Stenographisches Protokoll

137. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 17. Juli 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

137. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 17. Juli 1998

Dauer der Sitzung

Freitag, 17. Juli 1998: 15.43 – 21.31 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht betreffend Vorbereitung des Antrages auf Mandatsverlust des Abgeordneten Peter Rosenstingl gemäß Art. 141 Abs. 1 B-VG

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum B-KUVG)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 633/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend lohnsummenabhängigen Dienstgeberbeitrag in der Sozialversicherung

5. Punkt: Bericht über den Antrag 265/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 799/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Aussetzen des Antragsprinzipes und rückwirkende Leistungserbringung für alle erworbenen Leistungen des österreichischen Sozialversicherungssystems

7. Punkt: Bericht über den Antrag 474/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Vereinheitlichung aller Pensionsrechte und Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit

8. Punkt: Bericht über den Antrag 682/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend faire Pensionsanpassung – verfassungsrechtlicher Schutz der Pensionen

9. Punkt: Bericht über den Antrag 697/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend dauerhafte Sicherung der Pensionen durch Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell

10. Punkt: Bericht über den Antrag 729/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines einheitlichen, bundesweit gültigen Pensionistenausweises


Nationalrat, XX.GP
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137. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (22. Novelle zum BSVG)

12. Punkt: Bericht über den Antrag 654/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 655/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 539/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Schaffung eines Berufsschutzes für dauernd erwerbsunfähige Bauern und Gewerbetreibende

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum GSVG)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (11. Novelle zum FSVG)

17. Punkt: Strafrechtsänderungsgesetz 1998

18. Punkt: Bericht des Bundesministers für Justiz betreffend Schutz unserer Kinder aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 19. September 1996, E 20-NR/XX. GP

19. Punkt: Bericht über den Antrag 329/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

20. Punkt: Bericht über den Antrag 464/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Maßnahmenpaket zum umfassenden Schutz der Kinder

21. Punkt: Bericht über den Antrag 667/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch BGBl. 1997/I 12 geändert wird

22. Punkt: Bericht über den Antrag 336/A der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird

23. Punkt: Bericht über den Antrag 802/A der Abgeordneten Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird

*****

Nationalrat

Beschluß auf Beendigung der ordentlichen Tagung 1997/98 der XX. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Ende der 137. Sitzung des Nationalrates 103

Schlußworte des Präsidenten Dr. Heinz Fischer 104

Personalien

Verhinderungen 12


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137. Sitzung / Seite 3

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend das Fernbleiben des Abgeordneten Peter Rosenstingl von dieser Sitzung 103

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschußberichte der gesamten Tagesordnung gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung 14

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Dr. Andreas Khol auf Redezeitbeschränkung gemäß § 57 Abs. 5 der Geschäftsordnung 14

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder bezüglich die Auslegung der Geschäftsordnung in Hinblick auf das Verlangen der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen, den Selbständigen Antrag 860/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie dringlich zu behandeln 100

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Dr. Peter Kostelka 100

Mag. Johann Ewald Stadler 100

Antrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 847/A (E) betreffend Bundesstraße B 67 b Eggenberger Gürtel Straße gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 20. Juli 1998 zu setzen 15

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 15

Redner:

Andreas Wabl 101

Dr. Gerhard Kurzmann 102

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 102

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 die Zahl der "für" und "gegen" Stimmenden bekanntzugeben 91

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol zur Geschäftsbehandlung betreffend Stimmauszählung 92

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidenten Dr. Heinz Fischer 103

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls 104

Ausschüsse

Zuweisungen 12

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend Vorbereitung des Antrages auf Mandatsverlust des Abgeordneten Peter Rosenstingl gemäß Artikel

 


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137. Sitzung / Seite 4

141 Abs. 1 B-VG (1380 d. B.) 15

Berichterstatter: Peter Schieder 15

Redner:

Dr. Peter Kostelka 16

Dr. Andreas Khol 17

Dkfm. Holger Bauer 19

Mag. Dr. Heide Schmidt 2


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137. Sitzung / Seite 5

1

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 24

Mag. Thomas Barmüller 27

Karl Öllinger 30

Mag. Karl Schweitzer 31

Karl Smolle 33

Annahme des Antrages auf Mandatsverlust in 1380 d. B. 33

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1234 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG) (1365 d. B.) 33

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1237 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum B-KUVG) (1366 d. B.) 34

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 633/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend lohnsummenabhängigen Dienstgeberbeitrag in der Sozialversicherung (1367 d. B.) 34

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 265/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1368 d. B.) 34

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 799/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Aussetzen des Antragsprinzipes und rückwirkende Leistungserbringung für alle erworbenen Leistungen des österreichischen Sozialversicherungssystems (1369 d. B.) 34

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 474/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Vereinheitlichung aller Pensionsrechte und Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit (1370 d. B.) 34

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 682/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend faire Pensionsanpassung – verfassungsrechtlicher Schutz der Pensionen (1371 d. B.) 34

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 697/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend dauerhafte Sicherung der Pensionen durch Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell (1372 d. B.) 34

 

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 729/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines einheitlichen, bundesweit gültigen Pensionistenausweises (1373 d. B.) 34

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1236 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (22. Novelle zum BSVG) (1374 d. B.) 34

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 654/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1375 d. B.) 35

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 655/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1376 d. B.) 35

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 539/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Schaffung eines Berufsschutzes für dauernd erwerbsunfähige Bauern und Gewerbetreibende (1377 d. B.) 35

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1235 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum GSVG) (1378 d. B.) 35

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1238 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (11. Novelle zum FSVG) (1379 d. B.) 35

Redner:

Mag. Herbert Haupt 35

Annemarie Reitsamer 38

Dr. Volker Kier 40

Dr. Gottfried Feurstein 42

Karl Öllinger 44

Dr. Alois Pumberger 49

Dr. Martina Gredler 50

Dr. Brigitte Povysil 53

Anton Blünegger 54

Bundesministerin Eleonora Hostasch 54

Annahme der Gesetzentwürfe in 1365, 1366, 1374, 1378 und 1379 d. B. 57

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1367, 1368, 1369, 1370, 1371, 1372, 1373, 1375, 1376 und 1377 d. B. 58


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137. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend faire Neuordnung der Rahmenbedingungen für die Erbringung zahnärztlicher Leistungen – Ablehnung 37, 57

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Aufnahme von Erkrankungen des Stützapparates in die Berufskrankheitenliste – Ablehnung 45, 57

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Wochengeldanspruch für freie Dienstnehmerinnen – Ablehnung 47, 57

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Informationspflicht der Sozialversicherungsträger – Ablehnung 48, 58

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1230 d. B.): Strafrechtsänderungsgesetz 1998 (1359 d. B.) 60

18. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Bericht des Bundesministers für Justiz (III-74 d. B.) betreffend Schutz unserer Kinder aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 19. September 1996, E 20-NR/XX. GP (1360 d. B.) 60

19. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 329/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1361 d. B.) 60

20. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 464/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Maßnahmenpaket zum umfassenden Schutz der Kinder (1362 d. B.) 60

21. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 667/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch BGBl. 1997/I 12 geändert wird (1363 d. B.) 60

22. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 336/A der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird (1364 d. B.) 60

Redner:

Dr. Michael Krüger 61

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 63

Mag. Dr. Heide Schmidt 64

Dr. Johannes Jarolim 68

Mag. Terezija Stoisits 69

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 73

Dr. Ilse Mertel 74

Dr. Martin Graf 76

Edeltraud Gatterer 81

Dr. Brigitte Povysil 8


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137. Sitzung / Seite 7

2

Peter Schieder 84

Mag. Reinhard Firlinger 85

Mag. Helmut Kukacka 86

Wolfgang Jung 87


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137. Sitzung / Seite 8

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 89

Annahme des Gesetzentwurfes in 1359 d. B. 93

Kenntnisnahme des Berichtes III-74 d. B. 94

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1361, 1362, 1363 und 1364 d. B. 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie – Ablehnung 79, 94

 

23. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 802/A der Abgeordneten Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (1381 d. B.) 94

Redner:

Dr. Alois Pumberger 94

Dr. Elisabeth Pittermann 96

Theresia Haidlmayr 97

Karl Donabauer 98

Bundesministerin Eleonora Hostasch 98, 99

Dr. Michael Krüger 99

Annahme des Gesetzentwurfes in 1381 d. B. 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln – Ablehnung 97, 100

Eingebracht wurden

Petition 12

Petition der Bauernbund-Jungbauernschaft an die österreichische Bundesregierung und an die Ratspräsidentschaft (Ordnungsnummer 50) (eingebracht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Georg Schwarzenberger)

Anträge der Abgeordneten

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie (860/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits, Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend eine Novellierung des Personenstandsgesetzes (861/A)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Schaffung eines modernen leistungsorientierten Vertragsbedienstetenrechts (862/A) (E)


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137. Sitzung / Seite 9

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (863/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Wochengeldanspruch für freie Dienstnehmerinnen (864/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Informationspflicht der Sozialversicherungsträger (865/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend geschlechterspezifische Gestaltung von Paßformularen (866/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (867/A)

Anfragen der Abgeordneten

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Auflösung der Wasserkombi (4788/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einreiseverweigerung nach Tibet (4789/J)

 

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend rechtswidrige Baubewilligung Oberwaltersdorf (4790/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend private Wachdienste (4791/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Sicherheitsaspekte des Lainzer Tunnels (4792/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeigroßeinsatz zur Überprüfung von Fahrgästen im kommerziellen Interesse der Wiener Stadtwerke Verkehrsbetriebe (4793/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Flugverkehr in Österreich (4794/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Harmonisierungsbedarf im Elektrizitätsbinnenmarkt (4795/J)

Hans Helmut Moser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Informanten der Exekutive im Bereich Drogenfahndung (4796/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Personalsituation in Österreichs Strafanstalten (4797/J)

Franz Morak und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Referenzfilmförderung (4798/J)

Franz Morak und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Fertigstellung des Films "Jedermanns Fest" (4799/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Vergabe von Mobilfunkkonzessionen (4800/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Position des Wissenschaftsministers zur Budgetierung des 5. EU-Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung (4801/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Behinderung des freien Wettbewerbs bei Fahrschulen (4802/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Führerscheinprüfung per Mausklick" (4803/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend nachweisliche Unsinnigkeit von Tierversuchen, belegt durch aktuelle Bestrebungen im Rahmen der Arzneimittelzulassung (Viagra und Thalidomid – Embryopathie/Contergan) (4804/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Evaluierung sowie inhaltliche Ausrichtung der Geschäftspolitik der Bundesimmobiliengesellschaft (4805/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Zulassung von Stoffen und Substanzen, die möglicherweise die Funktion der Atemwege und Atmungsorgane beeinträchtigen können (4806/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Datenklau und Datenmißbrauch/FPÖ (4807/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend maschinenlesbare Zone im Reisepaß (4808/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend österreichische Positionen und Ziele in wirtschaftspolitischer Hinsicht im Rahmen der EU-Präsidentschaft (4809/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Wirtschaftsunterführung der Felbertauern-Bundesstraße im Ortsgebiet von Matrei in Osttirol (4810/J)

Dr. Harald Ofner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend fragwürdige Auslegung des Volksgruppengesetzes bei der Bestellung von Volksgruppenbeiräten durch die Bundesregierung (4811/J)

Johannes Zweytick und Genossen an den Bundeskanzler betreffend parteipolitischen Mißbrauch der BSO durch die SPÖ (4812/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Auswahl neuer Richteramtsanwärter/innen (4813/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend einige Anfragebeantwortungen hinsichtlich der Anfragen 4402/J, 4403/J, 4404/J, 4421/J, 4422/J (4814/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Bezeichnung des "Österreichischen Kameradschaftsbundes" (ÖKB), des "Österreichischen Turnerbundes" (ÖTB), des "Kärntner Heimatdienstes" (KHD) und des Vereins "Dichterstein Offenhausen" als "rechtsextreme Organisationen" beziehungsweise als "rechtsextreme Vorfeldvereine" (4815/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Stranded Investments" der österreichischen Energiewirschaft (4816/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den vom Bundesministerium für Inneres begangenen Rufmord ("Wiederbetätigung" im Sinne des § 3g VerbotsG) an einem Staatsbürger der Republik Österreich und zwei Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland (4817/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Mai 1998 zu 18 Bs 384/97 betreffend das "Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes" (DÖW) (4818/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Mai 1998 zu 18 Bs 384/97 betreffend das "Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes" (DÖW) (4819/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Mai 1998 zu 18 Bs 384/97 betreffend das "Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes" (DÖW) (4820/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Mai 1998 zu 18 Bs


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137. Sitzung / Seite 10

384/97 betreffend das "Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes" (DÖW) (4821/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend finanzgesetzliche Überschreitungsermächtigung für das BMLV durch den Bundesminister für Finanzen (4822/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die angespannte Situation bei den Hubschrauberstaffeln der Fliegerdivision (4823/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Personalaufbietung und die Finanzierung der VOREIN-Verbände (4824/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die zunehmende Gefährdung des Ökosystems "Fluß" durch Kraftwerksbauten (4825/J)

Franz Hums und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend "Naturwaldreservate-Programm" (4826/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend die bedrohliche Situation des Fischbestandes in Fließgewässern – fehlende Abhilfe durch Fischaufstiegshilfen (4827/J)


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137. Sitzung / Seite 11

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhaft einer russischen Staatsbürgerin sowie ihres Kleinkindes (4828/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verwertung von Zufallsergebnissen nach Telephonüberwachung (4829/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verwertung von Zufallsergebnissen nach Telephonüberwachung (4830/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Burschenschaft "Olympia" (4831/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Spitzelakte in der MA 62 (4832/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend polizeiliches Vorgehen gegen den Verein gegen Tierfabriken (VgT) (4833/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Spezialtruppe der Polizei "Soko Jambo" (4834/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend erkennungsdienstliche Behandlung eines Minderjährigen an der Grenze (4835/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Diskriminierung von Ausländer/innen und insbesondere Personen nicht weißer Hautfarbe (4836/J)

 

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Diskriminierung von Ausländer/innen und insbesondere Personen nicht weißer Hautfarbe (4837/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend europäischen "Lastenausgleich" bei Flüchtlingen (4838/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Erhebungen gegen Beamte der MA 62 (4839/J)

*****

Franz Lafer und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend EU-Ratspräsidentschaft (36/JPR)

Karl Öllinger und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Organisierung des Freiheitskommerses vom Parlament aus (37/JPR)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen (4161/AB zu 4486/J)


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137. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 15.43 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die 137. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ing. Nußbaumer, Mag. Peter, Dr. Gabriela Moser, Dr. Haider und Mag. Kammerlander.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung und auf die Ergänzung der Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung und deren Ergänzung haben folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortung: 4161/AB.

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 50 der Bauernbund-Jungbauernschaft an die Österreichische Bundesregierung und an die Ratspräsidentschaft, eingebracht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Georg Schwarzenberger.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 845/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden;

Bautenausschuß:

Antrag 847/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend den Bau der Bundesstraße B 67b, Kalvariengürtel, Kalvarienbrücke – Grabenstraße (Nordspange Graz) in Graz, Steiermark, Aufhebung der Verordnung;

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Antrag 848/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend geschlechtsspezifische Gestaltung von Paßformularen;

Justizausschuß:

Atomhaftungsgesetz 1999 – AtomHG 1999 (1357 der Beilagen);

 


Nationalrat, XX.GP
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137. Sitzung / Seite 13

Verfassungsausschuß:

Antrag 846/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird;

Verkehrsausschuß:

Gesetzesantrag der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen vom 3. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (BGBl. I Nr. 120/1997) geändert wird (1356 der Beilagen),

Antrag 849/A (E) der Abgeordneten Ing. Walter Meischberger und Genossen betreffend Brennermaut.

*****

Zu ergänzen wäre:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 859/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend lohnsummenabhängigen Dienstgeberbeitrag in der Sozialversicherung;

Bautenausschuß:

Antrag 850/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Sicherstellung der Erweiterung der Technischen Universität Wien durch einen Neubau der Fakultät für Maschinenbau;

Verfassungsausschuß:

Antrag 851/A (E) der Abgeordneten Karl Smolle und Genossen betreffend Ratifizierung der Europäischen Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen,

Antrag 852/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird,

Antrag 853/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird,

Antrag 854/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird,

Antrag 856/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird;

Verkehrsausschuß:

Antrag 857/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG 1997), BGBl. I Nr. 120/1997, i. d. F. BGBl. I Nr. 2/1998, geändert wird,

Antrag 858/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Einführung eines Gutpunkteführerscheins.

*****


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137. Sitzung / Seite 14

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Um die Punkte der gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung nun ergänzten Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschußberichte abzusehen.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese Ausschußberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Es ist weiters vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 bis 16 sowie 17 bis 22 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Ich frage, ob dagegen Einwendungen erhoben werden. – Dies ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Abgeordneten Dr. Kostelka und Dr. Khol haben gemäß § 57 Abs. 5 der Geschäftsordnung beantragt, für die Debatte zu allen Tagesordnungspunkten eine Gesamtredezeit von 7 "Wiener Stunden" festzulegen, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, Freiheitliche 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten.

Für diese Beschlußfassung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 860/A (E) der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie dringlich zu behandeln.

Meine Damen und Herren! Über diesen Punkt ist heute in der Präsidiale des längeren diskutiert worden.

Es ergeben sich im Hinblick auf zwei Bestimmungen der Geschäftsordnung Auslegungsprobleme: Es handelt sich hiebei um § 57b Abs. 1 und § 11 Abs. 5. In beiden Bestimmungen wird der Ausdruck "Sitzungstag" verwendet, und der Begriff "Sitzungstag" ist in jeder dieser Bestimmungen für sich schon interpretationswürdig. Darüber hinaus eröffnen sich weitere Interpretationsmöglichkeiten, wenn man beide Bestimmungen gemeinsam betrachtet. Es hat dann nämlich den berechtigten Anschein, als würden hinter dem Wort "Sitzungstag" möglicherweise zwei Begriffe stehen.

Dies ist – wie gesagt – in der Präsidiale eingehend erörtert worden. Einigkeit besteht auf jeden Fall dahin gehend, daß am heutigen Tag, der – verzeihen Sie diese Banalität! – um 24 Uhr endet, nur ein Dringlicher Antrag beziehungsweise eine Dringliche Anfrage aufgerufen werden kann, sodaß sich das Problem stellt, ob bei Fortdauer dieser Sitzung über null Uhr hinaus am morgigen Tag eine Dringliche Anfrage aufgerufen werden kann.


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137. Sitzung / Seite 15

Dies ist der Punkt, über den keine Einigung erzielt werden konnte. Ich möchte hinzufügen, daß es bisher nicht die Praxis war, daß während ein und derselben Sitzung zwei Dringliche Anfragen nur deswegen zum Aufruf gelangt sind, weil die Sitzung über Mitternacht hinaus angedauert hat. Allerdings meine ich, daß diese Antragsteller, wenn sie einen derartigen Antrag vor dem Hintergrund verschiedener Auslegungen einbringen, aus verschiedenen Gründen in Rechnung stellen, daß dieser Antrag unter Umständen zu einer Zeit – in diesem Fall kann man kaum sagen Tages-, sondern Nachtzeit – aufgerufen wird, die unüblich ist.

Es ist allerdings, wie Sie wissen, ein solcher Antrag gestellt worden. Ich werde diesen Antrag zulassen. Ich weiß, daß dies nicht einem Einvernehmen in der Präsidiale entspricht. Ich verstehe aber dieses Zulassen vor allem auch als einen kräftigen Denkanstoß in folgende Richtung: Einvernehmen ist in der Präsidiale – so sehe ich es jedenfalls – in einem Punkt erzielt worden, nämlich daß die Geschäftsordnung im Hinblick auf die zuerst erwähnten Grundlagen für verschiedene Auslegungen – das hat sich etwa nach längerer Überlegung in der Präsidiale gezeigt – besonders interpretationswürdig beziehungsweise möglicherweise auch novellierungsbedürftig ist.

Diese meine Entscheidung, diesen Dringlichen Antrag zuzulassen, soll absolut keine Präjudizwirkung haben. Es soll dies vielmehr – wie ich schon erwähnt habe – ein Denkanstoß sein.

Ich wiederhole daher: Der Dringliche Antrag käme nur dann zum Aufruf, wenn diese Sitzung über 24 Uhr hinaus andauert. Er kommt nicht zum Aufruf, wenn die Sitzung vor 24 Uhr beendet ist.

Fristsetzungsantrag

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich setze jetzt mit den Mitteilungen fort und teile mit, daß Herr Abgeordneter Wabl beantragt hat, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 847/A (E) betreffend Bundesstraße B 67b Eggenberger Gürtel Straße eine Frist bis 20. Juli 1998 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages unter den zuvor genannten Bedingungen verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluß an diese stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluß dieser Debatte erfolgen.

1. Punkt

Bericht des Hauptausschusses betreffend Vorbereitung des Antrages auf Mandatsverlust des Abgeordneten Peter Rosenstingl gemäß Art. 141 Abs. 1 B-VG (1380 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Herr Abgeordneter Schieder, Sie sind Berichterstatter. Ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte.

Berichterstatter Peter Schieder: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Abgeordneter seines Mandates verlustig gehen kann. Einer ist, daß er 30 Tage ohne einen vom Nationalrat anerkannten triftigen Grund von den Sitzungen des Nationalrates ausgeblieben ist und der nach Ablauf der 30 Tage an ihn öffentlich und im Nationalrat gerichteten Aufforderung des Präsidenten, binnen weiterer 30 Tage zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen, nicht Folge geleistet hat.


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137. Sitzung / Seite 16

Dieser Grund hat nichts mit der Beurteilung strafrechtlicher Aspekte oder mit der Unschuldsvermutung zu tun, sondern bezieht sich lediglich auf die Tatsache der Anwesenheit.

Abgeordneter Rosenstingl ist, wie der Präsident des Nationalrates vor Ende der 118. Sitzung des Nationalrates am 12. Mai feststellte, dieser Sitzung unentschuldigt ferngeblieben, auch den weiteren Sitzungen des Nationalrates am 13., 14., 15., 26., 27. und 28. Mai. Es ist daher in der Folge zu der Aufforderung gekommen, der der Abgeordnete auch nicht Folge geleistet hat.

Aus diesem Grund ist heute der Hauptausschuß zusammengetreten betreffend Vorbereitung des Antrages auf Mandatsverlust des Abgeordneten Peter Rosenstingl gemäß Art. 141 Abs. 1 B-VG und hat einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Beschlußfassung des Antrages zu empfehlen, daß der Verfassungsgerichtshof den Abgeordneten Peter Rosenstingl seines Mandates für verlustig erklären wolle.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Bevor ich nun dem ersten Debattenredner das Wort erteile, ergänze ich meine Mitteilung hinsichtlich der Kurzdebatte: Sollte der Dringliche Antrag aus den vorerwähnten Gründen nicht zum Aufruf kommen, wird das Präsidium selbstverständlich eine geschäftsordnungsgemäße Möglichkeit finden, um die Kurzdebatte durchzuführen.

Herr Klubobmann Dr. Kostelka, nun haben Sie das Wort. – Bitte.

15.52

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir alle haben beim Eintritt in den Nationalrat die gewissenhafte Erfüllung unserer Pflichten gelobt. Abgeordneter Rosenstingl hat diesen Pflichten nicht entsprochen. Er ist 60 Tage lang nicht bereit und nicht in der Lage gewesen, an den Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen, und zwar – wie der Herr Berichterstatter gesagt hat – unter Voraussetzungen, die er selbst zu verantworten hat.

Es ist mir wichtig, in diesem Zusammenhang festzustellen, daß dieses Haus nicht das Mandat eines Abgeordneten zur Disposition stellt, wenn er keinem Klub mehr angehört oder wenn er strafrechtlich verfolgt wird. Es geht nicht um das Infragestellen der Unschuldsvermutung – wir sprechen nicht schuldig –, sondern lediglich darum, daß die Pflichtverletzung durch das Haus zu ahnden ist.

Und in diesem Zusammenhang ist schlicht und einfach festzustellen, daß die zweite 30-Tage-Frist für Herrn Abgeordneten Rosenstingl abläuft. Daher haben wir diesen Antrag zu stellen. Wir hätten ihn auch zu stellen, wenn wir Zweifel daran hätten – was auf mich nicht zutrifft – , wie der Verfassungsgerichtshof entscheiden wird. Denn entscheidend ist letztlich, daß der Tatbestand erfüllt ist, und daher haben diejenigen zu entscheiden, die dazu berufen sind, nämlich die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes.

Meine Damen und Herren! Für Abgeordneten Rosenstingl endet die zweimalige 30-Tage-Frist. Für Herrn Abgeordneten Haider, der heute ohne einen für mich erkennbaren Grund fehlt, beginnt die erste dieser beiden 30-Tage-Fristen, denn eine Pflichtverletzung seinerseits ist allemal festzustellen! (Beifall bei der SPÖ.)

Würde nicht allmählich offenbar werden, daß diese Verhaltensweise bereits zur Praxis wird, könnte man darüber hinweggehen. Aber erinnern Sie sich: Vor genau einem Jahr hat Abgeordneter Haider im Juli ebenfalls bei den Sitzungen gefehlt. Genau vor einem Jahr hat er genau zu dieser Zeit auch Arbeitsverweigerung betrieben. Aber vor genau einem Jahr hat er wenigstens noch den Anstand gehabt, ein Monatsgehalt einem sozialen beziehungsweise karitativen Zweck zuzuführen. Dazu reicht es heute jedoch nicht mehr! Heute wird nur geschwänzt, ohne daß eine entsprechende Erklärung abgegeben wird! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir wissen nicht, was Herr Abgeordneter Haider wirklich tut und wodurch seine Abwesenheit begründet ist. Aber das muß er nicht uns, sondern der Öffentlichkeit erklären! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was in diesem Zusammenhang auch mit aller Deutlichkeit festgestellt werden muß, ist die Tatsache, daß sich die Freiheitliche Partei nicht aus ihrer Verantwortung stehlen kann. Es handelt sich hiebei um das größte Finanzdebakel, das in einem solchen Zusammenhang je zu beobachten war. Es handelt sich um: Veruntreuung von Sparguthaben, Spekulation mit Steuergeldern, Betrug an Wohnungskäufern, Mißbrauch von Wohnbauförderungsmitteln zum Zwecke der Parteienfinanzierung und nachhaltige Verweigerung der Schadenswiedergutmachung, die Sie angekündigt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Der "Konsum" steht jetzt nicht zur Debatte! – Abg. Dr. Krüger: Jetzt reden wir nicht über den "Konsum"!)

Meine Damen und Herren! Derjenige, der dem Verfassungsgerichtshof ebenfalls in mittelbarer Weise Rede und Antwort zu stehen haben wird beziehungsweise über den der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden haben wird, ist von den Freiheitlichen als der "Aufdecker im Bezirk Mödling" affichiert worden. – Für diesen Aufdecker, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion, tragen Sie zumindest die culpa in eligendo, die Schuld bei der Auswahl der betreffenden Person! Sie tragen die Verantwortung für nachgesetzte wochen- und monatelange Versuche der Vertuschung eines Riesenskandals! (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es war ein kläglicher Versuch, Wahrheit zu verbergen!

Ihr Parteivorsitzender Haider wurde das erste Mal 1994 gewarnt, und Haider hat alle Details dieses Skandals gekannt und vertuscht. Sie haben die finanzielle Verantwortung hier zu tragen! Sie haben dafür einzustehen, daß Sie keine Kredite zurückzahlen wollen, obwohl Sie Ihren Konten zugezählt wurden, daß Wohnungskäufer betrogen wurden und daß Rosenstingl die Geschäfte, die er gemacht hat, bei denen er Unschuldige betrogen hat, nur machen konnte, weil er unter dem Anschein der Seriosität Ihres Mandates gehandelt hat.

Meine Damen und Herren! Auch der Schwindel mit der "gläsernen Partei" ist nur zu durchsichtig! Dieser Vertrag, den Sie mit den Bürgern schließen wollen, ist alt, bekannt und im Grunde genommen inhaltsleer! Ein Salzamt wird in Zukunft Schrecken bestenfalls in der eigenen Partei verbreiten, weil Jossek, der sogenannte Bürgeranwalt, den Sie eingesetzt haben, sich, wie er selbst klar gesagt hat, als freiheitliches Urgestein betrachtet! – Unabhängig ist da gar nichts! Gehandelt wird werden, wenn es freiheitlichen Interessen entspricht! (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was zu beobachten und zu konstatieren ist, ist freiheitliche Doppelmoral: Auf der einen Seite wird bezügegesetzliche Genügsamkeit nach außen hin erklärt, auf der anderen Seite erfolgt das Abkassieren durch Stadler über Schimanek bis Rauter. Auf der einen Seite wird erklärt, daß alles besser gemacht wird, auch was die Wohnbauleistungen betrifft, auf der anderen Seite erfolgt der Betrug an Wohnungskäufern der freiheitlichen Wohnungsgenossenschaften. Auf der einen Seite erfolgt die Feststellung, daß man alles aufklären werde, auf der anderen Seite kommt es zu fortgesetzten Vertuschungen. – Ich könnte in diesem Zusammenhang Beispiele noch und noch aufzählen.

Meine Damen und Herren! Rosenstingl wird bald, davon bin ich überzeugt, auf der Anklagebank sitzen – und mit ihm Jörg Haider, der Ziehvater der politischen Unmoral! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Klubobmann Dr. Khol. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

16.00

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Hauptausschuß hat einstimmig den Antrag gestellt, das Plenum des Nationalrates möge beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, Herrn Rosenstingl das Mandat abzuerkennen. – Ich


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glaube, daß es wichtig ist, zu betonen: Wir stellen den Antrag, entscheiden wird jedoch ein unabhängiges Gericht! Das ist richtig so. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr viele Mitbürger fragen sich: Warum ist dieser Abgeordnete eigentlich noch Abgeordneter? Warum dauert all das so lange? Er ist doch geflohen! Die Beschuldigungen sind sehr massiv. In der eigenen Partei, in deren Spitzengremien er vertreten war, bezeichnet man ihn als einen Gauner. Die FPÖ bezeichnet ja Herrn Rosenstingl als einen Gauner! Da fragen sich die Menschen: Warum ist er noch Abgeordneter? (Abg. Böhacker: Sagen Sie keine Halbwahrheiten!) Dann haben Sie gesagt, er sei ein mutmaßlicher Gauner!

Ich habe im Protokoll gelesen, daß gesagt wurde, Herr Rosenstingl sei ein ganz gewöhnlicher Gauner. (Abg. Mag. Stadler: Ein ganz ordinärer Gauner!) Ich persönlich möchte derartige Behauptungen von hier aus nicht treffen, denn bevor ein Gericht darüber nicht entschieden hat, gilt er als unschuldig! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Ein Gauner ist er trotzdem!)

Meine Damen und Herren! Warum muß ein dermaßen mühsames Verfahren durchgeführt werden? – Diese Regelung besteht deswegen, damit einem Abgeordneten nicht willkürlich das Mandat aberkannt werden kann. Denn es kann ja andere Zeiten geben, in welchen keine demokratische Regierung dieses Land beherrscht, und dann könnte jemandem willkürlich das Mandat aberkannt werden. Daher müssen wir jeden einzelnen Fall aufgrund der Umstände beurteilen und klarstellen, daß nicht jede Auslieferungshaft und nicht jede Untersuchungshaft Grund dafür ist, daß jemandem ein Mandat aberkannt wird, sondern daß die Summe der Umstände in jedem einzelnen Fall ausschlaggebend ist. – Im vorliegenden, konkreten Fall begründen sehr konkrete Hinweise den Tatverdacht: wahrscheinlich Flucht ins Ausland und keine Rückkehr, als er entdeckt wurde und die Möglichkeit hatte, zurückzukommen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Es muß die Öffentlichkeit wissen: Bevor Rosenstingl in Auslieferungshaft kam, hat man ihn gefragt: Wollen Sie freiwillig nach Österreich zurück? Er hat gesagt: Nein! Erst dann ist die Haft verhängt worden. Damit ist alles Weitere auf sein eigenes Konto zu buchen, und ich glaube, daß damit auch keine Rechtfertigung seiner Entschuldigung vorliegt.

Ich wiederhole: Wir müssen jeden einzelnen Fall sorgfältig prüfen. Ich glaube, daß beispielsweise eine Untersuchungshaft in Österreich kein Grund dafür wäre, jemandem das Mandat abzuerkennen. Es kommt stets auf die herrschenden Umstände an.

In diesem Fall können wir, wie ich meine, sagen, daß wir sehr sorgfältig vorgegangen sind und die Umstände des Falles Rosenstingl genau geprüft haben. Wir sind auf die Einwände seines rechtskundigen Vertreters – Herr Rosenstingl war durch einen Rechtsanwalt vertreten – eingegangen, wir haben sämtliche Briefe genau gelesen, allen Abgeordneten zugestellt und in der Präsidialkonferenz erörtert. Die Antragsteller haben genau begründet, warum Rosenstingl das Mandat abzuerkennen sei. Ich meine, daß der Antrag sehr wohl begründet ist, und die Volkspartei wird natürlich zustimmen.

Der Fall Rosenstingl hat allerdings weitergehende Dimensionen: Rosenstingl war Klubkassier der Freiheitlichen Partei Österreichs, und es stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, ob man so einfach sagen kann: Er ist ein Gauner, wir schließen ihn aus, wir waschen unsere Hände in Unschuld und haben damit nichts mehr zu tun! Es stellt sich die Frage, ob die entsprechende Sorgfalt bei der Auswahl und bei der Kontrolle dieses Funktionärs gegeben war und ob die FPÖ jene strengen Maßstäbe, mit denen sie alle anderen unerbittlich mißt – die Regierung, andere Parteien, die Verwaltung –, an sich selbst angelegt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Ausmaß der Verstrickung der Spitze der Freiheitlichen Partei Österreichs und der FPÖ Niederösterreich ist noch unklar. Auch diesbezüglich gilt die Unschuldsvermutung. Aber vieles spricht dafür, daß die Behauptungen richtig sind, daß da planmäßig vertuscht wurde. Es ist abzuwarten, was die Gerichtsverfahren diesbezüglich erbringen.


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Klar ist aber jedenfalls – und das kann nicht vertuscht werden – , daß die Freiheitlichen mit öffentlichem Geld nicht korrekt umgehen. Sie haben einen stellvertretenden Klubobmann, der das Klubobmanngehalt nicht bezieht, und sie haben einen Klubobmann, der das Klubobmanngehalt bezieht und nicht da ist. Letzterer ist ein Drittel der Zeit anwesend und zwei Drittel der Zeit abwesend. –
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Das halte ich für nicht korrekt!

Ich weiß nicht, ob es tatsächlich stimmt, aber ich habe gehört, daß Herrn Klubobmann Stadler das Klubobmanngehalt aus Klubmitteln aufgebessert wird. Das würde bedeuten, daß öffentliche Gelder für eine Funktion zweimal bezahlt werden. Dazu möchte ich klar feststellen: Das halte ich für nicht korrekt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich hätte eigentlich erwartet, daß diejenigen, die den späteren Klubkassier Rosenstingl für die politischen Funktionen und für das Mandat vorgeschlagen, ihn schließlich zum Klubkassier gemacht und dann wieder hinausgeworfen haben, nämlich Jörg Haider als Parteiobmann und Ewald Stadler als sein Klubobmann, dafür die Verantwortung übernehmen. Aber nichts dergleichen ist in den vergangenen drei Monaten geschehen. Die politisch wie tatsächlich Verantwortlichen Haider und Stadler hatten nicht den Anstand, sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen und dabei auch einzugestehen, daß sie – Monate vorher gewarnt und informiert – als Mitwisser auch persönliche Verantwortung tragen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer. – Er hat das Wort. (Abg. Dr. Karlsson: Dürfen Sie heute einmal die Kohlen aus dem Feuer holen?)

16.06

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Das ist manchmal so, Frau Kollegin! Das soll manchmal vorkommen! Aber man freut sich auch manchmal darüber!

Hohes Haus! Ich möchte kurz auf die Ausführungen des Herrn Klubobmanns Dr. Khol eingehen, der gemeint hat, daß es auf die Umstände ankommt, ob man nach 30 Tagen des Fehlens im Hohen Hause jemandem sein Mandat aberkennt oder nicht. – Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Das ist genau der wunde Punkt! Das ist genau der Punkt, der mich – ich verfüge über keinen juristisch gebildeten Verstand, aber hoffentlich über etwas Hausverstand – in dieser Sache nachdenklich macht. Was heißt, "es kommt auf die Umstände an"? Herr Kollege Khol hat gemeint – und das halte ich für ein besonders obskures Beispiel –, wenn Herr Abgeordneter XY in Österreich in Haft säße, dann würde man die Dinge anders sehen. – Da frage ich mich schon: Wo liegt der Unterschied, ob er im Ausland oder im Inland einsitzt? Darauf kann es doch wohl nicht ankommen!

Ich will mich als Nichtjurist in diese Materie nicht weiter vertiefen, sage nur, daß ich bei dieser Entscheidung gewisse Bedenken habe. Ich sage aber ganz deutlich dazu, damit es da keine Mißverständnisse oder gewollte Mißinterpretationen geben kann, daß meine Fraktion und auch ich persönlich der Einleitung des Aberkennungsverfahrens die Zustimmung erteilen werden, weil wir uns nicht dem Verdacht aussetzen wollen – den Sie natürlich sofort konstruieren –, daß wir Herrn Rosenstingl in seinem Mandat behalten wollen!

Es ist Ihnen von SPÖ und ÖVP vorbehalten geblieben, solche Dinge aus politischen Gründen, wenn Sie es brauchen, genau andersherum zu sehen und genau andersherum zu handeln, nämlich im Fall des Herren Gratzer in Niederösterreich. Er hat auf sein Mandat ursprünglich verzichtet, dann hat man jedoch die Entscheidung getroffen, daß ein Rücktritt vom Rücktritt möglich ist. Dort sehen Sie es wieder ganz anders! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum sehen Sie es in diesem Fall anders? – Weil Sie sich von einem im Mandat befindlichen ehemaligen FPÖ-Mitglied mehr politisches Kleingeld erhoffen als von jenem, der als Privatmann einem allfälligen Verfahren entgegensieht. Das ist nämlich uninteressant. So schaut es aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind Ihre Beweggründe, immer und jedesmal! Sie wenden und drehen es, wie Sie es brauchen, heute der Gigl, morgen der Gagl. Sie setzen heute den einen Hut auf und übermorgen den anderen, wie es Ihnen in Ihren parteipolitischen Kram paßt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Frage von Rechtsstaatlichkeit, die Frage von Seriosität der Beurteilung einer schwierigen, sensiblen Frage steht nicht als erster Punkt auf Ihrer Liste. Das heißt nicht, daß Sie sich damit nicht beschäftigen. Aber als erster Punkt rangieren Ihr parteipolitisches Verhalten und Ihre parteipolitischen Zielsetzungen.

Herr Kollege Kostelka hat es ja hier wirklich wunderschön zelebriert, worauf es ankommt. Er hat ein, zwei Sätze zur grundsätzlichen Frage verloren, und dann ist er in medias res oder in das, was er unter "medias res" in dieser Sache versteht, gegangen, nämlich die FPÖ und vor allem den Klubobmann der FPÖ, Haider, anzupatzen. (Abg. Fuchs: Kann man nicht, er ist ja nicht da!) Das ist das einzige Ziel des ganzen Unternehmens, warum wir heute diese Causa prima der Republik als ersten Tagesordnungspunkt jetzt verhandeln müssen und über die Kinderpornographie nach Mitternacht reden werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist der wahre Grund: Damit über diese Geschichte noch geschrieben und berichtet werden kann, so wie wir das (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Fuchs )  – natürlich, Frau Kollegin Fuchs, natürlich! – ja wochenlang erlebt haben: Die Ihnen nahestehenden oder Ihnen zuarbeitenden Medien haben jeden Tag – jeden Tag! – über Herrn Rosenstingl aus Fortaleza berichtet. Gerade daß nicht berichtet wurde, was Herr Rosenstingl dort zu essen beliebt, aber sonst war jeder Rülpser dort drüben eine große Meldung wert, vor allem für den Staatsrundfunk und auch für die Postille "NEWS". (Abg. Fuchs: Das ist auch noch nie vorher in dieser Republik passiert! Deshalb haben sich die Medien auch so darum angenommen!) Natürlich! Doch Sie setzen das fort! Sie liefern wieder das Material, um das fortzusetzen.

