.

Daher kann ich als erster Rednerin Frau Abgeordneter Dr. Krammer das Wort erteilen.

21.42

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Ich hoffe ernsthaft, daß Frau Kollegin Schaffenrath nicht irgend etwas Unvorhergesehenes passiert ist! Ich glaube, sie ist im Spital oder sonst irgendwo. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP.) Denn es ist ja sehr ungewöhnlich, daß jemand, der Anträge stellt, nicht einmal selbst da ist, um diese Anträge zu unterstützen! Falls ihr etwas zugestoßen sein sollte: Wir wünschen ihr beste Genesung! (Abg. Smolle: Frau Kollegin! Nicht geschmacklos werden!)  – Das ist nicht geschmacklos, das ist christliche Nächstenliebe: Ich mache mir Sorgen um ihren Gesundheitszustand! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Minderheiten-Schulwesen im Burgenland komme, möchte ich ganz kurz eine grundsätzliche Feststellung betreffend die Schule und die Leistungen, die man in der Schule von den Schülern fordert, machen: Die Lehrer nehmen Rücksicht auf die Schwächen und Stärken der Kinder. Sie bemühen sich. Das können Sie von jedem Lehrer annehmen. Etwas darf man den Kindern allerdings auch nicht – so möchte ich das bezeichnen – "antun": Man darf sie nicht sozusagen auf dem Polsterl durch die Schule tragen und sie dann in eine harte, rücksichtslose Arbeitswelt entlassen! Das ist unfair den Kindern gegenüber! Man muß auch in der Schule von ihnen Leistung fordern, denn sonst sind sie es dann nicht gewohnt, daß man im Leben Leistung erbringen muß! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das trifft die Kinder sehr hart! ... (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Man kann fast nichts verstehen! – Christa, das Mikrophon ist ausgeschaltet! (Abg. Mag. Schweitzer: Macht nichts! Lassen Sie es ausgeschaltet!)

Ich weiß, daß am Abend der Geräuschpegel immer höher ist. Aber wir haben zu diesem Punkt nur drei Redner und Rednerinnen. Es wird dann gleich wieder abgestimmt. Ich bitte um ein bißchen mehr Ruhe. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (fortsetzend): Danke schön, Herr Präsident. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )  – Ich lade dich einmal ein, zu uns in die Schule zu kommen.

Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich sagen, daß es im Zusammenhang mit der Entwicklung des Minderheiten-Schulgesetzes und der Schulgesetzgebung im Burgenland ab dem Jahre 1994 wesentliche Neuerungen gab: Die Möglichkeit, Kroatisch und Ungarisch in der Schule zu lernen, besteht jetzt im Burgenland landesweit, und zwar von der Volksschule bis zur Matura. Die Schulversuche wurden ins Regelschulwesen übernommen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )  – Schweitzer, du sollst nicht stören! (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der


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SPÖ.) Auch das müssen die Kinder in der Schule schon lernen! Du warst sichtlich in einer Schule, in der man dir das nicht beigebracht hat. Wärst du nur bei mir gewesen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Klassenschülerhöchstzahl wurde auf 20 gesenkt, und die Eröffnungszahl bei den Minderheitensprachen beträgt 5 Schüler. Das ist sehr erfreulich, denn fast auf den Tag genau vor elf Jahren – am 7. Juli 1987 – habe ich in einer Rede im Bundesrat gefordert, daß, wenn nur fünf Schüler es verlangen ... (Abg. Schieder trinkt aus einem Wasserglas von der Ministerbank. – Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)  – Schieder! Ich werde ein "Zufriedenstellend" in Betragen beantragen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt bitte ich wieder um etwas mehr Seriosität, denn ich meine, das Minderheiten-Schulwesen hat sich Ihre Aufmerksamkeit verdient! Wir haben im Burgenland hart darum gerungen, und wir sind sehr glücklich, daß wir zu dieser Lösung gekommen sind.

Das, was ich schon im Jahr 1987 verlangt habe, daß nämlich auf Wunsch von fünf Schülern eine der Landessprachen im Burgenland zusätzlich unterrichtet werden muß, ist Wirklichkeit geworden.

Der Anspruch, daß die Zeugnisse und Schulnachrichten zweisprachig ausgestellt werden, kann im Burgenland selbstverständlich erhoben werden, und das wird von einem Drittel der Kinder, die minderheitensprachige Schulen besuchen, auch verlangt.

Im Staatsvertrag von 1945 wird nur von der slowenischen und von der kroatischen Sprache gesprochen. (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )  – Ich habe schon immer gewußt, daß du ein bißchen dumm bist.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (fortsetzend): Ich entschuldige mich, Herr Präsident!

1994 wurde durch das Minderheiten-Schulgesetz das Angebot für den zweisprachigen Unterricht auch auf Ungarisch ausgedehnt. (Abg. Scheibner: Frau Lehrerin! Was für einen Staatsvertrag gab es denn 1945 ?)  – Ich bin Frau Direktor! Red mich ordentlich an! (Heiterkeit.)

Das Land Burgenland hat, meine Damen und Herren, das Angebot auf Ungarisch und auf Kroatisch in den Kindergärten erweitert.

Meine Damen und Herren! Besonders erfreulich ist aber, daß nicht nur sehr viele Kinder, deren Muttersprache Ungarisch oder Kroatisch ist, die minderheitensprachigen Schulen besuchen, sondern auch immer mehr Kinder, die keine Vorkenntnisse in den entsprechenden Sprachen haben, in diesen mehrsprachigen Kindergärten angemeldet werden. Und das ist eine Entwicklung, die wir wirklich begrüßen sollten! Ich als Burgenländerin freue mich darüber, denn ich stelle mir vor, daß es sich nicht mehr um minderheitensprachige Schulen handeln sollte, sondern um Schulen, in denen die burgenländischen Landessprachen unterrichtet werden.

Eine weitere erfreuliche Entwicklung ist, daß auch damit begonnen wird, die Sprache der Roma im Burgenland zu lehren. Eine Erstlesefibel wurde schon fertiggestellt, und wir beginnen bereits, Leute auszubilden, die die Roma-Kinder in die Lage versetzen, auch ihre Roma-Sprache zu lernen. Wir alle sollten glücklich sein, daß es diese Möglichkeit jetzt gibt und wir zusätzlich auch den Unterricht in dieser Sprache anbieten können!

Außerdem ist es ein weiterer Vorteil für die mehrsprachigen Kinder, daß sie, wenn sie jetzt auch Englisch in der Eingangsphase lernen, eigentlich dreisprachig aufwachsen: Sie lernen Ungarisch und Deutsch oder Kroatisch und Deutsch und können nun zusätzlich bereits auch das Angebot, zum Beispiel Englisch in der Volksschule zu lernen, annehmen und lernen somit drei Sprachen, und das ist eine äußerst erfreuliche Entwicklung! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Schweitzer gemeldet. – Bitte.

21.49

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine ehemalige Kollegin, mit der ich das Vergnügen hatte, das Jung- beziehungsweise Neulehrer-Seminar zu absolvieren (Abg. Dr. Krammer: Daran erinnere ich mich mit Schrecken! – Heiterkeit und Beifall), die aber zur Direktorin avanciert ist, hat gesagt, daß der Staatsvertrag aus dem Jahr 1945 stammt.

Ich berichtige sie tatsächlich – obwohl sie Direktorin ist und ich nicht Direktor bin –, daß der Staatsvertrag aus dem Jahr 1955 stammt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.50

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir werden es schon noch erwarten, in die Sommerferien zu kommen! Vielleicht können wir angesichts der vorliegenden Materie doch noch einige Augenblicke des Ernstes aufbringen! (Abg. Scheibner: Wo sind denn Ihre Kollegen?)

Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich erst seit einigen Wochen diesem Haus angehöre. (Abg. Dr. Mertel: Ja! Was haben wir bisher ohne Sie gemacht!) Denn ich gehe davon aus, daß ich mich mit all meinen Sinnen bemüht hätte, daß eine etwas umfassendere Reform des Minderheiten-Schulgesetzes eingeleitet wird, und zwar sowohl im Burgenland als auch in Kärnten.

Wir wissen, daß das Minderheiten-Schulgesetz qualitative Mängel aufweist. Wir haben diese schon einige Male aufgezeigt. Daher gehe ich davon aus, sehr geehrte Frau Minister – und da gehe ich vielleicht in einer etwas anderen Weise vor als meine Kollegin Schaffenrath –, und habe nach wie vor die große Hoffnung, daß wir auch im Minderheiten-Schulbereich zu einer großen Reform kommen! (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Dafür ist meine Bereitschaft gegeben.

Ich gehe davon aus, daß wir gemeinsam etwas gestalten werden. Dennoch will ich jetzt kurz auf einige grundlegende, sehr aktuelle Mängel im Kärntner Minderheiten-Schulgesetz hinweisen. Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Minister! Bereits im Ausschuß haben wir die dringende Notwendigkeit einer Reform des Kärntner Minderheiten-Schulgesetzes vorgetragen. Ich habe einen Zusatzantrag eingebracht. Erlauben Sie mir daher, daß ich diesen verlese, um der Geschäftsordnung Genüge zu tun.

Zusatzantrag

der Abgeordneten Karl Smolle, Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (1297 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Nach Ziffer 3 werden folgende Ziffern 3a und 3b eingefügt:

3a. In § 24 Abs. 1 entfällt die Wendung "für österreichische Staatsbürger der slowenischen Minderheit";


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3b. In § 27 entfällt die Wendung "österreichischer Staatsbürgerschaft".

*****

Ich glaube, es geht nicht an, daß wir in Kärnten eine Schule in dieser Weise diskriminieren. Ich meine, es handelt sich hiebei um die einzige österreichische öffentliche höhere Schule, in der die Staatsbürgerschaft Vorbedingung ist, und das könnten wir beseitigen! Ich glaube, diese Bestimmung geht noch zurück auf die alte Angst im kalten Krieg beziehungsweise während der Kriegszeit, als man glaubte, auf diese Art und Weise Kärnten vor dem Kommunismus retten zu müssen. Der Kommunismus ist nicht gekommen, aber wahrscheinlich hat man ein bißchen vorauseilend auch gehofft, daß keine Schüler aus dem Süden kommen. – Das ist nicht EU-konform und unvernünftig. Denn es wäre gut, wenn auch andere diese Schule besuchten. Wobei ich sagen möchte, daß das eigentlich weniger slowenische Staatsbürger, sondern sehr oft Staatsbürger aus dem EU-Raum betrifft, die Probleme damit haben, daß die österreichische Staatsbürgerschaft erforderlich ist. Es handelt sich hiebei um Personen, die irgendeine Beziehung zu der Sprache haben und gerne eine slowenisch-deutsche Ausbildung hätten.

Betreffend das Burgenland möchte ich auch auf eine ganz wichtige aktuelle Sache hinweisen. Erlauben Sie mir, daß ich zuerst den Entschließungsantrag verlese und ihn erst dann begründe.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Smolle, Schaffenrath und PartnerInnen betreffend Überführung von Schulversuchen im Bereich des Minderheitenschulwesens im Burgenland in das Regelschulwesen und Sicherung der Lernbetreuung für Schüler der Volksgruppe der Roma

Der Nationalrat wolle beschließen:

Im Zusammenhang mit der Beschlußfassung des Bundesgesetzes, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (1296 der Beilagen), wird die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten aufgefordert, rechtzeitig vor Beginn des Schuljahres 1998/99

1. die im Burgenland im Rahmen von Schulversuchen zweisprachig geführten Schulen oder Schulklassen beziehungsweise den im Rahmen von Schulversuchen als Wahlpflichtgegenstand oder in anderen Sonderformen geführten Sprachunterricht in Kroatisch oder Ungarisch in das Regelschulwesen überzuführen;

2. die Kosten für die vom "Verein Roma – Roma Beratungsstelle" in Oberwart/Felsöör/Erba/Borta gebotene Lernbetreuung für schulpflichtige Kinder der Volksgruppe der Roma, insbesondere die Personalkosten der Lernbetreuung auf Grundlage des jeweils geltenden Entlohnungsschemas für öffentliche Pflichtschulen in vollem Umfang zu decken.

*****

Ich glaube, das wären ganz vernünftige Maßnahmen.

Wir wollten seinerzeit ein bißchen Geburtshilfe für das bestehende Gymnasium leisten. Dieses steht nun voll da, hat Schüler, und es ist alles in Ordnung. Das heißt, wir brauchen das jetzt nicht mehr als Schulversuch fortzuführen, sondern könnten zur Regelschulmethode übergehen.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Burgenland seit einiger Zeit – und das ist eine sehr erfreuliche Tatsache – Lehrer, die bereit sind, für Roma-Kinder wirklich die Grundschule abzuhalten und sie zu unterrichten, und die weit darüber hinaus eine ganz besonders gute persönliche Beziehung zu den Roma-Kindern aufgebaut haben, sodaß etwa 60 Prozent oder sogar 70 Prozent der in Frage Kommenden bereit sind, diese Schule voll mitzumachen. Insgesamt sind es fast 100 Prozent, aber es gibt eine gewisse Fluktuation. In Anbetracht dessen geht es


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meiner Meinung nach nicht an, daß die Lehrer, die diese Arbeit leisten und eine 40-Stunden-Woche haben, eine Entlohnung von netto nur rund 9 100 S bekommen, noch dazu im Rahmen einer Aktion für arbeitslose Lehrer!

Entschuldigen Sie, Frau Minister, daß ich das so sage, aber ich meine, daß es eine Schande ist, daß eine so wichtige Angelegenheit derart nebenher behandelt wird. Ich bitte Sie dringend, hier Abhilfe zu schaffen! Es geht dabei gar nicht um sehr viel Geld, sondern nur darum, daß man die Leistung dieser Lehrer anerkennt.

