Stenographisches Protokoll

139. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 18. September 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

139. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 18. September 1998

Dauer der Sitzung

Freitag, 18. September 1998: 9.07 – 23.18 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Kunstbericht 1996 der Bundesregierung

2. Punkt: Bericht über den Antrag 854/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird, und über den Antrag 775/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 339/1993, geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 853/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird, und über den Antrag 429/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 856/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 852/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Eruopawahlordnung geändert wird

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird

7. Punkt: Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1996

8. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9dE Vr 5025/98, Hv 3058/98) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 816/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz 1998 – GewG)

10. Punkt: Wahl eines Mitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 13

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend das Fernbleiben des Abgeordneten Peter Rosenstingl von dieser Sitzung 221

Geschäftsbehandlung

Einwendungen der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen gegen die Tagesordnung der 139. Sitzung des Nationalrates gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung 13

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 (1) der Geschäftsordnung 13

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 13, 18

Dr. Peter Kostelka 14, 17

Dr. Andreas Khol 15, 21

Andreas Wabl 16, 22

Mag. Thomas Barmüller 17

Karl Öllinger 17

Mag. Johann Ewald Stadler 19

Einwendungen finden keine Mehrheit 23

Antrag der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 589/A (E) betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 17. Dezember 1998 zu setzen 38

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 39

Redner:

Helmut Haigermoser 139

Franz Riepl 141

Mag. Dr. Josef Trinkl 142

Sigisbert Dolinschek 143

Mag. Helmut Peter 145

Karl Öllinger 146

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 147

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschußberichtes 1398 d. B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung 39

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 40

Antrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen, rechtlichen und finanziellen Verantwortung mehrerer Bundesminister und der AMA an der Entstehung und mangelhaften Bewältigung des angeblichen Hormonfleischskandals gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 212

Bekanntgabe 56

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 56

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 212

Heinz Gradwohl 215

Rudolf Schwarzböck 216

Robert Wenitsch 217

Karl Smolle 218

Andreas Wabl 219

Ablehnung des Antrages 220

Antrag der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen, den Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1996 im 1355 d. B. gemäß § 71 Abs. 1 der Geschäftsordnung an den Rechnungshofausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 204, 206

Fragestunde (29.)

Wissenschaft und Verkehr 23

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (215/M); Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch, Dr. Gabriela Moser, Dr. Martina Gredler, Ing. Kurt Gartlehner

Mag. Helmut Kukacka (213/M); Dr. Gabriela Moser, Mag. Thomas Barmüller, Helmut Dietachmayr, Mag. Reinhard Firlinger

Maria Schaffenrath (218/M); Gabriele Binder, Elfriede Madl, Mag. Helmut Kukacka, Andreas Wabl

DDr. Erwin Niederwieser (211/M); Dr. Martin Graf, Werner Amon, Dr. Gabriela Moser, Dr. Martina Gredler

Dr. Gabriela Moser (217/M); Mag. Thomas Barmüller, Josef Edler, Ing. Wolfgang Nußbaumer, Katharina Horngacher

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 13

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem Antrag 885/A auf Durchführung einer Gebarungsüberprüfung 221

Wahlen in Institutionen

10. Punkt: Wahl eines Mitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates 212

Ausschüsse

Zuweisungen 39

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend überfällige Trendwende bei der Abgabenquote (4886/J) 100

Begründung: Mag. Dr. Heide Schmidt 105

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 109

Debatte:

Mag. Helmut Peter 115

Dr. Ewald Nowotny 117

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 120

Dr. Alexander Van der Bellen (tatsächliche Berichtigung) 122

Dr. Jörg Haider 122

Dr. Alexander Van der Bellen 125

Dr. Volker Kier 127

Ing. Kurt Gartlehner 130

Dr. Gottfried Feurstein 131

Mag. Gilbert Trattner 133

Georg Schwarzenberger 134

Hermann Böhacker 136

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1996 der Bundesregierung (III-130/1331 d. B.) 41

Redner:

Dr. Michael Krüger 41

Dr. Josef Cap 44, 78

Mag. Dr. Heide Schmidt 46

Dr. Gertrude Brinek 51

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 53

Dr. Helga Konrad 56

Mag. Johann Ewald Stadler 57

Mag. Gisela Wurm 60

Dr. Volker Kier 62

Sonja Ablinger 63

Mag. Karl Schweitzer 64

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 66, 70

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 70

Dr. Gerhard Kurzmann 71

Mag. Dr. Udo Grollitsch 73

Franz Morak 73

Dr. Jörg Haider 76

Kenntnisnahme des Berichtes III-130 d. B. 79

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 854/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird, und über den Antrag 775/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 339/1993, geändert wird (1394 d. B.) 79

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 853/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird, und über den Antrag 429/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird (1395 d. B.) 80

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 856/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird (1396 d. B.) 80

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 852/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Eruopawahlordnung geändert wird (1397 d. B.) 80

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 80

Dr. Elisabeth Hlavac 82

Mag. Dr. Heide Schmidt 85

Mag. Cordula Frieser 90

Theresia Haidlmayr 92

Dr. Irmtraut Karlsson 95

Dr. Martin Graf 96

Mag. Dr. Heide Schmidt (tatsächliche Berichtigung) 98

Maria Rauch-Kallat 98

Dr. Volker Kier 148

Mag. Walter Posch 149

Mag. Terezija Stoisits 150

Karl Donabauer 154

Karl Smolle 156

Walter Murauer 157

Andreas Wabl 158

Annahme der Gesetzentwürfe in 1394, 1395, 1396 und 1397 d. B. 162

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1396 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Verbesserungen für blinde oder schwer sehbehinderte Personen bei Nationalratswahlen (E 138) 163

Entschließungsantrag der Abgeordneten Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren – Ablehnung 80, 163

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Verbesserungen für blinde und schwer sehbehinderte Personen bei Nationalratswahlen – Ablehnung 148, 164

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird 164

Redner:

Peter Schieder 164

Dr. Andreas Khol 165

Dr. Volker Kier 166

Andreas Wabl 167

Anna Elisabeth Aumayr 170

Zuweisung des Antrages 855/A an den Geschäftsordnungsausschuß 171

7. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes (Zu III-106 d. B.) über das Verwaltungsjahr 1996 (1355 d. B.) 171

Redner:

Ute Apfelbeck 171

Otmar Brix 173

Dr. Martina Gredler 175

Georg Wurmitzer 176

Andreas Wabl 179

Erhard Koppler 181

Mag. Karl Schweitzer 183, 205

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 184

Mag. Reinhard Firlinger 186

Heidrun Silhavy 187

Mag. Franz Steindl 188

Josef Edler 191

Franz Stampler 192

Gabriele Binder 193

Dr. Sonja Moser-Starrach 194

Dr. Günther Kräuter 196

Willi Sauer 196

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 197

Mag. Kurt Gaßner 201

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 202

Dr. Brigitte Povysil 203

Georg Wurmitzer (tatsächliche Berichtigung) 205

Kenntnisnahme des Berichtes Zu III-106 d. B. 206

8. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9dE Vr 5025/98, Hv 3058/98) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider (1398 d. B.) 206

Annahme des Ausschußantrages 206

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 816/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz 1998 – GewG) 206

Redner:

Mag. Helmut Peter 207

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 207

Dr. Kurt Heindl 208

Elfriede Madl 209

Karl Smolle 210

Zuweisung des Antrages 816/A an den Wirtschaftsausschuß 211

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 39

1390: Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen

1392: Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die unentgeltliche Übereignung von beweglichem Bundesvermögen (877/A)

Dr. Josef Cap und Genossen betreffend die Freiheit der Kunst (878/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Hearing bei der Bestellung von Verfassungsrichtern (879/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die gesetzliche Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Lebensgemeinschaften von BundesbeamtInnen im Beamtendienstrechtsgesetz 1979 und im Gehaltsgesetz 1956 (880/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung der Europawahlordnung (881/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung der Nationalratswahlordnung (882/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971 (883/A)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Novellierung der Störfallbestimmungen (884/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend die Durchführung einer Sonderprüfung des Rechnungshofes gemäß § 99 GOG-NR (885/A)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend Schutz Gesamtösterreichs vor dem Transitverkehr (886/A) (E)

Ing. Walter Meischberger und Genossen betreffend "Maut-stretching" vom Schönberg bis Kufstein (887/A) (E)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend die Änderung des Übereinkommens von Wien über den Straßenverkehr zwecks Schaffung international verbindlicher strenger Abgasvorschriften (888/A) (E)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend Wochenend- und Feiertagsfahrverbot (889/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend überfällige Trendwende bei der Abgabenquote (4886/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Leben, Gesundheit und Arbeitsplatz der Berufskraftfahrer (4887/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Leben, Gesundheit und Arbeitsplatz der Berufskraftfahrer (4888/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Leben, Gesundheit und Arbeitsplatz der Berufskraftfahrer (4889/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Leben, Gesundheit und Arbeitsplatz der Berufskraftfahrer (4890/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Leben, Gesundheit und Arbeitsplatz der Berufskraftfahrer (4891/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Strafanzeigen gegen Betriebsprüfer (4892/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Weisung zu den anhängigen Verfahren nach dem Berggesetz" (4893/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zugunglück in Schlüsslberg/OÖ (4894/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Kosten notwendiger Untersuchungen von freiwilligen Einsatzkräften (4895/J)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Vorgehen des Bundesministers bei der Ernennung des Vorstandes des Institutes für zwischenmenschliche Kommunikation in Innsbruck (4896/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zeitrahmen für den Bau des Brenner-Basistunnels (4897/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Neutronen-Zentrum Austron (4898/J)

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsparungsmaßnahmen beim Finanzamt Hartberg (4899/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsatzsteuerbelastung für Heimhilfen (4900/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Anwendung vereinspolizeilicher Aufsichtsmaßnahmen beim Verein "Freimaurervereinigung des Schottischen Ritus", um eine statutengemäße Bestätigung des Vereines zu gewährleisten (4901/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die sehr intensive und nahtlose Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Inneres und des "Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes" (DÖW) (4902/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die verzögerte Verlautbarung von VfGH-Erkenntnissen durch das Bundeskanzleramt III (4903/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Behindertenausweis und Parkplatzkennzeichnung lt. StVO § 29b (4904/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend drohende Eliminierung des Schwerpunktes Integrationspädagogik aus dem Lehrangebot der Studienrichtung Pädagogik an der Universität Klagenfurt (4905/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Unfälle beim Ein- und Aussteigen von rollstuhlfahrenden Zugreisenden (4906/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zusatzfragen zur Anfrage 4636/J betreffend mechanische Ein- beziehungsweise Ausstiegshilfen der ÖBB für behinderte Menschen (4907/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf des Kohlebergbau-Geländes in Ampfelwang an ehemalige WTK-Leiter (4908/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verkauf des Kohlebergbau-Geländes in Ampfelwang an ehemalige WTK-Leiter (4909/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Frauenanteil in der Verkehrsplanung (4910/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Frauenanteil in der Verkehrsplanung (4911/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Frauenanteil in der Verkehrsplanung (4912/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Fischsterben in Krems (4913/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Straßenbauvorhaben in Vöcklabruck und Regau (4914/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Westbahntrasse Blindenmarkt (4915/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Straßenbauvorhaben in Vöcklabruck und Regau (4916/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Vorfälle im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing (4917/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Behinderungen der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing (4918/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend den Bau der Bundesstraße B 67b, Kalvariengürtel, Kalvarienbrücke-Grabenstraße (Nordspange Graz) in Graz, Steiermark (4919/J)

Andreas Wabl und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend EU-Richtlinie für die Tierhaltung im biologischen Landbau (4920/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verlängerung der Öffnungszeiten beim Grenzübergang Reintal (4921/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verlängerung der Öffnungszeiten beim Grenzübergang Reintal (4922/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verlängerung der Öffnungszeiten beim Grenzübergang Reintal (4923/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Verlängerung der Öffnungszeiten beim Grenzübergang Reintal (4924/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend verstärkte Kontrolltätigkeit der Exekutive im Straßenverkehr (4925/J)

Mag. Dr. Maria Fekter und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Geldbußen bei Schwerverbrechen (4926/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Umsetzung Gehaltsgesetz § 61 (4927/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Lagerung von tiefgekühltem Fleisch (4928/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Psychoscreenings durch das AMS Wien (4929/J)

Franz Kampichler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Freizeitaktivität Paintball (4930/J)

Karlheinz Kopf und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend ÖBB-Stromleitung über Rankweiler Gemeindegebiet (4931/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Freie Werknutzung" im Bereich der Volksmusik (4932/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Entwicklung des Agraraußenhandels (4933/J)

Karlheinz Kopf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Südumfahrung Feldkirch (4934/J)

*****

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Pensionszahlungen an Abgeordnete (38/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (4474/AB zu 4768/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (4475/AB zu 4770/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen (4476/AB zu 4720/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (4477/AB zu 4807/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (4478/AB zu 4820/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (4479/AB zu 4836/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (4480/AB zu 4783/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (4481/AB zu 4822/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (4482/AB zu 4782/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (4483/AB zu 4738/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (4484/AB zu 4823/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen (4485/AB zu 4803/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (4486/AB zu 4729/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (4487/AB zu 4794/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen (4488/AB zu 4802/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen (4489/AB zu 4721/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (4490/AB zu 4792/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Walter Meischberger und Genossen (4491/AB zu 4788/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen (4492/AB zu 4800/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Amon und Genossen (4493/AB zu 4722/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (4494/AB zu 4740/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (4495/AB zu 4825/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (4496/AB zu 4764/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (4497/AB zu 4784/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (4498/AB zu 4741/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (4499/AB zu 4757/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (4500/AB zu 4819/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (4501/AB zu 4785/J)

 

 

 

 

 

Beginn der Sitzung: 9.07 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 139. Sitzung des Nationalrates.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Haupt und Dipl.-Ing. Prinzhorn.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein wird durch Bundesminister Dr. Fasslabend vertreten.

Wir gelangen zur Fragestunde. (Abg. Dr. Schmidt: Nein!) – Nein? (Abg. Dr. Schmidt: Zur Geschäftsbehandlung, bitte!)

Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, zur Geschäftsbehandlung.

9.08

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Wir haben uns gerade in der Kurzpräsidiale darauf verstanden, eine Debatte über den Antrag der Liberalen, nämlich die Einwendungen gegen diese Tagesordnung zu erörtern, jetzt abzuführen und nicht nach der Fragestunde. Daher möchte ich die Einwendungen der Liberalen auch begründen:

Die Tagesordnung ist nicht im Einvernehmen erstellt worden – es geht um das sogenannte Demokratiepaket –, aber um das näher auszuführen, warum wir der Auffassung sind, daß diese Punkte zu Unrecht auf der heutigen Tagesordnung sind, bitte ich, eine Debatte durchzuführen.

9.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Sie haben diesen Antrag gehört. Nach § 50 der Geschäftsordnung sind Einwendungen gegen eine Tagesordnung nach Eröffnung der Sitzung, aber vor Eingang in die Tagesordnung durchzuführen. Wir machen das normalerweise nach Erledigung der Fragestunde, aber vor Eingang in die Tagesordnung. Es gibt kein grundsätzlich zwingendes Hindernis, dies unpräjudiziell heute vor Beginn der Fragestunde durchzuführen.

Nach § 50 der Geschäftsordnung besteht das Recht auf Durchführung einer Debatte über Einwendungen. Der Präsident hat das Recht, die Redezeit auf 5 Minuten zu beschränken. Ich mache von diesem Recht Gebrauch und erteile Frau Dr. Schmidt das Wort für 5 Minuten zur Begründung der Einwendungen.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

9.09

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Und jetzt sage ich: Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich sage das deswegen, weil es doch im Interesse der Parlamentarierinnen und Parlamentarier sein müßte, eine derartige Vorgangsweise, wie sie von der großen Koalition – ich sage bewußt "Koalition" und nicht "der Abgeordneten" – gewählt wurde, nicht zuzulassen.

Ich kann mich nicht daran erinnern, daß in den letzten Jahren Fragen, die das Parlament unmittelbar betroffen haben, in einer Art und Weise durchgezogen wurden, wie das jetzt beabsichtigt ist, nämlich ohne Befassung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Opposition. Ich kann mich nicht erinnern, daß eine Frage, bei der es um die Rechte des Parlaments gegangen ist, einfach in den Koalitionsstuben beraten und dann über die Medien mitgeteilt wurde, an welchem Tag dieses dann beschlossen und tatsächlich stattfinden wird, ohne daß es zumindest einen Aufschrei der Opposition gegeben hätte. Ich appelliere aber auch an die Abgeordneten der Koalitionsparteien, sich nicht einfach an die Zügel nehmen zu lassen, sondern ihr Selbstverständnis, daß es Sache des Parlaments ist, über bestimmte Dinge zu beraten, in ihrem Verhalten zum Ausdruck zu bringen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Am letzten Tag der Session haben die Koalitionsparteien Initiativanträge eingebracht, und Herr Klubobmann Khol hat allen, wie Sie hier sitzen, über die Zeitungen ausgerichtet, dies sei nun ein Demokratiepaket, welches am 17. oder am 18. September beschlossen werde. Ich gehe davon aus, daß auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsparteien, diese Entwürfe noch nicht gekannt haben. Wir haben diese sicherlich nicht gekannt, sie sind uns erst zu diesem Zeitpunkt vorgelegt worden. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)

Dann kam die Sommerpause, und in dieser Sommerpause ist das eine oder andere Argument über die Medien ausgetauscht worden – wenn man das Wort "austauschen" großzügig auslegt, denn es war ein Abladen und nichts anderes, und es ist aufgrund des Sommerloches durchaus aufgenommen worden. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und dem Liberalen Forum.) Dann hat die Session begonnen. Am ersten Tag dieser Session wurde ein Verfassungsausschuß angesetzt, im Rahmen dessen es eine Scheindiskussion gegeben hat. – Ich sage jetzt deswegen "Scheindiskussion", weil sich die Abgeordneten insbesondere der ÖVP, aber auch der SPÖ kaum zur Materie zu Wort gemeldet haben, außer gerade noch zu jenen Punkten, die vorgelegen sind. Aber was Demokratie in diesem Land wirklich heißen muß und unsere Vorstellungen dazu, das ist überhaupt nicht erörtert worden.

Das heißt, wenn wir jetzt – es kann nur ein Lapsus linguae sein – dieses Paket als Demokratiepaket bezeichnen, dann ist das – ich gebe dir recht, lieber Andreas – eine Verhöhnung des Parlaments, und das ist der denkbar schlechteste Start einer parlamentarischen Arbeit. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Wabl: Was der Khol unter Verfassung versteht!) Daß Kernfragen der Demokratie von diesen Koalitionsparteien über die Bühne gebracht werden sollen, ohne irgend jemanden einzubinden, halte ich für eine Beleidigung, für eine Beleidigung jedes einzelnen, wie er hier sitzt – bis auf die Klubobleute der Koalitionsparteien, weil diese haben das offensichtlich mit der Regierung so ausgemacht.

Was alles in ein Demokratiepaket hineingehört, werde ich in meinem Debattenbeitrag sagen, aber sicherlich sind es nicht nur diese Marginalien, die Sie vorlegen. Daher haben wir verlangt, einen Unterausschuß einzusetzen, im Rahmen dessen wir darüber beraten und selbstverständlich mit Mehrheiten zu einem Ergebnis kommen können. Soviel Realitätsverlust brauchen Sie mir nicht zu unterstellen, ich weiß schon, daß Sie die Mehrheit und noch dazu die Verfassungsmehrheit in diesem Hause haben. Aber es ist eine Frage des Demokratieverständnisses, wie man mit einer solchen Mehrheit umgeht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Wie Sie damit umgegangen sind, hat das mit Demokratie und vor allem mit parlamentarischer Demokratie absolut nichts zu tun. Verwenden Sie daher dieses Wort nicht mehr! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

9.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.14

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Kollegin Schmidt, Demokratie ist nicht gleichzusetzen mit den verfahrensrechtlichen Wünschen jeder kleinen und kleinsten Oppositionsfraktion. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Jeder kleinen!)

Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß Sie sich in diesem Zusammenhang unter den Oppositionsfraktionen dieses Hauses nicht durchgesetzt haben. In der Präsidiale habe ich Ihnen sogar folgendes Angebot gemacht: Sie wollen längere Beratungen im Verfassungsausschuß, setzen wir daher einen Verfassungsausschuß am 15. September an und setzen wir einen Unterausschuß ein. Das bedeutet aber, daß die Beratung des Demokratiepaketes am Plenartag, am 18. September, also heute, nicht möglich ist. (Abg. Dr. Schmidt: Ja, war ich einverstanden!)

Die Alternative, die wir den Oppositionsfraktionen angeboten haben, war daher (Abg. Dr. Schmidt: Wer denn?) – ich in der Präsidiale –: entweder eine Plenarwoche, nämlich diese Plenarwoche, mit einem Sitzungstag und Unterausschußsitzungen und Beschlußfassung des Demokratiepaketes zu einem späteren Zeitpunkt (Abg. Dr. Schmidt: Das war doch die Mehrheit! Warum haben Sie es nicht gemacht?) oder eine zweitägige Plenarwoche, nämlich diese zweitägige Plenarwoche, aber dann Beschlußfassung des Demokratiepaketes in dieser Woche. Das Ergebnis war, daß zwei der Oppositionsfraktionen eine zweitägige Plenarwoche wichtiger war als die Einsetzung eines Unterausschusses. (Abg. Wabl: Stimmt überhaupt nicht!) Das war das Ergebnis der Präsidiale. (Abg. Wabl: Das ist eine Erfindung! Zeigen Sie mir das im Protokoll!) Herr Kollege Wabl! Das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen, Sie haben das sogar ausdrücklich in der Präsidiale akzeptiert. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie daher, bei den Vereinbarungen zu bleiben. (Abg. Wabl: Wir lassen uns gerne verhöhnen, aber daß wir uns diffamieren auch noch lassen, da tun wir nicht mit, da spielen wir nicht mit!) Dieses Demokratiepaket ist ein wesentlicher Punkt der Ausweitung und der besseren Ausgestaltung der direkten Demokratie in unserem Lande; eine Ausgestaltung, die Österreich eine direkte demokratische Position, die mit wenigen Staaten in Europa vergleichbar ist, bringt. Das ist ein gehöriger Umgang mit Demokratie, ein gehöriger Umgang mit der Opposition. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist ja nicht wahr, was Sie da sagen!) Und Opposition sollte man wirklich nicht mit Wehleidigkeit gleichsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.16

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht allgemeiner Konsens darüber (Abg. Wabl: Allgemein? Was ist allgemein? Das ist wieder Ihr "Verfassungsbogen"!), daß es an der Zeit ist, das Privileg von acht Abgeordneten zu beseitigen, anstelle von 6 000 Bürgern einen Kandidaten zur Bundespräsidentschaftswahl vorzuschlagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Ich verstehe schon den Ärger der nicht erfolgreichen Präsidentschaftskandidatin Schmidt (Abg. Mag. Peter: Das ist nicht das Thema!), die dieses Privileg nicht nur einmal, sondern gleich zweimal in Anspruch genommen hat bei der letzten Wahl. Und es tut eben weh, Frau Schmidt, wenn man Privilegien verliert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Wabl: Wir müssen das Volk schützen vor kleinen Präsidentschaftskandidaten!)

Es besteht allgemeiner Konsens darüber, daß eine Stimme eines Abgeordneten im demokratischen Vorschlagsverfahren (Abg. Dr. Schmidt: Wir haben eine Geschäftsordnungsdebatte!) nicht mehr zählen soll als jene des Bürgers. (Abg. Wabl: Das ist eine Geschäftsordnungsdebatte!) Wenn wir also jetzt das Privileg beenden, daß sechs Abgeordnete ein Volksbegehren einleiten können und hiebei 10 000 Bürger ersetzen, so verstehe ich schon den Ärger der Grünen und der Liberalen, die auf dieses Privileg nicht gerne verzichten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: ... daß der Präsident auf Beamte zugreifen kann, sie nach Belieben irgendwohin schicken kann auf Kosten des Staates!)

Meine Damen und Herren! Wir haben ausreichend diskutiert, wir haben schon größere Verfassungsänderungen in kürzerer Zeit beschlossen, wenn sie dem allgemeinen Konsens entsprachen. Ich sehe keine Ursache, daß wir heute, nachdem wir bereits im Juli diese Vorlagen eingebracht haben, nachdem wir einen Nachmittag lang im Verfassungsausschuß darüber diskutiert haben, nicht darüber entscheiden sollen. (Abg. Mag. Barmüller: Die Anträge der Liberalen liegen seit über einem Jahr in diesem Haus!)

Ich glaube auch, daß es sehr wichtig ist (Abg. Mag. Peter: Die Opposition ist störend!), daß wir so schnell wie möglich bei der Briefwahl Vereinfachungen vornehmen, weil wir auf diese Weise alle zukünftigen Wahlgänge erleichtern können. (Abg. Dr. Schmidt: Schaffen Sie doch das Parlament ab, wenn Sie nicht mehr beraten wollen!) Wir sollten so schnell wie möglich von den zwei Unterschriften, die im Ausland notwendig sind, auf eine Unterschrift kommen, das ist unser Ziel. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher wollen wir heute dieses Demokratiepaket beschließen und wollen die Sache nicht von zwei Oppositionsparteien, die Privilegien verlieren, in die Länge ziehen lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Kostelka: Bei der Wahrheit bleiben! – Abg. Dr. Khol: Immer bei der Wahrheit bleiben!)

9.19

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mutet schon merkwürdig an, wenn sich Herr Khol und Herr Kostelka hier in diesem Haus als die obersten Privilegienabbauer betätigen. Für die österreichische Demokratie hat eine große Gefahr gedroht: Nicht dadurch, daß wir die Präsidentenwahlen abschaffen, weil sich die Großen, der rote und der schwarze Bruder, darauf geeinigt haben, daß wir "eh" so einen guten Präsidenten haben, am besten wäre eine Monarchie, das ziehen wir durch, sondern dadurch, daß sich doch glatt kleine Parteien erdreistet haben, mit den Unterschriften von Volksvertretern eigene Kandidaten aufzustellen.

Unglaublich, dieses Privileg! Da müssen wir sofort handeln, da können wir nicht mehr zuwarten! Dieses Privileg gehört abgeschafft.

Herr Khol! In diesem Land, in unserem schönen Land Österreich gibt es Hunderttausende Menschen, die in Bürgerinitiativen organisiert sind, die seit Jahren in bezug auf das gesamte Bergrecht keine Parteienstellung haben. Es gibt Hunderttausende Menschen in Initiativen, die gegen Korruption, gegen Amtsmißbrauch, gegen Bevormundung durch Beamte kämpfen, Bereiche, wo Sie keinen Finger rühren. Und jetzt entdecken Sie das große Privileg der Frau Schmidt, kämpfen dagegen und nennen es, meine Damen und Herren, Demokratiepaket. Herr Khol! Wir als kleine Partei sind es gewohnt, von Ihnen verhöhnt zu werden, aber eine Demokratie zeigt sich nicht darin, wie sich die Mehrheit gegen Minderheiten durchsetzt, sondern wie sie mit den Rechten der Minderheiten umgeht. Und diese treten Sie heute wieder mit Füßen, etwas, was Sie regelmäßig machen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Sie, Herr Khol, nehmen sich das Recht heraus, über Ihr "Demokraturpaket" monatelang mit Ihrem roten Bruder zu verhandeln. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer.) Den Liberalen, den Grünen und der Freiheitlichen Partei genehmigen Sie genau einen Nachmittag, um dabeizusitzen und das abzusegnen, was Sie in Ihrem Koalitionsbunker ausgemacht haben. Das nennen Sie Demokratiepaket?

Herr Khol! Wenn Sie die Demokratie erfunden hätten, dann würde hier ein Honoratiorenklub von Kammerräten und schwarzen Bürgermeistern sitzen, gesprenkelt mit ein paar kleinen roten Betriebsräten, und das wär’s dann schon. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

9.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Barmüller vor. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Khol: Oje! Oje!)

9.22

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Man muß Herrn Abgeordneten Khol in Erinnerung rufen, daß diese Anträge der Liberalen, die Sie nicht beraten wollten, schon über ein Jahr im Parlament liegen und daß Sie derjenige waren, der den Verfassungsausschuß mit den Worten eröffnet hat, Sie hätten sich bereits geeinigt, es sei bereits alles entschieden. – Es war überhaupt nicht möglich, von seiten der Liberalen, der Grünen oder der Freiheitlichen im Verfassungsausschuß noch irgend etwas ergänzend einzubringen. (Abg. Schieder: Das stimmt nicht!)

Da brauchen Sie sich jetzt nicht umzudrehen und woanders hinzusehen. Sie wollen jetzt in diesem Hause etwas, was in Wirklichkeit von allen Fraktionen schon längst als ein Übel erkannt worden ist, abschaffen. Sie sagen, es sei ein Demokratiepaket, und Sie wollen sich damit davor drücken, daß in diesem Land noch ganz andere Maßnahmen zu ergreifen sind, Herr Abgeordneter Schieder! Wenn Sie hier einwenden, daß das nicht wahr sei, was ich sage, dann orientieren Sie sich ... (Abg. Schieder: Sie waren ja gar nicht dort! Sie erzählen etwas aus dem Ausschuß und waren gar nicht dort! Sie haben gefehlt und erzählen aus dem Ausschuß! Sie fehlen und erzählen uns, was dort war! Das ist doch lächerlich!) Ich fehle nicht im Ausschuß, sondern das war in unserer Klubsitzung selbstverständlich Thema, weil alle über Ihre Vorgangsweise empört waren. Das ist die Wahrheit! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Schieder: Er schwänzt die Schule und gibt Nachhilfe!)