Aber ich verstehe das bis zu einem gewissen Grad: Herr Rosenstingl ist Ihr vermeintlicher politischer Strohhalm. (Widerspruch der Abg. Dr. Karlsson. ) Das ist es! Natürlich! (Abg. Dr. Karlsson: Die Peitscherlbuben sind auch noch da!) Frau Kollegin Karlsson! Ich verstehe es ja: Seit mehr als zehn Jahren verlieren Sie jede Wahl! Jede Wahl seit mehr als zehn Jahren! Seit mehr als zehn Jahren ist Ihnen kein einziges Kräutlein gegen das ständige Anwachsen und Stärkerwerden der FPÖ gewachsen, und Gott sei Dank – aus Ihrer Sicht natürlich Gott sei Dank! – gibt es zum erstenmal in der Zweiten Republik einen vermutlichen Defraudanten, einen mutmaßlichen Betrüger, den man im Dunstkreis oder im Bereich der FPÖ ansiedeln kann. Na Gott sei Dank, endlich haben (Abg. Dr. Karlsson  – auf die Reihen der Freiheitlichen weisend –: Dort sitzt noch einer, der in erster Instanz verurteilt ist!) oder glauben Sie, etwas zu haben, glauben Sie, einen vermeintlichen Retter in Ihrer politischen Not gefunden zu haben. (Abg. Dr. Karlsson: Den Meischberger wird’s auch noch erwischen!) Ich sage Ihnen eines, Frau Kollegin Karlsson: Man merkt die Absicht – und ich bin nicht einmal verstimmt, denn die Öffentlichkeit merkt sie auch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie werden sich täuschen, Herr Rosenstingl wird Ihnen nicht aus Ihrem politischen Dauertief heraushelfen (Abg. Dr. Karlsson: Der Meischberger ist auch noch da!), denn, Frau Kollegin Karlsson, die FPÖ hat rasch und konsequent gehandelt: Parteiausschluß, Ausschluß aus dem Nationalratsklub bei Vorliegen von Fakten, Personen, die ihre Kontrollaufgabe vernachlässigt haben, sind zurückgetreten (Abg. Dr. Karlsson: Der Schimanek ist zurückgetreten? Das ist mir neu!) oder haben ihre Mandate ruhend gestellt, bis die Sache geklärt ist, Offenlegen unserer Parteifinanzen – wir warten immer noch auf die Offenlegung Ihrer Klubfinanzen, Frau Kollegin Karlsson (Beifall bei den Freiheitlichen)  –, Parteireform in Richtung gläserne Parteikasse und vor allem Demokratievertrag mit dem Bürger. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Nein, da gibt es nichts zu lachen! Sie lachen heute, aber ich garantiere Ihnen, in einigen Jahren kopieren Sie das (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Karlsson: Sie dürfen nicht lachen!), weil Ihnen nichts anderes übrigbleibt, als es zu kopieren. Es wird sich nämlich das Stärkerwerden der FPÖ fortsetzen, und Sie werden, wieder hinter uns nachjappelnd, das nachvollziehen: daß bei Fehlverhalten freiheitliche Funktionäre, freiheitliche Mandatare zur Verantwortung gezogen werden können, geklagt werden können und daß es entsprechende Konsequenzen gibt, daß Wahlversprechen einzuhalten sind (Abg. Dr. Karlsson: Ja, "Wien darf nicht Chicago werden"! Das kann


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man nicht halten!)  – etwas, was Sie natürlich belustigt. Es belustigt Sie, daß Wahlversprechen einzuhalten und einklagbar sind (Abg. Dr. Karlsson: Welche Wahlversprechen machen Sie schon!), weil das für Sie natürlich furchtbar wäre. Es wäre nämlich der Herr Vranitzky finanziell nicht mehr auf der Welt, wenn er sein Wahlversprechen an die Pensionisten einlösen müßte. Da gäbe es ihn nicht mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher, Frau Kollegin Karlsson und meine Damen und Herren von der SPÖ und auch von der ÖVP: Bei Ihrer langen Chronique scandaleuse die ganze 50jährige Geschichte der Zweiten Republik hindurch (Abg. Dr. Karlsson: Sie haben eine große, aber kurze!)  – ich habe nicht die Zeit, all die Dinge aufzuzählen; wenn Sie wollen, sage ich Ihnen nur ein paar Namen; doch nein, ich glaube, ich darf nicht mehr, aber ich könnte Ihnen mehrere Namen aufzählen, 20 Namen fallen mir aus dem Gedächtnis ein –, also bei dieser Chronique scandaleuse sollten Sie sich ein bißchen weniger aufplustern und Ihre vor künstlicher Empörung gesträubten Federn wieder glattlegen. Das täte Ihnen besser. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Sie hat das Wort. (Abg. Dr. Graf: Frau Karlsson, sind Sie jetzt schon Klubobmann? – Abg. Dr. Karlsson: Nein, aber der Klubobmann war die ganze Zeit hier! – Abg. Dr. Graf: Das ist ein ganz wichtiges Thema, und niemand ist da von Ihnen!)

16.15

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte folgendes vorausschicken: Die Liberalen haben auf diesen Antrag nicht gedrängt. Uns war es kein besonderes Anliegen, daß ein solcher Antrag möglichst bald gestellt werden soll (Abg. Mag. Stadler: Sie weiß, wie Mandate von der FPÖ wegkommen, deshalb hat sie nicht darauf gedrängt!), und zwar übrigens nicht deswegen, weil wir nicht durchaus auch der Meinung wären, daß jemand mit solchen Vorwürfen keine gute Visitenkarte für das Parlament ist (Abg. Mag. Stadler: Mein Gott, sind wir froh, daß die beste Visitenkarte weg ist!), aber da gibt es eine Reihe von Abgeordneten bei den Freiheitlichen, die keine gute Visitenkarte für das Parlament sind (Beifall beim Liberalen Forum), und trotzdem kann man nicht gleich zu solchen Mitteln greifen.

Also das alleine wäre es nicht gewesen, und vor allem glauben wir nicht, daß Mandate sozusagen in der Hand einer Partei sind und man daher – dieses Verständnis herrscht ja hier vor, ich weiß das aus eigener Erfahrung – allzu schnell Gelegenheit dazu gibt, etwas nachbesetzen zu können. Ich sage es ganz offen: Dieses Interesse haben die Liberalen nicht, daher haben wir nicht darauf gedrängt. (Abg. Mag. Stadler: Das muß jemand sagen, der Mandate mitgenommen hat! Das muß jemand sagen, der den Wählerwillen gebrochen hat!)

Wenn aber ganz klar festgestellt wird, daß ein Abgeordneter unentschuldigt fehlt, dann beginnt natürlich eine Frist zu laufen, und dann hat ein rechtsstaatliches Verfahren – nach der Geschäftsordnung einerseits bis hin zu den Bestimmungen der Verfassung – stattzufinden.

Ich habe mich daher furchtbar geärgert, als ich vorgestern einen Kommentar eines Juristen eines Industriebetriebes in der "Presse" gelesen habe, der von der Gesetzeslage offensichtlich aber nicht die geringste Ahnung hat. Er hat im Zusammenhang mit dem Antrag, der jetzt im Parlament behandelt wird, gesagt: So hat man es abgesprochen! Wenn sich ein Jurist zu einer solchen Wortwahl versteigt, dann habe ich ein ungutes Gefühl, denn damit hat er unterstellt, daß da irgendwo irgendwelche Macheloikes gemacht werden. Er hat davon gesprochen, es gäbe dabei nur banale Parteipolemik, ja er hat sich sogar zu der Wortwahl hinreißen lassen, es ginge hier um die Ausschaltung eines Abgeordneten.

Dazu muß ich aber jetzt sagen: In Anbetracht der zuvor gemachten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Bauer wundert mich dieser Kommentar dieses Juristen heute nicht mehr. Ich weiß nicht, wer den Herrn Abgeordneten Bauer ernst nimmt und ob er sich selbst noch ernst nimmt, wenn er hier Dinge sagt, die einander widersprechen. Diese Doppelbödigkeit ist ja unüberbietbar! Das heißt, er – er! – redet davon, daß er selbst sich ja eigentlich nicht auskennt.


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Er redet davon – und macht das lächerlich –, wo denn eigentlich der Unterschied gelegen sei zwischen der Haft im In- und im Ausland.

Da muß ich sagen: Ich gestehe ihm als einem Nichtjuristen zu, sich dabei nicht auszukennen, aber bevor man eine solche Entscheidung trifft, sollte man sich klug machen oder zumindest ein wenig kundig machen, damit man – nach seiner Meinung jedenfalls – sachkundig entscheiden kann.

Aber wissen Sie, was er gesagt hat? – Er hat gesagt, darum ginge es ihm ja gar nicht, es sei ihm ja gar nicht wichtig, welche sachgerechte Entscheidung hier getroffen werden könnte, sondern es würde die FPÖ entscheiden aus rein – das hat er nicht ausgesprochen – taktischen Gründen. Gesagt hat er, die FPÖ stimme deswegen zu, damit man ihr nicht unterstellen könne, daß ... – Das heißt, er hat hier expressis verbis von diesem Rednerpult aus zugegeben: eine taktische Entscheidung statt einer sachgerechten Entscheidung zu treffen, und das in einer Frage, die eine der brisantesten für das Parlament insofern ist, als die Aberkennung des Mandats für einen Abgeordneten wirklich ins Mark des Parlamentarismus geht.

In Anbetracht dessen stellt sich ein Abgeordneter her und sagt: Wir machen eine taktische Entscheidung, denn wir lassen uns nichts unterstellen! Sachgerechtigkeit? – Brauche ich nicht! Ich kenne mich als Nichtjurist nicht aus, aber das macht nichts, denn ich entscheide ohnehin nicht nach sachgerechten Überlegungen, sondern nach taktischen!

Also einen klareren Offenbarungseid – wie leider auch der genannte Jurist in der "Presse" unterstellt hat –, daß es da um Parteitaktik geht – allerdings um eine andere, als er den anderen vorgeworfen hat –, konnte man nicht erbringen.

Daß jemand, der das hier von sich und seiner Fraktion zugibt, die Stirn hat, anderen taktisches Verhalten zu unterstellen, ist mir unbegreiflich, aber die Spielregeln dieser Partei und der jeweiligen Abgeordneten sind einen eigenen Weg gegangen. Daher ist es für mich eigentlich, muß ich auf der anderen Seite wieder sagen, nicht einmal mehr unverständlich.

Ich möchte mich aber jetzt mit der Frage auseinandersetzen, warum die Liberalen diesem Antrag nicht nur im Hauptausschuß zugestimmt haben, sondern ihm auch jetzt im Plenum zustimmen werden. Da habe ich einige Differenzierungen auch bei den Kollegen Kostelka und Khol anzubringen, aber das ist ein Nebengleis, mir scheint es allerdings wesentlich zu sein, das in einer solchen Debatte festzuhalten.

Erstens: Das Verfahren beginnt zu laufen – ich sage es vielleicht mehr für das Protokoll und für einige andere, die außer den Abgeordneten zuhören, oder für solche, die darüber noch nicht nachgedacht haben –, wenn jemand unentschuldigt beziehungsweise ohne triftige Entschuldigung fehlt. Das heißt, nachdem wir festgestellt hatten, und zwar nach einer Dauer von 30 Tagen, daß der Abgeordnete nicht da war, mußte das Parlament – und das ist bereits vor 30 Tagen geschehen – darüber befinden, ob eine Entschuldigung vorliegt beziehungsweise ob die Gründe bei Vorliegen einer Entschuldigung triftig sind.

Es hat kurz vor Ablauf der 30-Tage-Frist der Anwalt des Abgeordneten Rosenstingl geschrieben und hat die Entschuldigung damit begründet, daß sich der Abgeordnete in Haft befände, daß er aber nichts dafür könne, daß er nicht in Fluchtabsichten das Land verlassen habe und jetzt einzig durch die Auslieferungshaft verhindert sei, an Parlamentssitzungen teilzunehmen, und daß er keine Gelegenheit habe, diesen Zustand zu ändern.

Was aber der Herr Dr. Zanger verabsäumt hat, mitzuteilen – und das bedauere ich sehr, weil ich ihn sonst als Anwalt schätze –, war, daß im Vorfeld dieser Verhaftung für die Auslieferungshaft dem Abgeordneten Rosenstingl freigestellt wurde, nach Österreich zurückzukehren. Wir haben das zu diesem Zeitpunkt zugegebenermaßen in erster Linie aus den Medien erfahren, und wir haben daher – und ich erwähne das deshalb, weil es für das Abstimmungsverhalten der Liberalen ausschlaggebend ist, wobei ich sagen möchte, daß wir diese Sache sehr ernst nehmen – der Aufforderung, die nach 30 Tagen Abwesenheit zu erfolgen hat, deswegen zugestimmt, weil wir uns folgendes überlegt haben: Sollte sich in den nächsten 30 Tagen, die nun ablaufen


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mußten, herausstellen, daß das eine Falschmeldung war, das heißt, daß der Abgeordnete Rosenstingl nicht die Gelegenheit bekommen hatte, nach Österreich zurückzukehren, dann würden wir keinen Antrag an den Verfassungsgerichtshof stellen. Sollte sich herausstellen, daß es noch irgendeinen anderen Grund gibt, den der Herr Dr. Zanger noch nicht deutlich gemacht hat, dann würden wir keinen Antrag an den Verfassungsgerichtshof stellen. Das heißt, vor 30 Tagen ging es einzig darum, an den Abgeordneten Rosenstingl die Aufforderung zu richten, zu erscheinen.

Nun sind weitere 30 Tage vorübergegangen, und in diesen ist nichts anderes geschehen, als daß nun ein neuerlicher Brief – nunmehr eines anderen Rechtsanwaltes und Rechtsvertreters des seinerzeitigen FPÖ-Abgeordneten Rosenstingl – eingelangt ist, in dem er keinen neuen Umstand geltend macht, sondern einzig darauf Bezug nimmt, daß sein Fernbleiben durch das Andauern der Auslieferungshaft begründet sei und daß er nunmehr, was immer ihm zur Verfügung stünde, jede Möglichkeit wahrnehmen würde, um diesen Zustand zu verändern. Nichts weiter. Das heißt, er stellt einzig darauf ab: andauernde Auslieferungshaft.

Jetzt liegt noch etwas vor, und das ist der Kern des Ganzen. Nach unserem ersten Beschluß vor 30 Tagen haben wir sowohl beim Innenminister als auch beim Justizminister authentisch machen wollen – und notorisch machen wollen, wie es so schön heißt –, ob es wahr ist, daß der Abgeordnete Rosenstingl die Gelegenheit bekommen hatte, nach Österreich auszureisen. Ja, er hatte die Gelegenheit bekommen! Der Justizminister schreibt ausdrücklich, daß sich aus dem Bericht der nach Brasilien entsandten österreichischen Polizeibeamten ergibt, daß der Abgeordnete Rosenstingl festgenommen wurde – und da muß man wissen, daß die erste Festnahme nur aufgrund eines internationalen Haftbefehles erfolgt ist, das hat noch nichts mit Auslieferungshaft zu tun – und daß ihm bei dieser Festnahme zugleich für den Fall einer freiwilligen Rückkehr nach Österreich die Enthaftung in Aussicht gestellt worden ist.

Da hat er, so hört man, zuerst einmal gesagt, ja, er wolle. Aber dann lag neben diesem internationalen Haftbefehl auch ein Haftbefehl für die Auslieferung vor. Das sind zwei verschiedene Dinge. Doch da sagt der Justizminister – und das ist ebenso ein wesentlicher Punkt –, der Haftbefehl der Richterin des Bezirksgerichtes aus Wien sei nach der brasilianischen Strafprozeßordnung zur Sicherung des Auslieferungsverfahrens den lokalen Polizeibehörden und dem Abgeordneten Rosenstingl erst übergeben worden, nachdem dieser seine Erklärung, freiwillig nach Österreich zurückkehren zu wollen, widerrufen hatte.

Das heißt, es ist nun aktenkundig gemacht, es ist authentisch, daß der Abgeordnete Rosenstingl die Gelegenheit gehabt hätte, nach Österreich zu kommen, und dann – und das entzieht sich dem Beurteilungsvermögen des Herrn Abgeordneten Bauer – hätte die Situation wirklich etwas anders ausgeschaut. Na selbstverständlich! Denn wenn er hier in Österreich in Untersuchungshaft ist, dann kann er den Antrag stellen, vorgeführt zu werden, um an einer Sitzung teilnehmen zu können, und dann hätte man sich damit auseinandersetzen müssen, ob man ihn vorführt oder nicht, je nachdem, wie das Gericht entschieden hätte. Man hätte also dann die Triftigkeit wieder neu prüfen müssen.

Das ist die Situation, die weit diffiziler ist, als es sich offensichtlich der Herr Abgeordnete Bauer und vielleicht manche seiner Kolleginnen und Kollegen in seiner Fraktion vorstellen können. Nur: Wir haben uns damit auseinandergesetzt, weil uns eine solche Entscheidung sehr wichtig zu sein scheint, und weil wir glauben, daß es völlig unabhängig davon, wem und welcher Fraktion der Abgeordnete, der eines Verbrechens verdächtig ist, angehört, einer sachgerechten Prüfung bedarf. Diese Überlegungen haben dazu geführt, daß wir, nach all dem, was ich jetzt gesagt habe, zur einhelligen Meinung gekommen sind, daß die Triftigkeit der Entschuldigung nicht gegeben ist.

Nun komme ich zu meiner kleinen Differenz zu den Meinungen der Abgeordneten Khol und Kostelka. Der Abgeordnete Kostelka hat unter anderem gesagt, der Tatbestand sei erfüllt und nun habe der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden. Ähnlich hat es auch Kollege Khol formuliert. Ich sehe das aber anders. Ich glaube, daß die Entscheidung, daß der Antrag des Parlaments gestellt wird, bereits auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung erfolgt. Das heißt, daß


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das Parlament diesen Antrag nur dann stellt, wenn es inhaltlich der Meinung ist, daß die Triftigkeit der Entschuldigung nicht gegeben ist. Aber – und das ist mir ganz wesentlich – die Entscheidung, daß dann das Mandat aberkannt wird, erfolgt erst durch die Überprüfung dieser Argumentation durch den Verfassungsgerichtshof. Das heißt, nur und erst dann, wenn auch der Verfassungsgerichtshof der Auffassung ist, daß die Triftigkeit der Entschuldigung nicht gegeben ist, wird das Mandat aberkannt.

Es ist das also keinesfalls irgendein Formalakt, sondern es ist eine inhaltliche Entscheidung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, und deswegen bedauere ich es, daß es hier offensichtlich eine ganze Fraktion gibt, die sich mit dieser Problematik nicht sachgerecht auseinandersetzt. Vielleicht sind es nur einige Abgeordnete dieser Fraktion, ich weiß es nicht. Immerhin war Herr Abgeordneter Bauer der Erstredner seiner Partei, und daher sollte man annehmen dürfen, daß er ungefähr auch die Meinung seiner Fraktion artikuliert, und aus dieser seiner Wortmeldung ist jedenfalls hervorgegangen, daß es in seiner Partei diesbezüglich keine sachgerechte Abwägung, sondern eine taktische Überlegung gibt – "nur damit man uns nichts vorwirft".

Aber daß diese Partei mit Einrichtungen des Parlamentarismus nicht sorgfältig umgeht und daß ihr das Mandat des einzelnen nicht viel wert ist, hat sie auch schon bei anderen Gelegenheiten bewiesen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

16.29

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Abgeordnete Bauer hat gemeint (Ruf: Der ist nicht mehr da!)  – er ist nicht mehr da, aber das macht mir nichts, er geht mir nicht wirklich ab –, der Sinn dieser Debatte, die eigentliche Intention dieser Debatte sei es, den Parteiobmann der Freiheitlichen Partei anzupatzen. Ich meine, daß, wenn hier irgendwer gepatzt hat, es die Betroffenen selbst waren, die in den Fettnäpfchen herumgehüpft sind, daß es ordentlich gespritzt hat.

Der springende Punkt – dort, wo die großen Inkonsequenzen sind – ist der Begriff der politischen Verantwortung. Ich kann mich an viele sehr heftige Debatten in diesem Haus erinnern, wo von Mandatarinnen und Mandataren der freiheitlichen Fraktion angebliche oder tatsächliche Mißstände aufgezeigt worden sind, wo man mit Dringlichen Anträgen und mit Dringlichen Anfragen Mitglieder der Bundesregierung befragt beziehungsweise verbal angegriffen und ihnen vorgeworfen hat, sie hätten die Kontrolle in ihrem Ressort nicht genug ernst genommen.

Es war unter anderem auch der Abgeordnete Rosenstingl, der oftmals – etwa im Zusammenhang mit dem Thema Flughafen Wien – hier von diesem Rednerpult aus davon gesprochen hat, daß er für Sauberkeit sorgen werde, damit dieses schöne Österreich – so Rosenstingl – vom Schmutz gesäubert werde. (Abg. Rauch-Kallat: Mit Butz und Stingel!) Damals hat die FPÖ – ich sage: zu Recht! – von Ressortverantwortlichen verlangt, daß sie wissen müssen, was in ihrem Ressort passiert, daß sie wissen müssen, welche Personen in entscheidenden Positionen Aufgaben erfüllen, und daß sie die Verantwortung tragen, wenn diese Personen unkorrekt oder unwirtschaftlich handeln.

Das heißt, der Begriff der politischen Verantwortung, Herr Abgeordneter Ofner, wie Sie ihn immer wieder von den Koalitionsparteien verlangt haben – das war ganz klar ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Vielleicht sehen Sie das heute anders (Abg. Dr. Ofner: Zitieren Sie mich wörtlich!), es kann schon sein, daß die Causa Rosenstingl im Zusammenhang mit dem Aufdecker und dem Anwalt bei Ihnen einiges bewirkt hat.

Herr Abgeordneter Ofner! Ich weiß nicht, warum Sie sich von der Linie Ihrer Partei distanzieren. Das scheint mit Ihren Verträgen etwas zu tun zu haben; was man davon zu halten hat, das signalisieren auch Ihre Zwischenrufe ganz deutlich. Ihre ganze Fraktion, inklusive Ihrer Person, hat politische Verantwortung – und dem würde ich beipflichten – immer so verstanden: Er oder sie wußte beziehungsweise hätte wissen müssen. (Abg. Smolle – in Richtung des Abg. Dr. Ofner –:


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Das haben Sie ja unterschrieben! – Abg. Dr. Ofner: Du warst ja früher ganz lieb! Aber jetzt setz dich bitte nieder, Karl!)

Politische Verantwortung heißt, daß eine Person, die Macht hat, die an der Spitze einer Administration beziehungsweise eines Behördenapparates steht, automatisch dafür verantwortlich ist, was in der betreffenden Behörde passiert, welche Personen dort ausgewählt werden, was sie tun, worüber sie den Ressortchef oder die Ressortchefin informieren, und wenn etwas schiefläuft, ist die politische Verantwortung des jeweiligen Ressortleiters oder der jeweiligen Ressortleiterin anzusprechen.

Die Grünen sind immer von diesem Begriff der politischen Verantwortung ausgegangen, und wir haben es oftmals beklagt, daß in Österreich auch von Regierungsmitgliedern ein etwas sorgloser Umgang mit politischer Verantwortung an den Tag gelegt wurde. Was aber in den Reihen der Freiheitlichen Partei passiert ist, ist schon wirklich abenteuerlich.

Da werden die Begriffe auf einmal auf den Kopf gestellt: Da geht es nicht darum, was tatsächlich passiert ist und wofür selbstverständlich jemand – und das ist gerade jemand, der sich gerne als machtvoll in den eigenen Reihen geriert – die Verantwortung trägt, sondern da wird auf einmal verlangt, daß man dem geschäftsführenden Klubobmann nachweisen muß, was tatsächlich passiert ist. Da sind Briefe zugegangen, die nachweislich irgendwie an den Herrn Rosenstingl gekommen sind; adressiert waren sie an Herrn Dr. Haider. Dieser behauptet, sie nie gesehen zu haben und daher nie zur Kenntnis nehmen können.

Was hätten Sie einem Minister gesagt, der Ihnen hier von der Regierungsbank aus verkündet hätte: Ich habe diesen Bericht nicht gelesen, ich habe ihn nicht gekannt!? – Sie hätten doch wohl gesagt, das zähle nicht, er habe sich zu informieren. – Aber bei Ihnen ist das anders. (Abg. Dr. Schmidt: Was glauben Sie, würden sie sagen, wenn niemand auf der Regierungsbank sitzt?)  

Es ist auch folgendes ganz bezeichnend: In dem Moment, in welchem niemand von Ihnen mehr in Abrede stellte, daß es Informationen über die Causa Rosenstingl gab – ich rede nicht von 1994 und nicht vom Herbst oder Winter 1997, sondern vom heurigen Frühjahr, da haben Sie es gewußt –, da hat auch Ihr Finanzreferent Trattner im Fernsehen gesagt: Ja, wir haben in einer Klubsitzung darüber geredet! Aber was tat Ihr Parteiobmann? – Er stieg in ein Flugzeug und flog nach Taiwan, als die Debatte erst richtig losging. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Ich hätte die Debattenbeiträge aus den Reihen der freiheitlichen Fraktion gerne gehört, wenn der Kanzler oder der Vizekanzler so gehandelt hätten. Sie hätten in diesem Haus randaliert! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Nun passiert also etwas, das sehr unangenehm ist, und ich habe auch noch Verständnis dafür, daß sich ein Parteiobmann dieser sehr unangenehmen Debatte entziehen will. Aber nicht einmal dann, wenn er zurückkehrt, da er ja nicht auf Dauer in Taiwan bleiben kann, kann er einmal so offen sein, zu sagen: Ja, wir haben eine falsche Person ausgewählt, wir haben die Kontrolle in den eigenen Reihen nicht ernst genommen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum), nein, sondern dann kommt auf einmal der ganz merkwürdige Rundumschlag, die Weltverschwörung, dann ist es auf einmal die Feuerwehr, die vielleicht auf irgendeiner Mischfrequenz abhört – vielleicht weiß das der Herr Jung besonders gut –, dann kommen auf einmal die dunklen Mächte, die es auf den Parteiobmann abgesehen haben.

Ich hätte gerne Ihre Redebeiträge gehört, wenn das spiegelbildlich verkehrt irgendwo in den Reihen der Regierungsparteien aufgetreten wäre. – Das ist wirklich unredlich und unehrlich! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Wie haben Sie reagiert, wenn zum Beispiel ein Minister Förderungsmittel gegeben hat – ich kann mich an Ihre Debattenbeiträge in der sogenannten Causa Caspar Einem erinnern –, wenn jemand bloß irgendwann einmal irgendwen getroffen hat, irgendwo war, irgendwo vielleicht mit irgend jemandem auf einem Bild war? – All das war für Sie politische Verantwortung. Bei den eigenen Spitzenfunktionären ist es ganz anders. Sie sagen, Sie hätten die Causa erledigt. (Abg.


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Rauch-Kallat: Sie hören ja nicht einmal zu!) Was hätten Sie im spiegelbildlich gleichen Fall auf der Seite der Regierung verlangt? Hätten Sie verlangt, daß der Beamte XY zurücktritt, oder hätten Sie verlangt, daß der Ressortchef zurücktritt? Was hieße das dann konsequenterweise, Herr Dr. Ofner, in diesem Fall? Hätten Sie dann nicht ... (Abg. Dr. Ofner: Wieso schauen Sie immer mich an! – Abg. Rauch-Kallat: Sie sind der einzige, der zuhört!)

Herr Dr. Ofner! Ich schaue deswegen Sie an, weil noch vor ganz kurzer Zeit, und zwar in einem Wahlkampf – ich kann mich noch genau daran erinnern –, Ihr Bildnis zu sehen war: der Anwalt und der Aufdecker. Ganz stolz haben Sie sich abbilden lassen für einen Wahlkampf – für einen Wahlkampf!

Damit komme ich zum nächsten Punkt, was die politische Verantwortung betrifft. In einem Wahlkampf (Abg. Sophie Bauer hält eine Kopie in die Höhe), in dem Sie wußten – dort haben Sie es, Kollegin Bauer zeigt Ihnen das –, daß es Unregelmäßigkeiten gibt, sind Sie Ihren Weg gegangen und haben den Wählerinnen und Wählern kein Wort gesagt. – Das ist politische Unredlichkeit! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Das ist eine Unterstellung! Das ist nicht wahr!)

Herr Abgeordneter Ofner! Ich weiß nicht, wie häufig Sie bei Ihren eigenen Klubsitzungen sind. Ich habe Herrn Trattner im Fernsehen sagen gehört, daß Sie im Herbst des vergangenen Jahres in der Klubsitzung über Rosenstingl-Kredite geredet haben. (Abg. Jung: Da haben Sie nicht aufgepaßt!) Wo ist denn heute Ihr Finanzreferent? Der Parteiobmann ist nicht da, der geschäftsführende Klubobmann ist nicht da, der Finanzreferent ist nicht da. Wo ist denn Ihre politische Verantwortung als Gruppierung? (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Wissen Sie, es sind nicht die dunklen Mächte, und es ist auch nicht so, wie Sie das auf den Plakaten so kryptisch andeuten, daß Ihnen da irgendwer im Weg steht, sondern Sie selbst sind es, die in sehr dünnwandigen Glashäusern sitzen und permanent mit riesigen Felsbrocken herumschmeißen. Sie selbst sind es, die alle Begriffe im eigenen Haus anders verstehen als bei den politischen Konkurrenten. (Abg. Dr. Ofner: Bitte, schauen Sie nicht schon wieder mich an!) Das macht Sie unglaubwürdig, und das ist es, was Sie sich selbst in den Weg werfen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Herr Abgeordneter Ofner! Noch eines: War es nicht auch so, gerade wenn es um Verantwortung ging, auch um finanzielle Schäden, daß etliche Abgeordnete Ihrer Fraktion – ich glaube, daß auch Rosenstingl dabei war – hier an diesem Rednerpult heftig verlangt haben, die Bundesregierung möge doch Unschuldige vor Schäden bewahren.

Das stand im Zusammenhang mit einer Grazer Bank – der BHI-Bank –, die durch eine offenbar nicht sehr glückliche Geschäftspolitik, vielleicht auch durch Spekulationsgeschäfte in die Insolvenz geraten ist. Dabei sind private Anleger zu Schaden gekommen.

Wir haben mehrere dringliche Instrumente, die von seiten der Freiheitlichen kamen, hier in diesem Hohen Hause abgewickelt, wo es immer wieder geheißen hat: Die Regierung muß doch dafür Sorge tragen, daß Unschuldige nicht zu Schaden kommen! Sie haben das verlangt, obwohl die Regierung gar nichts (Abg. Dr. Ofner: Den Schaden haben die Freiheitlichen und der Klub!) damit zu tun hatte, daß diese Bank in die Insolvenz geraten ist. (Abg. Dr. Ofner: Wir sind die Geschädigten! Wir sind die Opfer!) Sie haben verlangt, daß Unschuldige nicht zu Schaden kommen dürfen.

Nun haben Sie einen Fall in den eigenen Reihen, aber da sind Sie nicht unschuldig (Abg. Dr. Ofner: Den Schaden haben wir!), denn Sie haben den Herrn Rosenstingl auf Ihre Wahllisten gesetzt. Gerade weil Herr Rosenstingl ein Mandat hatte, weil natürlich auch Geschäftsbanken darauf vertrauen durften, daß jemand, der von einer Partei kommt, die immer als Skandalaufdeckerin auftritt, wohl redlich sein dürfte, haben Sie diesen Schaden erst richtig ermöglicht. Aber ich höre nicht, daß die Freiheitliche Partei Niederösterreichs bereit ist, all die von Rosenstingl aufgenommenen Kredite abzudecken. (Abg. Dr. Ofner: Gegenüber dem Klub! Wir sind die Ge


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schädigten!) Das heißt, Sie handeln einmal mehr in den eigenen Reihen ganz anders als bei der Regierung. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Sie haben sehr viele Ablenkungsmanöver – von der Feuerwehr bis ich weiß nicht was – hier in anderen Debatten permanent eingebracht. Sie haben auch immer wieder den Anspruch auf Macht erhoben. Aber ich sage Ihnen folgendes: Wenn Sie nicht einmal mit einer Faser, nicht einmal in einem Augenblick dazu bereit sind, irgendein Wort der Selbstkritik zu finden – und zwar, was die Partei, was die Fraktion betrifft, denn es handelt sich da nicht um isolierte mutmaßliche Einzeltäter, sondern um ein Kontrollversagen, es handelt sich um politische Verantwortung –, wenn Sie, vor allem Ihre Spitzenfunktionäre, nicht in der Lage sind, das auch einmal selbstkritisch auszusprechen, dann sind Sie gänzlich außerstande, in diesem Land je irgendein verantwortungsvolles Amt zu übernehmen! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Alles schon gehabt!)

16.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte. (Abg. Dr. Karlsson: Sie waren unter Steger Minister! – Abg. Dr. Ofner: Ja, unter einer sozialdemokratisch-freiheitlichen Regierung! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Leider! Das war furchtbar damals! Das war entsetzlich!)

16.43

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! – Es ist momentan eigentlich keiner anwesend, aber das ist ja auch nicht notwendig, da es ohnehin nur eine innere Angelegenheit des Hohen Hauses ist. – Meine Damen und Herren! Die Aufregung braucht gar nicht so dramatisch zu sein, Herr Abgeordneter Jung, denn eines steht ja fest: Für den, der seine Mandatspflichten nicht wahrnehmen will, partout nicht wahrnehmen will – was ja beim Abgeordneten Rosenstingl zutrifft –, gibt es halt einen Antrag auf Mandatsverlust als Sanktion von seiten des Hohen Hauses, wobei das ja keine, wie schon ausgeführt wurde, inhaltliche Entscheidung ist.

Die inhaltliche Entscheidung wird erst vom Verfassungsgerichtshof gefällt werden, aber daß in dieser Angelegenheit selbst klargelegt wird, daß man bei der Vorgangsweise, die von Herrn Abgeordneten Rosenstingl gewählt worden ist – vom Ex-Freiheitlichen Rosenstingl –, von seiten dieses Hauses nicht zuschauen kann, ist unbestritten, und das wird heute auch mit den Stimmen der Liberalen einen vorläufigen Abschluß finden.

Mich irritiert nur, daß der Abgeordnete Bauer hier herausgeht und so quasi in Reaktion auf das, was gewesen ist, sagt: Ja, aber wir haben jetzt einen Demokratievertrag gemacht, mit welchem wir klarstellen, daß wir mit all diesen Dingen nichts zu tun haben wollen! – Er hat verschwiegen, daß er damit, so wie das konstruiert ist, natürlich jetzt am Gängelband seiner Parteispitze, der Sekretärsclique hängt, die ja auch innerhalb der Freiheitlichen Partei schon massiv kritisiert worden ist, und er hat auch nicht darauf Bezug genommen, daß es in der FPÖ Mode ist, wann immer Schwierigkeiten auftreten, Verträge abzuschließen.

Das war zum Beispiel so beim Abgeordneten Haider, als er mit Candussi in Kärnten Schwierigkeiten gehabt hat – der Abgeordnete Posch wird das wissen –, damals hat er gesagt: Machen wir einen Vertrag: Du sagst nichts, und ich unterschreibe dir einen Vertrag! Aber auch damals, als Herr Abgeordneter Haider, der es heute vorzieht, in den Vereinigten Staaten zu weilen, und der immer, wenn es hier wichtige Dinge zu bereden gibt ... (Abg. Rauch-Kallat: Ist das ein triftiger Grund?) Immer dann, wenn es hier etwas Wichtiges zu besprechen gibt, ist es für Haider ein triftiger Grund, nicht hier zu sein. Es ist kein Grund, seine Verantwortung nicht wahrzunehmen, aber für ihn ist es ein triftiger Grund, nicht hier zu sein, denn dann, wenn es um etwas Wichtiges geht, hält er sich lieber heraus.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich jedoch noch ganz genau an folgendes: Als es um den Kärntner Landeshauptmann ging, war es ihm recht und billig, einen Vertrag zu schließen, und zwar darüber, welche Posten wer kriegt, wer welche Positionen zu besetzen hat. Da war Herr Abgeordneter Haider selbstverständlich dazu bereit, Verträge zu schließen. Das ist auch etwas, was er bei anderen sehr massiv kritisiert, was er aber selbst sehr gerne macht.


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Meine Damen und Herren! Um ein wenig auszuleuchten, wie es innerhalb dieser Fraktion, innerhalb dieser Partei aussieht, die heute die Verantwortung einfach wegschieben will, die sagt, da gebe es eigentlich nichts an politischen Anknüpfungspunkten, möchte ich an diesem Pult auch in Erinnerung rufen, wie es etwa in Innsbruck gewesen ist. Da hat es sogar einen wirklichen Demokratievertrag gegeben, und zwar von jenen, die dort vor Ort gearbeitet haben. Sie haben gesagt: Wir wollen nicht länger dulden, daß Statuten gebrochen werden, daß Parteimittel fälschlicherweise anders verwendet werden als vorgesehen. Sie haben untereinander einen Demokratievertrag abgeschlossen. Das hat man natürlich just von seiten der Bundespartei mit Ausschluß quittiert (Abg. Dr. Mertel: Vertrag ist nicht Vertrag!), und daher ist eigentlich auch in Innsbruck heute von der Freiheitlichen Partei nichts übriggeblieben. Es wurden alle ausgeschlossen, weil ein Vertrag abgeschlossen wurde, in welchem festgehalten wurde, daß man will, daß die Statuten eingehalten werden, daß die öffentlichen Mittel korrekt verwendet werden. Das ist einer Freiheitlichen Partei allemal einen Ausschluß wert.

Der Demokratievertrag, auf welchen sich Abgeordneter Bauer heute berufen hat, ist ein wirklich wichtiges Mittel und darf von diesem Pult aus auch nicht minder bewertet werden. Das ist sogar so wichtig, daß der Landtagsabgeordnete Rüdiger Stix, wenn er ihn kritisiert, sofort ausgeschlossen wird. (Abg. Jung: Er hat es kritisiert, bevor er es gesehen hat!) Er wurde sofort ausgeschlossen, Herr Abgeordneter Jung, und zwar per Rundfax. Per Rundfax ist er ausgeschlossen worden! Sie haben ihn nicht einmal angehört, Sie haben ihn nicht einmal gefragt, weil ein Demokratievertrag doch nicht kritisiert werden darf. Daher war Herr Abgeordneter Rüdiger Stix, der das gemacht hat, sofort auszuschließen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wissen Sie, was mir in den letzten Tagen bei der Frau Abgeordneten Povysil sehr stark aufgefallen ist! Ich wundere mich darüber, wie man sie eigentlich dazu gebracht hat, diesen Dringlichen Antrag zu unterfertigen – jene Frau Abgeordnete Povysil, von der man immer den Eindruck hatte, mit ihr könne man einigermaßen reden, sie habe noch etwas übrig dafür, daß es in diesem Hause auch um Abwägung geht. Daran erkennt man, wie man den Leuten innerhalb der Fraktion das Rückgrat bricht. Das ist bei ihr auch passiert, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Brauneder: Nein, überhaupt nicht!)

Ich sage Ihnen, aus welcher Mentalität das resultiert. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Karl! Ich sage dir, aus welcher Mentalität das resultiert: Das kommt aus einer Mentalität, die Dissens als Verrat ansieht, und das ist etwas, was innerhalb der Freiheitlichen Partei mittlerweile Platz gegriffen hat. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Es wird nicht mehr erkannt, daß es auch etwas gibt, was einfach per se – für sich – beurteilt werden muß.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé war heute diejenige, die hier herausgegangen ist und gesagt hat: Was uns Freiheitliche von den anderen unterscheidet, ist, daß wir, wenn etwas vorfällt, daraus sofort die Konsequenzen ziehen! Da muß man sich nun einmal anschauen, welche Konsequenzen wann gezogen werden.

Beim Herrn Noch-Abgeordneten Rosenstingl – das ist heute schon gesagt worden – war es so: Man hat im November 1997 erfahren, daß es Schwierigkeiten gibt. Das hat Abgeordneter Stadler gewußt, das hat Klubdirektor Moser gewußt, das hat Abgeordneter Haider gewußt, das hat Herr Generalsekretär Westenthaler gewußt. Die FPÖ, die für Kontrolle steht und die hart kontrolliert – vor allem die anderen und die Mißliebigen –, hat sofort zu Rosenstingl gesagt: Bring das in Ordnung! Sie übertrug also demjenigen, der offenbar Schwierigkeiten hat, korrekt zu handeln, die Kontrolle. Man tut noch nichts dazu, sondern man sagt lediglich: Du machst das, du bringst das in Ordnung!

Erst dann, als es sieben Monate später zu seiner Flucht gekommen ist, als das eigentliche Schadensausmaß bekanntgeworden ist, ließ man ihn wie eine heiße Kartoffel fallen und sagte: Das geht uns nichts mehr an! (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Das geht uns nichts mehr an, hat man dann gesagt, der wird ausgeschlossen.


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Herr Abgeordneter Ofner! Es war der Abgeordnete Stadler, der hier am Rednerpult gesagt hat, Rosenstingl sei ein ganz gewöhnlicher Gauner. Da gab es keine Unschuldsvermutung oder sonstiges, worüber man differenziert diskutieren wollte, sondern es wurde folgendes klargelegt: Für die Freiheitlichen ist Rosenstingl ein Gauner, und deshalb muß man sehr konsequent Handlungen setzen!

Aber wenn man eine solche Konsequenz und solch ein tiefgehendes Gefühl für politische Verantwortung hat, dann verstehe ich nicht, daß zum Beispiel jene Personen und jene Institutionen, die durch den RFW geschädigt worden sind, indem Kredite aufgenommen wurden, die jetzt nicht mehr zurückgezahlt werden, letztlich definitiv von der Freiheitlichen Partei, die auch gleich die Auflösung des RFW beschließt, um ihr Geld gebracht werden.

Sie sagen: Wir machen eine gute Sache, es gibt zwar Schulden, die wir vielleicht zurückzahlen müßten, aber wir haben eine viel bessere Idee: Wir nehmen unsere politische Verantwortung so wahr, daß wir den RFW auflösen, und damit gibt es niemanden mehr, an dem man sich schadlos halten könnte!

Das ist eine Vorgangsweise, die letztlich zeigt, was man wirklich meint, und die einer, der heute immer noch hier sitzt, schon vorgeführt hat. Das ist Herr Abgeordneter Meischberger. Er hat unter Zuhilfenahme von Geldern kleiner Sparer ein bißchen Steuerhinterziehung probiert, so hat die Anklage gelautet. Das Gericht in erster Instanz ist dem gefolgt und hat ihn verurteilt. Während Abgeordneter Rosenstingl, für den – das ist auch oftmals von seiten der Freiheitlichen angemerkt worden – noch die Unschuldsvermutung gilt, sofort ausgeschlossen worden ist, sitzt Herr Abgeordneter Meischberger noch immer auf seinem Mandat in diesem Hause. Noch immer! Doch niemand innerhalb der Freiheitlichen Partei kommt auf die Idee, zu sagen: Augenblick, ist das nicht zweierlei Maß!? Werden wir damit nicht unglaubwürdig? (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Oder ist es vielleicht nur so, daß Herr Abgeordneter Meischberger noch mehr weiß, als Herr Abgeordneter Rosenstingl je wissen könnte. Deshalb war es einfach, Herrn Abgeordneten Rosenstingl auszuschließen, zumal er über dem großen Teich sitzt, während Herr Abgeordneter Meischberger heute noch immer hier sein kann.

Irgendwo ist es zutiefst ungerecht – und das müßte eigentlich die niederösterreichischen Abgeordneten bewegen –, daß Herr Abgeordneter Mentil, für den hier keine Lanze gebrochen werden soll, nicht wegen seines Abstimmungsverhaltens – er ist bei der Wahl zweimal wählen gegangen, obwohl er weiß, daß man das eigentlich nicht darf – gehen mußte, sondern nur aufgrund der Situation in Niederösterreich sein Mandat zurücklegen mußte. Bei Schreiner war das ebenfalls der Fall. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Das, so sagt Karl Schweitzer, ist politische Verantwortung. Daß Herr Abgeordneter Meischberger noch immer hier sitzt, ist auch politische Verantwortung. Daß Herr Landesrat Schimanek auch noch Chef der Freiheitlichen Partei Niederösterreichs wird, nachdem er im Rahmen der freiheitlichen Wohnbaugesellschaft maßgeblich daran beteiligt war, öffentliche Gelder falsch zu verwenden und den Leuten nicht zu Wohnungen zu verhelfen, sondern nur den eigenen Parteifreunden zu guten Aufträgen, das, meine Damen und Herren, kann wohl niemandem mehr erklärt werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)

Daher bleibt festzuhalten, daß offenbar jene Fraktion, bei welcher die politische Handschlagsqualität verlorengegangen ist, auf schriftliche Verträge zurückgreift und daß dieses Haus gut beraten ist, den Fall des Herrn Abgeordneten Rosenstingl dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen, weil es nicht angehen kann, daß jemand, der sich nonchalant aus seinen Pflichten im Hause verabschiedet, von den Freiheitlichen einfach an den Pranger gestellt wird und die eigene politische Verantwortung nicht zum Tragen kommt. Es geht nicht an, daß dieses Haus diesbezüglich keine Reaktionen setzt. Ganz im Gegenteil: Es ist notwendig, hier zu handeln, und es


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137. Sitzung / Seite 30

war auch sinnvoll, es so zu tun. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum, der SPÖ und den Grünen sowie des Abg. Dr. Maitz. )

16.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Öllinger. Ich erteile es ihm.