Meine Damen und Herren! Ein bißchen zur Einstimmung auch auf meine nächste Arbeit im Parlament habe ich noch etwas mitgebracht. Sie wissen, ich war früher bei den Grünen, und da habe ich ein bißchen Aktionismus gelernt. Und das Gute soll man nicht verlernen, daher habe ich mir erlaubt, ein Plakat mitzubringen, auf dem zuerst die Sprache "Deutsch" steht und dann – immer kleiner – die Minderheitensprachen angeführt sind. Über dem Schriftzug "Deutsch" ist – wie Sie sehen – ein Aufkleber mit dem Begriff "kurzsichtig" montiert. (Der Redner weist das Plakat in Form einer Tafel zur Visusüberprüfung vor. – Abg. Dr. Mertel: Reden Sie ins Mikrophon! Wir verstehen nichts!)  – Danke schön, Frau Kollegin Mertel! Ich werde das Plakat nachher gerne sozusagen herumgehen lassen! (Abg. Dr. Khol: Jetzt sehen wir nichts!) Auch zu Ihnen!

Ich bin der Auffassung, daß wir die Sprachen, die in Österreich gesprochen werden, die unsere Heimatsprachen und die Sprachen unseres gemeinsames Vaterlandes sind, achten sollen. Die beste Form der Achtung ist, wenn wir für diese Sprachen einen guten Unterricht anbieten und gute Kindergärten schaffen, in denen diese Sprachen gesprochen werden, und daß wir diesbezüglich vor allem auch im Medienbereich, Radio und Fernsehen, Fortschritte machen. Helfen Sie uns dabei! Helfen Sie den Volksgruppen bei diesem wirklich großen, guten österreichischen Projekt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Zusatzantrag, den Herr Abgeordneter Smolle verlesen hat, ist unterstützt und steht mit in Verhandlung. Ebenso steht der Entschließungsantrag betreffend Überführung von Schulversuchen im Bereich des Minderheitenschulwesens im Burgenland in das Regelschulwesen mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte sehr.

21.58

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er poštovane dame i gospodo! Dobar ve#er gospodin predsednik! Dobar ve#er gospoda ministerka! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was Kollege Smolle vorgetragen hat, ist im allgemeinen Trubel ein bißchen untergegangen, vor allem der Entschließungsantrag, den er verlesen hat. (Abg. Smolle, das während seiner Rede gezeigte Plakat an der Ministerbank befestigend: Stört es Sie, wenn ich das Plakat aufhänge?)  – Nein, das stört mich überhaupt nicht! Der Herr Präsident entscheidet, ob das stört, nicht ich! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Smolle! Sie haben Gelegenheit gehabt, auf Ihr Plakat hinzuweisen! Alle haben es gelesen! – Frau Stoisits! Setzen Sie fort!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Der Entschließungsantrag, den Kollege Smolle vorgetragen hat, hat einen extrem ernsten Hintergrund. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das hat am Rande natürlich auch mit dem Plakat zu tun! Frau Bundesministerin! Ich spreche jetzt vor allem Sie mit der Bitte um Unterstützung an. Es geht um die außerschulische Lernbetreuung, die der Verein Roma zur Förderung von Roma in Oberwart organisiert hat. Dieses Projekt ist anläßlich der großen Betroffenheit nach den Morden in Oberwart entstanden und wurde überall wohlwollend unterstützt.

Jetzt hat sich gezeigt, daß Gleiches nicht gleich behandelt wird. Jene Lehrer, die dort mit den Roma-Kindern in den letzten Jahren sehr erfolgreich gearbeitet haben und die wirklich Erfolge vorzuweisen haben – nicht in ihrem Selbstverständnis als Lehrer, sondern was den sozialpäda


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gogischen Inhalt dieser außerschulischen Lernbetreuung betrifft –, bekommen schlicht und einfach weniger bezahlt, als wenn sie Lehrer an gewöhnlichen Schulen wären.

Frau Bundesministerin! Ich bitte Sie, aus dieser Debatte mitzunehmen, daß von Ihnen Möglichkeiten gefunden werden mögen, das dafür fehlende Geld aufzubringen. Der Verein bekommt einen bestimmten Betrag als Subvention und kann nur diesen Betrag weitergeben. Und das ist eben weniger, als diese Lehrer sozusagen wert wären, wenn sie Lehrer an normalen Schulen wären. Deshalb bitte ich Sie, daß Sie – vielleicht gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler als dem für Volksgruppenfragen Zuständigen – eine Lösung finden.

Das ist das Anliegen, das Kollege Smolle seriös vorgetragen hat; aufgrund des Plakats ist es ein bißchen untergegangen. Ich bitte auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, dies als ein wirklich ernsthaftes Anliegen zu sehen.

Selbstverständlich unterstützte ich auch das Anliegen im Hinblick auf das erfolgreiche Schulmodell des zweisprachigen Gymnasiums in Oberwart. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Krammer. ) Frau Ministerin! Sie waren noch nicht Ministerin, als es gelungen ist, gegen heftigen Widerstand auch im Burgenland diese Schule einzurichten. Es hieß damals ständig: Wird es dafür überhaupt Bedarf geben? Wird es Nachfrage danach geben?

Unser Argument war damals: Machen wir es, probieren wir es! Und jetzt ist es das Erfolgsmodell schlechthin. Es ist Spitzenreiter in jedem Schulranking. Wo wird jeder Staatsbesuch, der ins Burgenland kommt, hingeführt? – In dieses europäische Vorzeigemodell! Ich denke, daß dieses Modell in solchem Maße vorbildhaft ist, daß es nicht mehr ein Provisorium bleiben sollte, sondern – um es jetzt untechnisch zu sagen – den Eintritt in das Regelwesen verdient. – Aber ich bin ja nicht hier, um allein die Anliegen von Karel Smolle zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe auch ein Anliegen. Es geht um die 4. Klasse Volksschule in Kärnten. Ich sage es jetzt sehr kurz, komprimiert und prägnant, meine sehr geehrten Damen und Herren: Österreich verletzt an jedem Schultag österreichisches Verfassungsrecht mit dem Zustand, den wir mit dem Minderheiten-Schulgesetz geschaffen haben! Es gibt zweisprachigen Elementarunterricht – dieser ist festgelegt im Artikel 7 des Staatsvertrags von Wien – nur in den ersten drei Schulklassen, aber nicht in der 4. Klasse der Volksschule. (Abg. Wurmitzer: Das ist kein Elementarunterricht, in der 3. und 4. Klasse!)

Das ist ein Denkmuster oder Denkmodell, das sich aus der Monarchie ableitet. Für diejenigen, die kundig sind: Das ist das Modell der utraquistischen Schule. (Abg. Wurmitzer: Sie kennen sich nicht aus!) Da hat man in Kärnten so unterrichtet: In der 1. Klasse slowenisch, in der 2. und 3. Klasse gleichzeitig deutsch und slowenisch – da haben die Kinder deutsch gelernt – und in der 4. Klasse nur noch deutsch. (Abg. Wurmitzer: Das stimmt ja nicht!) Denn es ging darum, sozusagen zu demonstrieren, was die Staatssprache ist, was mehr wert ist und was gewünscht ist. (Abg. Wurmitzer: Das ist nicht die Wahrheit!)

Meine Damen und Herren! Restelemente dieses Systems sind Gegenstand des gegenwärtigen Rechtes, des Minderheiten-Schulgesetzes von Kärnten. (Abg. Wurmitzer: Reden Sie die Wahrheit!) Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Abänderungsantrag, den ich hiermit verlese.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freunde und Freundinnen betreffend die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird (1282 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird (1282 der Beilagen), in der Fassung des Ausschußberichtes 1297 der Beilagen wird wie folgt ergänzt:

Nach Punkt 1 wird folgender Punkt 1a eingefügt:

1a. § 16 Abs. 1 wird wie folgt abgeändert und lautet:

"(1) An den zweisprachigen Volksschulen (Volksschulklassen, Volksschulabteilungen) ist der gesamte Unterricht in annähernd gleichem Ausmaß in deutscher und slowenischer Sprache zu erteilen. In Volksschulklassen mit deutschsprachigen und zweisprachigen Abteilungen ist der deutschsprachige Unterricht soweit wie möglich für alle Schüler der betreffenden Schulstufe gemeinsam zu erteilen."

Nach Punkt 2 wird folgender Punkt 2a eingefügt:

2a. In § 16a wird der Begriff "dritte Schulstufe" ersetzt durch den Begriff "vierte Schulstufe".

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wäre eine Sanierung, die – das gebe ich zu – viel im Schulwesen in Kärnten in Bewegung brächte, in jeder Beziehung, sozusagen auf der Metaebene der Politik, aber auch, was den Einsatz von Lehrern angeht.

Worum ich Sie bitte, ist folgendes: darüber nachzudenken, ob es im ausgehenden 20. Jahrhundert tatsächlich noch angebracht ist, Modelle und Denkmuster der Monarchie im heutigen Bildungssystem zu haben. Darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Im übrigen kann ich Ihnen sagen, daß die Kärntner Slowenen selbstverständlich nicht untätig geblieben sind. Sie haben gegen den § 16 des Minderheiten-Schulgesetzes von Kärnten beim Verfassungsgerichtshof bereits eine Beschwerde eingebracht, nämlich daß er verfassungswidrig ist. Sie wollen das Recht auf Elementarunterricht in slowenischer Sprache – so wie es im Artikel 7 für alle Schulstufen vorgesehen ist – durchsetzen. Sie wollen ihr Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Artikel 7 der Bundesverfassung. Die Schüler und Schülerinnen, die das machen, wollen das Recht auf Bildung und Nichtdiskriminierung ihrer Muttersprache.

Nicht zuletzt geht es auch um die Gleichberechtigung der landesüblichen Sprachen in Kärnten. Dort gibt es zwei landesübliche Sprachen: Deutsch und Slowenisch. Gleichrangig nebeneinander, zugegeben, wird die eine Sprache von allen beherrscht, die zweite Sprache nur von wenigen – wenigen Privilegierten, wie ich meine.

Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, die letzte Botschaft meinerseits am heutigen Tag und vielleicht für diese Session: Einsprachigkeit ist heilbar! Das habe ich Ihnen schon oft gesagt, das ist das Motto meines Politikerinnendaseins. Ich sage Ihnen: Steter Tropfen höhlt den Stein, und selbst die hohlsten Köpfe werden davon betroffen sein. (Beifall bei den Grünen.)

22.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erstens stelle ich fest, daß der Abänderungsantrag der Abgeordneten Stoisits ausreichend unterstützt ist und mit in Verhandlung steht.

Zweitens hat sich Herr Kollege Wurmitzer zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. (Abg. Wurmitzer: Was wahr ist, muß wahr bleiben!)

22.06

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stoisits hat von dieser Stelle aus behauptet und wortwörtlich ausgeführt, in den österreichischen Schulen in Kärnten werde tagtäglich Verfassungsrecht gebrochen und der österreichischen Staatsvertrag verletzt. Diese Feststellung ist absolut unrichtig. Ich werde das auch begründen.


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Zunächst: Die Ausführungsgesetzgebung für das Minderheiten-Schulgesetz ist Landessache. Der Kärntner Landtag hat beschlossen, daß in den ersten drei Klassen der Elementarunterricht zweisprachig geführt wird, und in der 4. Klasse gibt es – weil es dort bereits eine Fächerung des Unterrichts gibt – das Pflichtfach Slowenisch. Das heißt, es gibt dort nicht mehr Elementarunterricht, aber sehr wohl slowenischen Sprachunterricht.

Das steht mit dem österreichischen Staatsvertrag in Übereinstimmung, das entspricht der österreichischen Verfassung. Die Behauptungen der Frau Abgeordneten Stoisits sind unwahr. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

22.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Dr. Höchtl. – Bitte.

22.07

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir in Österreich an Minderheiten-Schulwesen geschaffen haben, kann sich, glaube ich, wirklich sehen lassen. Wir sind stolz darauf, und wir sind froh darüber, daß das gemeinsam erreicht werden konnte. Das ist zweifellos etwas, was jetzt bei der Beschlußfassung dieser kleinen Novellen festzustellen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens: Wir haben uns im Staatsvertrag 1955 verpflichtet. Und die derzeitige Regelung, die von den Abänderungs- beziehungsweise Entschließungsanträgen der Kolleginnen und Kollegen Stoisits, Schaffenrath und Smolle angesprochen wird, ist zum Schutz der Slowenen mit österreichischer Staatsbürgerschaft in Österreich. Denn sonst könnten viele kommen, und die Kapazitäten der Schulen würde nicht ausreichen. Das heißt, es steht mit dem Staatsvertrag im Einklang, ist im Interesse des Minderheitenschutzes in Österreich.

Was die übrigen Anliegen betrifft: Die Schulversuche sind noch nicht so weit gediehen, daß sie schon ins Regelschulwesen überführt werden könnten. Wir sind gerne bereit, über jegliches Ansuchen und Anliegen weiterzureden, aber ich denke, wir sollten mit dem, was wir jetzt haben und was erfolgreich durchgeführt worden ist, einstweilen zufrieden sein. Für jede zusätzliche Idee werden wir in Zukunft sehr offen sein und darüber weiterreden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

22.09

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Als Politiker und Politikerin muß man sich permanent mit unterschiedlichen Themen beschäftigen, wird zu verschiedenen Dingen gefragt und muß auch oft zu Themen Stellung nehmen, in denen man nicht wirklich sattelfest ist. Aber jeder und jede von uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat Themen, bei denen er sich, auf gut österreichisch gesagt, wirklich auskennt. Bei Herrn Professor Van der Bellen ist es die Finanzwissenschaft, bei Herrn Professor Khol ist es die Staatswissenschaft, bei einem anderen ist es wieder etwas anderes – und bei mir sind es die Volksgruppenfragen.