Wenn Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß es in diesem Land notwendig sein wird, wenn Sie über Demokratie reden, das nicht nur mit Ihrer Zweidrittelmehrheit zu beschließen, was Sie zwischen den Sozialpartnern ausgemacht haben, dann wird es notwendig, daß Sie nicht nur diese Zweidrittelmehrheit verlieren, sondern auch die Mehrheit für Ihre Koalition. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Kostelka vor. Restliche Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

9.24

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Kollege Barmüller! Morgendliche Erregung sollte nicht dazu verleiten, nicht bei den Fakten zu bleiben.

Wahr ist, daß ich entgegen Ihrem Vorwurf geschäftsordnungsgemäß jede Wortmeldung aufgerufen habe. (Abg. Mag.  Barmüller: Ich habe nicht das Gegenteil behauptet! Nur: Was ist umgesetzt worden?) Es gab keine Abkürzung. Das, was vielmehr festzustellen ist – deswegen finde ich Ihre Bemerkung und Ihre Wortmeldung wirklich "erübrigungswürdig" –, war, daß wir um 12 Uhr mit den Beratungen begonnen haben und um 16.15 Uhr keine Wortmeldung mehr vorgelegen ist. (Abg. Schaffenrath: Weil die Meinungsbildung abgeschlossen war von Ihrer Seite! – Abg. Mag. Barmüller: Wie viele Abänderungsanträge der Opposition haben Sie angenommen?)

Es stimmt daher nicht, daß keine Beratung zugelassen worden ist. Ganz im Gegenteil – wir haben so lange beraten, solange die Diskussion gelaufen ist. Ihr Vorwurf, daß eine Diskussion geschäftsordnungswidrig oder demokratiewidrig abgewürgt worden ist, entspricht nicht den Tatsachen. (Abg. Mag. Barmüller: Seit 10.4.1997 sind die Anträge der Liberalen im Hause! Seit 10.4.1997!) Ich bitte Sie wirklich – auch bei aller Aufregung –, diese Argumentation medial entsprechend durchzubringen und bei der Wahrheit und nichts als der Wahrheit zu bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

9.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

9.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, den besten Kommentar – ich teile die Meinung dieses Redakteurs wirklich nicht immer und überall – genau zu dieser Frage hat Herr Conrad Seidl im "Standard" verfaßt. Es wurde exakt Ihre Heuchelei beschrieben, die Sie in dieser Frage ... (Abg. Wabl: Sag "Scheinheiligkeit"!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, bitte! So geht es nicht!

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (fortsetzend): Sie gehen mit Ihrer Scheinheiligkeit hierher, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, und unterstellen den Oppositionsparteien, sie würden Privilegien in dieser Frage besitzen – obwohl es nach wie vor und auch in Zukunft das Privileg aller Parteien ist, bei einer Wahl zum Nationalrat die eigene Fraktion, die eigene Partei über Abgeordnetenmandate zu nominieren. Da haben Sie es nicht abgeschafft. Selbstverständlich belassen Sie es bei diesem Privileg, das ist auch Ihnen angenehm.

Aber dort, wo es darum geht, nach außen hin scheinbar sichtbar zu machen, daß Sie aus dem Privileg der Minderheiten Konsequenzen ziehen, die sich erdreisten, bei Bundespräsidentenwahlen anzutreten, dort, wo es darum geht, den Einfluß von Parteien, der dadurch sichtbar wird, daß Parteien auch Kandidaten nominieren können, durch den Einfluß eventuell von anonymen Gruppierungen zu ersetzen, dort, wo es darum geht, zu verdecken, daß natürlich große Apparate in Ihren Parteien wesentlich einfacher die Möglichkeit haben, mit Personenstimmen zu dieser Kandidatur zu kommen, dort gebärden Sie sich als die großen Demokratieretter.

Erklären Sie diesem Hohen Haus, warum es in Zukunft für die Einleitung eines Volksbegehrens 8 000 Stimmen braucht, warum es für eine Präsidentenkandidatur 6 000 Stimmen braucht, und warum für die Kandidatur einer Partei nach wie vor Abgeordnetenmandate möglich sind. Erklären Sie die Differenzen; diese sind nicht durch ein Konzept auflösbar, meine Damen und Herren, mit dem Sie vorgeben, Demokratie und Minderheitenrechte zu schützen.

Es geht Ihnen einzig und allein darum, die Rechte und die Möglichkeiten, die Parteien tatsächlich haben, in einer politischen Auseinandersetzung zu beschneiden, den offenen Einfluß von Parteien, den es durchaus gibt und der legitim ist, zu beschneiden und durch die Möglichkeiten zu ersetzen, die sich hinter großen Organisationen, wie es zweifellos Ihre Parteien sind, verbergen.

Wenn Sie glauben, das ist demokratischer, daß bei der nächsten Bundespräsidentenwahl nur mehr Herr Klestil oder ein Nachfolger von ihm kandidiert – er wird nicht mehr kandidieren können –, dann sagen Sie es ganz offen! Dann sagen Sie ganz offen, daß Sie das wollen, aber dann diskutieren wir nicht über Privilegien von Minderheitenparteien, von Minderheiten, die es tatsächlich nicht nur in dieser Frage, sondern, wie wir gestern gesehen haben, auch im Hohen Haus sehr schwer haben, ihre Rechte, ihre berechtigten Rechte durchzusetzen.

Da gäbe es genügend Beispiele, mit denen man Ihnen demonstrieren könnte, wie schwer es trotz Ihrer Großzügigkeit, trotz der Großzügigkeit des Herrn Khol, die er anscheinend gegenüber Minderheiten auszuüben bereit ist, Minderheiten haben, bestimmte Rechte durchzusetzen; ich erinnere nur an den Untersuchungsausschuß. Aber bleiben wir beim Thema.

Deshalb meinen wir: Wenn Sie schon eine Privilegiendebatte führen wollen, führen wir die Privilegiendebatte, aber trennen wir sie bitte von der Demokratiedebatte. Wenn Sie eine Demokratiedebatte führen wollen, sind wir gern dabei, aber bitte gemeinsam mit den Oppositionsparteien. Und nehmen Sie sich Zeit dafür, gehen Sie auf die Argumente ein und versuchen Sie vor allem, Ihre Positionen gegenüber Minderheiten, gegenüber Fraktionen in diesem Haus zu überdenken und zu klären. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

9.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

9.30

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Jeder weiß von den Liberalen und insbesondere von mir, daß ich Spielregeln ernst nehme und daß ich daher auch eine Geschäftsordnungsdebatte – glaube ich – noch nie für eine inhaltliche Debatte mißbraucht habe, wie das sonst hier Usus ist. Ich will es daher auch jetzt nicht tun, sondern mich mit dem Procedere auseinandersetzen und damit, warum wir den Antrag stellen – ich tue das hiermit, Herr Präsident –, die Tagesordnungspunkte 2 bis 5 zu streichen. Diese Tagesordnungspunkte betreffen das sogenannte Demokratiepaket.

Herr Abgeordneter Khol! Sie haben mit Ihrer Wortmeldung eigentlich gezeigt – ich möchte nur, daß das auch als solches wahrgenommen wird –, wie schlecht Ihr Gewissen über das Procedere sein muß, denn Sie haben keine einzige Bemerkung zum Procedere gemacht, sondern Sie haben in Ihrer Argumentation in der Sache selbst in die unterste Schublade gegriffen und mir eine Motivation unterstellt, Herr Abgeordneter Khol, die unter Ihrer Würde sein sollte. Es ist eine Primitivargumentation. Ich hätte es Ihnen, obwohl ich es schon in der Zeitung gelesen habe, eigentlich nicht zugetraut, daß Sie das hier auch noch wiederholen, weil es Ihrer eigentlich nicht würdig wäre. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es geht mir um das Procedere. Ich möchte, daß wahrgenommen wird, daß hier wesentliche Fragen, die unsere Demokratie betreffen, die die Abgeordneten und die Rechte der Abgeordneten betreffen, von zwei Fraktionen beziehungsweise ihren Chefs ausgemacht wurden. Ich frage Sie alle, ob Sie überhaupt in die Diskussion eingebunden waren, ob es zum Beispiel sinnvoll ist, daß Bestimmungen, über die wir nachher reden werden, Rechte von Abgeordneten fallen oder nicht und wo sie fallen sollen oder nicht. Waren Sie überhaupt eingebunden? (Abg. Dr. Lukesch: Ja!) – Jedenfalls ist von der Opposition niemand auch nur gefragt worden, wie er zu diesen Punkten steht.

Herr Abgeordneter Kostelka! Abgeordneter Barmüller hat nicht gesagt, daß etwas nicht zulässig war; er hat etwas gesagt, was den Tatsachen entspricht, nämlich daß über die weiteren Punkte in diesem Ausschuß nicht diskutiert wurde. Nun weiß ich schon, daß Sie sagen werden – so war es ja angelegt –, es hat keine Wortmeldungen mehr gegeben. Das ist genau das, was ich sage: Es hat eine zur Schau gestellte Diskussionsverweigerung gegeben. Sie haben sich mit den Argumenten der Opposition nicht auseinandergesetzt. Ich weiß nicht, wie oft ich mich zu Wort gemeldet habe, und es hat keinen Respons gegeben. Jetzt können Sie durchaus sagen: weil es keinen Menschen interessiert hat. Ich weiß schon, daß man auch auf dieser Ebene diskutieren kann. Wir wissen aber beide, daß es einfach darum gegangen ist, daß Sie beweisen wollten, es sei gar kein Bedürfnis zu reden da. Aber das heißt, daß sich die Mehrheit in diesem Hause mit den Argumenten der Opposition nicht einmal auseinandersetzt, und das war die Vorgangsweise.

Deshalb sagen wir, daß diese undemokratisch ist – nicht nach dem Mantel. Der Mantel stimmt schon, aber der Inhalt stimmt nicht. Das ist dasselbe wie bei der FPÖ: Der Mantel stimmt schon, aber der Inhalt stimmt nicht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

9.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Er hat das Wort.

9.34

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Hohes Haus! Bei den Liberalen hat man den Eindruck, es ist eine Fraktion, bestehend aus einer Lehrerin, die Zensuren verteilt. Heute war der Schüler Khol böse, er war wieder nicht brav. (Abg. Mag. Barmüller: Du hast ein Trauma, Stadler! Irgendein Trauma aus der Schule!) Dann kommt der Schüler Barmüller heraus, schwänzt die Schule, er hat nämlich die Sitzung geschwänzt, kommt heraus und erzählt uns, was in der Sitzung alles war – vor allem jenen, die bei der Sitzung dabei waren. Herr Abgeordneter Barmüller! Erstens hat es ausgiebige Beratungen gegeben ... (Abg. Wabl: Stadler schreibt sich in den "Verfassungsbogen" rein! Stadler will in den "Verfassungsbogen" hinein! – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) – Passen Sie auf, Herr Kollege Wabl, sonst bekommen Sie eine schlechte Note von der Frau Oberlehrerin! Da müssen Sie aufpassen, denn Zwischenrufen ist nicht gestattet, hat sie gestern gesagt.

Herr Abgeordneter Barmüller schwänzt also die Sitzung, kommt dann heraus und erzählt uns dann, was in der Sitzung alles nicht stattgefunden hat. Ich weiß, daß dort eine lange Beratung stattgefunden hat, und zwar deswegen lang, weil es halbstündige – übrigens mehr als langweilige – Monologe der Frau Schmidt gegeben hat, die dann wirklich niemanden mehr interessiert haben. Diese waren so langweilig und ermüdend, daß Sie sich nicht darüber beklagen können, daß niemand mehr auf Ihre Monologe eingegangen ist. Das müssen Sie sich selbst zuschreiben.

Es gab vor allem schon in der Präsidialkonferenz die Kritik der Frau Schmidt, daß das kein Demokratiepaket sei, sondern nur ein Packerl. Aber deswegen – ich teile diese Einschätzung, das ist ein Packerl in der Größe einer Tabakdose – einen Unterausschuß zu verlangen, ist wohl etwas übertrieben, meine Damen und Herren! Sie müssen sich darüber schon einig sein: Ist es entweder ein Demokratiepaket, bei dem wir einen Unterausschuß brauchen, oder ist es das, wofür ich es auch einschätze, nämlich ein Demokratiepackerl in der Größe einer Tabakdose, dann brauche ich dafür aber keinen Unterausschuß? (Abg. Mag. Barmüller: Vielleicht sollte man das Packerl etwas größer machen!)

Die Beratungen im Verfassungsausschuß waren für dieses Minipackerl lange und ausgiebig genug; dazu haben Sie letztlich mit Ihren langweiligen Monologen beigetragen.

Herr Kollege Wabl! Noch etwas, und das gilt für Sie ganz besonders. (Abg. Wabl: Bitte!) Ich nehme Ihnen schon ab, daß Ihnen die Rechte der Minderheiten ein Anliegen sind. Dann hätten Sie aber nicht mit Frau Schmidt der letzten Geschäftsordnungsreform zustimmen dürfen. Sie kommen permanent heraus, beklagen die Schmälerung der Rechte der Oppositionsfraktionen, haben sie aber mitbeschlossen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das war Ihr Sündenfall, als das letzte Mal Sie aus der Dreiergruppierung der Oppositionsfraktionen in Geschäftsordnungsfragen ausgeschieden sind und mit den beiden Regierungsparteien gemeinsame Sache bei der Verschlechterung der Rechte der Oppositions- und Minderheitsfraktionen gemacht haben. Jetzt beklagen Sie sich ständig, daß Sie sich ins eigene Knie geschossen haben. Bei der Frau Schmidt sind wir das gewohnt, aber Sie sollten das nicht tun. (Abg. Wabl: Herr Stadler! Sie haben sich das letzte Mal den Untersuchungsausschuß abkaufen lassen!)

Sie sollten sich daran erinnern, wem Sie hier bei der Verschlechterung der Rechte der Minderheiten im Haus die Mauer gemacht haben. Jetzt müssen Sie damit leben. Das ist das Problem. Wenn man sich vorher sozusagen über den Tisch ziehen läßt, dann darf man nachher nicht darüber jammern, daß das Ergebnis schlecht ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Meine Damen und Herren! Ein Letztes: Das zeigt auch, wie wichtig ihm – ich meine jetzt wieder den Schüler Barmüller – offensichtlich die Rechte des Parlaments sind. Wissen Sie, da setzen die Regierungsparteien gemeinsam mit den beiden Oppositions-Ampelparteien eine Gruppe ein, die sich "Frisches Fleisch auf alte Knochen" nennt. Das war ein sehr bezeichnender Arbeitstitel für Herrn Barmüller. "Frisches Fleisch auf alte Knochen" – ich weiß nicht, wer da der alte Knochen ist. (Abg. Dr. Krüger: Welche Knochen meint er? Meint er seine eigenen?)

Meine Damen und Herren! "Frisches Fleisch auf alte Knochen" – und dann wollen Sie beraten, wie das Parlament weiterentwickelt werden soll, wie die Rechte des Parlaments weiterentwickelt werden sollen, aber die größte Oppositionspartei wird nicht eingeladen – nicht, daß ich dabeisein will. Ich möchte bei Ihnen nicht den "alten Knochen" spielen, Herr Kollege Barmüller, dafür haben Sie Kompetentere in Ihren Reihen. (Abg. Mag. Barmüller: Was regst du dich dann auf, Stadler?)

Aber, meine Damen und Herren, "Frisches Fleisch auf alte Knochen" heißt nicht, daß Sie dann das Recht haben, hier heraußen die Dinge so zu verdrehen, wie es Ihnen agitatorisch in den Kram paßt. Ich habe Verständnis dafür, daß Frau Schmidt nicht mehr glücklich ist, wenn sie in Zukunft für ihre Präsidialambitionen Unterschriften sammeln soll, die sie beim Bürger nicht bekommt. Beim Bürger kommt sie nicht an, das haben wir schon erfahren, da bekommt sie ja keine Unterschriften. Daher ist sie einmal sauer, daß man jetzt dieses Privileg abschafft.

Sie versucht natürlich jetzt, sich demokratiepolitisch in Szene zu setzen, weil sie noch immer unter dem Eindruck des bayerischen Landtagswahlergebnisses steht, bei dem ihre Freunde – Max Stadler – von den bayerischen Liberalen beteiligt waren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Stadler! Wir haben oft Meinungsverschiedenheiten über die Handhabung der Geschäftsordnung. Das Problem ist, wenn Quantität in Qualität umschlägt.

Bei der Einwendungsdebatte handelt es sich um eine Geschäftsordnungsdebatte. Ich gebe zu, daß immer wieder von allen Fraktionen bei einer Geschäftsordnungsdebatte zur Tagesordnung auch auf die Materie selbst eingegangen wird. Das hat auch Kollege Wabl getan (Abg. Dr. Graf: Das haben alle getan!), das haben alle getan. Aber die bayerischen Landtagswahlen oder die Initiative hat nichts damit zu tun. (Abg. Mag. Stadler: Das war nur der Schlußsatz!) Ich sage das in der freundschaftlichen und korrekten Form, damit Sie sich nicht benachteiligt fühlen, aber damit auch klar ist, daß auf das Bemühen, die Einhaltung der Geschäftsordnung sicherzustellen, nicht verzichtet wird – bei aller Lockerheit und bei allem Eingehen auf die Hitzigkeit einer Debatte, die dann ein bißchen ausufert.

Kollege Khol hat noch 3 Minuten restliche Redezeit. – Bitte. (Abg. Wabl: Unser "Verfassungsbogen"-Bastler!) 

9.38

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Ich würde noch gerne Frau Schmidt die Frage nach dem Procedere beantworten, damit ich vielleicht wieder über meine Würde komme, liebe Frau Kollegin! Ich bekomme dann vielleicht einen römischen Einser.

Wir haben im Mai, Frau Kollegin Schmidt, als Sie zweimal für eine Kandidatur unterschrieben haben, die öffentliche Diskussion über die Frage begonnen: Soll eine Abgeordnetenunterschrift die Unterschrift von 25 000 österreichischen Bürgerinnen und Bürgern ersetzen? Wir haben weiters die öffentliche Diskussion darüber begonnen, ob ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete dieses Privileg gleich zweimal ausnützen können soll. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. – Abg. Wabl: Sie brauchen deshalb nicht "Demokratieverhetzer" sagen!)

Es war ein allgemeiner Konsens – darauf habe ich schon hingewiesen –, daß das nicht mehr zeitgemäß sei. Wir haben darauf nach langer öffentlicher Diskussion im Juli die Initiativanträge eingebracht. Wie immer man die beurteilen mag – für die einen ist es ein großes Paket, für die anderen ein kleines –, es ist immerhin ein Schritt.

Wir haben dann im September, bevor der Ausschuß zusammengetreten ist, Parteiengespräche mit Fraktionen geführt, die zum Ausdruck gebracht hatten, daß sie mit dem einen oder anderen Detail nicht einverstanden sind, daß sie es ergänzt haben wollen. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist eine Verzerrung der Wirklichkeit, was Sie da sagen!) Das hat dazu geführt, daß wir einige Anregungen, die im Verfassungsausschuß von der grünen Fraktion gekommen sind, in Abänderung gefaßt haben; einen Abänderungsantrag bringen wir heute in zweiter Lesung ein. Es ist dies ein sehr wichtiger Abänderungsantrag, der die Unterschriftsleistungen erleichtert.

Das heißt also, es hat ordentliche Gespräche gegeben. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist unrichtig! – Abg. Wabl: "Ordentlich" ist übertrieben!) Wir haben dann einen ganzen Nachmittag lang über das, was wir vorgeschlagen haben, diskutiert.

Frau Kollegin Schmidt! Alles, was Sie dort vorgebracht haben, war, daß Sie mit dem einen oder anderen nicht einverstanden sind und daß man in Wahrheit über etwas anderes reden müßte (Abg. Dr. Schmidt: Über mehr Demokratie!): über die Rechte des Bundespräsidenten, über die Frage des Mehrheitswahlrechtes – das Sie ablehnen, das ich auch ablehne – und so weiter, aber Sie haben keine Anträge gestellt. Es war nichts im Ausschuß.

Was Sie in Wahrheit hier larmoyant bejammern, ist, daß Sie eine so kleine Fraktion sind, daß Sie Ihre Vorstellungen hier nicht durchsetzen können. Es ist das Leiden an der fehlenden Mehrheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich sage Ihnen, Frau Schmidt: Sie werden Ihre fehlende Mehrheit nicht durch Geschäftsordnungsdebatten ersetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

9.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wabl, mit seiner Restredezeit, die wir genau stoppen werden. (Abg. Dr. Stummvoll: Nichts über unsere Bürgermeister!)

9.42

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Es ist immer ein großartiges Erlebnis in diesem Haus, wenn der "Verfassungsbogen"-Bastler Khol hier beim Rednerpult steht und von großen Paketen spricht (Abg. Dr. Khol: Danke! – Abg. Dr. Fekter: Da könnten Sie auch etwas lernen!), wenngleich er eigentlich nur meint: Ei, da haben wir etwas entdeckt! Da haben sich die Minderheiten erfrecht! Wir haben doch eh schon im rot-schwarzen Ausschuß ausgemacht, es darf nur mehr der Thommy für die Präsidentschaft kandidieren. Da gibt es andere, die wollen auch noch etwas. Dieses Privileg müssen wir abschaffen! – Aber daß Sie dazu gleich "Paket" sagen, Herr Khol, das ist doch übertrieben. (Abg. Dr. Graf: Was habt ihr denn gemacht?)

Herr Khol, wenn Sie sich darum gekümmert hätten, bei Bürgerinitiativen, bei Volksbegehren für Menschen, die in das Gemeindeamt gehen und dort offizielle amtliche Bestätigungen holen müssen, damit ihre Unterschrift gilt, eine Erleichterung zu schaffen, dann hätte ich gesagt: Ja, jetzt sind wir auf dem richtigen Weg.

Meine Damen und Herren! Das, was der Herr Khol macht, ist sein übliches Spiel: Er bestimmt in diesem Land, was Demokratie ist, und der rote Freund und Bruder marschiert mit.

Aber heute haben wir eine wunderbare Geschichte erlebt. Der große Verfassungsbogen-Bastler, der ein schönes Mäntelchen ausgebreitet hat und bestimmt, wer sich da hineinkuscheln darf, hat heute einen neuen Bewohner gekriegt. Ich glaube, dem Herrn Stadler ist es im blauen Eck etwas kalt geworden,  so allein in dieser Republik, ausgestoßen, er darf nicht mehr dabeisein beim schwarzen Bruder. (Abg. Schwarzenberger: Gehört das auch zur Geschäftsordnung?) Einige von seiner Fraktion haben ja schon wärmere Gefilde aufgesucht (Heiterkeit bei der SPÖ), aber jetzt denkt er sich: Ich möchte mich auch ein bißchen hineinkuscheln in diesen Verfassungsmantel des Herrn Khol!, und er kommt hier heraus und erzählt, er ist eigentlich der Oppositionelle, der immer gekämpft hat für die Rechte.

Herr Stadler! Sie haben vergessen, daß es Ihre Fraktion war, die bei einem der wichtigsten Instrumente dieses Hauses, nämlich beim Untersuchungsausschuß, das Quorum des Untersuchungsausschusses zugunsten irgendwelcher Rechte für die Freiheitliche Partei verkauft hat. Und jetzt kommen Sie heraus und sagen, Sie wollten eh immer dabeisein!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Wabl! Dies hat mit einer Einwendungsdebatte nichts zu tun! – Bitte fortzusetzen für die restlichen 20 Sekunden! (Abg. Dr. Kostelka: Abschließen!)

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Ich wollte hier nur erklären, warum er gegen die Einwendungsdebatte ist und warum er mit dieser Tagesordnung so glücklich ist: Weil er sich endlich wieder hineinkuscheln kann bei seinem schwarzen Freund. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

9.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Geschäftsordnungsdebatte über die Tagesordnung der heutigen Sitzung ist damit geschlossen.

Nach § 50 der Geschäftsordnung entscheidet der Nationalrat über diese Frage.

Wir gelangen zur Abstimmung, und zwar ist abzustimmen über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Schmidt, die Punkte 2 bis 5 der heutigen Tagesordnung von der Tagesordnung abzusetzen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die den Einwendungen Rechnung tragen wollen, das heißt, die dafür stimmen, daß die Punkte 2 bis 5 abgesetzt werden, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, was bedeutet, daß es bei der ausgegebenen Tagesordnung der heutigen Sitzung bleibt.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr – um 9.45 Uhr – zur Fragestunde.

Die 1. Anfrage formuliert Abgeordneter Schöggl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Seit 1994 wird an einem technologiepolitischen Konzept gearbeitet. In Alpbach haben Sie jedoch den Entwurf, der von Ihren Experten Schmidt und Hochleitner erarbeitet wurde, als gescheitert bezeichnet. Es besteht aber dringender Bedarf an technologiepolitischen Leitlinien. In diesem Zusammenhang daher folgende Frage an Sie:

215/M

Welche konkreten Schritte werden Sie hinsichtlich einer Neukonzeption technologiepolitischer Leitlinien setzen, zumal der vieldiskutierte Schmidt-Hochleitner-Entwurf nach Ihren eigenen Aussagen nicht umgesetzt wurde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Schöggl! Sie haben recht, die Diskussion über technologiepolitische Leitlinien der Bundesregierung wird bereits seit geraumer Zeit geführt. Ich darf Sie allerdings daran erinnern, daß bereits mein Amtsvorgänger im Spätherbst des Jahres 1996 dem Parlament einen ersten ausführlichen Vorschlag zu diesen Leitlinien zugeleitet und vorgelegt hat und daß wir – ich wundere mich, daß Sie sich nicht daran erinnern – darüber auch ausführliche Debatten im Wissenschaftsausschuß gehabt haben.

Es ist allerdings richtig, daß ich in Alpbach gesagt habe, daß der erst später, nämlich voriges Jahr, erstellte Vorschlag der beiden Experten der Bundesregierung, Schmidt und Hochleitner, in der Form, wie sie ihn vorgelegt haben, nicht umgesetzt wurde. Das hat allerdings nichts damit zu tun, daß die technologiepolitischen Leitlinien nicht umgesetzt worden wären.

Lassen Sie mich Ihnen dazu doch einige Details im einzelnen anführen.

Wir haben nach sehr ausführlichen Vorarbeiten und Erstellung entsprechender Voraussetzungen einerseits das Förderprogramm "Kplus" für die Einrichtung von kooperativen Hochleistungsforschungszentren zwischen der Industrie und qualitativ hochstehenden Forschungseinrichtungen geschaffen. Die Vergaberichtlinien für das neue Wissenschafts- und Wirtschaftsprogramm wurden bei der EU-Kommission modifiziert. Der Auswahlprozeß für die Pilotphase, der nach streng wissenschaftlichen und objektiven Kriterien erfolgt, läuft. Die Entscheidung über die ersten Kompetenzzentren nach dem "Kplus"-Programm wird am 24. September, also in Kürze, fallen und am 28. September öffentlich bekanntgegeben werden. Die Bewerbungen, die dazu eingelangt sind, sind außerordentlich ermutigend, insbesondere was die hohe Wirtschaftsbeteiligung betrifft.

Es wird weiters noch heuer im Herbst nach der Entscheidung über die ersten Projekte die Hauptphase des "Kplus"-Programms ausgeschrieben werden, und auch die Abwicklung dieses Programms wird – durchaus Anregungen von Schmidt und Hochleitner folgend – außerhalb des Ministeriums in einer ausgegliederten privatrechtlich organisierten Gesellschaft erfolgen.

Das zweite – auch das sollte, denke ich, durchaus gesehen und entsprechend bekanntgemacht werden –: Wir haben im Rahmen des Impulsprogramms "Kooperation der Fachhochschulen mit der Wirtschaft" eine ausgezeichnete Ergebnisrunde seitens der neuen Fachhochschulstudiengänge bekommen. Wir haben 22 Vorschläge bekommen, die allesamt auf höchstem Niveau waren, und wir haben elf davon umgesetzt. Das heißt, es laufen elf Programme, die darauf abzielen, daß die Fachhochschulen in ihrem jeweiligen regionalen Kontext ihr Know-how und ihre Forschungsarbeiten mit der regionalen Wirtschaft teilen und dadurch dazu beitragen, daß insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen von der Existenz und von dem Know-how der Fachhochschulen profitieren.

Wir haben in diesem Bereich insgesamt 40 Millionen Schilling eingesetzt, und wir sind nach den sehr guten Erfolgen der ersten Runde davon überzeugt worden, daß es sinnvoll und notwendig ist, eine zweite in Gang zu setzen. Wir stehen unmittelbar vor der Ausschreibung für eine zweite Runde.

Dritter Punkt – auch das ein großer Erfolg –: Sie wissen, daß eine der zentralen Schwierigkeiten der Transfer von den Universitäten in die Betriebe, und zwar insbesondere auch wiederum in die kleineren und mittleren Betriebe, ist. Wir haben daher ein neues Programm entwickelt, das sogenannte "Postdoc"-Programm für die Wirtschaft. Es geht dabei darum, Absolventen eines Doktoratsstudiums, die durchaus auch forschungsorientiert gearbeitet haben, in die Unternehmen zu schicken und dabei einen Anreiz zu schaffen, der sowohl für diese Doktoratsabsolventen als auch für die Unternehmen attraktiv ist.

Das Programm ist außerordentlich gut angenommen worden, und wir sind daher entschlossen, für die nächsten drei Jahre weitere 50 Millionen Schilling in dieses Programm zu investieren.

Vierter Punkt – auch das ist an sich schon weithin kommuniziert –: Wir haben gemeinsam mit der Stadt und dem Land Wien ein Projekt zu unterstützen beschlossen, das ist das Projekt Techgate Wien. Dabei geht es darum, ein hochwertiges Wissenschafts- und Technologiezentrum auf der Donau-Platte zu errichten, um sicherzustellen, daß auch in Wien die Dynamik an technologischer Innovation und der Transfer von Wissenschaft in die industrielle Praxis stattfinden, die wir wünschen. Auch dafür haben wir uns entschlossen, in den nächsten Jahren gemeinsam 660 Millionen Schilling auszugeben.