16.53

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich: Welchen Grund gibt es dafür, daß an dieser Debatte, bei der es um einen Abgeordneten der Wahlpartei "Die Freiheitlichen" geht, die führenden Verantwortlichen dieser Partei nicht teilnehmen? Welchen Grund gibt es dafür, daß sich weder Herr Klubobmann Stadler noch Parteivorsitzender Haider noch Finanzreferent Trattner noch irgendein anderer Funktionär außer dem Erstredner und einzigem Redner dieser Partei an einer Debatte beteiligen, bei der die politische Verantwortung der Wahlpartei "Die Freiheitlichen", deren Mitglied Herr Rosenstingl nach wie vor ist, im Vordergrund steht?

Meine Damen und Herren! Der Grund ist offensichtlich der, daß Sie offen demonstrieren wollen, daß die Freiheitlichen keinerlei politische Verantwortung wahrnehmen wollen und auch keine politische Verantwortung haben. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Der Grund, warum Sie an dieser Debatte nicht teilnehmen, andererseits aber eine Debatte um Kinderschänder skrupellos mißbrauchen, um von diesem Punkt der Tagesordnung, um von Ihrer politischen Verantwortung abzulenken, ist tatsächlich Ihre Skrupellosigkeit, mit der Sie mit Emotionen umzugehen bereit sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP.)

Das ist das Schändliche an dieser Debatte und an dem Umstand, daß Sie sich zum gleichen Zeitpunkt, zu welchem in den Medien darüber diskutiert wird, entziehen. Sie wollen hier über Kinderpornographie und Emotionen etwas hochkochen, daher frage ich Sie: Wie ist es möglich, daß freiheitliche Funktionäre offensichtlich öfter als tausendmal Zugriff auf einen Pornographieanbieter im Internet genommen haben? Das ist die Realität! (Abg. Scheibner: Wer sagt das?) Hier diskutieren Sie über Kinderschänder, Kinderpornographie, und gleichzeitig wird in den Medien, in der heutigen Presse darüber berichtet, daß Sie und Ihre Partei (Abg. Scheibner: Das ist doch Unsinn!) offensichtlich massives Interesse daran haben, auf Pornographieanbieter Zugriff zu nehmen. (Abg. Scheibner: Das ist falsch!)

Meine Damen und Herren! Ich frage mich dennoch: Was steckt hinter dieser Ihrer Taktik? Ich frage mich deswegen, weil dieses Plakat (der Redner hält einen großen Zettel in die Höhe), das ich Ihnen – Herr Abgeordneter Ofner, Sie wissen es – das letzte Mal gezeigt habe (Abg. Dr. Ofner: Das ist kein Plakat, sondern eine Zeitung!) – es ist eine Zeitung, und zwar der "Freiheitliche Gemeindekurier" –, offensichtlich nicht nur historische Bedeutung hat. Da steht: Der Anwalt und der Aufdecker!

Natürlich wissen wir, daß Herr Abgeordneter Rosenstingl sein Image als Aufdecker – zumindest als direkter Aufdecker – etwas verloren hat, aber immerhin deckt er indirekt sehr viel über die Zustände in Ihrer Partei auf. Doch es geht nicht nur um diese historische Beziehung, die da heißt: Rosenstingl – Ofner! Ich frage mich, welchen Grund es dafür gibt, Herr Abgeordneter Ofner, daß Sie nicht nur in der Vergangenheit der Anwalt dieses Herrn auf der politischen Bühne waren, sondern auch derzeit noch anwaltliche Dienste im Hintergrund für Abgeordneten Rosenstingl verrichten. (Abg. Dr. Ofner: ... den Beruf als Anwalt nicht erfaßt! – Rufe bei der SPÖ: Hört, hört!)

Was steckt hinter Ihrer Taktik, daß Sie nicht aus juristischen Gründen – das hat Herr Abgeordneter Bauer sehr deutlich ausgeführt –, sondern nur aus taktischen Überlegungen dem Auslieferungsantrag und dem Begehren an den Verfassungsgerichtshof zustimmen? Gleichzeitig wollen Sie aber durch einen Anwalt ... (der Redner faltet seinen Zettel wieder zusammen – Abg. Dr. Ofner: Nicht zuklappen! Offen lassen!) – bitte gerne (der Redner hält seinen großen Zettel wieder in die Höhe) –, der mit Unterstützung eines FPÖ-Abgeordneten seine Tätigkeit für


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Herrn Rosenstingl aufnimmt, die Rückkehr dieses Herrn Rosenstingl verhindern. (Der Redner faltet seinen Zettel wieder zusammen. – Abg. Dr. Ofner: Darf ich noch einmal sehen! Noch einmal herzeigen!)

Haben Sie ein Interesse daran, die Rückkehr dieses Herrn Rosenstingl zu verhindern? Welches Interesse steckt dahinter, wenn Sie und der Freundeskreis von Peter Rosenstingl offensichtlich über diesen Anwalt von Brasilien aus gleichzeitig die Justiz als politische Justiz und das Parlament als politisches Parlament anklagen wollen? (Abg. Dr. Ofner: Zeigen Sie es bitte noch einmal her! Ich möchte es noch einmal sehen!) In Brasilien treten dann der Freundeskreis Peter Rosenstingls und der Anwalt, den Sie auch zu organisieren mitgeholfen haben, als diejenigen auf (Abg. Dr. Ofner: Zeigen Sie es noch einmal her, bitte!), die dieses Parlament anklagen, daß Peter Rosenstingl offensichtlich der politischen Willkürjustiz in Österreich ausgeliefert werden soll. Das ist das Problem!

Das bringt mich zu den Ausführungen des Abgeordneten Barmüller, der ganz kurz den Herrn Schimanek erwähnt hat, jenen unseligen Herrn Schimanek aus Niederösterreich, der als Landesrat, als Landesvorsitzender und als Landessprecher der Freiheitlichen nicht nur deswegen politisch ungeeignet ist, weil er in eine Wohnbaucausa verwickelt war, sondern auch deswegen, weil er – nicht weil er der Vater des Sohnes Schimanek ist – im Zusammenhang mit der Verurteilung seines Sohnes wegen neonazistischer Wiederbetätigung die österreichische Justiz als politische Willkürjustiz bezeichnet und auch einen Freundeskreis mitorganisiert hat, um seinen Sohn aus den Fängen dieser politischen Justiz zu befreien.

Das sind die Umstände und die Zusammenhänge, Herr Abgeordneter Ofner, die für Sie und Ihresgleichen offenbar interessant sind! (Abg. Dr. Ofner: Bitte zeigen Sie noch einmal die Zeitung her!) Es geht Ihnen einerseits darum, sich hier als Unschuldslämmer darzustellen, die großes Interesse daran haben, daß der Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt wird, und andererseits geht es Ihnen und Ihresgleichen darum – mit Unterstützung Ihrer Parteifreunde, nehme ich an (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner ) –, von Brasilien aus die österreichische Justiz und dieses Parlament als politische Willkürinstrumente zu brandmarken, und Sie versuchen (Abg. Dr. Ofner: Die Zeitung bitte noch einmal! Ich will sie sehen!), Stimmung gegen die Justiz und gegen das Parlament zu machen. (Abg. Dr. Ofner: Bitte zeigen Sie mir noch einmal die Zeitung!)

Meine Damen und Herren! Um es kurz zu machen (Abg. Dr. Ofner: Zeigen Sie mir noch einmal die Zeitung!): Herr Abgeordneter Ofner! Das ist politische Verantwortungslosigkeit, und das ist politische Skrupellosigkeit! (Abg. Dr. Ofner: Bitte noch einmal die Zeitung!) Und es ist bezeichnend, daß jetzt am Schluß der Debatte die Verantwortlichen dieser Partei, die das mitzuverantworten haben, noch immer nicht anwesend sind. (Beifall bei den Grünen.)

17.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Ibiza!)

17.01

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Ibiza ist ein gutes Stichwort! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Mir wird von der Sozialdemokratischen Partei das Stichwort "Ibiza" genannt. Ich weiß, daß es um die Debatte Rosenstingl geht, nichtsdestotrotz erlaube ich mir, dieses Stichwort in zwei Sätzen aufzugreifen.

Herr Klubobmann Kostelka! Es gibt einen offenen Brief Ihres Bundesgeschäftsführers Rudas, den ich in Abwandlung zitiere. (Heiterkeit. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Moment: in Abwandlung eines Begriffes. Hier steht FPÖ, ich setze SPÖ ein. SPÖ: Zu dumm zum Netsurfen? – Ich antworte darauf: Ja, zu dumm zum Netsurfen, Herr Klubobmann Kostelka! (Abg. Dr. Kostelka: Das ist ein Ordnungsruf!) Ich gebe Ihnen die Adresse bekannt, denn die Ausdrücke aus dem Internet haben Sie hier so genüßlich genannt. Die Adresse lautet: http://ibiza.online.com/index.drei.html. Nur über ein Link von irgendwelchen anderen Netzen kann man dazu kommen. (Abg. Dr. Kostelka: Sie bieten es an!)


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Herr Kollege Kostelka! Das ist Ihre Art, Verbindungen herzustellen, die es nicht gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka  – ein Plakat in die Höhe haltend –: Gestehen Sie endlich ein! Das diskutieren Sie nicht! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn es darum geht, staatliche Förderung für Pornographie im Internet zu verfolgen, dann bestreiten Sie Verbindungen, die es zwischen dem Bundeskanzleramt und den Anbietern von Pornographie gibt. Herr Kollege Kostelka! SPÖ: Zu dumm zum Netsurfen? – Eindeutig ja! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Sie sind zu dumm zum Lesen!)

Nun zum Fall Rosenstingl: Auch die Oppositionsparteien beklagen, daß der Fall Rosenstingl nicht transparent aufgearbeitet wurde.

Meine Damen und Herren! Ich rufe Ihnen folgendes in Erinnerung: Es war die Freiheitliche Partei, die einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt hat. Und von wem wurde dieser Antrag abgelehnt, Herr Klubobmann Kostelka? Wer hat den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in dieser Causa abgelehnt? – Sie haben den Antrag abgelehnt! (Abg. Wabl: Russenmafia!)

Die Freiheitliche Partei hat einen Antrag auf Prüfung der Parteien durch den Rechnungshofausschuß gestellt, damit wir die 33-Millionen-Schilling-Transaktion überprüfen können. Herr Kollege Kostelka! Von wem wurde dieser Antrag abgelehnt? – Von Ihnen wurde der Antrag abgelehnt! – Soviel zur Transparenz, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rauch-Kallat: Herr Schweitzer! Da wird sich dann herausstellen, wovon die Freiheitliche Partei die gerichtlichen Strafen des Herrn Haider bezahlt!)

Faktum ist: Die Untersuchungen, die noch zu führen wären (Abg. Rauch-Kallat: Wovon zahlen die Freiheitlichen die gerichtlichen Strafen des Herrn Haider?), sind in diesem Konvolut zusammengefaßt, das sehr dick ist: von Androsch bis Zimper. – Auch Sie kommen darin vor. Da wurde vieles nicht aufgearbeitet, Frau Kollegin Rauch-Kallat-Mensdorff-Pouilly, da wartet noch sehr viel Arbeit. Aber wenn es um Ihre Bereiche geht, dann halten Sie nicht viel vom Aufarbeiten, dann halten Sie nicht viel von Transparenz! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rauch-Kallat: Wovon zahlen die Freiheitlichen die gerichtlichen Strafen des Herrn Haider?)

Die FPÖ hat reagiert. 7. Mai 1998 (Abg. Rauch-Kallat: Was war im März?): Peter Rosenstingl wird sofort nach Vorliegen konkreter Fakten aus der FPÖ ausgeschlossen. (Abg. Rauch-Kallat: Zu spät! – Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) 11. Mai 1998: Peter Rosenstingl wird zum erstmöglichen Zeitpunkt aus dem freiheitlichen Nationalratsklub ausgeschlossen. (Abg. Rauch-Kallat: Zu spät reagiert!)

Meine Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei hat Verantwortung übernommen, indem sie politische Verantwortung völlig neu definiert hat. (Abg. Rauch-Kallat: Viel zu spät!) Wir haben eine Haftpflichtversicherung für den Wähler abgeschlossen. Sie werden das noch kopieren, davon bin ich überzeugt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rauch-Kallat: Wo ist Haider?) Wir haben gläserne Kassen für alle Bereiche der Partei geschaffen. Wir gehen mit gutem Beispiel voran, Sie brauchen uns nur zu folgen, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rauch-Kallat: Die brauchen Sie auch!)

Wir haben den Demokratievertrag bereits unterzeichnet, der Ihnen weh tut, weil Sie dazu nicht imstande sind, weil Sie gewohnt sind, die Wahlversprechen, die Sie vor Wahlen laufend geben, nicht einzuhalten!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie der glasklaren Linie der Freiheitlichen in der Causa Rosenstingl einmal folgen würden (ironische Heiterkeit), dann könnten wir diese Dinge aufarbeiten, von Androsch bis Zimper! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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137. Sitzung / Seite 33

17.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte. (Abg. Rauch-Kallat: Die Freiheitlichen brauchen die Haftpflichtversicherung für die Wähler!)

17.07

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Visoki Dom! Liebe Freunde der Freiheitlichen Partei, sofern es solche noch in diesem Hause gibt! Meine Damen und Herren! Die freiheitlichen Abgeordneten scheinen mir keine Freunde der Freiheitlichen Partei zu sein, sonst würden sie sich mehr darum kümmern, daß diese Partei endlich von den Vorwürfen rund um Herrn Rosenstingl reingewaschen wird. (Abg. Dr. Ofner: Mach dir deine eigenen Sorgen!)

Meine Damen und Herren von der FPÖ! In Salzburg hat Ihr heute nicht anwesender Herr in der ersten Reihe alle Funktionäre gleich abgesetzt. Warum haben Sie das in Niederösterreich nicht wiederholt, wo es noch notwendiger gewesen wäre als in Salzburg?

Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen anhand eines kleinen Beispieles erläutere, was die Freiheitliche Partei in Kärnten beziehungsweise ihr Obmann unter Verantwortung versteht.

Wir wissen, daß das Landhaus vom Großvater Kolig Anton künstlerisch ausgestaltet wurde Die Nazis haben diese Kunstwerke vernichtet. Aufgrund einer einstimmigen Entscheidung der Landesregierung und auch des Landtages wurde es einer Jury übertragen, die Ausschreibung für die künstlerische Neugestaltung zu machen. Der Enkel Kolig Cornelius bekam die Gestaltung des Landhauses einstimmig zugesprochen. Am nächsten Tag veröffentlichte eine Zeitung mit einem monarchistischen Namen einen unflätigen Artikel gegen den Enkel von Kolig. Am nächsten Tag sagte FPÖ-Haider: Natürlich, wir sind gegen Kolig. – Es gibt also drei Beschlüsse pro Kolig. Die "Kronen Zeitung" sagt: Kolig nein, unflätig. Die Freiheitliche Partei sagt ebenfalls nein, Kolig kommt nicht in Frage. – Das ist die Art, wie Sie mit Kunst umgehen! (Beifall des Abg. Jung. )

Meine Damen und Herren! Die Sache interessiert Sie nicht, Sie interessiert jeden Tag nur die Taktik und die Frage: Kommen wir in den einschlägigen Medien entsprechend vor? (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Meine Damen und Herren! Ihre Unterschrift unter dem Demokratievertrag – jetzt muß ich mich norddeutsch ausdrücken – ist nicht einen Pfifferling wert, auf österreichisch gesagt: ist nicht einmal ein Eierschwammerl wert! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die FPÖ wird immer mehr zur entblätterten Rose, aber man kann sagen: Jeder Rose ihren Stingl! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Wieso wollten Sie dann ein freiheitliches Mandat haben?)

17.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir über den Antrag des Hauptausschusses in 1380 der Beilagen ab, welcher lautet, daß der Verfassungsgerichtshof den Abgeordneten Peter Rosenstingl seines Mandates für verlustig erklären möge – im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Bundesverfassung und der Geschäftsordnung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß der Antrag an den Verfassungsgerichtshof vom Nationalrat einstimmig beschlossen wurde.

Damit haben wir den ersten Punkt der Tagesordnung erledigt.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1234 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG) (1365 der Beilagen)


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137. Sitzung / Seite 34

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1237 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum B-KUVG) (1366 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entschließungsantrag 633/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend lohnsummenabhängigen Dienstgeberbeitrag in der Sozialversicherung (1367 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 265/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1368 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 799/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Aussetzen des Antragsprinzipes und rückwirkende Leistungserbringung für alle erworbenen Leistungen des österreichischen Sozialversicherungssystems (1369 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 474/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Vereinheitlichung aller Pensionsrechte und Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit (1370 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 682/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend faire Pensionsanpassung – verfassungsrechtlicher Schutz der Pensionen (1371 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 697/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend dauerhafte Sicherung der Pensionen durch Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell (1372 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 729/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines einheitlichen, bundesweit gültigen Pensionistenausweises (1373 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1236 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (22. Novelle zum BSVG) (1374 der Beilagen)


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12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 654/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1375 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 655/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1376 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 539/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Schaffung eines Berufsschutzes für dauernd erwerbsunfähige Bauern und Gewerbetreibende (1377 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1235 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum GSVG) (1378 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1238 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (11. Novelle zum FSVG) (1379 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 2 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor.

Daher gehen wir gleich in die Beratungen ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Herr Abgeordneter Mag. Herbert Haupt. Er hat eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die 55. ASVG-Novelle, die heute zur Beschlußfassung ansteht, hätte eigentlich, wenn man es genau nimmt, mit dem gleichen Substrat, mit dem gleichen Inhalt und auch mit den gleichen Veränderungen schon vor 14 Tagen beschlossen und verabschiedet werden können – wenn es nicht die unglückselige Junktimierung der Bereiche Zahnärzte und Hausapotheken gegeben hätte.

Ich verstehe schon, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, warum Sie die 55. ASVG-Novelle in ihren anderen Substanzen eher verschweigen wollen: Ein Großteil dieser 55. ASVG-Novelle ist nämlich nichts anderes als legistische Besserstellungen, die bei der letzten und vorletzten Beschlußfassung, der 53. und 54. ASVG-Novelle, "verbockt" worden sind. Die damalige Kritik der Oppositionsparteien, aber auch die Kritik aus den Begutachtungsverfahren wurden wieder einmal auf dem Altar der großkoalitionären Überzeugung, die Wahrheit alleine gepachtet zu haben, geopfert.


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Tatsache ist, daß wir nunmehr all diesen Korrekturen nachkommen müssen, und das halte ich für gut, Herr Kollege Feurstein, denn Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch richtig, was manche Tageszeitungen geschrieben haben: Was haben eigentlich die Lehrlinge, die Bauern, die Witwen, die Waisen, die Jungunternehmer mit den Zahnärzten und mit dem festsitzenden Zahnersatz zu tun, was haben sie mit einem Gesetz betreffend Hausapotheken, das heute im Gesundheitsausschuß verabschiedet worden ist, zu tun?

In der Praxis haben sie gar nichts damit zu tun. Die gesetzlichen Änderungen, die vorliegen, sind die gleichen, wie sie auf Regierungsebene schon lange vereinbart worden sind. Es ist auch klar und deutlich zutage getreten, daß die Debatte eigentlich von zwei Dingen blockiert worden ist: einerseits von der Junktimierung und zum zweiten vom Abänderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion. Beides ist von der Substanz her in der Regierung nicht in dieser Form beschlossen worden, und daher haben sich die Verhandlungen entsprechend verzögert.

Ich glaube, man hat mit der gesamten Debatte dem Parlament, aber auch der Bevölkerung ein eher jämmerliches Spiel geboten. Es war nicht lustig, immer wieder nach Wien zu fahren, um dann nach 5 oder 10 Minuten zu vernehmen, daß es keine Änderungen gibt und wir wieder nach Hause gehen können, und dann in den Zeitungen zu lesen, daß sich der Sozialausschuß an etwas die Zähne ausbeißt, was im Sozialausschuß von der Substanz her eigentlich erst in der letzten Sitzung verhandelt worden ist.

Sie werden mir recht geben, Frau Vorsitzende Reitsamer: Betreffend die Substanz sind wir leider im Ausschuß nicht gefragt worden. Die Wünsche, Auskunftspersonen beizuziehen, etwa die des Kollegen Kier in einem Unterausschuß oder auch die von uns in einem Vollausschuß, wurden negiert. Viele der Positionen haben wir mit allen anderen Fraktionen in Privatgesprächen akquiriert. Die Zeitungen haben geschrieben, wir hätten in der Substanz verhandelt. Das ist schlicht und einfach unwahr. Wir wurden immer nur davon informiert, daß in der Substanz nichts weitergeht, und damit war die Sitzung beendet.

Ich möchte daher heute aus freiheitlicher Sicht zwei Anträge einbringen, und zwar zunächst einen Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Dolinschek, Haller, Gaugg zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG) (1234 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1365 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Nach Ziffer 50 wird folgende Ziffer 50a eingefügt:

"50a. Nach § 86 wird folgender § 86a eingefügt:

,86a. Fällt die Hinterbliebenenpension gemäß § 86 Abs. 3 Z 1 dritter Satz erst mit dem Tag der Antragstellung an, so gebührt sie auch rückwirkend bis zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruches, höchstens jedoch für die Dauer von fünf Jahren ab dem Tag der Antragstellung.‘"

2. Nach Ziffer 64 wird folgende Ziffer 64a eingefügt:

"§ 64a. § 153 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

,Für Leistungen des festsitzenden Zahnersatzes hat der Versicherungsträger dem Versicherten einen Zuschuß in der Höhe der Hälfte der gemäß § 343c Abs. 1 Z 2 festgesetzten Richttarife zu gewähren.‘"


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3. Nach Ziffer 66 wird folgende Ziffer 66a eingefügt:

"66a. In § 162 Abs. 3 erster Satz werden die Worte ,anderen Versicherten‘ durch die Worte ,anderen Versicherten und gemäß § 4 Abs. 4 Pflichtversicherten‘ ersetzt."

4. In Ziffer 68 entfallen in § 162 Abs. 3a die Worte "den gemäß § 4 Abs. 4 Pflichtversicherten sowie".

5. In Ziffer 192 werden in § 575 Abs. 1 nach "74a Abs. 1," die Worte "86a," eingefügt; "162 Abs. 3 lit. b" wird durch "162 Abs. 3" ersetzt.

6. In Ziffer 192 wird nach § 575 nach Abs. 9 folgender Abs. 9a eingefügt:

"(9a) § 86a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/1998 ist auch auf Fälle anzuwenden, in denen der Versicherungsfall vor dem 1. August 1998 eingetreten ist."

7. Ziffer 199 lautet:

"In der Anlage 1 Nr. 38 wird in der Spalte ,Unternehmen‘ der Ausdruck ,Verwaltungsbehörden‘ durch den Ausdruck ,Verwaltungsbehörden bzw. in Unternehmen, in denen eine vergleichbare Gefährdung besteht, sowie für alle Unternehmen, die Rettungsmaßnahmen für Menschen durchführen‘ ersetzt".

*****

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Dolinschek betreffend faire Neuordnung der Rahmenbedingungen für die Erbringung zahnärztlicher Leistungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzentwürfe zuzuleiten, die folgende Änderungen der Rahmenbedingungen für die Erbringung zahnärztlicher Leistungen durch Zahnambulatorien der Krankenversicherungsträger beinhalten:

1. Die Zahnambulatorien erhalten rechtlich identische Rahmenbedingungen, wie sie für Vertragszahnärzte gelten (etwa im Bereich der Besteuerung, der Möglichkeit, Ärzte zu beschäftigen etc.);

2. Zahnambulatorien müssen von den Krankenversicherungsträgern wirtschaftlich zur Gänze getrennt von den sonstigen Aufgaben geführt werden und dürfen künftig weder Sach- noch Finanzmittel vom Krankenversicherungsträger erhalten;

3. Gleichstellung beim Werbeverbot zwischen niedergelassenen Ärzten und Ambulatorien; die Zahnambulatorien dürfen nicht ohne kostendeckende Verrechnung zum Beispiel einzelnen (Ambulatoriums-)Ärzten für die Durchführung privat verrechneter Leistungen zur Verfügung gestellt werden;

4. Zahnambulatorien müssen unter diesen Voraussetzungen in den nächsten drei Jahren zumindest kostendeckend arbeiten, danach aber pro beschäftigtem Arzt Überschüsse erzielen, die dem Durchschnitt der von Vertragszahnärzten erreichten Gewinnen entsprechen, ansonsten sind sie zu schließen und

5. Zahnambulatorien haben als zusätzliche, ausschließlich vom Krankenversicherungsträger finanzierte Leistung eine kostenlose Beratung der Versicherten hinsichtlich aller zahnmedizinischen Fragen inklusive einer Kontrolle und finanziellen Beratung zu zahnärztlichen Angeboten und eine Übersicht über die von den einzelnen Vertragszahnbehandlern für einzelne Leistungen geforderten Preise anzubieten.


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Drei Jahre nach der Umsetzung dieser Voraussetzungen ist den Zahnambulatorien gesetzlich die Erbringung aller zahnmedizinischen Leistungen zu gestatten.

Überdies sind Zahnbehandlungen und Zahnersatz nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft als Pflichtleistungen der Krankenversicherung auszugestalten, wobei ein Selbstbehalt des Versicherten vorzusehen ist und Mehrkosten, die für über das Notwendige hinausgehende Leistungen anfallen, vom Versicherten zu tragen sind."

*****

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Sie wissen, daß ich Ihnen den Abänderungsantrag und den Entschließungsantrag bereits gestern im Ausschuß vorgelegt habe, um nicht im Plenum eine Ad-hoc-Entscheidung zu provozieren, sondern Sie in die Lage zu versetzen, über unsere Anträge heute in Ruhe – auch in den Gremien, in den Klubsitzungen – beratschlagen zu können. Ich hoffe, Sie nehmen wenigstens einen der Anträge, den Abänderungsantrag oder den Entschließungsantrag, an. Denn ich glaube, daß diese in der Substanz auch eine Verbesserung für sogenannte Berufskrankheiten bringen, etwa wenn sich Leute der Rettungsdienste und des Roten Kreuzes mit Infektionskrankheiten infizieren und in ihrem angestammten Beruf berufsunfähig werden. Das ist durchaus eine gerechtfertigte Vorstellung von uns Freiheitlichen. Daß der Kritik der Volksanwaltschaft in größerem Umfang nachgekommen werden muß, als Ihre gesetzlichen Maßnahmen vorsehen, die Sie heute verabschieden wollen, ist, so glaube ich, evident.

Ich glaube auch, daß unser Vorschlag für die Zahnambulatorien, der in der Entschließung formuliert ist, ein fairer ist. Auf der einen Seite werden die Zahnambulatorien quasi durch diese Rute im Fenster betreffend vertragslose Zustände und ähnliche Bereiche durchaus in die Lage versetzt, ein vollständiges Angebot zu erbringen, aber auf der anderen Seite wird auch sichergestellt, daß Quersubventionen in diesem Bereich nicht möglich sind. Das heißt, daß die 5 Prozent ambulatoriumsbehandelte Patienten dann nicht von den 95 Prozent Beitragszahlern in einer Versicherung durch Quersubvention mitsubventioniert werden. Das würde, so glaube ich, dem Versicherungsprinzip in Österreich widersprechen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Beide Anträge, sowohl der Entschließungsantrag als auch der Abänderungsantrag, sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

17.23

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Sie können mir glauben, daß ich sehr froh darüber bin, daß die 55. ASVG-Novelle und ihre Begleitgesetze heute noch beschlossen werden können. Denn es ist ein ganzes Bündel von wichtigen Maßnahmen darin enthalten, zu denen die sozialdemokratische Fraktion gleichermaßen wie die Fraktion unseres Regierungspartners und – ich nehme an – auch zumindest teilweise zwei Oppositionsfraktionen steht.

Da ist zum einen das Wochengeld für die freien Dienstnehmerinnen, die jetzt wie selbstversicherte Frauen behandelt werden und ein Wochengeld in der Höhe von 2 760 S bekommen sollen. Wir haben in dieser Sache auch sehr viel Kritik, durchaus auch aus den eigenen Reihen, geerntet. Aber ich glaube, da gibt es für die betroffenen Frauen Gestaltungsmöglichkeiten. Es kann, meine Damen und Herren, nicht so sein, daß jene Frauen, die 38 und 40 Stunden pro Woche arbeiten und viel an Beiträgen einbringen, dann Frauen gegenübergestellt werden, die sehr viel Gestaltungsmöglichkeit haben, die wesentlich weniger einbezahlen und dasselbe Wochengeld bekommen. Das kann es nicht sein, wenngleich ich zu diesem eingeschränkten Wochengeld für die freien Dienstnehmerinnen stehe! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Weiters gibt es eine Erleichterung der Administration bei mehrfach geringfügig Beschäftigten. Das ist sehr wichtig, um das, was wir im ASRÄG beschlossen haben, auch vollziehen zu können.

Es wird eine Erweiterung der Berufskrankheitenliste vorgenommen, also eine Anpassung an die EU-Liste. Es gibt die erweiterte Unfallversicherung für Mitglieder von Rettungsorganisationen wie Freiwillige Feuerwehren und Rotes Kreuz. Da kommt es zu einer Wahlmöglichkeit betreffend Umgebungstätigkeiten: Entweder man versichert sich rein für die Arbeit dieser Rettungsorganisationen um 24 S Jahresbeitrag, oder man bezahlt 30 S Jahresbeitrag, und die Umgebungstätigkeiten sind miteinbezogen.

Ganz wichtig war mir – und dazu stehe ich –, daß wir für die "neue Selbständigkeit", für Selbständige etwas tun. Wir wollen auch die Gründeroffensive unterstützen. Die Anfängermindestbeitragsgrundlage für jene, die erstmals im GSVG versichert sind, wird daher für die ersten drei Jahre ihrer Selbständigkeit um fast die Hälfte reduziert, nämlich von 13 700 S auf 7 400 S.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Reform der Unfallversicherung für die Bauern, nämlich die Möglichkeit, trotz eines Arbeitsunfalles den Betrieb fortzuführen, und auch die Ausdehnung auf Erwerbskombinationen, wie sie in der bäuerlichen Landwirtschaft möglich sind.

Die technischen Anpassungen zum ASRÄG habe ich schon genannt.

Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen. Aber ich möchte zeitsparend vorgehen und nur noch das Thema festsitzender Zahnersatz behandeln. Mir wurde während der Verhandlungen immer wieder gesagt, daß wir wegen der Regelung betreffend festsitzender Zahnersatz praktisch das gesamte ASVG verhindern. Frau Kollegin Povysil hat uns heute medizinische Ideologie vorgeworfen.

Als dieses Gesetz in Begutachtung gegangen ist, meine Damen und Herren, war die Zahnersatzregelung ein fixer Bestandteil des Gesamtpakets, und es gab Zeit genug, sich in Verhandlungen darauf vorzubereiten. Es ist auch in den Verhandlungen zwischen Ärztekammer und Hauptverband einiges vorangegangen. Aber je weiter man verhandelt hat, je mehr Zugeständnisse der Hauptverband gemacht hat, nämlich ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. )  – Darf ich ausreden, Herr Kollege Kier? Ich bin so fair und lasse Sie immer ausreden, und Sie haben mehr Möglichkeiten, hier im Haus zu Wort zu kommen, als ich. Das müssen Sie ehrlicherweise zugeben! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Hauptverband hat sich verpflichtet, einem Ambulatoriumsstopp zuzustimmen: also keine neuen Ambulatorien und in den bestehenden Ambulatorien keine Erweiterung der Zahl der Behandlungsstühle. Wenn Hauptverband wie Ärztekammer gleichermaßen erklärt haben, daß nur 5 Prozent der Patienten Patienten der Ambulatorien sind, dann muß ich sagen, es kann für die Zahnärzte keine Überlebensfrage gewesen sein, das zuzulassen. Ich denke mir eher, daß es eine Frage der bevorstehenden Ärztekammerwahl gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hat sich hinsichtlich Richttarif weitgehend angenähert. Aber wenn man dann sagt, bei Brückengliedern, bei der Krone selbst gibt es den Richttarif plus/minus 10 Prozent, dann muß ich schon fragen: Was ist mit dem gegossenen Stift, was ist mit allfälligen Provisorien, was ist mit Anästhesieleistungen? – Wenn wir das zusammenzählen, dann kommen wir wieder auf eine ansehnliche Summe. Daß solch ein Richttarif ohne Ambulatoriumsregelung "zahnlos" ist, das beweist uns, meine Damen und Herren, die Situation in Deutschland. Dort hat man diesen Richttarif, und er ist billiger als bei uns – trotzdem werden diese Regelungen unterlaufen, und zwar mit mehr als 40 Prozent!

Gestern in der Ausschußsitzung ist auch gesagt worden, daß Deutschland Zuschüsse für diesen festsitzenden Zahnersatz leistet. Das ist schon richtig. Aber, meine Damen und Herren, schauen Sie sich die Krankenversicherungsbeiträge in Deutschland und schauen Sie sich die österreichischen Beiträge an! Dann werden Sie feststellen, daß diese in Deutschland doppelt so hoch sind. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wissen Sie überhaupt, was das, wäre es eine Leistung der Kassen, pro Jahr kosten würde? 8 bis 10 Milliarden Schilling, meine Damen und Herren! Das wäre eine Beitragserhöhung von mindestens 1 Prozent. Ich erinnere Sie daran, wie "leicht" es ist, hier in diesem Haus die Zustimmung für Beitragserhöhungen zu bekommen. Ich erinnere an die Einführung der Krankenscheingebühr: Das war die einzige Möglichkeit, um damals die Schwierigkeiten der Sozialversicherungsträger zu korrigieren, um von roten Zahlen wieder in schwarze Zahlen zu kommen. Denn für eine Beitragserhöhung, die der damalige Minister Franz Hums gerne gehabt hätte, hätten wir unter gar keinen Umständen die Zustimmung bekommen.

Herr Kollege Haupt hat die Quersubventionierung angesprochen. Es gibt eine Verpflichtungserklärung des Hauptverbandes, transparent zu arbeiten und Quersubventionen keinesfalls zuzulassen. Außerdem gibt es eine Zusicherung, mehr Geld für Wurzelbehandlungen zu geben, zusätzliche Zahnarztniederlassungen zu bewilligen und was nicht noch alles. Das ist bitte alles einseitig vom Hauptverband unterfertigt worden, es hätte nur der Gegenzeichnung bedurft.

Das war der Grund, warum wir hier bei diesen Verhandlungen so viel Härte zeigen mußten. Denn hätten wir heute eine Parteienübereinkunft und das Einbringen des Antrages durch beide Regierungsparteien ohne diese Rahmenbedingungen beschlossen, dann wäre der festsitzende Zahnersatz für die nächsten zehn Jahre in weite, ja unerreichbare Ferne gerückt. Und das konnte und wollte ich nicht zulassen! Denn wenn wir sehr viel für Bauern, für Selbständige tun, dann ist es wohl auch legitim, daß wir für wenig verdienende Arbeitnehmer etwas tun, noch dazu, wo diese Arbeitnehmer uns mit Unterschriften bekundet haben, wie wichtig ihnen dieses Anliegen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler. ) Es gilt auch für Sie, Frau Kollegin Gredler: Sie können sich hier am Rednerpult wesentlich mehr verbreiten, denn Sie haben mehr Redezeit als ein Abgeordneter der Regierungsfraktionen, Sie kommen öfter zu Wort; also erzählen Sie mir nachher, was Sie mir erzählen möchten.

Ich bin auf jeden Fall sehr froh darüber, daß es jetzt dieses Übereinkommen gibt, daß es das Parteienübereinkommen gibt, daß wir den Antrag einbringen, der nichts anderes besagt, als daß dieser Antrag in der Dezembersitzung auch dann beschlossen werden muß, wenn es bis 30. November 1998 keinen Gesamtvertrag gibt. Sollte es diesen Gesamtvertrag geben, dann bedarf es dieser Regelinstrumentarien nicht. Und jetzt bin ich langsam wieder überzeugt davon, daß es zu diesem Gesamtvertrag kommen wird, weil ein Abblocken keinen Sinn mehr macht. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Guggenberger: Er wird es sehr schwer haben jetzt! – Abg. Dr. Kier: Aber ja! Ich fürcht’ mich so!)

17.32

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Reitsamer hat an mich die Einladung ausgesprochen, von meiner Redezeit Gebrauch zu machen. Ich möchte nicht unfair sein, ich fasse mich heute etwas kürzer, aber ich verstehe die Welt nicht mehr. Einerseits jubeln Sie darüber, daß die Ambulatorien endlich das Kommerzfeld betreten, daß sie sich endlich verhalten werden wie ordentliche Kaufleute, nämlich auf Gewinnerzielung. (Abg. Verzetnitsch: Wieso endlich? Das tun sie doch heute schon!) Also ich glaube nicht, daß das Einrichtungen zur Gewinnerzielung sind. Ich hoffe, es sind Einrichtungen zum sparsamen Einsatz von öffentlichen Mitteln und nicht zur Gewinnerzielung.

Jetzt wollen sie also das erste Mal das Feld der Gewinnerzielung beschreiten, indem sie dort auch Kronen machen wollen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Das soll schon sein. Aber das bejubelt Frau Kollegin Reitsamer, und das wundert mich. Mehr noch wundert mich aber, Frau Kollegin Reitsamer, daß Sie das nicht beachten, worauf Sallmutter, der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (Abg. Koppler: Nein!)  – frei vom Verdacht, dem Liberalen Forum anzugehören, völlig frei von diesem Verdacht (Abg. Reitsamer: Der Sallmutter?) , absolut


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frei –, immerhin gekommen ist: daß man vielleicht über sozial gestaffelte Selbstbehalte bei den festen Zahnersätzen reden sollte.

Und das hat ja seinen Grund. Denn diese unselige Diskussion, in der sich zwei über einen Gesamtvertrag streiten, findet über etwas statt, wofür der eine ohnehin nichts zahlt. Das ist nämlich ganz wichtig: Die Sozialversicherungsträger zahlen nichts für den festen Zahnersatz. Sie zahlen ihren Patienten nichts dafür! Sie zahlen nichts dafür, wollen aber einen Vertrag mit den Ärzten haben, die Leistungen erbringen, für die die Sozialversicherungsträger nichts zahlen. Und das ist schwierig.

Sie haben dieses Thema an die Öffentlichkeit gezerrt, und jetzt stellt sich folgendes heraus: Wir haben hier einen Offenbarungseid erlebt, der erkennen läßt, daß der Sozialversicherungsanspruch, alle medizinisch indizierten Leistungen über die Sozialversicherung auch tatsächlich zu decken, hinsichtlich der festen Zahnersätze in der medizinischen Philosophie der fünfziger Jahre steckengeblieben ist. Denn jeder ernstzunehmende Arzt wird Ihnen sagen, daß selbstverständlich ein fester Zahnersatz im Regelfall die vernünftigste medizinische Lösung für das Problem eines Menschen ist, der sonst nicht mehr ordentlich beißen kann. Nur unsere Sozialversicherungsträger meinen, das kann auch ein klappriges Gebiß im Wasserglas bewerkstelligen. Und ich bin der Meinung, das ist eine Schande! Das ist ein Offenbarungseid.

Jetzt gebe ich schon zu, Frau Kollegin Reitsamer: Das ist leicht gesagt von der Oppositionsbank aus, ohne zu erwähnen, daß das teuer wäre. Das ist richtig, das räume ich Ihnen ein. Wir haben uns auch gegen die 50 S Krankenscheingebühr gewehrt, aber nicht sosehr wegen der 50 S als wegen der Form der Einhebung. Bei den Pensionisten haben Sie die Krankenversicherungsbeiträge ja angehoben, denn da sind Sie draufgekommen, daß man bei den Pensionisten die Krankenscheingebühr nicht einheben kann, da sie keinen Arbeitgeber mehr haben. Sie haben die Krankenscheingebühr überhaupt nur deswegen eingeführt, weil Sie in den Wahlen versprochen haben, die Sozialversicherungsbeiträge nicht anzuheben. Weil Sie sie trotzdem anheben mußten, haben Sie den "Bypass" gewählt, die Krankenscheingebühr einzuführen. Das ist ja in Wirklichkeit ein linearer Selbstbehalt bei den Leuten, die krank sind. Die Krankenscheingebühr ist ein linearer Selbstbehalt, wenn man das ordentlich etikettiert.

Warum greifen Sie den Sallmutter-Vorschlag eines sozial gestaffelten Selbstbehaltes bei den festen Zahnersätzen nicht auf? Nur aus Bestemm? Dann hätten Sie nämlich einen Mechanismus, den Leuten, die sich auch die 5 000-S- oder die 6 000-S-Krone nicht leisten können, einen festen Zahnersatz über den Sozialversicherungsträger finanzieren zu können. (Abg. Silhavy: Und die gehen dann mit dem Preis hinauf!) Dann hätten Sie einen Anspruch, mit den Zahnärzten über den Preis zu verhandeln, wenn Sie etwas dazuzahlen. Verstehen Sie mich? Das ist es nämlich, was mich so aufregt.

Ich bin ja auch der Meinung, daß es teilweise überhöhte Phantasiepreise gibt – das spreche ich Ihnen ja gar nicht ab –, aber das soziale Problem, das ich habe, ist nicht, daß sich ein mittelloser Mensch die 30 000-S-Krone nicht leisten kann, sondern daß sich ein mittelloser Mensch auch die 5 000-S-Krone nicht leisten kann. Das ist das sozialpolitische Problem. Der kann sich eine Krone überhaupt nicht leisten.