Dazu habe ich nicht nur aus der Sicht der Betroffenen eine Position zu vertreten. (Abg. Dr. Mertel: Eine subjektive Position!) Ich gebe zu, daß die Sicht von Betroffenen immer auch Gefahr läuft, eine Sicht zu sein, die das Subjektive stärker betont (Abg. Dr. Mertel: Aber subjektiv ist sie schon!), Frau Kollegin Dr. Mertel, so wie auch ein Kärntner – sozusagen "Kärnten is’ lei ans" – irgendwie subjektiv betroffen ist. (Abg. Schieder: Keine Vorurteile!)  – Nein, überhaupt nicht! Ich bin ja als Burgenländerin auch über Burgenländerwitze betroffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sich aber permanent Leute wider besseres Wissen zu Wort melden und Personen, die auf der einen Seite subjektiv betroffen sind und auf der anderen Seite auch ein bestimmtes Ausmaß an Sachkundigkeit mitbringen – das betrifft nicht nur mich, sondern in bestimmter Hinsicht zum Beispiel auch meine Kollegin Haidlmayr –,


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im Nationalrat, hier im Hohen Haus ständig wirklich abqualifizieren und abwertend über sie sprechen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dann kann ich nur sagen, daß das, was ich zu Ende meines ersten Redebeitrags gesagt habe – steter Tropfen höhlt den Stein, auch der hohlste Kopf kann davon betroffen sein –, offensichtlich schon auf fruchtbaren Boden gefallen ist. (Abg. Schwarzenberger: Aber das ist abwertend!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein unheimlich ernstes Gebiet. Minderheitenangehörige sind in ihrer Existenz, was ihre sprachliche und kulturelle Eigenheit angeht, in unserer modernen, schnellebigen, der Globalisierung ausgesetzten Zeit besonders gefährdet. Darum sind – Kollege Schieder schüttelt den Kopf – die Fragen der Bildung, des Spracherwerbs, auch die Fragen der Medien besonders diffizil. Denn, Kollege Schieder ... (Abg. Schieder: Aber der Zugang zu den Sprachen ist auch größer geworden durch die Globalisierung!) Der Zugang ist größer geworden, aber parallel dazu müssen auch die Möglichkeiten geschaffen werden!

Kollege Schieder! Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe, wenn ich den Fernseher aufdrehe, im Wiener Kabelfernsehen 30 Programme oder vielleicht noch mehr zur Auswahl. Aber kein einziges Programm bietet – außer am Sonntag eine halbe Stunde lang – Programm in meiner Muttersprache. Das ist die Gefahr, Kollege Schieder! Ich mache nicht dich oder jemand anderen dafür verantwortlich, sondern das ist sozusagen auch Ausdruck unserer Zeit. (Abg. Schieder: Aber das kannst direkt empfangen!) Kollege Schieder! Darum ist es so wichtig, daß wir den Fragen des Spracherwerbs und der Möglichkeit, die eigene Muttersprache auch als Bildungssprache zu erfahren, besonderes Augenmerk schenken. Das ist der Hintergrund des Engagements! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Krammer und Smolle. )

Das ist das, worum es bei den Roma-Kindern geht. Das sind ja Analphabeten in ihrer eigenen Sprache, sie sind in ihrer Sprache nicht literarisiert (demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Krammer ), und viele Slowenischsprachige und Kroatischsprachige, Tschechisch-, Slowakisch- und Ungarischsprachige ebenso!

Gerade im ausgehenden 20. Jahrhundert – um es noch einmal zu sagen –, im vereinten Europa, im immer größer werdenden Europa ist es besonders wichtig, diese Sprachen, die ebenfalls Sprachen unseres Heimatlandes sind, besonders zu fördern. Das ist das Anliegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Solange ich hier stehe, werde ich mich nicht daran hindern lassen, dies hier mit Impetus, mit Engagement und, wenn es sein muß, Betroffenheit, aber auch mit der nötigen Sachkenntnis zu vertreten. (Demonstrativer Beifall der Abg. Rauch-Kallat. ) Wir haben Erfolge erzielt. Das zweisprachige Gymnasium in Oberwart gäbe es nicht, gäbe es keine Grünen im Parlament und gäbe es nicht Menschen, die sich haben überzeugen lassen.

Ich bin dem ehemaligen Minister Scholten sehr, sehr dankbar dafür, daß er, als er neu gekommen war, irgendwie auch erkannt hat, wie die Zeichen der Zeit zu setzen sind. (Abg. Dr. Khol: Dem Scholten ist sie dankbar? – Da ist sie aber die einzige in diesem Haus!) Frau Bundesministerin! Auf diesem Gebiet hätten Sie auch einige Spuren zu hinterlassen, wiewohl ich meine, daß Ihre Tage noch nicht gezählt sind. Aber: Spuren auf dem Gebiet der Förderung der Minderheiten, ihrer Sprachen und ihrer Kultur haben Sie bis jetzt noch nicht hinterlassen. Wie gesagt: Es ist noch nicht zu spät. Steter Tropfen höhlt den Stein. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte.

22.15

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte es kurz machen, weil unsere Redezeit nur noch sehr gering ist.

Erstens: Frau Kollegin Stoisits! Sie haben richtigerweise angeführt, daß es eine Verfassungsklage gibt. Aber alle Verfassungsklagen in der Causa Kärntner Minderheiten-Schulgesetz haben so geendet, wie es auch der Herr Bundespräsident gesagt hat: Das Kärntner Minderheiten-Schulgesetz erfüllt derzeit den Artikel 7 vollinhaltlich. So ist die Situation.


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Sie können daher nicht hier mit einem Abänderungsantrag, sondern nur am Verhandlungstisch – und auch nur an einem Verhandlungstisch gemeinsam mit Kärnten – die Situation ändern. Dazu sind Sie eingeladen. Mit dem Abänderungsantrag wird es nicht gehen, Frau Kollegin Stoisits, sondern nur auf ordentlicher Verhandlungsebene mit Kärnten. (Abg. Öllinger: Vom Kärntner Heimatdienst!) Und, Frau Kollegin Stoisits – das sage ich Ihnen auch in aller Offenheit –, Ihre Position wird nicht einmal von den Kärntner Slowenen vollinhaltlich mitgetragen – um hier auch einmal den Stellenwert zu erwähnen, den Sie haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage der Schule der Romanes und der Roma in Oberwart: Ich gebe Ihnen in diesem Zusammenhang recht, Frau Kollegin Stoisits! Ich betrachte es schlicht und einfach als Ungerechtigkeit, daß dort zwei Lehrpersonen tätig sind, die ihre Gehaltsanteile aus drei einzelnen Abschnitten bekommen, nämlich aus der Arbeitsmarktförderung, aus einer Zuwendung an einen Verein und aus einer sonstigen Basis, die von Jahr zu Jahr schwankt. Noch dazu ist ihr Gehalt um mehr als ein Drittel niedriger als jenes vergleichbarer Pflichtschullehrer.

Ich denke, daß diese Republik ihre Versprechungen der Minderheit gegenüber einhalten sollte und daß eine Absicherung dieses Projektes in einem ordentlichen Schulsystem ein Gebot der Stunde wäre. Meiner Ansicht nach ist die jetzige Vorgangsweise zwar besser, als sie es früher war, aber sie ist mit Sicherheit kein Ruhmesblatt für die Bundesregierung und für die Versprechungen, die sie der Volksgruppe der Sinti und Roma gemacht hat. Sie haben recht: Das gehört schleunigst – schleunigst! – korrigiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Zuerst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1281 der Beilagen. Es ist dies das Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird.

Dieses kann im Sinne des Art. 14 Abs. 10 der Bundesverfassung nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Stimmen abgeändert oder beschlossen werden. Ich stelle daher zunächst die für die Abstimmungen erforderliche Anwesenheit des verfassungsmäßig vorgesehenen Quorums fest.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf – Minderheiten-Schulgesetz, Burgenland-Novelle – ihre Zustimmung erteilen, ein entsprechendes Zeichen geben. – Ich stelle fest, daß dies mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit bei Anwesenheit des erforderlichen Quorums beschlossen ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Der Gesetzentwurf ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auch in dritter Lesung beschlossen.

Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Smolle und Genossen betreffend Überführung von Schulversuchen im Bereich des Minderheiten-Schulwesens im Burgenland in das Regelschulwesen und Sicherung der Lernbetreuung für Schüler der Volksgruppe der Roma.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag Smolle und Genossen zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1282 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Abänderungsantrag des Kollegen Smolle vor.


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Außerdem hat Frau Kollegin Mag. Stoisits einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die erwähnten Zusatzanträge abstimmen lassen und dann über den Gesetzentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage.

Auch dabei handelt es sich um eine Vorlage, die im Sinne des Art. 14 Abs. 10 B-VG nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates und mit Zweidrittelmehrheit abgeändert werden kann.

Wir kommen also zum Zusatzantrag der Abgeordneten Smolle und Genossen betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 1a und einer neuen Ziffer 2a.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Minderheit.

Die Abgeordneten Smolle und Genossen haben auch einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Z 3a und einer Z 3b bezieht.

Im Falle der Zustimmung darf ich um ein diesbezügliches Zeichen bitten. – Dies ist gleichfalls die Minderheit.

Damit können wir nunmehr über den vorliegenden Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Regierungsvorlage zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß der Nationalrat dies mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit in zweiter Lesung beschlossen hat.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

16. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1202 der Beilagen): Bundesmuseen-Gesetz (1338 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

22.21

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Kritik der freiheitlichen Opposition an der Regierungsvorlage des Bundesmuseen-Gesetzes in aller Kürze: Es handelt sich dabei um das Anstaltenmodell der ÖVP, quasi um den Zwillingsbruder des Bundestheater-Gesetzes mit dessen Bundestheater-Ausgliederung in Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Jetzt geht es um Bundesmuseen in Form des ÖVP-Anstaltenmodells.

Gemäß Bericht des Kulturausschusses soll die Zielsetzung der Regierungsvorlage eine Beschränkung der staatlichen Einflußnahme sein. Von dieser Selbstbeschränkung der staatlichen Einflußnahme ist sehr wenig spürbar, wenn man bedenkt, daß nach wie vor der Bundesminister – beziehungsweise in concreto die Frau Bundesministerin – allein zuständig ist für die Einsetzung der neun Bundesmuseen-Direktoren. Das ist ein Anachronismus der besonderen Art. Es kann nicht vorrangige oder überhaupt Aufgabe eines Bundesministers oder einer Bundesministerin sein, über neun Museumsdirektoren abzustimmen beziehungsweise zu befinden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wird selbstverständlich sagen: Solange sie für dieses Ressort zuständig ist, sei das unbedingt notwendig. – Frau Kollegin! Sehen Sie sich den internationalen Standard an. Ihr eigener


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Experte, der Direktor des Van Gogh Museums in Amsterdam, hat gesagt: Für Holland ist es undenkbar, daß der Minister dafür zuständig ist, den einen oder anderen Direktor ad personam einzusetzen. Da hat sich die Politik eine Selbstbeschränkung aufzuerlegen und endlich die Nabelschnur zwischen der politischen Einflußnahme und den Museen, den Museumsdirektoren zu unterbrechen beziehungsweise abzuschneiden.

Ein weiterer Kritikpunkt der freiheitlichen Opposition am Anstaltenmodell ist die Tatsache, daß die Museen erst dann Rechtspersönlichkeit erlangen, wenn sie sich selbst eine Museumsordnung geben. Für diese Museumsordnung haben nach der entsprechenden Staffelregelung einzelne Museen bis in das Jahr 2003 Zeit. Wenn man beachtet, daß das in der heutigen, kurzlebigen Zeit ein unzumutbar langer Zeitraum ist – auch wenn Sie jetzt sogar von einer Verlängerung der Legislaturperiode sprechen –, erkennt man, daß die Museumsreform zumindest in Teilbereichen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verlegt worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin – dieser Punkt ist nach wie vor nicht saniert und stellt gleichzeitig einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip dar –, daß in dem Gesetz festgelegt ist, daß entweder ein oder zwei Geschäftsführer einzusetzen sind. Dies ist ein eindeutiger Verstoß gegen das Legalitätsprinzip, denn: Wer bestimmt, ob ein oder zwei Geschäftsführer einzusetzen sind? Geschieht das je nach der Größe, nach den Quadratmetern an Ausstellungsfläche oder der Zahl der Beschäftigten?

Es handelt sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Damit liegt ein eindeutiger Verstoß gegen das Legalitätsprinzip vor, wie Ihnen auch Professor Öhlinger bescheinigt. – Das alles läßt Sie kalt, das ist für Sie wenig interessant. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Kuratoren – ein klares Proporzmodell: sechs Schwarze und drei Kontrollkuratoren der SPÖ. Wirklich ein Rückfall in die Zeiten des tiefsten schwarz-roten Proporzes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Mehr Timbre, Morak, mehr Timbre! – Abg. Morak  – zum Rednerpult gehend –: Ja, machen wir!)

22.25

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Lieber Kollege Krüger! Ich weiß nicht mehr, worauf sich die Einflußnahme des Staates bei staatlichen Museen überhaupt noch beschränken soll. Wie wollen denn die Freiheitlichen in Zukunft ihre Anfragen formulieren, wenn überhaupt niemand mehr dafür verantwortlich ist? (Heiterkeit bei der ÖVP.)  – Den Nitsch wollen wir verbieten. Den Mühl wollen wir verbieten. Die Jelinek wollen wir verbieten. Der Theaterdirektor ist verantwortlich, die Frau Bundesminister ist dafür verantwortlich. Was macht ihr dann da überhaupt noch? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Kontrolle! – Ruf bei den Freiheitlichen: Geld abdrehen!)  – Also gut, ich weiß schon: Geld abdrehen. Ja, ist in Ordnung! (Abg. Ing. Meischberger: Wir wollen den Morak! – Abg. Dr. Krüger: Du weißt genau, daß das nicht meine Position ist! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Deine ist es nicht. Aber du bist nicht ganz allein in deiner Fraktion, du weißt das. Noch nicht!