Lassen Sie mich zuletzt einen Punkt nennen, der schon an der Schnittstelle zum Übergang zur reinen Industrieförderung steht. Sie wissen, wir haben in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich im Arsenal einen Klima-Wind-Kanal betrieben. Es ist das die einzige derartige Einrichtung, die den europäischen Eisenbahnen erlaubt, ihre neuen Züge, ihre neuen Loks, aber auch ihre Waggons modernsten Anforderungen gemäß sowohl auf Wind- als auch auf Klimatauglichkeit zu prüfen.

Es hat sich gezeigt, daß mittlerweile neuere Technologien für diesen Zweck verfügbar und notwendig sind, und es ist gelungen, auch die Nachfolgeeinrichtung für diese Klima-Wind-Prüfgelegenheit in Österreich zu halten. Wir werden daher für diesen Zweck in den folgenden Jahren eine neue Einrichtung – auch wieder in Wien – schaffen, und es wird die einzige in Europa sein, bei der hochwertigste Prüfarbeit an Eisenbahnverkehrsmitteln geleistet werden kann.

Die Investitionskosten betragen etwa 800 Millionen Schilling, und wir haben uns entschlossen, aus Mitteln der Technologieförderung dafür einen nennenswerten Beitrag zu leisten.

Alles in allem glaube ich, daß man sagen kann, daß nicht nur die Leitlinien, die dem Parlament Ende 1996 zugeleitet worden sind und die im Wissenschaftsausschuß ausführlich diskutiert worden sind, realisiert worden sind, sondern daß darüber hinaus auch in der konkreten Praxis eine Reihe von Projekten, die Österreich im wissenschaftlich-technischen Bereich voranbringen werden, realisiert worden sind oder sich in der Umsetzungsphase befinden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Nein!) Danke.

Dann gelangt Herr Abgeordneter Dr. Lukesch zu Wort.

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich stimme mit Ihnen überein, daß wir zwei Dinge brauchen für unsere Technologiepolitik: einerseits ein strategisches Konzept, über das Sie jetzt gesprochen haben, auf der anderen Seite aber auch eine ausreichende Finanzierung. Und da muß uns noch einiges einfallen.

Die Umsetzung solcher Konzepte erfordert aber regionale Initiativen. Das Land Tirol zum Beispiel hat 30 Millionen Schilling zur Errichtung zweier Technologiezentren zur Verfügung gestellt, eines in Landeck, eines in Reutte. Der ERP-Fonds hat diese beiden Projekte positiv begutachtet. Was fehlt, ist Ihre Unterschrift.

Herr Bundesminister! Wann dürfen wir mit Ihrer Unterschrift für die beiden Tiroler Technologiezentren rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter, vorweg: Ich bin sehr glücklich darüber, daß nicht nur das Land Tirol, sondern alle Bundesländer aus wohlverstandenem eigenen Interesse bereit sind, Technologiezentren in ihrem jeweiligen Landesgebiet mit zu unterstützen. Der Bund unterstützt diese Projekte, wie Sie wissen, ebenfalls, und nach einer entsprechenden abschließenden Prüfung werde auch ich diese Unterschrift erteilen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Dr. Moser.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Bundesminister! Zweifellos kommen die technologiepolitischen Leitlinien reichlich spät, zweifellos ist es auch notwendig, daß diese Leitlinien ergänzt werden durch eine Abschätzung der Technologiefolgen.

Welche Maßnahmen, welche Vorkehrungen werden Sie treffen, damit die Technologiefolgen – Stichwort Gentechnik – ebenfalls berücksichtigt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich darf Ihnen in einem Punkt zumindest widersprechen. Ich denke, daß etwas, was vor zwei Jahren gekommen ist, jetzt nicht als zu spät kommend qualifiziert werden kann. Das gibt es schon eine Weile.

Was die Frage der Technologiefolgenabschätzung anlangt, sind wir der Überzeugung, daß es Sinn macht und auch in unsere Entwicklungskonzeption für die Universitätenentwicklung paßt, daß dort, wo gentechnische Untersuchungen und Forschungen durchgeführt werden, Begleitforschungen, die insbesondere die Risikoseite zu beleuchten und zu bewerten haben, von derselben Universität durchgeführt werden.

Ich gehe davon aus, daß dies nicht nur im Interesse der Sicherheit und Transparenz gelegen ist, sondern auch im Interesse einer ganzheitlichen oder universellen Bearbeitung von relevanten Forschungsthemen durch die ganze Universität.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Frau Abgeordnete Dr. Gredler, bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Letztes Jahr haben Sie von der geschmolzenen Technologiemilliarde ein Budget von zirka 460 Millionen Schilling zu verwalten gehabt. Ende November haben Sie uns gesagt, daß Sie noch zirka 200 Millionen Schilling nicht ausgegeben haben.

Meine Frage: Wie ist das Budget letztes Jahr dann ausgegeben worden? Wie schaut es heuer aus mit der Technologiemilliarde? Was ist bis dato für die Forscherinnen und Forscher zur Verfügung gestellt worden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich habe Ihnen auch schon, als wir das letzte Mal im Wissenschaftsausschuß über diese Frage gesprochen haben, dazu eine, wie ich meine, umfassende Antwort gegeben.

Das Konzept, das wir verfolgen – und ich habe vorhin ausführlich auf das "Kplus"-Programm hingewiesen –, besteht darin, daß wir mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln der ersten Technologiemilliarde – es stehen noch etwa 200 Millionen Schilling zur Verfügung – eine mehrjährige Förderung von mehreren Projekten, die jetzt zur Entscheidung stehen, vorhaben. Es geht um übertragsfähige Mittel, also um Geld, das nicht notwendigerweise im Budgetjahr selbst ausgegeben werden muß.

Wir haben – ich habe auch darauf hingewiesen – einerseits einen nennenswerten Betrag, nämlich etwa 40 Millionen Schilling, im Bereich der Impulsprogramme ausgegeben. Wir haben auch einen zweistelligen Millionenbetrag im Bereich der "Postdoc"-Programme ausgegeben, und wir haben darüber hinaus eine Reihe von weiteren Forschungsprojekten dadurch fördern können, daß wir die Mittel des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung verstärkt haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Bundesminister.

Herr Abgeordneter Gartlehner. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Auch ich habe eine Frage in einer ähnlichen Richtung.

Sehr viele Initiativen oder auch innovative Technologiepolitik, wie Sie von Ihnen betrieben wird, kosten natürlich auch zusätzliches Geld, und wir sehen die hohe Akzeptanz der letzten Aktionen, die seitens des Wissenschaftsministeriums im Bereich der Fachhochschulen, im Bereich der Kompetenzzentren gesetzt wurden.

Meine Frage an Sie lautet: Wie sehen Sie die Möglichkeit, im Rahmen einer Steuerreform auch eine zusätzliche Dotierung für Wissenschaft und Technologie in Österreich doch in einem sehr deutlichen Ausmaß herzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Es ist die Absicht der Bundesregierung, und es ist natürlich insbesondere meine Absicht als Zuständiger für den Bereich Wissenschaft und wissenschaftliche Forschung und diesen Teil der Technologiepolitik, auch zusätzliche, über die direkte budgetäre Finanzierung hinausgehende Instrumente zu schaffen, die geeignet sind, nicht nur die Betriebe anzureizen, mehr in Wissenschaft und Forschung, also insbesondere in Forschung und technologische Entwicklung, zu investieren.

Im Rahmen der Steuerreformkommission und der zur großen Steuerreform zu führenden Diskussionen wird auch dieser Aspekt eine wesentliche Rolle spielen. Wir werden aber zugleich auch zusätzliche direkte Förderungsmittel aus Erlösen von Privatisierungen oder Verkäufen von Bundesbeteiligungen investieren können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit haben wir den ersten Fragenkomplex abgeschlossen.

Die zweite Frage formuliert Herr Abgeordneter Kukacka. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich habe folgende Frage an Sie:

213/M

Welche weiteren Maßnahmen planen Sie im Bereich der Nahverkehrsfinanzierung, nachdem der Entwurf des Nahverkehrsfinanzierungsgesetzes (ÖPNRVG 1998) in der Begutachtung – auch bei den Landesfinanzreferenten und Landesverkehrsreferenten – auf breite Ablehnung gestoßen ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Danke, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter! Der Entwurf zu einem Nahverkehrsfinanzierungsgesetz war in Begutachtung. Das Begutachtungsverfahren ist abgeschlossen, hat jedoch nicht, wie ich deutlich sagen möchte, das von Ihnen behauptete Ergebnis gebracht. Was sich zeigt, ist nicht eine breite Ablehnung, sondern was sich zeigt, ist ein breiter Wunsch der Länder und teilweise auch der Gemeinden, mehr Geld vom Bund zu bekommen, als vom Bund bisher dafür aufgewendet worden ist.

Ich halte diesen Wunsch aus Interessensicht der Länder für durchaus legitim und verständlich, nur: Auch jetzt schon wendet der Bund den Löwenanteil zur Finanzierung der Nahverkehrsmittel auf, nämlich pro Jahr insgesamt 24 Milliarden Schilling ausschließlich für den Betrieb. Der Beitrag der Länder kann vernachlässigt werden, aber einen wesentlichen Beitrag leisten die Gemeinden, die in ihrem jeweiligen Bereich die entsprechenden Nahverkehrsmittel zur Verfügung stellen.

Die Konzeption seitens des Bundes, die wir vorgeschlagen haben, braucht einen Vergleich mit anderen Staaten oder Ländern, insbesondere auch dem Bundesland Bayern, überhaupt nicht zu scheuen. Wir sehen auch hinkünftig die Bereitstellung der derzeit dafür vorgesehenen Mittel vor, nämlich 24 Milliarden Schilling pro Jahr. Wir sehen etwa 8,5 Milliarden Schilling als originäre Tarifeinnahmen ohne Mittel des Familienlastenausgleichsfonds vor, und wir sind bereit, künftig unter bestimmten Bedingungen auch zusätzliche Leistungen zu erbringen.

Der Bund bekennt sich daher ganz ausdrücklich dazu, seinen Finanzierungsverpflichtungen weiterhin zu entsprechen und dabei zugleich gemeinsam mit Ländern und Gemeinden einen Strukturwandel in der Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs zu erreichen, und ich denke, daß das auch gelingen wird. Wir haben daher vereinbart, daß wir zunächst eine Arbeitsgruppe auf Beamtenebene zwischen den Ländern, den Gemeinden und dem Bund einrichten, um die letzten noch offenen Fragen ausräumen zu können. Ich bin überzeugt davon, daß eine Perspektive, bei der sich der Bund verpflichtet, auf die nächsten 10 Jahre hinaus in der Finanzierung keine Rücknahmen vorzusehen, durchaus ein außerordentlich attraktives Angebot ist, wenn man davon ausgeht, daß gleichzeitig durch die vorgeschlagenen Strukturänderungen in der Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs beträchtliche Einsparungen möglich sein werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Herr Abgeordneter Kukacka, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Bundesminister! Es wird wohl nicht möglich sein, gegen den expliziten Widerstand des Gemeindebundes und auch aller Bundesländer, auch jener Verkehrs- und Finanzreferenten der Bundesländer, die der Sozialdemokratie angehören, dieses Gesetz so, wie es jetzt vorliegt, zu realisieren. Wir haben in diesem Zusammenhang den Vorschlag gemacht, eine Parlamentarische Enquete zu diesem Thema abzuhalten, um den Karren wieder flottzumachen. Halten Sie das für eine sinnvolle Idee, und würde das auch von Ihrem Ministerium unterstützt werden, um wieder Bewegung in die festgefahrenen Fronten zu bringen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Im Gegensatz zu Ihnen halten wir die Fronten für nicht festgefahren. Wir sind im Gespräch, wir haben Gespräche vereinbart, und wir gehen davon aus, daß es zwar – darin stimme ich Ihnen zu – nicht sinnvoll und politisch auch nicht möglich ist, gegen den expliziten Willen der anderen Vertragspartner sozusagen die Lösung umzusetzen. Wir gehen aber andererseits davon aus, daß es möglich sein wird, diesen Konsens zu erzielen. Ich halte daher eine Parlamentarische Enquete zu diesem Thema in der nächsten Zukunft für nicht notwendig oder zweckmäßig. (Abg. Haigermoser: Aber das können wir ja auch ohne den Minister machen, Kollege Kukacka!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Dr. Moser stellt die nächste Frage.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Sie sprachen davon, daß der Bund bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs den 24-Milliarden-Zuschuß aufrechterhalten will und daß es in den nächsten 10 Jahren keine Rücknahme geben werde. Ich frage hierzu: Wie können Sie gewährleisten, daß die zusätzlichen Anforderungen an den öffentlichen Verkehr finanziert werden können, unter der Annahme, daß auch die Länder ihren Teil beitragen? Es ist gerade aufgrund des Kyoto-Ziels unabdingbar, daß der Anteil des öffentlichen Verkehrs in Österreich zunimmt. Dies kann nach internationalen Erfahrungen aber nur durch Investitionsschübe erfolgen. Wie können Sie gewährleisten, daß auch zusätzlich noch Investitionsmittel für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs bereitgestellt werden, wenn Sie auf der anderen Seite deckeln?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Es dürfte Ihnen entgangen sein, daß ich in meiner Antwort sehr ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß die 24 Milliarden ausschließlich für den Betrieb des öffentlichen Verkehrs vorgesehen sind, und ich daher von den Investitionen gar nicht gesprochen habe. Sie haben recht: Um eine entsprechende Kapazität für die Verlagerung in den Bereich des öffentlichen Verkehrs und insbesondere in die umweltfreundlichsten Formen des öffentlichen Verkehrs – das ist im allgemeinen im Bereich des Personennahverkehrs der schienengebundene Verkehr – zu haben, investieren wir zugleich jährlich über 15 Milliarden Schilling in den Ausbau der Schieneninfrastruktur. Ich denke nicht, daß man unter diesen Bedingungen sagen kann, daß das Geld für die Investitionen fehlt, wiewohl ich gerne zugestehe, daß wir durchaus noch mehr investieren könnten, weil der Bedarf dafür vorhanden ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Barmüller.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Es wird ja zwischen Ländern, Gemeinden und Bund recht viel Steuergeld hin- und hergeschoben. Die Länder und die Gemeinden tragen zwei Drittel der Straßenkosten, bekommen aber nur 9 Prozent aus der Mineralölsteuer. Ist es für Sie eine denkbare Variante, daß man den Ländern einen größeren Anteil an der Mineralölsteuer gibt und sie damit finanziell stärker entlastet von diesen Straßenkosten, damit sie selbst mehr Geld in den öffentlichen Verkehr investieren können, der ja unmittelbar in ihrem Verantwortungsbereich stattfindet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich kann ein Hin- und Herschieben von Steuergeld jedenfalls insoweit nicht entdecken, als beim Bund in der Regel nichts ankommt. Also wenn geschoben wird, dann nur in einer Richtung. Im übrigen haben wir den Eindruck – und die Abschlüsse der Bundesländer zeigen dies relativ deutlich –, daß es in den Ländern an Geldmitteln nicht fehlte. Es steht ihnen daher durchaus frei, sie sinnvoll zu investieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Herr Abgeordneter Dietachmayr, bitte.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs ist ein ganz wichtiger Beitrag. Sie wissen ja selbst, daß gerade in Zentralräumen wie auch im Linzer Zentralraum eine Reihe von Investitionen und Maßnahmen notwendig ist, damit wir nicht im Verkehr ersticken, und der öffentliche Verkehr auch entsprechend angenommen wird, wenn er modern und gut ausgebaut ist. Meine Frage daher: Welche Beiträge aus öffentlichen Mitteln wurden in der letzten Zeit für den Nahverkehr aufgewendet, beziehungsweise ist die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln für größere Investitionen in der nächsten Zeit geplant?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich habe es vorhin schon in der Erstantwort zu diesem Thema angeführt: Wir haben von seiten des Bundes einen jährlichen Aufwand für den Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs bundesweit in der Höhe von etwa 24 Milliarden Schilling jährlich. Wir haben vor, diesen Beitrag des Bundes zur Gewährleistung eines attraktiven und den Konsumentenbedürfnissen entsprechenden Nahverkehrs auch aufrechtzuerhalten.

Was die Investition in spezifische Projekte, die regional entwickelt werden, betrifft, halten wir uns an den bisher bewährten Schlüssel, und dort, wo die Bundesseite auch bisher schon in den Ausbau derartiger Projekte investiert hat, halten wir diese Investitionsbereitschaft weiter aufrecht. Was das hier nicht konkret angesprochene, aber anklingende Projekt eines Nahverkehrszentrums in Linz betrifft, gibt es zwar Wünsche des Landes und der Stadt an den Bund, sie sind aber durch die bisherige Praxis nicht gedeckt, und es fehlt auch ein entsprechender Budgetansatz auf Bundesseite.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Firlinger hat nunmehr das Wort.

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist Ihnen bekannt, daß die ÖBB-Werkstätten mit der Auslieferung der 240 Doppelstockwaggons aus dem niederösterreichischen Nahverkehrs-Finanzierungsvertrag in Verzug geraten sind. Das hat schon vor dem Sommer insbesondere im Pendlerverkehr zu großen Problemen und zu großer Verärgerung geführt. Was ist der Grund, Herr Bundesminister, daß es zu diesem Säumigwerden der ÖBB-Werkstätten gekommen ist, und was gedenken Sie zu unternehmen, daß die ÖBB ihren vertraglichen Verpflichtungen in Zukunft zeitgerecht nachkommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Im Gegensatz zu der Annahme Ihrer Frage ist mir diese Tatsache nicht bekannt. Bekannt ist mir lediglich die Tatsache, daß die ÖBB mehr Waggons zur Bearbeitung und zum Finishing übernommen haben, als es der Kapazität der Werkstätten entspricht. Es geht dabei aber nicht um eine Reduktion der geplanten Auslieferungszahl von Waggons für den niederösterreichischen Gebrauch.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir den zweiten Fragenkomplex – Verkehrspolitik – erledigt. Wir kommen wieder zum Wissenschaftsbereich.

Bitte, Frau Abgeordnete Schaffenrath.

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

218/M

Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um zu gewährleisten, daß die Bundesländer zukünftig ihren Verpflichtungen gemäß § 96 Abs. 1a bis 1b StVO tatsächlich nachkommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Die Straßenverkehrsordnung sieht tatsächlich in § 96 Abs. 1b eine jährliche Berichterstattung der Landesregierungen hinsichtlich jener Straßenstellen vor, die besondere Unfallhäufungspunkte aufweisen. Es geht dabei auch um einen Bericht, der erkennen lassen sollte, welche Maßnahmen, die als unfallverhütend gelten können, dort ergriffen worden sind. Weiters ist spätestens zwei Jahre danach über die Verwirklichung dieser Maßnahmen und deren Auswirkungen zu berichten.

Eine Feststellung, die ich gerne heute anläßlich Ihrer Anfrage dazu machen möchte, ist, daß es zumindest zwei Bundesländer gibt, die das in ganz besonders vorbildlicher Weise tun: das sind die Bundesländer Tirol und Niederösterreich, und ich kann die anderen Bundesländer nur einladen, diesem Beispiel, das vorbildlich ist, zu folgen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir kontaktieren aber auch die anderen Bundesländer, wir kontaktieren alle Bundesländer regelmäßig hinsichtlich dieser Fragen, und es werden bei diesen Gesprächen auch inhaltliche Verbesserungsvorschläge für die von Ihnen angesprochenen Berichte gemacht, diskutiert und erarbeitet.

Weiters habe ich mein Ressort beauftragt, alle Landesregierungen dahin gehend zu motivieren, daß sie entsprechende Berichte tunlichst nach dem Vorbild von Niederösterreich und Tirol erstatten.

Anläßlich der nächsten Verkehrsreferenten-Tagung wird seitens der Vertreter meines Ressorts die gegenständliche Thematik als Tagesordnungspunkt aufgenommen und neuerlich diskutiert, weil versucht werden muß, das Niveau zu heben, solange dieses Qualitätsniveau, das die beiden Bundesländer, die ich genannt habe, vorlegen, nicht von allen erreicht wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage.

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Minister! Ich freue mich als Tirolerin natürlich, daß das Bundesland Tirol zumindest Berichte legt, aber wir wissen auch, daß sich Tirol nicht an die RVS-Richtlinie hält. Mir geht es insbesondere auch darum, wie Sie sicherstellen wollen, daß es eben in Zukunft nicht mehr vorkommt, daß die anderen Bundesländer diese Berichte nicht legen beziehungsweise legen, indem sie diesen RVS-Richtlinien nicht entsprechen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Im wesentlichen dadurch, daß wir mit den Vertretern der entsprechenden Länder in sehr intensiv geführten und mit Sachargumenten ausgestatteten Diskussionen ins Einvernehmen treten. Es geht darum, die Länder dafür zu gewinnen. Zwangsmittel der formellen Art erscheinen weder sinnvoll noch zweckmäßig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Binder. – Bitte.

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Minister! Im Zusammenhang mit mehr Sicherheit im Straßenverkehr, mit der Reduzierung der Zahl der Unfälle möchte ich Sie fragen, ob Sie auch der Meinung sind, daß in Österreich verstärkt Kreisverkehre, besonders bei Ortseinfahrten, forciert werden sollten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Die bisherigen Erfahrungen mit der Einrichtung von Kreisverkehren sind ganz überwiegend positiv und zeigen, daß ein Kreisverkehr, insbesondere bei den Ortseinfahrten, dazu geeignet ist, die Einfahrtsgeschwindigkeit der in das Ortsgebiet einfahrenden Fahrzeuge deutlich zu reduzieren.

Es ist zwar zu konzedieren, daß die konkrete bauliche Umsetzung von manchen Kreisverkehren noch zu wünschen übrigläßt, aber grundsätzlich erweist sich die verstärkte Konzeption von Kreisverkehren statt Ampeln und insbesondere die Ansiedlung von Kreisverkehren bei der Ortseinfahrt als außerordentlich zweckmäßig zur Reduktion von Unfällen und insbesondere zur Reduktion schwerer oder gar tödlicher Unfälle. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Madl, bitte.

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Hinsichtlich des Vollzugs von Gesetzen in Ihrem Ressort, was eigentlich Kerntenor dieser dritten Frage war, ist zu sagen, daß es noch einige Gesetze Ihr Ressort betreffend gibt, die nicht vollzogen werden. Ich meine etwa den Vollzug der neuen Führerscheingesetz-Novelle, die wir im Juli beschlossen haben, und zwar explizit den durch Verordnung zu erlassenden Feuerwehr-Führerschein. Die Feuerwehren warten bis heute noch auf den Vollzug dieses Gesetzes und auf die Verordnung, die Sie zu erlassen haben.

Ich frage Sie jetzt: Wann werden Sie dieses Gesetz vollziehen und die entsprechende Verordnung erlassen, damit es zur Umsetzung dieses Feuerwehr-Führerscheines kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Sie wissen, daß zu den Vorkämpfern für diesen Feuerwehr-Führerschein nicht zuletzt auch ich gezählt habe. Mir ist daher in höchstem Maße daran gelegen, diese Materie so rasch wie möglich umzusetzen. Es hat dazu allerdings die Notwendigkeit noch ausführlicherer Kontakte mit manchen Bundesländern gegeben, weil sich dort – für mich schon auch etwas überraschend – die Diskussion um die Frage ergeben hat, was eine Feuerwehr ist. Wir sind aber kurz davor, diese Verordnung tatsächlich auch in Kraft setzen zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Kukacka, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich komme zurück zu der Frage, die Frau Schaffenrath gestellt hat. Der Nationalrat hat nämlich vor dem Sommer einen Entschließungsantrag beschlossen, in dem der Verkehrsminister ersucht wird, mit den Ländern in Verhandlungen zu treten, um je Bundesland eine Kommission einzurichten, welche die Unfallhäufungspunkte erfaßt und ihre Auswirkung auf die Verkehrssicherheit prüft, und im Verkehrsministerium eine Unfallkoordinationsstelle einzurichten, welche die zu sanierenden Unfallschwerpunkte analysiert und in einem Bundesplan mit entsprechenden Prioritäten aufnimmt.

Haben solche Verhandlungen mit den Ländern über die Einrichtung dieser Kommissionen schon stattgefunden? Wie stellen sich die Länder dazu? Und ist diese Unfallkoordinationsstelle im Verkehrsministerium bereits eingerichtet worden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Die ersten Kontakte mit den Ländern haben bereits stattgefunden, es ist nur so, daß, wie Sie selbst wissen, diese Entschließung des Nationalrates relativ knapp vor der Sommerpause beschlossen worden ist, sodaß ich davon ausgehe, daß wir im Laufe des Herbstes das notwendige Einvernehmen mit den Bundesländern finden und auch die in meinem Ressort einzurichtende Stelle schaffen werden.

Die Stelle in meinem Ressort bedarf keines besonderen Aufwandes, weil das eine Funktion ist, die wir auch jetzt schon in der einschlägigen Gruppe des Ressorts wahrnehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Wabl, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Ich glaube, es steht bei allen Fraktionen außer Streit, daß der Eisenbahnverkehr wesentlich sicherer ist als der Straßenverkehr. In allen politischen Erklärungen, von wem auch immer, wird immer der Vorrang der Schiene vor der Straße verlangt. Der Ausbau der Infrastruktur der Eisenbahn hat ja nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch verkehrspolitisch immense Vorteile. Wie sehen Sie das jetzt in Ihrer Erfolgsbilanz, daß gerade in diesen Minuten Frau Landeshauptfrau Klasnic mit Herrn Wirtschaftsminister Farnleitner den Spatenstich für den Straßentunnel am Semmering vollzieht, während ein Projekt der Infrastruktur für die Eisenbahn, für die Schiene aus parteipolitischen Gründen unter dem Titel Ökologie blockiert wird, während es hinsichtlich des Straßentunnels keine Einwände gibt und die Grünen diesbezüglich auf verlorenem Posten stehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie die Frage beantworten und ob Sie einen Zusammenhang zur Straßenverkehrsordnung herstellen wollen und können. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! In der Tat, diese zusätzliche Bemerkung stellt mich vor einige Herausforderungen. (Abg. Dr. Khol: Die wirst du bestehen!) Ich werde dennoch versuchen, materiell knapp zu sagen: Die Frau Landeshauptfrau (Abg. Dr. Khol: Gute Frau!) steht uns bei der Frage des Ausbaues der Schieneninfrastruktur in Richtung Steiermark überhaupt nicht im Wege (Abg. Dr. Fekter: Im Gegenteil!), sondern als Partnerin bei.

Was die Position der Grünen betrifft, bin ich über Ihre Fragestellung überrascht, weil ich den Eindruck habe, daß die Grünen nicht wirklich Fans eines Eisenbahnausbaus in Richtung Steiermark sind, aber vielleicht habe ich mich da verhört. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das war eine gute Antwort!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 4. Frage formuliert Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser. – Bitte. (Abg. Wabl – in den Bankreihen stehend –: Wird aber verhindert durch die ÖVP! Immer alles für die Schotterunternehmer!)

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Moment, Herr Abgeordneter Niederwieser! Ich muß den Kollegen Wabl einladen, Platz zu nehmen. (Abg. Wabl nimmt seinen Platz ein.) Das hat er inzwischen getan. – Bitte, Herr Abgeordneter Niederwieser.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (fortsetzend): Das hat er erst verdauen müssen. – Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

211/M

Welche allfälligen Konsequenzen ergeben sich aus der "Pariser Erklärung" der Bildungsminister Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und Italiens, insbesondere hinsichtlich der Einführung eines Baccalaureats in Österreich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Die Erklärung der vier Wissenschafts- und Bildungsminister, nämlich Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Großbritanniens, die sogenannte Sorbonne-Erklärung hat, wie Sie wissen, keinen rechtlich verbindlichen Charakter. Sie zielt darauf ab, eine gemeinsame Europäische Universität zu entwickeln, die gemeinsame und vergleichbare Abschlüsse erlaubt und im übrigen auch den Studenten die Möglichkeit gibt, ohne Zeitverlust in mehreren europäischen Staaten ihre Studien abzuwickeln.

Österreich unterstützt die in dieser Erklärung enthaltene Absicht. Wir sind allerdings, wie Sie wissen, derzeit mitten im Prozeß der Umsetzung der Reformen des Universitätsstudiengesetzes, und die Universitäten sind in besonders engagierter Weise dabei, die neuen Studienpläne zu entwickeln. Ich habe mich daher entschlossen, parallel zu diesen Bemühungen jetzt keinen zusätzlichen Reformauftrag in eine andere Richtung draufzusetzen, aber bei der herbstlichen Rektorenkonferenz im Oktober in konkrete Gespräche mit den Rektoren einzutreten, um zu sehen, in welcher Weise auch parallel oder integriert in die Bemühung der Umsetzung der Studienpläne in manchen der Bereiche, um die es geht, jetzt schon Elemente dieser Konzeption eingebaut werden können.

Ich meine, daß wir darauf achten sollten, daß die Universitäten mit dem Reformprozeß nicht überfordert werden. Es geht darum, daß wir den einen Prozeß, der darauf abzielt, die Studien zu straffen, zu kürzen, dazu beizutragen, daß Studenten in angemessener Zeit mit ihrem Studium fertig werden können, konsequent umsetzen, und soweit sich das mit dem zweiten Ziel, das ich grundsätzlich unterstütze – ich sage das sehr ausdrücklich –, und zwar mit dem Ziel einer europäischen Standardisierung, kombinieren läßt, werden wir versuchen, das zu tun. Es bedarf dazu allerdings sehr enger Kooperation mit den Universitäten selbst.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Bundesminister! Halten Sie es für denkbar, daß wir in etwa zwei Jahren zu konkreten gesetzlichen Maßnahmen kommen, damit dann die Universitäten, die das machen wollen, auch in die Umsetzung eintreten können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Ja.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Graf, bitte.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Ist diese Pariser Erklärung mit den Universitäten abgestimmt, und stellt sie nicht einen Eingriff in deren Autonomie dar?