Daher wäre es – ich erinnere Sie an die gestrige Ausschußdebatte, Kollege Stummvoll und einige andere haben genickt – sinnvoll, nachdem sich alles wieder beruhigt hat, einmal ordentlich über die Frage zu diskutieren, ob es nicht Bereiche in der medizinischen Leistungspalette gibt, wo ein sozial gestaffelter Selbstbehalt das Problem lösen kann, daß wir natürlich nicht beliebig Krankenversicherungsbeiträge anheben können oder wollen, weil sich das wieder in den Lohnnebenkosten niederschlägt und außerdem die Nettolöhne reduziert, was unerfreulich ist – darin sind wir uns ja alle einig –, daß es aber nicht solidarisch ist, den Leuten zu sagen: Wenn ihr ordentliche Zähne haben wollt, dann zahlt sie euch gefälligst selber, es sind eh nur 5 200 S oder 6 200 S. Denn für jemanden, der zum Beispiel 8 000 S Ausgleichszulagenpension hat, sind das immerhin 60 oder 67 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) Das ist schon okay, aber diese Gnadenhalber-Dinge gefallen mir weniger gut. Ich bin der Meinung, es sollte ein Anspruch sein, denn das Versicherungsprinzip wird sonst ausgehöhlt.


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Jetzt haben wir, glaube ich, genug über die festsitzenden Zahnersätze gesprochen, zumindest ich im Rahmen meines Debattenbeitrages. Es ist mir nur wirklich darum gegangen, die Scheindiskussion aufzumachen, daß jemand sagt: Aber die dürfen nicht mehr verlangen! Und zwar sagt das einer, von dem gar nichts verlangt werden kann, weil er gar nichts zahlt dafür, nämlich der Hauptverband.

Das, meine ich, ist der Diskussionsfehler. Deswegen war es unglücklich, daß Sie hier ein Junktim gemacht haben, daß Sie die ganze ASVG-Novelle an diesen festsitzenden Zahnersätzen angehängt haben, sozusagen eine riesige Brücke angehängt haben. Daher bin ich froh, daß dieses Junktim durchbrochen ist, und ich hoffe, es kommt in der Folge bei den Verhandlungen etwas Vernünftiges heraus.

Zur ASVG-Novelle selbst: Es ist ein Fortsetzungsroman der Werkvertragsgeschichte. Es ist jetzt einiges durchaus – das gebe ich zu – besser geworden, aber der Rechtssicherheit haben Sie in den letzten 24 Monaten keinen guten Dienst erwiesen, insbesondere dadurch nicht, daß es jetzt so viele unterschiedliche Merkblätter über das gibt, was gilt, die teilweise überholt sind, sodaß sich zum Schluß niemand mehr auskennt.

Bis zur GSVG hat sich das noch nicht herumgesprochen, was Sie machen, dort werden nämlich nach wie vor Leute, die sich als Gewerbetreibende zu erkennen geben und sich dort anmelden wollen, weggeschickt, wenn sie nicht irgendeine Bestätigung von der Bezirksverwaltungsbehörde mithaben. Die Eingabe, die jemand für das Gewerbe dort eingereicht hat mit dem Einlaufstempel drauf, genügt der GSVG nicht, obwohl der nichts anderes machen will als Beiträge zahlen, und zwar von der Mindestbeitragsgrundlage. Den schicken sie wieder weg. Wenn er dann nach ein, zwei Monaten das Gewerbe hat, dann wird ihm das natürlich rückwirkend nachverrechnet. Das ist auch okay, aber versichert war er nicht. – Also da gibt es noch einiges nachzubessern.

Vieles von dem, was Sie in der ASVG-Novelle machen, war letztlich schon Gegenstand eines Dringlichen Antrages des Liberalen Forums vom Februar 1998. Damals haben Sie es jedoch noch als unmöglich bezeichnet. Jetzt machen Sie es zum Teil selber, wenn auch nicht wirklich so, wie wir uns das vorstellen würden.

Eine letzte Bemerkung: Sie finden in der heutigen Tagesordnung unter einem Punkt, den ich Ihnen jetzt nicht benennen kann, den Antrag des Liberalen Forums zur lohnsummenabhängigen Dienstgeberbeitragsberechnung. Ich appelliere noch einmal an Sie: Es geht darum, daß die Bundesregierung aufgefordert werden soll, die Berechnungsgrundlagen vorzulegen, welche Auswirkungen die Umstellung der Dienstgeberbeiträge hätte, wenn sie von der Lohnsumme berechnet werden würde. Also ich bitte die sozialdemokratische Fraktion, aber auch die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, dem zuzustimmen, denn es wäre günstig, wenn wir diese Berechnungsgrundlagen hätten. Dann wißt ihr vielleicht genauer, warum ihr dagegen seid, wir wissen genauer, warum wir dafür sind, und die Sozialdemokraten wissen genauer, warum sie nicht wissen, was sie wissen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Kollege.

17.40

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Feststellung: Die Sozialversicherungsgesetze, die wir heute beschließen, sind inhaltlich und auch vom Wortlaut her praktisch identisch mit dem, was uns vom Ministerrat vor mehreren Wochen als Regierungsvorlage vorgelegt worden ist. Ich betrachte diese Feststellung als ganz entscheidend, denn es mußte im Ausschuß nichts verändert werden, wie das allgemein behauptet worden ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Man könnte also sagen, viel Lärm um nichts. Ich halte es hier mit der Frau Sozialministerin – und das ist etwas anderes, als Frau Reitsamer heute in ihrer Rede gesagt hat –, denn ich stimme mit Ihnen vollkommen überein, Frau Ministerin, wenn Sie heute in einer Presse


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aussendung feststellen – ich zitiere –: "Die Beharrlichkeit bei den Verhandlungen hat sich im Interesse der Versicherten" – der Patienten also – "bezahlt gemacht. Spätestens im Jänner nächsten Jahres wird es eine deutliche Preissenkung bei Brücken und Kronen geben." Die Frau Ministerin "hofft, daß sich der Hauptverband und die Ärztekammer nun rasch auf einen Gesamtvertrag einigen."

Ich sage nicht nur, ich hoffe es, sondern ich bin überzeugt davon, daß dieser Gesamtvertrag zustande kommt, so, wie wir das seit Wochen immer wieder gesagt haben, meine Damen und Herren.

Jetzt scheiterte es eigentlich nur deshalb, weil einige Abgeordnete den redlichen Absichten der Ärzte nicht so richtig vertraut haben. Ich möchte hier wirklich betonen, daß beide Verhandlungspartner – nicht nur einer –, Hauptverband und Ärztekammer, sich redlich um eine Vereinbarung, um einen Gesamtvertrag bemüht haben. Sie haben auch großartige Verhandlungsfortschritte gemacht, meine Damen und Herren. (Abg. Koppler: Ergebnis: Null!) Herr Abgeordneter! Sie haben sich auf einen Richttarif von 6 200 S geeinigt, so, wie das eigentlich immer wieder von uns verlangt worden ist, und noch vieles mehr! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber eigentlich zu den Sozialversicherungsgesetzen reden. Um die geht es heute. Wir erwarten also einen Gesamtvertrag, der Richttarife für festsitzenden Zahnersatz mit Beginn des Jahres einheitlich festlegt, was eine wesentliche Verbilligung für die Patienten, die zum Zahnarzt gehen werden und gehen müssen, bringen wird. Darum geht es uns, und um gar nichts anderes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Sozialversicherungsgesetz-Novelle – Herr Abgeordneter Haupt, Sie haben das ja auch zugegeben – ist positiv zu bewerten. Die Erweiterung der Mitversicherung auf alle Kinder – meine Damen und Herren, ab dem 1. August 1998 sind wieder alle Kinder, alle Schülerinnen und Schüler, alle Studierenden bis zum 27. Lebensjahr mitversichert – ist eine ganz wesentliche Sache. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Wir sollten das hinausposaunen, damit die Leute das auch erfahren und ihre freiwilligen Versicherungen, die sie eingegangen sind, nun auflösen. Ich appelliere auch an die Gebietskrankenkassen, das nun zu akzeptieren und weiterzugeben. Ich möchte hier wirklich in diesem Sinne auch Öffentlichkeitsarbeit machen.

Meine Damen und Herren! Auch für die geringfügig Beschäftigten gibt es eine wesentliche Verbesserung. Sie bekommen Wochengeld, sie bekommen Krankengeld – in bescheidener Höhe, aber sie sind nun mit Krankengeld abgesichert. Wir nehmen die Lehrlinge im ersten Lehrjahr aus der Unfallversicherung aus, was eine deutliche Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Lehrlinge im ersten Lehrjahr bedeutet.

Und vieles andere kommt noch hinzu: Ich erinnere an die Unfallversicherung der Bauern, die modern gestaltet wird, die den heutigen Anforderungen angepaßt wird. Ich möchte hier wirklich betonen, daß Kollege Donabauer vorbildhaft gewirkt hat, um diese neue Unfallversicherung für die Bauern durchzusetzen. Es war seine Initiative! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es geht also letztlich darum, daß wir eine Sozialversicherungsgesetz-Novelle beschließen, die Bereinigungen bringt  – das ist richtig –, die aber auch Verbesserungen bringt. Wenn nun einzelne Abgeordnete glauben, wir müssen noch einen Schritt weitergehen und Zuschüsse bei Zahnkronen gewähren, so möchte ich festhalten, meine Damen und Herren: Auch ein bescheidener Zuschuß bei Zahnkronen geht in die Milliarden. Angesichts der heutigen Situation ist es einfach nicht möglich, solche Zuschüsse ohne Beitragserhöhungen zu beschließen. Es geht nicht ohne Beitragserhöhungen, Herr Abgeordneter Haupt! Ich bin gerne bereit, Ihnen das nachher nachzuweisen.

Wir haben – und damit schließe ich – selten Sozialversicherungsgesetze zu beschließen, die im Inhalt so unumstritten sind wie diese, meine Damen und Herren. Daher möchte ich schon bitten, daß, soweit es möglich ist, alle Parteien diesen Sozialversicherungsgesetzen, die wir heute vorliegen haben und die zum Teil am 1. August in Kraft treten werden, die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

17.46


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137. Sitzung / Seite 44

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Ich erteile ihm das Wort.

17.46

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Feurstein hat davon gesprochen, daß es selten ASVG-Novellen gebe, die von einer so breiten Zustimmung getragen werden wie diese. Nun ja, Herr Abgeordneter Feurstein, das mag bei einigen Punkten – überall werden wir ja nicht zustimmen – auch damit zusammenhängen, daß die letzten Novellen des ASVG und auch anderer sozialrechtlicher Bestimmungen nicht gerade dazu angetan waren, Zustimmung bei der Opposition zu heischen, denn das waren mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen Verschlechterungen, teilweise noch dazu sehr bösartige Verschlechterungen. Sie werden nicht erwarten können, daß wir denen zustimmen.

Ich gebe schon zu: In dieser ASVG-Novelle sind tatsächlich einige Punkte enthalten, denen man, wenn man zumindest ein Auge zudrückt, zustimmen kann. Ich fange gleich an mit einem Punkt, bei dem ich das erste Auge zudrücken muß; das betrifft – ich spare mir natürlich die Zahnsache bis zum Schluß auf – die Berufskrankheitenregelung. Seit drei oder vier Jahren – dazwischen begann eine neue Legislaturperiode – liegt ein Antrag der Grünen im Sozialausschuß, der nie inhaltlich diskutiert wurde. Jetzt, nachdem es einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller Parteien gegeben hat, der an die Frau Bundesministerin appellierte, das zu überprüfen, haben Sie eine Regelung eingearbeitet, hinsichtlich derer Sie vorgeben, tatsächlich weitgehende Verbesserungen durchzuführen.

Ich gebe zu, in einem Punkt ist es tatsächlich gelungen – und ich halte das für gar nicht so unbescheiden, wenn man die Praxis dieser österreichischen Berufskrankheitenregelung kennt –, und zwar bei den polytoxischen Neuropathien bei organischen Lösungsmitteln. – Das ist ein Punkt.

Wenn Sie aber hier sagen, das ist eine umfassende Änderung und eine Ausweitung, dann stimmt das nicht. Denn genau dem einen Vorschlag, den wir gemacht haben und den wir auch jetzt wieder als einen Entschließungsantrag der Grünen einbringen werden, daß die Erkrankungen des Stützapparates mit aufgenommen werden sollen und daß darüber diskutiert werden soll, dem haben Sie nicht entsprochen. Und was ich für noch bedauerlicher halte: Sie beziehen sich in der Begründung auf ein Gutachten des Herrn Universitätsprofessors Rüdiger von der Arbeitsmedizinischen Klinik in Wien. Vielleicht kennt ihn Präsident Verzetnitsch nicht persönlich, aber eventuell durch Zurufe der IG Metall aus Deutschland, die Professor Rüdiger und einige andere als "Experten für Unbedenklichkeiten aller Art" tituliert hat.

Und es ist kein Zufall, daß ausgerechnet dieser Professor Rüdiger in einer ganz prominenten, nämlich der einzigen Stellungnahme von der Unfallversicherungsanstalt und dem Bundesministerium als Kronzeuge dafür angeführt wird, warum es nur ja keine weitgehenden Änderungen und Erweiterungen der Liste der Berufskrankheiten geben darf. Professor Rüdiger ist nämlich jemand, der das überhaupt nicht sehen will, sondern der im Prinzip sagt, die Arbeitnehmer sind selbst schuld, und man sollte sie am besten bei der Arbeitsaufnahme mit Genomanalyse gentechnisch austesten. Dann werden diejenigen, die die Arbeit vertragen, die Arbeit annehmen dürfen, und die anderen müssen sich eben eine andere Arbeit suchen.

Das ist die "Qualität" von Professor Rüdiger, dieses "Experten für Unbedenklichkeiten aller Art", den Sie ganz prominent hier anführen, wenn es darum geht, diesen Katalog der Berufskrankheiten nur ja nicht auf die Erkrankungen des Stützapparates auszudehnen.

Es ist ein trauriges Beispiel auch für sozialdemokratische und gewerkschaftliche Politik, daß man sich schon auf Herrn Professor Rüdiger beruft, wenn es darum geht, irgendwie etwas in diesem Bereich erreichen zu wollen.

Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, daß die Unfallversicherungsanstalt hier offensichtlich den Ton diktiert und daß Sie deswegen mit dieser Art von Politik der Unfallversicherungsanstalt


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einverstanden sind, weil die Regierung ganz gut damit fährt. Denn die Unfallversicherungsanstalt, die im Bereich der Berufskrankheiten sehr rigid ist – da müßten wir auch über die Anerkennungsverfahren sprechen, Kollege Verzetnitsch, die nicht stattfinden ... (Abg. Verzetnitsch: Die Prophylaxe ...!) Ja, die Prophylaxe durch die Unfallversicherungsanstalt ist ein besonders trauriges Kapitel! Erinnere mich bitte nicht daran, was da in den letzten zehn Jahren alles nicht geschehen ist. Es geht jetzt aber nicht um die Prophylaxe, sondern um die Politik der Bundesregierung und der Unfallversicherungsanstalt.

Wir müßten darüber sprechen, daß offensichtlich beide in bestem Einvernehmen handeln, wenn es darum geht, daß die Unfallversicherungsanstalt einerseits darauf abgestellt wird, die Zugänge zu Berufskrankheiten möglichst gering zu halten, und sich andererseits die Bundesregierung jedes beziehungsweise jedes zweite Jahr aus den Budgettöpfen der Unfallversicherungsanstalt bedienen darf, und zwar mit Beträgen in der Höhe von mehreren hundert Millionen Schilling. Es wurde auch jetzt gerade wieder solch ein eigenartiger Abtausch hinsichtlich der Lehrlinge abgeführt: Die Bundesregierung darf sich jedesmal bedienen, und es gefällt ihr – oder zumindest dem Finanzminister – auch, wenn da so ein kleines "Schatzkästchen" vorhanden ist, aus dem man mehrere hundert Millionen Schilling entnehmen darf – und das immer auf Kosten der Prävention!

Ich bringe Ihnen deshalb folgenden Entschließungsantrag zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Aufnahme von Erkrankungen des Stützapparates in die Berufskrankheitenliste

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat noch rechtzeitig für eine Beschlußfassung 1998 einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der eine Aufnahme von Erkrankungen des Stützapparates in die Berufskrankheitenliste in einer Form vorsieht, die gewährleistet" – und das wäre wichtig, Kollege Verzetnitsch! –, "daß es auch tatsächlich zu Anerkennungen in diesem Bereich kommt, und nicht eine Alibiregelung getroffen wird, welche die Ablehnung nahezu aller Fälle ermöglicht, wie dies offensichtlich in Deutschland der Fall ist."

*****

Ich wäre ja schon zufrieden, wenn es nur zu einer Regelung wie der deutschen oder der schweizerischen käme. Denn interessanterweise zählen solche Erkrankungen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz zu den anerkannten Berufskrankheiten. Nur in Österreich sagt man: Das geht nicht, das ist zu schwierig, da kennen wir uns noch nicht so richtig aus, wohl wissend – zumindest ich weiß es, Kollege Verzetnitsch –, daß die Unfallversicherungsanstalt offensichtlich nur eines interessiert: Wieviel würde das kosten? – Das war Gegenstand Ihres Briefverkehrs mit dem deutschen Hauptverband der Berufsgenossenschaften, wobei es nur darum gegangen ist, was diese Regelung in Deutschland kostet, und was wir uns dadurch ersparen können, wenn wir sie nicht machen. – Das ist – leider – Ihr einziges Interesse in dieser Frage.

Frau Bundesministerin, ich sage jetzt nichts über die Unfallspitäler. Natürlich erbringen diese gute Leistungen, aber es gibt noch andere Zwecke, die die Unfallversicherung zu erfüllen hätte – gerade auch im Interesse der Krankenkassen, auf die ich noch später zu sprechen komme. Die Unfallversicherungen machen folgendes: Sie schieben ganz bestimmte Erkrankungen und deren Behandlung den Krankenkassen zu, weil dort haben sie sozusagen kein Mascherl. (Abg. Verzetnitsch: ... die Unfallhäufigkeit!)

Ich spreche jetzt von den Berufskrankheiten, Kollege Verzetnitsch, ich spreche ganz bewußt nicht von den Unfällen. Bring mich nicht auf jene Punkte, die ich noch nicht angeführt habe, sonst könnte ich nämlich noch lange sprechen.


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Ich beende nun dieses Kapitel und gehe zum nächsten Punkt über, bei dem man ein Auge zudrücken muß, und zwar dem Wochengeldanspruch für die freien Dienstnehmerinnen. Kollege Feurstein! Eine Verbesserung wäre das schon, aber jeder in diesem Hause weiß auch, daß keine Frau mit dem veranschlagten Geldbetrag – ganz egal, wieviel sie vorher verdient hat; das wurde ja auch von Frau Kollegin Reitsamer angesprochen – während des Mutterschutzes durchkommen kann. (Bundesministerin Hostasch: Was sie vorher aber auch nicht gekriegt hat, bis jetzt! – Abg. Steibl: Das ist der erste Schritt!)

Ja, das ist schon richtig. Das ist eine Verbesserung, bei der wir Grüne ein Auge zudrücken und sagen: Immerhin, das ist etwas! Aber gleichzeitig weiß jeder, daß ein Betrag von 2 780 S in der Zeit des Mutterschutzes, während dessen man nicht arbeiten darf – und ich nehme an, auch unter den freien Dienstnehmerinnen befinden sich viele, die ausschließlich von diesem Geld abhängig sind, weil es auch in dieser Gruppe eine Reihe von Alleinerziehenden gibt –, im besonderen für diese Personengruppe nicht ausreichen wird. (Abg. Dr. Feurstein: Ich habe das diskutiert mit Ihnen, und Sie haben kein Gegenargument gehabt!) Diese Frauen werden daher während dieser Frist dazu gezwungen, ergänzende Sozialhilfe zu beanspruchen. Und es kann ja wohl nicht so sein, daß eine Leistung der Sozialversicherung für bestimmte Personen dazu führt, Sozialhilfe zu beanspruchen.

Jetzt gestehe ich Ihnen – beiden Regierungsparteien – auch zu, daß das eine Verbesserung ist, aber sie führt uns wieder zu dem Punkt hin, bei dem grundlegend die Frage zu stellen wäre, ob bestimmte Leistungen dieses sozialen Sicherungssystems für bestimmte Personengruppen, die neu hinzugekommen sind und neue Arbeitsverhältnisse haben, noch entsprechend anwendbar sind. Das ist das, was wir immer wieder und immer öfter in der Debatte rund um die Grundsicherung, die keine einfache Debatte ist, zu besprechen haben. Das ist eine Debatte, die zur Sockelung von Sozialleistungen hinführt – hinführen muß!   – und natürlich auch – und da wären wir ja wieder d’accord, wenn sich die Gewerkschaften nur etwas mehr in diese Richtung anstrengen würden – nicht nur zu kollektivvertraglichen Mindestlöhnen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch zu gesetzlichen Mindestlöhnen hinführen muß.

Kollege Verzetnitsch! Ich sage dir eines betreffend ÖGB und den Stolz, den du in bezug auf die Kollektivvertragspolitik der österreichischen Gewerkschaften hast: Laut Sozialbericht 1996 verdienen zirka – das weiß man ja nicht so genau – 250 000 Personen in Vollzeitarbeit unter 12 000 S brutto. Wenn man die Regelung des Tony Blair für England auf Österreich umlegen und den gesetzlichen Mindestlohn, der dort vorgeschlagen wurde, auf Österreich anwenden würde – und wir waren doch immer so stolz darauf, daß die Lage bei uns viel besser ist als in Großbritannien –, dann würden 13 000 S gesetzlicher Mindestlohn für Österreich herauskommen, was in Großbritannien jetzt offensichtlich erreicht wurde. (Abg. Verzetnitsch: Mit der Ausnahme in England? Die machen wir dann auch?)

13 000 S gesetzlicher Mindestlohn wurden vereinbart. Die Ausnahme betrifft die Jugendlichen. (Abg. Verzetnitsch: Na also!) Da hätten wir noch größere Probleme, Kollege Verzetnitsch, weil, wie du weißt, die Lehrlinge um einiges weniger verdienen. In Großbritannien kennt man aber keine Lehrlinge, also ist das auch schlecht vergleichbar. Es bleibt aber trotzdem ein gesetzlicher Mindestlohn von 13 000 S bestehen.

Ich beende diesen Punkt und weise bezüglich Wochengeldanspruch für freie Dienstnehmerinnen sozusagen mit einem kleinen Rufzeichen an die Adresse der Gewerkschaft darauf hin, daß die Politik der kollektivvertraglichen Mindestlöhne zu hinterfragen wäre, nämlich betreffend das Ergebnis, das sie in den letzten zehn Jahren gerade in bezug auf diese sowie auf jene Gruppen, die neu dazugekommen sind, produziert hat. Ob es die geringfügig Beschäftigten sind, ob es TeilzeitarbeiterInnen sind, ob es andere prekäre Arbeitsformen sind – die gewerkschaftliche Kollektivvertragspolitik hat zumindest in den letzten Jahren kaum etwas ausgerichtet. Du wirst mir wahrscheinlich nur deswegen so mit Wickelwackel zustimmen können, weil du sehr genau weißt, daß es tatsächlich so ist.

Ich meine, der Hinweis war deutlich, daß hier durchaus einiges nicht nur auf gesetzlicher Ebene, sondern auch auf der Ebene der Sozialpartner – das betrifft natürlich auch die andere Seite der


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Sozialpartner – notwendig wäre. Wie man am Beispiel Großbritannien sieht, haben wir überhaupt keinen Grund, uns auf die Schulter zu klopfen bei bestimmten Mindestanforderungen, die das Einkommen von in Arbeit stehenden Beschäftigten betreffen. Selbstverständlich: Wenn es diese Mindestanforderungen gäbe, könnten wir auch anders über diese Mindestansprüche beim Wochengeld für freie Dienstnehmerinnen und ähnliche Gruppen sprechen.

Dritter Punkt: Dieser findet in der ASVG-Novelle nur insoferne Eingang, als wir einen generellen Anspruch, Frau Bundesministerin, erheben – wir haben einen diesbezüglichen Antrag schon im Ausschuß eingebracht –, nämlich betreffend die Informationspflicht der Sozialversicherungsträger.

Ich muß noch vorher folgenden


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Entschließungsantrag verlesen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Wochengeldanspruch für freie Dienstnehmerinnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat rechtzeitig für eine Beschlußfassung noch im Jahr 1998 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine existenzsichernde Höhe des Wochengeldes für freie Dienstnehmerinnen sicherstellt. Dies entweder in der Höhe des Durchschnittseinkommen der letzten 13 Wochen oder zumindest jenen Betrag, den Unternehmerinnen und Bäuerinnen unter dem Titel Betriebshilfe erhalten.

*****

Der dritte Punkt betrifft also die Informationspflicht der Sozialversicherungsträger. Es ist in den bisherigen ASVG-Bestimmungen nicht ausreichend geregelt, daß hier tatsächlich eine Informationspflicht besteht, die dazu beitrüge, diese Sozialversicherungsinstitutionen zu modernen Dienstleistungsbetrieben umzuwandeln und sich in der Tat mehr am Kunden orientiert zu verstehen, als das bisher der Fall war. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich gebe schon zu, daß etwas in diesem Bereich geschehen ist. Wenn man sich aber die konkreten Einzelfälle ansieht, Frau Bundesministerin – und wir wissen, wovon wir sprechen –, dann gibt es noch immer jene Personen – in der Regel sind das wieder die Frauen, die schlechteren Zugang zu den Informationen, zu den Rechten und auch zur Versorgung mit Informationen über Gewerkschaften et cetera haben –, die deswegen draufzahlen, weil ihnen im Falle einer Hinterbliebenenpension nicht alle ihre Ansprüche rechtzeitig mitgeteilt beziehungsweise sie über bestimmte Rechte, die sonst noch aus diesen Ansprüchen folgen würden, gar nicht informiert werden.

Wir Grüne fordern deshalb eigentlich nur eines: Da soll eine Informationspflicht greifen, die, im Falle, daß sie nicht gewährleistet wird, auch dazu führt, daß die Leistungen, wenn das bewiesen wird, rückwirkend geltend gemacht werden können.

Ich habe in der Debatte bezüglich Sozialversicherungsleistungen – deshalb, weil es mir wichtig war – erklärt, daß wir aus diesem Grund dem Antrag der Freiheitlichen, nämlich betreffend Außerkraftsetzung des Antragsprinzips, nicht zustimmen können, weil wir das für ein nicht unwesentliches Prinzip halten. Wenn die Sozialversicherung als Dienstleistungsunternehmen offensichtlich nicht derart funktioniert, daß sie entsprechende Informationen bringt, dann muß sie auch zur Rechenschaft gezogen werden.

Ich bringe deshalb folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Informationspflicht der Sozialversicherungsträger

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat eine Novellierung der entsprechenden sozialrechtlichen Bestimmungen vorzulegen, die eine Informationspflicht der Sozialversicherungsträger gegenüber den Versicherten beinhalten und die bei Nichteinhaltung dieser Informationspflicht auch rückwirkende Leistungsansprüche entstehen lassen.

*****

Jetzt komme ich zur Frage der Zahnkronen-Regelung. Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Diese ist und bleibt eine zahnlose Regelung, der nach wie vor der Biß fehlt und die den Biß durch die Prothese ersetzt. Das ist das Problem.

Wir konnten gestern im Debattenbeitrag des Abgeordneten Haupt hören – er hat das sehr deutlich geschildert; es wurde darüber diskutiert –, daß in den frühen fünfziger- und sechziger Jahren – Herr Abgeordneter Kier hat schon darauf hingewiesen – die Politik der Kassen primär daran orientiert war, das gesunde Gebiß durch die Prothese zu ersetzen. Man sah das Ziel der Erfüllung der zahnärztlichen Versorgung darin, dem Patienten eine Vollprothese zu verabreichen.

Ich gebe schon zu, daß sich der Anspruch teilweise – vor allem bei den Ärzten – geändert hat und natürlich diese Politik bei den Zahnärzten nicht mehr vertreten wird. Was die Kassen betrifft – wenn ich mir vorstelle, daß für jede Zahnlücke, die durch eine Prothese gefüllt wird, nach wie vor Zuschüsse in der Höhe von mehreren tausend Schilling gezahlt werden und Sie dann hier an das Rednerpult treten und sagen, man könne das beim festsitzenden Zahnersatz nicht machen –, hat sich aber offensichtlich nichts geändert. Die Regelung, die Sie in bezug auf den festsitzenden Zahnersatz vorschlagen, ist deshalb eine scheinheilige Regelung, weil es nach wie vor diese Ungleichbehandlung gibt. Es gibt eine Bevorzugung der Prothetik, die nach wie vor finanziell unterstützt wird, und zwar massiv unterstützt wird, obwohl jeder weiß – ich denke, auch die Sozialversicherungsträger wissen das –, daß die Prothese gegenüber dem lebenden Zahn, der überkront wird, keine gute Lösung ist und eigentlich nicht mehr von den Kassen als Politik verfolgt werden sollte.

Damit komme ich zu einem anderen Problem: Die Einigung, die Sie erzielt haben, ist eine Einigung – sie ist ja noch nicht vorhanden, sondern in diesem Initiativantrag nur angedacht – zwischen den Zahnärzten und den Sozialversicherungsträgern. Und jetzt sage ich Ihnen, wer sich nicht einigen konnte. Das ist eine Einigung auf Kosten der Patienten, die sich auch eine Krone um 6 000 S oder 7 000 S nicht leisten können, genauso, wie sie sich bisher eine Krone um 8 000 S oder 9 000 S nicht leisten konnten.

Das ist auch eine Einigung auf Kosten der Zahntechniker, Herr Kollege Khol, die in diese Verhandlungen ebenfalls nicht eingebunden waren, und die – nehme ich an – nun vor allem bezüglich billigem, festsitzenden Zahnersatz diejenigen sind, die benachteiligt sind, weil sie die billigsten Zahnersätze liefern müssen, aber eigentlich die Hauptarbeit beim Zahnersatz haben.

Und das ist weiters eine Einigung auf Kosten einer Gruppe, die überhaupt noch nicht angesprochen wurde, und zwar die Zahnarzthelferinnen, die durch die Kollektivvertragspolitik – teilweise durch jene der Gewerkschaften und natürlich auch der Ärztekammer, Frau Kollegin Gredler – zu denjenigen Berufsgruppen gehören, die in Österreich die geringsten Entschädigungen bekommen. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)


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Darum ist diese angedachte Einigung, die Sie erzielt haben, eine schlechte Einigung und wird von uns Grünen auch prinzipiell abgelehnt, weil sie nach wie vor eine Einigung auf Kosten der Patienten und der anderen erwähnten Gruppen ist. (Beifall bei den Grünen.)

18.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Öllinger hat drei Entschließungsanträge verlesen. Alle drei sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Dr. Gredler: Sie müssen nicht!)

18.07

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich möchte ich einleitend sagen, daß die Freiheitliche Partei dafür eintritt, daß der festsitzende Zahnersatz für die österreichischen Patienten in Zukunft billiger zu bekommen sein soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie es jedoch zu dieser Regelung, zu diesem Deal – muß ich fast sagen – zwischen den Regierungsparteien gekommen ist, und zwar daß man in monatelangen Verhandlungen nicht mehr erreicht hat, als daß die Patienten in Zukunft ganz tief in die Tasche werden greifen müssen und es für sehr viele nicht erschwinglich sein wird, sich einen festsitzenden Zahnersatz machen zu lassen, ist bezeichnend.

Die ÖVP ist ja immer dagegen aufgetreten, daß dieser Zahnersatz in den staatsmedizinischen Ambulatorien zu einem Dumpingpreis angefertigt und angeboten werden soll. Herr Abgeordneter Haupt hat heute einen Entschließungsantrag eingebracht, der die ganze Problematik auf den Punkt bringt, nämlich dahin gehend, daß die Ambulatorien ohne Wettbewerbsverzerrung dieselben Bedingungen auf dem freien Markt haben sollen wie die niedergelassenen frei praktizierenden Zahnärzte. Das ist eine unbedingte Notwendigkeit, die jetzt aber nicht gegeben ist, und schon gar nicht gegeben sein wird, wenn bis 1. Jänner 1999 kein Gesamtvertrag zwischen den Zahnärzten und dem Hauptverband zustande kommt. Wie soll denn ein Gesamtvertrag zustande kommen, wenn einer der Verhandlungspartner alle Trümpfe in der Hand hat?

Präsident Sallmutter kann sich jetzt schon alle zehn Finger schlecken, denn er weiß ganz genau, daß, wenn er keinen Vertrag zustande bringt – und er wird alles daran setzen, daß er diesen Vertrag nicht zustande bringt –, automatisch ab 1. Jänner 1999 und so lange, bis endlich ein Vertrag kommt, die Möglichkeit, in seinen staatlichen Ambulatorien den Zahnersatz unter wettbewerbsverzerrenden Bedingungen anzubieten, gegeben sein wird. (Abg. Koppler: Das ist für die sozial Schwachen! Ist dir das nicht klar? Anscheinend ist dir das nicht klar!)  – Das ist genau das Thema, Herr Kollege Koppler, das ich anschneiden wollte. Endlich werden Sie wach! Sie standen vor mir auf der Rednerliste, Sie haben sich aber streichen lassen. Vielleicht kommen Sie nach mir an das Rednerpult. Dann können Sie Ihre Weisheiten zum besten geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Koppler! Genau das ist das Anliegen der Freiheitlichen: Der sozial Schwache soll zu einem Tarif Zahnkronen bekommen, den er sich auch leisten kann. Sie sind offenbar schon sehr weit weg von den Arbeitnehmern, deren Interessen und finanziellen Möglichkeiten! Glauben Sie wirklich, daß sich ein Arbeitnehmer mit einem Einkommen von 10 000 S bis 15 000 S oder einem Familieneinkommen von 20 000 S so locker 6 200 S leisten kann? (Abg. Koppler: Sie haben überhaupt keine Ahnung! Wenn ich eine Hausapotheke habe ...!)

Herr Kollege Koppler! Sehen Sie sich einmal an, was die Klientel, die Sie vertreten sollten, die Sie aber schon lange nicht mehr vertreten, hinblättern muß! 6 200 S sind eine Menge Geld, und daher treten wir auch dafür ein, daß ein sozial gestaffelter Fixzuschuß ermöglicht wird.

Kollege Koppler! Sie haben sicher einen festsitzenden Zahnersatz, außer Sie haben noch gesunde eigene Zähne. Sie haben ihn sicher nicht in einem Ihrer VOEST-Ambulatorien machen lassen. Sie sind zum nobelsten, vornehmsten und teuersten Zahnarzt in Linz marschiert und haben ihm das Geld bar aufs Handerl hingeblättert, aber jene Leute, die Sie vertreten sollten,


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können sich das nicht mehr leisten. (Abg. Koppler: Ich gehe nur ins Ambulatorium!) Daher treten wir für den Fixzuschuß ein, Kollege Koppler, und dieser Fixzuschuß soll sozial gestaffelt sein. Für denjenigen, der sozial schwächer ist, soll er höher sein, für denjenigen, der bessere soziale Bedingungen hat, ist er dann degressiv fallend. (Abg. Sophie Bauer: Und woher nehmen Sie den Betrag dafür? Verlangen kann man alles!) Das wäre eine sozial gerechte Lösung, damit wären auch die sozial Schwachen in Österreich bestens bedient.

Kollege Feurstein sagt: kein Zuschuß ohne Beitragserhöhung. – Das glaube ich Ihnen ganz einfach nicht! Es muß ja nicht ein Zuschuß von 80, 90 oder gar 100 Prozent sein. Sie sind uns die Berechnung schuldig geblieben. Sie haben angekündigt, Sie legen uns das vor.

Ich sage Ihnen folgendes: Bis vor wenigen Jahren hat die Krankenkasse 500 S und mehr an Fixzuschuß bezahlt. Das Verfassungsgericht hat daraufhin in einem Erkenntnis festgestellt, das sei zu wenig. Man hat damals also 500 S bezahlt. Bei einem Gesamtvolumen von 8 Milliarden Schilling für Kronen kommt man bei 500 S pro Krone auf einen Betrag von etwa 800 Millionen Schilling, den die Krankenkassen aufgrund des Wegfalls des sogenannten Bagatellzuschusses auf dem Rücken der Patienten eingespart und in keiner anderen Weise wieder rückerstattet haben. (Abg. Dr. Feurstein: Und da wollen Sie 3 000 S Zuschuß?) 800 Millionen und 1,5 Milliarden Schilling haben die Kassen jetzt Überschuß. Ein Teil des Überschusses, der für das Jahr 1998 schon wieder prognostiziert ist, könnte dafür verwendet werden, oder die Krankenscheingebühr, die für den Zahnschein eingehoben wird, und vieles mehr.

Mit einer sozialen Staffelung kann man die 8 Milliarden Schilling im Hinblick auf den Zuschuß nicht eins zu eins umrechnen, sondern man käme bei einer Staffelung für sozial Schwache zu einem Zuschuß von 3 000 bis 4 000 S pro Krone – und das wäre eine gute Lösung. Das wäre in Ordnung, aber nicht, einen wettbewerbsverzerrenden Mechanismus einzuführen, indem man die Staatsmedizin mit Ambulatorien fördert. Ambulatorien wurden in der DDR sofort nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geschlossen, weil man gewußt hat, daß das die teuerste Möglichkeit überhaupt ist, Medizin zu betreiben. Die Staatsmedizin wurde abgeschafft, und man ist auf Privatmedizin umgestiegen. (Abg. Verzetnitsch: Das ist ja nicht vergleichbar! Das kann man doch nicht vergleichen!)

Bei uns in Österreich geht man den umgekehrten Weg, Herr Kollege Koppler, und Sie sind diesbezüglich Vorreiter. Das ist aber sicher ein falscher Weg, den wir nicht mitgehen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler zu Wort gemeldet. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.14

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu einigen Punkten dieser Debatte Stellung nehmen. Ich halte es ebenfalls für einen mühsamen Prozeß, der jetzt in Österreich eingeleitet wurde, in Verhandlungen ein Junktim einzubauen, sodaß für manche Gruppen, die es bitter notwendig haben, Hilfe unsererseits zu bekommen – Erleichterungen für JungunternehmerInnen beziehungsweise Kranken- und Wochengeld für geringfügig Beschäftigte –, diese Hilfe stark verzögert wird, weil die Notwendigkeit besteht, über Zahnersatz zu sprechen. Ich hätte mir gewünscht, daß man das entkoppelt und daß die eine Diskussion getrennt von der anderen geführt wird. Ich stehe nicht im Wege, wenn man sagt, es muß über beide Bereiche diskutiert werden.

Zum Bereich der zahnärztlichen Leistungen im allgemeinen. Zuerst möchte ich auf die Anmerkung des Kollegen Öllinger replizieren, wonach die zahnärztlichen Helferinnen zu gering entlohnt würden. Ich bin derselben Meinung. Ich bin der Meinung, man sollte von einem Anlernberuf zu einem Lehrberuf übergehen, um eine anständige und modern orientierte Berufsausbildung zu gewährleisten (demonstrativer Beifall der Abg. Silhavy ), weiters sollte man selbstverständlich entsprechende Kollektivvertragsverhandlungen führen, um zu einer Entlohnung zu kommen, die den Leistungen entspricht. Ich stehe nicht an, das zu unterstützen. Aber man darf auch nicht auf die andere Seite vergessen.


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Es gibt ungefähr 10 000 Zahnarzthelferinnen, die durch diese Diskussion sehr verunsichert worden sind. Diese Helferinnen sind durchwegs Frauen, sehr viele von ihnen sind Wiedereinsteigerinnen, sehr viele Teilzeitbeschäftigte. Es war keine gute Idee, sie vor der Sommerpause noch zu verunsichern.

Damit komme ich zum Kern dieser Debatte, nämlich zu den ominösen Zahnkronen – auch weil ich eine derjenigen bin, die dem Beruf nachgeht, Zahnkronen einzusetzen.

Die Zahnkrone zu einem Preis von 6 200 S ist nicht alleine das, was man unter diesem "Hütchen" aus Kunststoff, Keramik oder Metall versteht. Die Zahnkrone bedarf einer Vor- und einer Nachbehandlung, die, je nachdem, wie anspruchsvoll sie ist, selbstverständlich nach unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen verlangt.

Deshalb erlaube ich mir jetzt, zu den Ambulatorien zu kommen. Die Ambulatorien sollen alle Leistungen erbringen, die sie wollen, aber unter denselben Voraussetzungen, wie sie die Zahnärzte vorfinden. Sie sollten privatisiert werden und dann mit allen Risken und allen Möglichkeiten eines Unternehmens, genauso wie alle Zahnärzte, arbeiten. Dann könnte man die Leistungen vergleichen. Aber es geht nicht an, sozusagen aus einem geschützten Bereich heraus Dinge abzudecken, die wir als Heilbehandlung verstehen, die aber von den Sozialversicherungen offenbar nicht als Heilbehandlung verstanden werden, denn sonst würden sie sie ja bezuschussen.

Deshalb erlaube ich mir, einen Abänderungsantrag einzubringen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Dr. Martina Gredler, Klara Motter und PartnerInnen betreffend die Regierungsvorlage (1234 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG) (in der Fassung des Ausschußberichts 1365 der Beilagen)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die eingangs bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. Die bisherige Z 130 entfällt samt Überschrift und lautet nunmehr wie folgt:

130. Nach § 339 Abs. 2 wird folgender Abs. 3 angefügt:

"(3) Ambulatorien, welche Leistungen erbringen, die vom Aufgaben- und Leistungskatalog gemäß den §§ 116 und 117 nicht erfaßt sind, dürfen nicht in der Trägerschaft der gesetzlichen Krankenversicherung betrieben werden."

2. Es entfällt die Z 131. Die nachfolgenden Ziffern erhalten die Bezeichnung 131 bis 201.

3. In Z 191 (192 alt) werden im § 575 Abs. 1 Z 1 die Ausdrücke "343c samt Überschrift, 349 Abs. 1" gestrichen und an ihre Stelle tritt der Ausdruck "§ 339 Abs. 3."

*****

Wir bringen diesen Antrag, wie ich vorhin schon erwähnt habe, deshalb ein, weil wir derselben Meinung sind wie die Freiheitliche Partei, daß die Ambulatorien aus der Trägerschaft der gesetzlichen Krankenversicherung eigentlich herausgenommen werden sollten, und wir werden, obwohl ich in manchen Punkten nicht derselben Meinung bin wie die Freiheitliche Partei, auch dem Vorschlag nähertreten, den sie eingebracht hat.