Die ursprüngliche Ausgangslage: Die Museen waren bis 1988 mehr oder minder nachgeordnete Dienststellen des Ministeriums. Das hatte Vorzüge, das hatte Nachteile. Ich nenne hier nur die Verläßlichkeit, die Sorgfalt und die Sicherheit in Geldangelegenheiten. Aber es hatte selbstverständlich auch etwas von Schwerfälligkeit und Trägheit. Es ist – das ist auch erkannt worden – nicht mehr zeitgemäß.

Das Schema der Ausgliederung ist keine privatrechtliche Gesellschaft – also eine GesmbH, die auf Gewinn ausgerichtet ist –, sondern es hat sich sehr rasch gezeigt, daß eine andere Regelung im Umgang mit den Museen zweckmäßiger ist. Ich möchte hier den von dir zitierten Öhlinger und weiters Korinek zitieren. Sie haben sich für eine Anstalt öffentlichen Rechts ausgesprochen, weil das Bewahren und das Forschen sowie teilweise quasi außeruniversitäre For


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schungseinrichtungen davon betroffen sind, und zwar auf den Gebieten der Kunstgeschichte, der Architektur, der Naturwissenschaften und der technischen Entwicklung, aber auch die dazugehörigen Hilfswissenschaften wie Restaurierung und neue Konservierungstechniken. Da hat Österreich einen guten Ruf zu verteidigen. Wegen dieser speziellen Aufgaben hat sich die Bundesregierung – heute wird es hoffentlich auch das Parlament tun – für eine öffentlich-rechtliche Anstalt entschieden.

Die Teilrechtsfähigkeit, die 1988 eingeführt wurde, hat es einzelnen Bereichen ermöglicht, wettbewerbsfähig zu werden. Sie hat den Museen die Möglichkeit gegeben, aus den Bezirken der verstaubten Kulturtempel und teilweise der Publikumsfeindlichkeit auszubrechen – ich erinnere mich noch sehr genau daran – und zu neuen, modernen Ausstellungs- und Kommunikationszentren zu werden. Der neue Weg, der von 1988 an mit der Teilrechtsfähigkeit gegangen wurde, hat sich in großen Teilen bewährt. Jetzt folgt der nächste Schritt.

Was hat die Teilrechtsfähigkeit gebracht? – Bessere Besucherzahlen, bessere Ausstellungen im Sinne größerer Attraktivität der Ausstellungen, der Neuaufstellungen und der Neuhängungen, wichtige Publikationen dieser Museen, Neuankäufe – auch mit Mitteln aus der Teilrechtsfähigkeit, das sei hier bemerkt.

Die Vollrechtsfähigkeit ist also eine logische Fortsetzung und sicher nicht – darin möchte ich Krüger recht geben – der letzte Schritt auf der Reise der Bundesmuseen. Das heißt erstens: Die Republik bekennt sich zu ihren Museen und zu der Verantwortung, die sie für die Museen trägt. Zweitens bedeutet es die Ausweitung der positiven Möglichkeit der Teilrechtsfähigkeit auf alle Bereiche der Museen, wie ich bereits gesagt habe. Drittens kommt es zur Loslösung der finanziellen Gebarung aus der Kameralistik mit einem wirksamen Controlling-Instrument. Viertens steht dies für eine weit größere Autonomie der Direktoren der Häuser und für mehr Flexibilität.

Finanziell ist das Ganze abgesichert. Das steht schon im Gesetz, und noch dazu gibt es eine Escape-Klausel.

Dazu möchte ich nur sagen: Die Ingredienzien für besseres Wirtschaften und für mehr Markt in diesem Bereich sind vorhanden, mit diesem Gesetz ist dafür der Grundstein gelegt worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Direktorinnen und die Direktoren müssen sie nur noch nützen und eine neue Qualität bei der Führung dieser Häuser beweisen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

22.30

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Bundesmuseen-Gesetz verspielt die Bundesregierung leider die Chance auf eine wirksame und dauerhafte Reform. Denn das, was Sie heute mehrheitlich beschließen werden, ist mangelhaft und entspricht leider nicht den Anforderungen einer modernen, gesamthaften Museumspolitik. Vielmehr ist das das Ergebnis eines mäßigen Koalitionskompromisses!

Meine Damen und Herren! Die Mängel sind offensichtlich und auch schon angeführt worden, zuletzt im Kulturausschuß. Die angekündigten Zielsetzungen, nämlich mehr Eigenverantwortung der Museen, mehr Handlungsspielraum und eine Verwaltungsvereinfachung, werden mit diesem Gesetz nicht erreicht werden. Im Gegenteil: Nach Durchsicht der einschlägigen Gesetzesstellen ist klar, daß der Einfluß des Bundes – wie Herr Kollege Krüger schon gesagt hat – nicht vermindert, sondern verstärkt wird. Denn in allen wesentlichen Punkten bedarf es in Zukunft der Zustimmung des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Meine Damen und Herren! Nicht erkennbar ist auch das Einsparungspotential dieser vorgeblichen Strukturreform. Die Verwaltungsapparate, sowohl in den Museen als auch im Ministerium, werden zumindest im Verhältnis 1: 1 erhalten bleiben. Die Frau Bundesministerin hat das, was


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ihr Ministerium betrifft, auch gar nicht bestritten. Durch die Doppelgleisigkeit im Personalbereich und durch die Einrichtung des Kuratoriums und die Einschaltung der Wirtschaftsprüfer kommt es zu zusätzlichen Kosten. Auch diese zusätzlichen Kosten hat der Rechnungshof in seiner Stellungnahme schon kritisch angemerkt.

Worauf sind die Mängel dieses Gesetzes zurückzuführen? – Die Nichtbefassung der betroffenen Museumsdirektoren mit diesem Gesetzentwurf mag eine Erklärung sein. Es liegen jedenfalls zwei Briefe vor, in denen die Direktoren das ausdrücken. Die zu kurze Begutachtungsfrist von nur acht Tagen mag vielleicht ein weiterer Grund dafür sein. Meine Damen und Herren! Das wirft ein interessantes Licht auf Ihr Demokratieverständnis und auf Ihre Diskussionsbereitschaft.

Frau Bundesministerin! Wenn es in einer Stellungnahme des Direktors des Museums für Völkerkunde wörtlich heißt: Mit der vorgesehenen Basisabgeltung ist ein ordnungsgemäßer Betrieb des Museums nach seiner Generalsanierung und Erweiterung im Jahre 2002 nicht finanzierbar, dann müßten, wie ich meine, alle Alarmglocken schrillen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, es wäre besser gewesen, wenn man das Gesetz über den Sommer ausführlicher beraten und überarbeitet und im Herbst in einer neuen Fassung zur Beschlußfassung vorgelegt hätte. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Inge Jäger. – Bitte sehr.

22.33

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße grundsätzlich das vorliegende Bundesmuseen-Gesetz, mit welchem die österreichischen Bundesmuseen zu wissenschaftlichen Anstalten öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit gemacht werden. Mit dieser Organisationsform, die an die positiven Erfahrungen anknüpft, die mit der Teilrechtsfähigkeit gemacht worden sind, werden jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß unsere Museen modern und kundenorientiert präsentieren können.

Ich begrüße auch, daß damit ein Modell gewählt wurde, mit dem Gestaltungsspielraum ermöglicht und die Autonomie der einzelnen Museen erhöht wird, ohne diese jedoch gänzlich dem Einflußbereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst zu entziehen. Ich bin in diesem Punkt grundsätzlich anderer Meinung als mein Kollege Krüger. Ich stehe dazu, daß die Verantwortung letztendlich weiterhin beim Ministerium bleiben muß, weil mit dem Sammelgut in den Museen für die Republik Österreich unschätzbare Werte vorhanden sind und weil damit auch ein Kulturauftrag verbunden ist. Es ist notwendig, daß auch in Zukunft relevante gesellschaftliche Entwicklungen im Bereich der Technik – übrigens möchte ich in diesem Zusammenhang einmal nachfragen: Was ist mit dem Technischen Museum? Ich meine, gerade jetzt würden wir dessen Öffnung brauchen! –, der Naturwissenschaften und der Künste aufgegriffen und einer breiten Öffentlichkeit verständlich und zugänglich gemacht werden. Das ist uns sehr wichtig! Deshalb investiert der Staat sehr viel Geld in diesen Bereich, und deshalb soll die Politik hier weiterhin die Schirmherrschaft behalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Welche sind nun die wesentlichen Ziele dieser Reform? – Wie schon gesagt: mehr Möglichkeiten zur Eigeninitiative, mehr Autonomie im kulturell-künstlerischen Bereich, wirtschaftliche Selbständigkeit in Personal- und Budgetfragen, damit auch mehr Beweglichkeit und in Verbindung damit auch ein besserer Ressourceneinsatz und mehr Effizienz.

Ich möchte jetzt noch drei Punkte anführen, die für die sozialdemokratische Fraktion besonders wichtig waren und die wir daher in dieses Gesetz hineinreklamiert haben.

Erstens wurde im Gesetz auch ein kulturpolitischer Auftrag für die Bundesmuseen formuliert. Ich wünsche mir, daß die österreichischen Museen noch mehr als bisher ein eigenes Image und eine eigene Identität entwickeln und somit unverwechselbar werden, wie es etwa beim Guggenheim-Museum oder auch bei der Sezession der Fall ist. Ich denke, es gibt dafür sehr gute und positive Ansätze.


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Vorhin wurde das Völkerkundemuseum angesprochen: Dieses sehr kleine Museum hat natürlich kein sehr großes Budget. Aber zum Beispiel mit der Bhutan-Ausstellung ist heuer eine Ausstellung geglückt, durch welche dieses Museum über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt wurde. Es ist erstmals gelungen, Ausstellungsobjekte aus dem Königreich Bhutan nach Österreich beziehungsweise überhaupt in den Westen zu bringen. Dies ist deshalb gelungen, weil es eine gute Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zwischen dem Königreich Bhutan und Österreich gibt. Darüber bin ich sehr froh.

Selbstverständlich kann unser Völkerkundemuseum nicht mit einem Völkerkundemuseum in Amsterdam konkurrieren, es kann aber sehr wohl Akzente setzen, und es setzt sie auch!

Ich möchte noch ein gutes Beispiel anführen. Das Kunsthistorische Museum ist für einen gewissen Zeithorizont bedeutend, vor allem auch für die Kunst der Niederländer. Bei der Brueghel-Ausstellung konnte mit 1,45 Millionen Besuchern ein Besucherrekord erzielt werden. Durch diese Ausstellung wurde viel Publikum auch aus dem Ausland angezogen. Es wurde eine Tradition fortgesetzt: Das Museum hat selbst eine der bedeutendsten Brueghel-Sammlungen und hat sich im Rahmen dieser Ausstellung dieses Themas inhaltlich verstärkt angenommen.

Ich meine, daß wir Museen als Stätten lebendiger Begegnung brauchen. Im Hinblick darauf müssen Überlegungen betreffend adäquate Öffnungszeiten und angemessene Preise auch für Leute, die kein sehr hohes Einkommen haben, angestellt werden. Mit diesen Fragen muß man sich in Zukunft auseinandersetzen. Man muß sich mit neuen Inhalten auseinandersetzen und manchmal auch den rein musealen Charakter überwinden.

Die Direktorin des Sigmund-Freud-Museums, das ich als besonders attraktives Museum ansprechen möchte, Frau Scholz-Straßer, hat das sehr treffend formuliert. Sie sagte: Ein Museum, mag es auch noch so lebendig, dynamisch, didaktisch, hypermodern und superattraktiv sein, bleibt ein Museum. In manchen Bereichen, um bei Sigmund Freud zu bleiben, ist die wissenschaftliche Aufarbeitung von großer Bedeutung. Das Sammeln hingegen bleibt von untergeordneter Priorität.

Als zweiten Punkt haben wir hineinreklamiert, daß im Zusammenhang mit der inhaltlichen Reform der Museen auch das Personal mit einbezogen werden muß, daß die Kuratoren und die wissenschaftlichen Mitarbeiter in eine Neukonzeption mit einbezogen werden und auch ein Mitspracherecht haben.

Drittens haben wir darauf bestanden, daß auch das Parlament in die zukünftige Diskussion mit eingebunden wird. Das haben wir in einem eigenen Entschließungsantrag im Ausschuß formuliert, durch welchen das noch einmal bekräftigt wird.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine lebendige inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Thema in Zukunft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte, Frau Kollegin.

22.41

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte mit einem möglichen Zitat beginnen: Es ist verboten, Stöcke, Schirme und Taschen ins Museum mitzunehmen. Kindern ist das Betreten des Hauses nicht gestattet. Besucher sind nur unter besonderen Bedingungen, zu ganz bestimmten Stunden erwünscht. – So ähnlich könnte eine Museumsordnung im 19. Jahrhundert gelautet haben.

Am Ausgang des 20. Jahrhunderts werden die Bundesmuseen mit dem heutigen Tag selbständige, wissenschaftliche, vollrechtliche Anstalten, die sich nicht nur vor Besuchern nicht zu fürchten brauchen, sondern sich auf zeitgemäße, effiziente Weise auf die Sammlung, Bewahrung, Forschung und Vermittlung der Bundesbestände einstellen können beziehungsweise sich nicht nur defensiv darauf einstellen, sondern aktiv darum bemühen können und sollen. Die heute


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schon angesprochenen Häuser sind mit ihren Direktoren im Überwinden der Defensive unterschiedlich weit gekommen und werden sicher noch einige Schritte gehen beziehungsweise gehen müssen.