Eine zweite zusätzliche Frage noch: Herr Bundesminister, Sie sind im wesentlichen immer dafür eingetreten, daß die akademischen Grade vereinheitlicht werden. Sehen Sie da nicht auch eine Zuwiderläufigkeit in der Gradbenennung – auch aus Ihrer ideologischen Sicht heraus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Die Erklärung von Sorbonne hat überhaupt keinen Rechtscharakter, sondern sie ist eine Absichtserklärung von vier von mir angeführten Wissenschafts- und Bildungsministern, die darauf abzielt, eine Vereinheitlichung des europäischen Universitätswesens und der dort erzielten Abschlüsse zu erreichen.

Ich stelle dazu fest: Inhaltlich teile ich diese Auffassung, weil ich meine, daß es bei zunehmender Integration Europas sinnvoll ist, da zu einer gemeinsamen Grundlage zu kommen, die den Absolventen solcher Universitätsstudien bessere Möglichkeiten der Arbeit in allen europäischen Staaten erlaubt, ohne daß es zu Anerkennungsfragen kommt.

Was den Eingriff in die Autonomie der Universitäten betrifft, so haben wir auch heute schon über die Frage der Zuständigkeit des Nationalrates zur Regelung bestimmter Angelegenheiten diskutiert, und ich meine, daß die Rahmenbedingungen für das Universitätswesen auch weiterhin vom österreichischen Parlament zu beschließen sein werden. In deren innerer Ausgestaltung ist den Universitäten Autonomie eingeräumt. Aber auch das Universitätsstudiengesetz ist zweifelsfrei eine Materie, die vom Nationalrat zu beschließen ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Amon, bitte.

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Herr Bundesminister! Welche Bildungseinrichtungen postsekundären Charakters existieren in Österreich, die mit einem Baccalaureat-Abschluß vergleichbar und international anerkannt sind, und zwar solche, die Fachhochschulen oder Universitätslehrgänge betreffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Die Fachhochschulen weisen einen Abschlußgrad auf, der über das Baccalaureat deutlich hinausgeht. Sie berechtigen ja auch zur unmittelbaren Fortsetzung in einem Doktoratsstudium an Universitäten. Da auch die Ausbildungsdauer vier Jahre beträgt, übersteigt sie jene für das Baccalaureat. Eine unmittelbare Vergleichbarkeit ist daher weder zwischen diesen Abschlüssen noch zwischen den Qualifikationen, die im Rahmen von Universitätslehrgängen gewonnen werden können, gegeben.

Das, worum es jetzt geht, ist zu sehen, wo entsprechende Ansätze heute schon vorhanden sind, um das Baccalaureat herauszuentwickeln, beziehungsweise auch zu sehen, ob sich nicht bestimmte Studienrichtungen in besonderer Weise eignen, auch anläßlich der Umsetzung des Universitätsstudiengesetzes in einer Weise entwickelt zu werden, daß dort ein Baccalaureat-Zwischenabschluß möglich ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Dr. Moser.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Zweifellos sind mittlere Studienabschlüsse sehr wesentlich. Wesentlich erscheinen mir aber noch ausführliche Beratungen und ausführliche Gespräche vor dem Studienbeginn. Frage, Herr Bundesminister: Was werden Sie unternehmen, damit gerade für Studienanfänger die Beratung besser wird, und – zweite Frage – was werden Sie unternehmen, damit die Umstiegsmöglichkeiten während des Studiums besser vonstatten gehen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Geschäftsordnung spricht ausdrücklich von einer Zusatzfrage. Wenn Sie schon etwas Zweites hineinpacken wollen, dann sagen Sie bitte nicht ausdrücklich "zweite Frage". (Heiterkeit.) – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich verstehe Ihre Frage so, daß es sich um die Frage nach den Umstiegsmöglichkeiten von einer Ausbildungsgelegenheit in eine andere handelt, und insofern verstehe ich das auch als eine Frage. Es geht darum, einerseits schon in den Schulen dafür Sorge zu tragen, daß in der Abschlußphase, also vor der Matura, eine ausführliche und sachorientierte Information über die Möglichkeiten eines Universitäts- oder Fachhochschulstudiums oder anderer Ausbildungswege zur weiteren Qualifikation gegeben wird, weil es ganz dringend notwendig ist, zu einer sachlichen und auch von den weiteren Ausbildungsinstitutionen mitgestalteten und mitgetragenen Information der Schüler zu kommen – dies nicht zuletzt auch deshalb, um etwa die vorhandene technik- und naturwissenschaftlich orientierte Skepsis vieler Schüler durch Sachinformation beheben zu helfen. Wir haben einen deutlichen Mangel an entsprechenden Studenten und vor allem Absolventen.

Was die Studien selbst und die Umstiegsmöglichkeiten innerhalb derselben angeht, geht es darum, ein Mindestmaß – wenn Sie so wollen – an Standardisierung und Schnittstellen zu schaffen. Das Baccalaureat, das vorhin in Diskussion gestanden ist, wäre auch eine Möglichkeit dazu.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Dr. Gredler, bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Das Liberale Forum hat bereits vor dem Sommer einen Entschließungsantrag eingebracht, der zum Ziel hat, Studienkommissionen die Kompetenz zur Einrichtung und Gestaltung von Kurzstudien oder Zwischenabschlüssen zu überantworten. Sie, Herr Minister, haben gemeint, daß die Studienkommissionen während der Etablierung der Studieninhalte mit diesem Zusatz überfrachtet werden.

Meine Frage lautet nun: Könnten Sie sich vorstellen, daß zumindest jene Studienkommissionen, die der Meinung sind, daß sie auch diesen Arbeitsaufwand noch bewältigen können, damit betraut werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich habe in Beantwortung einer anderen Zusatzfrage vorhin schon gesagt, daß ich jetzt zunächst in ein Gespräch mit den institutionellen Vertretern der Universitäten eintreten möchte, um zu klären, in welchem Umfang Möglichkeiten gesehen werden, den laufenden Reformprozeß mit einem noch weiterführenden zu verbinden. Ich möchte daher vor diesem Gespräch keine weiterführenden Zusagen oder Weichenstellungen vornehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die nächste Frage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Moser.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

217/M

Welche konkreten Einzelmaßnahmen gedenken Sie bis Ende der Legislaturperiode gegen den exorbitanten Zuwachs des Güterverkehrs auf der Straße, speziell auf der Transitroute des Brenners, einzuleiten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Zunächst, Frau Doktor, möchte ich gerne mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß nicht nur jetzt, sondern auch bisher schon, und zwar seit vielen Jahren, die österreichische Verkehrspolitik der Problematik einer nachhaltigen Verkehrsorganisation und auch einer Lösung der zunehmenden Probleme auf der Brenner-Transitstrecke ihr Augenmerk geschenkt hat, und zwar mit der Zielsetzung, den Verkehr auf eine Weise zu organisieren, die nicht nur für die Umwelt generell, sondern auch für die Anrainer verträglich und akzeptabel ist. Wir sind dabei, diese Politik fortzuführen. Lassen Sie mich wenigstens einige dieser Punkte anführen.

Wir haben beispielsweise in den Ausbau der Bahn in den letzten Jahren ganz massiv investiert. So hat Österreich allein in den letzten Jahren etwa 100 Milliarden Schilling in die Modernisierung beziehungsweise den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur investiert. Wir werden in den nächsten Jahren durchschnittlich 13 Milliarden Schilling pro Jahr in den Bahnausbau investieren. Ich halte das für eine durchaus bemerkenswerte Entwicklung, die dazu beitragen soll, die erforderlichen Voraussetzungen für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Bahn zu verbessern oder teilweise auch erst neu zu schaffen.

Wir haben umfassende Fördermaßnahmen eingerichtet und halten sie aufrecht, die zum Ziel haben, den kombinierten Verkehr zu verstärken. Da geht es sowohl um Begünstigungen im Vor- und Nachlauf als auch um einen Nutzlastenausgleich, um die Anerkennung der Fahrzeit als Ruhezeit und ähnliche Dinge mehr. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, daß Verkehr statt auf der Straße auf der Schiene stattfindet.

Wir haben im Bereich der Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen beträchtliche Aufwendungen getätigt, um kombinierten Verkehr zu begünstigen, weil wir das für eine intelligente Form der intermodalen Bewältigung des Verkehrs halten.

Wir haben – damit komme ich auf den Brenner spezifisch zu sprechen – heuer eine Sonderaktion der rollenden Landstraße begonnen, und diese Aktion erweist sich als ganz besonders erfolgreich. Wir haben durch diese Sonderaktion nicht nur die Auslastung der rollenden Landstraße auf der Strecke von Brennersee Richtung Deutschland und umgekehrt von vorher 70 Prozent auf über 90 Prozent anheben können, sondern wir haben dadurch auch die Zugfrequenz deutlich gehoben. Wir haben dadurch das Sendungsaufkommen um 32 Prozent steigern können: Da geht es um Verkehr, der zuvor auf der Straße stattgefunden hat. Verkehr im Ausmaß von über 100 000 LKW ist dadurch zusätzlich auf die Schiene gekommen. Ich halte das für einen durchaus beträchtlichen Beitrag.

Ein weiterer Beitrag ist die Einführung des absoluten Nachtfahrverbots für emissionsproblematische, für die lautesten und umweltproblematischsten Lastkraftwagen.

Ich möchte diese Liste der Beiträge jetzt nicht unendlich lang fortsetzen, aber es ließen sich leicht weitere Beispiele dafür nennen. Auf jeden Fall tragen all diese Maßnahmen in einem erheblichen Ausmaß dazu bei, daß die Verkehrssituation in Österreich im Vergleich zu jener in anderen Ländern deutlich günstiger ist oder daß etwa der Anteil der Güterverkehrs der Eisenbahn am Gesamtgüterverkehr in Österreich deutlich höher ist als in den meisten anderen europäischen Staaten, mit Ausnahme Schwedens.

Nun kurz auch noch ein Hinweis auf das Ökopunktesystem: Die Einführung des Ökopunktesystems und die Umstellung der Abbuchung des Ökopunktesystems auf elektronische Abbuchung haben einen ganz bemerkenswerten Beitrag zur Reduktion der Schadstoffe geleistet. Natürlich ist durch die Einführung des Ökopunktesystems nicht die Zahl der Fahrten, jedoch das Ausmaß der Schadstoffbelastung, des Schadstoffausstoßes beträchtlich reduziert worden, weil es gelungen ist, über diese Steuerungsmaßnahme die Frächter zur Anschaffung umweltfreundlicher und zeitgemäßer LKW zu veranlassen.

Ich gebe aber durchaus zu, daß auch ich glücklich wäre, wenn es uns gelänge, auch von den umweltfreundlichen LKW noch mehr auf die Schiene zu bringen. Wir tun alles in unserer Macht Stehende dafür. Auch der informelle Verkehrsministerrat der europäischen Verkehrsminister hat zuletzt in Feldkirch sehr klare Akzente in dieser Richtung gesetzt. Ich gehe davon aus, daß wir bei den formellen Sitzungen, die im Laufe des Herbstes noch vor uns liegen, zu entsprechenden Beschlüssen auch auf europäischer Ebene kommen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Moser.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Ihre Aufzählung der Maßnahmen betraf die Vergangenheit, meine Frage jedoch holte in die Zukunft aus. Ich frage Sie jetzt: Welche Maßnahmen werden Sie noch im Rahmen dieser Legislaturperiode setzen? Die Maßnahmen, die gesetzt wurden, konnten ja nicht verhindern, daß im Güterverkehr auf der Straße zum Teil Zuwächse bis zu 90 Prozent und sogar bis zu 160 Prozent prognostiziert wurden und in der Zwischenzeit, also in der Vergangenheit, auch eingetroffen sind. Das heißt, es geht jetzt darum, Maßnahmen für die Zukunft, bis Herbst 1999 zu setzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Die Art der Fragestellung unterstellt, es wäre durch das Wundermittel, das wir jetzt noch bis zur Wahl ergreifen, möglich, nicht nur den Wahlerfolg der Sozialdemokraten zu sichern, sondern auch sozusagen das Verkehrsproblem endgültig zu lösen. Das ist eine Illusion, der ich mich als Verkehrsminister so nicht hingeben kann.

Frau Abgeordnete! Worum es geht, ist, die Maßnahmen, die wir schon bisher als Grundkonzeption unserer Verkehrspolitik gesehen haben und die außerordentlich wirksam gewesen sind, fortzuführen und damit Sorge zu tragen, daß Verkehr zunehmend auf die Schiene verlagert wird. Ich habe Ihnen gesagt, daß die Investitionen in die Schieneninfrastruktur natürlich ein wesentlicher Beitrag dazu sind. Wir haben in der Vergangenheit solche Investitionen getätigt, aber es ist notwendig, sie fortzusetzen, und wir werden sie fortsetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Barmüller.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ein Wundermittel gibt es schon, und das ist auch von Ihnen öfter angesprochen worden, und zwar ist das Kostenwahrheit auch für den LKW-Verkehr. Da, Herr Bundesminister, ist die entscheidende Frage – und ich möchte dazu gerne Ihre persönliche Meinung wissen, weil Sie auch ein Mann der konkreten Fakten sind –: Um welchen Betrag müßte Ihrer Meinung nach der Preis pro LKW-Kilometer steigen, damit wir endlich einen substantiellen Schritt in Richtung Kostenwahrheit zwischen LKW-Verkehr und Verkehr auf der Schiene machen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Die Frage der Kostenwahrheit im Straßenverkehr oder generell im Verkehrswesen ist eine Angelegenheit, die der gemeinsamen europäischen Entscheidung bedarf. Wir haben uns im informellen Verkehrsministerrat in Feldkirch einheitlich darauf verständigt, daß wir in diese Richtung gehen wollen. Man muß zur Kenntnis nehmen, daß jede zu ergreifende zusätzliche Belastung des LKW-Verkehrs in die richtige Richtung geht. Es geht nicht darum, daß wir heute das Endergebnis erzielen, sondern es geht darum, Schritte in die richtige Richtung zu setzen, und dazu sind wir auf europäischer Ebene auch entschlossen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Herr Abgeordneter Edler, bitte.

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Geschätzter Herr Bundesminister! Ich möchte auch die Kostenwahrheit im Verkehr ansprechen. Für mich ist es bedauerlich, daß wir das nicht umgesetzt haben, obwohl wir das gesetzlich beschlossen haben. Meine konkrete Frage lautet: Wann rechnen Sie damit, daß wir endlich Road-Pricing für LKW-Schwerverkehr einführen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß ich nicht der ressortzuständige Minister für die Einführung des Road-Pricing bin. Vom ressortzuständigen Wirtschaftsminister weiß ich, daß er plant – und die entsprechenden Aufträge hat er an die ASFINAG schon erteilt –, die Einführung des Road-Pricing spätestens im Jahr 2001 umzusetzen. Das ist auch jener Zeitpunkt, zu dem die deutsche Bundesregierung dies plant, wobei auch dort davon auszugehen ist, daß unabhängig vom Ausgang der deutschen Wahlen dieses Ziel aufrechtbleibt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Herr Abgeordneter Nußbaumer, bitte.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Ich möchte auf Ihre Aussage, daß eine ganze Reihe von Maßnahmen im Schienenverkehr gesetzt worden sind, die eine Verbesserung bewirken, zurückkommen. Auf der anderen Seiten haben Sie aber bei der zitierten Verkehrskonferenz in Feldkirch die dramatische Abwärtsentwicklung im Bereich des Schienenverkehrs aufgezeigt, und die Kommission hat in diesem Zusammenhang festgestellt, daß bis zum Jahr 2010 auf dem höherrangigen Netz eine 160prozentige Zunahme des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs eintreten wird.

Meine Frage bezieht sich auf die sensiblen Zonen. Sie haben den Brennerübergang als sensible Zone angeführt – das ist zweifelsfrei richtig –, aber auch alle anderen Alpenquerungen und die Zufahrtsstraßen, etwa die Rheintal Autobahn, die vor allem nach Fertigstellung der Autobahn München – Lindau beziehungsweise Würzburg – Lindau von Bedeutung sein wird, sind wichtig. Meine Frage lautet: Sind Sie bereit, das ganze hochrangige Straßennetz Österreichs als sensible Zone anzuerkennen und dies auch in der neuen Wegekostenrichtlinie durchzusetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! An der Bereitschaft österreichischer Verkehrsminister hat es bisher nicht gemangelt, wenn es um die Umsetzung von weiteren, in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltschutz orientierten Maßnahmen etwa auch in der europäischen Wegekostenrichtlinie gegangen ist. Wie Sie aber wissen, ist die Entscheidung über die Wegekostenrichtlinie eine Entscheidung, die von allen 15 Verkehrsministern getroffen werden muß. Was wir erreicht haben, und zwar auch in den Diskussionen in Feldkirch, ist ein wesentlich breiterer Konsens, als er bisher bestanden hat, im Kreise der europäischen Verkehrsminister, eine deutlich stärkere steuerliche Belastung des umweltbelastenden Straßenverkehrs vornehmen zu wollen.

Es wird jetzt darauf ankommen, ob sich diese informell bekundete Bereitschaft im Laufe des Herbstes auch in formelle Beschlüsse umsetzen lassen wird. Meine Bereitschaft dazu ist gegeben. Wir werden daher die Wegekostenrichtlinie und die Anhebung der dort vorgesehenen Tarife im Herbst, während der österreichischen Präsidentschaft, auf die Tagesordnung nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Frau Abgeordnete Horngacher stellt eine Frage.

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Minister! Halten Sie an den Plänen fest, die Bemautung zu Lasten der Tiroler Wirtschaft – denn für diese wäre es wirklich eine massive Wettbewerbsverzerrung – auf das Unterinntal auszudehnen? Dazu muß man sagen, daß dadurch natürlich eine wesentliche Verlagerung des Verkehrs auf die Bundes- und Landesstraßen zu befürchten ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich halte daran fest, daß ich eine politische Lösung der Brennermaut-Problematik für zweckmäßiger erachte als eine gerichtliche. Und ich halte weiter daran fest, daß es notwendig ist, dabei eine Lösung zu finden, die außer jedem Zweifel steht, was die Diskriminierung betrifft. Sie behaupten in Ihrer Anfrage, daß eine Diskriminierung der Tiroler Wirtschaft zu fürchten sei. Gegenwärtig kann davon nicht die Rede sein. Ob es sich in der anderen Richtung um ein Problem handelt, darüber streiten wir vor dem Europäischen Gerichtshof. Falls wir dort verlieren, tritt nicht nur ein Nachteil für die Tiroler Wirtschaft, sondern für alle Tiroler ein, und das gilt es zu bedenken, wenn man nach einer Lösung sucht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Bundesminister. Damit haben wir auch diesen Fragenkomplex abgehandelt.

Die Fragestunde ist somit beendet.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf bekanntgeben, daß die Abgeordneten Dr. Heide Schmidt und Genossen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt, Mag. Helmut Peter, Dr. Volker Kier und PartnerInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend überfällige Trendwende bei der Abgabenquote dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen werden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Haigermoser beantragt hat, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 589/A (E) der Abgeordneten Dr. Prinzhorn und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre eine Frist bis 17. Dezember zu setzen.

Es liegt in diesem Zusammenhang das Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Im Sinne jener Bestimmungen, die Ihnen bekannt sind, wird diese Kurzdebatte nach Ende der Debatte über die Dringliche Anfrage durchgeführt werden.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Um den Punkt 8 der heutigen Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschußberichtes abzusehen.

Es handelt sich dabei um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen in Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Herrn Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider (1398 der Beilagen).

Darüber hat der Nationalrat zu befinden, und zwar mit Zweidrittelmehrheit. Ich bitte daher jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Auflagefrist für diesen Ausschußbericht ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit geschehen, und wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 4474/AB bis 4501/AB

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen (1390 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (1392 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 869/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird,

Antrag 876/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird;

Familienausschuß:

Antrag 870/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Einführung des Kinderbetreuungsschecks,

Antrag 871/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) (1383 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird (1386 der Beilagen),

Antrag 874/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Schutz der Verbraucher vor Waren aus überlagertem Gefrierfleisch,

Antrag 875/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Umstrukturierung von Krankenhaus- und Akutbetten (Stationen) zu Palliativ-Stationen;

Justizausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird (1384 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 872/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Wiedergutmachung der Rindfleischskandal-Schäden durch die Verursacher,

Antrag 873/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Maßnahmen für Österreichs Schweinehalter;

Wirtschaftsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden (1274 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 geändert wird (1385 der Beilagen),

Antrag 868/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Berichterstattung an das Parlament zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing.

*****

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 2 bis 5 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen. Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf nunmehr in die Tagesordnung eingehen.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vorgesehen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden. Gibt es dagegen Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Damit ist dieser Vorschlag einstimmig angenommen.

1. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1996 der Bundesregierung (III-130/1331 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Krüger das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

10.45

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär – in Abwesenheit, aber er ist nicht weit, ich habe ihn vorhin schon gesehen. Ich nehme an, daß er das Plenum gleich betreten wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Tagesordnung steht der Kunstbericht 1996, also der Bericht über die Verantwortung betreffend die Bundeskunstförderung des Jahres 1996, ein Verantwortungsbereich, der dem früheren Kunstminister Scholten oblag. Ich glaube, es ist keine Despektierlichkeit, wenn ich davon spreche, daß dieser Kunstbericht 1996 – ich betone: es geht tatsächlich nicht um den Kunstbericht 1997, sondern 1996 – abgestandener, alter Kaffee ist.

Wozu soll man heute über Inhalte des Kunstberichtes 1996 diskutieren, wenn sich die handelnden Personen ohnehin bereits aus der Politik verabschiedet haben? Ich halte es aber für legitim, sich damit auseinanderzusetzen, was sich seither, seit dem Ende der, wie ich meine, unsäglichen Ära Scholten/Pasterk, in der Kulturpolitik der Regierungsparteien und insbesondere in der Kulturpolitik der SPÖ geändert hat. Es haben sich zunächst einmal die handelnden Personen geändert. Herr Bundeskanzler Klima hat die Kunst bekanntlich zur Chefsache erklärt.

Meine Damen und Herren! Dieses Experiment, die Kunstsache im Sinne einer Vertiefung der Verstaatlichung zur Chefsache zu erklären, ist kläglich gescheitert. Das ist ein Befund, der nicht nur von den "bösen" Freiheitlichen gestellt wird, sondern das ist ein allgemeiner Befund quer durch alle gesellschaftlichen Spektren in unserer Republik Österreich. Die handelnden Personen sind ja nicht nur Bundeskanzler Klima, sondern auch der Staatssekretär, und es ist sicher nicht bösartig, wenn ich behaupte, daß die beiden Herren, also Klima und Wittmann, seit der Übernahme ihrer Kompetenzen eher durch ungelenke Formulierungen über die Kunst und über Kunstschaffende aufgefallen sind.

So hat etwa der Kunstkanzler erst vor wenigen Monaten aus Anlaß einer Veranstaltung die anwesenden Damen und Herren Künstler aufgefordert, doch ins Bundeskanzleramt zu kommen und sich die "Roland Rainers" anzusehen. Und er hat Leon Askin mit Bruno Gironcoli verwechselt.

Erst kürzlich wieder war ich Zeuge eines bemerkenswerten Freudschen Versprechers des Herrn Bundeskanzlers. Es war bei der Eröffnungsveranstaltung der Salzburger Festspiele, als der Herr Bundeskanzler gesagt hat: "Kunst ist ein Labor, das ständig neue Exkremente hervorbringt." (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Inwieweit da die Affäre Kolig in Kärnten eine gewisse Rolle gespielt hat, überlasse ich jetzt Ihrer Phantasie. Darauf werden heute noch Kollegen von mir zu sprechen kommen.

Ich möchte nur ganz allgemein zu dieser Thematik sagen: Ich nehme auch hier Stellung zu diesen Fragen. Und wenn man sagt, die Bevölkerung sei nicht reif, in die direkte Demokratie einzutreten, was Kunstfragen anbelangt, dann meine ich, es ist eine wirkliche Despektierlichkeit gegenüber der Bevölkerung, zu sagen: Darüber hat eine Elite – gleichgültig, ob es jetzt eine Pseudoelite oder eine tatsächliche intellektuelle Elite ist – alleine zu befinden, und es ist uns völlig egal und hat dem Steuerzahler völlig egal zu sein, wofür seine Steuermillionen zur Verfügung gestellt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und daß man sagt: Um Gottes willen, Kunst darf nicht zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte werden, es ist ein Diskussionsverbot zu erlassen!, das ist es, wogegen wir Freiheitlichen uns verwahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch Herr Staatssekretär Wittmann ist über das glatte Wiener Parkett, das ihm von Scholten und Pasterk noch ordentlich "gewachst" wurde, mehr gerutscht als geschritten.

Insgesamt ist daher der Befund der, daß weder die Opposition der Kunst- und Kulturpolitik in personeller Hinsicht etwas abgewinnen kann, noch die Vertreter aus den eigenen Reihen, aus der sogenannten Intellektualität.

Nun, was hat sich inzwischen an den Inhalten geändert? – Ich komme noch einmal auf die unsägliche Ära Scholten/Pasterk zurück. Der stereotype Satz der Frau Pasterk lautete: Kunst ist unser Ideologie-Ressort, über das man bestimmte Dinge transportieren kann. Und der Herr Scholten hat, etwa anläßlich von Nationalratswahlen, Kettenbriefaktionen durchgeführt. Er hat versucht, Künstler zu instrumentalisieren und im Sinne seiner Politik – gegen einen demokratischen und notwendigen Wechsel in der Republik Österreich – eine Angstpolitik zu erzeugen

Was hat sich seit damals geändert? – Eigentlich nicht sehr viel, außer daß die handelnden Personen nicht die gleiche Virtuosität in der Darlegung ihrer Argumente haben. Zum Beispiel, Herr Staatssekretär, und das werfe ich Ihnen vor: Wenn früher der Herr Kunstminister Scholten die Eröffnung der Salzburger Festspiele für seine Parteizwecke, für die Parteizwecke der SPÖ, mißbraucht und minutenlang gegen die freiheitliche Opposition gewettert hat, dann mögen im Vergleich dazu Ihre Beiträge, Herr Kunststaatssekretär, etwa in Linz aus Anlaß der Eröffnung des Bruckner-Festes, in rhetorischer Hinsicht zwar ein magerer Abklatsch sein, aber es ist genau das gleiche Konzept. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist genau das gleiche Konzept!

Sie mißbrauchen nach wie vor die politische Bühne. Sie mißbrauchen – hauptsächlich vom Steuerzahler finanzierte – Eröffnungsreden dazu, die freiheitliche Opposition schlechtzumachen. (Pfuirufe bei den Freiheitlichen.)

Was hat sich sonst noch geändert? – Ich meine doch, daß Ihre Angriffe gegen die freiheitliche Opposition nichts anderes als Ablenkungsmanöver sind. Und jetzt spreche ich die ÖVP an, die noch zu Beginn des Sommers ein Donnerwetter anklingen hat lassen, als es darum ging, die vier vakanten Positionen der kaufmännischen Direktoren zu besetzen. Jetzt steckt der Herr Khol seinen Kopf hinunter und will nichts davon hören. Herr Kollege Khol! Kommen Sie heraus und wiederholen Sie das, was Sie Ihrem Koalitionspartner damals vorgeworfen haben, nämlich daß die SPÖ die Vakanz beziehungsweise die Besetzung der Stellen für ihre Zwecke mißbraucht, um Politgünstlinge unterzubringen. Das ist doch ein Faktum! Kommen Sie heraus! Ich bin auch gespannt, was der Kollege Morak, der sich damals mit Recht darüber aufgeregt hat, heute dazu sagen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist das, was sich eigentlich geändert hat: Es ist zu einer Vertiefung des Anspruches der Sozialdemokratie auf die Positionen, die die Kunstpolitik zu vergeben hat, gekommen. Das ist eine "schöne" Kulturpolitik! Sie wollen Ihre Leute unterbringen. Von vier kaufmännischen Direktoren sind sage und schreibe drei ehemalige Sekretäre von Ministern. (Ruf bei den Freiheitlichen: Unglaublich!) Und weil Sie einen nicht durchgebracht haben – weil er nämlich in Salzburg eine Millionenpleite hingelegt hat und dort mit Schimpf und Spott davongejagt wurde –, wird er halt in einer anderen Form beschäftigt, und zwar als Konsulent an der Volksoper.

Das ist das, was wir Ihnen vorwerfen: Daß Sie die Kulturpolitik einerseits dazu mißbrauchen, um die Künstler gegen die FPÖ zu instrumentalisieren, und andererseits dazu, daß Sie Ihre Leute unterbringen und das Netzwerk möglichst engmaschig und möglichst dicht im Sinne Ihrer Ideologie knüpfen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich möchte mich auch nicht verschweigen und zu der sehr sensiblen Diskussion über die Grenzen der Kunst Stellung nehmen. Diese Grenzen haben ja einen Großteil der österreichischen Bevölkerung sehr tief bewegt, und zwar aus Anlaß der Mysterienspiele, die der Herr Nitsch in Prinzendorf veranstaltet hat.

Meine Damen und Herren! Ich gehöre sicher nicht zu jenen, die den Herrn Nitsch per saldo oder überhaupt als Künstler ablehnen und seine künstlerische Betätigung abstreiten. (Abg. Smolle: Was heißt "per saldo"?!) Herr Nitsch hat sicher seinen Stellenwert im Aktionismus, das sei einmal betont. Ich habe einen sehr differenzierten Zugang dazu. Aber es kann nicht angehen, und dafür habe ich kein Verständnis, daß im Sinne der angeblich grenzenlosen Freiheit der Kultur der Tierschutz mißbraucht wird, daß etwa Rinder rituell abgeschlachtet werden, weil sich die Kunst einen Freibrief anmaßt. So kann es nicht gehen, meine sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Smolle: Was heißt "per saldo"? Was heißt denn das?!)