Ich möchte zu den Zahnkronen grundsätzlich folgendes sagen: Erstens ist der herausnehmbare Zahnersatz nicht zu verteufeln. Es gibt auch hier im Haus genügend Personen, die offensichtlich


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sehr gut damit zurechtkommen. Der fixe Zahnersatz wird nicht zur Gänze an die Stelle der herausnehmbaren Zahnersätze treten können.

Ich bin nicht jemand, der unbedingt in jeder Situation einen fixen Zahnersatz empfiehlt, einfach weil es nicht immer medizinisch indiziert ist – außer man hat die Möglichkeit, mit Implantaten Freiräume zu überbrücken. Diese Möglichkeit steht aber nicht jeder Patientin und jedem Patienten offen, und zwar aus medizinischen Gründen ebenso wie aus finanziellen Gründen.

Ich möchte auch der Bemerkung von Kollegin Reitsamer, die gesagt hat, daß auch wenig verdienende Arbeiter die Möglichkeit haben müssen, einen fixen Zahnersatz zu bekommen, entgegentreten. Ich kenne aus den Reihen der Sozialdemokraten ehemalige Minister, die sehr glückliche Patienten in Ambulatorien sind. Diese brauchen wir nicht zu unterstützen. Die Ministerpension wird ausreichen, damit sie sich einen adäquaten Zahnersatz leisten können – wo immer sie ihn anfertigen lassen. Ich finde es schade, daß Sie nicht dem Gedanken beitreten können, nur denjenigen, die es sich wirklich nicht leisten können, Unterstützung zu gewähren, und zwar in einem Ausmaß, das nicht den ganzen Betrag von 6 000 S umfaßt, sondern mit einem fairen Anteil.

Leute, die wirklich nichts zur Verfügung haben, um diese Leistungen bezahlen zu können, sollten von der Krankenversicherung eine Unterstützung bekommen, sodaß sie sich diese Zahnersätze leisten können, aber ehemaligen Bundesministern Österreichs sollte diese Möglichkeit der Unterstützung durch Krankenkassen eben nicht gewährt werden.

Ich hoffe, daß wir irgendwann einmal dazu finden werden, eine soziale Staffelung einzuführen. Es ist unerträglich, daß geglaubt wird, mit 6 200 S sei alles erledigt. Es ist damit überhaupt nichts erledigt! Es ist eine gewisse Gruppe von Personen damit befriedigt. Aber nochmals: Die medizinische Vor- und Nachbetreuung wird auf jeden Fall zu zahlen sein. Es wird das Provisorium zu zahlen sein, es wird zu diskutieren sein, welches Metall darunter eingesetzt wird – eine besondere Legierung für Allergiker kostet eben mehr als eine günstige Legierung, die ein Sammelsurium von verschiedenen Metallen ist, was aber medizinisch durchaus vertretbar ist.

Ich glaube schon, daß wir über sehr viele Dinge einzeln diskutieren sollten, die jetzt pauschaliert werden. Es hat nicht jedes Auto denselben Preis, das hat wahrscheinlich auch seine Gründe, aber bei den Autopreisen steht niemand auf und sagt, das geht nicht. (Abg. Reitsamer: Zähne sind nicht dasselbe wie Autos!) Frau Bundesministerin, Sie stehen auch nicht auf und sagen, ein Ferrari darf nicht mehr als soundso viel kosten. Es geht um Leistungen, die zwischen Patienten und Ärzteschaft im vorhinein besprochen werden. Es werden Heilkostenpläne erstellt, und man findet einen Kompromiß zwischen Patient und Arzt. Wenn dieser Kompromiß eingegangen wird, dann bedarf es nicht einer Regelung von seiten einer dritten Person, die nicht einmal gewillt ist, einen Zuschuß zu gewähren.

Sie haben nur unter der Voraussetzung, daß Sie Zuschüsse gewähren, die Berechtigung, an dieser Debatte vollinhaltlich teilzunehmen. Solange Sie das nicht tun, spreche ich Ihnen diese Berechtigung ab – leider Gottes, muß ich sagen, weil sich sehr viele Patienten freuen würden, eine Unterstützung finanzieller Art zu bekommen.

Ich sehe auch nicht ein, warum man, wenn man auf der einen Seite den Krankenkassen jetzt sozusagen alle Möglichkeiten offenläßt, auf der anderen Seite versucht, die Ärzteschaft in ein Eck zu drängen und ihr unterstellt, daß für sie bei dieser Diskussion eigentlich nur finanzielle Interessen im Vordergrund stehen. Viele von ihnen würden liebend gern ihr Geld anders verdienen. Geben Sie mehr für die Prophylaxe aus, und ich schwöre Ihnen, die Diskussion über die Finanzierbarkeit von Kronen wird schön langsam verschwinden! Das ist der Punkt! Ich würde mir wünschen, Zähne zu behandeln, die keiner Füllung bedürfen. Das ist das beste, was man für die Patienten tun kann. Dafür gibt es jedoch Honorierungen unter 100 S. Weniger als 100 S für prophylaktische Maßnahmen im Mund – das ist nichts! 100 S für prophylaktische Maßnahmen, für die ich teilweise bis zu vier Stunden brauche, das kann nicht in Ordnung sein! (Abg. Reitsamer: Da hilft auch keine Prophylaxe mehr, bei dem schlechten Material der Nachkriegszeit!)


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Da sollte die Debatte einmal ansetzen. Wir sollten diskutieren, was wir finanzieren wollen. Es wird zu einem System kommen wie in den skandinavischen Ländern: bis 18 Jahre wird alles bezahlt, ab 18 wird gar nichts mehr bezahlt. Wenn die Prophylaxe von Ihnen nicht honoriert wird, dann werden wir darüber diskutieren müssen, wieviel Verantwortung – nicht nur finanzieller Art – auch von seiten der Patienten übernommen werden muß. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich komme zum Schluß. Ich hoffe, daß wir im Herbst eine vernünftige Lösung im Interesse aller Patientinnen und Patienten finden werden, und ich hoffe, daß es auf beiden Seiten zu einem Kompromiß kommen wird und wir nicht das Hohe Haus beschäftigen müssen mit Materien, die eigentlich nur den niedergelassenen Bereich betreffen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Dr. Gredler eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Frau Abgeordnete, ich lade Sie ein, zum Rednerpult zu kommen.

18.26

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Was wir heute in dieser Debatte erleben, ist das typische und klassische Beispiel eines politischen Deals. Mein Kollege Pumberger hat das schon angerissen. Es ist ganz einfach ein klassisches Beispiel dafür, wie man eine sachkompetente Politik zugunsten einer schnellen politischen Lösung verhindert, damit die Koalition nicht auseinanderdriftet. (Abg. Schwemlein: Das ist schon ein sehr "sanfter" Einstieg, den Sie machen!) Es ist das klassische Bild, wie einer zahlenmäßig nicht wirklich wichtigen, aber von ihrer Reputation her doch bedeutenden Berufsgruppe schnell ein "Zuckerl" gegeben wird, damit der Koalitionspartner ÖVP sein Gesicht wahren und die Ideologie – Frau Minister, das ist eine ideologische Frage! –, nämlich die Medizin vermehrt in staatsnahen Einrichtungen unterzubringen, umgesetzt werden kann.

Der Patient spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Ich darf Ihnen aber erzählen, was der Patient wirklich möchte: Er möchte, wenn er bettlägerig und immobil ist, daß sein Hausarzt ihm die Medikamente an das Bett bringt, er möchte auch in einem Ambulatorium seinen Zahnersatz bekommen, er möchte nämlich zu jenen 5 Prozent Privilegierten gehören, die sich die Zahnkrone im Zahnambulatorium leisten können – und das sind eben nur 5 bis 10 Prozent.

Sie werden doch nicht glauben, meine Damen und Herren, daß nach dem heute zu beschließenden Antrag der Regierungsparteien die Sozialversicherungen noch irgendeinen Grund finden werden, weiterzuverhandeln, dürfen sie doch ab 1. Jänner 1999 einen festsitzenden Zahnersatz einsetzen.

Unser Abänderungsantrag im Ausschuß hätte eine soziale Komponente gehabt. Er hätte nicht nur für diese 5 Prozent, sondern für die wirklich sozial Schwachen gegolten. Er hätte beinhaltet, daß die Hälfte des Richttarifes von der Kasse ersetzt werden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er ist jedoch gegen die Stimmen sämtlicher Oppositionsparteien, auch der Grünen und der Liberalen, von Ihnen abgelehnt worden (Abg. Parnigoni: 4 Milliarden Schilling!), eben weil nicht der Patient, sondern die Ideologie wichtig ist, weil die Gleichstellung der Niedergelassenen und der Ambulatorien und gleicher Wettbewerb nicht gewünscht sind. Möglicherweise würden diese bei gleichen Wettbewerbsbedingungen ja schlechter ausschauen! Aber Hauptsache, die Ideologie ist gewahrt.

Im Ausschuß – das hat mich schon sehr verwundert – hat ein ÖVP-Abgeordneter auf diesen Vorwurf des politischen Deals geantwortet: Na ja, so ist eben Politik! – Nein, meine Damen und


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Herren, so ist nicht Politik an sich; so ist die Politik der Regierungsparteien (Beifall bei den Freiheitlichen), so ist eine Politik der Resignation und der Scheinheiligkeit!

Meine Damen und Herren! Ich bin Mitstreiterin der größten Oppositionspartei in diesem Haus, weil ich diese Art von Politik nicht mittragen möchte. Und, meine Damen und Herren, wenn ich diese Resignation in der Politik einmal an mir selbst verspüren sollte, dann nehme ich meinen Hut und gehe. Und das kann ich Ihnen in diesem Fall nur auch empfehlen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.30

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die 55. ASVG-Novelle wäre beinahe am Zahnkronenstreit gescheitert, dabei enthält sie sehr viele wichtige Erleichterungen für Jungunternehmer, verbesserte Leistungen für die Bauern und eine Krankenkarenzregelung für Selbständige – alles Punkte, die wir Freiheitliche mittragen können.

Aber der Antrag der Koalition, der gestern im Ausschuß eingebracht worden ist, mit welchem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden sollen, stellt, Frau Bundesminister, meiner Meinung nach nur eine Verzögerungstaktik dieser Koalitionsregierung dar, denn er verschiebt lediglich das Problem auf 1. Jänner 1999, und danach tritt es wieder auf. Sie werden in der Frage der Zahnkronen-Regelung einmal zu einer endgültigen Lösung kommen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich habe kein Verständnis dafür, daß sich die Ärztekammer über den Zahnkronenstreit für die Zahnärzte stark macht. Ich habe auch kein Verständnis dafür, daß sich die Krankenkassen wehren, den festsitzenden Zahnersatz auch Zahnambulatorien machen zu lassen und Zuschüsse dafür zu gewähren.

Bezeichnend finde ich als Freiheitlicher, daß unser Antrag, den wir ebenfalls gestern eingebracht haben, von der Koalition abgelehnt worden ist, weil Sie die Richtsätze anders festlegen wollen, weil Sie nicht wollen, daß es Zahnkronen als Kassenleistung auf Krankenschein gibt, obwohl dadurch die sozial Schwächeren belastet werden. Wir Freiheitliche hätte diesen Antrag gerne von der Koalition bestätigt bekommen, doch leider ist es uns nicht gelungen, Ihre Zustimmung zu erhalten. Aber für andere Sachen Geld beim Fenster hinauszuschmeißen, fällt dieser Bundesregierung leicht.

Frau Bundesministerin! Da brauche ich Sie nur an das Treffen der Arbeits- und Sozialminister in Innsbruck zu erinnern, wofür ein großes Programm angekündigt wurde. Dort wurde dann aber mehr gefeiert, und es wurden mehr Besuche absolviert, als tatsächlich gearbeitet wurde. Das ist meiner Meinung nach kein richtiges Handeln.

Wir Freiheitliche hingegen kümmern uns um die Sorgen der "kleinen" Arbeitnehmer, der sozial Schwächeren, und ich empfehle dieser Bundesregierung, einmal Nägel mit Köpfen zu machen und nicht nur politische Wadlbeißereien auf dem Rücken der Versicherten auszutragen. Nehmen Sie unseren Entschließungsantrag, den wir heute eingebracht haben, ernst und stimmen Sie ihm zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Frau Bundesministerin Hostasch zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.33

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! In der Debatte über die Sozialversiche


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rungsgesetze und die Frage des festsitzenden Zahnersatzes ist leider untergegangen, wie viele verschiedene gesetzliche Bestimmungen in den Sozialversicherungsgesetzen eigentlich enthalten sind. Ich möchte mich bei jenen Debattenrednern herzlich bedanken, die auf mehrere dieser Punkte verwiesen haben: angefangen beim Wochengeld für freie Dienstnehmerinnen über die Erweiterung der Berufskrankheitenliste, die Erweiterung der Unfallversicherung für Rettungsorganisationen bis hin zur Neuregelung der bäuerlichen Unfallversicherung, die sicherlich eine sehr moderne, zukunftsorientierte Vorgangsweise mit sich bringt, aber auch die Festlegung einer Anfängerbeitragsgrundlage bei erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Ich könnte diese Liste noch um viele Punkte erweitern.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß in der Frage "festsitzender Zahnersatz" jene Lösung gefunden werden konnte, die heute von Ihnen beschlossen wird. Es wird nämlich dabei folgendes sichergestellt: daß – davon bin ich überzeugt – ein Gesamtvertrag bis zum 31. Dezember 1998 zustande kommt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dieser Vertrag, hätten Sie diese Lösung nicht gewählt, auch mit der Qualität zustande gekommen wäre, der für die Versicherten entscheidend ist.

Weiters ist mit Ihrer Vorgangsweise auch sichergestellt, daß, sollte dieser Vertrag wider Erwarten nicht zustande kommen, ab 1. Jänner 1999 bis zum Zustandekommen eines derartigen Vertrages die Leistungen in den Ambulatorien erbracht werden können. Somit sind für die Versicherten deutliche Verbesserungen gegeben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir werden in der weiteren Umsetzung dieser Novellen immer dann, wenn die einzelnen Stichtage die Regelungen wirksam werden lassen, die Versicherten rechtzeitig darüber informieren, welche Veränderungen und damit auch Verbesserungen auf sie zukommen, und die Arbeitgeber darauf hinweisen, welche deutlichen Erleichterungen bei der Administrierung verschiedener Bestimmungen für sie erreicht werden konnten. Ich bin sehr froh und freue mich darüber, daß ich jetzt dabeisein kann, wenn diese großen Gesetzesvorhaben von Ihnen beschlossen werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesministerin.

Es liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Ein Schlußwort der Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir haben jetzt einen längeren Abstimmungsvorgang vor uns.

Wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1234 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1365 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben dazu einen Abänderungsantrag eingebracht.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungs- und Zusatzantrag eingebracht.

Schließlich liegt noch ein Verlangen des Abgeordneten Mag. Haupt vor, die Abstimmung getrennt vorzunehmen.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen beziehungsweise Zusatzanträgen beziehungsweise über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.


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Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 50a eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Zusatzantrag ist abgelehnt.


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Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen weiteren Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 64a vorsieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Zusatzantrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen weiteren Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 66a eingebracht.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Zusatzantrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 68 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über die Ziffer 68 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist einstimmig. Ziffer 68 ist in der Fassung der Regierungsvorlage einstimmig angenommen worden.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend eine Änderung der Ziffer 130 sowie die Streichung der Ziffer 131 und die dadurch bedingte Änderung in der Ziffernbezeichnung eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil des Gesetzentwurfes ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen worden.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 192 § 575 Abs. 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag hat nicht die erforderliche Zustimmung gefunden.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 192 § 575 Abs. 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage, unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht beigedruckten Abänderungen, abstimmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung der Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung eines neuen Absatzes 9a in § 575 in Ziffer 192 eingebracht.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 199 eingebracht.

Wer diesem Abänderungsantrag zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Wer hier zustimmt, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das die Mehrheit. Dieser Teil der Regierungsvorlage ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur getrennten Abstimmung hinsichtlich Ziffer 42, Ziffer 53, Ziffer 56, Ziffer 69, Ziffer 72, Ziffer 89, Ziffer 90, § 575 Abs. 11 und Abs. 14 in Ziffer 192 sowie Ziffern 193 bis 198 und 200 bis 202 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Fassung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das tun alle Damen und Herren. Dieser Teil ist einstimmig angenommen.

Ich stimme jetzt noch ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage, unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht beigedruckten Abänderungen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend faire Neuordnung der Rahmenbedingungen für die Erbringung zahnärztlicher Leistungen.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen weiters ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Aufnahme von Erkrankungen des Stützapparates in die Berufskrankheitenliste.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Wochengeldanspruch für freie Dienstnehmerinnen.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Nun stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1237 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen in dritter Lesung ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1367 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Jetzt stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1368 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Nunmehr stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1369 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Informationspflicht der Sozialversicherungsträger.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1370 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Jetzt stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1371 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das geschieht durch die Mehrheit. Der Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1372 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Die Kenntnisnahme dieses Berichtes erfolgt mehrheitlich.

Jetzt stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1373 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Die Kenntnisnahme erfolgt mehrheitlich. Der Ausschußantrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1236 der Beilagen, unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1374 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Abgeordneter Mag. Haupt hat dazu ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.


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Ich werde daher, wie es üblich ist, über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Abschnitt II § 148f in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt einstimmig. Einstimmige Annahme.

Ich komme jetzt zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in 1236 der Beilagen, unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1374 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Wer für diese Fassung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen in dritter Lesung ab.

Wer in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung gibt, der möge ein Zeichen geben. – Das geschieht mehrheitlich. Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Nunmehr stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1375 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Der Ausschußantrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1376 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Auch dieser Ausschußantrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1377 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Nunmehr stimmen wir noch ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1235 der Beilagen, unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1378 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Abgeordneter Mag. Haupt hat auch dazu ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde so vorgehen, daß zunächst über jene Teile abgestimmt wird, die von dem Verlangen nach getrennter Abstimmung betroffen sind, und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abgestimmt wird.

Ich lasse nun über die Ziffern 1 und 5 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Dieser Teil der Regierungsvorlage wurde mehrheitlich angenommen.

Ich stimme jetzt ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in 1235 der Beilagen, unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1378 der Beilagen beigedruckten Änderungen.


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137. Sitzung / Seite 60

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer stimmt in dritter Lesung dem Gesetzentwurf zu? – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Jetzt stimmen wir noch ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1238 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist in zweiter Lesung mehrheitlich angenommen.

Ich frage nun: Wer stimmt in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf zu? – Auch da ist die mehrheitliche Zustimmung in dritter Lesung erteilt worden. Der Entwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

17. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1230 der Beilagen): Strafrechtsänderungsgesetz 1998 (1359 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Bericht des Bundesministers für Justiz (III-74 der Beilagen) betreffend Schutz unserer Kinder aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 19. September 1996, E 20-NR/XX. GP (1360 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 329/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1361 der Beilagen)

20. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag 464/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Maßnahmenpaket zum umfassenden Schutz der Kinder (1362 der Beilagen)

21. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 667/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch BGBl. 1997/I 12 geändert wird (1363 der Beilagen)

22. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 336/A der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird (1364 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 17 bis 22 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir beginnen die Debatte mit einer Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

18.53

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch einmal das Bedauern meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß dieser so wichtige Tagesordnungspunkt erst jetzt – also eher sekundär im Vergleich zur übrigen Tagesordnung – abgehandelt wird. Mir ist völlig bewußt, daß auch die Regelung der Zahnkronen für die Bevölkerung wichtig ist. Aber ich glaube, wenn man ein Parlament sein will, das den Anspruch erhebt, von Abgeordneten hier vertreten zu sein, die ihrerseits den Anspruch erheben, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten, dann hätte sich das Thema der Kinderschändung und der Verschärfung von Strafnormen gegen die Kinderschändung wahrlich eine andere Position auf der Tagesordnung verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Smolle. )

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn Sie Ihre Zwischenrufe machen: Es ist natürlich zu hinterfragen: Wieso? Was ist denn der Grund dafür, daß Sie sich gegen unsere Bitte auf Änderung der Tagesordnung ausgesprochen haben?

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben ja heute bewiesen, wie schnell man einen Tagesordnungspunkt einflicken kann, wenn man nur will, um zu einer Lösung zu kommen. Ja, was hat Sie denn davon abgehalten, unserem sachlichen Antrag, diesen Tagesordnungspunkt an den Beginn dieser wichtigen Debatte zu setzen, zuzustimmen? Was hat Sie denn abgehalten? (Zwischenruf des Abg. Smolle .)

Meine Damen und Herren! Es kann logischerweise nur zwei Gründe geben. Der eine Grund wäre ein Bestemmverhalten nach dem Motto: "Alles, was von der FPÖ kommt, ist unreflektiert niederzustimmen." – Aber das glaube ich nicht.

Der zweite Grund könnte sein, daß doch auch unter Bedachtnahme auf die Diskussion im Justizausschuß die Koalition der inneren Ansicht ist, daß sie nicht all jene Verschärfungsmaßnahmen in Österreich eingeleitet hat, um tatsächlich ein sichtbares Signal gegen die Kinderschändung zu setzen. Und das ist das Faktum, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das, was Sie in den verschiedensten Erklärungen hinausposaunen, etwa daß es zu einer Verdoppelung der Strafandrohungen kommen werde, ist naturgemäß – Herr Bundesminister, Sie werden mir recht geben –, wenn ich die Regierungsvorlage betrachte, nur sehr bedingt richtig. Ich gestehe zu, und das findet ungeteilt unsere Zustimmung, daß die beischlafähnlichen Handlungen mit dem Beischlaf gleichzusetzen sind und daß die bisherige ungerechtfertigte Privilegierung – wenn ich so sagen darf – der beischlafähnlichen Handlungen ein Manko war, das jetzt beseitigt wurde.

Aber, meine Damen und Herren, damit kann es doch wohl nicht getan sein, denn es gibt eine Fülle von schwerwiegenden Unzuchthandlungen gegen Kinder, die nach wie vor nur mit Strafen, die man beinahe als Bagatellstrafen bezeichnen könnte, bedroht sind. Und es ist nicht nur so, daß die Strafdrohungen bei Sittlichkeitsverbrechen gegen Kinder generell zu gering sind. Es gibt ja noch die Möglichkeit der Umwandlung von Haftstrafen in Geldstrafen. Es gibt sogar die Möglichkeit von bedingter Strafnachsicht bei bestimmten, nicht zu hohen Strafen, aber schwerwiegenden Delikten. Jetzt soll auch noch der außergerichtliche Tatausgleich verkündet werden – meiner Meinung nach ein Widerspruch in sich, weil ein Strafrecht sich natürlich, wie die Bezeichnung schon sagt, auf strafbare Handlungen beziehen muß, und strafbare Handlungen, ein Kriminalstrafrecht, kann man nicht entkriminalisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das war eine Utopie des Christian Broda, die sich in der Praxis sicherlich nicht als richtig erwiesen hat. (Abg. Mag. Barmüller: Der Codex Hamurabi! Krüger, solange ihr die Konzentrationslager als Straflager bezeichnet, brauchen wir nicht darüber zu reden!)  – Herr Kollege Barmüller! Ich weiß schon, Frau Kollegin Schmidt hat vor zwei Jahren von diesem Platz aus erklärt, dieses


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Ziel von Christian Broda sei eine sehr positive Vision: und zwar die Vision von der gefängnislosen Gesellschaft. (Abg. Dr. Schmidt: Ich stehe dazu!) Sie stehen auch heute dazu, das spricht für Sie. Aber inhaltlich spricht es gegen Sie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zu den guten Punkte der Novelle; daß die Novelle in Teilen unsere Zustimmung findet, sei hier auch erwähnt. Wir Freiheitliche haben zunächst – das gebe ich zu – in der Frage des Verjährungsbeginns unterschiedliche Meinungen vertreten, weil es etliche Für und Wider gibt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson. )

Wir waren teilweise dagegen – da gebe ich Ihnen recht –, aber wir sind nach reiflicher Überlegung und auch nach einer fundierten Diskussion in unserem Klub zu dem Ergebnis gekommen, daß die Verjährungsfristen, so wie sie in der Regierungsvorlage vorgesehen sind, richtig sind und daß vor allem die Hemmung bis zum Erreichen der Volljährigkeit uneingeschränkt richtig ist. Messen Sie uns bitte an diesem hier erklärten Willen, der dem Willen unserer Fraktion entspricht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das zweite, das durchaus positiv anzumerken ist, ist die Möglichkeit der schonenden Einvernahme von Opfern von Sittlichkeitsattentaten. Auch das findet unsere ungeteilte Zustimmung.

Was allerdings nicht unsere Zustimmung finden kann, ist der generelle Geist der Regierungsvorlage. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der generelle Geist der Regierungsvorlage läuft nach wie vor auf eine Teilbagatellisierung von schwerwiegenden Delikten gegen Kinder hinaus. Ich kann Ihnen das auch beweisen.

Ich habe diese Ansicht auch im Ausschuß vertreten. Stellen Sie sich den Fall vor, daß heute jemand ein Kleinkind vergewaltigt. Der Vorsatz ist nicht von vornherein auf den Tod ausgerichtet, dieser ergibt sich aber aus der Tathandlung. Stellen Sie sich vor, daß dieser Täter damit privilegiert ist, daß diese Handlung – diese unglaubliche Handlung, die zum Tod eines Kindes führt! – nicht mit einer Strafe von 10 oder 20 Jahren oder lebenslänglich, sondern lediglich mit einer zeitlich befristeten Strafe bis 15 Jahre beziehungsweise 20 Jahre bedroht ist.

Das ist doch unglaublich! Da kommen Kinder durch Gewalthandlungen, durch Vergewaltigungshandlungen zu Tode, und das ist nicht mit einer lebenslangen Strafe bedroht!

Nehmen wir zum Beispiel den Fall einer Frau, die ihren Mann umbringt, eine Vorsatztat, etwa weil der Mann mit seiner Sekretärin auf Urlaub gefahren ist, und mehrere Tage nach seiner Rückkehr kommt es zu seiner Tötung. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Wenn das für Sie witzig ist, dann ist das Ihre Sache. Für mich, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, ist das ein sehr ernster Zugang. Wenn Sie das bagatellisieren wollen, dann ist das Ihre Sache.

Das versteht doch niemand in der Bevölkerung! Auf der einen Seite wird ein derartiger Deliktstypus, wie ich ihn gerade geschildert habe, mit einer lebenslangen Strafe bedroht, und auf der anderen Seite hat jemand, der ein Kind vergewaltigt, ja sogar ein Baby vergewaltigt, woraus der Tod resultiert, wobei der Tod nicht vornherein vom Vorsatz umfaßt war, eine geringere Strafdrohung.

Bitte erklären Sie das den Leuten! Gehen Sie hinaus und versuchen Sie, der Bevölkerung die Regierungsvorlage als Verschärfungsmaßnahme gegen Kinderschänder zu verkaufen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir laden Sie ein, unserem Abänderungsantrag, den wir heute noch im Laufe der Debatte einbringen werden, zuzustimmen. Dieser Abänderungsantrag ist vom Gedanken einer drastischen Strafverschärfung für Sittlichkeitsattentäter gegen Kinder getragen, und zwar einer Strafverschärfung dahin gehend, daß die Strafdrohungen generell um bis zu 50 Prozent angehoben werden, daß es für Kinderschänder keine bedingte Entlassung geben kann und daß es auch sonstige Umwandlungsmaßnahmen, etwa die bedingte Nachsicht, bei Kinderschändern ganz einfach nicht geben kann. Das ist wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich komme zum Schluß. Das Restrisiko der Rückfallsquote bei diesen Deliktstypen beträgt 80 Prozent. Sittlichkeitsattentäter, Kinderschänder werden, wie auch der Psychiater Rudas – der Bruder des Geschäftsführers der SPÖ – sehr anschaulich erklärt hat, bis zu 80 Prozent wieder rückfällig.

Das heißt, auch wenn das archaisch klingen mag – das habe ich auch schon mehrfach ge-sagt –: Unsere Kinder haben Anspruch auf Schutz vor diesen Typen! Diese Kinderschänder gehören weggesperrt, und wenn es sein muß, lebenslang! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Krüger! Ich habe Ihre Ausführungen so verstanden, daß Sie auch die Kernpunkte Ihres Abänderungsantrages erläutert haben. (Abg. Dr. Krüger: Dieser Antrag wird erst eingebracht! Das war eine Vorwegnahme!)  – Das war also noch nicht die formelle Einbringung. Wir haben die Verteilung verfügt, weil das ein relativ umfangreicher Antrag ist. Es wird also noch jemand ausdrücklich darauf Bezug nehmen? (Abg. Mag. Stadler: Vielen Dank, Herr Präsident!)  – Bitte.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

19.03

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Obwohl diese Novelle zeitgleich mit einem wirklich grauslichen Fall von Kindesmißbrauch in Holland zusammenfällt, ist diese Novelle keine Anlaßgesetzgebung, sondern sehr lange vorbereitet. Seit zwei Jahren tagt die Expertengruppe, die sich mit dem neuen Sexualstrafrecht befaßt hat, und diese Expertengruppe hat einen Vorschlag vorgelegt, der Gott sei Dank noch heute hier im Parlament verabschiedet werden kann.

Das Ergebnis: Das Schutzalter bleibt beim sexuellen Mißbrauch mit Unmündigen unverändert bei 14 Jahren. In der Novelle ist eine Gleichstellung der beischlafähnlichen Handlungen – Analverkehr, Oralverkehr und Penetration mit Gegenständen –, die bisher viel zu gering bestraft wurden, mit dem Beischlaf vorgesehen. Diese Handlungen sind jetzt dem Beischlaf gleichgestellt und werden daher wesentlich schärfer bestraft. Es gibt eine Bestrafung von bis zu 20 Jahren bei Todesfolge, bis zu 15 Jahren, wenn damit eine schwere Körperverletzung verbunden ist, und bis zu zehn Jahren, wenn keine Körperverletzung damit verbunden ist. – Damit kommt es also zu gravierenden Strafverschärfungen.

Für die jugendliche Liebe – und ich betone hier: dabei geht es nur um die freiwillige und gewaltfreie sexuelle Handlung unter Jugendlichen – haben wir Sonderbestimmungen geschaffen. Ich möchte das erläutern, weil es immer wieder zu Verwirrungen führt.

Diese Sonderbestimmungen lauten: Für das Petting bleibt die bisher geltende Rechtslage erhalten. Das Schutzalter beträgt 12 Jahre, der Partner darf aber nicht älter als 16 Jahre alt sein. Für den Beischlaf unter Jugendlichen, wenn der Partner nicht älter als 16 Jahre ist, wird ein neues, absolutes Mindestalter von 13 Jahren normiert. Für beischlafähnliche Handlungen unter Jugendlichen – und hier gehört die Penetration mit Gegenständen nicht dazu – haben wir das Schutzalter von 12 Jahren – derzeit geltende Rechtslage – auf 13 Jahre angehoben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Ist das nicht Mittelalter nach Ihrer eigenen Auffassung, Frau Kollegin?)

Ich betone, daß die gewaltähnlichen Handlungen, nämlich die Penetration mit Gegenständen, in der jugendlichen Liebe verboten ist. In diesem Punkt hat uns Frau Dr. Perner fachlich und wissenschaftlich beraten, und sie hat für mich beeindruckend ausgeführt, daß zur gesunden sexuellen Entwicklung von Jugendlichen und zum ersten geschlechtlichen Kontakt nicht klassischerweise solche Experimente gehören.

Wer in diesem Zeitraum, also in einem Alter von unter 14 Jahren, mit Gegenständen experimentiert, ist bereits ein Wiederholungstäter. Das heißt, das tun nur jene Jugendlichen, die selbst mißbraucht worden sind und diesen erlebten Mißbrauch sofort experimentell weiter ausüben


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wollen. Diese Spirale – daß man das, was man selber erlebt hat, wieder weitergibt – wollen wir durchbrechen, und daher verbieten wir das. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)

Wir haben uns dem freiheitlichen Antrag im Ausschuß nicht anschließen können, weil er gerade auf diesen sensiblen Punkt nicht Rücksicht nimmt. Er läßt nämlich die sexuellen Experimente bis zu einem Alter von 12 Jahren zu, verbietet aber die eigentliche Beischlafliebe, das, was man sozusagen als sexuelle Erfahrung in der Jugend natürlicherweise macht. Und das empfinden wir als eine Perversion. Dem haben wir nicht zustimmen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich begrüße, daß die Verjährungsfristen ausgeweitet werden, und auch, daß die freiheitliche Fraktion sozusagen lernfähig war und erkannt hat, daß ihre Forderungen eigentlich eine Täterbegünstigung darstellten, und daß sie sich jetzt unseren Vorstellungen anschließt.

Ich begrüße auch die opferschonende Vernehmung. Es ist wichtig, daß das entschieden ausgeweitet wird, und zwar nicht nur für Kinder, sondern auch für vergewaltigte Frauen. Es ist gut, daß sie ihrem Peiniger vor Gericht nicht mehr gegenüber treten müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)

Ich habe leider keine Zeit mehr, die weiteren Bestimmungen dieser Novelle auszuführen. Ich möchte aber betonen, daß neben dem Sexualstrafrecht auch der Förderungsmißbrauch normiert wird. Es ist künftig kein Kavaliersdelikt mehr, wenn man Subventionen mißbräuchlich verwendet.

Ich begrüße weiters, daß wir, in Anlehnung an unser geltendes Korruptionsrecht betreffend Geschenkannahme, Bestechung und verbotene Intervention, die Korruptionsbestimmungen auch auf EU-Beamte aus Österreich ausweiten und daß wir damit ein OECD-Bestechungsübereinkommen umsetzen.

Es war wichtig, daß wir im Finale dieses Frühsommers, dieser Plenarsitzungen, noch eine Einigung erzielt haben – allein schon zum Schutz unserer Kinder. Denn auch wir von der ÖVP wollen keine Milde für Kinderschänder! (Beifall bei der ÖVP.)

19.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Frau Abgeordnete! Sie haben noch eine Redezeit von 18 Minuten. Das ist die Redezeit Ihres Klubs. Soll ich das einstellen? (Abg. Dr. Schmidt: Ja, bitte, aber es ist nicht meine Absicht, es auszuschöpfen!)  – Bitte.

19.10

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Das Strafrechtsänderungsgesetz, das wir heute zu beraten haben, enthält eine Reihe von Bestimmungen, die einfach nachvollziehen. Das ist das Bedauerliche an der Justizpolitik der vergangenen Jahre, daß wir eigentlich keine Schritte setzen, die weichenstellend sind, die prägend sind, die ein Signal für die Gesellschaft geben, die auch nur im mindesten eine Vision zur Weiterentwicklung enthalten.

Von mir wurde heute schon gesagt, daß ich oft Broda in diesem Zusammenhang zitiere; ich tue das gerne wieder. Selbstverständlich ist die gefängnislose Gesellschaft eine sehr erstrebenswerte Vision. Wenn Herr Krüger nicht weiß, was das heißt, so ist das sein Kaffee. Aber unabhängig davon: Die letzten großen Reformen haben wirklich zu Brodas Zeit stattgefunden. Seither haben wir die eine oder andere Novelle gehabt, aber etwas, was den Namen "Reform" verdient, vermissen wir.

So auch heute – das Strafrechtsänderungsgesetz ist ein Nachvollzugsgesetz. Das ist bedauerlich. Wir vollziehen Änderungen nach, die aufgrund gesellschaftlicher Weiterentwicklungen notwendig sind, sowie Änderungen, die aufgrund der Rahmenbedingungen für Österreich notwendig sind, wie zum Beispiel die Neutralitätsgefährdung. Ich halte das übrigens, und zwar nicht erst jetzt aus gegebenem Anlaß, sondern schon seit Jahren, für ein Delikt, das im Strafrecht eigentlich nichts verloren hat. Neutralitätsgefährdung ist für mich etwas, was eine politische Kon


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sequenz erfordert, aber keine strafrechtliche. Sie, Herr Dr. Khol, sagen das jetzt gerne, weil Sie die Neutralität in diesem Zusammenhang auch in Frage stellen wollen. Ich habe das nie im Zusammenhang mit der Infragestellung der Neutralität gemeint, sondern von meinem Verständnis her, wozu das Strafrecht da ist. Für die Neutralitätsgefährdung meiner Meinung nach jedenfalls nicht!

Jetzt ist eine Änderung erfolgt, weil man natürlich auch Maßnahmen außerhalb die Strafbarkeit stellen muß, wenn sie aufgrund eines Beschlusses der OSZE oder aber des EU-Rates erfolgen. Also es gab eine Notwendigkeit, das zu regeln, und es ist geregelt worden.

Wir sind durch unsere EU-Mitgliedschaft auch dazu gezwungen, bei den Fördermaßnahmen eine Änderung der gesetzlichen Lage herbeizuführen und mißbräuchliche Förderungsinanspruchnahme unter Strafe zu stellen. Ich verhehle nicht, daß ich davon absolut nichts halte. Ich glaube, daß das Strafrecht dafür grundsätzlich nicht da ist. Und was mich noch besonders stört, ist, daß sogar Freiheitsstrafen vorgesehen werden müssen und wir nicht mit Geldstrafen das Auslangen finden. Das ist mir unangenehm. Ich gebe zu, in diesem Fall ist uns nichts anderes übriggeblieben, aber ich merke an, daß ich es nicht für richtig halte.

Überhaupt meine ich, daß das Strafrecht nicht die Ultima ratio, pardon nur die Ultima ratio sein soll. Wir haben zum Beispiel schon in den Jahren 1994, 1995 und 1996 Gespräche darüber geführt, was alles aus dem Strafrecht zu – unter Anführungszeichen – "entrümpeln" wäre, etwa auch die fahrlässige Krida – ich sage das auch im Zusammenhang mit dem Förderungsmißbrauch –, die im Strafrecht überhaupt nichts verloren hat. Aber da haben sich wieder Interessengruppen durchgesetzt, obwohl auch schon im Justizministerium in diese Richtung nachgedacht wurde.

Mit einem Wort: Diese Koalition – und nicht nur die Koalition, dabei hat sie die FPÖ an ihrer rechten Seite – glaubt, mit dem Strafrecht die Gesellschaft disziplinieren zu müssen. Ich glaube das nicht. Ich meine, daß das Strafrecht vor allem im privaten Bereich überhaupt nichts verloren hat. Wenn ich zurückdenke, wie vieler Diskussionen es bedurfte, um den Ehebruch aus dem Strafrecht zu eliminieren! Jetzt haben wir ihn wenigstens draußen. Was immer noch im Strafrecht enthalten ist, ist die Ehetäuschung, die Ehenötigung. Was hat der Strafrichter dabei verloren? Was ist damit getan, daß dann einer in den "Häfen" gehen muß? Es genügt durchaus, Bestimmungen zu haben, wann eine Ehe für nichtig zu erklären ist. Es genügt durchaus, wenn Sie schon die Scheidungsgründe aufrechterhalten wollen, daß man bestimmte Tatbestände definiert, die dann als Scheidungsgrund eingebracht werden können. Der Strafrichter hat nach meinem Verständnis da überhaupt nichts verloren, und wir werden daher auch in weiterer Verfolgung einer justizpolitischen Erneuerung einschlägige Anträge einbringen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist aber nicht erstaunlich, daß es keine Bereitschaft der Koalitionsparteien gibt, diesbezüglich etwas zu tun. Denn wenn insbesondere eine Fraktion glaubt, daß sie sogar die Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit dem Strafrichter durchführen kann, dann darf man sich nicht wundern, daß die sonstigen Regelungen auch so ausschauen. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Kollegin Fekter ist nicht mehr im Saal. (Abg. Dr. Fekter  – die sich im Bereich der SPÖ-Reihen befindet –: Ich bin da!) Ach, hier sind Sie. Auf der linken Seite hätte ich Sie nicht vermutet. – Ich brauche mir nur Ihre Argumentation in Erinnerung zu rufen, als es darum gegangen ist, auch einer Realität – ohnehin wieder nur nachvollziehend – Rechnung zu tragen, nämlich jener, daß die geschlechtliche Entwicklung der jungen Menschen heute weiter fortgeschritten ist, daß auch durch das gesamte gesellschaftliche Umfeld offensichtlich viel früher das Bedürfnis besteht, sexuelle Kontakte zu haben, und dieses vor allem auch ausgelebt wird.

Nun kann man sagen, das gefällt einem nicht. Ich möchte gar nicht behaupten, daß ich das für erstrebenswert halte; das ist schon richtig. Die Frage ist nur: Wie gehen wir damit um? Gehen wir so damit um, daß wir diese Kinder beziehungsweise Jugendlichen vor den Richter bringen, oder sagen wir, es muß eine andere Möglichkeit geben, sei es zu Hause – Sie reden ja immer


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so gerne von der Familie –, sei es in der Schule, sei es sonst irgendwo, erzieherisch wirksam zu werden, um die Entwicklung junger Menschen in eine andere Richtung zu unterstützen?

Und jetzt will ich gar nicht so polemisch sein, zu sagen, Sie wollen sie alle gleich einsperren, denn es wird hoffentlich keine so wahnwitzigen Richter geben, die diese jungen Menschen dafür einsperren werden. Aber haben Sie sich schon einmal überlegt, was es überhaupt heißt, sich vor einem Richter verantworten zu müssen? Glauben Sie wirklich, daß es ein positiv prägendes Erlebnis in der Entwicklung eines jungen Menschen ist, wenn man sich nach einem sexuellen Kontakt mit einem nahezu Gleichaltrigen vor einem Richter verantworten muß? Was immer dieser dann an Strafe verhängt! Ist das Ihr Verständnis? – Ihre Kinder tun mir leid, wenn ich das sagen darf. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine Sexualerziehung durch Richter halte ich nicht für richtig. Wenn sich nun die Koalition darauf verständigt hat, die Altersgrenze zumindest von 14 auf 13 Jahre herunterzusetzen und den Altersunterschied anders zu bestimmen, dann ist das eine Bestimmung, mit der wir leben können. Ich halte sie zwar für keine realitätsadäquate Bestimmung – 12 Jahre als Altersgrenze wären realitätsnäher –, aber das ist bei dieser Koalition nicht weiter erstaunlich.

Was aber viel tiefer geht, ist folgendes – und da argumentieren Sie nicht nur an der Realität vorbei, sondern da argumentieren Sie auch an Menschenrechten vorbei; diesbezüglich sind Sie auf der gleichen Ebene wie bei den Kindern –: Sie machen sich offenbar keine Vorstellung davon, was es heißt, zuzulassen, daß Kinder sich vor einem Richter verantworten müssen. Sie machen sich anscheinend aber auch gar keine Vorstellung davon, was es heißt, junge Menschen, die sexuell noch dazu anders orientiert sind als die Mehrheit, nämlich homosexuell, lesbisch oder schwul, auch noch durch das Strafgesetz zu belasten. Ich weiß nicht, ob Sie überhaupt jemals ernsthaft darüber nachgedacht haben, was das für die Entwicklung eines Menschen bedeutet, was das für sein Zurechtfinden in der Gesellschaft bedeutet. (Abg. Mag. Kukacka: Haben Sie schon über Goisern nachgedacht?)