Ich meine, daß wir insgesamt davon ausgehen können, daß ein Museum ohne Besucher ein totes Museum ist, ein Museum ohne wissenschaftlich-theoretisch-systematische Aufarbeitung eigentlich ein leeres und hohles Museum ist und ein Museum, dessen Leitung meint, ohne Sonderpräsentationsformen auskommen zu können, ein lahmes, bewegungsloses Museum ist. Daher, lieber Josef Cap, müssen wir den Schluß ziehen: Wir brauchen moderne, aktive, belebende Museen, in welchen man sich einerseits nicht scheut, Kulturevents – wie es so schön heißt – stattfinden zu lassen und dazu einzuladen, andererseits aber auch Häuser, die sich nicht scheuen, Abstand zu nehmen von einer bestimmten überzogenen Erlebnisorientierung, und auf die wissenschaftliche Arbeit nicht verzichten. Ich bin froh darüber, daß wir die Zusage haben, die durch unsere Ausschußgespräche gefestigt wurde, daß es zu einer Evaluierung der wissenschaftlichen Arbeit kommt, damit diese ordnungsgemäß, effizient und theoretisch hochstehend fortgesetzt werden kann.

Die Einbindung der Sammlungsleiter in die Entwicklung der Museumsordnung ist von Frau Kollegin Jäger schon angesprochen worden. Erwähnen möchte ich auch, daß ich mich freue darüber, daß es einen Zielparagraphen gibt und daß auch ein Förderervertreter im Kuratorium sitzt. Auch das Kuratorium selbst kann noch weiterentwickelt und ausgebaut werden.

Meine Damen und Herren! Ich versuche, abschließend die Herausforderungen kurz zu formulieren: Ich denke, daß in einer augenblicksorientierten Gesellschaft die Gefahr besteht, daß die Ideale der sechziger Jahre, Erkenntnis und Aufklärung, zu kurz kommen. So war ich etwa bei meinem letzten Besuch mit Schülern im Museum ganz traurig, daß sie bestimmte klassische Bilder, Kunstwerke, die die Kunstgeschichte Mitteleuropas repräsentieren, nicht mehr eindeutig identifizieren und zuordnen konnten. In diesem Zusammenhang gibt es sicher Nachdenkbedarf!

Ich denke, daß in einer Zeit, in der die U-Wertigkeit – wie es so schön heißt –, die auch mit einem bestimmten Flanierverhalten der ewigen Touristen zu tun hat, eine wichtige Rolle spielt, daß die Signale der "Gesellschaftstiger" verstanden werden und all diese bei Laune gehalten werden wollen und dieses "Bei-Laune-Halten" auch vom Museum erwartet wird. Ich denke, daß die internationale Vergnügungsmaschinerie einen Erlebnisstrudel erzeugt, dem sich der klassische Museumstyp unter bestimmten Bedingungen versagen und verweigern muß. Das bedeutet aber nicht, daß die alternative Devise lauten soll: Zurück ins 19. Jahrhundert: Schirme, Taschen, Kinder und Besucher sind verboten!, aber daß man dem radikalökonomischen Amüsement widersteht, mit kompetenten Leitern, Sammlungsvertretern, Kommunikatoren und Pädagogen, das heißt, der Versuchung nicht nachgibt, die da heißt "happening factory". Ich meine, auf diesem guten Weg befinden wir uns, wenn wir uns modernen pädagogischen Programmen verschreiben, gleichzeitig aber nicht in die Falle der Totalpädagogisierung laufen.

Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz zur Emanzipation der Museen als wissenschaftliche Anstalten wird ein – wie es so schön heißt – Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Wir gehen den Weg selbstbewußt und mit der Unterstützung der Frau Ministerin und des Hohen Hauses! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte.

22.46

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Da Salzburg näher bei München als bei Wien liegt, schielt man als Salzburger immer wieder mit einem Auge nach München und beobachtet dort die Museen- und Ausstellungswelt, mit dem anderen Auge aber nach Wien und beobachtet die Kultur in Wien.

Ich glaube, daß München in der Ausstellungskultur lange Zeit die Nummer eins in Europa war, obwohl Wien betreffend die vorhandenen Kunstschätze München in keiner Weise nachgestan


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den ist. Dies begann sich Ende der achtziger Jahre jedoch systematisch zu ändern, nicht zuletzt aufgrund der Möglichkeiten, die wir mit den Gesetzen betreffend die Teilrechtsfähigkeit der Bundesmuseen in zwei Etappen geschaffen haben. Durch die Vollrechtsfähigkeit wurde dieser Entwicklung ein Schlußstein gesetzt. Heute hat Wien München meiner Meinung nach den Rang abgelaufen. Ich bin fest davon überzeugt, daß heute Wien an erster Stelle steht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dies ist meiner Ansicht nach deshalb so wichtig, weil Kunst und Kultur für uns Menschen immense Bedeutung haben. Die Bundesmuseen sind weit über Wien hinaus – und auch das scheint mir sehr wichtig zu sein – ein kulturelles Anliegen für alle in Österreich. Dieses Anliegen sollte ihnen ans Herz wachsen – das sage ich jetzt als gebürtiger Tiroler. Sie wissen, daß Schloß Amras zum Kunsthistorischen Museum gehört, und ich möchte in diesem Zusammenhang auf die bahnbrechende Spanienausstellung hinweisen, die 1992 im Schloß Amras stattfand. – Die Bundesmuseen haben eine herausragende Bedeutung für das Gedächtnis Österreichs und damit für unser aller Angelegenheiten!

Ich möchte auch ganz kurz auf den Wirtschaftsfaktor Museen, auf deren Wirtschaftskraft und insbesondere auf deren Umwegrentabilität hinweisen. So sind etwa aufgrund der vergangenen Monet-Ausstellung zirka 30 Millionen Schilling zusätzlich in Wien geblieben.

Wenn Maria Theresia zwischen dem Naturhistorischen und dem Kunsthistorischen Museum thront, dann deutet dies meines Erachtens auf eine ganzheitliche Sicht der Kunst hin und birgt eine tiefe Symbolik: auf der einen Seite die Natur im Naturhistorischen Museum, in der Mitte der Mensch in Gestalt der Maria Theresia, auf der anderen Seite die schöpferische Kraft im Kunsthistorischen Museum. Und was der Mensch in einem kreativen, bejahenden Akt hervorzubringen in der Lage ist, wirkt auf den Menschen positiv, ja heilend. Das möchte ich auch als Arzt sagen!

Ich wünsche allen Museumsverantwortlichen, daß es ihnen gelingen möge, das Beste daraus zu machen. Es möge vielen Österreichern und Österreicherinnen, vor allem den jungen Menschen, ein Zugang zu diesem kreativen Stück Österreich, das auch ein Stück Identität Österreichs und Europas ist, eröffnet werden! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte sehr.

22.50

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich, daß heute hier im Hohen Haus das Gesetz beschlossen wird, mit dem sich die Bundesmuseen zu wissenschaftlichen Anstalten weiterentwickeln.

Ich danke allen, die konstruktiv an der Diskussion mitgearbeitet haben, und bitte weiterhin um Ihre aktive Unterstützung. Ich meine, wir legen mit diesem Gesetz für die Bundesmuseen sehr gute Gleise in die Zukunft! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1338 der Beilagen.

Ich bitte, daß jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf stimmen, dies durch ein Zeichen bekunden. – Das Gesetz ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen ist.

Wir stimmen ab über die dem Ausschußbericht 1338 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dieser Entschließung, wie sie dem Ausschußbericht beigedruckt ist, ihre Zustimmung erteilen, sich von den Sitzen erheben. – Ich stelle fest, daß die Entschließung mehrheitlich angenommen ist. (E 135.)

17. Punkt

Bericht des Jusitzausschusses über die Regierungsvorlage (1083 und Zu 1083 der Beilagen): Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (1343 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

22.53

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Auslieferungsvertrag zwischen Österreich und den USA stellt wahrlich ein anspruchsvolles Thema dar. Um das richtig ermessen zu können, muß man auch etwas in die Geschichte dieses Hauses zurückgehen.

Ich habe hier eine Anfrage an den Bundesminister für Justiz, bei welcher schon die Zusammensetzung der Autoren historisch nicht uninteressant ist: Es ist dies eine Anfrage der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt und Dr. Harald Ofner, woran man sehen kann, daß sie schon einige Zeit zurückliegt – aber so lang auch wieder nicht – , sie ist aus dem Jahr 1992 und hatte folgenden Inhalt:

"Der Oberste Gerichtshof der USA hat am 15. Juni 1992 im Falle eines mexikanischen Arztes entschieden, daß die amerikanische Regierung im Ausland befindliche Personen gegen den Willen der dortigen Regierung zum Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung in die USA entführen darf. Der Vorsitzende des Gerichtshofes hat erklärt, eine Entführung sei auch nach dem Auslieferungsvertrag durchaus – ebenso wie Folter – zulässig, weil sie im Vertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen wäre." – Das war nicht 1892, sondern 1992!

Die Anfrage Schmidt, Ofner an den Justizminister hat damals gelautet: "Beinhaltet der" – damalige – "Auslieferungsvertrag zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten ein Verbot von Entführung und Folter? Wie beurteilen Sie den bestehenden Auslieferungsvertrag unter dem Blickwinkel der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten? Halten Sie insbesondere den Schutz österreichischer Staatsbürger vor Entführungen und Folter für gegeben? Werden Sie den Auslieferungsvertrag im Namen der Republik Österreich aufkündigen oder eine Neuverhandlung einleiten: wenn nein, warum nicht?" – 1992 waren Auslieferung und Folter nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes der USA zulässig.

Der Bundesminister für Justiz Michalek – also derselbe wie heute – antwortete wie folgt: "Dieser" – der damalige – "Auslieferungsvertrag enthält ... kein ausdrückliches Verbot der Entführung oder der Folter. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika hat im Fall United States v. Alvarez-Machain im Abstimmungsverhältnis sechs zu drei Stimmen festgestellt, daß auch die gewaltsame Entführung eines Beschuldigten in die Vereinigten Staaten kein Hindernis für die Strafverfolgung dieser Person darstellt. Ein Beschuldigter könne nur dann in den


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Vereinigten Staaten nicht verfolgt werden, wenn der anzuwendende Auslieferungsvertrag verletzt worden wäre. Wenn aber ein Auslieferungsvertrag die gewaltsame Entführung eines Beschuldigten nicht ausdrücklich verbiete, könne das amerikanische Gericht seine Gerichtsbarkeit über den Beschuldigten ausüben. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika habe nur zu beurteilen, ob der anzuwendende Auslieferungsvertrag verletzt worden sei, nicht jedoch, ob durch die gewaltsame Entführung allgemein anerkannte Grundsätze des Völkerrechtes mißachtet worden wären. Auch könnten diese allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts nicht zur Auslegung eines Auslieferungsvertrages herangezogen werden." – Soweit der österreichische Justizminister.

Er kommt zu dem Schluß: "Österreich steht seit dem Jahre 1987 mit den Vereinigten Staaten von Amerika in Verhandlungen zum Abschluß eines neuen Auslieferungsvertrages." – Das ist der, den wir heute zur Behandlung haben.

Weiters heißt es in der Beantwortung – und das ist besonders interessant – : "Von österreichischer Seite wird nunmehr – im Hinblick auf die oben angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten von Amerika – die Aufnahme einer Vertragsbestimmung in den neuen Auslieferungsvertrag verlangt werden, wonach die Entführung eines Beschuldigten durch Gewalt oder List in die Vereinigten Staaten zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung eine Verletzung des Auslieferungsvertrages darstellt." – Soweit das sehr begründete damalige Versprechen von Michalek.

Jetzt haben wir den neuen Vertrag. Und sind Entführung oder Folter nach dem neuen Vertrag ausgeschlossen? – Nein, sie sind nicht ausgeschlossen! Das halte ich für ein unerträgliches Ergebnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ofner, Jung und Genossen zum Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (1083 der Beilagen und Zu 1083 der Beilagen) betreffend Ergänzung des Auslieferungsabkommens

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, anläßlich des Austauschs der Ratifikationsurkunden in einer diplomatischen Note klarzustellen, daß Österreich beim Abschluß des Auslieferungsvertrages davon ausgeht, daß die Vereinigten Staaten von Amerika bei der Auslegung des Auslieferungsvertrages die Normen des Völkerrechtes uneingeschränkt beachten werden."

*****

Das ist ein bescheidener Wunsch.

Daher erlaube ich mir noch die Bemerkung, daß die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA vom Standpunkt des Rechtsstaates her in Wahrheit skandalös ist. Und die Tatsache, daß es uns nicht gelungen ist, die angekündigten Konsequenzen zu ziehen und zu erreichen, daß der neue Vertrag entsprechend adaptiert wird, ist in gewissem Sinne ein Armutszeugnis für die Republik Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Ofner ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Dr. Schwimmer. – Bitte.

22.58

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Nachdem ich Kollegen Ofner jetzt zugehört habe, verstehe ich die Haltung der FPÖ gegenüber den Vereinigten Staaten nicht mehr ganz. (Abg. Dr. Ofner: Wieso?) Kollege Ofner macht den Abschluß eines Vertrages mit den Vereinigten Staaten davon abhängig, daß man die Vereinigten Staaten in einem Notenwechsel dazu auffordert, die Normen des Völkerrechtes uneingeschränkt zu beachten. Als ob Herr Kollege Ofner als Anwalt einen Vertrag mit jemandem anderen nur dann abschließen würde, wenn dieser extra noch einmal erklärt, daß er die Gesetze einhalten wird! (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Kollege Ofner weiß genauso gut wie ich, daß das ein Einzelfall war, keine gesicherte Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten, und im Verhältnis zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten ein solcher Fall überhaupt noch nie vorgekommen ist!