Ich sage Ihnen ganz offen – bei aller teilweise wirklichen Wertschätzung des Oeuvres des Herrn Nitsch –, daß ich sehr betroffen bin, wenn in einem Falter-Interview Herr Nitsch etwa davon spricht, daß auch Verbrechen Kunst sein kann. Dazu möchte ich Ihre Stellungnahme hören, Herr Kollege Cap. Was sagen Sie dazu? Die Kunst kann auch ein Verbrechen sein, sagt Nitsch. Und letztlich führt er weiter aus, daß theoretisch auch Mord Kunst sein kann. Ich warne davor ... (Abg. Smolle: Was heißt "per saldo"?!)

Sehr geehrter Herr Kollege Smolle! Sie haben offensichtlich intellektuell wenig gemeinsam mit jenem Herrn Smolle, der kürzlich in der "Presse" einen sehr interessanten Artikel geschrieben hat. Er schrieb, das sei ja gerade das Marketing-Instrument. Ist das Ihr Sohn oder Ihr Bruder? Ich weiß es nicht. (Abg. Smolle: Die Tante!) – Ach so. Der Herr Dozent Smolle ist die Tante des Herrn Smolle. Sie haben ja eine reichlich komische Stellung da herinnen, nicht nur was Ihre ständigen Wechsel zwischen den Parteien anlangt. Was sind Sie denn eigentlich? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Was ist denn das für ein Sektor, wo Sie sitzen? Ist das der liberale oder der grüne Sektor? Ich weiß nicht, wo Sie momentan sind, aber sehr beliebt sind Sie jedenfalls nicht. (Lebhafte Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Aber der Herr Dozent Smolle spricht natürlich mit Recht davon, daß das ja die Methodik ist, wie man heute in der Kunst Marketing betreibt: indem man bewußt einen Skandal provoziert, indem man bewußt Tabus bricht und sich dann öffentlich über das Ergebnis der Provokation erregt. (Abg. Smolle: Per saldo!)

Wer etwa die Interviews mit Nitsch während der Mysterienspiele gehört oder gesehen hat, weiß, wie er listig gesagt hat: Na ja, das alles dient ja dazu, meinen Marktwert zu steigern! – Er hat sich bewußt darauf eingelassen. Er hat natürlich bewußt provoziert, um in Österreich einen Sturm der Entrüstung zu erregen und seinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Aber wer heute provoziert, der darf sich dann nicht wundern, daß seine Art der Kunst, des Kunstschaffens selbst einer Würdigung unterzogen wird.

Ich bin da durchaus bei Herrn Rudolf Burger, beim Rektor der Universität für angewandte Kunst, der sagt: Die Kunst ist frei, aber der Künstler ist ein Staatsbürger und hat als solcher die gleichen Rechte und Pflichten wie jeder andere in einer liberalen Demokratie. Läßt er sich auf dieses politische Spiel ein, so muß er es spielen nach dessen Regeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kunst ist für mich frei. Sie ist Bestandteil der Grundrechte, aber im Wesen eines Gesamtgefüges von Grundrechten. Und die Kunst darf sich nicht auf Kosten anderer Grundrechte eigene Grundrechte anmaßen und diese anderen Grundrechte aushöhlen zugunsten der Kunst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme abschließend noch auf die Position der Österreichischen Volkspartei, auf die doppelzüngige Stellung der Österreichischen Volkspartei zu sprechen. Es wurde Ihnen ja gestern schon vorgeführt, Herr Kollege Khol, daß gerade die von Ihrer Fraktion besetzten Ministerien sich etwa um eine Förderung des Herrn Otto Mühl sehr verdient gemacht haben. Nicht nur, daß der Herr Otto Mühl im Museum für angewandte Kunst seine Häfenbilder, die während der Verbüßung seiner Haftstrafe fabrizierten Bilder, ausstellen durfte – also in einem Museum, das ressortmäßig der Frau Gehrer untersteht –, sondern auch der Herr Minister Schüssel, der Außenminister, trägt unter der dankbaren Assistenz der Frau Staatssekretärin mit 800 000 S dazu bei, dem Herrn Nitsch eine Wanderausstellung durch Europa zu finanzieren, und zwar unter Bezugnahme auf ein Bild, das Mutter Teresa in der bekannten Darstellung zeigt.

Herr Kollege Khol! Warum verschweigen Sie sich hier darüber? Wieso treten Sie nicht an das Rednerpult und nehmen dazu Stellung? – Oder Sie, Herr Kollege Steindl, weil ich gerade Ihre APA-Mitteilung vom 7. August vor mir habe. Kollege Steindl regt sich darin massiv über die Mysterienspiele des Herrn Nitsch auf. Er sagt, diese Orgien seien nicht nur tier- und menschenverachtend, sondern auch für die vielen Künstler in unserem Lande eine Beleidigung ihrer Arbeit.

Er werde sich im Nationalrat dafür einsetzen, daß derartige ungustiöse Spektakel nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, kündigte Steindl an. Es sollten sich zudem viele Künstler öffentlich zu Wort melden und diesen Versuch einer künstlerischen Darstellung auch anprangern.

Für mich – das muß ich auch dazusagen – ist ein Herr Mühl mit einem Herrn Nitsch nicht gleichzusetzen. Das hat sich Herr Nitsch nicht verdient, daß er mit jemandem, der eine siebenjährige Haftstrafe wegen Sittlichkeitsdelikten gegenüber Kindern verbüßt hat, gleichgesetzt wird. Für mich ist die Kunst des Herrn Mühl, vor allem im Zusammenhang mit blasphemischen Darstellungen der Mutter Theresa, sicherlich ein noch ärgerer Anlaß, hier einzuschreiten, Herr Kollege Steindl! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin gespannt darauf, was Sie von der ÖVP dazu sagen, daß die in Ihrem Einflußbereich stehenden Ministerien den Herrn Otto Mühl als Person massiv fördern. Ich brauche mir nur die Anfragebeantwortung anzuschauen, in der Herr Schüssel schreibt: Es ist international üblich, daß Außenministerien oder die gemäß der innerstaatlichen Regelung sonst zuständigen Behörden repräsentative Werkschauen der bildenden Kunst bei Auslandstourneen finanziell unterstützen. (Abg. Mag. Steindl: Meinen Sie Mühl oder Nitsch?) – Also das bekannte Bild des Herrn Mühl, dieses ominöse Triptychon mit der perversen Darstellung etwa der Mutter Theresa, ist laut Auskunft Ihres Außenministers Bestandteil einer "repräsentativen Werkschau". (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Erklären Sie sich hier, Herr Kollege Steindl und Herr Kollege Khol: Was sagen Sie dazu? Es genügt nicht, hier scheinheilig gegen die Dringliche Anfrage aufzutreten (Abg. Tichy-Schreder: Scheinheilig sind Sie!), weil ein blasphemisches Bild des Herrn Mühl, das Gegenstand der Anfrage ist, dargestellt wird, und das sei dem Hohen Haus nicht zumutbar. Da können Sie nicht den Kopf in den Sand stecken! Treten Sie heraus, und nehmen Sie dazu Stellung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort. 10 Minuten Redezeit stelle ich ein, Herr Abgeordneter. – Bitte.

11.02

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Schleierhaft ist mir, was Abgeordneter Krüger mit der Formulierung "sogenannter Intellektueller" gemeint hat. Ich kann nur mit der Formulierung "sogenannter Kulturpolitiker" etwas anfangen. Seine Rede hier war kein kulturpolitischer Beitrag, sondern eine Art Empörungsritual, zu dem sich der sogenannte FPÖ-Kultursprecher immer wieder herabläßt.

Hätte er den Gastkommentar von Michael Scharang in der "Presse" beziehungsweise den Gastkommentar von Professor Wagner zu den Ereignissen rund um Nitsch gelesen, dann würde er, glaube ich, ein wenig besser einschätzen können, daß er selbst ein Teil dieser Nitsch-Aktivitäten geworden ist. Scharang sagt es so schön in der Einleitung seines Kommentars in der "Presse" unter dem Titel "Nitsch, seine Beschützer und seine Verfolger – ein Gesamtkunstwerk": Nitsch wäre nicht denkbar, wenn sich nicht hier Krüger aufs Podium bewegen würde, um sich rituell zu empören über die rituelle Hinschlachtung eines Stieres, an der offensichtlich rituell fünf Fleischhauer teilgenommen haben und ein Amtsarzt, um rituell festzustellen, daß das Rituelle völlig in Ordnung war an dem Stier und daß der um 5.45 Uhr nicht rituell, sondern ganz normal verblichen ist.

Und Nitsch stellt sich hin und erklärt das zu einem Kunstwerk. Nun kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob dem so ist oder nicht. Ich will mich gar nicht verschweigen: Ich habe manchmal meine Schwierigkeiten, ihn als potentiellen Künstler und mich als potentiellen Ankäufer zu betrachten. (Abg. Dr. Haider: Sage es ehrlich: Bist du dafür oder dagegen?) Aber es ist unbedeutend in der Diskussion, wie meine subjektive Einstellung dazu ist. Faktum ist: Nitsch braucht Krüger und Haider und Stadler und wie all diese Nitsch-Helfer heißen, um seine Kunstwerke auch wirklich einer breiteren Öffentlichkeit rituell vermitteln und verkaufen zu können. (Beifall bei der SPÖ.) – Ich bin überzeugt davon, daß auch der eine oder andere Dankesbrief von Nitsch an Sie abgegangen ist.

Ein paar Bemerkungen, weil Sie selbst den Aspekt des Intellektuellen in der Debatte beklagt haben. Ich weiß nicht, ob Sie mit diesem Begriff überhaupt etwas anfangen können. Wahrscheinlich haben Sie aus Selbstschutz den Begriff "sogenannter Intellektueller" hinzugefügt.

Eine spezielle Form der Auseinandersetzung mit Nitsch hat natürlich der gute Landesrat Schimanek gewählt. Er hat sich nicht hingestellt und hat eine Kunstkritik oder eine kulturpolitische Auseinandersetzung mit Nitsch versucht, sondern er hat schlicht und einfach begonnen, ihn zu schikanieren. Er hat begonnen, sich von einer ganz anderen Seite mit ihm auseinanderzusetzen, indem er an den dort zuständigen Bezirkshauptmann, wo diese berühmten Mysterienspiele stattfinden sollten und letztlich dann auch stattgefunden haben, Anfragen gestellt hat. Also er wollte bürokratisch ein wenig nachfühlen, ob es nicht ganz andere Methoden gibt, den Nitsch zu verbieten. Das geschah nicht, um damit zu sagen: Ich will Zensur ausüben! oder: Ich will diesen Nitsch nicht, diesen Provokateur! oder: Schaut her, wir sind die einzigen sauberen Kulturpolitiker gegen diesen Kunstschmutz, den natürlich nur die Sozialdemokraten und die ÖVP, sprich die Regierung, sprich die Mehrheitsparteien, schützen!

Seine Anfragen waren interessant. Ausgerechnet Schimanek, der sich jetzt mit Rosenstingl und Co in Niederösterreich auseinanderzusetzen hat und mit diesem ganzen Augiasstall, über den Stadler und Haider hier sicherlich stundenlang berichten könnten, wenn sie wollten! Eine Anfrage lautete: Wie ist der Fassungsraum der Senkgruben? – Das verstehe ich, daß Schimanek als einen, der sich mit der FPÖ-Niederösterreich auseinanderzusetzen hat, der Fassungsraum der Senkgruben interessiert! (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Oder, was auch interessant ist: Gibt es ein Dichtheitszertifikat für die Senkgruben? – Das verstehe ich ganz besonders, daß sich der Sanierer der FPÖ-Niederösterreich mit der Dichte der Senkgruben, ob da nichts herausblubbert, nichts herausstinkt, nichts heraussickert, auseinanderzusetzen hat!

Oder: Entsprechen die Senkgruben beziehungsweise die Abwasserentsorgung für die Veranstaltung beziehungsweise des Schlosses überhaupt dem Wasserrechtsgesetz? – Das verstehe ich vollkommen!

Was ihn ganz besonders interessieren muß, weil es ja so viele betrifft: Wie viele WC-Anlagen stehen den Gästen der Veranstaltung zur Verfügung? Entspricht die Anzahl den gesetzlichen Hygienebestimmungen? – Das verstehe ich total, daß den Schimanek Hygienebestimmungen zu interessieren haben. Er ist ja tagtäglich konfrontiert mit der Frage der Hygiene und mit der Frage: Wie viele WC-Anlagen habe ich, damit wie viele Leute dort überhaupt unterkommen, wenn sie einmal müssen? Und dort, wo er sein muß, müssen offensichtlich viele. Daher ist die Frage der WC-Anlagen eine besonders wichtige Frage, mit der er sich auseinanderzusetzen hat. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die fünfte Frage: Wie viele Waschgelegenheiten – auch etwas, was ganz bedeutend ist, wenn man die Hände in Unschuld waschen muß (der Redner reibt sich die Hände) oder wenn jemand auch immer reingewaschen werden soll oder muß – gibt es dort für die Gäste? Und entsprechen auch diese den gesetzlichen Hygienebestimmungen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: "Hochgeistig"!)

Und zu guter Letzt die ganz entscheidende Frage: Wie wird das Abwasser der Waschanlagen entsorgt? – Das verstehe ich ganz besonders, daß sich Herr Schimanek Gedanken macht, wenn sich die Seinigen die Hände gewaschen haben, wo das Abwasser hinfließt, denn das ist wahrscheinlich Sondermüll. Da muß man ganz besonders vorsichtig sein, was damit passiert! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rauch-Kallat.)

Das ist die Form der Auseinandersetzung eines führenden Vertreters der FPÖ in Niederösterreich, der in der Landesregierung ansässig ist, mit Kunst und Kultur. Es ist grauslich, wie Sie hier diese Kunstdebatte führen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie Sie sie führen, das ist grauslich!) Und es ist schade, sage ich noch einmal. Man kann das nicht so abtun, indem man sagt: Mein Gott, der Kunstbericht 1996, das ist alles vergossene Milch – was soll das?

Ich finde, daß das ein exemplarischer, neuer, interessanter Kunstbericht ist, der in Kontinuität zu den bisherigen Berichten steht, der durch Graphik, durch eine resümierende Einleitung ermöglicht, daß man innerhalb kurzer Zeit wirklich einen Überblick gewinnt, daß man wirklich weiß, was im Hintergrund die politischen Entscheidungen sind, warum Kunstförderung so passiert, wie sie passiert. Es ist keine Detektivarbeit, wie es bislang manchmal der Fall war, notwendig, um das genauer herauszufinden. Es gibt keine Beamtensprache, es hat keine drohende sprachliche Verschleierung stattgefunden, sondern klare Zahlen zeigen auf: Hier gibt es ein Theaterbudget, hier ein Musikbudget. Man kann daher ganz genau ersehen, wie Kunstpolitik in Österreich einzuschätzen ist. Ich glaube, daß das ein Quantensprung ist, und man kann nicht deutlich genug aufzeigen, wie wichtig es ist, daß es einen Kunstbericht in dieser neuen Form gibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das war wirklich sehr schwach! Noch schwächer als sonst und noch weniger intellektuell! – Abg. Rauch-Kallat: Das war aber ganz witzig!)

11.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

11.10

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der Bundeskanzler hat vor Zeiten, wie bekannt und wie ja auch immer wieder zitiert, Kulturpolitik zur Chefsache erklärt. Ich halte zum wiederholten Male fest: Der Bundeskanzler ist noch kein einziges Mal im Kulturausschuß erschienen, um mit den für Kulturpolitik zuständigen Abgeordneten zu diskutieren. Ich halte fest: Der Bundeskanzler ist noch kein einziges Mal zu einer einschlägigen Kulturdebatte hier im Hohen Haus erschienen, um von der Regierungsbank aus seine Vorstellungen über Kulturpolitik zu äußern und sich mit uns in eine Debatte zu begeben.

Ich halte fest, daß sich der "Kulturkanzler", wie er sich nennt, auch sonst nicht mit Kulturschaffenden – vielleicht privat, das weiß ich nicht, öffentlich jedenfalls nicht – auseinandersetzt, es sei denn, es geht um die Eröffnung von Festspielen. Wenn das die Vorstellung von Kulturpolitik ist, dann spricht das eine deutliche Sprache. Ich halte daher zum wiederholten Male fest, daß damit das Konzept "Kulturpolitik ist Chefsache" als gescheitert zu erklären ist. – Das scheint mir eine wichtige Feststellung zu sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zweitens: Wir reden heute über einen Bericht, der für mich ehrlich gestanden nur einen Nachteil hat, und dieser Nachteil ist, daß er zu spät vorgelegt wurde. Wir reden heute über einen Bericht aus dem Jahre 1996, und das ist eigentlich wirklich eine Zumutung. Was soll das noch? Diesen Nachteil will ich an die Spitze meiner Ausführungen stellen, weil ich mich dann durchaus auch den Vorteilen zuwenden möchte. Wie man von uns weiß, betreiben wir nicht Oppositionspolitik um der Opposition willen, sondern dann, wenn wir sie für notwendig halten, und wir stehen auch nicht an, etwas Positives zu vermerken, wenn wir das Gefühl haben, daß es wert ist, erwähnt zu werden. Dieser Kulturbericht beziehungsweise diese Art des Kulturberichtes ist für mich wert, positiv erwähnt zu werden.

Wir haben wiederholt gefordert, daß der Bericht transparenter gestaltet wird, daß er informativer gestaltet wird und ähnliches mehr. Mein Eindruck beziehungsweise meine Einschätzung aufgrund dieses Berichtes ist, daß man diesen Anforderungen jetzt durchaus gerechter wird. Ich glaube, daß sowohl die Gliederung als auch die optische Gestaltung und damit die Transparenz, die zum Ausdruck kommt, den Bericht informativer machen. Ich bedanke mich daher dafür, daß diesen Anregungen Rechnung getragen wurde. Eine derartige Weiterentwicklung sollte auch von oppositioneller Seite positiv vermerkt werden, was ich hiermit getan habe.

Es ist aus diesem Bericht ersichtlich, daß verschiedene Maßnahmen getroffen wurden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht das Wort "Reform" verwenden, weil ich glaube, daß für die meisten das Wort "Reform" ein Euphemismus wäre.

Zu den einzelnen Maßnahmen, wie zum Beispiel Stipendien und Preise steuerfrei zu stellen: Das war ja wohl das Selbstverständlichste, was überhaupt passieren konnte. Und das Skurrile daran ist ja nur, daß der seinerzeitige Finanzminister die G‘schichten versteuert hat und jetzt nicht umhin konnte, in einer neuen Funktion jedenfalls Stipendien und Preise wieder steuerfrei zu stellen. Ein Selbstverständnis – ich möchte nur vermerken, daß es wenigstens geschehen ist.

Es ist für mich ebenso ein Selbstverständnis, daß die Kulturschaffenden – jetzt einmal wieder verlängert bis zum 31. Dezember 1999 – nicht unter das ASVG fallen und daß an einer eigenen Versicherung gearbeitet wird. Das bitte ich nicht positiv herauszustreichen, denn würde es nicht passieren, wäre es ein Skandal. Es ist schlimm genug, daß bei dieser Arbeit bis heute kein Ergebnis erzielt wurde. Daher sage ich nur, daß da das Ärgste abgewendet werden konnte. Im übrigen ist das auch nicht aus der besseren Einsicht des zuständigen Ressortministers heraus erfolgt, sondern es hat da des massiven Protestes der Kulturschaffenden selbst bedurft, und zwar mit massiver Unterstützung durch die Liberalen. Erst das hat dazu geführt, daß man Einsehen gehabt und gesagt hat, die Kulturschaffenden werden jetzt einmal noch nicht unter die ASVG-Regelung fallen und man werde sich zusammensetzen, um an einer neuen gesetzlichen Formation zu arbeiten.

Also ich bitte, das nicht für sich zu reklamieren, denn das wäre ohne den Protest der Betroffenen, der Kulturschaffenden selbst, und der Opposition, genauer gesagt: Teilen der Opposition, nicht geschehen.

Zur Bundestheaterreform möchte ich jetzt gar nicht viel sagen, denn darüber haben wir schon anhand der Gesetzesvorlage diskutiert. Es gehört nur im Zusammenhang mit der Vorlage dieses Berichtes auch erwähnt. Manches ist gut daran, manches wieder schlecht. Aber ich möchte die Diskussion nicht wiederholen, denn ich halte nichts von Pflichtübungen.

Jetzt komme ich zum Filmförderungsgesetz. Auch das Filmförderungsgesetz wurde novelliert, und ich glaube, daß die Novelle in die richtige Richtung gegangen ist. Es wurde eine leistungsorientierte Komponente, die sogenannte Referenzfilmförderung, eingeführt, und das ist gut so. Es ist auch durchaus positiv zu vermerken – nur, bitte, stellen Sie es auch nicht wieder so euphemistisch dar –, daß die Förderungssumme um 20 Millionen Schilling erhöht wurde. Das heißt, es wurden die Bundesmittel um 20 Millionen Schilling auf 120 Millionen Schilling erhöht. Das ist etwas durchaus Positives, nur: Es ist nicht wert, so unterstrichen zu werden, wenn man weiß, daß einerseits der Film als ein Schwerpunkt der Kulturpolitik angekündigt wurde – darauf werde ich noch zu sprechen kommen – und andererseits diese Budgetmittel nur 1,4 Prozent der gesamten Budgetmittel für die Kulturausgaben ausmachen.

Also wo da ein Schwerpunkt sein soll, weiß ich nicht! Und es ist unvorstellbar, wie damit auch tatsächlich das passieren soll, was notwendig ist, nämlich nicht nur die Produktion zu ermöglichen, obwohl es auch bei der Produktion, wie Sie wissen, Schwierigkeiten gibt. Erst unlängst haben da wieder einige Millionen gefehlt für den teuersten Film, der jetzt gerade produziert wurde. Aber es geht nicht nur um die Produktion, sondern vor allem auch um die Möglichkeiten, die Filme dann auch vorführen zu lassen. Und da ist das, was Sie bislang gemacht haben, einfach ein Klacks und nichts Ernstzunehmendes.

Ich rufe in Erinnerung, daß erst kürzlich ein Treffen der europäischen Kulturminister in Linz stattgefunden hat, wo es, wie man weiß, darum gegangen ist, Kultur und Beschäftigung unter einem Gesichtswinkel zu sehen, das heißt die Incentives zu beachten, die für die Wirtschaft von dieser Sparte ausgehen könnten. Österreich beziehungsweise der österreichische Bundeskanzler tut nichts dazu. Und, Herr Staatssekretär, mit Verlaub, ich merke bei Ihnen zwar durchaus gute Absichten, kann aber auch keinerlei Taten in diese Richtung erkennen. Daher muß ich feststellen: Es sind dies Lippenbekenntnisse und nicht mehr.

Man muß nicht immer nur ins Ausland schauen, aber es ist, wie wir alle wissen, Nordrhein-Westfalen ein Paradebeispiel dafür, was man aus einer Region durch Einsatz einer Branche machen kann. Und ich muß hinzufügen: Das ist ja nicht nur ein beschäftigungspolitisches, sondern auch ein kulturpolitisches Anliegen. Und was kann uns Besseres passieren, als daß diese beiden Dinge – wie in diesem Fall – so wunderbar harmonieren? Man muß bedenken, was das für die Arbeitsplätze bedeutet, was das für die Infrastruktur bedeutet und was es letztlich auch für den kulturpolitischen Stellenwert und für die diesbezügliche Ausstrahlung bedeutet. Dazu ist in Österreich nichts passiert, obwohl ihr uns erklärt habt, ihr wollt die Filmwirtschaft zu einem Schwerpunkt machen.

Ich frage Sie: Was tun Sie denn, um Wien oder Österreich zu einem Medienstandort zu machen? Nennen Sie nur ein einziges Beispiel! Suchen Sie sich etwas aus! Was, bitte, haben Sie in dieser Richtung getan? Was tun Sie denn – wenn ich von der Filmwirtschaft rede – dagegen, daß an allen Ecken und Enden, und zwar außerhalb der Städte oder an den Stadträndern, diese großen Multiplex-Kinocenters entstehen und kleine Kinos zunehmend zusperren müssen? Welche Vorschläge wurden gemacht, welche Gedankenarbeit wurde in diesem Ressort geleistet, um dem Einhalt zu gebieten?

Das ist nicht nur eine Frage des Vertriebs- und Verleihmonopols, das ist nicht nur eine Frage eines Anreizsystems oder auch eines Systems, wie von den Filmschaffenden selbst vorgeschlagen, eines Filmschillings – wie immer Sie das bezeichnen wollen. Man möge jetzt nicht mißverstehen, daß ich mich dafür stark mache, aber man soll darüber reden, in welcher Form derartige Anreize geschaffen werden können, wie man durch Umschichtungen ohne eine zusätzliche Belastung der Allgemeinheit und damit eine Erhöhung der Abgabenquote Anreize in diesem Bereich erzielen könnte, um das Sterben der kleinen Kinos zu verhindern. Das ist ein ernstzunehmendes Thema.

Was haben Sie sich denn überlegt, um Standortanreize zu schaffen, um auch ausländische Firmen hereinzubekommen? – Nichts davon wurde wahrgenommen. Ich frage mich daher: Wollen Sie uns wirklich weismachen, daß die Schwerpunktsetzung Filmwirtschaft darin besteht, daß Sie die Förderung um 20 Millionen aufstocken, aber ansonsten nichts tun? Sie wissen genau, wie wenig Wirkung das hat, wenn nicht parallel dazu begleitende Maßnahmen gesetzt werden. Und damit ist es eine Alibihandlung, die hinausgeschmissenes Geld bedeuten kann, wenn nicht die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß die Mittel nicht nur sinnvoll eingesetzt, sondern auch lukriert werden können.

Weil ich jetzt von den Multiplex-Kinocenters gesprochen habe, ist das für mich eine direkte Brücke zum nächsten Thema. Bei all dem, das meiner Meinung nach dazugehört, sich etwas zu überlegen, ist der städtebauliche Aspekt sehr wesentlich. Das ist auch nicht etwas, was nicht zu Ihrem Ressort gehört, sondern ganz im Gegenteil! Ich habe geglaubt, daß wir uns darin einig sind, daß die Architektur nicht nur im Wirtschaftsministerium, dem sie ressortmäßig zugeordnet ist – und das ist auch das Übel daran –, verwaltet wird, sondern selbstverständlich ein ganz wesentlicher Teil der Kulturpolitik ist. Es sollte endlich begriffen werden, daß Architektur – und dazu gehört auch Städteplanung – ein ganz wesentlicher Teil der Kulturpolitik ist, für den Sie auch mit Verantwortung tragen.

Und wenn Sie mich fragen: Es wäre mir recht – wenn es der geeignete Mensch wäre, der derzeit nicht in Sicht ist –, daß dieser Bereich, dieser Kultur- und Kunstbereich von einem Kunstkanzler, einer Kunstkanzlerin – bitte um Entschuldigung, das war ein Versprecher –, von einer Kunstministerin oder einem Kunstminister verantwortet wird, und es müßten die entsprechenden Zusammenhänge hergestellt werden: Was will ich denn eigentlich an Infrastruktur in einem Land haben, wo will ich denn kulturpolitische Akzente setzen, in welcher Form will ich sie setzen, was will ich ermöglichen? – Erst dann hat man auch das Recht, davon zu reden, daß man einen Schwerpunkt bei der Architektur gesetzt hat.

Sie haben uns also versprochen, einen Schwerpunkt der Kulturpolitik beim Film zu setzen. Sie haben dieses Versprechen nicht gehalten. Ich halte dieses fest, und ich halte es für ein Übel, daß Sie es nicht gehalten haben. Es ist eine versäumte Chance. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich sage ja zur Schwerpunktförderung Film!

Und Sie haben einen zweiten Schwerpunkt versprochen, und deswegen habe ich auch diese Brücke geschlagen, das ist die Architektur. Sie haben nichts in dieser Richtung getan. Zwar haben Sie auch hier eine Steigerung des Budgets um 20 Millionen Schilling vorgenommen, aber bitte nicht wieder zu betonen, weiß Gott was das ist, wenn Sie nicht auch die Rahmenbedingungen dazu schaffen. Ich nehme das schon wahr, daß auch hier mehr Geldmittel zur Verfügung gestellt wurden, nur hat es nicht diesen Stellenwert, den Sie immer betonen.

Wenn Sie glauben, daß es genügt, daß man neue Kunst-Preise schafft, die ich im übrigen durchaus für richtig halte, dann irren Sie. Ich habe mich zwar über eines sehr gefreut: Wir haben, wie Sie vielleicht wissen, den Kiesling-Preis als einen Architektur-Preis, und zwar als den höchstdotierten, eingerichtet; und ich freue mich, daß Sie auch aus meiner Sicht eine richtige Entscheidung getroffen haben, nämlich ihn Frank O. Gehry für sein Museum in Bilbao zu verleihen. Aber das allein kann doch bitte nicht der Schwerpunkt Architektur für die österreichische Kulturpolitik sein, daß man einen Preis schafft und dann glücklicherweise auch noch die richtigen Preisträger findet. Leider Gottes hat das mit Österreich, nämlich mit Incentives für uns, nichts zu tun.

Was tun Sie denn, um in Österreich eine zeitgenössische Architektur zu ermöglichen? Ich bin der Meinung, daß man hier die Betroffenen und die Sachverständigen zu Wort kommen lassen soll, denn man kann es nicht schöner sagen. Schauen Sie sich einen Kommentar von Wolf Prix aus der Gruppe Coop-Himmelb(l)au an. Er hat so recht! Er kommt auch über das Beispiel Bilbao dann nach Österreich und sagt: Das Museum in Bilbao ist nicht nur ein städtebauliches Meisterwerk eines "verrückten" Architekten, es ist auch das Ergebnis einer glücklichen Zusammenarbeit – und das ist das Wesentliche und deswegen ein kulturpolitischer Aufhänger – zwischen Architekt, Auftraggeber und Städteplanern und beweist, daß Qualitätsarchitektur nur mit einem Qualitätsauftraggeber möglich ist. – Soweit das Zitat Prix.

