Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 136. Sitzung / 64

Viertens: Man muß beim Neubau der Infrastruktur ausschließlich - ich betone: ausschließlich, Herr Bundesminister! - den öffentlichen Verkehr stärken und ausbauen und darf nicht mehr den Individualverkehr fördern. Solange unfaire Spielregeln angewendet werden - und dies ist der Fall - und beide Infrastrukturen in gleichem Maße ausgebaut werden, so lange geschieht folgendes: daß ganz klar nur der Straßenverkehr davon einen Vorteil hat und auf der Bahn, auch wenn man dort investiert, keine Vorteile lukriert werden können. Das ergibt sich aufgrund der Spielregeln fast wie ein Naturgesetz.

Aber die Bundesregierung reagiert nicht in der erforderlichen Art und Weise. Es gab einen kurzen Knick in der diesbezüglichen Scherenkurve: Das war die Einführung des Straßenverkehrsbeitrages. Doch seither ist das Gegenteil passiert - Sie können es an den Statistiken ablesen (die Rednerin zeigt eine Graphik vor) -: Zu Beginn der sechziger Jahre erfolgten 85 Prozent des Verkehrs auf der Schiene. Jetzt finden 75 Prozent des Verkehrs auf der Straße statt. Aber das ist auf kein Naturgesetz, das da seine Wirkung gezeitigt hätte, zurückzuführen, sondern auf das politische Versagen dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen.)

Nun auch ein Wort an die Adresse der Freiheitlichen. Es ist schon klar, daß die Verkehrspolitik auf der Bundesebene von der Bundesregierung gemacht wird, aber einen gewissen Anteil an dieser Entwicklung hat wohl auch der FPÖ-Landesrat in Sachen Verkehr in Tirol, und auch er hat seine Möglichkeiten nicht zur Gänze ausgeschöpft.

Es hat von dieser Stelle aus einer meiner Vorredner behauptet, man könne dieses Problem - vor allem, was die Belastung der Bevölkerung betrifft - einerseits durch bauliche Maßnahmen in den Griff bekommen und andererseits dadurch, daß man die Kosten, die verursacht werden, auf Mauten umlegt. Dazu muß ich sagen: Das halte ich wohl für einen völlig verkehrten Ansatz! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Smolle und Hans Helmut Moser.)

Das Problem des ausufernden Straßenverkehrs ist nicht technologisch, sondern nur politisch lösbar. Doch dazu braucht es Mut, und diesen haben Sie offenbar nicht. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und des Abg. Hans Helmut Moser.)

Noch etwas, Herr Bundesminister: Als Österreich vor dem EU-Referendum stand, haben Vertreter der Regierungsparteien hoch und heilig versprochen, daß die Umweltstandards nicht angetastet werden. Ich glaube, daß diese Graphik (die Rednerin zeigt eine Graphik vor) eindeutig beweist, daß das Gegenteil eingetreten ist: Damals gab es eine Belastung von etwa 70 000 S pro schwerem LKW und Jahr. Das ist auf etwa ein Viertel heruntergegangen. Da kann man wohl nicht von gleichen Umweltstandards reden.

Was haben Sie seither getan? - Der einzige Staat in Europa, in welchem die Bevölkerung mit einem Referendum begonnen hat, eine wirklich effiziente Verkehrspolitik einzuleiten, ist die Schweiz. Aber sie hat Österreich nicht als Verbündeten, sondern als erbitterten Gegner in Brüssel. Die Schweizer Bevölkerung hat dem Schwerverkehr auf der Straße durch Tonnagenlimits und andere Beschränkungen einen Riegel vorgeschoben, und für den Herbst steht dort auch ein Referendum über eine allgemeine, kilometerabhängige Maut bevor.

Wie sieht, Herr Bundesminister, das Verhalten der österreichischen Bundesregierung in Brüssel aus? - Der einzige Stehsatz, den ich immer wieder höre, lautet, daß die Schweiz nicht besser behandelt werden darf.

Was heißt "besser behandelt werden"? Heißt "besser behandelt" höhere Umweltstandards? Soll die Schweiz diese nicht einhalten dürfen? Sollten nicht auch wir für unsere Bevölkerung diese bessere Behandlung beanspruchen?! (Beifall bei den Grünen. - Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ist es wirklich die österreichische Linie, dem einzigen Staat, in welchem von der Bevölkerung bereits eine effiziente Gegenstrategie entworfen worden ist, in den Rücken zu fallen? Kann es die österreichische Linie sein, zu sagen, daß im Alpenraum alle auf die schlechteren Limits gedrückt werden müssen?


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