Gleichzeitig lese ich allerdings in der "Washington Post" von gestern, daß der Parteiobmann der FPÖ in die Vereinigten Staaten vernarrt ist, in ihr schwingendes, offenes System und ihre kapitalistische Weisheit. Aber einen Vertrag darf man mit diesem Land nur abschließen, wenn es extra noch einmal erklärt, daß es das Völkerrecht einhält! Ich glaube, absurder geht es einfach nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden diesem Auslieferungsvertrag aus drei guten Gründen zustimmen. (Abg. Scheibner: Sie brauchen uns nicht Unsachlichkeit vorzuwerfen!) Erstens, weil danach sehr klare gegenseitige Auslieferungsverpflichtungen bestehen. Wie wichtig solche Auslieferungsverpflichtungen sind, sehen wir derzeit am Fall Rosenstingl, weil ein solcher Auslieferungsvertrag mit Brasilien nicht besteht. Es ist daher wichtig, einen solchen Auslieferungsvertrag zu haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Zum zweiten, weil in diesem Auslieferungsvertrag klar festgehalten ist, daß Österreich eigene Staatsbürger nicht auszuliefern braucht (Abg. Scheibner: In so einer Rede gibt es von euch anscheinend nur Polemik!), und drittens – das ist meiner Ansicht nach ein besonderer Grund –, weil mit diesem Vertrag ein echter Druchbruch erreicht worden ist.

Jeder kennt die bedauerliche Haltung der Vereinigten Staaten zur Todesstrafe. Ich verurteile die Haltung, die in den Vereinigten Staaten zur Todesstrafe besteht. Der Auslieferungsvertrag stellt klar, daß kein Vertragsstaat verpflichtet ist, eine Auslieferung vorzunehmen, erstens, wenn die Tat mit dem Tode bedroht ist und man nicht auf die Todesstrafe verzichtet (Abg. Jung: Er stimmt zu! Haben Sie geschlafen?), und zweitens, wenn – sofern die Todesstrafe bereits verhängt ist – nicht auf deren Vollziehung verzichtet wird.

Das sind sehr klare Bestimmungen im Einklang mit unserem Menschenrechtsverständnis und im Einklang mit unserer Ablehnung der Todesstrafe. Deshalb bestehen gute Gründe, diesem Vertrag im Hohen Haus zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß der Antrag auf Durchführung einer Debatte im Zusammenhang mit dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der politischen und rechtlichen Verantwortung im BBU-Skandal zurückgezogen worden ist, sodaß die Debatte nicht stattfindet. (Abg. Dr. Khol: Schade!) Wir werden nachher aber sehr wohl über den Antrag abstimmen. (Abg. Schwarzenberger: Jetzt haben wir das Material ganz umsonst gesammelt! – Abg. Dr. Khol: Nicht umsonst, sondern vergebens!)

Jetzt erteile ich Herrn Abgeordneten Heinzl das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.02

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich und die Vereinigten Staaten


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von Amerika haben schon vor langer Zeit – bereits im Jahr 1930 – einen Vertrag geschlossen, auf dem die Auslieferung zwischen diesen Staaten beruht. Ein Zusatzabkommen folgte 1934.

Die Anwendung dieses Auslieferungsvertrages hat jedoch in der Vergangenheit zu Schwierigkeiten geführt. So mußten Beweise, die bereits von den österreichischen Gerichten aufgenommen worden waren, wiederholt werden, um den amerikanischen Formvorschriften zu entsprechen. Diese teilweise komplizierten Formvorschriften des angloamerikanischen Rechts sind unserem europäischen Rechtssystem grundsätzlich fremd. Außerdem konnte mitunter allein schon die Erlangung der Kenntnis der jeweils anzuwendenden Norm eine sehr schwierige Angelegenheit sein.

Seit nunmehr zehn Jahren hat es – oft schwierige – Verhandlungen mit den USA gegeben, um eine Novellierung des Auslieferungsvertrages herbeizuführen. Die Auffassungsunterschiede unserer verschiedenen Rechtskulturen kamen bei diesen Verhandlungen deutlich zutage – dies besonders, sehr geehrte Damen und Herren, in der so wichtigen Frage der Todesstrafe. Gerade diese Frage ist für mich als Sozialdemokrat eindeutig zu beantworten: Ich lehne die Todesstrafe grundsätzlich ab und bin der Ansicht, daß sie ein absolut ungeeignetes, vor allem aber unmenschliches Instrument der Strafrechtspolitik ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika sich gerne als führende Demokratie und Hüter der Menschenrechte auf der ganzen Welt darstellen. Mit diesem Bild ist schwer in Einklang zu bringen, daß es in den meisten Staaten der USA die Todesstrafe nicht nur gibt, sondern daß sie in einem sehr hohen Ausmaß ausgesprochen und leider auch, wie wir wissen, vollstreckt wird. Es stimmt mich deshalb sehr nachdenklich, daß der Widerstand der amerikanischen Gesellschaft gegen diese grausame Strafe relativ schwach ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Urteile werden von Menschen gefällt, und nachweislich gibt es in der Rechtsprechung auch Fehlurteile. Wie tragisch ist es, im nachhinein zu erfahren, daß ein zu Unrecht Verurteilter zur Hinrichtung geführt und getötet wurde! Die Todesstrafe ist auf jeden Fall abzulehnen, weil sie der humanitären Gesinnung einer hochzivilisierten Gesellschaft eindeutig widerspricht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kampf gegen die Todesstrafe ist ein Kampf, der weltweit geführt werden muß und der von uns Österreicherinnen und Österreichern mit allem Einsatz vorangetrieben werden sollte. (Abg. Dr. Khol: Aber nicht um 23 Uhr!) Österreich hat bei diesen Bemühungen in der Vergangenheit schon oft eine Vorreiterrolle eingenommen. Ich möchte hier an die unermüdlichen Aktivitäten des ehemaligen Justizministers Dr. Christian Broda erinnern, der auch für diese Aktivitäten vom Europarat eine hohe Auszeichnung bekommen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts der überaus harten Haltung der USA in der Frage der Todesstrafe ist es ein großer Verhandlungserfolg für Österreich, daß sich die Vereinigten Staaten im vorliegenden Vertrag eindeutig bereiterklärt und verpflichtet haben, bei einer allfälligen Auslieferung durch die Republik Österreich auf die Verhängung und auf die Vollstreckung der Todesstrafe zu verzichten. Wir müssen uns bei allen Verhandlungsteilnehmern unserer Seite bedanken, daß sie in dieser wichtigen und sensiblen Frage ein Ergebnis erzielt haben, das gegenüber dem jetzigen Zustand eine wesentliche Verbesserung darstellt.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ereignisse der jüngsten Zeit haben einmal mehr bewiesen, daß taugliche und in der Praxis geeignete Auslieferungsverfahren für unseren Staat sehr wichtig sein können. Die Wirtschaftskriminalität nimmt bedauerlicherweise immer stärker zu, daher ist es sehr wichtig, daß nunmehr auch fiskalisch strafbare Handlungen wie gewöhnliche Straftaten behandelt werden und ebenfalls der Auslieferung unterliegen.

Nunmehr genügt es, wenn sich aus den Unterlagen die begründete Annahme ergibt, die auszuliefernde Person habe die ihr angelasteten Taten begangen. Der neue Auslieferungsvertrag orientiert sich nämlich weiterhin an den Grundsätzen des europäischen Auslieferungsübereinkommens, dessen Regelungen inzwischen nahezu alle Staaten Europas angenommen haben, sodaß sie in diesen Staaten gelten.


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Hohes Haus! Zusammenfassend darf ich sagen: Der vorliegende Auslieferungsvertrag ist ein bedeutender Fortschritt im Auslieferungsverkehr zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten. Er ist aber auch ein Beleg dafür, daß die österreichische Regierung in der Bekämpfung der Todesstrafe eine konsequente, den Menschenrechten verpflichtete Politik verfolgt. Unser Haus, der Nationalrat, sollte diese Politik mit ganzen Kräften unterstützen! (Beifall bei der SPÖ.)

23.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Redezeit von 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Kiss: Wohltuend, daß es nur 2 Minuten sind!)

23.09

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gott sei Dank gibt es keine Debatte zum StRÄG, denn dafür hätte ich keine Redezeit mehr. Ich bedauere es aber, daß die Strafrechtsänderung nicht kommt – Stichwort: 209.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war als überzeugte Gegnerin der Todesstrafe anfangs sehr skeptisch gegenüber dem Auslieferungsabkommen und hatte vor, ein Zeichen zu setzen und dem nicht zuzustimmen. Ich wurde umgestimmt von den Herren – das muß man in diesem Fall sagen, und nicht "Damen und Herren" – des Ministeriums (Abg. Dr. Fuhrmann: Aber auch von mir!) und auch vom Kollegen Dr. Fuhrmann, daß es ein viel wichtigeres Argument gibt und daß man wesentlich prägnanter mit dem Artikel 8 dieses Auslieferungsabkommens ein Zeichen im Hinblick auf die Ächtung der Todesstrafe in den USA setzen kann.

Zu dem Entschließungsantrag des Kollegen Ofner möchte ich sagen, daß ich nicht ganz verstehe, aus welchem Grund man sich hier darüber so aufregt. Wenn es ein Anliegen ist, dies in der Weise festzuhalten – und seine Interpretation führt dazu –, dann frage ich mich: Wem schadet’s? – Es kann für den Eventualfall nur nützen, sollte dieser Fall – was hoffentlich nie geschehen wird – jemals eintreten. Deshalb werde ich diesem Entschließungsantrag selbstverständlich meine Zustimmung geben.

Zu den anderen Tagesordnungspunkten, meine sehr geehrten Damen und Herren – jetzt ist die Redezeit wirklich zu Ende –: Dem 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz geben die Grünen ihre Zustimmung, auch die anderen, die jetzt nicht mehr hier sind (Abg. Dr. Schwimmer: Das geht aber nicht! Wenn sie nicht mehr da sind, können sie nicht mehr zustimmen!), ebenso dem Übernahmegesetz und auch den beiden Zivilrechtsübereinkommen beziehungsweise dem Vollstreckungsübereinkommen, was ich für ein geradezu selbstverständliche Sache halte, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: Zur Sache!)

Ein allerletztes Wort noch zur Nichtbehandlung der strengeren Bestrafung von sexuellem Kindesmißbrauch. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist wirklich ein Musterbeispiel – dafür ist nicht der Herr Bundesminister verantwortlich, sondern das geht die beiden Regierungsfraktionen an – dafür, wie unfähig die Koalitionsparteien im Parlament sind, in konkreten, inhaltlichen, wesentlichen Dingen tatsächlich zu handeln. (Abg. Dr. Khol: Die Redezeit ist schon lange um!) Und betroffene ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeordnete! Die Redezeit ist zu Ende. Bitte um den Schlußsatz.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Betroffene Gesichter machen diesen Umstand nicht wett. (Beifall bei den Grünen.)

23.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner zum zweiten Mal zu Wort gemeldet, mit einer Redezeit von 1 Minute.

23.12

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Ich habe eine Minute eingespart; jetzt muß ich sie verbrauchen.


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135. Sitzung / Seite 216

Ich lese noch einmal aus der Anfragebeantwortung aus dem Jahr 1992 vor: "Von österreichischer Seite wird nunmehr – im Hinblick auf die oben angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten von Amerika – die Aufnahme einer Vertragsbestimmung in den neuen Auslieferungsvertrag verlangt werden, wonach die Entführung eines Beschuldigten durch Gewalt oder List in die Vereinigten Staaten zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung eine Verletzung des Auslieferungsvertrages darstellt."

Fürwahr ein bescheidener Wunsch und eine selbstverständliche Ankündigung! Die Verwirklichung fehlt leider. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt hat sich Herr Bundesminister Dr. Michalek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

23.13

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte betonen, daß die neue Regelung eine wesentliche Verbesserung gegenüber der derzeitigen Rechtslage im Auslieferungsverkehr zwischen den USA und Österreich mit sich bringt.

Weil die Kann-Bestimmungen des Übereinkommens hinsichtlich der Auslieferung eigener Staatsangehöriger und der Ablehnung der Auslieferung wegen drohender Todesstrafe immer wieder zu Mißverständnissen geführt haben, möchte ich einmal mehr betonen, daß diese Kann-Bestimmungen im internationalen Bereich selbstverständlich ohne Auswirkungen auf die Muß-Bestimmungen im nationalen Bereich sind. Gemäß § 12 ARHG ist die Auslieferung eigener Staatsangehöriger verfassungsrechtlich verboten, und gemäß Artikel 85 B-VG, 6. Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention und letztlich § 20 ARHG ist die Auslieferung bei drohender Todesstrafe unzulässig.

Was die von Herrn Abgeordneten Ofner angesprochene Entschließung anlangt, teile ich grundsätzlich seine Meinung in bezug auf die seinerzeitige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA. Diese ist auch international auf einhellige Ablehnung gestoßen. Sie ist aber vereinzelt geblieben, so etwas hat es in keinem anderen Fall gegeben. (Abg. Dr. Ofner: Herr Bundesminister! Bitte um Nachsicht: Was heißt da "Einzelfall"? – Mir fällt Noriega und Panama ein!)

In den auslieferungsrechtlichen Beziehungen zwischen der Republik Österreich und den USA hat es manchmal verschiedene Meinungen gegeben. Sie wurden immer auf völkerrechtlicher Basis erledigt. Es besteht daher zwischen uns und den USA kein Grund, zu unterstellen, daß sich die USA völkerrechtswidrig verhalten.

Herr Abgeordneter Ofner! Ich glaube, daß es daher nicht wirklich notwendig war, in diesem internationalen Vertrag eine Bestimmung zu erreichen, worin vorgesehen wird, daß an den Fall, daß der Vertragspartner das Völkerrecht dadurch verletzt, daß er eine Entführung aus Österreich vornimmt, eine Rechtsfolge geknüpft ist. Das ist auch in diesem internationalen Vertrag nicht möglich gewesen, und die Alternative hätte nur darin bestanden, gar keinen neuen Vertrag abzuschließen. Das hätte uns aber gegenüber der jetzigen Situation in eine bedeutend schlechtere Lage gebracht. Ich bin der Meinung, daß die künftige Rechtslage durchaus von Vorteil ist und auch nicht die Befürchtungen zuläßt, die hier geäußert wurden.