Genau diese Qualität, Herr Staatssekretär – und richten Sie das dem Herrn Kanzler aus! –, genau diese Qualität fordern wir ein, und wir kriegen sie nicht geliefert von Ihrer politischen Verantwortlichkeit her! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn ich mir anschaue, wie in Österreich, wie in Wien umgegangen wird mit Projekten! Das Museumsquartier ist ein Trauerspiel in dieser Frage. Das nächste Trauerspiel ist jetzt das Mahnmahl. Und was haben wir über die "Platte" gehört, was ist da überhaupt möglich?

Und Prix hat wieder recht, wenn er sagt: Durch die verbreitete Innovationsfeindlichkeit läuft das Land Gefahr, zur Bastion pragmatisierter Innovationsverhinderung zu werden. – Der Beispiele gibt es viele, die genau dieses Zitat belegen und absichern. Und Sie sind verantwortlich dafür, daß Sie nichts dagegen getan haben!

Und damit Sie sich ein wenig daran erfreuen können und weil es auch der Auflockerung dient und auch den Punkt trifft, möchte ich Ihnen vorlesen, was Wolf Prix weiter sagt (Abg. Mag. Posch: Von wo ist der?) – von Coop-Himmelb(l)au ist er –: In Österreich wird Konfliktaustragung mit Bedrohung und Verhinderung verwechselt. – Wie wahr! Daß wir keine Diskussionskultur haben, das wissen wir aus anderen Bereichen noch viel deutlicher. – Und weiter sagt er: Hier regieren die sechs "p", und die sind wunderbar. Der junge Mensch ist erst progressiv, dann wird er durch die Umstände programmatisch, später pragmatisch, dann wird er protektioniert und in weiterer Folge pragmatisiert, und damit wird er pensioniert.

Wie recht er doch hat, wenn er hier den Weg eines, sage ich einmal, engagierten auch Kulturschaffenden zeichnet! Wir können das auf viele Bereiche übertragen, nur da tut es besonders weh. Das ist eine Zustandsbeschreibung und Befindlichkeit unserer politischen Realität, und Sie haben es zu verantworten, daß dem nichts entgegengesetzt wird. Das ist natürlich im Kulturbereich besonders schmerzlich, und es ist auch im Architekturbereich, und in diesem Zusammenhang habe ich es daher erwähnt, besonders schmerzlich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich wollte eine Brücke schlagen zu den Anreizen, die ich in der Kulturpolitik und auch für eine verbesserte Effizienz der Kulturverwaltung für notwendig halte, und darüber, Herr Staatssekretär, werden wir uns noch zu einem anderen Zeitpunkt unterhalten müssen, denn da haben Sie ein Beispiel für ein Nicht-ernst-Nehmen des Parlaments geliefert, das wirklich seinesgleichen sucht. Ihre Antwort auf eine schriftliche Anfrage von uns möchte ich wirklich als eine Chuzpe bezeichnen. Diese Antwort ist eine Frechheit, aber darauf werden wir in einem anderen Zusammenhang noch zurückkommen.

Diese Anfrage hat sich mit dem Stiftungssystem auseinandergesetzt, und Sie waren ja durchaus jemand, der diesem Stiftungssystem, jedenfalls von der Idee her, etwas abgewinnen konnte. Geschehen ist nichts, jedenfalls habe ich nichts wahrgenommen. Wenn Sie uns jetzt etwas erläutern, werde ich froh darüber sein. Wir glauben, daß ein solches Stiftungssystem die Kulturverwaltung flexibler machen könnte, schlanker machen könnte, transparenter machen könnte, daß vor allem – und das ist mir sehr wichtig – neue Quellen der Finanzierungsmöglichkeit im nichtstaatlichen Bereich erschlossen werden könnten. Was eine Binsenweisheit ist, nämlich aus der Kameralistik endlich auszusteigen und eine längerfristige Finanzplanung vorzusehen, ist auch mit dem Stiftungssystem am besten, so glauben wir jedenfalls, umsetzbar. Und noch etwas: Es wäre eine Realisierung von Ad-hoc-Projekten auf eine ganz andere Weise möglich – oder überhaupt möglich, weil es derzeit kaum möglich ist.

Ich frage Sie: Wie weit sind denn Ihre Überlegungen gediehen? In der parlamentarischen Anfrage haben Sie uns "schmecks" darauf gesagt, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns jetzt ein bißchen mehr darüber sagen könnten. Aber ich möchte hier deponieren, daß ich die Weiterentwicklung der Gedanken und vor allem die Zielorientierung zu einem Stiftungssystem für einen wesentlichen Punkt vernünftiger Kulturpolitik erklären möchte.

Sie haben uns, daher schließt sich da jetzt für mich der Kreis, wiederholt – oder war es der Kanzler?; auch schon Wurscht, muß ich sagen, denn er schert sich eh nicht darum – ein Weißbuch der Kulturförderung versprochen. Dieses Weißbuch der Kulturförderung haben Sie uns das erste Mal für den Mai versprochen, dann haben Sie es im Kulturausschuß, wenn ich mich richtig erinnere, für den Oktober angekündigt. Ich weiß nicht, in welchem Stadium es sich befindet. Ich hoffe, es kommt.

Ich hoffe, daß die Abgeordneten im Kulturausschuß meine Meinung teilen, daß man über dieses Weißbuch eine zumindest aktuelle Aussprache herbeiführen sollte. Aber ich möchte mehr. Ich glaube, es würde Sinn machen, hier ein Hearing oder auch eine Enquete zu veranstalten, wobei mir dieses reflexartige Verlangen einer Enquete an sich nicht sympathisch ist, aber wir sollten uns überlegen, in welchem Kreis und in welcher Form es am besten diskutiert werden kann, um hier endlich auch zu Leitlinien zu kommen oder jedenfalls die Leitlinien in der Kulturförderung, in der Kunstfinanzierung zu diskutieren, weil sie ein wesentlicher Baustein für die Kulturpolitik ist.

Und da möchte ich – nicht zum ersten Mal – eine Anregung machen, aber es ist mir wichtig, es hier vom Rednerpult aus zu tun. In den Niederlanden gibt es ein Konzept, wonach am Beginn einer Legislaturperiode ein Vierjahresplan der Kulturpolitik vorgelegt wird. Ich würde mir derartiges auch für uns wünschen. Ich würde mir wünschen, daß es vom zuständigen politisch Verantwortlichen, von der zuständigen Verantwortlichen am Beginn einer Legislaturperiode ein längerfristiges Programm gibt, in dem die Leitlinien, die Schwerpunkte und die Vorstellungen für das künftige kulturpolitische Engagement festgelegt sind. Dann hätten wir die Möglichkeit, schon im vorhinein im Parlament darüber zu diskutieren, und müßten nicht erst nach Vorliegen eines Berichtes, im nachhinein immer etwas kritisieren, was ohnehin schon vorbei ist.

Diese Art des Umgangs auch mit dem Parlament gibt es bereits in anderen Parlamenten, also es ist nicht einmal irgend etwas besonders Außergewöhnliches. Man müßte sich nur einmal anschauen, wo es besser funktioniert. Ich fürchte, daß Sie nur deswegen dagegen sind, weil Sie offensichtlich diese Leitlinien nicht haben, und daß es die nicht gibt, wird ja nicht nur von der Opposition beklagt, sondern vor allem von den Kulturschaffenden selber.

Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Ich halte es für völlig falsch, wenn Politiker glauben, eine Kunst-Diskussion führen zu müssen, wie es auch Kollege Cap wiederholt getan hat. Das ist nicht Aufgabe der Politiker und Politikerinnen, sondern Aufgabe der KulturpolitikerInnen ist es, über Kulturpolitik zu reden und nicht über Kunst, weil sonst wären wir nämlich alle gleich in der Weise, daß wir sagen: Wir haben nicht zu entscheiden, was Kunst ist, aber ... Und dieses Aber steht den Politikerinnen und Politikern nicht zu.

Haben wir doch den Mut, auch wenn man weiß, aus welchen Ecken man dann der Überheblichkeit geziehen wird, zu sagen, daß über das, was Kunst ist, Fachleute reden sollen und eine echte Kunstdiskussion gefälligst den Experten vorbehalten sein soll und nicht den Politikerinnen und Politikern. Kein Mensch glaubt, darüber urteilen zu können, ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt oder nicht, außer die Ärzte selber. Und bei der Kunst glauben wir, daß alle mitreden können. Wir sollten mitreden über Kulturpolitik, aber zu beurteilen, was Kunst ist, ist nicht Sache der Politiker. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich mache nur aufmerksam: Wir haben hier einen technischen Defekt bei der Uhr am Pult. Aber ich stelle von oben die Zeit ein und kontrolliere sie. Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, Sie haben 20 Minuten Redezeit gehabt.

Frau Abgeordnete Dr. Brinek, Sie haben das Wort. – Bitte.

11.31

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich kann einige der Ausführungen, die ich geplant habe, weglassen, weil sie schon getätigt wurden; ich werde mehr oder weniger dort anschließen, wo Frau Dr. Schmidt geschlossen hat: Gibt es Experten, oder dürfen sich alle zur Kunst äußern? Ich möchte mich dieser Frage annähern über die 3 "K"s: Künstler, Kenner, Kunden.

Künstler: Künstler und Aufregung. Die FPÖ hat die Kunstdebatte eigentlich gestern schon eröffnet. – Thema verfehlt, aber was soll’s? Sie hat übrigens den heurigen Sommer unter das Generaldiktat "Sommertheater muß sein" gestellt. Sie hat einen Biennale-Katalog herausgeholt, den alten natürlich. Landesrat Schimanek hat die Veranstaltungsverordnung genommen, weil er offenbar nicht gewußt hat, was der Biennale-Katalog ist. Sie haben bei "N" nachgeschaut und Nitsch gefunden und, weil daneben der Buchstabe "M" ist, auch gleich bei Mühl nachgeblättert.

Damit sind wir beim Jahr 1997: Ich meine, daß eine schriftliche Anfrage, wenn sie wortidentisch ein Jahr später wieder eingebracht wird, um nichts besser ist, genauso, wie eine Katalog-Rezeption, eine Diskussion zum Katalog nicht besser wird, wenn ich sie ein Jahr später wiederhole, auch wenn ich ein ganzes Jahr an mißlungenen Repetier- und Memorierversuchen gearbeitet habe und daran hätte sehen können, ich soll es bleiben lassen.

Also: Über Kunst, meine ich, sollte ein bißchen anders gesprochen werden. (Abg. Dr. Graf: Über Kunst so viel zu sagen ohne einen Inhalt ...!) Hören Sie zu, dann werden Sie einen Inhalt erkennen, oder es liegt an Ihrer Kompetenz!

Ich denke, zu Mühl und Nitsch läßt sich ein Satz sagen, der das vorhin Gemeinte zusammenfaßt. Ein Kulturkritiker hat für viele andere gesagt: Während das Werk des einen Berechtigung zum Repertoire hat, nämlich Nitsch, so ist das andere über weite Strecken ohnedies schon zu den Gerichtsakten gewandert. – Stichwort: Mühl. Ob das der Herr Mühl-Berater, EU-Abgeordneter Sichrovsky, auch so einschätzt als Kulturexperte, das weiß ich natürlich nicht. Es wäre auch einmal interessant, seine Stellungnahme dazu zu hören.

Zweiter Punkt: Kenner. Künstler fallen nicht vom Himmel, Kunstkenner auch nicht. Ich habe den Eindruck, und da schließe ich mich an die Vorrednerin an, daß wir über technische Expertisen, über forschungspolitische Ergebnisse, über andere Errungenschaften mit sehr viel Respekt und sehr viel Diskretion reden, sie einschätzen, beurteilen. Aber gerade in der Frage der Kunst, die genauso gelernt, studiert und erarbeitet, durchdrungen und durchdacht werden muß, habe ich in der letzten Zeit den Eindruck, noch nie soviel Unverschämtheit und Überheblichkeit gehört und beobachtet zu haben wie zuletzt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich nehme niemanden aus, aber die FPÖ hat sicher die Nase vorn. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Die FPÖ hat die Nase immer vorn! Sie tragen die Nase zu hoch, wir haben sie vorn!)

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den wirklichen Doyen der Wiener Moderne der Nachkriegszeit, Monsignore Otto Mauer, der gesagt hat, Kunst ist das, was Kenner dafür halten. Das sollten sich einige hinter die Ohren schreiben, ganz besonders in Ihrem (in Richtung der Freiheitlichen) Sektor.

Drittes "K": Kunden. Kunst lebt von der Auseinandersetzung; das ist ganz richtig. Keine Kunst will ins Depot, kein Gedicht, kein Theaterstück ist für die Ablage, für das Archiv geschrieben worden, keine Oper ist dazu komponiert worden, daß sie keiner hört, kein Fresko erarbeitet, keine Skulptur gegossen worden, um nicht gesehen zu werden. Aber: Wir brauchen Kompetenzen, siehe Umgehen mit anderen Expertenprodukten.

Das ist jetzt nicht ein Vorwurf Ihnen gegenüber, Herr Staatssekretär, daß es ein Versäumnis erst der jüngsten Zeit wäre, daß sich diese Kompetenz der Rezeption so wenig entfaltet, und es ist auch nicht nur eine Angelegenheit der Schule. Ich denke, wenn lebenslanges Lernen, lebenslange Auseinandersetzung ernst gemeint ist, dann betrifft es auch den Umgang mit Kunst.

Ich verweise als gutes Beispiel auf eine Initiative hin, die sich in Wien gerade gegründet hat, die sich nennt: "Von klein auf Kunst". Sechs Kultur- und Kunsteinrichtungen bewerben mittels einer Imagekampagne das, was hochqualitative Kunst und Vermittlungsarbeit ist, und wir sollten uns ein Beispiel nehmen, wir sollten die Erfahrungen genau beobachten, und wir sollten uns überlegen, welche Lehren wir auch für Kunstförderung, einschließlich ihrer Vermittlung, daraus ziehen können. Oft ist es so, daß gerade mit Kunst und Kindern und Kunst und Heranwachsenden das Wort- und Gedankenpaar "minderjährig ist gleich minderwertig" verbunden ist. Also: Lernen von Minderjährigen, Auseinandersetzung mit Kunst darf nicht mit minderwertig in Verbindung stehen.

Kunst lernen ist natürlich nicht dasselbe wie Vokabel oder Wurzelziehen lernen, aber es hat auch etwas mit Wissen und Können zu tun. Und wenn heute Menschen, vor allem junge, kein Bibelwissen mehr haben, dann können sie Jahrhunderte oder Jahrtausende alte Tafelbildkunst nicht mehr verstehen. Wenn sie die klassische Mythologie nicht wenigstens in Ansätzen beherrschen, verstehen sie die Renaissance nicht, ja sie können nicht einmal durch das Parlament führen. Wer glaubt, daß er moderne Kunst nicht lernen müsse – darin liegt, so glaube ich, der größte Irrtum –, der liegt falsch, und dann kommt statt Lernen, kompetenter Aussagen und eines fachmännischen Urteils eben die Veranstaltungsordnung.

Einer der wenigen kunstsinnigen Politiker, einer der letzten "Museumsminister", es war Erhard Busek, hat zu einem FPÖ-Mandatar – ich denke, es war John Gudenus – in diesem Zusammenhang einmal gesagt: Besinnen Sie sich! Wenn wir alle so wenig Sinn und Verständnis für moderne Kunst aufbrächten wie Sie, säßen wir zusammen mit Ihren Vorfahren noch auf den Bäumen. – Ich glaube, das ist uns ein wesentlicher Auftrag. (Abg. Mag. Posch: Es war der Gudenus!) Es ging damals um das Museumsquartier und moderne Kunst.

Kunst lebt von kompetenten Rezipienten: zuhören, lesen, betrachten, aktiv mitmachen. Wenn wir wollen, daß Kunst weiterlebt, dann brauchen wir ausreichend Mittel zur Vermittlung. Ich bitte, Herr Staatssekretär, wenn möglich auch in Ihrer Wortmeldung darauf einzugehen, wie sich dies weiter entwickelt.

Ich schließe mit einem Wort, das ich beim größten Maler des Altertums gefunden habe, der gesagt hat: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Er sagte das, weil ein vorbeigehender Schuster auf einem Bild eine Sandale entdeckt hatte, an der ein Nagel fehlte. Auf den Stolz hin, daß er diesen fehlenden Nagel entdeckt und den Fehler richtiggestellt hatte, entwickelte er auch noch weitere Begehrlichkeiten, die Wade und den Schenkel auch malen und verbessern zu wollen. Daraufhin sagte der Maler: Schuster, bleib bei deinem Leisten! – Ich glaube, das sollten sich alle zu Herzen nehmen – und einige ganz besonders. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, Sie sind die nächste Rednerin. Die Uhr funktioniert wieder, Sie können sich darauf verlassen. – Bitte.

11.38

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich warte nur auf den Moment, bis endlich die Veranstaltungen hier in diesem Haus, insbesondere Kunst- und Kulturdebatten, auch irgendwann von irgend jemandem zum Kunstwerk erklärt werden, als eine gewisse Art absurdes Theater. Aber es ist gelegentlich auch recht unterhaltsam. (Abg. Dr. Cap: Samuel Beckett! – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Ein Teil, überschätzen Sie meine Rolle nicht, Sie sind auch Teil dieses Räderwerkes. (Abg. Dr. Cap: Wir warten auf das freiheitliche Kulturkonzept!)

Im Zusammenhang mit dem Kunstbericht hebe ich ausdrücklich hervor, daß die Art der Berichterstellung sehr viel von den Anregungen auch der Opposition berücksichtigt hat, daß ich den Bericht wirklich für einen sehr guten halte. Wenn ich ihm dennoch nicht zustimmen kann, dann liegt es also nicht an der Ausführung des Berichtes, sondern an der dahinterstehenden Politik, die gemacht wird und an der ich Kritik zu üben habe.

Es zieht sich jenseits der einzelnen Aspekte und Inhalte dieses, wie gesagt, gut gemachten, aber von der politischen Hintergründigkeit her traurigen Berichtes eines durch die heutige Debatte mit ihren sehr unterschiedlichen Beiträgen, was von Senkgruben bis zu anderen Bereichen geht: das Verhältnis der Kunst, des kulturellen Schaffens zur Rolle des Staates, zu dem Markt beziehungsweise den Märkten und damit auch zu der sozialen Situation der Kulturschaffenden. Das ist in meinen Augen das Grundproblem und die Grundkritik.

De facto gibt es seit fünf Jahren eine Stagnation des Budgets im Kunstbereich auf dem Niveau von etwas über 1 Milliarde Schilling, das bedeutet in Zeiten steigender Kosten – und natürlich gerade im Kulturbetrieb überproportional steigender Kosten – ein Sinken der Budgets. Die durch diverse Sicherheitsgebühren-Verordnungen, Vergnügungssteuern, Ankündigungsabgaben, die Werkvertragsregelung und so weiter überproportional gestiegenen Kosten sind ja bekannt und im einzelnen schon kritisiert worden. Vor dem Hintergrund sinkender Kulturbudgets, Kunstbudgets verweist man die Künstlerinnen und Künstler immer gerne und stärker auf die freien Märkte.

Frau Dr. Schmidt! Ich glaube nicht, daß es so ist, daß dieser Pragmatisierungsmechanismus ein derartig durchgängiger ist. Es ist wahrscheinlich genau das Problem, daß er gewisse Teile des Kulturbetriebes tatsächlich sehr stark betrifft und dort möglicherweise das Künstlerische bremsend wirkt, daß aber in anderen Bereichen ein derartig knallharter und beinharter und durch nichts gebremster, völlig unsozial gewordener Markt herrscht, daß es wirklich abenteuerlich ist. Der österreichische Staat weiß vor allem nicht einmal, was sich in diesen Bereichen tut. Es gibt Statistiken – Gott sei Dank gibt es Statistiken! – über alle Bereiche der Industriebeschäftigung; da wird genau aufgelistet, wie viele Obstbäume es in unserem Lande gibt, und ich weiß nicht, was noch alles. Es gibt Statistiken über den Tertiärsektor und den Fremdenverkehr, Statistiken, wer warme und wer kalte Küche anbietet, Statistiken über die Zahl der Betriebe und Arbeitsplätze in diesem Bereich.

Herr Staatssekretär! Wo gibt es hier irgendeinen Versuch einer Evaluierung? Wie schauen die verschiedenen Sparten der Wirtschaft im Kulturbereich aus? Wie schaut die Betriebsstruktur aus? Wie sind die speziellen Probleme der Firmen im Bereich des Musikschaffens, im Bereich der bildenden Kunst? Wie schaut es mit den Vermarktungsstrukturen aus? Und natürlich noch viel mehr: Wie sieht es mit der sozialen Situation der Kulturschaffenden aus, die, wenn sie mit ihrem Einkommen eine niedrige Bagatellgrenze überschreiten, in die volle Sozialversicherungspflicht, die höher als die Monatseinkünfte sein kann, hineingeraten?

Es gibt nicht einmal eine durchgängige Erfassung. Ich habe in einem Teilbereich versucht, mir einmal einen Überblick zu verschaffen, und bin darauf gekommen, es gibt keine Erhebungen darüber, was etwa die moderne Unterhaltungsmusik betrifft. Es gibt zwar große Klagen, aber genaue Gründe, um zu lokalisieren, woran das liegen mag, sind sehr schwer zu erheben. Ich wünsche mir natürlich auch erheblich höhere Kunstbudgets. Hätte es beispielsweise jene Steigerungsraten gegeben, wie sie bis zum Jahre 1994 üblich waren – etwa 100 Millionen Schilling im Jahr mehr, über den Daumen gepeilt –, dann wäre man inzwischen bei der 2-Milliarden-Schilling-Grenze angelangt. Ich denke, das wäre schon ein sehr viel vernünftigerer Wert, der gerade im Bereich des zeitgenössischen Schaffens ein wenig mehr Bewegungsmöglichkeiten erlauben würde, ohne daß man da von Überversorgung oder Pragmatisierung sprechen müßte.

Jenseits dieses Wunsches nach einer besseren Budgetierung, denke ich, geht es jedoch auch um die Analyse und das Erfassen der Mechanismen zwischen Staat und Markt. Da können wir über Rechtsformen, über Stiftungen, über Ausbrüche aus der Kameralistik reden. Ich halte das zwar nicht für den Stein der Weisen, aber für einen möglichen Aspekt, sich hier einer Verbesserung anzunähern. Wir müssen aber vor allem über die Marktschranken reden. Es gibt in vielen Bereichen solche Teufelskreise.

Der ORF kann zum Beispiel ein zeitgenössisches Stück nicht spielen, wenn der Künstler oder die Künstlerin keinen Plattenvertrag hat. Einen Plattenvertrag bekommt er oder sie aber nicht, weil der ORF dieses Werk sicherlich nicht spielen wird. Das ist schwarz auf weiß nachzulesen, es gibt viele derartiger Aussagen. Das findet man im Bereich der Musik, im Bereich des Buchhandels und im Bereich der Galerien. In vielen Bereichen kann man auf Vermarktungsstrukturen stoßen, bei denen es sehr hohe Eingangshürden gibt, der Name zählt und der Staat gar nicht gefordert ist, dabei so viel Geld in die Hand zu nehmen, als vielmehr Schwellen abzubauen, um vielleicht einen Einstieg zu ermöglichen. Dann muß sich eine Person ohnehin erst auf den Märkten behaupten. Aber solche Daten werden nicht einmal erfaßt und analysiert. Das halte ich wohl für ein Kernproblem.

Weiters möchte ich zu der Rolle der Kulturdebatten in diesem ein wenig absurden Theater kommen. Es wird hier immer wieder Klage geführt und gefragt: Was tut die Freiheitliche Partei? – Sie polarisiert, sie emotionalisiert, sie führt einen Feldzug gegen die Intellektuellen und die Intellektualität schlechthin. Ich würde sagen: Bitte keine großen Wellen! Das ist ein beschlossenes, ein durchdachtes, intellektuelles Kalkül, derart zu verfahren. Diese Art der Politik lebt davon, emotionale Themen aufzuspüren, aufzubauschen, Ängste, vielleicht auch Aggressionen ausfindig zu machen, zu verstärken und auf dieser Ebene zu polarisieren. Das ist ein politisches Konzept und Kalkül. Dafür bieten sich etliche Bereiche an – das wissen wir ja –, wie zum Beispiel die Fremdenpolitik (Abg. Dr. Krüger: Tierschutz!), dafür bietet sich aber auch ein Konflikt an, der zwischen den Studierenden und den braven, fleißigen Arbeitern geschürt wird. Da bietet sich sicher auch das Thema Tierschutz an und die Frage, warum Sie so wenig gegen die Massentierhaltung und die millionenfachen Schlachtungen am Fließband tun. Da bieten sich viele Themen an, natürlich auch der Bereich des Kunst- und Kulturbetriebes. Damit hat Kollege Cap ja völlig recht: Sie brauchen einander.

Um ehrlich zu sein: Ist es nicht unser Wirtschaftssystem insgesamt, das bei jeder Gelegenheit so hochgelobt wird, insbesondere seit dem Jahre 1989? Es versuchen doch alle, Marktwerte zu steigern. Die Wirtschaft versucht das, sie setzt dafür die Werbung ein, die auch immer mehr auf Plakaten auf den Skandal setzt – ob für Modefirmen oder für andere Produkte, denn das, was nicht auffällt, worüber nicht geredet wird, das existiert nicht. Das wird von der einen Seite wie von der anderen Seite angestrebt. Das braucht gar nicht sonderlich zu empören. Natürlich bieten sich dann genau diejenigen an, die es auf diese emotionalen Themen in irgendeiner Form abgesehen haben – egal, ob das Kinder, ob das den Bereich des Tierschutzes oder sonst ein Thema betrifft. Es ist auch völlig egal, ob Unterstellungen gemacht werden oder nicht oder ob das der Wahrheit entspricht. Es ist ein bestimmtes Kalkül, das so durchzuziehen; und das wird auch so durchgezogen.

Die Frage der Mehrheitsfähigkeit ist natürlich Teil des Kalküls, daß man eben hofft, ein möglichst breites Kopfnicken zu erreichen. Folgendes vor allem auch an die Adresse von Frau Dr. Schmidt: Ich halte es sehr wohl für absolut legitim, daß alle – jeder Mann, jede Frau, auch Politikerinnen und Politiker – Kunst beurteilen und ihre Meinung dazu abgeben können. Ich denke sogar, daß jemand, der in der Kulturpolitik einen gewissen Stellenwert beansprucht, auch eine Meinung haben soll. Diese wird aber nicht in allen Bereichen gleichermaßen kompetent sein, das kann auch gar nicht der Fall sein. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt.) Eine Meinung zu haben, ist absolut notwendig.

Es ist nur die Frage, was damit gemacht wird, ob Meinungen instrumentalisiert werden, um ein ganz anderes politisches Ziel zu erreichen, nämlich die Empörung gegen die Regierenden, die Empörung gegen jene, die Förderungen bekommen, die Empörung gegen irgendwen schlechthin. Das ist das Ziel, nicht der Inhalt dessen, was passiert. Das ist dabei völlig marginal, das ist auch denen, die diese Art der Politik betreiben, absolut bewußt.

Das war zu jeder Zeit so. Nehmen Sie die Werke aus der römischen Antike, Werke von Schriftstellern, von denen einige Werke zur Standard-Pflichtlektüre in den Schulen gehören! Da gibt es Werke, deren Inhalt absolut pornographisch ist oder als solcher eingestuft werden könnte. Nehmen Sie die Werke der Malerei in vielen Bereichen von Künstlern, die heute extreme Marktwerte haben! Nehmen Sie auch in der Architektur die Bauwerke eines Otto Wagner! Da gab es massive politische Entscheidungen, die besagt haben, das soll geschehen können. Für den Zeitgeschmack war das absurd und bizarr, aber heute sind diese Bauwerke ehrwürdiger Jugendstil.

Das ändert sich eben, aber eines bleibt natürlich: Die Mehrheiten werden wahrscheinlich den Wert erst später erkennen. Genau diese Diskrepanz besteht. Es kann auch sein, daß sich einmal etwas nicht ändert, daß man auch in späteren Zeiten draufkommt, daraus wird nichts werden; das kann auch sein! (Abg. Dr. Krüger: Sie werden für alles Beispiele finden!) Ja, es gibt Beispiele, es stellt sich nur die Frage, was politisch angestrebt wird. Ich sage nur: Das steht Ihnen ja auch zu, das ist in einer Demokratie ja auch legitim, aber man soll sich dessen bewußt sein, was da abläuft, und dann auch entsprechend reagieren. Die Grenzen der Möglichkeit dieser Polarisierung und Emotionalisierung liegen dort, wo Schranken aufgebaut werden.

Das ist sehr wohl eine Aufgabe, die ich beim Regierungschef, insbesondere bei der Kunst- und Kulturkompetenz, ansiedle. Wenn es nicht salonfähig ist, eine bestimmte Grenze zu überschreiten, kann damit auch nicht mehr leicht Politik gemacht werden. Das zeigt sich immer wieder, das zeigt sich auch in den anderen Emotionalisierungsthemen – vom Lichtermeer bis hin zu Solidarisierungen mit Kunstschaffenden. Es geht um die Frage der Grenzziehung der Verantwortlichen, die ihre persönliche Meinung haben können, die objektivierbare Mechanismen anzubieten haben, ansonsten aber ihre Rolle als Advokaten der Freiheit der Kunst – meiner Meinung nach – auszuüben hätten. Wenn diese Rolle der politisch Verantwortlichen ins Wanken gerät, wenn nicht mehr ganz klar ist, ob sie mit den Populisten gehen, ob sie auch – zumindest augenzwinkernd – ein gewisses populistisches Kalkül im Hinterkopf haben oder ob sie die Bastion für die Freiheit der Kunst sind, die jeder Mann und jede Frau kritisieren dürfen, wird es gefährlich. (Beifall bei den Grünen.)