Ich halte es für eine unglaubliche Infamie, Goisern, das heißt Mißbrauch von Kindern, in einen Zusammenhang mit homosexuellen Gemeinschaften und Liebesbeziehungen zu stellen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist jene infame Diskussionsunkultur, die zu der gegebenen Situation homosexueller Menschen in unserer Gesellschaft führt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Mißbrauch unter Homosexuellen ist genauso strafbar wie unter Heterosexuellen. Mißbrauch ist das eine Thema, Homosexualität das andere. (Abg. Dr. Fekter: Zwischen 14 und 18 wäre das strafbar!) Und Ihre ständige Vermengung dieser beiden Themen führt dazu, daß diese Menschen, die als Minderheit sowieso erst einmal mit ihrer Situation zurechtkommen müssen, auch noch durch das Strafgesetz geächtet werden. Ich halte es für menschenverachtend, wenn Sie in dieser Form an die Diskussion herangehen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Menschen mit 14 Jahren strafmündig sind, wenn Menschen mit 14 Jahren deliktfähig sind, wenn Menschen ... (Abg. Dr. Khol: Haben Sie sich je in die Familien hineingedacht? Haben Sie je gedacht, was Eltern für ihre Kinder fühlen? Ich habe drei Töchter! Ich möchte meine Töchter bewahren vor jedem Mißbrauch, und meine Söhne auch!) Ich wünsche Ihnen, daß Ihnen das gelingt. Wenn Sie glauben, daß Sie das durch den Strafrichter tun können, dann ist das ein falscher Weg. Das ist jedenfalls meine Argumentation. (Abg. Dr. Khol: Sie haben keine Kinder! Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen!) Herr Dr. Khol! Wenn Sie glauben, daß Sie die Diskussion damit bestreiten können, daß Sie mir vorwerfen, keine Kinder zu haben, dann disqualifizieren Sie sich selbst. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Nur, weil Sie uns der Infamie bezichtigen!) Es ist infam, wenn man Homosexualität und Mißbrauch gleichstellt, und Sie tun das in Ihrer Diskussionsführung. (Abg. Dr. Khol: Sie reden wie die Blinde von der Farbe!) Das glaube ich eher bei Ihnen, Herr Dr. Khol.

Wenn ein 14jähriger oder eine 14jährige sogar Privatanklage erheben darf, über die Religion entscheiden darf, aber nicht über die sexuelle Orientierung, dann ist das ein Unding in dieser Gesellschaft. Und das ist der Grund, warum ich an Sie appelliere, sich einmal mit der Situation dieser Menschen auseinanderzusetzen, sich einmal vorzustellen, in welche Situation Sie sie


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hineintreiben. Sie reden immer davon, daß sich die Liberalen mit Randthemen beschäftigen. Wir haben das nie als ein Randthema empfunden. Aber was Sie tun ... (Abg. Dr. Khol: Sie haben kein Herz für Eltern, die um ihre Kinder fürchten!)

Soll ich Ihnen etwas sagen? – Das ist eine Ebene, auf der normalerweise Freiheitliche die Diskussion führen, die sagen, daß der Bundeskanzler und Frau Ministerin Gehrer Gewalt gegen Kinder unterstützen. Das ist die gleiche Ebene, das ist das gleiche Niveau! Ich hätte Ihnen das nicht zugetraut, Herr Dr. Khol! (Abg. Smolle: Khol ist nicht im "Verfassungsbogen" drinnen! – Ruf bei den Freiheitlichen: Wir wollen nicht mit Abgeordnetem Khol verglichen werden!)

Meine Bitte ist, sich einmal wirklich damit auseinanderzusetzen und nicht an einer Ideologie festzuhalten, mit der Sie die Gesellschaft ja auch gar nicht ändern können, selbst wenn Sie es wollten. Es geht nicht! (Abg. Dr. Fekter: Aber Kinder können wir schützen! – Abg. Dr. Khol: Wir können die Kinder schützen!)

Frau Fekter! Glauben Sie, daß es ein Schutz für Menschen ist, wenn sie sich nicht trauen, nach ihrer Orientierung zu leben? (Abg. Dr. Fekter: Wenn er erwachsen ist, kann er tun, was er will!) Ist das Ihre Vorstellung von Schutz für Menschen, daß Sie ihnen ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Orientierung und ihrer Prägung machen wollen? Ist es das, was Sie unter Schutz verstehen? (Abg. Dr. Fekter: Ja!) Ich weiß, daß wir auch davon unterschiedliche Auffassungen haben. Aber ich versuche immer, mich zu hinterfragen. Versuchen Sie es auch einmal! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bin froh darüber, daß wenigstens ein Paragraph, der im Antrag der Liberalen enthalten war, nämlich der § 72 StGB, jetzt Eingang in dieses Strafrechtsänderungsgesetz gefunden hat. (Abg. Dr. Graf: Das ist ein Umfaller der ÖVP gewesen! – Abg. Dr. Khol  – zu Abg. Dr. Graf –: Da geht es um Erwachsene!) Im Antrag der Liberalen geht es zum Beispiel beim Zeugenentschlagungsrecht, bei dem der schutzbedürftige Kern ein Vertrauensverhältnis aus einer Lebensgemeinschaft ist, darum, daß Vertrauen nicht abhängig davon ist, ob es sich um eine heterosexuelle oder eine homosexuelle Lebensgemeinschaft handelt. Ich bin froh, zumindest diesen einen Schritt erreicht zu haben, und ich hoffe, daß dieser eine Schritt vielleicht auch zu einem Umdenken führt, wenn Sie begreifen, daß es um Vertrauensverhältnisse geht, also daher nicht darum gehen kann, wer dieses Vertrauensverhältnis zueinander hat, sondern daß es überhaupt gegeben ist. Ich bin froh, daß wir den § 72 in einer geänderten Form heute beschließen werden.

Nun möchte ich noch einige Bemerkungen zum Thema Mißbrauch machen. Das ist ein völlig anderes Thema als all das, wovon ich bisher gesprochen habe. Daher ziehe ich hier einen dicken Trennungsstrich dazwischen. (Abg. Dr. Khol: Solange das Schutzalter 18 Jahre ist, ist alles darunter Mißbrauch!)

Was den Mißbrauch betrifft, so glaube ich, müssen wir einander hier nicht bestätigen, daß hoffentlich alle Abgeordneten alles, was nur möglich ist, dazu tun wollen, um Kinder – nicht nur Kinder, aber insbesondere Kinder – vor Mißbrauch zu schützen. Ich warne aber davor: Es ist eine völlig falsche Denkrichtung, zu glauben, daß die Härte der Strafe automatisch mit der Qualität des Schutzes der Gesellschaft einhergeht. Das sind im Regelfall zwei völlig verschiedene Dinge. Sie tun hier immer so, als wäre die Härte der Strafe, die Höhe der Strafe automatisch auch ein höherer Schutz für die Gesellschaft. Dies ist erwiesenermaßen unrichtig. Das möchte ich einmal an die Spitze meiner Ausführungen stellen. (Abg. Dr. Khol: Stimmt nicht!) Es stimmt. Was Sie vielleicht meinen, ist das Sicherungsbedürfnis, und das ist etwas völlig anderes. (Abg. Dr. Khol: Generalprävention und Spezialprävention!)  – Herr Dr. Khol! Sie wissen ganz genau, daß gerade bei Sexualdelikten die General- und auch die Spezialprävention kaum eine Rolle spielt! Das ist eine Realität.

Tatsache ist, daß wir alle jetzt die Tatbestandsmerkmale und damit die Strafen für diese Delikte verschärfen. Ich halte das für richtig. Eine alte Forderung von uns war, die Verjährungsfristen zu verlängern – das geschieht glücklicherweise; gegen den ursprünglichen Willen der FPÖ –, und es war eine alte Forderung der Liberalen, eine schonende Vernehmung vorzusehen. Ich bin froh, daß das jetzt beschlossen wird.


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Aber ich gebe folgendes zu bedenken, worüber wir wirklich nachdenken müssen: Was tun wir mit jenen Tätern, die entlassen werden? Was tun wir mit ihnen, nachdem wir erkannt haben – und daher hängt das zusammen –, daß die General- und Spezialprävention in diesem Bereich so gut wie gar nichts zählt, Herr Dr. Khol? Denn wäre das so, dann hätten wir doch nicht jene Rückfallsquote, die Sie beklagen. (Abg. Dr. Khol: Es geht um Ersttäter!) Können Sie mir Ihre Logik erklären, auf der einen Seite zu beklagen, wie hoch die Rückfallsquote von Menschen ist, die bereits verurteilt waren, die die Strafe daher bereits gespürt haben ... (Abg. Dr. Fekter: Sind Sie für eine Zwangstherapie?)  – Selbstverständlich nicht!

Weil dem so ist, weil wir jetzt eben feststellen, daß die Rückfallsquote leider Gottes wirklich hoch ist (Abg. Mag. Stadler: Lebenslange Führungsaufsicht!)  – natürlich bei weitem nicht so hoch, wie Kollege Krüger sagt, die Zahl, die er genannt hat, ist ein völliger Unfug; aber ich gebe zu, daß es keine gesicherten Zahlen gibt –, müssen wir ernsthaft und sachlich darüber nachdenken, wie wir mit dieser neuen Erkenntnis umgehen. Aber diesbezüglich sage ich auch: Das Strafrecht muß die letzte Lösung sein, die wir hier finden. Wir sollten darüber nachdenken, wie man zum Beispiel das Unterbringungsgesetz so gestalten kann, daß es in diesem Bereich Anwendung findet.

Wenn Sie von einer Meldepflicht reden, dann frage ich mich wirklich: Wieweit wollen Sie diese Menschen noch stigmatisieren? (Abg. Jung: Unglaublich! Kümmern Sie sich nicht um die Täter, sondern um die Opfer!) Was haben Sie denn von einer Meldepflicht, wenn Sie nicht zugleich eine Therapie anbieten können? Was haben Sie denn davon, wenn sich jemand irgendwo melden muß? Dann wissen wir zwar, er wohnt dort, aber es geschieht nichts mit ihm. Das heißt, wir müssen vorher darüber nachdenken, wie wir mit diesen Menschen so reden können, daß wir sie auch auf einen anderen Weg bringen. Nur dann hätte es Sinn, daß sie sich melden. Ansonsten ist es nichts weiter als ein Stigmatisieren, und das verhindert jene Integration, die bei diesen Menschen notwendig ist. (Abg. Dr. Graf: Es geht um den Schutz der Opfer und nicht der Täter!) Selbst wenn Sie den höchsten Prozentsatz der Rückfallsquote annehmen, müssen Sie wissen, daß jedenfalls ein Prozentanteil zurückbleibt, der nur aus Ersttätern besteht. Diese in eine solche soziale Situation zu bringen, würde die Rückfallsquote erhöhen. Daher: Reden wir darüber, aber sachlich! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Jarolim. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

19.27

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Frage wurde heute schon diskutiert, und es ist, wie ich glaube, in diesem Haus auch relativ unbestritten, daß das Maßnahmenpaket, das wir heute hier mit dem Strafrechtsänderungsgesetz umsetzen werden, bezüglich der Problematik des Sexualstrafrechtes eine signifikante Verbesserung bedeutet; eine signifikante Verbesserung, die nicht alleine dasteht, sondern der schon eine Reihe von Maßnahmen vorangegangen ist. Ich denke da zum Beispiel an die strafrechtliche Ahndung des Sextourismus. Wir sind eines der wenigen Vorreiterländer in Europa, die die sexuelle Ausbeutung in Urlaubsländern hintanstellen.

Dieses Thema ist, glaube ich, relativ unumstritten – abgesehen von den Redebeiträgen der Freiheitlichen. Diese haben sich heute wirklich eindeutig disqualifiziert und aufgezeigt, daß es ihnen nicht um eine sachliche Diskussion geht, sondern, Herr Kollege Stadler, um einen nahezu ekelerregenden Mißbrauch von Vorfällen für ihre parteipolitischen Zwecke. Meine Damen und Herren! Ich halte das wirklich für entsetzlich, möchte ich sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ich bin froh, daß ich eine andere Gesinnung habe als Sie, Herr Jarolim! Die läßt mich ruhig schlafen!)

Herr Kollege Stadler! Was mich am glücklichsten macht, ist, zu wissen, daß ich mich von Ihnen maßgeblich unterscheide. Das möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen. Die Freude liegt auf meiner Seite! (Beifall bei der SPÖ.)


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Frau Kollegin Fekter! Ich möchte auch die Bestimmung des § 209 anziehen, die wir bereits seit längerem diskutieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )  Herr Kollege Graf, ich weiß nicht, ob Sie es verstehen oder nicht, aber ich glaube, daß die anderen Themenkomplexe hier wirklich ausreichend diskutiert worden sind.

Es gilt natürlich, über den § 209 wirklich sachlich zu diskutieren, und ich darf folgendes in Erinnerung rufen: Es hat bereits vor einigen Jahren eine Veranstaltung im Rahmen des Justizausschusses gegeben, zu der Fachleute eingeladen worden sind, die sich sachlich mit dieser Prägetheorie auseinandersetzen sollten, an der das aufgehängt wird, was letztlich menschenrechtswidrig ist – wie das im gesamteuropäischen Kontext bereits mehrfach festgestellt worden ist. Meine Damen und Herren! Ich lade ein, das sachlich zu diskutieren und zu versuchen, sich diesem Punkt, der meines Erachtens unerträglich ist – meine Fraktion wird heute dementsprechend reagieren –, wirklich sachlich zu nähern. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Diese Prägetheorie, die meines Erachtens der einzige wirkliche Argumentationspunkt in der Vergangenheit war, ist eindeutig widerlegt worden. Es gibt Sachverständige, wie etwa Professor Friedrich, dem man sicherlich nicht unterstellen kann, daß er ein Linker wäre, sondern der ein den bürgerlichen Werten, wie Sie hier argumentieren, durchaus verbundener Mensch ist, der sagt: Die Prägetheorie entspricht nicht den Tatsachen.

Daher fällt eigentlich der gesamte sachliche Argumentationspunkt weg. Was bleibt, ist der emotionale, Frau Kollegin. (Abg. Dr. Fekter: Das Schutzargument fällt aber nicht weg!) Nein, Frau Kollegin! Das Schutzargument geht genau in diese Richtung! (Abg. Dr. Fekter: Nein, ist ja nicht wahr!) Das Schutzargument geht in die Richtung, daß man Jugendliche durch derartige Kontakte prägt, daß man sie mehr oder weniger einer Gewalt aussetzt – was aber nicht der Fall ist.

Und ich darf bitte auch noch einmal sagen – weil auch das heute mehrfach hier erwähnt worden ist –: Überall dort, wo Gewalt angewendet wird, gibt es Bestimmungen, die diese Gewalt verhindern. Wir haben also weder in § 206 noch in § 207 Gewalt – das ist freiwillig, bitte! –, und wir haben auch bei § 209 keine Gewalt.

Wir haben auch keine Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses, wie wir es in einem Fall gehabt haben, den Kollege Stadler im Rahmen der Diskussion hier mehrfach in einer mir unerklärlichen Art und Weise verteidigt hat. Daß er sich damals, als schon das ganze Land gewußt hat, was los ist, hergestellt und gesagt hat: Lassen Sie die Hände von diesem armen alten Mann!, um heute von diesem Pult aus genau das Gegenteil zu behaupten, das, meine Damen und Herren, ist bezeichnend für Ihren Klubobmann – in spe, sage ich jetzt einmal, oder wie auch immer –, aber nicht, bitte, für diese gesamte Diskussion. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Daher, glaube ich, sollte diese Diskussion nicht zu Ende sein, sondern sie soll weiterhin geführt werden. Ich bedauere es namens meiner Fraktion zutiefst, daß da ein Übereinkommen in der Koalition nicht möglich war, aber Sie werden verstehen, daß es uns sicherlich nicht möglich ist, unsere Denkweise gegenüber der letzten Abstimmung zu ändern.

Ich appelliere aber wirklich an Sie, im Rahmen einer weiteren sachlichen Diskussion, wie wir sie zu führen gewohnt sind, Ihren Standpunkt zu überdenken. Wir haben mit dem § 72 StGB einen kleinen Schritt, würde ich sagen, in die richtige Richtung gesetzt, und es gilt nun, auch den § 209 im Herbst dieses Jahres weiterzudiskutieren, damit dieser Fleck endlich wegkommt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

19.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 12 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.32

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!


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Schon heute vormittag in der Einwendungsdebatte und mehrfach jetzt bei meinen Vorrednern, speziell auch beim Redner der FPÖ, ist es immer wieder darum gegangen, hier zu demonstrieren, daß verschärfte Strafbestimmungen etwas damit zu tun hätten, daß das Opferschutz wäre, daß das den Opfern nützen würde. (Abg. Dr. Krüger: Na sicher!)

Es ist mir wirklich nicht erklärlich, was es einem Opfer nützen soll (Abg. Jung: Dem potentiellen Opfer!)  – jetzt im eigentlichen Sinn –, denn wenn es darum geht, meine sehr geehrten Damen und Herren (Abg. Dr. Krüger: Wenn der sitzt, kann der niemanden vergewaltigen!) , potentielle Opfer vor Kinderschändern zu schützen, dann ist das Strafrecht in seinem sowohl spezial- als auch generalpräventiven Aspekt ein Mittel. Dazu bekenne ich mich selbstverständlich, dazu bekennen sich die Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, und deshalb stehen wir vorbehaltlos dazu, die Strafbestimmungen der §§ 206 und 207 heute zu novellieren. Ob das jetzt im Detail – und da möchte ich jetzt nicht noch einmal wiederholen, was Frau Dr. Schmidt gesagt hat – so gänzlich den Vorstellungen unserer Fraktion oder auch Ihrer Fraktion entspricht, lasse ich jetzt offen.

Ich gebe aber zu – aufgrund der knappen Zeit nur für die Kundigen unter Ihnen –, daß der Vorschlag, der von seiten der Bundesregierung eingebracht wurde, nämlich durch die Regierungsvorlage von Herrn Justizminister Dr. Michalek, die an den Justizausschuß gegangen ist, eher unseren Vorstellungen entsprochen hätte. Aber weil es ja kein Thema mehr gibt, bei dem nicht der Kleinkrieg oder die Auseinandersetzung in der Koalition eine wesentliche Rolle spielt, haben wir auch in den letzten Tagen und Wochen ein meines Erachtens entwürdigendes Schauspiel in der Selbstdarstellung des Parlaments – in diesem Fall sind wir davon betroffen, ohne auch nur irgend etwas dafürzukönnen; mit "wir" meine ich jetzt die Opposition –, ein dem Parlamentarismus unwürdiges Schauspiel erlebt.

Daß es uns allen hier ein Anliegen ist, Frau Dr. Fekter, Kindesmißbrauch unter strenge Strafe zu stellen (Abg. Dr. Fekter: Aber wir haben es qualitativ verbessert, Frau Kollegin, oder? – Abg. Mag. Stadler: Die Frage ist verräterisch!) , das muß ich nicht noch einmal betonen und muß ich auch nicht noch einmal wiederholen. Das zeigt sich auch in den Beiträgen, die bei den Diskussionen rund um die große Reform des Sexualstrafrechts von den einzelnen Fraktionen kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte es noch einmal sagen: Der Aspekt des Opferschutzes ist ein Aspekt. Würde man aber – und das sind meine einzigen Worte zu Herrn Dr. Krüger – diese Argumentation, die da kommt, konsequent zu Ende denken, könnte das ja nur bedeuten, daß ein Großteil der männlichen, aber auch der weiblichen Bevölkerung dieses Landes wegzusperren wäre (Abg. Madl: Ein Großteil?!) , weil diese Deliktstypen relativ häufig sind. (Abg. Dr. Krüger: Das ist eine Geisteshaltung!)

Und ich wehre mich auch dagegen, daß hier ständig sozusagen mit Zahlen gespielt und hinauflizitiert wird. Die Rückfallsquote ist ein so ernstzunehmendes Problem, speziell bei Sexualdelikten, daß man, gerade wenn man sich auf die Rückfallsquote in der Argumentation bezieht, da besonders exakt und sorgsam sein sollte.

Heute sind hier Zahlen bezüglich der Rückfallsquote genannt worden, die zwischen 20 oder 30, ja sogar bei 80 Prozent gelegen sind. Ich frage mich, meine sehr geehrten Damen und Herren: Welches Bild macht sich denn die Bevölkerung von uns, wenn hier so unseriös operiert wird? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Denn es ist wichtig, angesichts der Sorge, zum Teil auch Angst, jedenfalls aber Besorgnis, die Eltern haben, wirklich reinen Wein einzuschenken und mit den richtigen Zahlen zu operieren. Denn – und jetzt komme ich wieder auf die Opfer zurück –: Die Opfer sind es ja – und das ist es, was für mich jetzt an diesen Maßnahmen zwar nicht im Detail fehlt, aber was in diesem großen Gesamtpaket fehlt –, die da nicht enthalten sind.

Ich habe das gestern im Justizausschuß schon gesagt und möchte es hier wiederholen: Vor ziemlich genau vier Jahren sind wir hier zusammengesessen – es war damals nicht um halb acht am Abend, es war damals zwischen 5 Uhr früh und 9 Uhr vormittag – und haben über die


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Strafbestimmungen für die sogenannte – ich verwende extra das Wort "sogenannte" – Kinderpornographie diskutiert und sie entscheidend verschärft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bedauerlicherweise konnte ich in den letzten vier Jahren nicht wahrnehmen, daß das Thema Kinderpornographie auch nur im geringsten an Bedeutung in der Öffentlichkeit verloren hätte, geschweige denn in der Häufigkeit der Delikte, bloß weil es strengere Strafen gibt. Ich bedauere das unendlich, denn das ist – und da möchte ich nicht wiederholen, was die Vorredner gesagt haben – im Zusammenhang mit dem Strafrecht insgesamt und mit den Deliktstypen so ziemlich das grauenvollste und unserem Vorstellungsvermögen am weitesten entfernt gelegene Delikt, das es im Zusammenhang mit Tatbeständen im Strafrecht überhaupt gibt.

Und deshalb ist es so ernst zu nehmen, und deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, verurteile ich nicht in erster Linie bloß das, was die FPÖ tut, nämlich dieses Hinauflizitieren, wie weit man geht, ob man bis "lebenslang" geht, was dem "lebenslang" folgt, ob man das siebenmal betont und ob jemand fünfmal "lebenslang" bekommt. Das zeigt nichts anderes, als daß es nie ernsthaft darum geht, Opfer im Mittelpunkt dieser Interessen zu sehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Denn die Opfer brauchen Hilfe, und diese Hilfe bekommen sie nicht. Die Hilfe bekommt das konkrete Opfer nicht durch das lebenslange Weggesperrtsein, sondern die Opfer brauchen ganz andere Maßnahmen, die im Strafrechtsänderungsgesetz in bestimmter Hinsicht ja selbstverständlich auch miteinbezogen sind. Ich möchte betonen: Wir geben unsere Zustimmung, wenn es um die Vernehmung geht und wenn es um das geht, was im prozessualen Verfahren auch möglich ist. Aber, Herr Bundesminister, Sie wissen es, darüber hinaus wäre so viel an Einsatz notwendig. Da geht es auch um die monetäre Ausstattung der Institutionen, die sich mit Opferschutz beschäftigen, und da sind wir nicht Weltmeister, meine sehr geehrten Damen und Herren, absolut nicht. Und das ist sehr bedauerlich.

Mit demselben Impetus, mit dem wir hier jetzt alle, einschließlich meiner Person, bei den strengeren Strafen unsere Zustimmung beteuern, erwarte ich auch, daß jene, die das ermöglichen können – und das ist wahrlich nicht die Opposition –, es auch wirklich tun. Das gilt, wenn es ums Geld geht, wenn es um die Unterstützung der Kinder- und Jugendanwaltschaften geht, wenn es darum geht, die Sozialarbeiter in den Jugendämtern zu unterstützen. Das ist ein Gebot der Stunde, denn sonst sitzen wir in vier Jahren wieder da und haben das Gefühl, daß nichts geschehen ist und sich nichts geändert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wende mich jetzt dem Abänderungsantrag der grünen Fraktion bezüglich des § 209 zu. Das Schutzobjekt im Sexualstrafrecht ist wahrlich nicht die öffentliche Moral, wie es ein Großteil des Hauses versucht, uns beziehungsweise der Öffentlichkeit darzustellen. Das Schutzobjekt ist die sexuelle Integrität und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Menschen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte sich wie ein roter Faden durch das gesamte Sexualstrafrecht ziehen. Aber hier – und insofern paßt die Debatte schon – reißt dieser rote Faden. Genau das ist es nämlich, was ich vermisse beim § 209 und bei den Bestrebungen, die dahin gehen, Menschen ob der Erhaltung der moralischen Vorstellungen und der Moral, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren.

Ich bin es müde, festzustellen, wer aller nicht auch schon festgestellt hat, daß das Diskriminierung ist, und wie oft Österreich angeprangert, verurteilt und aufgefordert wurde, diesbezüglich endlich Schritte zu setzen, und ich verurteile, meine sehr geehrten Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Ihr Vorgehen. Ich verurteile es im wahrsten Sinne des Wortes, weil ich kein Verständnis dafür habe, daß Sie heute nicht zu Ihrem Wort stehen, das Sie nicht nur den Betroffenen, sondern sozusagen auch im Sinne des Prinzips der Nichtdiskriminierung und der Rechtsstaatlichkeit gegeben haben, diesen § 209, soweit es in Ihren Möglichkeiten steht, aktiv – aktiv! – abzuschaffen. Durch Nichtteilnahme oder sonstiges Jonglieren beziehungsweise aufgrund Ihrer Koalitionstreue verhelfen Sie diesem Gebot nicht zum Durchbruch. Ich verurteile das!


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Sie wissen, daß ich die persönliche Meinung jedes einzelnen von Ihnen schätze, aber ich verurteile diese Vorgangsweise trotzdem. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.) Deshalb auch unser Abänderungsantrag, den ich hiemit zur Verlesung bringen möchte:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits betreffend die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

Nach Artikel 1 Punkt 6 wird folgender Punkt 6a eingefügt:

"6a. § 209 wird aufgehoben."

*****

Das ist die einzige Lösung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe darf nicht strafrechtlich verfolgt werden (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum), und darum geht es im § 209. Es geht um ein Mindestalter, um Liebe straffrei ausleben zu dürfen. (Abg. Mag. Kukacka: 15jährige mit 14jährigen!) Das ist der Gehalt dieses Paragraphen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich aber – und es ist mir auch wichtig, das festzustellen –, daß beim § 72, beim Angehörigenbegriff, der von Frau Dr. Schmidt erwähnt wurde, sehr wohl ein Signal gesetzt wird, das meiner Ansicht nach weit über den Gehalt hinausgeht, den dieser Paragraph jetzt im strafrechtlichen Kontext hat, ein Signal der Nichtdiskriminierung und der Gleichstellung. Das ist auch wichtig, festgestellt zu werden, und all jenen, die sich dazu durchringen konnten, also auch der ÖVP, gebührt mein Respekt. Es ist ein Schritt oder eigentlich nicht ein wirklicher Schritt, sondern nur ein Schrittchen. Nichtsdestotrotz beweist es mir, daß der eingeschlagene Weg richtig ist. Wenn es aber in diesem Tempo weitergeht, dann werden Frau Dr. Schmidt und ich hier im Hohen Haus in Pension gehen, und wir werden dann noch immer nicht das erreicht haben, was in unseren Anträgen, die wir schon vor zwei Legislaturperioden eingebracht haben, steht. Deshalb bitte: Beschleunigen Sie das Tempo!

Abschließend, meine Damen und Herren, noch ein Wort zur SRÄG-Novelle insgesamt. Es sind auch andere Punkte darin enthalten, die noch gar nicht erwähnt wurden, wie etwa der Förderungsmißbrauch. Jahrzehntelang schon, seit ich lebe, gibt es Subventionen, gibt es Förderungen in diesem Land, und wenn jemand sie mißbraucht, dann wird er bestraft, sofern ein Tatbestand erfüllt ist, und wenn jemand betrügt, dann ist er ein Betrüger und wird als solcher bestraft. Jetzt plötzlich werden Subventionsnehmer und Subventionsnehmerinnen kriminalisiert, und durch die Schaffung eines neuen Tatbestandes droht die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung für eine Praxis, die es vielleicht in den letzten Jahren schon vielfach gegeben hat und die andere Lösungen mit sich gebracht hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir lehnen diese Art der Ausweitung der Straftatbestände ab, wiewohl wir aber zugeben, daß das, was Regelungsinhalt ist oder was Grund geboten hat, solche Regelungen aufzustellen, ernst zu nehmen ist, aber nicht, bitte, mit den Mitteln des Strafrechts. Das nimmt auf der anderen Seite nämlich Formen an, denen wir uns nicht anschließen können.


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Jetzt möchte ich noch meinen diesbezüglichen Abänderungsantrag zur Verlesung bringen. Er lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits betreffend die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

1. Artikel I Punkt 3, § 153b entfällt.

2. Artikel I Punkt 4 wird zu Punkt 3.

3. Artikel I Punkt 5 entfällt und die Punkte 6 bis 14 des Art. I werden zu den Punkten 4 bis 12.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In anderen Punkten dieser heute zur Diskussion stehenden Novelle gehen Sie ganz anders vor, nämlich genau umgekehrt: Da wird entkriminalisiert. Zur Vorgangsweise bei der Entkriminalisierung wird Frau Dr. Petrovic noch Stellung nehmen, denn heute steht nicht nur strengere Bestrafung von Kinderschändern auf der Tagesordnung, heute steht nicht nur die Abschaffung der Diskriminierung homosexuell liebender Menschen auf der Tagesordnung, sondern auch die Entsorgung der Neutralität auf dem Wege der Novellierung des Strafrechts. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, bereitet uns auch Sorge. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Das ist aber ein Unsinn, was Sie jetzt gesagt haben!)

19.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden von der Frau Abgeordneten Mag. Stoisits vorgetragenen Abänderungsanträge sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlungen miteinbezogen.

Jetzt hat sich Herr Bundesminister Dr. Michalek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

19.47

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Einbeziehung der beischlafsähnlichen Handlungen in das schwerer strafbare Delikt des sexuellen Mißbrauchs, wie das bei der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung schon durch die Strafgesetznovelle 1989 geschehen ist, setzt der Gesetzgeber einen deutlichen Schritt weg von der bloßen Ächtung von Verstößen gegen die Sittlichkeit hin zu einer zeitgemäßen opferbezogenen Wertung; im gegenständlichen Fall durchaus auch mit Verschärfungseffekt.

Durch den Beginn der Verjährungsfrist bei zur Zeit des Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten erst mit der Volljährigkeit des Opfers soll sowohl der besonderen Situation der Kinder und Jugendlichen, die im familiären Umfeld sexuell mißbraucht wurden, als auch den Langzeitfolgen solcher Straftaten gebührend Rechnung getragen werden. Demgegenüber mußte die Überlegung zurückstehen, daß die Beweissituation im Strafverfahren nach Ablauf vieler Jahre im Einzelfall auch eine sehr schwierige sein kann.

Die prozessualen Begleitbestimmungen des Entwurfs wollen im Interesse der Opfer von Sexualdelikten vor allem die Zahl ihrer gerichtlichen Vernehmungen möglichst auf eine einzige kontra


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diktorische und für Kinder bis zum 14. Lebensjahr zwingend schonend durchzuführende Einvernahme einschränken. Die baulichen und technischen Einrichtungen für die in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Videovernehmungen wurden inzwischen an allen Strafgerichtshöfen geschaffen.

Mit dem heutigen Gesetzesbeschluß wird ein wichtiger Teil der bisherigen Ergebnisse der von mir eingesetzten interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Reform des Sexualstrafrechts beschleunigt umgesetzt. Weitere Anpassungen des Sexualstrafrechts an die Grundgedanken der Teilreform von 1989, aber auch von heute stehen noch aus. Die Arbeitsgruppe wird ihre Überlegungen weiterführen und beabsichtigt, ihre abschließenden Vorschläge bis zum Jahreswechsel vorzunehmen.

Ein rascher Schritt zum Ausbau des Opferschutzes und der Opferhilfe soll aber noch im Herbst verwirklicht werden. Nach Vorliegen des Ergebnisses der Verhandlungen des Justizressorts mit dem Sozialressort beabsichtigt das Justizressort eine Novelle zum Verbrechensopfergesetz, mit der die Kosten für Psychotherapie von Opfern sexuellen Mißbrauchs in den Leistungskatalog dieses Gesetzes einbezogen werden sollen.

Was die Behandlung und Überwachung rückfallsgefährdeter Sexualtäter anlangt, so wurden im Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzugs eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um die behandlungsbedürftigen Fälle treffsicherer zu erfassen, die Therapiekonzepte zu überprüfen und nicht zuletzt auch die Fortbildung der medizinischen Sachverständigen zu fördern und die Nachbetreuung zu verbessern, wobei es künftig auch um ein wirksameres Zusammen- und Ineinandergreifen der psychiatrischen Versorgungs- und der zivil- und strafrechtlichen Kontrollsysteme, nicht zuletzt aber auch um eine Sicherstellung der Finanzierung zuweilen aufwendiger Therapien bei bestimmten sozialen Randgruppen gehen wird – insgesamt Maßnahmen, die wir in der nächsten Zeit noch weiter vorantreiben müssen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Graf begibt sich zum Rednerpult.)

19.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Wir halten die Pro-Kontra-Regelung ein. Frau Dr. Mertel kommt vor Ihnen. 5 Minuten. – Bitte.

19.51

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Als Familiensprecherin der SPÖ möchte ich vor allem zu jenen Bestimmungen, die einen besseren Kinderschutz betreffen, Stellung nehmen.

Tatsache ist, daß die Bestimmungen zum Sozialstrafrecht außerordentlich seriös und intensiv in einer Arbeitsgruppe, die im Justizministerium eingerichtet worden ist, erarbeitet worden sind. Ich halte es in diesem Zusammenhang auch für durchaus legitim und richtig, daß trotz einer geplanten Gesamtreform des Sexualstrafrechtes für den Kinderschutz bestimmte wichtige Punkte vorgezogen und heute beschlossen werden sollen.

Ich möchte aber für meine Fraktion auch ausdrücklich festhalten, daß die Bekämpfung aller Formen des Kindesmißbrauchs und der Gewalt gegen Kinder ein wesentlicher Bestandteil unserer Politik ist. Uns ist die Sache so wichtig und ernst, daß wir zu diesem Thema, im Gegensatz zur FPÖ, kein politisches Kleingeld einfahren möchten.

Es ist für mich auch wichtig, festzustellen, daß das Strafrecht im Rahmen des Zieles, einen bestmöglichen Kinderschutz zu erzielen, eine Ebene ist, aber daß es natürlich noch andere Ebenen gibt, wo intensive Arbeit notwendig ist. Es ist uns allen bewußt, daß das Strafrecht allein nicht ausreicht.

Bezüglich des Vorwurfes, der auch im Justizausschuß gekommen ist: Es ist nichts geschehen, es geschieht nichts!, möchte ich daran erinnern, daß die Bundesregierung vor rund einem Jahr einen Katalog von Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Mißbrauch von Kindern ausgearbeitet hat, unter anderem also – und das erscheint mir wichtig zu erwähnen – die Zusammenarbeit aller befaßten behördlichen und nichtbehördlichen Stellen, ein Systemkatalog, in dem alle


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Anzeichen von Kindesmißhandlung, sexuellem Mißbrauch und Vernachlässigung aufgezeigt werden, festgeschrieben wurde.

Ich erinnere auch daran, daß im Februar dieses Jahres von SPÖ und ÖVP ein Entschließungsantrag verabschiedet wurde, worin Punkte außerhalb des Strafrechtes festgehalten werden, zum Beispiel die flächendeckende Einrichtung von Notrufnummern für Kinder.

Drei wichtige Punkte im Rahmen des Strafrechtes, also strafrechtliche Forderungen aus diesem Entschließungsantrag werden heute beschlossen, und ich begrüße sie. Der erste Punkt ist die Verlängerung der Verjährungsfristen, wobei die Verjährungsfristen von zehn Jahren mit Eintritt der Volljährigkeit zu laufen beginnen, wohingegen – und da sieht man wieder die Widersprüchlichkeit der FPÖ zwischen Denken und Handeln – der Herr Ofner war dafür, die Verjährungsfristen lediglich auf zwei Jahre nach Eintritt der Verjährung zu erstrecken.

Ich begrüße ausdrücklich, daß der sexuelle Mißbrauch von unmündigen Personen in Hinkunft strenger bestraft wird, und ich bedauere, daß dieser Punkt der Reform bisher in der Öffentlichkeit zu wenig herausgestrichen worden ist. Ich möchte auch noch einmal eindeutig betonen, daß nie geplant war, das Schutzalter von 14 Jahren herabzusetzen, sondern es in der Debatte nur darum ging, zu prüfen, ob bei freiwilligen Kontakten Jugendlicher untereinander das Strafrecht wirklich das richtige Instrument dafür ist.

Der dritte Punkt, der erwähnenswert ist, ist die Ausweitung der schonenden Vernehmung von minderjährigen Opfern vor Gericht.

Ich bin davon überzeugt, daß die neuen Bestimmungen ein wesentlicher Beitrag dazu sind, den Kinderschutz zu verbessern, vor allem auch deshalb, weil diese Bestimmungen an vorherige Reformmaßnahmen anschließen.

Es ist mir auch ein Anliegen, hier festzuhalten und klarzustellen, daß wir nicht erst heute oder vor einem Monat entdeckt haben, daß Kinderschutz ein außerordentlich wichtiges Ziel ist. Daher erinnere ich an die Änderung von Bestimmungen und verweise in diesem Zusammenhang auf den § 64 StGB, durch den Kindersextourismus bekämpft werden kann, ich erinnere an die deutliche Verschärfung des § 207a StGB, womit pornographische Darstellungen inkriminiert werden, und an § 1328 ABGB, Schadenersatz für ideelle Schäden bei sexuellem Mißbrauch.

Was ich bedauere, und ich möchte das auch noch betonen, ist, daß es uns noch immer nicht gelungen ist, den § 209 StBG, betreffend das Schutzalter für homosexuelle Beziehungen bei Männern, abzuschaffen. Ich bedauere es deshalb, weil diese Bestimmung gegen die Menschenrechte verstößt und in Europa nirgends mehr eine ähnliche Bestimmung zu finden ist. Ich hoffe aber, daß wir vor Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht so weit sind – wir, aber natürlich auch unser Koalitionspartner –, da eine Regelung zu finden.

Ich halte es daher in der Gegenüberstellung für ausgesprochen erfreulich, daß wir mit dem Angehörigenbegriff im § 72 StBG aber doch ein deutliches Signal aussenden konnten, daß gleichgeschlechtlich orientierte Lebensweise nicht diskriminiert werden soll.

Zusammenfassend möchte ich betonen – und dies vor allem auch angesichts der Medienmeldungen in den letzten Tagen –, daß für uns im Sinne eines bestmöglichen Kinderschutzes und bestmöglicher Bestimmungen im Strafrecht nie ein Endpunkt erreicht werden kann, sondern wir uns immer anstrengen werden müssen, alles noch besser zu machen. Ich glaube aber auch, daß uns durch die heutige Reform, auch wenn sie manchmal als kleine Reform qualifiziert wird, doch wieder ein großer Schritt gelungen ist, und daß wir im Interesse der zu schützenden Kinder und Jugendlichen unseres Landes einen bedeutenden Fortschritt erzielen konnten. (Beifall bei der SPÖ.)


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19.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Graf, jetzt gelangen Sie zu Wort. Wollen Sie eine Redezeitbeschränkung haben? (Abg. Dr. Graf: 7 Minuten!) 7 Minuten. – Bitte.

19.57

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich ganz kurz mit der Frau Kollegin Stoisits beschäftigen, und zwar ganz einfach deswegen, weil die Sprache verräterisch ist.

Frau Kollegin! Sie haben hier vom Rednerpult aus behauptet, daß ein Großteil der Bevölkerung wegzusperren wäre, wenn man die freiheitlichen Forderungen umsetzt. Ich frage Sie: In welcher Gesellschaft leben Sie eigentlich, wenn Sie tatsächlich so etwas behaupten können? Es ist genau umgekehrt: Es geht hier nicht, wie Sie sagen, um das Schutzobjekt sexuelle Integrität, sondern es geht hier ausschließlich um das Schutzobjekt der Unmündigen und der Jugendlichen. Das ist es im wesentlichen.

Es gibt relativ wenige Täter, aber – das geben wir zu – sehr viele Opfer, und deswegen muß man da hart eingreifen und entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Ich habe einen Abänderungsantrag einzubringen und möchte nur kurz den Inhalt erläutern, da der Antrag bereits verteilt wurde. Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß Strafverschärfung bei Sittlichkeitsdelikten an Kindern Platz greifen soll. Ebenso sollen die §§ 201, 202, 205, 206 und 207 StGB – sie sind im wesentlichen von Kollegen Krüger schon erwähnt worden – in ihrer Strafschärfe angehoben werden. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Weiters bringe ich einen Entschließungsantrag ein – er ist ebenfalls bereits verteilt worden –, der in 28 Punkten die Vorstellungen der Freiheitlichen klar umreißt. Da gibt es schon einige wichtige Punkte, die meines Erachtens erwähnenswert sind, zum Beispiel die zentralen Meldestellen, Meldepflicht an die Amtsärzte, absolute Anzeigepflicht für Behörden, Schaffung neuer Straftatbestände für unterlassene Anzeigen sowie die Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks bei jedem Täter zur leichteren Aufklärung. – Letzteres ist nämlich das Zeichen der Zeit, das es umzusetzen gilt.

Des weiteren soll lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung für alle Personen gelten, die wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt wurden (Beifall bei den Freiheitlichen), und es soll auch – sehr wichtig! – eine verstärkte Anonymisierung der Opfer und ihrer Lebensumstände in der medialen Berichterstattung Platz greifen.

Herr Minister! Sie haben im Ausschuß zugegeben, daß damit einige Systembrüche in der Verjährung vollzogen werden, da wir es so wollen. Darin sind wir alle d’accord, das ist keine Frage.