Schon gar nicht wäre es eine sinnvolle Maßnahme, eine Kündigung dieses Vertrages oder des alten Vertrages vorzunehmen. Denn dann gälten zwischen Österreich und den USA nur völkerrechtliche Grundlagen. Dadurch würde nach der Praxis der USA – sie lehnen eine Auslieferung auf der Grundlage der Gegenseitigkeit ab – für Österreich ein völlig unhaltbarer Zustand entstehen, weil damit die USA zu einer Art sicherem Zufluchtsort für in Österreich dem Strafgericht unterliegende Verbrecher werden würden, da eine Auslieferung von den USA nach Österreich überhaupt nicht möglich wäre und da die USA in sehr vielen Fällen die Bestrafung ausländischer Straftaten von ausländischen Staatsbürgern überhaupt ablehnen.

Ich halte daher die mit diesem Vertrag getroffene Lösung für einen Meilenstein und einen Quantensprung in den internationalen Auslieferungsbeziehungen, die hinsichtlich der Regelung der


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135. Sitzung / Seite 217

Todesstrafe ein Vorbild für weitere internationale Auslieferungsabkommen mit Ländern, die noch immer die Todesstrafe kennen, sein wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Grünen.)

23.17


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135. Sitzung / Seite 218

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Diese Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstattung wünscht kein Schlußwort.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 1083 und Zu 1083 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Genehmigungserteilung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung erfolgt mehrheitlich.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen betreffend Ergänzung des Auslieferungsabkommens.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

18. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1203 der Beilagen): 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG (1344 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir beginnen die Debatte mit einem Beitrag des Abgeordneten Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten.

23.18

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Euro-Justiz-Begleitgesetz weist sicherlich einige Vorteile und einige Positiva auf, so die Einführung der Stückaktien ohne Nennwert beziehungsweise den Verzicht auf Gerichtsgebühren und Notariatskosten während der Umstellungsphase. Es hat aber auch einige Nachteile. Darauf möchte ich in aller Kürze hinweisen.

Problematisch scheint mir § 1 zu sein, in dem die Ersetzung des Diskont- und Lombardzinssatzes durch einen Basiszinssatz, den man noch nicht genau kennt und der noch nicht genau definiert ist, vorgesehen ist. Dazu bedarf es einer Verordnungsermächtigung, die im nachhinein wieder abgeändert werden müßte. Ich halte das in der Durchführung und auch rechtspolitisch für problematisch.

Ähnliches gilt für eine Reihe weiterer Bestimmungen wie beispielsweise den § 5. Darin zeigt sich, daß sich die Banken wieder einmal durchgesetzt haben, denn es sind hinsichtlich der Eintragung ins Grundbuch neben Krediten in Euro oder Schilling zwar auch Schweizer-Franken-Kredite erlaubt, nicht aber solche in Yen, Dollar und so weiter. Das ist schlichtweg ein schlechter Kompromiß, dem wir nicht die Zustimmung geben können.

Weitere Bestimmungen zu kritisieren, würde jetzt zu weit führen, da ich leider nicht mehr genug Redezeit habe. Daher kurzum: Wir werden dieser Vorlage nicht die Zustimmung geben, und ich ersuche dafür um Verständnis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. (Abg. Dr. Khol: 3!)

23.20

Abgeordneter Mag.Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einführung des Euro erfordert noch Anpassungen im Justizbereich. Diese Anpassungen betreffen vor allem das Gesellschaftsrecht, aber auch Klarstellungen im Zusammenhang mit dem Grundbuch. Interessant ist die Einführung von nennwertlosen Aktien im österreichischen Aktiengesetz, die zwar durch die Euro-Umstellung nicht bedingt, aber doch veranlaßt ist.

Festzuhalten ist jedenfalls: Da dies keine Währungsreform, sondern eine Währungsumstellung bedeutet, ändert sich nichts an der Wirksamkeit von Verträgen und Rechtsinstrumenten.

Herr Kollege Firlinger! Ich meine, der Rechssicherheit dient vor allem auch die Bestimmung über die Ersetzung des Diskontsatzes, auf den sich heute viele Verträge, aber auch Verordnungen beziehen, durch den Basiszinssatz. Der Bürger kann dadurch sicher sein, daß die Umstellung keinen inhaltlichen Einfluß auf seine Rechtsverhältnisse bedeutet.

Ich freue mich besonders darüber, daß es gelungen ist, für die Problematik der doppelten Preisauszeichnung während der Übergangsfrist eine Lösung mit Augenmaß zu finden. Unternehmer sind angehalten, bei Langzeitverträgen die Verbraucher entsprechend zu informieren. Tun sie das, dann genügt eine Angabe von Schilling und Euro nur noch im Endbetrag. Diese Vorgangsweise kann auch als Vorbild für andere Bereiche dienen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorgesehenen Regelungen des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes versetzen den Justizbereich in die Lage, wohlvorbereitet in die Umstellungsphase einzutreten. Dieses Gesetz bringt aber auch die Sicherheit für den Bürger, daß seine Rechtsverhältnisse durch die Währungsumstellung nicht beeinträchtigt sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anna Huber. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.22

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist erklärtes und wesentliches Ziel der Bundesregierung, daß es durch die Einführung des Euro zu keiner Veränderung der Wertverhältnisse kommen darf.

Wir schaffen mit dem 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz alle entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen im Gesellschaftsrecht und im Handelsrecht. Wie hier schon gesagt worden ist, soll es möglich sein, Kapitalgesellschaften in Euro zu gründen und Bilanzen in Euro abzufassen. Wir schaffen Voraussetzungen im Aktienrecht auch für Kapitalerhöhungen und für die Ausgabe von nennwertlosen Aktien. Weiters schaffen wir die nötigen Voraussetzungen für Grundbucheintragungen.

Insbesondere aber – das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Bereich – stellt diese Währungsumstellung eine gewaltige Veränderung für Verbraucherinnen und Verbraucher dar. Wir alle werden uns an die neue Währung, vor allem an die neuen Größenordnungen, gewöhnen müssen und mit ihnen umzugehen haben. Daher verlangen die Konsumentenschützer für den Umrechnungszeitraum – zumindest drei Monate vor und während des Umstellungszeitraumes – die doppelte Preisauszeichnung, damit die Konsumenten und Konsumentinnen die neuen Großenverhältnisse sozusagen verinnerlichen oder ins Gefühl bekommen.

Ich denke, es geht um doppelte Preisauszeichnung für alle Waren, nicht nur für den kleinen Teil, den ich sehe, wenn ich mir den allumfassenden Ausnahmenkatalog der Wirtschaft anschaue. Das gilt selbstverständlich ganz besonders für Verträge, die im Übergangszeitraum abge


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135. Sitzung / Seite 219

schlossen werden und über den 31. Dezember 2001 hinaus Gültigkeit haben. Denn gerade dort, wo es um längerfristige Bindungen des Konsumenten geht, sind Verträge bereits ab 1. Jänner 1999 verpflichtend in Schilling und Euro abzufassen. Beispiele dafür sind Mietverträge, Ratenkäufe oder Abonnements.

Es geht dabei um Transparenz und um Vergleichsmöglichkeiten. Wir verstehen uns wohl alle hier in diesem Haus darauf, daß die Euro-Umstellung nicht zu versteckten Preiserhöhungen führen darf. Wir müssen daher den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit des Vergleichs und der Kontrolle geben.

Ich denke, daß Rechtssicherheit bei der Währungsumstellung insgesamt einen transparenten, einfacheren und verständlicheren Übergang zur neuen Währung sichert und damit das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher zum Euro stärken wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt hat sich der Herr Bundesminister für Justiz zu Wort gemeldet. – Bitte.

23.25

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Euro-Einführung erfordert auch im Justizbereich eine Reihe von Veränderungen, so im Justizverwaltungsbereich Vorkehrungen zur Anpassung der IT-Struktur, Formularienwesen, Gerichtsgebühren, Gebühren- und Kostenrecht.

An die 100 Rechtsvorschriften werden zu adaptieren sein. Im wesentlichen handelt es sich dabei um die Ersetzung von Schilling-Beträgen durch Euro-Beträge. Dies wird erst im Jahr 2001 – mit Wirkung zum 1. Jänner 2002 – erfolgen. In einigen Belangen empfiehlt es sich aber, bereits für den Beginn der Währungsunion, also mit 1. Jänner nächsten Jahres, zivilrechtliche Begleitbestimmungen vorzusehen.

Der Schwerpunkt liegt im Gesellschafts- und Handelsrecht, insbesondere in der Einführung der Euro-Rechnungslegung und der Kapitalausstattung der Kapitalgesellschaften in Euro. Diese Entscheidungen werden aber den Unternehmen nicht etwa aufoktroyiert, sondern es gilt für den Übergangszeitraum das Prinzip, das überall in der EU gilt: kein Zwang, aber auch keine Behinderung.

Ich denke, daß die vorgesehenen gesetzlichen Rahmenbedingungen insgesamt dazu beitragen werden, der österreichischen Wirtschaft die erforderliche Bewältigung der Herausforderungen des europäischen Binnenmarktes zu erleichtern und ebenso die in der Bevölkerung auch anzutreffende Angst vor dem unbekannten Euro zu zerstreuen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1344 der Beilagen.

Dieser Entwurf enthält Verfassungsbestimmungen. Es ist daher zunächst festzustellen – ich habe das jetzt ausdrücklich noch einmal geprüft –, daß das erforderliche Quorum gegeben ist und die Hälfte der Abgeordneten hier anwesend ist.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.


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Ich stelle ausdrücklich fest, daß das verfassungsrechtliche Quorum der Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen vorhanden ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung dem Entwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit  – und zwar mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Quorum – angenommen.

19. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1276 der Beilagen): Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz – ÜbG) sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 (1345 der Beilagen)

20. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 134/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Bundesgesetz über Aktiengesellschaften sowie das Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften geändert werden (1346 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen jetzt zu den Punkten 19 und 20 der Tagesordnung.

Die Debatte darüber wird unter einem durchgeführt. (Abg. Mag. Stoisits  – in Richtung von Abgeordneten in ihrer Umgebung –: Ich habe es satt, mich von Ihnen beschimpfen zu lassen!)

Meine Damen und Herren! Was ist denn los? (Abg. Mag. Stoisits: Ich habe es satt, daß ich mich hier von den Kollegen beschimpfen lasse!) Meine Damen und Herren! Wir werden doch in der Lage sein ... (Abg. Mag. Stoisits: Weder von der SPÖ noch von der ÖVP muß ich mir das gefallen lassen! – Abg. Leikam: Es wurde die Frage gestellt, ob es da nur eine Abgeordnete gibt! – Weitere Zwischenrufe.)

Frau Kollegin Stoisits! Ich habe das jetzt nicht mitbekommen, aber wir werden doch den Rest der heutigen Sitzung auch noch einigermaßen geordnet über die Bühne bringen.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht begehrt.

Meine Damen und Herren! Wir beginnen jetzt mit der Debatte.

Ich erteile Mag. Firlinger als erstem Redner das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.30

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Schaffung eines tauglichen Übernahmegesetzes ist eine längst fällige Maßnahme. Ich hätte mir allerdings erwartet, daß man bei dieser Materie zu einem etwas tauglicheren Kompromiß gelangt!

Ich gebe zu, daß die Abänderungen, die in letzter Minute noch vorgenommen wurden, qualitative Verbesserungen gebracht haben. Aber in zwei Punkten bleibt die Vorlage doch relativ stark hinter den Erwartungen zurück.

Erstens: Ich glaube, es wäre im Sinne der Gleichberechtigung gut, wenn alle Aktionäre gleich behandelt werden. Daher soll es aus unserer Sicht keinen Abschlag bei Vorliegen eines beherrschenden Beteiligungsverhältnisses geben.


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Zweitens: Die Bestellung der Übernahmekommission, die nach den Vorschlägen der Regierung teilweise paritätisch aus Mitgliedern der Arbeiterkammer und aus Mitgliedern der Wirtschaftskammer vorgenommen wird, halte ich schlichtweg für eine Zumutung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das ist kein international übliches Bestellungsverfahren! Daher gestatten Sie mir, folgenden Abänderungsantrag einzubringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger, Dr. Ofner und Kollegen zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz – ÜbG) sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 (1276 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1345 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. In Art. I § 26 Abs. 1 wird die Wortfolge "um höchstens 15 von Hundert" durch "nicht" ersetzt.

2. Art. I § 27 Abs. 1 Z 2 entfällt; Z 3 erhält die Bezeichnung "2". In Art. I § 27 Abs. 3 entfallen die Worte "und 2" und die Worte "oder der Abschlag nach Abs. 1 Z 2".

3. Art. I § 28 Abs. 2 lautet:

"(2) Die Übernahmekommission besteht aus

1. dem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern des Vorsitzenden,

2. drei Mitgliedern, die Richter sein müssen,

3. fünf weiteren Mitgliedern.

Die Mitglieder müssen über die erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet des Kapitalmarkt- und Wertpapierwesens, des Gesellschaftsrechts oder der Unternehmensbewertung verfügen. Der Bundesminister für Justiz hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung den Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und die übrigen Mitglieder zu bestellen. Im Ausschreibungsverfahren sind international anerkannte Experten beizuziehen und ein öffentliches Hearing durchzuführen."

4. In Art. I § 28 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

"(2a) Der Übernahmekommission gehört weiters der Leiter der Bundeswertpapieraufsicht als Mitglied mit allen Rechten und Pflichten an. Kraft seines Amtes unterliegt der Leiter der Bundeswertpapieraufsicht nicht den Bestellungsmodalitäten gemäß § 28 Abs. 2, sondern ist vom Bundesminister für Justiz für die gesamte Dauer seines Amtes zu bestellen."