Es wird dann gefährlich, wenn nicht mehr wirklich erkennbar ist, ob das jemand tun darf. Natürlich gelten auch für den Kunst- und Kulturbetrieb Schranken; Gesetzesbrüche, Verstöße gegen Prinzipien sind nicht zu dulden, aber die Grenzen für Kunst und Kultur sind sicherlich so weit draußen wie nur irgend möglich zu stecken, denn Kunst und Kultur haben ja auch den Auftrag, heutige Sichtweisen und Werthaltungen kritisch zu hinterfragen sowie einen Anstoß zur Veränderung zu geben. Daher muß dort der Rahmen der weitestmögliche sein.

Diesen weitestmöglichen Rahmen hat ein Kunstkanzler zu verteidigen, und zwar bedingungslos und kategorisch. Wenn klar ist, daß ein Einbruch in diesen Bereich, der Versuch, ihn schlechtzumachen, illegitim, ein Tabubruch ist, dann läßt sich damit auch nicht mehr so leicht Politik machen – versucht werden, kann es schon. Das zeigt sehr wohl auch die Vorgangsweise und die Entwicklung in der sogenannten – und so provozierten – Causa Kolig, denn diesbezüglich hat sich das Anliegen der Freiheitlichen, mindestens 20 000 Unterschriften zu sammeln, als ziemlich kapitaler Flop herausgestellt, weil dabei die Hintergründe sehr klar waren und auch die politischen Beurteilungen standgehalten haben. (Abg. Mag. Schweitzer: In drei Stunden 1000 Unterschriften!)

In jenen Bereichen, in denen diese ins Wanken geraten sind – wenn etwa die Gattin des Kanzlers öffentlich eine andere Meinung vertritt als der Kanzler und es auch nicht ganz sicher ist, wo sie wirklich stehen –, läßt sich das politische Kapital wirklich schamlos und grenzenlos ausschöpfen. Deswegen ist es so wichtig, in welcher Funktion sich ein Kunstkanzler sieht – jenseits seiner Einflußnahme oder Stellungnahme zu einzelnen Bereichen. Abgesehen von dieser Kritik im Detail, die ich oftmals auch an Minister Scholten zu üben hatte, möchte ich sagen, daß dieser besagte Rolle wirklich ausgeübt hat. Diese hat ihm in der Öffentlichkeit, so glaube ich, jeder abgenommen, weil er sie wirklich innerlich so empfunden und auch nach außen getragen hat.

Ich sage Ihnen folgendes, Herr Staatssekretär: In dem Moment, in dem in dieser Rolle Unsicherheit entsteht, öffnen Sie die Tore für eine schrankenlos populistische Politik, von der ich glaube, daß die Themen, die Abgeordneter Cap mit den Senkgruben und der Dichtheit von irgendwelchen Kloaken angerissen hat, noch sehr, sehr harmlos sein werden. (Beifall bei den Grünen.)

11.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Konrad, Sie sind die nächste Rednerin. Geben Sie mir bitte noch eine Minute Zeit! Ich bin nämlich dazu verpflichtet, eine Mitteilung zu machen.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Abgeordneten Aumayr und Genossen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der politischen, rechtlichen und finanziellen Verantwortung mehrerer Bundesminister und der AMA an der Entstehung und mangelhaften Bewältigung des angeblichen Hormonfleischskandals einzusetzen.

Es liegt weiters das von fünf Abgeordneten gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Im Sinne der Geschäftsordnung werden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung durchgeführt werden.

*****

Frau Abgeordnete Dr. Konrad, Sie gelangen jetzt zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.58

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die "Arbeitsgemeinschaft Kunstbericht", die zum erstenmal die redaktionelle Bearbeitung des vorliegenden Berichtes übernommen hat, hat einen Bericht erstellt, der sich wirklich sehen lassen kann; das ist heute schon von vielen – von den meisten – anerkannt worden. Es ist ein informativer, ein spannender, ein attraktiver Bericht. Die Arbeitsgemeinschaft hat einen Bericht zusammengestellt, der auch graphisch zeigt, wovon die Rede ist. Dafür ist den Autorinnen und Autoren sehr herzlich zu danken. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Auf diese Art und Weise, meine Damen und Herren, kann es wirklich gelingen, einen Kunstbericht als Informationsmedium über die aktuelle Lage der zeitgenössischen Kunst in Österreich und deren Förderung zu etablieren und ein breiteres Publikum – weit über das Parlament hinausgehend – zu interessieren.

Mit Berichten wie diesem kann es gelingen, viele Interessierte sinnvoll und ansprechend zu informieren und sie zur Auseinandersetzung mit Kunstproduktion, mit Kunstpräsentation und Kunstförderung anzuregen. Und an dieser Auseinandersetzung, diesem öffentlichen Diskurs, liegt ja nicht nur den Kulturinteressierten und uns Politikerinnen und Politikern etwas, sondern ganz wesentlich auch den Kulturschaffenden, den Künstlerinnen und Künstlern, denn ohne eine lebendige Auseinandersetzung fehlt der künstlerischen Arbeit der gesellschaftliche Nährboden. Eine solche allgemeine, breite und trotzdem qualifizierte Auseinandersetzung ist ein wesentliches Ziel der Kunstpolitik meiner Fraktion. Berichte wie der vorliegende leisten dazu einen Beitrag, und das ist erfreulich.

Uns geht es darum, ein Klima zu schaffen und zu fördern, in dem Kunstschaffen, in dem künstlerische Experimente und auch deren Scheitern möglich ist. Denn auch das Scheitern muß seinen legitimen Platz in der Kunst haben. Bei der heurigen Ars Electronica hat der Kulturphilosoph Paul Virilio sinngemäß gesagt, daß mit jeder Erfindung der Unfall, das Scheitern mit erfunden sei. – Das muß meiner Meinung nach auch für künstlerische Prozesse, für die künstlerische Produktion gelten. Den Platz für das Gelingen und für das Scheitern muß die Kultur- und Kunstpolitik ermöglichen.

Meine Damen und Herren! Erst kürzlich, beim Treffen der zuständigen EU-Ministerinnen und -Minister in Linz, haben alle politisch Verantwortlichen die gesellschaftliche Bedeutung der Kunst unterstrichen und betont, wie notwendig es sei, Künstlerinnen und Künstler, Produktionen und Institutionen substantiell zu fördern und zu unterstützen – die Betonung liegt auf "substantiell" –, und das mehr denn je! Und das ist auch gut so.

Ich bin – wie einige meiner Vorrednerinnen und Vorredner – überzeugt davon, daß eine breite, aber eben seriös und auch sachkundig geführte Diskussion in Österreich, auf europäischer Ebene und über die Grenzen der EU hinaus wichtig ist.

Auch ich kann nicht umhin zu sagen, daß ich jene scheinheilige Empörung, die gelegentlich in diesem Haus – und wer weiß, vielleicht auch heute noch einmal – aufflammt und die ziemlich künstlich und oft höchst unkünstlerisch ist, für nichts anderes halte als eine Art verbaler Showgymnastik, die mit dem Objekt der Aufregung oft nur wenig zu tun hat (Beifall des Abg. Schwemlein – Abg. Mag. Schweitzer: In künstlerischer Scheinheiligkeit sind Sie ja Expertin!) und, wie ich zu behaupten wage, die Sie – und ich wende mich dabei an die FPÖ – wider besseres Wissen zum Gaudium und oft auch zur Aufhetzung des Publikums vorführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme aber noch kurz zu Wichtigerem zurück: Die Linzer Konferenz hat gezeigt, daß Österreich seine fortschrittliche kulturpolitische Position in der EU gut vertreten und einbringen kann. Ich nenne aus Zeitmangel nur einige Stichworte: Kunst darf nicht primär und sicher nicht ausschließlich mit den Maßstäben des Markts gemessen werden (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl), Kunst und Künstler müssen großzügig gefördert werden, die Förderprogramme der EU werden weitergeführt, die Einbeziehung der Nachbarländer, die nicht in der EU sind, soll zu einer Aufstockung des Budgets führen, und kleineren, innovativen Projekten ist der Vorzug vor Mega-Events zu geben – um nur einige Stichwörter zu nennen.

Aus Sicht meiner Fraktion sind damit die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Und diese Richtung bedeutet nicht Förderpolitik von oben gegen FörderwerberInnen von unten, sondern kreative Kommunikation und tragfähige Strukturen für gemeinsame Entscheidungen, um ein vielfältiges und vielseitiges Kulturschaffen und Kulturleben zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Stadler. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Wabl: Jetzt kommt der Schimaneksche Kulturbegriff!)

12.05

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Anknüpfend an die Ausführungen meiner Vorrednerin möchte ich einmal zeigen, was in diesem Land den Leuten als Kunst serviert wird. Man braucht niemanden aufzuhetzen, die Empörung der Menschen ist ernst, Frau Dr. Konrad. Ich weiß nicht, ob Sie sich dessen bewußt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erinnern Sie sich an die Empörung des Abgeordneten Khol – oder hetzt er auch die Leute auf, Ihr Koalitionspartner –, als wir eine Dringliche Anfrage eingebracht haben (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger), in der dieses Bild (der Redner hält die Kopie eines Mühl-Bildes in die Höhe), das im Museum für angewandte Kunst – ressortverantwortlich natürlich seine Parteifreundin, die christlich-soziale Ministerin Elisabeth Gehrer (Abg. Dr. Partik-Pablé: Beschlagnahmen wollte er es lassen!) – hängt, in Farbkopie mit dem Bilduntertitel "Unbefleckte verzwickte Empfängis", so heißt das Bild, enthalten war? Hermes Phettberg uriniert der Mutter Gottes in den Mund. Glauben Sie, daß das die Leute, besonders jene, die religiöse Gefühle haben, in diesem Land kalt läßt?

Ich gehe davon aus, daß auch Kollege Khol damals von seinen religiösen Gefühlen geleitet war, als er sich darüber empört hat. Davon gehe ich aus! (Abg. Wabl: Davon gehe ich nicht aus!) Aber die ÖVP tut nichts dagegen, sonst müßte sie zum Beispiel gegen dieses Bild auftreten. (Der Redner hält die Kopie eines weiteren Mühl-Bildes in die Höhe.) Es hängt ebenfalls im Museum für angewandte Kunst und heißt "Phetty" – gemeint ist Phettberg – "tilgt eure Sünden", Acryl auf Leinwand, 100 x 80 Zentimeter! (Abg. Schwemlein: Es kann ja nicht nur der Egger-Lienz dort hängen!) – Meine Damen und Herren! Das ist Ihre Kulturpolitik. Und darüber regen sich die Menschen ernsthaft auf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder, hier habe ich ein weiteres Bild. (Der Redner hält ein drittes Mühl-Bild in Kopie in die Höhe.) Dazu braucht niemand aufgehetzt zu werden, dadurch werden religiöse Gefühle verletzt. Hermes Phettberg mit dem Kruzifix, Herr Nitsch, der ihn mit Blut anschüttet. (Abg. Schwemlein – den Kopf schüttelnd –: Traumhaft: Stadler als moralische Instanz!) – Sie schütteln den Kopf? Endlich hat auch der Herr Kollege aus Salzburg, der sonst nur mit seinen Doppelbezügen Probleme hat, etwas begriffen. Damit werden religiöse Gefühle verletzt, Herr Schwemlein. Wenn Sie es nicht begriffen haben, dann lassen Sie sich das von jemandem gesagt sein, der sich durch solche Bilder ebenfalls verletzt fühlt. Das hat mit Kultur nichts zu tun. Das ist bewußte Provokation, bewußtes Herabwürdigen religiöser Gefühle!

Meine Damen und Herren! Ich habe in diesem Zusammenhang eine interessante Debatte über die Kunstwerke des Herrn Nitsch geführt. Man kann dazu stehen, wie man will. Man steht entweder so dazu wie Kollege Cap, der sagt, das sei alles in Ordnung, oder so wie die ÖVP – darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Es wurde mir gesagt, Herr Nitsch stelle nur das Tieropfer in der Religion dar. – Ich frage Sie, meine Damen und Herren, und dich, lieber Josef Cap, dann aber, warum er sie nicht im Zusammenhang mit jenen Religionen, die bis heute Tieropfer kennen, zum Beispiel dem Islam oder dem Judentum, darstellt. Wissen Sie, warum nicht? – Weil die Ayatollahs ihm innerhalb weniger Tage ein ganzes Mordkommando an den Hals hetzen würden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nur mit der christlichen Religion, der die Mehrheit der Österreicher noch angehört, kann man machen, was man will. Und es ist ein bedauerliches Faktum, daß sowohl die Kirche als auch die Österreichische Volkspartei dazu schweigen. Letztere spielt sogar noch mit, meine Damen und Herren! Genau das ist nämlich das Problem. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das alles geschieht unter der Ressortverantwortung Gehrer. Gestern etwa sagt uns die Frau Staatssekretärin, das, was Herr Mühl darstelle, sei repräsentative Werkschau für österreichische Gegenwartskunst! (Zwischenruf des Abg. Schwemlein.) Ich weise das im Namen aller anständigen Österreicher empört zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist nicht repräsentativ, was ein Kinderschänder mit Unterstützung der öffentlichen Hand produziert!

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie werden es sich nicht so einfach machen können wie beim Biennale-Katalog, als Ihre Landespolitiker nicht müde wurden zu sagen, daß sie damit nichts zu tun hätten. In Oberösterreich wurde damals die Landesebene betont und gesagt, das mit dem Katalog habe alles die "böse" Bundespartei verbrochen, damit habe man nichts zu tun. Dafür sei die Bundes-ÖVP verantwortlich, sie seien die Landes-ÖVP, wurde gesagt.

Die gleiche Politik betreibt Herr Kollege Steindl. (Abg. Rosemarie Bauer: Haben wir den Katalog geschrieben?) Herr Landeshauptmann Pühringer hat in Dutzenden Wahlreden gesagt, daß er damit nichts zu tun habe, das komme von der Bundes-ÖVP. Daher durfte Herr Schüssel bei den Wahlveranstaltungen in Oberösterreich nicht einmal mehr reden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! So einfach können Sie es sich nicht machen. So einfach geht das nicht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler.) Herr Kollege Mühlbachler! Soll ich Ihnen sagen, was das ist, was Sie hier betreiben? Das ist nicht nur doppelbödig, sondern das ist falsches Zeugnis wider den Wähler, wenn Sie wissen, was ich meine. Falsches Zeugnis wider den Wähler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Mühlbachler, gehen Sie in sich und prüfen Sie sich! Das ist doppelbödig, doppelzüngig, und das ist falsches Zeugnis wider den Wähler! Das sollten Sie sich ein wenig zu Herzen gehen lassen.

Meine Damen und Herren! Die ÖVP treibt aber das Ganze noch auf die Spitze. Jetzt hat sie angeblich auch mit dem Herrn Nitsch nichts zu tun, behauptet Steindl. Das sei Sache der SPÖ. (Abg. Wabl: Das ist nicht Sache der SPÖ!) Die Bilder im Haus – da hat er recht – habe Herr Präsident Fischer angeschafft, nicht die ÖVP. Damit hat er recht. (Abg. Mag. Mühlbachler: Wer hat denn den Biennale-Katalog gemacht?) Aber Sie sollten sich vielleicht ein Beispiel am Kollegen Morak nehmen. Kollege Morak hat sich noch nie von diesem Pult aus von Nitsch und Co distanziert – auch nicht von Herrn Mühl. (Abg. Morak: Entschuldigung, Herr Stadler! Das stimmt so nicht!) Aber die ÖVP wird nicht müde, in Österreich so zu tun, als ob sie mit all diesen Vorgängen nichts zu tun hätte.

Herr Kollege Khol und Herr Kollege Morak! Abgeordneter Cap hat gemeint, der sogenannte Künstler Nitsch müßte Dankbriefe an die FPÖ schreiben. Er schreibt sie aber nicht an die FPÖ, er schreibt sie an die ÖVP! Ich lese sie Ihnen vor. Rita Nitsch sagt im Auftrag ihres Gatten im "Standard" vom 7. August dieses Jahres:

"Wir haben im Vorfeld versucht, das Sechs-Tage-Spiel als Großveranstaltung anzumelden, doch die Freiheitlichen verhinderten dies. Mit Unterstützung der NÖ Volkspartei gelang es aber, alle Genehmigungen für eine Vereinsveranstaltung zu bekommen." – Dankadresse: Rita Nitsch. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Wer hat diesen Brief bekommen?)

Aber es geht noch weiter: Im "NEWS", Nummer 33, sagt Nitsch im Originalton: "Seltsamerweise waren die Anständigsten" – aus der Sicht des Herrn Nitsch – "die Schwarzen, die mich früher am meisten verfolgt haben. Ihnen verdanke ich alle Genehmigungen. Leute wie Landeshauptmann Pröll beginnen offenbar zu schätzen, welchen Künstler sie da in Niederösterreich haben." – Zitatende. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Aber mit Nitsch haben Sie nichts zu tun! (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler.)

Meine Damen und Herren! Das ist Heuchelei, Herr Mühlbachler. Ich lese Ihnen einmal vor, wofür sich Herr Nitsch bei Ihnen bedanken darf. Ich lese Ihnen aus einem Werk des Herrn Nitsch vor, denn ich vermute, daß Sie das überhaupt nicht kennen. So intensiv befassen Sie sich nicht damit, das weiß ich.

"Die Eroberung von Jerusalem", das hört sich wie folgt an – passen Sie einmal auf (Abg. Dr. Brinek: Wir kennen das!), Sie können etwas dazulernen:

"christus wird in ein schlachthaus geführt. er schlachtet mit hilfe von metzgern 20 rinder (...). die tiere werden ausgeblutet und abgehäutet. hat christus einen stier getötet, legt er sich auf das am rücken liegende abgehäutete noch zuckende tier, saugt am geschlechtsteil des stieres, saugt urin heraus (...) und beißt in das geschlechtsteil des stieres." (Abg. Dr. Brinek: Sie können sich das ersparen!) "er küßt die hoden des stieres, schleckt die hoden ab, beißt in die hoden und zerfleischt und zerschneidet sie schreiend mit einem skalpell." (Abg. Wabl: Stadler, für einen Vertrag am Schauspielhaus sind Sie nicht gut genug!)

Ich zitiere weiter: "christus liegt auf dem warmen bauch des eben geschlachteten stieres und saugt das blut von jener stelle, wo er die hoden abgetrennt hat. hat christus eine kuh getötet, legt er sich auf das am rücken liegende abgehäutete noch zuckende tier, schleckt das geschlechtsteil der kuh und steckt seine zunge tief hinein ... christus fährt mit einem skalpell tief in das geschlechtsteil der kuh und zerfleischt das innere des geschlechtsteiles ... die 20 abgeschlachteten abgehäuteten rinder werden an den wänden des schlachthauses wie gekreuzigt befestigt."

Meine Damen und Herren! Es geht noch weiter, aber ich habe zuwenig Redezeit. Es werden dann weiß überzogene Betten unter den Tierkadavern ausgebreitet. Auf diese Betten legen sich nach dem Stück menstruierende Frauen, diese schlachten dort Kaninchen, stopfen sich die Eingeweide der Kaninchen in ihre Genitalien, und am Schluß gibt es noch 18jährige homosexuelle Jünglinge, die sich gegenseitig mit Blut und Sperma bespritzen.

Das verteidigen Sie! Das ist das, wofür sich Herr Pröll einsetzt! (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler.) Dafür erntet die Österreichische Volkspartei den Dank des Herrn Nitsch! Meine Damen und Herren, Sie sollten sich schämen! Sie sollten sich zumindest für jene Doppelzüngigkeit schämen, die Sie gegenüber dem Wähler verwenden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch unsere Kulturpolitik betreffend Herrn Kolig ist erfolgreich. Kollege Schweitzer hat innerhalb von drei Stunden 1 000 Unterschriften gegen Herrn Kolig zustande gebracht, Frau Konrad. 1 000 Unterschriften gegen Herrn Kolig! Denn das, was der Bruder der Abgeordneten Brinek hier produziert (der Redner hält eine Kopie mit Fotos von aus Exkrementen bestehenden Werken Koligs hoch), ist nach ÖVP-Diktion Kunst! Das ist Kunst nach Cap-Lesart! Kunst, meine Damen und Herren. (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist schlecht recherchiert!) – Der Cordula Frieser, pardon. Es ist der Bruder von Abgeordneter Cordula Frieser, der diese Kunst produziert.

Meine Damen und Herren! Dafür wird er bezahlt. Das Land Niederösterreich besitzt einen Urinstab. Auf diesen Stab hat der Künstler gepißt und ihn dann für 32 000 S dem Land verkauft. Dieser Urinstab, aus Landesmittel angekauft, fault heute im Kunstdepot des Landes Kärnten vor sich hin. Die Narretei steigert sich zum Quadrat. Sie produzieren hier des Kaisers neue Kleider. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Frau Botschafterin Nowotny, die künftige EU-Spitzenkandidatin der SPÖ, hat in London gegenüber der "Sunday Times" behauptet, es seien bereits geschlachtete Tiere nach Prinzendorf geliefert worden, dort sei nichts geschlachtet worden. – Sie kennt sich entweder überhaupt nicht aus, oder sie sagt den Leuten in England wider besseres Wissen die Unwahrheit!

Eine englische Tierschützerin – Frau Kollegin Petrovic ist im Moment nicht da – hat sich – in England sind die Tierschützer besonders aktiv – darüber empört, daß sie von der Botschafterin der Republik Österreich im Ausland ganz unverschämt falsch informiert wurde über die Schweinereien, die sich in Prinzendorf ereignen und mit Steuergeldern von diesem Land gefördert, bezahlt und unterstützt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.15

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! (Abg. Wabl: Einmal zeigt Pröll Haltung in der Politik, und dann wird er beschimpft! – Abg. Mag. Stadler: Wir sind eh froh darüber! So können wir die ÖVP demaskieren! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (fortsetzend): Zu den Ausführungen des Abgeordneten und Kollegen Stadler in bezug auf Nitsch werde ich noch Stellung nehmen, ich möchte aber zuerst zur Kunst- und Kulturpolitik allgemein etwas sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist ein reiches Land! (Abg. Dr. Graf: Zuerst muß die Rede vorgelesen werden!) Zwischen 1950 und 1997 war das reale Pro-Kopf-Wachstum Österreichs das dritthöchste innerhalb der 20 reichsten OECD-Nationen. Nur Japan und Portugal hatten ein noch größeres Wachstum.

Diese wirtschaftliche Erfolgsstory ist sicher der Hauptgrund dafür, daß Österreich im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viel an öffentlichen Kulturmitteln bereitstellen kann. Österreich versteht sich als Kulturland, darüber besteht quer durch alle Parteien, Verbände und Interessengruppen – und das freut mich – nationaler Konsens. Vielleicht ist gerade dieser nationale Konsens, nämlich daß die öffentlichen Kulturausgaben hoch sind, der Grund dafür, daß seit Jahrzehnten umso mehr darüber gestritten wird, was Kultur, was Kunst ist, was gefördert werden darf und wieviel für welche Kultursparte ausgegeben werden soll. Vielleicht sind wir auch in diesem Kulturkampf europäische Spitze.

Hohes Haus! Vor 14 Tagen ist Hans Brenner, ein großer Menschendarsteller und Volksschauspieler, viel zu früh gestorben. Er war die treibende Kraft, das Herz und der Motor der Tiroler Volksschauspiele in Telfs, von denen viele Aufführungen weit über die Tiroler Landesgrenzen hinaus Beachtung und höchste Anerkennung gefunden haben. Die Volksschauspiele und Hans Brenner, die nun anerkannt und geachtet im Kunstbericht 1996, für Tiroler Verhältnisse relativ hoch dotiert, nämlich mit 1,2 Millionen Schilling – also prominent –, aufscheinen, waren in Tirol einem gigantischen Kulturkampf ausgesetzt, als sie vom heute ebenfalls etablierten und anerkannten Schriftsteller Felix Mitterer das für sie geschriebene Stück "Stigma" aufführten. Der Sturm der Entrüstung reichte weit in die Parteien, in kirchliche Kreise und in die Medienlandschaft hinein und wurde über Jahre kräftig geschürt. Die Volksschauspiele waren in weiten Kreisen der wirklich aufgehetzten Bevölkerung verschrien! Das war wirklich ein wilder Kulturkampf!

Das Stück "Stigma" wird heute von den meisten anders gesehen. Die Gesellschaft ist toleranter geworden. Der damals so angefeindete Hans Brenner wird 1998 vom Landeshauptmann persönlich, aber auch im Namen Tirols am Grabe verabschiedet. Mir persönlich ist aufgefallen, daß der ORF nicht darauf reagiert hat und keine eigene Sendung über diesen wirklich engagierten Österreicher und Tiroler gebracht hat. Das ist mir wirklich abgegangen. (Abg. Mag. Stoisits: Aber die ARD!) Die ARD schon, aber er war eben nicht ein Bayer, sondern ein Tiroler, daher hätte ich mir gewünscht, daß Programmänderungen nicht nur für Hollywood-Schauspieler gemacht werden. (Abg. Mag. Stoisits: Eine Schande für den ORF!)

Nun gibt es heute wieder Medien, Gruppierungen und Parteien – und damit komme ich zum Abgeordneten Stadler –, die glauben, aus einer Auseinandersetzung auf Kosten der Kunst billig Kapital schlagen zu müssen. So haben etwa die Tiroler Jünger der Partei der Freiheit, die er meint, mit dem Verständnis von Kunst, die Sie meinen, in Tirol vor den Wahlen versucht, die Bevölkerung gegen Künstler und deren Werke aufzuhetzen. (Abg. Böhacker: Haben Sie auch eine Meinung?) Im Tiroler Volkskunstmuseum in Innsbruck – hören Sie zu, Sie haben es ja nicht gesehen – findet derzeit eine vielbeachtete Ausstellung mit dem Titel "Der Vogel Selbsterkenntnis" statt. – Allein der Titel sollte Sie schon zum Nachdenken anregen! (Beifall des Abg. Dr. Khol.)

Das Museum hat 25 zeitgenössische Künstler eingeladen, das Museum sozusagen gegen den Strich zu bürsten. Das heißt, daß diese Künstler bestimmte Abteilungen oder Objekte im Museum ausgesucht haben, auf die sie reagieren. Einer dieser Künstler ist Hermann Nitsch. Es ist momentan bei Ihnen, den "Tüchtigen", "Fleißigen", aber Intoleranten schick, alles an Nitsch zu verteufeln – Abgeordneter Krüger sei da ausgenommen, er hat dies ein bißchen differenzierter betrachtet und lediglich die Rituale, nicht aber das anderweitige Kunstschaffen des Herrn Nitsch abgelehnt. Sie werden sich einmal darüber einig werden müssen, wie Sie nun zu Nitsch stehen. Der Tiroler "Statthalter" der FPÖ, Franz Linser, hat gegen diese Ausstellung Stellung genommen. Er ist aufgetreten und hat beteuert, daß er die öffentliche Subvention für Ausstellungen dieser Art, an denen – in welcher Form auch immer – Hermann Nitsch beteiligt ist, sofort unterbinden würde, falls er in Tirol nach den Wahlen im März nächsten Jahres in die Regierung käme. – Dies möge das Tiroler Volk bei den Wahlen im nächsten Jahr verhindern.

Herr Präsident! Hohes Haus! Die neue Form des Kunstberichtes 1996 finde ich sehr gelungen. Das Bemühen, ihn so zu gestalten, daß sein Erscheinungsbild national und international vergleichbar ist, muß hervorgehoben werden. Leider ist Tirol gewissermaßen nicht allzu sehr auf die Sonnenseite der Förderungen gefallen; das möchte ich schon anmerken. Im Tiroler Kulturbericht für das Jahr 1996, den ich mit dem Kunstbericht für das Jahr 1996 zu vergleichen versucht habe, wird ebenfalls darauf hingewiesen, daß sich die Bundesländer und die für die Kultur zuständigen Ministerien auf eine einheitliche Darstellung der Kulturposten geeinigt habe. Es gibt nun 17 Kategorien. Dies erleichtert auch den Vergleich, aber dieser ist immer noch einigermaßen schwierig.

Dazu möchte ich Ihnen sozusagen über zwei "Schmankerln" berichten, die mir bei diesem Vergleich aufgefallen sind: Es ist zum Beispiel im Tiroler Kulturbericht nachzulesen, daß ein rein medizinisch-naturwissenschaftliches Projekt, welches untersucht, wie Zellen miteinander kommunizieren, mit 500 000 S an Tiroler Kulturgeldern bedacht wurde. Ferner kann man herausfinden, daß sich die wirklich beliebte Mensabon-Aktion, in der das Land Tirol die Menüs in der Mensa für Studenten fördert, als Posten in einer dieser 17 mit dem Bund und den Ländern vereinbarten Hauptkategorien als Kulturförderung Eingang findet.

Ich habe weitergesucht: Die Schulmilchaktion habe ich nicht gefunden, worüber ich froh bin. Vielleicht sollte man sich, obwohl Kultur ein sehr dehnbarer Begriff ist, doch überlegen, ob man nicht eine bestimmte Abgrenzung vornehmen sollte. Schließlich kann man nicht alles in diesem Kulturbericht finden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.24

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir bekommen in dieser Debatte vorgeführt, wie man mit Fragestellungen umgehen kann. Man kann sich mit dem eigentlichen Gegenstand der Verhandlung beschäftigen, nämlich mit dem Kunstbericht und mit Kultur im weitesten Sinne des Wortes – oder man kann jede beliebige Debatte dazu verwenden, um seine eigenen Vorurteile transparent und populär zu machen und damit zu versuchen, aufzuhetzen, Empörung zu schüren, statt in einen Dialog einzutreten.

Ich frage mich, welches Ziel solche Beiträge haben. Es kann doch nicht das Ziel sein, an dieser Stelle Texte, die man offenbar – so wie es Herr Stadler für sich in Anspruch nimmt – ablehnt, in diesem Haus außerdem noch zu immunisieren. Er muß also ein anderes Ziel haben. Es kann ja nicht sein Ziel sein, daß er diese Texte in den Stenographischen Protokollen nachlesen kann. Das Ziel ist offenbar, solche Dinge nicht zuzulassen, sie im nächsten Schritt überhaupt unmöglich zu machen und sie dann konsequenterweise zu verbieten. (Abg. Dr. Cap: Oder es gefällt ihm klammheimlich!) Meiner Meinung nach ist dies unter allen Umständen abzulehnen, weil dies einer Diktatur gleichkäme. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Cap: Er hat sehr entspannt gewirkt!)