Gerade in puncto Strafverschärfung wäre es jedoch überhaupt kein Systembruch, bei Mißbrauch mit Todesfolge lebenslange Strafhaft als Strafdrohung vorzusehen. (Abg. Mag. Stadler: Das weiß er aber auch!) Wir kennen das im Strafgesetzbuch bereits: So ist etwa in § 143, schwerer Raub, und in § 102, erpresserische Entführung, eine lebenslange Strafhaft vorgesehen, wenn Todesfolgen eintreten.

Es wäre meines Erachtens gerade heute wichtig, zu signalisieren, daß uns die infolge von Mißbrauch ums Leben gekommenen Kinder gleich viel wert sind wie die Opfer von schwerem Raub und erpresserischer Entführung. Und dafür treten wir ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie selbst haben gesagt, daß Sie in Ihrer "Strafrechtsnovellen-Findung" bereits an der nächsten Novelle arbeiten, diese betrifft ebenfalls das Sexualstrafrecht und soll offensichtlich Ende dieses Jahres eingereicht werden. Das läßt hoffen, daß zumindest die von uns verlangten Strafdrohungen doch noch umgesetzt werden. Es zeigt aber letztendlich auch, daß Sie augenscheinlich aus der Arbeit herausgerissen wurden, denn sonst hätten Sie erkennen müssen, daß keine Systemwidrigkeit im Strafgesetzbuch entstünde, wenn bei derartigen sexuellen Mißbrauchsdelikten mit Todesfolge lebenslange Strafhaft vorgesehen wäre.

Herr Minister! Da immer wieder gerade auch bei den Kollegen aus den Reihen der Grünen – Kollegin Stoisits hat es heute ebenfalls gesagt – eine nahezu – ich würde sagen – unerträgliche


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Behördenhörigkeit vorherrscht und in diesem Punkt auch die Jugendanwaltschaft erwähnt wurde, an die man sich bei derartigen Mißbrauchsdelikten wenden könne, erscheint es mir besonders wichtig, zwei Fälle kurz darzustellen, um Ihr Ministerium aufzurufen, etwas dagegen zu unternehmen.

Es gibt in Tirol einen Jugendanwalt, Magister der Theologie, den nicht nur die Freiheitlichen, sondern sehr viele maßgebliche Leute für nicht fähig halten, in diesem Amt tätig zu sein. Am 4. März 1998 erlangte er durch die Großmutter Kenntnis vom körperlichen Mißbrauch eines Buben durch seine Eltern. Er hat bis zum 25. Mai 1998, aus welchen Gründen auch immer, nachweislich nichts unternommen hat! Aufgrund des neuerlichen Einschreitens der Meldungsleger gab er in weiterer Folge die Identität des Opfers preis und konfrontierte die Täter mit den Vorwürfen. Heute tut es dieser Großmutter leid, an diesen Menschen je eine Anzeige herangetragen zu haben, denn sie lebt in ständigem Terror. Dieser Mann ist für dieses Amt wirklich unbrauchbar!

Auch Herr Mag. Christian Reumann, Jugendanwalt im Burgenland, ist meines Erachtens unbrauchbar, da er – und das halte ich wirklich bereits für infam – Zeitungsartikel im "Kurier" verhindert. Es ist ihm offenbar kraft seines Amtes möglich, zu verhindern, daß eine Unterschriftenaktion gegen Kindesmißbrauch beworben beziehungsweise ihr Inhalt beschrieben wird. Das Faktum an und für sich reicht bereits, aber seine Begründung, er habe etwas gegen Frauen, die ihren persönlichen Dreck in der Öffentlichkeit waschen wollen, ist das allerletzte, was man von einem Jugendanwalt erwartet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, daß es dringend nötig ist, diese beiden Jugendanwälte zu überprüfen, und daß man auch daran denken sollte, sie vielleicht ihres Amtes zu entheben. Sie sind, wie ich gehört habe, ohnehin nur Vertragsbedienstete; hoffentlich läuft ihr Vertrag bald aus. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen schriftlich eingebracht wurde und ausreichend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

In Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen, was mittlerweile, glaube ich, geschehen ist. Im übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

"Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Michael Krüger, Dr. Martin Graf, Dr. Harald Ofner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1359 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Vor Artikel I Ziffer 1 wird folgende neue Ziffer 1 eingefügt:

,1. Nach § 39 wird folgender § 39a eingefügt:

§ 39a. Strafschärfung bei Sittlichkeitsdelikten an Kindern.

,Wurde eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit an einem Kind begangen, so kann das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe um die Hälfte überschritten werden. Doch darf die zeitliche Freiheitsstrafe die Dauer von zwanzig Jahren nicht überschreiten.‘


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2. Nach Artikel I Ziffer 1 (neu) wird folgende Ziffer 1a eingefügt:

,1a. In § 46 wird am Ende von Abs. 4 folgender Satz angefügt:

,Eine bedingte Entlassung ist ferner bei strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit an Kindern ausgeschlossen.‘

3. Nach Artikel I Ziffer 1a wird folgende Ziffer 1b eingefügt:

,1b. In § 74 wird folgende neue Ziffer 1 eingefügt: "1. Kind: wer das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat;""

4. Nach Artikel I Ziffer 1b wird folgende Ziffer 1c eingefügt:

,1c. In § 74 erhalten die bisherigen Ziffern 1 bis 7 die Bezeichnungen 2 bis 8."

5. Im Einleitungssatz und im Text von Artikel I Ziffer 2 werden die Bezeichnungen "4a" und "4b" jeweils durch "5a" und "5b" ersetzt; in § 74 Ziffer 5a wird "Z 4" durch "Z 5" ersetzt.

6. Nach Artikel I Ziffer 5 werden folgende Ziffern 5a bis 5d eingefügt:

,5a. In § 201 lautet Abs. 3:

"(3) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge, wird die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt oder die vergewaltigte Person unmündig, so ist der Täter im Fall des Abs. 1 mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, im Fall des Abs. 2 mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Ist die vergewaltigte Person ein Kind, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen. Hat die Tat den Tod der vergewaltigten Person zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen."

,5b. § 202 lautet:

"§ 202. (1) Wer außer den Fällen des § 201 eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(2) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge, wird die genötigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt oder ist die genötigte Person unmündig, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, hat die Tat aber den Tod der genötigten Person zur Folge oder ist die genötigte Person ein Kind, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren zu bestrafen. Ist die genötigte Person ein Kind und hat die Tat den Tod der genötigten Person zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.

,5c. In § 205 Abs. 1 entfallen die Worte "weiblichen Geschlechtes".

,5d § 205 Abs. 3 lautet:

"(3) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge oder ist die mißbrauchte Person ein Kind, so ist der Täter in den Fällen des Abs. 1 mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, in den Fällen des Abs. 2 mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Ist die mißbrauchte Person ein Kind und hat die Tat den Tod der mißbrauchten Person zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen."

7. Artikel I Ziffer 6 lautet:

"6. § 206 lautet:


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"§ 206 (1) Wer mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternimmt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine unmündige Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen.

(3) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) oder eine Schwangerschaft der unmündigen Person zur Folge oder ist die unmündige Person ein Kind, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat sie aber den Tod der unmündigen Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.

(4) Übersteigt das Alter des Täters das Alter der unmündigen Person nicht um mehr als zwei Jahre, besteht die Tat nicht im Beischlaf oder in der Penetration mit einem Gegenstand und hat die Tat weder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) noch den Tod der unmündigen Person zur Folge, so ist der Täter nach Abs. 1 und 2 nicht zu bestrafen.""

8. Nach Artikel I Ziffer 6 wird folgende Ziffer 6a eingefügt:

"6a.§ 207 lautet:

"§ 207. (1) Wer außer dem Fall des § 206 eine unmündige Person zur Unzucht mißbraucht oder zu einer unzüchtigen Handlung mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine unzüchtige Handlung an sich selbst vorzunehmen, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(2) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge oder ist die unmündige Person ein Kind, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, hat sie aber den Tod der unmündigen Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen. Ist die unmündige Person ein Kind und hat die Tat den Tod der unmündigen Person zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.

(3) Übersteigt das Alter des Täters das Alter der unmündigen Person nicht um mehr als zwei Jahre und ist keine der Folgen des Abs. 2 eingetreten, so ist der Täter nach Abs. 1 nicht zu bestrafen".

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters ist der gleichfalls in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen in eben dieser Weise mit der zuvor erwähnten geschäftsordnungsmäßigen Folge geschäftsordnungsgemäß behandelt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Michael Krüger, Dr. Harald Ofner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1359 der Beilagen) betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie


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Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat umgehend Gesetzesentwürfe zuzuleiten, die zum umfassenden Schutz der Kinder folgende Maßnahmen vorsehen:

1. Einrichtung einer zentralen Meldestelle pro Bundesland, an die Ärzte alle Fälle zu melden haben, in denen ein Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht, und die entsprechende Auskünfte an Sicherheitsbehörden, Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Ärzte erteilt;

2. Meldepflicht an den Amtsarzt für alle Personen, die beruflich die Betreuung von Kindern übernommen haben (z.B. Kinderbetreuer, Lehrer, Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Schulärzte), wenn ein begründeter Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht;

3. absolute Anzeigepflicht für Behörden, die primär zum Schutz der Kinder eingerichtet sind (Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Kinder- und Jugendanwälte etc.) für alle an Unmündigen begangenen Straftaten;

4. Schaffung eines neuen Straftatbestandes der unterlassenen Anzeige für alle Personen, die der Anzeigepflicht unterliegen;

5. Einrichtung von Sonderabteilungen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung der Kinderpornographie, die auch Schein- und Vertrauenskäufe durchführen dürfen;

6. Abnahme eines genetischen Fingerabdruckes bei jedem Täter zur leichteren Aufklärung künftiger Delikte;

7. Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe für schwere Straftaten im Bereich des Kindesmißbrauchs und der Kinderpornographie;

8. Einführung erhöhter Strafdrohungen für alle Sittlichkeitsdelikte, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen wie etwa zur Herstellung von Kinderpornographie begangen werden;

9. Einführung einer besonderen Strafschärfung für Sittlichkeitsdelikte an Kindern;

10. Klarstellung, daß für Vergewaltigungen und geschlechtliche Nötigungen an Unmündigen dieselben höheren Strafrahmen gelten, wie wenn diese Delikte an Erwachsenen in besonders qualvoller Weise begangen werden;

11. Gleichstellung der Strafdrohung für Vergewaltigung mit Todesfolge mit der für schweren Raub mit Todesfolge (lebenslang);

12. Erhöhung der Strafobergrenze für geschlechtliche Nötigung von drei auf fünf Jahre (wie bei schwerer Nötigung);

13. Ausdehnung des Straftatbestandes der Schändung auch auf Opfer männlichen Geschlechts;

14. Verschärfung der Strafdrohungen im Bereich des Pornographiegesetzes für alle Formen von Kinderpornographie;

15. Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Pornographiegesetz für das öffentliche Anpreisen von Sittlichkeitsdelikten an Unmündigen (auch über das Internet);

16. gesetzliches Verbot vorzeitiger Haftentlassung und bedingter Strafen für Sexualstraftäter an Unmündigen;

17. bei psychischer Auffälligkeit des Täters, Tatbegehung mit besonderer Grausamkeit, bei Sittlichkeitsdelikten und im Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs. 1 oder 2 StGB): Verbot aller Hafterleichterungen, die mit einem unbeaufsichtigten Entfernen aus der Haftanstalt beziehungsweise dem unbeaufsichtigten Kontakt mit anstaltsfremden Personen verbunden sind und Bindung der Einleitung des Entlassungsvollzuges an eine vorhergehende gründliche Begutachtung durch


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anstaltsfremde Sachverständige und an eine darauffolgende gerichtliche Entscheidung, für die auch die anstaltsinternen Erfahrungen mit dem Häftling heranzuziehen sind; wenn das Risiko der Begehung weiterer Straftaten gegeben zu sein scheint, oder wenn eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die Tat mit besonderer Grausamkeit begangen wurde, hat sich die Entscheidung am Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu orientieren;

18. lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung für alle Personen, die wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt wurden (regelmäßige Meldungen bei den Sicherheitsbehörden; dauernde Überwachung und Kontrolle der Therapie; Verbot aller Tätigkeiten, die den Täter mit Kindern in Kontakt bringen würden; nötigenfalls elektronische Kontrolle des Aufenthalts und Bekanntgabe der Vorstrafe bei Nachbarn);

19. erweiterte Rechte des Opfers im Strafverfahren (Einbindung des Opfers als Prozeßpartei neben dem Staatsanwalt unabhängig von zivilrechtlichen Ansprüchen; Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren als Regelfall; umfangreichere und präzisere Informationsverpflichtung des Gerichtes gegenüber dem Opfer; Berechtigung zum Einbringen von Beweisanträgen; volle Akteneinsicht; Beigebung eines kostenlosen Verfahrenshilfeanwalts bei schwieriger Sach- und Rechtslage ohne Bezugnahme auf die finanziellen Verhältnisse des Opfers; volles Berufungsrecht; Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche auch in freisprechenden Urteilen; vorläufige Entschädigung durch eine vor den Zivilgerichten bekämpfbare Festlegung des Strafgerichtes nach billigem Ermessen; bevorzugte Wiedergutmachung aus der Arbeitsvergütung des Täters in Strafhaft);

20. Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bei jedem Behördenkontakt des Opfers;

21. weitestgehende Einschränkung der Zahl der Einvernahmen minderjähriger Opfer; Vernehmung nur durch erfahrene psychologische geschulte Personen;

22. bevorzugte rasche Abwicklung der Strafverfahren, um das Opfer zu schonen;

23. prinzipielle Wegweisung des Täters aus dem Familienverband zum Schutz des unmündigen Opfers;

24. Soforthilfe für das Opfer durch unmittelbar nach der Anzeige einsetzende Therapie und Betreuung auf Kosten des Täters (staatliche Vorfinanzierung);

25. Ausweitung der Leistungen des Verbrechensopfergesetzes zur Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen über das Versorgungsniveau der Krankenversicherung hinaus, zur Gewährleistung einer fairen Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme der Schmerzengeldansprüche;

26. verstärkte Anonymisierung des Opfers und seiner Lebensumstände in der medialen Berichterstattung;

27. verpflichtende Aufklärung und Warnung der Bevölkerung durch die Medien zu den bestmöglichen Sendezeiten analog zur AIDS-Aufklärung und

28. verstärkte Warnung der Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kindergärten."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

20.06

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Für viel zu viele Kinder beginnt die Kindheit nie oder endet viel zu früh. Tägliche Zeitungsmeldungen zeigen uns das in schmerzhafter Weise! Ich möchte daher zuallererst Sie, Herr Minister, bitten zu versuchen, Lösungen auf internationaler Ebene zu finden, sei es bezüglich des neuen Problems, daß im Internet pornographisches Material angeboten oder Kinderhandel betrieben wird, sei es auch, daß dem internationalen Verbrechen wirksam Einhalt geboten wird.


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Wir haben meiner Meinung nach großen Handlungsbedarf in diesem Bereich, und es kann die heutige Debatte nicht vorübergehen, ohne internationale Aktivitäten einzufordern, denn vor allem im Bereich Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie weitet sich das Problem sehr schnell aus. Wir sehen, daß die Kinder immer jünger werden und es immer mehr Anbieter gibt. Wir können dieses Problem nur gemeinsam international lösen, und wir brauchen dafür Lösungen.

Es stellt sich jedoch meiner Überzeugung nach, vor allem im Zusammenhang mit den schrecklichen Taten in den Niederlanden, nicht nur die Frage nach den Tätern, sondern ich frage auch: Wer sind die unseligen Kunden, die in Wirklichkeit der Motor dieses Marktes sind? – Sie sind anonym und machen sich mitschuldig, daß Kinder mißbraucht und solch schreckliche Taten überhaupt begangen werden.

Ich möchte noch generell auf einige Vorredner zurückkommen. Es stimmt, daß wir heute mit dem Strafrechtsänderungsgesetz einen Etappensieg gegen den Mißbrauch von Kindern errungen haben. Wir haben alle längst erwartet, daß die Verjährungsfrist bei Delikten an Kindern und Jugendlichen – erstens – endlich verlängert wird und daß es – zweitens – auch bei Sexualdelikten eine bessere und schonendere Einvernahme der Kinder gibt. Ich glaube, darin ist das Recht auf seiten der Kinder, und wir sind froh darüber, daß diese Änderungen deswegen mehr oder weniger vorgezogen wurden. Ich freue mich auch darüber, daß es beim Strafausmaß eine Gleichstellung von Beischlaf und beischlafähnlichen Delikten geben wird.

Herr Minister! Wir von der ÖVP werden sicherlich weiter fordern, daß Maßnahmen zum Schutz der Kinder getroffen werden. Sie haben es bereits selbst angesprochen, daß ein sehr wichtiger Punkt noch der Verwirklichung harrt, nämlich der vermehrte Opferschutz. Wir werden gemeinsam mit der Sozialministerin versuchen, Lösungen für die Opfer zu finden, vor allem im Bereich der Therapie.

Ich glaube, wir alle – alle Politikerinnen und Politiker dieses Hauses, egal, welcher Fraktion sie angehören – sind aufgefordert, an jenem Marathonlauf teilzunehmen, um für Kinder noch vieles mehr zu erreichen. Es werden nicht nur Gesetze dafür ausreichen, sondern wir müssen auch versuchen, die Rechte der Kinder wirklich einzufordern und ihren Schutz zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Fuhrmann und Kiermaier. )

20.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.09

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Eine Koalition hat es schon schwer. (Abg. Schwarzenberger: Bisher stimmt’s!) Sie ist aneinandergeschmiedet "in guten und in schlechten Zeiten", wie es sonst nur beim Heiraten heißt. (Abg. Gatterer: Besser als alleine sein!) Aber Sie können sich halt leider nicht scheiden lassen, während man sich bei einer Ehe schon scheiden lassen kann. (Abg. Wurmitzer: Besser als alleine zu bleiben.)

Ein Koalitionspartner kann nicht weggehen, er darf auch keine eigene Meinung haben (Abg. Schieder: Es ist nur eine Lebenspartnerschaft!), sondern sich höchstens, Herr Abgeordneter Schieder, aus dem Ausschuß leise "schleichen" (Abg. Schieder: Eine Lebensabschnittspartnerschaft! – Abg. Mag. Stadler: Ohne Erbrecht!)  – so geschehen durch die SPÖ im Justizausschuß beim Antrag der Liberalen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Mertel! Es kann also gar nicht so schlimm sein, wie Sie zuerst argumentiert haben, daß das Schutzalter für Homosexuelle nicht gesenkt worden ist, da Sie den Ausschuß verlassen haben, als der Antrag der Liberalen kam. (Abg. Dr. Mertel: Ich habe den Ausschuß verlassen? – Abg. Mag. Stadler: Die SPÖ!) Die SPÖ, Ihre Fraktion! Nicht Sie persönlich, aber Ihre Fraktion. (Abg. Dr. Mertel: Weil Sie mich so mitleidig anschauen?!)

War in diesem Haus nicht einmal die Rede vom freien Mandat? (Abg. Dr. Mertel: Das kommt aus "berufenem" Mund, Frau Primaria!) Gab es nicht einmal den Vorwurf an die "F", daß wir


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etwas unterschrieben haben, nämlich politische Verantwortung zu übernehmen? – Ich sage Ihnen jedenfalls in aller Deutlichkeit: Wir schleichen uns nicht aus dem Ausschuß, sondern wir stehen zu unserer Meinung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nachdem die SPÖ den Ausschuß verlassen hatte, kam aus den Reihen der ÖVP folgende Meldung: Wenn es wichtig ist, dann ist die SPÖ nicht da. – Das ist kein Kommentar von mir, das kam von Ihrem Koalitionspartner.

Wirklich wichtig ist und war uns aber unser Maßnahmenpaket zum umfassenden Schutz der Kinder, das wir im Ausschuß – der Herr Minister wird sich daran erinnern – als Entschließungsantrag eingebracht haben.

Kinder, so sagt Frau Professor Perner, müssen die Möglichkeit haben, ihre Sexualität in Ruhe zu entwickeln. Sie sagt weiters, daß man zwar einerseits den Mißbrauch ächte, andererseits würden aber immer jüngere Kinder im Fernsehen, in den Zeitungen und auf Plakaten zur Schau gestellt. Aufgrund vieler solcher Beispiele – sie sind bereits diskutiert worden – dürfe man sich nicht wundern, daß Kindesmißbrauch immer noch als Kavaliersdelikt angesehen werde. – Sie alle sind aber, wie ich in der Zwischenzeit weiß, meiner Meinung, nämlich daß Kindesmißbrauch niemals ein Kavaliersdelikt sein darf.

Um genau das zu verdeutlichen, fordern wir ein höheres Strafausmaß, als es im derzeitigen Strafrechtsänderungsgesetz vorgesehen ist, vor allem da, wie man weiß, viel zu oft nur die niedrigste Grenze des Strafrahmens verhängt wird. Sie kennen sicherlich jenen Fall aus der Zeitung, in dem eine Mutter ihr Kind zu einer Tagesmutter gebracht hat. Der Freund dieser Tagesmutter hat das Kind sexuell mißbraucht und dafür sechs Monate unbedingt bekommen. Sechs Monate als Strafrahmen für sexuellen Mißbrauch ist einfach zuwenig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Das ist ja das geltende Recht! Wir stimmen aber heute für die Änderung!)  – Es kann aber immer wieder der niedrige Strafrahmen ausgenützt werden, daher sind wir für eine generelle Erhöhung des Strafrahmens.

Meine Damen und Herren! Wenn ein Kind durch sexuellen Mißbrauch zu Tode kommt, dann muß der Täter meiner Meinung nach aus der Gesellschaft entfernt werden. (Abg. Dr. Schmidt: Was verstehen Sie darunter?) Es werden Ihnen alle Eltern in diesem Land darin recht geben. Er muß, wenn es zu diesem Fall kommt, einfach weggesperrt werden, weg aus der Gesellschaft. Eine Person, die ein Kind sexuell mißbraucht, gehört – wir haben bereits alle über die Rückfallsquote gesprochen, sie liegt bei bis zu 80 Prozent – unter lebenslange Führungsaufsicht, auch wenn andere Fraktionen dieses Hauses nicht dieser Meinung sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Jawohl!)

Sogar Abgeordneter Jarolim, der im Moment leider Gottes nicht anwesend ist – er ist doch da, ich sehe ihn ganz hinten sitzen – hat in der Ausschußsitzung eindeutig gesagt, die lebenslange Führungsaufsicht sei eine zu diskutierende Maßnahme. Also auch Sie, sogar die Abgeordneten von der SPÖ, sind dieser Meinung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Es ist mir sehr wichtig, daß das Opfer endlich wichtiger ist als der Täter. Das Opfer muß geschützt werden, ihm gehört geholfen, es verdient unsere Wertschätzung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen zu diesem Thema noch einen Fall erzählen. In Bad Goisern hat, wie bekannt, ein 25jähriger junger Mann ein Kind mißbraucht. In der Stellungnahme der Bewährungshilfe hieß es, der Mittzwanziger habe aus "innerer Not" agiert. (Abg. Mag. Stadler: Das ist unglaublich! Das ist unerhört!)  – Wo ist eigentlich die innere Not: beim Täter oder beim Opfer? Ich bin für den verstärkten Opferschutz. Wir sind für die Ausweitung des Verbrechensopfergesetzes zur Sicherstellung einer unentgeltlichen Behandlung der psychischen Schäden von Unmündigen.

Frau Dr. Schmidt! Das ist die von Ihnen so überheblich verachtete Ebene, auf der wir uns bewegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber Sie werden wohl zugeben, daß Arroganz Dummheit ist. Und es besteht einfach ein Unterschied zwischen einem politischen Theoretiker und jemandem, der tagtäglich mit diesem Problem konfrontiert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Aber unser Antrag wurde abgelehnt. Es gibt jedoch allerdings, so sagt zumindest der Herr Minister, über dieses Thema Verhandlungen zwischen Justiz- und Sozialministerium. Würden wir Sie nicht ständig provozieren, würden wir Sie nicht darauf aufmerksam machen, würden wir nicht an die Öffentlichkeit gehen, würden wir nicht Anfragen und Anträge stellen, dann käme diese neue Regierungsvorlage noch viel später (Abg. Dr. Fekter: Sie sind doch auf den fahrenden Zug aufgesprungen!), es wären wahrscheinlich nicht einmal Verhandlungen im Gange, Frau Abgeordnete Fekter. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Strafrechtsänderungsgesetz ist ein kleiner Schritt in unsere Richtung. (Abg. Dr. Fekter: Das haben wir vor zwei Jahren schon initiiert! Da haben Sie noch gar nicht davon gesprochen!) Sehr wichtig ist uns beim Strafrechtsänderungsgesetz vor allem – und in dieser Sache sind wir ganz Ihrer Meinung; hören Sie mir zu! – die schonende Einvernahme von Kindern. Es gibt viele Details, denen wir zustimmen können, nur nicht dem gesamten Gesetz. Aber wir werten es als Erfolg, denn wir haben Sie dazu bewegt. (Abg. Dr. Fekter: Sie haben nie einer Opferschutzbestimmung in letzter Zeit zugestimmt!) Frau Abgeordnete, Sie bewegen sich zum Glück in unsere Richtung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Schieder. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Smolle: Frau Kollegin Fekter! Jetzt müssen Sie tatsächlich berichtigen!)

20.16

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zunächst möchte ich ein paar Bemerkungen zum § 320 machen.

Erstens: Die Neufassung des Abs. 2 des § 320 im Strafgesetzbuch ist nicht so aufzufassen – darüber waren wir uns im Ausschuß alle einig –, daß durch den dritten Punkt Abs. 1 zur Gänze aufgehoben wird, sondern nur insoweit, als der Beschluß des Rates der Europäischen Union durchgeführt wird. (Abg. Jung: Einig waren wir uns nicht!)

Zweitens: Die Befürchtung der Abgeordneten der Grünen, es würde damit indirekt an der Neutralität "herumgebastelt", hat keine reale Grundlage. Die inhaltliche Grundstruktur des § 320, der im wesentlichen ein Nachvollzug von V und XIII des Haager Abkommens ist, vor allem aber auch, Frau Kollegin, der Verfassungsrang des Neutralitätsgesetzes schließen den § 320 Strafgesetzbuch von jenen Instrumenten aus, die geeignet sind, der dauernden Neutralität Österreichs neue Inhalte zu geben. Mit anderen Worten: Jeder Versuch, dem gegenwärtigen Bestand der Rechtsfolge des Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität Österreichs über eine Novellierung des § 320 neuen Gehalt zu geben, würde zu seiner Verfassungswidrigkeit führen.

Drittens: Ich möchte klarstellen – ich sage es selber, damit niemand höhnisch dazwischenrufen muß; ich richte mich damit auch an meinen Kollegen Swoboda, der vor ein paar Tagen diesbezügliche Äußerungen gemacht hat –, daß die Novellierung des § 320 Strafgesetzbuch auch Ausdruck unserer ungebrochenen Überzeugung ist, daß Maßnahmen der Friedensbewahrung und noch mehr der Friedenschaffung der Legitimation durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bedürfen.

Für den Bereich der GASP ist dies durch die eindeutigen Formulierungen des Art. XI Abs. 1, 1. und 3. Spiegelsatz, EU-Vertrag, über jeden Zweifel erhaben klargestellt. Beschlüsse nach Art. 17 im Zusammenhalt mit Art. 23 EU-Vertrag sind mit Sicherheit gemeinschaftswidrig, wenn sie den Prinzipien der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Jedes auch nur andeutungsweise In-Frage-Stellen dieser zentralen Kompetenz des UNO-Sicherheitsrates stellt die grundlegende Bedeutung des Gewaltverbotes und damit eine der Grundfesten des ohnedies fraglichen Weltfriedens in Frage. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Meine Damen und Herren! Das sollte meiner Überzeugung nach bei dieser Gelegenheit klargestellt sein.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zum § 209 sagen. Es tut mir leid, daß in dieser Hinsicht von seiten unseres Koalitionspartners keine Bereitschaft zur Änderung besteht. Ich


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komme in europäischen Einrichtungen und in anderen Ländern viel herum. Da bin ich oft in der Lage, daß ich mich für eine Bestimmung des österreichischen Rechts wirklich zutiefst schäme und daß es mir leid tut, daß Mitbürger in unserem Lande dieser wirklichen Ungerechtigkeit ausgesetzt sind.

Ich hoffe, wir werden eines Tages zu einer Änderung kommen, nicht bloß im Interesse der Mitbürger, sondern im Interesse unserer eigenen Wahrhaftigkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Mag. Firlinger trinkt aus dem auf dem Rednerpult stehenden Glas. – Abg. Dr. Mertel: Prost! – Abg. Mag. Firlinger: Danke, Frau Kollegin!)

20.20

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte zunächst auf § 165 Strafrechtsänderungsgesetz Bezug nehmen, worin es meines Erachtens um eine Verschärfung der Geldwäsche-Richtlinie beziehungsweise um deren nationale Umsetzung geht.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche stehen selbstverständlich zur Geldwäsche-Richtlinie der Europäischen Union, da sie ein taugliches Rahmeninstrument zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und zur Bekämpfung der Geldwäsche ist. Wir stehen selbstverständlich auch zur nationalen Umsetzung dieser Richtlinie in der bisherigen Form.

Man kann auch über Verschärfungen diskutieren, wie es mit dem § 165 geschieht. Allerdings denke ich, meine Damen und Herren, daß das über den reinen Tatbestand der Geldwäsche weit hinausgeht und daß darin große Gefahrenmomente verankert sind. Denn hiermit wird eine Ausdehnung auf den Tatbestand des Schwarzgeldes schlechthin vorgenommen. Das ist aber meines Erachtens ein dehnbarer Begriff, Herr Bundesminister, der kein höheres Ausmaß an Rechtssicherheit, sondern meiner Ansicht nach mehr Rechtsunsicherheit zur Folge haben wird. Das kann wohl nicht der Zweck sein, wenn man ein gutes Gesetz verabschieden will.

Warum sage ich das? – Hier geht es darum, daß beispielsweise die Hehlerei-Bestimmungen ausgedehnt werden oder – sagen wir es einmal so – das Wissensvermögen von Bankangestellten einbezogen wird. Ich glaube nicht, daß wir der österreichischen Wirtschaft, dem österreichischen Bankensektor, aber auch den Banken insgesamt einen großen Gefallen erweisen, wenn damit möglicherweise Tausende Bankangestellte kriminalisiert werden, meine Damen und Herren! Das kann es wohl nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn was wird passieren? – Nach der Regelung des § 165 werden sich jetzt einige in den Banken fürchten. Sie werden sagen: Wenn ich nicht in jeder Hinsicht hinterfrage, woher ein Sparer sein Geld genommen hat, dann riskiere ich, daß ich mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen bedroht bin. Herr Bundesminister! Was wird die Folge sein? – Es werden verstärkt Bankangestellte, die um ihre Unbescholtenheit fürchten, Meldung machen. Dann fängt die Vernaderung an, Herr Bundesminister! Dann kommt dies einer völligen Aushöhlung des österreichischen Bankgeheimnisses gleich, das ohnehin jetzt schon löcherig wie Schweizer Käse ist.

Herr Bundesminister! Hier wäre eine Abhilfemaßnahme dringend geboten. Ich wundere mich, daß angesichts der Diskussion um die Abschaffung der Anonymität keinerlei Bereitschaft der Regierungsparteien vorhanden ist – wenn man hier schon eine Verschärfung der Geldwäsche-Bestimmung vorsieht –, nicht auch gleichzeitig eine völlige Neuschaffung in Richtung eines strengeren Bankgeheimnisses vorzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das geht mir in dieser Diskussion ab, und ich halte das schlichtweg für ein großes Versäumnis.

Soviel zum § 165. – Diesem werden wir, auch wenn wir in anderen Bereichen vielfach zustimmen werden, sicherlich nicht die Zustimmung geben.


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Meine Damen und Herren! Ein paar Sätze noch zum Sexualstrafrecht: Ich kann mich einer Argumentation mit Sicherheit nicht anschließen, nämlich der verbohrten Argumentation der Liberalen und ihrer Klubobfrau Heide Schmidt. Denn da geht es in Wirklichkeit um etwas anderes. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist eine Charakterfrage!) Heide Schmidt und die liberale Fraktion monieren (Abg. Dr. Kostelka: Das ist ein Fremdwort!), daß hier dauernd sexueller Mißbrauch mit sexueller Neigung verwechselt werde. Aber diese Fraktion leistet dem selbst Vorschub, indem dauernd Anträge eingebracht werden, die in Wirklichkeit nur darauf abzielen: Schutzalter runter, runter und nochmals runter! Das kann es meines Erachtens nicht sein.

Das ist einer der Gründe, aus welchen ich dieser Fraktion nicht mehr angehöre. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Bravo! – Abg. Leikam: Da wird es wohl andere Gründe auch noch gegeben haben! – Abg. Haigermoser: Muß es aber nicht!)

20.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.26

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Angesichts der Vorfälle der letzten Wochen und der zunehmenden Fälle von Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen halte ich es eigentlich für bedauerlich, daß die Liberalen und die Grünen nach wie vor auf ihrem Antrag auf Streichung des § 209 beharren. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Eigentlich bin ich traurig darüber – ich muß das noch einmal sa-gen –, daß nicht einmal die Tatbestände des Mißbrauchsskandals in Bad Goisern – daß männliche Jugendliche, auch zwischen 14 und 16 Jahren, von einem 52jährigen mißbraucht und geschändet wurden, für den es die Höchststrafe von fünf Jahren für gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren gegeben hat – Sie zum Umdenken veranlaßt hat. Das halte ich für wirklich bedenklich, meine Damen und Herren, und auf diesem Weg wird Ihnen die Volkspartei ganz sicherlich nicht folgen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ihr Antrag, den § 209 zu streichen, würde dazu führen, daß die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehung zwischen einem 14jährigen und einem 52jährigen straffrei gestellt wird. Das muß Ihnen klar sein! Und genau das wollen wir nicht, und deshalb weigern wir uns, Ihrer Liberalisierung zuzustimmen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Was ist mit einer 14jährigen? Was ist mit Mädchen?)

Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß kein Anlaß besteht, dieses Schutzalter zu senken. Wir lassen es auch nicht zu, daß deswegen von Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten gesprochen wird. Wir verwahren uns ganz entschieden gegen jede diesbezügliche Unterstellung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht nicht um Diskriminierung, es geht nicht um Ausgrenzung, sondern es geht ausschließlich darum, ob der Schutz der Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen reduziert oder ob eine mögliche Hemmschwelle abgebaut werden soll. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Und was ist das Heruntersetzen des Alters?)

Meine Damen und Herren! Daß es uns nicht um Diskriminierung und Ausgrenzung geht, zeigt auch die Tatsache, daß wir im § 72 StGB das Zeugnisentschlagungsrecht auch auf gleichgeschlechtliche Lebensgefährten – also auch auf dauerhafte homosexuelle und lesbische Lebensgemeinschaften – ausgedehnt haben. Damit wird ganz klar der Vorwurf einer Diskriminierung aufgrund einer bestimmten sexuellen Orientierung entkräftet, und wir schaffen jene menschenrechtlichen Bestimmungen, die Sie immer von uns einfordern.

Meine Damen und Herren! Warum bekennen wir uns zur Beibehaltung des § 209? – Unserer Meinung nach hat der Staat die Aufgabe – ja die strafrechtliche Pflicht! –, männlichen Jugendlichen Schutz vor sexuellen Übergriffen Erwachsener zu gewähren. Diesen vielzitierten Homosexuellen-Paragraphen verstehen wir deshalb als Schutzparagraphen für Jugendliche und nicht als Diskriminierungsparagraphen für Homosexuelle und Lesben! (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Unbestritten muß auch sein, daß homosexuelle, aber auch sexuelle Übergriffe anderer Art in diesem Alter besonders schwer zu verarbeiten und besonders schädlich sind. Der Grund dafür, daß wir so konsequent für dieses Schutzalter eintreten, liegt auch darin, daß wir Jugendliche und Kinder vor jenen Erwachsenen schützen wollen, die an sexuellen Kontakten vor allem mit der jungen Altersgruppe Interesse haben, sogenannten pädophilen Erwachsenen, die mit ihrer Sexualstörung und Sexualneurose auch nicht vor Übergriffen auf Kinder und auf Jugendliche zurückschrecken.

Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß sich der Gesetzgeber im Zweifel für den Schutz der Jugendlichen und gegen fragwürdige Experimente mit der psychischen Gesundheit Tausender Jugendlicher zu entscheiden hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb halten wir die Streichung des § 209 für falsch. Wir lehnen dies mit gutem Gewissen ab, weil es gerade in dieser Zeit das falsche Signal wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

20.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.31

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst bringe ich das Verlangen des Abgeordneten Ofner zum gegenständlichen Strafrechtsänderungsgesetz in 1230 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes ein:

Verlangen

gemäß § 65 Abs. 5 GOG des Abgeordneten Dr. Harald Ofner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1359 der Beilagen)

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen hinsichtlich Artikel I Z 1, 2, 3, 5, 7, 8, 11, 12, 13, Artikel II Z 2, 3, 4, 5 eine getrennte Abstimmung.

*****

Herr Kollege Kukacka hat unmittelbar vor mir recht markige Töne geschwungen und den "harten Max" markiert. Ich lese Ihnen etwas vor, Herr Kollege Kukacka: Eine Herabsetzung des Beischlafalters auf 12 Jahre ist Mittelalter. – Aussendung Ihrer Kollegin Fekter. Wir sind zwar nicht im Frühmittelalter gelandet, aber im Spätmittelalter. So steht es um die Härte der ÖVP, wenn es darum geht, Versprechungen einzuhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die heutige "Presse" schreibt über das "Phantom am Ring", daß "wichtige Sitzungen letztlich immer in Chaos ausarten". So auch dieses Mal: "Strengere Maßnahmen gegen Kinderschänder und mildere gegen Neutralitätsgefährder unter einem Hut." – Zitatende.

Das kennzeichnet die heutige Sitzung sehr gut. Es geht einfach drunter und drüber. Es zeigt sich auch, daß Ihnen beide Themen offenbar nicht allzusehr am Herzen liegen. Sie wollen sie nur schnell über die Bühne bringen, die unangenehmen Themen schnell noch vor dem Sommer wegbringen. Allzuviel liegt Ihnen nicht daran. Man merkt es auch an den Debattenbeiträgen und an der Redezeit, die Sie sich beschränken, damit Sie heute früher nach Hause kommen. So sieht es in der Realität aus, meine Damen und Herren von der ÖVP!

Nun zur Änderung des Tatbestandes der Neutralitätsgefährdung, die Kollege Schieder bereits angesprochen hat – und zwar mit Recht angesprochen hat. Denn wir erleben damit nichts anderes als eine schleichende Aushöhlung der Neutralität, auch wenn das von der SPÖ immer wieder bestritten wird, weil sie es vor ihren Wählern nicht zugeben kann. In diesem Fall – das


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muß ich sagen – treibt die ÖVP die SPÖ erfolgreich vor sich her. Das ist einer der wenigen Fälle, in denen es Ihnen anscheinend wirklich gelingt, sich Schritt für Schritt einigermaßen durchzusetzen.

Was beschließen wir hier heute? – Wir haben erstens einmal die Möglichkeit verabsäumt, einen Fehler, der im Gesetz bereits vorhanden ist, zu reparieren. Denn dieses Gesetz erlaubt es in der zu beschließenden Form, daß – wenn ein Beschluß des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über militärische Maßnahmen vorliegt – auch an sich kriminelle Waffenhändler oder jemand, der in Österreich eine bewaffnete Organisation aufstellt, straffrei bleibt. Das beschließen Sie, meine Damen und Herren – wissend, daß Sie das beschließen; aus Sturheit! Denn Kollege Schieder hat einen im Prinzip gangbaren Weg vorgeschlagen, aber die ÖVP ist stur geblieben und ist ihn nicht gegangen. Warum nicht, ist einfach unbegreiflich! Vielleicht wollten Sie eine Machtdemonstration durchführen? – Das ist möglich. Dem Gesetz und dem Sinn des Gesetzes hat dies jedenfalls nicht gedient.

Der "Kurier" schreibt auch heute mit Recht: Die "Viererbande" – Herr Präsident, das stammt nicht von mir, sondern das ist ein Zitat aus dem "Kurier" –, diese "Viererbande" hat das Problem der Neutralitätsgefährdung so gelöst, daß es auch bei EU-Beschlüssen nicht mehr vorliegt. "Die SP-Schlappe ... machte das Duo Klima/Kostelka dafür bei den ärztlichen Hausapotheken wett". (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! "Viererbande"! Ordnungsruf!)

Das regt den Kollegen Khol auf. Hören Sie mir zu: Ich habe den "Kurier" zitiert! Wollen Sie mir das vielleicht verbieten, Herr Kollege Khol? – Es trifft Sie, aber offensichtlich sagen das auch schon andere als die Freiheitlichen und sprechen, wie der "Kurier" deutlich schreibt, von der "Viererbande". Das zeigt sich auch beim einheitlichen Abstimmungsverhalten. Es fällt ja der Öffentlichkeit langsam auf, daß die anderen Oppositionsparteien nur noch mit Ihnen stimmen, wenn es darauf ankommt.

Es geht Ihnen nicht mehr darum, Sachliches durchzubringen. Es geht Ihnen nur noch allgemein darum, gegen die FPÖ anzugehen. Aber es wird Ihnen nicht gelingen. Der Wähler weiß wenigstens deutlich, wo hier wirklich die Opposition sitzt und wo er dagegenstimmen kann. (Abg. Dr. Kostelka schlägt die Hände zusammen.) Klatschen Sie nur in die Hände, Herr Kollege Kostelka! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der Neutralitätsgefährdung geht es außerdem noch um etwas anderes. Es heißt in der Vorlage deutlich, daß ein Beschluß des Rates der Europäischen Union – da nimmt man Bezug auf den Amsterdamer Vertrag – ebenfalls die Möglichkeit bietet, sozusagen im Bereich der Neutralitätsgefährdung straffrei zu bleiben. – Jetzt habe ich aber noch die Versicherungen der SPÖ im Ohr, daß man niemals einem Beschluß in der EU zustimmen würde, wenn dieser neutralitätsgefährdend wäre! Wenn aber bitte ohnehin nicht so beschlossen wird und wenn Österreich nichts dergleichen vorhat, dann hätte man diesen Paragraphen gar nicht hineinnehmen müssen!

Das ist ein weiteres Zugeständnis an die ÖVP, ein zusätzliches "Schauferl" in dem Bestreben, daß die Neutralität weiter angekratzt wird. Ich stelle das nur fest. Es wird für vieles in Österreich die Arbeit erleichtern.