5. Art. I § 28 Abs. 3 zweiter Satz lautet:

"Wenn in diesem Bundesgesetz nichts anderes vorgesehen ist, entscheidet die Übernahmekommission in Senaten von vier Mitgliedern, wobei jedem Senat ein Mitglied aus den in Abs. 2 Z 1 bis 3 genannten Gruppen sowie der Leiter der Bundeswertpapieraufsicht angehören muß."

*****

Meine Damen und Herren! Wenn Sie wirklich ein taugliches Übernahmerecht wollen, dann ersuche ich Sie höflich, diesen Antrag zu unterstützen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.34


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Der Abänderungsantrag, den Abgeordneter Mag. Firlinger vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsmäßig überreicht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

23.34

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs den Wunsch äußern, daß es den Fraktionen im Rahmen der Zeiteinteilung der Debatten einmal gelingen möge, daß die Justiz ihre Beiträge nicht immer am Ende der Tagesordnung zu liefern hat und dann natürlich unter Zeitdruck steht. Daß es dann schnell gehen soll, ist menschlich verständlich. Es stellen sich jedoch sachlich Probleme, wenn in den letzten Minuten dann kurz zusammengefaßte Statements abgegeben werden müssen.

Ich darf kurz zum Übernahmerecht sagen: Es ist dies ein beispielgebendes Gesetz. Es wurde schon mitgeteilt, daß dieses Gesetz dazu dient, die Verhältnisse des Kapitalmarktes dahin gehend signifikant zu verbessern, daß vertrauenserweckende Maßnahmen für ausländische Anleger gesetzt werden, und zwar für jene, die breitgestreut bei den verschiedenen börsennotierten Unternehmen veranlagen. Das gilt insbesondere für den Bereich der amerikanischen und englischen Pensionsfonds.

Der politische Kern im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Auswirkung ist, daß durch eine derartige Veranlagung eine Alternative zu strategischen Veranlagern geschaffen wird und letztlich auch bewerkstelligt werden kann, daß österreichische Entscheidungen auch in Zukunft innerhalb Österreichs fallen, weil derartige Fonds hinsichtlich der Einflußnahme auf Unternehmen anders agieren als etwa strategische Anleger.

Das Gesetz ist längere Zeit hindurch diskutiert worden, und es wurden verschiedene Varianten gefunden. Letztlich ist meiner Ansicht nach auch positiv, daß es – unter Anführungszeichen – "abgespeckt" wurde, und zwar in der Form, daß auch die organisatorischen Strukturen – ursprünglich hat es eine Kommission und eine Behörde gegeben – zusammengelegt wurden. Es gibt jetzt eine Behörde, die für ein relativ breites Spektrum zuständig ist und im Hinblick auf die Verpflichtungen, die vorgesehen sind, eine größtmögliche Durchsichtigkeit bei derartigen Vorgängen, und zwar sowohl bei freiwilligen öffentlichen Übernahmsangeboten als auch bei den Pflichtangeboten, gewährleistet.

Ich glaube daher, daß dies ein signifikanter Schritt in die richtige Richtung ist. Auch der Umstand, daß letztlich eine Verordnungsermächtigung vorgesehen wird, die es der Kommission ermöglicht, die einzelnen Kriterien nach Maßgabe des Rahmens, der im Gesetz vorgegeben ist, zu bestimmen, wird sicherlich dazu dienen, Qualität in dem Sinne zu schaffen, daß jeweils auf den Einzelfall anwendbare Regelungen vorliegen.

In diesem Sinne möchte ich abschließend den Damen und Herren des Justizministeriums, auch Herrn Professor Doralt, der uns lange Zeit unterstützt hat, für die wirklich großartige Mitwirkung danken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krüger. – Herr Abgeordneter, für Sie verbleibt noch eine Redezeit von 1 Minute.

23.37

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Kritik, die ich in der Arbeitsgruppe gegen die Bestimmungen der Pflichtangebote erhoben habe, auch hier kundtun: Pflichtangebote sind bekanntlich dann zu stellen, wenn eine kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft erworben werden soll. Meine Kritik richtet sich gegen die Tatsache, daß der Gesetzgeber es mißachtet hat, die Voraussetzungen festzulegen, unter welchen eine kontrollierende Beteiligung möglich ist. So wird das


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135. Sitzung / Seite 223

heiße Eisen in Form einer Verordnungsermächtigung an eine Übernahmekommission weitergeleitet. Das ist meines Erachtens ein legistischer Fehlgriff!

Vielmehr sollte sich der Gesetzgeber dazu durchringen, die Voraussetzungen, unter denen eine kontrollierende Beteiligung vorliegt, zu determinieren, und die Übernahmekommission sollte im Einzelfall entscheiden, ob diese kontrollierende Beteiligung tatsächlich erworben wird oder nicht. Denn wir wissen von den Syndikatsverträgen et cetera, daß unter besonderen Umständen Pflichtangebote zu stellen sind, da beherrschende Einflüsse vorliegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

23.38

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine werten Kollegen! Es ist eine Verhöhnung des Parlaments, wenn man uns bis Mitternacht hier festnagelt und selbst nicht anwesend ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Daß um 15 Uhr ein Spektakel abgehalten wird und man anschließend nach Hause geht, das waren wir bisher immer nur von Herrn Haider gewohnt. Jetzt tun das aber auch das Liberale Forum und die grüne Fraktion! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Frau Kollegin Stoisits! Ich ersuche Sie, Ihre abwesenden Kollegen über den berechtigten Unmut der im Hause anwesenden Kollegen zu informieren. Ich schlage vor, daß wir Sonderaktionen in Hinkunft an den Schluß der Tagesordnung setzen! (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zum Übernahmerecht: Ich bin froh, daß wir jetzt eine gesetzliche Regelung geschaffen haben. Das ist vorbildlich! In Deutschland und England gibt es keine solche gesetzliche Regelung. Und ich bin auch froh, daß wir ein transparentes und faires Verfahren durch die Übernahmekommission bekommen. Diese wird nämlich flexibler reagieren können, als wenn wir alles starr im Gesetz festgelegt hätten. Ich gehe davon aus, daß die Kriterien mit einem festen Prozentsatz um 30 Prozent festgelegt werden, und ich glaube auch, daß die weiteren Kriterien, die die Übernahmekommission fixieren wird, den österreichischen Verhältnissen besser angepaßt sind, als wenn der Gesetzgeber diesbezüglich starr vorgegangen wäre.

Mit diesem Gesetz haben wir eine vorbildliche Regelung, auch gemessen am EU-Standard, getroffen. Daher hoffe ich, Herr Minister, daß unser Gesetz Vorbild für eine EU-Richtlinie werden wird! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte.

23.41

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch auf die Gefahr hin, daß ich mir aufgrund der späten Stunde Unmut zuziehe, möchte ich Sie zu diesem Tagesordnungspunkt um ein wenig Aufmerksamkeit bitten.

Ich meine, daß dieses Gesetz ein Meilenstein in der Entwicklung des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtes ist und daß wir gemeinsam mit dem an das EU-Recht angepaßten Aktiengesetz, dem Wertpapieraufsichtsgesetz und dem jüngst novellierten Börsegesetz nun wirklich moderne gesellschaftsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen haben, die den Bedürfnissen der Investoren nach Sicherheit und Fairneß entsprechen und damit eine Kapitalaufbringung für österreichische Unternehmen fördern und erleichtern.

Auch ich möchte von dieser Stelle aus Herrn Professor Doralt für die unendliche Unterstützung, die er uns dabei gegeben hat, danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die allgemeinen Spielregeln, daß in Zukunft alle Übernahmeangebote nach fairen Verhältnissen ablaufen sollen, waren wenig umstritten. Kontroversiell diskutiert wurden hingegen sehr lange


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135. Sitzung / Seite 224

die heute schon angesprochenen beiden Punkte im Zusammenhang mit den Pflichtangeboten, nämlich: Wann liegt eine kontrollierende Beteiligung vor, und zu welchem Preis hat die Abtretung zu erfolgen? – Ich glaube, daß es durchaus gerechtfertigt ist, die doch sehr nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilende Frage, wann eine kontrollierende Beteiligung, ein beherrschender Einfluß vorliegt, einer Regelung durch Verordnung zu überlassen, da diesfalls viel flexibler reagiert werden kann.

Betreffend den Preis ging es im wesentlichen darum, ob am sogenannten Kontrollbonus oder Paketzuschlag auch die Minderheitsaktionäre zu beteiligen sind. Diesbezüglich ist ein Kompromiß zwischen den Interessen der Minderheitsaktionäre auf der einen Seite, aber auch den Interessen der in österreichischen Aktiengesellschaften häufig zu findenden Mehrheits- oder zumindest Kernaktionären, insbesondere solchen, die ihre Beteiligung mit einem Paketzuschlag selbst erworben haben, zustande gekommen.

Der Abschlag von 15 Prozent ist nicht zwingend. In der Satzung kann dieser Abschlag verringert oder ganz beseitigt werden. Es wird in diesem Zusammenhang daher durchaus zu einem "Wettbewerb der Satzungen" kommen.

Das vorliegende Übernahmegesetz wird Österreich – das möchte ich wirklich betonen – in das Spitzenfeld der europäischen Staaten mit einem ausgewogenen und ausgefeilten Übernahmerecht reihen. Der Schritt hat auch europarechtliche Bedeutung: Vor dem Hintergrund dieses Übernahmegesetzes können wir während unserer Präsidentschaft glaubwürdiger als ohne nationale Regelung die Verhandlungen zum Vorschlag einer Übernahmerichtlinie weiterführen. Auch wenn es sich dabei um eine Rahmenrichtlinie handelt, wird sie einen gewissen Anpassungsbedarf auslösen, was wir aber bewußt in Kauf nehmen und was der erstmaligen Einführung eines Übernahmerechts in Österreich in der vorgeschlagenen Form keinen Abbruch tun soll. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung ist nicht verlangt worden.

Wir treten daher in den Abstimmungsvorgang ein.

Wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1345 der Beilagen. Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen einen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag eingebracht. Ich werde daher zunächst über jene Teile des Entwurfes abstimmen lassen, die von dem Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag betroffen sind, und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art I § 26 Abs. 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer zustimmt, der möge ein Zeichen geben. – Die Fassung des Ausschußberichtes ist mehrheitlich angenommen worden.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. I § 27 gestellt.


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135. Sitzung / Seite 225

Wer diesem Abänderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse jetzt über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen geben. – Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen worden.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. I § 28 Abs. 2 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über diesen Teil des Entwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen worden.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung eines neuen Abs. 2a in Art. I § 28 eingebracht.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. I § 28 Abs. 3 zweiter Satz eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt worden.

Ich lasse jetzt über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen worden.

Wir stimmen jetzt über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dem zustimmt, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, mögen ein Zeichen geben. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1346 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die Kenntnisnahme dieses Berichtes erfolgte mehrheitlich.

21. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1232 der Beilagen): Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Über


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135. Sitzung / Seite 226

einkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof und

über die Regierungsvorlage (1231 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (1347 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Mir liegen keine Wortmeldungen vor.

Ein Schlußwort wird von seiten des Berichterstatters nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 1232 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dem zustimmt, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Diese Genehmigung wird einstimmig erteilt. Ich stelle die einstimmige Beschlußfassung fest.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Art. 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, daß dieses Übereinkommen hinsichtlich seiner dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, irischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen, spanischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen ist, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Wer für diesen Antrag ist, möge ein Zeichen geben. – Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1231 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

22. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1285 der Beilagen): Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, des Übereinkommens über den Bei


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135. Sitzung / Seite 227

tritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik samt Erklärung der Republik Österreich zu Artikel IV Absatz 2 des Protokolls zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (1348 der Beilagen)


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135. Sitzung / Seite 228

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Wir kommen jetzt zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ein Schlußwort der Berichterstattung findet nicht statt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 1285 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Genehmigungserteilung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Genehmigung wurde einstimmig erteilt: Einstimmige Annahme.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Art. 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, daß dieses Übereinkommen hinsichtlich seiner dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, irischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen und spanischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen ist, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme aufliegen.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der politischen und rechtlichen Verantwortung im "BBU-Skandal".

Der Antrag ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Gaugg, Dolinschek und Kollegen betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur Aufklärung der politischen und rechtlichen Verantwortung im "BBU-Skandal"

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung der dubiosen Verflechtungen zwischen Politik und den Firmen ÖBAG, BBU, ABRG und ÖKK im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Liquidation und der geplanten Sanierung des ehemaligen BBU-Standortes Arnoldstein wird zwecks Beleuchtung der politischen und rechtlichen Verantwortung, besonders im Zusammenhang mit dem Verkauf der BBU-Zinkhütte, und Aufklärung der daraus resultierenden finanziellen Schädigung des Bundes sowie der Umweltbeeinträchtigungen ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ : 5 ÖVP :  4 FPÖ : 1 LIF : 1 Grüne besteht."

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wie ich bereits vorhin verkündet habe, wurde das Verlangen auf Durchführung einer Debatte wieder zurückgezogen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich gebe bekannt, daß im Sinne des § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung verlangt wurde, daß bei dieser Abstimmung die Für- und Gegenstimmen ausgezählt und bekanntgegeben werden.

Ich bitte daher, die Plätze einzunehmen. Weiters bitte ich die beiden Schriftführerinnen Reitsamer und Parfuss, an meine Seite zu kommen und mich bei der Auszählung zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt: Es wurden 19 Fürstimmen und 106 Gegenstimmen abgegeben. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 840/A bis 844/A eingebracht wurden. Ferner sind die Anfragen 4676/J bis 4701/J eingelangt.

Feststellung betreffend Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich stelle fest, daß Abgeordneter Rosenstingl zu dieser Sitzung nicht erschienen ist.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Freitag, den 17. Juli 1998, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 23.57 Uhr