Nehmen Sie zum Beispiel die jetzige Situation – ich weiß, Herr Kollege Schieder wird gleich wieder sagen, daß der Amsterdamer Vertrag noch nicht von allen unterschrieben ist –, daß der ÖVP-Außenminister der EU vorsitzt, und stellen Sie sich vor, daß die EU eine Maßnahme ohne die Vereinten Nationen beschließt und Österreich nicht mitzieht! Dann hat er als ÖVP-Außenminister zwar zu vollziehen, was ihm die EU sagt, aber wir in Österreich sind dagegen und verhindern den Transfer. Bitte schön, wie soll man das in der Realität machen? – Natürlich nur durch Änderungen. (Abg. Schieder: Das würde dem 23er im EU-Vertrag widersprechen! Das geht nicht, was Sie sagen!) Wenn er das vollzieht, wird es dem sicherlich nicht widersprechen, denn sonst könnte er ja gar nicht den Vorsitz übernehmen.


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137. Sitzung / Seite 89

Sie höhlen hier Schritt für Schritt und systematisch die Neutralität aus, meine Damen und Herren! Gehen Sie endlich einmal an die Öffentlichkeit und diskutieren Sie das mit der Öffentlichkeit! Machen wir eine Volksabstimmung!

Sie werden aber – das sage ich Ihnen auch, und Sie haben es in der letzten Sitzung schon gehört – von der SPÖ gelegt werden. Man wird kurz nach dem EU-Vorsitz Wahlen machen, man wird das NATO-Thema an die Spitze stellen, und Sie werden nicht die Zeit gehabt haben, der Öffentlichkeit klarzumachen, wie die Situation aussieht. Die SPÖ wird nach diesen Wahlen auf Ihre Kosten der lachende Dritte sein. Wir können uns das in Ruhe anschauen. Sie werden draufzahlen, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines ist jedenfalls sicher: Sie werden uns nicht dazu bringen, von diesem Thema abzugehen. Wir werden es Ihnen immer wieder vorhalten, auch wenn Sie hier einmal ausnahmsweise erfolgreich gegenüber der SPÖ waren. Da hat sich die SPÖ – so ähnlich wie beim künftigen Generalstabschef – entweder von Ihnen übertölpeln lassen, ist über den Tisch gezogen worden oder sonst irgend etwas. Da haben Sie sich durchgesetzt. Aber im Sinne der Rechtsklarheit und im Sinne der Rechtssicherheit ist dieser Beschluß heute sicherlich nicht günstig.

Wir werden ihm auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.37

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! In aller Kürze zur Neutralitätsgefährdung: Die Beteuerungen der SPÖ, man würde die Änderung des Artikels 23f B-VG – die Eröffnung der Möglichkeit von Kampfeinsätzen unter Beteiligung von Österreichern im Rahmen der GASP – nur auf Basis eines UN- oder OSZE-Beschlusses machen, waren falsch (Abg. Schieder: Nein!), denn sonst bräuchten wir diese Änderung im StGB nicht.

Leider stimmen auch die Ausführungen meines Vorredners. Mit dieser Regelung eröffnen Sie nicht nur die Möglichkeit der Teilnahme von Österreichern an EU-Kampfeinsätzen und damit die Parteinahme für eine Kriegspartei auf ausländischem Territorium, sondern Sie ermöglichen es auch privaten Waffenhändlern, aus sehr lukrativen Gründen in Konflikte einzugreifen, ohne sich strafbar zu machen. Ich halte das für wirklich verantwortungslos! (Beifall bei den Grünen.)

Ich bringe daher einen Antrag ein, der sehr kurz ist und der den verbalen Beteuerungen der Sozialdemokraten entspricht, aber nicht dem, was Sie tun. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits betreffend die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

Artikel I Punkt 14 (§ 320) entfällt.

*****


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137. Sitzung / Seite 90

Wir wollen die Bestimmungen zur Neutralitätsgefährdung nicht noch weiter aufweichen, als das im Golfkrieg ohnehin schon geschehen ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schieder: Das halte ich für gescheit!)

Ein Wort auch zum Sexualstrafrecht: Frau Abgeordnete Dr. Povysil! Persönlich nehme ich Ihnen ja Ihre Motivation ab, aber was daraus geworden ist, ist teilweise halbherzig und nicht mehr ernst zu nehmen. Wir haben – ich glaube, es war die 50. oder 51. ASVG-Novelle – in diesem Hause die Psychotherapie auf Krankenschein beschlossen. Das ist noch kein vollwertiger Ersatz für eine echte Hilfe für Verbrechensopfer, aber das wäre eine Möglichkeit, zumindest einmal diesen Opfern von Verbrechen beizustehen.

Woran ist die Psychotherapie auf Krankenschein gescheitert? – Daran, daß die Ärzteschaft nicht bereit war, Krankenkassenverträge zu angemessenen ökonomischen Konditionen abzuschließen. (Abg. Dr. Leiner: Das sind ja Psychologen und keine Ärzte!)

Frau Dr. Povysil! Wenn es Ihnen mit dem Opferschutz ernst ist – Herr Dr. Leiner! –, dann machen Sie sich in der Ärztekammer dafür stark, daß man zumindest den Verbrechensopfern diese Hilfe tatsächlich zuteil werden läßt. Das wäre glaubwürdig! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verwechseln Ärzte mit Psychologen!)

Noch eines, und das wäre ein erster Schritt: Wenn es mit der Hilfe ernst gemeint ist, dann sollte meiner Ansicht nach insbesondere die Ärzteschaft hier im Parlament mit gutem Beispiel vorangehen.

Ein weiteres: Ich habe die Dringlichen Anträge der Freiheitlichen vom 7. Juli – damals war das der Antrag Povysil – und von heute – jenen Antrag, der jetzt nicht zum Tragen kommt, sondern als normaler Antrag eingebracht wird – miteinander verglichen. Ganz merkwürdig sind dabei die Differenzen – abgesehen von dem, was heute ohnehin beschlossen wird –: Der Antrag Povysil vom 7. Juli hat eine Passage enthalten, die heute im Antrag Schweitzer nicht mehr enthalten ist, nämlich die Passage, daß Personen, Organisationen und Medien, die Pornographie und pornographische Darstellungen aller Art herstellen, zeigen, anpreisen, verherrlichen, zugänglich machen oder unterstützen, von jeder Förderung aus öffentlichen Mitteln ausgeschlossen sind. – Pornographie, nicht Kindesmißbrauch – Ihr eigener Antrag!

Wir haben Sie darauf aufmerksam gemacht. Das hätte auf die Freiheitliche Partei Niederösterreich absolut zugetroffen. (Abg. Mag. Stadler: Ach so?) Sehr merkwürdig: Diese Passage fehlt jetzt. So "glaubwürdig" sind Sie in ihren Anträgen! (Abg. Dr. Graf: Da geht es um öffentliche Gelder ...!)

Ein Allerletztes in Richtung des Abgeordneten Kukacka: Sie sind da in einem sehr unseligen Bündnis, das wird Ihnen auch Ihr Klubobmann Khol aus der Präsidiale berichten können. Herr Abgeordneter Kukacka! Mißbrauch muß immer strafbar sein. Handlungen gegen den Willen einer Person sind immer strafbar. Es ist die Frage, wo das Schutzalter liegt. Wenn Sie hier für eine verquere Sexualmoral eintreten, in der offenbar junge Frauen, die Kontakte sexueller Art mit wesentlich älteren heterosexuellen Männern haben, weniger schutzwürdig sind, dann muß ich sagen: Die ÖVP vertritt offenbar die Sexualmoral älterer männlicher heterosexueller Lustmolche. – Dazu sage ich: Nein, danke! (Beifall bei den Grünen.)

20.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist daher geschlossen.

Es liegt auch kein Schlußwort des Herrn Berichterstatters vor.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein, welches ein bißchen länger dauern wird. Ich bitte daher die Damen und Herren, jeweils ihren Platz einzunehmen.


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137. Sitzung / Seite 91

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehmen werde.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1230 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1359 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge eingebracht.

Weiters hat der Abgeordnete Dr. Ofner ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen Zusatz- sowie Abänderungsanträge eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die Zusatzanträge – und zwar der Reihe nach –, dann über die von den Abänderungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – und zwar ebenfalls der Reihe nach – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung neuer Ziffern 1a bis 1c in Artikel I eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Ziffern 5a bis 5d in Artikel I zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer neuen Z 6a in Artikel I eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht (die Abgeordneten der SPÖ verlassen geschlossen den Saal. – "Ah"-Rufe bei den Freiheitlichen) , der die Einfügung einer neuen Z 6a in Artikel I betreffend die Aufhebung des § 209 zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. (Abg. Dr. Petrovic: Auszählung!)

Es wird Auszählung verlangt. Ich komme diesem Verlangen selbstverständlich nach.

Für diesen Antrag stimmen 12 Abgeordnete. Gegen diesen Antrag stimmen – ich bitte, da mitzuzählen (Abg. Dr. Khol: Wir sind komplett! – Heiterkeit bei der ÖVP)  – 61 Damen und Herren Abgeordnete. – Der Antrag ist damit abgelehnt. (Abg. Dr. Khol: Wieviel? Das gibt es nicht! – Die SPÖ kehrt in den Saal zurück.)

Meine Damen und Herren! Das Abstimmungsverfahren geht weiter. Daher bitte ich ... (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!)

Bitte, zur Geschäftsbehandlung.


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137. Sitzung / Seite 92

20.48

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! 51 ÖVP-Abgeordnete und 30 freiheitliche Abgeordnete können zusammen nicht 61 ergeben. (Abg. Schwarzenberger: 81 sind es!)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Moment, bitte! (Abg. Dr. Petrovic: Noch einmal auszählen! – Rufe bei den Freiheitlichen: Wiederholung!) Meine Damen und Herren! Darf ich kurz um Ruhe bitten.

Meine Damen und Herren! Es ist keine Wiederholung notwendig, sondern nur eine Abklärung, nämlich mit dem, was ich auch notiert habe. Ich bitte noch einen Moment um Geduld. (Abg. Mag. Stadler: 84 sind es! – Abg. Dr. Schmidt: Sie haben enunziert, Herr Präsident! Was wollen Sie jetzt noch? – Abg. Tichy-Schreder: Richtig zählen!)

Ich wiederhole: Es wurden von den Beamten übereinstimmend 61 Nein-Stimmen gezählt. (Abg. Kiss  – in Richtung der Freiheitlichen deutend –: Bei uns sind es 51, dort sitzen 30! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich darf darauf zurückkommen und Sie um Ruhe bitten. Meine Mitzählung ergab 81. Mir ist von den Beamten "61" gesagt worden, und ich habe diese Zahl – ich gebe zu, nahezu automatisch – wiederholt. Somit ist "61" enunziert worden.

Ich stelle aber jetzt richtig, daß es nach meiner Zählung 81 Gegenstimmen waren. (Abg. Ing. Maderthaner: Das stimmt!) Denn es ist tatsächlich so, daß die Addition der jetzt nach Klubstärke möglichen Anwesenden und auch der Augenschein das Ergebnis von 61 relativ unwahrscheinlich machen.

Ich stelle daher meine Enunzierung insoferne richtig, als zwar 12 Prostimmen vorhanden waren, aber 81 Gegenstimmen.

Wir fahren nun im Abstimmungsverfahren fort.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Art. I Z 1 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. I Z 2 bezieht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dem ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über Art. I Z 2, nun in der Fassung der Regierungsvorlage.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben eine Abänderungsantrag betreffend die Streichung der Z 3 und der Z 5 in Art. I eingebracht.

Ich ersuche die Damen und Herren, die dafür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Damit erübrigt sich auch eine Abstimmung über die beantragte Änderung der Ziffernbezeichnungen in Art. I.


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137. Sitzung / Seite 93

Wir kommen nun zur Abstimmung über Art. I Z 3 und Z 5 in 1230 der Beilagen, und zwar unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1359 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. I Z 6 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über Art. I Z 6 in 1230 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1359 der Beilagen beigedruckten Abänderungen abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Art. I Ziffern 7, 8, 11 bis 13 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinhellig so angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Z 14 in Art. I betrifft.


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137. Sitzung / Seite 94

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über dieselbe Gesetzesbestimmung in 1230 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1359 der Beilagen beigedruckten Abänderungen abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um entsprechendes Zeichen. – Das erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Art. II Ziffern 2 bis 5 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in 1230 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1359 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, den vorliegenden Bericht III-74 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1361 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie Ihre Zustimmung erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1362 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1363 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt mit Stimmenmehrheit. Angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1364 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Diese Zustimmung erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

23. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 802/A der Abgeordneten Dr. Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (1381 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun den 23. Punkt der Tagesordnung auf.

Ich gehe davon aus, daß auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet wurde.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Pumberger vor. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. – Bitte.

20.56

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat bei diesem Abstimmungszeremoniell ganz deutlich gesehen, wie die Arbeit der sogenannten großen Koalition – der ehemaligen großen Koalition – funktioniert und wie einig man sich ist: Wenn ein überraschender Oppositionsantrag kommt, dann sind Sie ganz schlicht und einfach zu feige, die Stirn zu zeigen, und eine ganze Fraktion, die staatstragende SPÖ-Fraktion, die stärkste Fraktion in diesem Hohen Haus, weigert sich, ihr Stimmverhalten bekanntzugeben und zieht aus dem Plenarsaal aus. Das ist wirklich beschämend! (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Rasinger: Niedersetzen! Abg. Schieder: Es ist nicht in Ordnung, daß Sie sagen: "zu feige!")


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137. Sitzung / Seite 95

Es ist wirklich beschämend, wenn man nicht das Rückgrat hat, dafür, wofür man steht, auch einzustehen und entsprechend zu stimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abgesehen davon haben uns die diversen Präsidenten des Nationalrates immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß während des Abstimmungsvorganges kein Abgeordneter den Saal betreten darf. (Abg. Schieder: Herr Präsident! Er spricht nicht zur Sache, sondern zum Abstimmungsvorgang!) An und für sich hätte die gesamte SPÖ-Fraktion also draußen bleiben müssen. Das hätte ihr besser angestanden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber wie beim § 209 war es auch bei der Regelung betreffend Hausapotheke! Genauso war es! (Abg. Schieder: Herr Präsident! Schreiten Sie ein! Er soll nicht dauernd zum Abstimmungsvorgang, sondern zur Sache sprechen! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Kollege Schieder! Ich kann durch die Zwischenrufe wirklich nichts hören! Aber sollte dies der Fall sein, dann bitte ich, zum Thema zu sprechen! (Abg. Mag. Stadler: Warum schwitzen Sie so, Herr Abgeordneter Schieder?)

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (fortsetzend): Ihr Transpirieren ist völlig unnötig, Herr Kollege Schieder, denn ich bin schon längst bei der Sache! Einen Vergleich zwischen der einen Gesetzesmaterie und jener der Hausapotheken wird man wohl noch herstellen dürfen! Denn es ist zu einem Abtausch von Interessen zwischen Rot und Schwarz gekommen! Die SPÖ hat gesagt: Wir wollen unbedingt, daß ab 1. Jänner 1999 die staatlichen beziehungsweise verstaatlichten Zahnambulatorien im Sinne einer Ausweitung der Staatsmedizin auf die Zahnkronen eine Privatleistung erbringen dürfen, und als Gegenleistung hat man der ÖVP in einem wirklich sehr schnellen, aber nicht ausgereiften Verfahren zugesagt, daß die Sache der Hausapotheken durchgehen wird. Kollege Rasinger sitzt bereits in der ersten Reihe, denn mit kräftiger Unterstützung seines Klubobmannes Khol ist ihm das gelungen. Er hat wirklich dafür gekämpft, dafür gebührt ihm als Präsidialreferenten der Wiener Ärztekammer Lob und Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Rasinger: Du hast keine Hausapotheke, ich habe eine!)

Ich meine, daß man sich vorher auch einmal die Hintergründe hätte genauer ansehen sollen. Als hausapothekenführender Arzt bin ich davon überzeugt – das habe ich heute vormittag schon gesagt – , daß in ländlichen Gebieten, wo es keine Transportmöglichkeiten und Verkehrsverbindungen gibt und die Kranken und Behinderten keine Möglichkeiten haben, zur oft vier bis sechs Kilometer entfernten Apotheke zu fahren, eine Hausapotheke sehr wohl ihre Berechtigung hat und eine entsprechende gesetzliche Absicherung dieser Hausapotheken notwendig war und ist.

Ich hätte mir jedoch eine ausgereiftere Gesetzesvorlage gewünscht, denn ich weiß nicht, wie es beispielsweise gehandhabt wird, wenn ein Arzt in einem Ort seine Praxis eröffnet, sie einrichten und entsprechend in sie investieren muß und es noch keine öffentliche Apotheke gibt. Er muß Millionen investieren und auch zusätzliche Investitionen wegen der Einrichtung der Hausapotheke vornehmen, aber schon ein Jahr später kann ihm der Arzneimittelverkauf abhanden kommen, denn die Gültigkeit der Bestimmung tritt ab 1. 6. 1998 und nicht ab dem Eröffnungszeitpunkt der Niederlassung der öffentlichen Apotheke ein.

Das ist eine Ungereimtheit, aber es gibt auch noch viele andere Ungereimtheiten. Daher hätte man sich die Zeit nehmen sollen, über den Sommer genauere Überlegungen anzustellen. Die ÖVP hat ja bereits Abstriche gemacht. Meines Erachtens wäre wegen der Übergangsgerechtigkeit in Ausnahmefällen eine Übergangszeit von bis zu 15 Jahren gerechtfertigt gewesen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger. ) Der Vertrauensschutz war notwendig, das gebe ich ohne weiteres zu. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger. ) Herr Kollege Rasinger! Du hast ja dann Zeit, deine Argumente vorzubringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Ich bin einerseits froh, daß eine Teilregelung getroffen wurde. Das sage ich ganz offen. Ich bin jedoch betrübt darüber, daß man sich nicht noch zwei Monate Zeit lassen konnte – auch dann wäre es nicht zu spät gewesen –, um eine definitive Regelung auf den Tisch zu legen, mit der alle Parteien, nämlich sowohl die Ärzte als auch die Apotheker und vor allem die Patienten hätten leben können. Kollege Rasinger! Dieses Gesetz entsteht nach der Devise: "Über mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen


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137. Sitzung / Seite 96

befragen Sie Ihren Arzt oder Ihren Apotheker". (Abg. Dr. Schwimmer: Aber nicht Pumberger!) Die Antwort werden Sie vom Wähler bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.02

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das Verfassungsgerichtshofsurteil vom März 1998 ermöglicht den Apothekern Niederlassungsfreiheit. Andererseits würde ohne Änderung des Apothekengesetzes bei manchen Hausapotheken eine sofortige Schließung erfolgen müssen.

In den letzten Monaten ergoß sich über viele Abgeordnete eine Flut von Argumenten von seiten der Apotheker und von seiten der Ärzte. Der Bevölkerung wäre es am liebsten, wenn beide Alternativen nebeneinander bestünden. Daher muß der Gesetzgeber einen tragbaren Kompromiß finden, um allen gerecht zu werden und das wirtschaftliche Überleben von Ärzten und Apothekern zu sichern. Nun könnten die Vertreter beider Seiten gleich zufrieden oder unzufrieden sein. Da man aber prinzipiell mit dem Gesetzgeber eher unzufrieden ist, nehme ich die zweite Version an, obwohl Zufriedenheit angezeigt wäre.

Die "F"-Opposition und vor allem Sie, Herr Pumberger, haben im Ausschuß verkündet, daß vielleicht ein Abänderungsantrag eingebracht wird und Sie diesem Antrag nicht zustimmen wollen. Ihre wahre Meinung erfuhren wir nicht. Ich vermute, daß es innerhalb der "F" Uneinigkeit über eine Entscheidung gibt. Daher war es für Sie die beste Entscheidung, keine Entscheidung zu treffen, denn wie üblich können Sie dann opportunistisch beiden Kontrahenten versichern, daß Sie ohnedies deren Position und Argumente vertreten hätten, die bösen Regierungsparteien aber leider trotz heftiger Proteste der Freiheitlichen sowohl gegen die Ärzte als auch gegen die Apotheker entschieden haben. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Und Sie hätten auch nicht bis zum Herbst gewartet, wenn in Ihrem nahen Umkreis eine öffentliche Apotheke geöffnet hätte und Sie dann Ihre Hausapotheke hätten schließen müssen! Sie warten sehr leicht, wenn andere Hausapotheken betroffen sind, denn Sie legen nur auf Ihre eigene Wert. Die anderen sind Ihnen gleichgültig! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Sie können sich nachher zu Wort melden und reden. Unterbrechen Sie nicht immer, Sie unhöflicher Mensch! – Ich weiß, unhöflich ist bei Ihnen, wenn man ans Genitale greift, aber Sie sind auch sonst unhöflich! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Hausapotheken, die vor dem 1. 6. 1998 bestanden, kann der jetzige Betreiber auf jeden Fall bis 31. 5. 2008 führen. Es gibt also Rechtssicherheit, und wer nachher eröffnet, weiß auch, daß er unter Umständen jederzeit schließen muß. Die Apotheken, die aufgrund eines Bescheides vor dem 31. 5. 1998 im Vertrauen auf das Apothekengesetz in Betrieb genommen wurden, finden die erwarteten Umstände vor.

Jeder Mensch hat das Recht, bei seiner Existenzplanung einen gewissen kalkulierbaren Zeitraum vorzufinden. Die Ärzte haben jetzt zehn Jahre Zeit, sich umzustellen, und die Apotheker wissen ebenfalls, daß sie im Fall von Neugründungen bis Mai 2008 mit Konkurrenz rechnen müssen. Was spricht also für das eine, und was spricht für das andere? – Bei den Apotheken ist das Vier-Augen-Prinzip gegeben, sie verfügen über ein größeres Sortiment und sind ganzjährig geöffnet. Den PatientInnen im ländlichen Raum sind jedoch die Hausapotheken willkommen, denn so ersparen sie sich Wegzeiten und können immer von ihrem Arzt problemlos mit Medikamenten versorgt werden, was gerade für weniger mobile Menschen äußerst wichtig ist. Das geringere Sortiment stört sie nicht, da ein Arzt in der Regel nur jene Medikamente verschreibt, deren Handhabung ihm vertraut ist. Eine öffentliche Apotheke hat einen höheren Umsatz und schafft zusätzliche Arbeitsplätze. Daher ist es so wichtig, das richtige Augenmaß zu wahren und niemanden zu benachteiligen.

Mit dieser Apothekengesetzänderung ist es gelungen, dem Vertrauensschutz Rechnung zu tragen und Übergangsgerechtigkeit zu schaffen. Durch dieses Gesetz werden Versorgungs


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137. Sitzung / Seite 97

lücken verhindert, und es dient dem Wohle der größten Gruppe der zu versorgenden Bevölkerung. Wir freuen uns, daß am letzten Plenartag noch derart wichtige Gesetze von uns verabschiedet werden.

Zu guter Letzt wünsche ich Ihnen allen, insbesondere der Frau Bundesministerin und ihrem Team sowie allen Parlamentsmitarbeitern schöne und erholsame Ferien und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.07


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137. Sitzung / Seite 98

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. Frau Abgeordnete, Sie sprechen von Ihrem Platz aus. – Bitte, Sie haben das Wort.

21.07

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Diskussion um die Hausapotheken eingehe, möchte ich feststellen, daß das Zustandekommen der Lösung betreffend Hausapotheken und Zahnkronen, das, was sich vor wenigen Minuten abgespielt hat, die Uneinigkeit der Koalition deutlich widerspiegelt. Das Motto lautet: "Ihr bekommt die Zahnkronen, dafür kriegen wir die Hausapotheken." – Das ist das Ergebnis. Und wenn man sich bei einigen Punkten nicht einig wird, weil man keine Möglichkeit zum Abtausch hat, dann zieht man zum Beispiel aus dem Parlament aus.

Die Regelung betreffend die Hausapotheken, wie sie jetzt zustande gekommen ist, wird im Grundsatz keine wesentlichen Verbesserungen bringen, und zwar speziell für jene Menschen nicht, die immobil sind, also kranke und behinderte Menschen, Personen, die Kleinkinder haben oder über keinen eigenen PKW verfügen. Die Übergangslösung bis zum Jahr 2008 haben Sie nur deshalb getroffen, um ja nicht handeln zu müssen.

Frau Ministerin! Es wäre notwendig, sicherzustellen, daß die Versorgungsprobleme, die sich einerseits jetzt verbessern, ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigen Sie, Frau Kollegin! Sie werden die Lampe vermutlich nicht sehen. Sie haben nur mehr eine Minute Restredezeit für den gesamten Klub, und ich glaube, Sie haben die Absicht, noch einen Entschließungsantrag einzubringen. – Bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend) : Sie werden damit keine Verbesserungen bewirken, zumindest nicht für Menschen, die von der Mobilität her sehr stark eingeschränkt sind.

Frau Ministerin! Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird aufgefordert, bis zum 31. Dezember 1998 dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlußfassung vorzulegen, durch die eine Rund-um-die-Uhr-Zustellung von Medikamenten an Personengruppen, die in ihrer Mobilität beschränkt sind, auch durch die öffentlichen Apotheken kostenlos gewährleistet ist."

*****

Meine Damen und Herren! Ich weiß allerdings schon jetzt, denn ich habe mich erkundigt, daß Sie von SPÖ und ÖVP diesen Entschließungsantrag nicht unterstützen werden, also die Rechte der Patienten und die Sicherstellung der Patienten Ihnen ... (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Das geht nicht!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Daher werden wir dem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

21.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben vorgebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.10

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zur Diskussion steht nicht die Befindlichkeit der Koalition. Deren Gesundheitszustand ist in Ordnung. Daran reiben sich nur jene, die an der Lösung kein Interesse haben. – Wir konnten aus einem Konflikt einen Konsens machen, und ich glaube, das kann uns zufrieden stimmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen, daß öffentliche Apotheken und Hausapotheken durch Jahre beziehungsweise Jahrzehnte gut zusammengewirkt haben. Durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes war das Parlament nun aufgefordert, diesbezüglich ein Reglement zu schaffen, und nach schwierigen Gesprächen und Verhandlungen ist es gelungen, eine entsprechende Lösung zu finden.

Für mich war die Enquete, die Herr Dr. Rasinger in diesem Hause abgehalten hat, beeindruckend: Wir konnten dabei Einblicke in die Gestion anderer Länder gewinnen. In Anbetracht dessen kann ich sagen: Seien wir glücklich, daß wir in Österreich sind, denn wir haben eine hervorragende Versorgungsqualität. Diese wollen wir auch erhalten, und mit diesem Gesetz können wir sie nachhaltig sichern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es geht uns darum, daß Hausapotheken – vorerst einmal auf zehn Jahre – dort erhalten werden, wo wir sie brauchen, wo sie erstens Versorgungsfunktion und zweitens, insbesondere in einwohnerschwachen Gebieten, auch die Aufgabe haben, ein Standbein und eine Stütze der ärztlichen Praxen zu sein. Auch letzteres soll hier gesagt werden, denn auf diese Weise wird nicht nur die medikamentöse Versorgung, sondern auch die medizinische und ärztliche Versorgung sichergestellt.

Ich bin mir dessen bewußt, daß das ein sehr konfliktreiches Thema ist. Das hat auch unser Kollege Dr. Leiner in den letzten Tagen verspüren müssen, als ihm gesagt wurde, daß man einen Kongreß aus seinem Heimatort für den Fall abziehen würde, daß wir hier dieses Gesetz beschließen. – Ich glaube, er wird es aushalten, und wir sind froh darüber, daß wir diese Lösung finden konnten.

Frau Bundesministerin! Ihr Mitwirken ist evident, und ich meine, das Gemeinsame hat uns ein wesentliches Stück weitergebracht. Ich glaube, daß wir heute und hier sagen können, daß wir ein Gesetz im Interesse der Bürger beschließen.

Da wir nun in den Sommer hinausgehen, wünsche ich allen einen erholsamen Sommer und hoffe, daß Sie weder eine öffentliche Apotheke noch eine Hausapotheke brauchen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

21.12

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, daß wir in Österreich von einer hervorragenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneiprodukten reden können. Die


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se kommt durch eine gute Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Apotheken und den niedergelassenen Ärzten mit den Hausapotheken zustande.

Durch das Verfassungsgerichtshofurteil wurde diese Form der Versorgung nun wesentlich beeinflußt, weil das Hauptkriterium – die Bedarfsprüfung bei der Zulassung der öffentlichen Apotheken – weggefallen ist.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bin daher sehr froh, daß heute die Änderung des Apothekengesetzes beschlossen wird, weil damit mein Ressort in die Lage versetzt wird, bestehenden Anträge und auch zukünftigen Anträgen auf die Eröffnung von öffentlichen Apotheken auf Basis dieser Rechtsgrundlage stattgeben und entsprechende Bescheide erlassen zu können. Damit ist die Versorgung der Bevölkerung auf zumindest dem gleichen, wenn nicht sogar auf einem besseren Niveau sichergestellt, und darüber hinaus kann auf diese Weise einem wichtigen Kriterium unseres Verfassungsrechtes – dem Vertrauensschutz für die Hausapotheken – Rechnung getragen werden.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank dafür, daß wir nun eine klare Rechtsgrundlage für die zukünftigen Entscheidungen haben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.14


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 15 Minuten, eine freiwillige Redezeitbeschränkung wird nicht gewünscht. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.14

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich deshalb noch zu Wort gemeldet, weil einer der von meiner Kanzlei betreuten Fälle einer der Anlaßfälle für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes war.

Ich möchte jetzt nur warnen, weil ich meine, daß Ihnen bei diesem Gesetz ein Fehler unterlaufen ist: Denn diejenigen – und es gibt einige, sehr geehrte Frau Bundesministerin –, die bereits vor einem halben Jahr, vor einem Jahr oder vor zwei Jahren Anträge auf Erteilung einer Konzession für eine öffentliche Apotheke im Vertrauen darauf gestellt haben, daß die jeweilige Hausapotheke geschlossen werden muß, stehen jetzt vor einer ganz anderen Situation. Sie haben Millionen im Vertrauen darauf investiert, daß gemäß der bisherigen Situation die Hausapotheke geschlossen werden muß. Jetzt plötzlich ist die Situation, und zwar nicht durch das Verfassungsgerichtshoferkenntnis, sondern durch diese Gesetzesnovelle, auf einmal ganz anders, weil die Ärzte, die Hausapotheken führen, diese zu ihrer eigenen Überraschung nicht zusperren müssen.

Ich prophezeie Ihnen daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß diese Novelle einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof genau aus dem Gedanken heraus, den die Frau Bundesministerin angesprochen hat – nämlich dem Gedanken des Vertrauensschutzes – nicht standhalten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich nun abermals Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

21.15

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich darf formal darauf verweisen, daß das Urteil des Verfassungsgerichtshofes, das der eigentliche Anlaß für diese Debatte ist, mit 1. April dieses Jahres ergangen ist, somit alle Ansuchen, die vor diesem Termin gestellt wurden, auf Basis der Rechtssituation vor Erlassung des Verfassungsgerichtshofurteils gestellt wurden und daher nicht davon ausgegangen werden konnte, daß der Verfassungsgerichtshof die Bedarfsprüfung aufheben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

21.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Es erfolgt kein Schlußwort des Herrn Berichterstatters.

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, dafür jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1381 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Tagesordnung ist nunmehr erschöpft.

Ich stelle nun fest, daß nach meiner Entscheidung, einen Dringlichen Antrag erst nach 24 Uhr zuzulassen, der Dringliche Antrag 860/A (E) der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen nicht zum Aufruf gelangt, da diese Sitzung nicht über 24 Uhr hinaus andauert.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Klubobmann Kostelka gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.

21.18

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bestreite nach wie vor – wie auch schon in der Präsidiale – , daß diese Dringliche Anfrage, auch wenn jetzt der Zeitpunkt 24 Uhr überschritten wäre, gemäß der Geschäftsordnung aufzurufen wäre. Ich gehe davon aus, daß der Geschäftsordnung genau das Gegenteil zu entnehmen ist.

21.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke, Herr Klubobmann.

Es liegt eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung vor. Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

21.19

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Präsidialkonferenz hat sich nachdrücklich mit der Frage befaßt, ob der Sitzungstag mit dem Kalendertag endet. Man war dort mehrheitlich der Meinung, daß nach § 13, in welchem auch von der Kalenderwoche und vom Kalendermonat die Rede ist, der Kalendertag, an dem eine Sitzung stattfindet, der Sitzungstag sei.


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Und diese mehrheitliche Meinung der Präsidialkonferenz ist nach Meinung unserer Fraktion richtungsweisend für die Entscheidung, daß eine Dringliche – sei es eine Dringliche Anfrage oder ein Dringlicher Antrag – zuzulassen wäre, wenn die Sitzung über 24 Uhr andauert. Denn mit 24 Uhr, Herr Kollege Kostelka, endet bekanntlich der Kalendertag, das heißt also, daß die Dringliche ab 0 Uhr und 1 Minute zuzulassen gewesen wäre! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung liegen nicht vor.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen daher zur Durchführung einer kurzen Debatte, und zwar betrifft diese den Antrag des Abgeordneten Wabl, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 847/A (E) betreffend Bundesstraße B 67b – Eggenberger Gürtel Straße – eine Frist bis zum 20. Juli 1998 zu setzen.

Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Die Redezeitbeschränkungen gemäß Geschäftsordnung setzte ich als bekannt voraus.

Herr Abgeordneter Wabl hat das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.20

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für viele in diesem Haus handelt es sich um einen Gegenstand, der ihnen unbekannt ist. Aber den Abgeordneten aus der Steiermark ist die Nordspange von Graz sicher ein Begriff.

Diese Nordspange wurde schon im vorigen Jahrzehnt verordnet. Der Wirtschaftsminister und auch die verantwortliche Landesregierung in Graz sowie die Stadtregierung haben es jedoch nicht für notwendig erachtet, trotz völlig neuer Planung und trotz geänderter Detailplanung, die eindeutig dem Bundesstraßengesetz widerspricht, die alte Verordnung aufzuheben und eine neue Verordnung zu erlassen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Das ist nicht einfach ein Versehen (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), sondern das ist meines Erachtens ein bewußtes Übertreten des Gesetzes, wie es in der Steiermark üblich ist. Man will nämlich nicht, daß die Bürgerinitiative, die sich dort gebildet hat, auch Parteienstellung erhält. Würde man nämlich diese Verordnung neu erlassen, dann hätten die Bürgerinnen und Bürger der Bürgerinitiative dort Parteienstellung.

Nun werden in Graz bereits Vorarbeiten und Bauarbeiten in einem Ausmaß und einem Umfang von 40 Millionen Schilling getätigt, und zwar bei einem Straßenbaustück, das nicht verordnet ist. Ich sage Ihnen: Wir werden auf dem Rechtswege alle Möglichkeiten ausschöpfen, um dieses Bauvorhaben zum Stillstand zu bringen, weil dieses Vorgehen eindeutig gegen das Bundesstraßengesetz verstößt. Ich bitte Sie – vor allem diejenigen, die aus der Steiermark sind beziehungsweise sich um diese Angelegenheiten kümmern –, diesen Zustand schleunigst zu beenden und den rechtmäßigen Zustand in Graz herzustellen.

Ich habe deshalb eine sehr kurze Frist gesetzt, weil ich mir erwarte, daß diejenigen, die aus der Steiermark sind, sich seriös um diese Angelegenheit kümmern. – Herr Kollege Maitz, Herr Kollege Zweytick, Herr Kollege Kröll, Frau Cordula Frieser! Sie sollten sich diese Sache genau ansehen, denn da besteht der Verdacht auf Amtsmißbrauch. Es ist ganz klar: Das Vorgehen der


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Baubehörden ist rechtswidrig, es ist gegen das geltende Bundesstraßengesetz, und 40 Millionen Schilling drohen, in den Sand gesetzt zu werden.

Ich ersuche Sie deshalb, dieser Fristsetzung zuzustimmen. Sie haben ja gestern und heute gezeigt, wie rasch Ausschußsitzungen einberufen und wie rasch auch bestimmte Anträge beschlossen werden können.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß dieses Thema jetzt, in Anbetracht des Beginns der Sommerpause, für Sie nicht von großem Interesse ist. Herr Kollege Kröll! Ich wollte nur haben, daß niemand von Ihnen, vor allem von den steirischen Abgeordneten, später sagen kann: Wir haben das nicht gewußt! Hätten Sie uns das gleich gesagt!.

Meine Damen und Herren! Sie werden dafür verantwortlich gemacht werden, wenn wir dann wieder einmal – das ist ja nicht das erste Mal – bei den Gerichtshöfen aufgrund Ihres rechtswidrigen Vorgehens obsiegen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kurzmann. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

21.24

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Freiheitliche Partei wird den Antrag der Grünen betreffend die Fristsetzung unterstützen, weil wir glauben, daß dieses Projekt diskutiert werden sollte. (Abg. Dr. Khol: Wer ist denn das? – Abg. Dr. Kostelka: Der Kurzmann!)

Wir sind inhaltlich jedoch nicht der Meinung der Fraktion der Grünen, weil wir dieses Projekt in Graz wirklich seit Jahren diskutiert haben, breit diskutiert haben, und alle im Stadtsenat vertretenen Parteien – SPÖ, ÖVP und die Freiheitlichen – für dieses Projekt sind, und das nach einer Willensbildung von 15 Jahren.

Ich glaube, man kann nicht immer solange diskutieren, bis auch die kleinste Bürgerinitiative zufrieden ist. Es gibt nämlich auch eine andere, die Initiative "Pro Nordspange". Es gibt dort zwei Interessengruppen, die schon seit Jahren gegeneinander arbeiten. Die Stadt Graz hat mehrheitlich eine eindeutige Willensbildung vollzogen. Im Interesse der Bevölkerung brauchen wir diese B 67b ganz dringend, denn der Verkehr quält sich zurzeit durch die Wohngebiete. (Abg. Wabl: Es geht um die Rechtmäßigkeit, Herr Kurzmann!) Ich möchte von dieser Stelle aus das, was Herr Abgeordneter Wabl gesagt hat, nämlich daß es eine Gewohnheit sei, daß in der Steiermark die Gesetze ständig übertreten werden, auf das schärfste zurückweisen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, daß es im Sinne einer modernen Verkehrspolitik wichtig ist – die B 67b ist eine umweltschonende Unterflurtrasse –, diese Trasse so rasch wie möglich zu bauen. – Ich danke für Ihr Interesse. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 847/A (E) betreffend die Bundesstraße B 67b, Eggenberger Gürtel Straße, eine Frist bis zum 20. Juli 1998 zu setzen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag eintreten, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist die Minderheit . Daher ist der Antrag abgelehnt .


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137. Sitzung / Seite 103

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 860/A bis 867/A eingebracht wurden und die Anfragen 4788/J bis 4839/J eingelangt sind.

Schließlich ist vom Abgeordneten Lafer und von der Frau Abgeordneten Haidlmayr je eine Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates eingelangt.

Feststellung betreffend Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle fest, daß Herr Abgeordneter Rosenstingl auch an dieser Sitzung des Nationalrates nicht teilgenommen hat. (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. )

Beschluß auf Beendigung der ordentlichen Tagung 1997/98

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Einvernehmen mit den Fraktionen lege ich dem Hohen Hause folgenden Antrag vor:

"Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die ordentliche Tagung 1997/98 der XX. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Ende der 137. Sitzung des Nationalrates für beendet zu erklären."

Über diesen Antrag hat das Hohe Haus abzustimmen .

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle zu meiner großen Überraschung fest, daß dieser Antrag einstimmig angenommen worden ist. (Rufe: Nein! Der Wabl sitzt!)  – Ich korrigiere und stelle fest, daß dieser Antrag mit Mehrheit angenommen wurde.

Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

Präsident Dr. Heinz Fischer: Aufgrund eines Verlangens von 20 Abgeordneten verlese ich das Amtliche Protokoll, damit dieses mit Schluß der Sitzung als genehmigt gilt und die heute gefaßten Beschlüsse umgehend ausgefertigt werden können. – So lang ist das? (Allgemeine Heiterkeit.)  – Ich verlese folgenden Teil des Amtlichen Protokolls:

Tagesordnung laut Beilage A: Hinsichtlich der gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung ergänzten Tagesordnung wird für alle Punkte der Tagesordnung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit von der 24stündigen Auflagefrist der Berichte abgesehen.

Gegen den Vorschlag des Präsidenten, die Tagesordnungspunkte 2 bis 16 sowie 17 bis 22 jeweils unter einem zu verhandeln, wird kein Einwand erhoben.

Es liegt ein Verlangen von 20 Abgeordneten gemäß § 51 Abs. 6 GOG auf Verlesung des Amtlichen Protokolls vor.

Tagesordnungspunkt 1 behandelt den Bericht des Hauptausschusses betreffend Vorbereitung des Antrages auf Mandatsverlust des Abgeordneten Peter Rosenstingl gemäß Artikel 141 Abs. 1 B-VG. (1380 der Beilagen).

Die Abstimmung erfolgt in der Weise, daß der Antrag des Hauptausschusses auf Mandatsverlust des Abgeordneten Rosenstingl in 1380 der Beilagen einstimmig angenommen wird.

Die restlichen Ausführungen des Amtlichen Protokolls bedürfen keiner Verlesung, da sie die Punkte 2 bis 16 betreffen.


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137. Sitzung / Seite 104

Ich richte nun an den Nationalrat die Frage, ob sich die Damen und Herren Abgeordneten mit dieser Fassung des Amtlichen Protokolls einverstanden erklären beziehungsweise ob sich gegen die verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls Einwendungen erheben. – Dies ist nicht der Fall. Das Amtliche Protokoll gilt daher gemäß § 51 Abs. 6 GOG mit Schluß dieser Sitzung als genehmigt.

*****

Schlußworte des Präsidenten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende dieser Sitzung und zugleich am Ende der Tagung angelangt.

Ich möchte mich bei allen Bediensteten des Hohen Hauses, bei allen unseren Mitarbeitern, auch den Mitarbeitern der Fraktionen, herzlich bedanken. Ich möchte auch den Mitarbeitern der einzelnen Abgeordneten ein Wort des Dankes sagen. Ebenso möchte ich den Mitgliedern der Präsidialkonferenz für die nicht immer einfache, aber letztlich doch – wie ich glaube – sehr wichtige und erfolgreiche Zusammenarbeit danken.

Ihnen allen wünsche ich einen schönen Sommer und gute Erholung!

Diese Sitzung ist geschlossen. (Allgemeiner Beifall.)

Schluß der Sitzung: 21.31 Uhr