Wer für Offenheit gegenüber der Kunst eintritt, wer der Meinung ist, man könne sowohl die demokratische als auch die kulturelle Reife daran erkennen, wie man mit Künstlern umgeht, muß solche Redebeiträge scharf zurückweisen. Es geht nicht darum, daß man verlangt, daß sich jeder mit allen Dingen identifiziert. (Abg. Dr. Cap: Ein Opfer der Liebe!) Kritik ist ein wesentliches Element der Kulturpolitik und der künstlerischen Auseinandersetzung, nur: Die Formen der Kritik sprechen oft für sich selbst. Wer in dieser Form kritisiert und argumentiert, trägt auch zu einem Bild von der österreichischen politischen Kultur bei, und zwar in einer erbärmlichen Weise. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn man etwas ablehnt, dann muß man meiner Meinung nach auch bei der Ablehnung Worte finden, die nicht noch ärger sind als das, was man vermeint, verdammen zu sollen. Wer sich in der Wahl der Mittel so vergreift, leistet keinen Beitrag zur Debatte, sondern einen zur Selbstdarstellung. Aber für diese Selbstdarstellung sollten wir nicht undankbar sein, denn: Je deutlicher diese Art der Selbstdarstellung sichtbar wird, desto größer wird die Chance, daß mehr und mehr Leute begreifen, was eigentlich intendiert wird, nämlich Verbot, Zensur und Staatskunst im negativsten Sinne des Wortes. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Cap.)

12.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Khol – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Ablinger –: Sie waren bei "Junges Fleisch – Alte Knochen"! – Abg. Ablinger: Deshalb bin ich ja so schnell!)

12.28

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auch wieder mit dem Kunstbericht beschäftigen und auf jene Themen eingehen, die Sie, Frau Kollegin Schmidt, im Zusammenhang mit der Kunstförderung angeschnitten haben. Ich bin ebenfalls der Ansicht – das ist ja etwas, was wir schon seit Jahren beklagen –, daß es nicht sehr sinnvoll ist, über diese Kunstberichte immer erst einige Jahre später zu diskutieren. Ich gebe Ihnen recht, daß es interessant wäre – wie das in anderen Ländern üblich ist –, über Kulturpläne für die Zukunft zu diskutieren, und daß es Sinn machen würde, an dieser Stelle zu diskutieren oder von mir aus auch zu streiten, welche Akzente, welche Schwerpunkte, welche Aktivitäten und welche Ziele wir in der Kulturpolitik für die nächsten vier Jahre setzen wollen. Das wäre dann aber meiner Meinung nach nicht nur ein Bericht oder Plan des Kunstministeriums, sondern müßte auch ein Plan des Außenamtes und des Unterrichtsministeriums sein. (Abg. Dr. Schmidt: Darum gehört das in einem Ressort zusammengefaßt!) Ganz genau!

Dann können wir hier tatsächlich über die Zukunft streiten. Diese Auseinandersetzung soll auch geführt werden, und das erfordert auch eine Umstellung der Vorgangsweise, wie Kulturpläne erstellt werden.

Was die Finanzierung betrifft, würde ich auf zwei Ebenen noch einen Schritt weitergehen. Zum einen gibt es das Problem, daß sich auf lokalen und regionalen Ebenen die kleinen Theater und Initiativen gewissermaßen die Füße wundlaufen auf ihrem Weg vom Bürgermeister zum Landeshauptmann bis zum Bundesminister oder auf unterschiedlichen Ebenen von Gemeinderäten zu Landespolitikern. Überall wird ums Geld gerauft. Auf Landesebene wird argumentiert: Wenn das Land etwas zahlt, dann zahlt die Stadt auch – und vice versa. Das Land sagt: Wenn die Stadt zahlt, zahlen wir auch, und wenn der Bund noch etwas zuschießt, dann machen wir eine Drittelfinanzierung. Das heißt, es lag bisher immer in der Verantwortung der einzelnen kleinen Theater oder Initiativen, daß diese ihr Geld zusammenbekommen. Dann können sie sich eventuell eine Drittelfinanzierung ausmachen.

Meiner Meinung nach könnte man diese Verantwortung im Zusammenhang mit dem Kulturplan in Zukunft umstellen: Der Kunstminister oder die Kunstministerin übernimmt die Verantwortung und fährt in die Regionen und legt gemeinsam mit den Kulturschaffenden und Kulturpolitikern fest, welche Zielsetzungen, Aktivitäten und Schwerpunkte in diesen Regionen gesetzt werden sollen und wer in welcher Höhe die finanziellen Beiträge übernimmt. Auf diese Weise wäre es nicht nur die Aufgabe der einzelnen Initiativen, um jeden Schilling zu raufen, sondern auch der Minister wäre von Anfang an in die Verantwortung mit eingebunden, und die Landes- und Stadtkulturpolitiker übernehmen dann mit die Verantwortung und sagen, diese Schwerpunkte wollen wir setzen und finanzieren wir auch. Dann wäre es ist nicht mehr die Aufgabe eines kleinen Theaters, von Pontius zu Pilatus zu laufen, um das nötige Geld zusammenzubekommen. – Soviel zum ersten Punkt.

Der zweite Punkt betrifft ein Problem, das Sie bereits angeschnitten haben, nämlich die Kameralistik. Es gibt das System von Förderverträgen für drei Jahre. Ich kenne das von meiner Heimatstadt Linz. Dort funktioniert dies meiner Meinung nach gut; dies wird auch im Kunstbericht angeschnitten. Es ist dies ein Punkt, dessen wir uns meiner Meinung nach auch demnächst im Kulturausschuß annehmen sollten. Denn diese Förderverträge bedeuten nicht, daß die Geförderten drei Jahre lang machen können, was sie wollen. Sie müssen auch – und das ist durchaus sinnvoll – jedes Jahr einen Tätigkeitsbericht abliefern, um nachzuweisen, ob das, was gefördert wird, auch tatsächlich realisiert wird.

Es geht aber darum, daß sie eine gewisse Sicherheit haben und für die nächsten drei Jahre davon ausgehen können, daß ihre Projekte finanziert werden. In Linz wird das bereits seit drei Jahren so praktiziert, und ich bin sehr stolz darauf. Die Initiativen gehen jetzt daran, dies auch vom Land Oberösterreich einzufordern. Auch im Land Oberösterreich überlegt man diese dreijährigen Förderverträge genau. Insgesamt ist dies aber ein altes Problem.

Herr Staatssekretär Wittmann, Sie sind gewissermaßen ein Mit-Leidtragender der Situation, daß wir zuwenig Geld haben. Auf Dauer wird es nicht funktionieren, daß so wenig Geld für die Kulturpolitik zur Verfügung steht. – Er (in Richtung des gerade am Rednerpult vorbeigehenden Abg. Dr. Khol) gibt es uns sicherlich nicht! – Die Frage lautet aber, wie man zu neuen Modellen gelangt, um mehr Geld für die freien Künste zu bekommen. Dazu ein Gedankenanstoß: Die Sportförderung erhält Geld aus Losen, aus Rubbellosen. Warum können wir nicht auch einmal zu überlegen beginnen, ob man nicht aus dem Losverkauf zusätzliche Gelder für die freien Künste auftreiben könnte. Insgesamt betrachtet ist es aber notwendig, daß das Kulturbudget erhöht wird.

Nun zur Auseinandersetzung, was die Beiträge der FPÖ betrifft. Tatsächlich ist es so, daß wir an dieser Stelle nicht über die Ästhetik der Kunst entscheiden. Meiner Meinung nach können wir das getrost den Experten überlassen. Entscheidend ist vielmehr, daß es möglich ist, daß in diesem Land Kultur und Kunst realisiert werden und daß immer mehr Menschen daran teilhaben können. Diese Entscheidung, diese Diskussion führen wir hier. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.)

Hätte die FPÖ etwas zu sagen, wäre dieses Land wahrscheinlich sehr öde. Die FPÖ hat aber nichts zu sagen, und die Kunst wird auch die FPÖ überleben. Da bin ich ganz sicher. (Ruf bei den Freiheitlichen: Die SPÖ aber auch!)

Zum Schluß kommend: Herr Staatssekretär, ich bin der Meinung, daß die Wiener Philharmoniker auch Frauen aufnehmen sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

12.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.33

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kunst- und Kulturpartei, die selbsternannte Kunst- und Kulturpartei SPÖ ist bei dieser Debatte doch ziemlich spärlich vertreten. Die bisher erfolgten Debattenbeiträge haben auch nicht wirklich dem Anspruch, der immer wieder erhoben wird, nämlich die führende Kunst- und Kulturpartei in diesem Lande zu sein, gerecht werden können, obwohl dieser Anspruch immer wieder erhoben wird, zuletzt von Staatssekretär Wittmann. Dieser hat gesagt, daß die SPÖ das Ressort in jedem Fall behalten muß. Cap hat dies auch immer wieder gesagt. Es war Rudas, der betont hat, wie wichtig dieses Ressort für die SPÖ ist.

Bereits 1994 hat die damalige Kulturstadträtin Ursula Pasterk verlauten lassen – das ist meiner Ansicht nach schon ein sehr entscheidender Satz, Herr Kollege Cap –, das Kulturressort sei das Ideologieressort der Sozialdemokratischen Partei. "Wir haben erkannt" – ich zitiere –, "daß dieses sehr wichtig sei, um gewisse Dinge transportieren zu können." – Das ist doch ein nettes Geständnis von Ursula Pasterk. Die SPÖ sieht die Kulturpolitik wohl als Transportmittel für ihre politischen Vorstellungen, das heißt für sozialistische Parteipolitik, und sozialistische Parteipolitik soll laut ihren Vorstellungen österreichische Kulturpolitik sein. Meine Damen und Herren von der SPÖ, so kann es ja wohl nicht gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Traurig, aber wahr ist, daß der österreichische Kunstbericht dies bestätigt und unterstreicht. Es ist tatsächlich so, daß sich die SPÖ überall dort, wo es um Entscheidungen geht, wie Gelder verteilt und Posten besetzt werden, im Endeffekt durchsetzt. Die SPÖ trägt die Verantwortung für alle Entscheidungen, wie Gelder verteilt und Posten besetzt werden, und bringt immer wieder die ihr nahestehenden Leute in die entsprechenden Positionen. Das ist ein Faktum.

Ich stehe nicht allein mit der Behauptung da, daß die Handschrift der SPÖ noch deutlicher würde, wenn der jährliche Kunstbericht auch angeben würde, welche Ansuchen mit welcher Begründung abgewiesen wurden. Selbst abgewiesene Künstler werden nicht über die Gründe der Abweisung informiert. Peter Weibel, der selbst fünf Jahre lang im Kunstbeirat war, machte in einem "Noema"-Interview – eine Kunstzeitschrift, die Kollege Cap sicherlich kennt – kein Hehl aus dieser Tatsache, wenn er sagt: Natürlich wurden wir in vielen Fällen von der Politik übergangen. – Er bringt dies also auch zum Ausdruck.

Die Konsequenz daraus ist – und darum geht es ja Ihnen von der SPÖ, ging es Pasterk, geht es Rudas, geht es Cap, und darum geht es allen, die sich mit Kunst- und Kulturpolitik seitens der SPÖ beschäftigen –, daß sich Kunst- und Kulturschaffende in unserem Lande immer häufiger dem sozialdemokratischen Förderungsdiktat unterwerfen. Sie müssen dies tun, weil sie von den Förderungen abhängig sind und nur mit Förderungen überleben können; deshalb unterwerfen sie sich diesem Förderungsdiktat.

Meine Damen und Herren! Es wird dies von der Bundeskuratorin Lioba Reddeker bestätigt, die laut Kulturjournalisten der verlängerte Arm der SPÖ-Kulturpolitik ist. Diese bringt die Problematik auf den Punkt – Herr Kollege Morak, dieses Zitat muß man sich auf der Zunge zergehen lassen –: "Die Künstler sind zu Komplizen der Kulturpolitik geworden, denn man hat gelernt, sich immer mit denen zu arrangieren, die die Geldvergabe überhaben."

Thomas Trenkler – er sitzt da oben (der Redner weist in Richtung Zuschauergalerie) –, Kulturredakteur des "Standard", meinte dazu: "Wen wundert es, daß sich die Künstler dem Vormund SPÖ-Kurator anpassen, ja anpassen müssen, quasi als Teil einer Überlebensstrategie."

Die gutdotierten roten Kuratoren erklären, was nach Meinung von Klima, Pasterk, Rudas und so weiter Kunst zu sein hat. Die Künstler richten sich schnell nach den Erfordernissen sozialdemokratischer Begriffsbestimmungen. Viele Künstler beklagen sich – und auch das wird von der schon zitierten Kuratorin Reddeker bestätigt –, daß es für ihre Projekte keine Förderung gegeben hat, weil sie sich geweigert haben, den Arm des Kurators in ein fertig konzipiertes Projekt eingreifen zu lassen, weil sie sich geweigert haben, den Kurator in die Kunst eingreifen zu lassen, die sie gemacht beziehungsweise projektiert haben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt.)

Meine Damen und Herren! Somit gibt es in Österreich in Wirklichkeit nur zwei Wege zur Förderung: Entweder man schneidet von Haus aus das Projekt auf die Vorgaben des Fördergebers SPÖ zu – oder man läßt sich das Projekt von sozialdemokratischen Fördergebern dann so zuschneidern, wie diese es gerne hätten. Dies sind die einzigen zwei Wege, wie man in Österreich ohne Probleme zur Kunstförderung kommt. Andere Wege gibt es nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich zitiere Ihnen einmal mehr einen SPÖ-Zeugen – Kollege Cap hat es jetzt vorgezogen, abzuhauen, weil ihm das unangenehm ist –, einen recht jungen, nämlich den Pressesprecher der Bundespartei, Heinz Lederer, den Sie sicherlich gut kennen. Dieser sagte: "Die Kulturpolitik muß dem Künstler nicht nur Chancen geben, sondern sie hat Künstler" – man höre, Herr Dr. Wittmann! – "in den Dienst des Staates zu nehmen." Die Kulturpolitik hat laut Ihrem Pressesprecher Lederer die Kunst "in den Dienst des Staates zu nehmen". (Abg. Mag. Stadler: Staatskünstler! – Abg. Haigermoser: Wo ist der Cap? War alles schon da! Nach dem Führer richten!)

Meine Damen und Herren! Das ist ein, wie ich meine, ehrlicher junger Sozialdemokrat, der Kollege Lederer, ein ehrlicher junger Mann, der mehr oder weniger sagt, das Subventionsmonopol schafft ein Kulturmonopol mit dem Produkt Staatskünstler, und das wollen wir haben; wir wollen im Endeffekt zum Produkt Staatskünstler kommen. – Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dies ist Ihnen auch gelungen: Sie haben Ihre Staatskünstler.

Meiner freiheitlichen Ansicht nach ist die Aufgabe der Kulturpolitik allerdings nicht, sich Staatskünstler zu halten, sondern dafür zu sorgen, daß die kulturelle Vielfalt aufrechterhalten wird, auch wenn sie nicht sozialistischen Vorstellungen entspricht. Weiters soll die Bevölkerung den Zugang zur Kunst ermöglicht bekommen, anstatt ihnen gewissermaßen zu verstehen zu geben: Ihr haltet die Pappen und zahlt schön brav, von Kunst versteht ihr ohnehin nichts!

Meine lieben Freunde! Das wäre eure Aufgabe, nämlich jenen, die zahlen, auch zu ermöglichen, diese Kultur zu verstehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Man sollte das Interesse an der Kunst fördern, aber nicht jedem sagen: Du hast ja keine Ahnung, du hast höchstens den röhrenden Hirsch an der Wand hängen, das ist deine Art von Kunstverständnis. – So geht ihr doch mit der Bevölkerung um, die das bezahlen muß, was ihr für die Staatskünstler ausgebt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir hätten dann vielleicht eine offenere Kulturdebatte, wenn man interessierte, kritische Kunstkonsumenten mittels einer vernünftigen Kunstpolitik heranbilden würde. Das würde ich mir wünschen von richtig verstandener Kunst- und Kulturpolitik seitens der SPÖ und allen denen ... (Abg. Morak: Die wollt ihr doch gar nicht!)

Herr Kollege Morak! Sie können dann auf das, was ich gesagt habe, eingehen, ich würde mich sehr darüber freuen. Ich bin überzeugt davon, wenn Sie ehrlich sind, werden Sie mir in vielen Bereichen zustimmen müssen. Ich hoffe darauf, daß Sie das tun.

Herr Kollege Morak! Die Ereignisse der letzten Monate haben einmal mehr gezeigt, daß zwischen dem, was uns als Kunst verkauft wird, und der breiten Öffentlichkeit eine große Kluft entstanden ist. Es sollte uns doch zu denken geben, Frau Kollegin Konrad, wenn die Leute scharenweise kommen und Initiativen unterschreiben wollen, die sich gegen Kolig und Co richten. Es ist nicht so, daß das niemanden interessiert hat, im Gegenteil: In Scharen sind sie gekommen und wollten ihren Unmut einmal zum Ausdruck bringen.

Ich habe gerade mit einigen Bediensteten gesprochen, die zugehört haben, als Kollege Stadler einiges vorgelesen hat, diese haben nur mehr den Kopf geschüttelt. Das ist noch die wahre Rückmeldung von gesundem Menschenempfinden. Die Menschen können mit dem, was Sie fördern, was Sie der Öffentlichkeit glauben machen wollen, daß es Kunst ist, absolut nichts anfangen. Sie sind verzweifelt darüber, daß Sie das noch mit dem Steuergeld, das diese Leute zu zahlen haben, finanzieren. Ich sage Ihnen: Tun Sie etwas, damit Sie diese Kluft verringern können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte, Herr Staatssekretär.

12.42

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kunstbericht 1996 folgt einer neuen Systematik. Ich glaube, daß diese Systematik für die Zukunft beibehalten werden soll. Es führt zu einer Vereinheitlichung der statistischen Angaben in ganz Österreich, und die Einheitlichkeit dieser Statistiken hat sich auch für die Bundesländer sehr bewährt. Ich glaube, daß es ein sehr detaillierter und umfassender Bericht geworden ist. Ich nehme sehr gerne zur Kenntnis, daß er in dieser Form goutiert wird – zumindest von den meisten der hier anwesenden Abgeordneten. (Abg. Dr. Schmidt: Formal!) – Nicht inhaltlich, aber formal, habe ich jetzt zur Kenntnis genommen.

Der Kunstbericht selbst ist eine Momentaufnahme der Kunstförderung in diesem Lande und zeigt eindeutig – wir wollten das auch transparent machen –, welche Schwerpunkte er setzt, welche Schwerpunkte wir in Zukunft zu setzen versuchen und wie wir diese Schwerpunkte zu unterstützen beziehungsweise zu gewichten versuchen.

Wir haben, um jetzt auf die Debattenbeiträge einzugehen, es uns zur Aufgabe gemacht, nicht nur den Bericht zu verändern, sondern auch in der Kunstverwaltung Akzente zu setzen. Wir haben mit dem größten Brocken unseres Budgets angefangen: Es waren dies die Bundestheater. Ich glaube, daß wir da eine Lösung gefunden haben, die zukunftsweisend ist, aber vor allem der Transparenz und Effizienz des Kosteneinsatzes eine bessere Möglichkeit gibt und die letztendlich auch unsere Kulturverwaltung auf die zukünftigen Aufgaben vorbereitet.

Genauso wollen wir das im Bereich der Kulturverwaltung machen. Ich glaube nur, daß es keine punktuelle Veränderung in einzelnen Teilgebieten geben kann, sondern wir wollen ein Weißbuch zur Kunst- und Kulturverwaltung herausbringen. Dieses Weißbuch soll nichts anderes sein als eine Diskussionsgrundlage für eine umfassende Debatte mit den Betroffenen, mit den Künstlern, mit den Kulturpolitikern oder Kulturverantwortlichen beziehungsweise auch mit den Kulturvermittlern, um dann letztendlich eine Entscheidung treffen zu können. Dabei soll es auch um die Kulturverwaltung an sich im eigenen Haus gehen, darum, ob andere Systeme besser geeignet sind, ob das System so beibehalten werden soll oder ob man zum Beispiel auch international gängige Systeme – auf Österreich adaptiert – in dem einen oder anderen Bereich übernehmen kann. Selbstverständlich werden wir uns das auch im Vergleich mit dem angeführten niederländischen System anschauen, weil das ein System ist, das sicherlich überlegenswert ist.

Wir sind diesbezüglich in allen Richtungen offen. Ich glaube, nur eines muß klar sein und immer wieder betont werden: Es ist nicht möglich, die Kunstverwaltung beziehungsweise den Staat aus der Förderung der Kunst herauszunehmen und diese letztendlich zu privatisieren. Das kann nicht unsere Aufgabe sein, und das muß auch festgehalten werden. (Abg. Dr. Schmidt: Das habe ich auch nicht verlangt!) Das ist in einem Land wie Österreich nicht möglich – aufgrund der Tradition nicht, aufgrund des Selbstverständnisses, wie wir mit Kunst umgehen, nicht und auch aufgrund des kleinen Marktgefüges, das Österreich hat, nicht. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Das heißt, wir werden diese Diskussion zu führen haben. Hinsichtlich des Weißbuches darf ich ganz kurz auf das Datum eingehen. Wir werden es am 22. September vorstellen, danach soll die Diskussion losgehen. Selbstverständlich wird sich auch der Kulturausschuß, so nehme ich an, mit diesem Ergebnis auseinandersetzen.

Zu den einzelnen Beiträgen, die hier gekommen sind. Es wurde vom Abgeordneten Krüger vorgeworfen, daß mein Vorgänger, Minister Scholten, die Künstler für die Politik instrumentalisiert hätte. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte all diese Debattenbeiträge der Freiheitlichen Partei zusammenfassen und folgendes dazu sagen: Ein Instrumentalisieren der Kunstpolitik findet derzeit auf freiheitlicher Seite statt, und zwar in einer Art und Weise, daß sie sich nicht sachlich mit dem Problem der Kunstförderung auseinandersetzt, sondern rein Emotionen zu wecken und letztendlich über ein gesundes Volksempfinden eine mehrheitliche Empörung und ein antikünstlerisches Klima zu entwickeln versucht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.)

Wir versuchen, die Künstler vor derartigen Angriffen in Schutz zu nehmen. Wir versuchen, das Klima, das wir in diesem Land haben, beizubehalten, das den Künstler fördert und vor derartigen Angriffen schützt. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, wenn man den Gedanken – ich habe eigentlich aufgrund der Stellungnahmen in den Zeitungen nichts anderes erwartet, im Vorfeld dieses Berichtes war es klar, welche Art und Weise der Kunstpolitik hier gemacht wird – des Abgeordneten Stadler zu Ende denkt, dann wird einem klar, daß das ein gesellschaftlicher Ansatz ist, der weit über die künstlerische Beurteilung einzelner Künstler hinausgeht. Denken wir doch einmal diesen Gedanken zu Ende! Ein Künstler, der sich im Rahmen des Gesetzes bewegt, der kein Gesetz überschreitet, sich somit wie jeder andere Staatsbürger nach den Spielregeln dieses Staates verhält, wird über die Medien, über die Emotionalisierung der Mehrheit verächtlich gemacht, und man versucht auch über die Administration, ihn an der Ausübung seiner Arbeit zu hindern, obwohl sich dieser Künstler im Rahmen der Gesetze bewegt. Das heißt, man kann diesem Künstler nur jenen Schutz zukommen lassen, der jedem Staatsbürger in diesem Lande zusteht. Wenn er sich im Rahmen der Gesetze bewegt, dann soll er auch die volle Unterstützung dieses Staates genießen, damit auch für ihn jene Gesetze Gültigkeit haben. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Würden wir den Gedanken weiter fortsetzen, dann würde man dazu kommen, daß man nicht nur Künstler, die sich im Rahmen des Gesetzes bewegen, sondern auch andere Mitglieder unserer Gesellschaft, die sich zwar im Rahmen des Gesetzes bewegen, aber durch Emotionen und durch das Herbeiführen von emotionalisierten Mehrheitsmeinungen verächtlich gemacht werden, vom Zugang zu unserer Gesellschaft ausschließt. Meine Damen und Herren! Diese Entwicklung muß im Keim erstickt werden. Es muß der Kunst jener Freiraum eingeräumt werden, der ihr zusteht, um als gesellschaftlicher Vorreiter auch weiterhin ohne Einschränkung tätig sein zu können. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Ich meine, wenn man sich mit Hilfe der Polizei unwiderleglich zu machen versucht, dann richtet sich das selbst. Das hat auch schon Karl Kraus gesagt. Das ist in dieser Form versucht worden. Ich glaube, diesen Versuchen sollte man mit aller Vehemenz entgegentreten. Ich glaube, daß es auch in Niederösterreich zu Recht so geschehen ist, wie es geschehen ist, und daß sich die demokratischen Kräfte, die sich zum Schutz der Kunst verbündet haben, durchgesetzt haben.

Zu den Vorwürfen hinsichtlich Schwerpunktsetzung Film und Architektur. Frau Abgeordnete Schmidt! Ich glaube schon, daß man die Schwerpunktsetzung Film an unseren Handlungen ganz klar ablesen kann. Zunächst einmal: Eine 20prozentige Steigerung des Filmbudgets – eine 20prozentige Steigerung! – ist eine überdurchschnittliche Steigerung eines Budgets an sich. Es sind nicht 0,1 Prozent unserer Förderungsausgaben, sondern rund 10 Prozent, die wir in unserem Budget zu vertreten haben. (Abg. Dr. Schmidt: Ich rede vom Kulturbudget und nicht vom Gesamtbudget!) Ich spreche vom frei verfügbaren Kunstbudget des Förderungsbudgets, und davon nimmt die Filmförderung 10 Prozent ein.

Ich muß aber dazusagen, daß es noch weitere Förderungen gibt. Es sind noch 65 Millionen Schilling für die Abteilung Film hinzuzurechnen, sodaß es insgesamt 185 Millionen Schilling sind. Dazu kommt noch eine Aktivität, die in den Jahren 1998 und 1999 vorgesehen ist, im Rahmen derer wir weitere 100 Millionen Schilling für den Film freimachen. Dieser Betrag kommt 1998 und 1999 zusätzlich zu den schon erwähnten Förderungen zur Auszahlung. Das heißt, jener Betrag, der 1998 zur Auszahlung kommt, wird dann – so ist es mit dem ORF vereinbart – vom ORF noch einmal nach seinen Möglichkeiten verdoppelt und in die Filmproduktion gesteckt.

Ich glaube, daß das ein Ansatz ist, der sehr weit über das normal mögliche Ausmaß innerhalb unseres Budgets hinausgeht und ganz eindeutig demonstriert, daß Aktivitäten und Akzente gesetzt werden sollen.

Weiters haben Sie gefragt, was wir gegen die Entstehung von Multiplex-Centern, die für die Einzelkinos existenzbedrohend sind, machen. Wir haben eine Kinoförderung. Wir zahlen 5 Millionen Schilling pro Jahr für die Kinoförderung. Wir haben das Filmförderungsgesetz novelliert, wir versuchen, einen Anreiz zu bieten, mittels Referenzförderung erfolgreiche Filme oder Filmemacher mehr zu fördern als nicht erfolgreiche Filmemacher. Das heißt, in einem Gesamtpaket gesehen kann man diesen Schwerpunkt Film sehr wohl auch an den Handlungen ableiten. Das ist ein ganz gravierender Akzent, der da gesetzt wird.

Nun zum Vorwurf hinsichtlich der Architektur: Die Möglichkeiten unsererseits, in Architekturpolitik einzugreifen, sind natürlich aufgrund unserer verfassungsmäßigen Gegebenheiten sehr schwierig. Es geht im wesentlich darum, einmal eine Bewußtseinsbildung einzuleiten, damit Architektur im öffentlichen Bau auch stattfindet. Das heißt, die Auftraggeber müssen dazu herangezogen werden, sich mit moderner Architektur auseinanderzusetzen, und unsere Aufgabe kann es nur sein, meinungsbildende Foren, meinungsbildende Organisationen zu unterstützen beziehungsweise Plattformen zu bilden, mit denen man dann versucht, diese Verantwortlichen dann letztendlich einzubinden.

Die Städteplanung an sich – das wissen wir alle – und die Bauangelegenheiten sind Sache der Kommunen, beziehungsweise die Raumordnungspläne sind Sache der Länder. Es ist natürlich auch unser Anliegen, die Verantwortlichen in diesen Raumplanungsabteilungen, in den Bauabteilungen durch unsere Plattformen beziehungsweise durch den Austausch von Informationen in die Entscheidungsfindung einzubinden und Architektur als Wert zu etablieren.

Wir sind aber nicht Auftraggeber, und das ist das Problem, das sich dabei stellt. Die für Kunst und Kultur zuständige Sektion tritt nicht als Auftraggeber in Erscheinung, sondern lediglich als Informationsplattform beziehungsweise als Stelle, bei der Diskussionsbeiträge ausgetauscht werden können.

Die anderen Debattenbeiträge darf ich kurz zusammenfassen. Frau Abgeordnete Brinek hat das Thema Kunstvermittlung angeschnitten. Ich glaube, wenn man von den zukünftigen Schwerpunkten der Kunstpolitik ausgeht, dann muß man sagen, daß die Entstehung eines Kunstwerkes in drei Abschnitte gegliedert ist: Der erste ist das produktive Schaffen, der zweite die Vermittlung, also die Möglichkeit, das Kunstwerk an das Publikum heranzutragen, und der dritte, einen Markt dafür zu finden. Unser Schwerpunkt liegt darin, sich in den ersten beiden Phasen festzusetzen, und wir versuchen sehr wohl, Akzente in der Vermittlung zu setzen.

Ich glaube, daß moderne Kunst ohne Vermittlung überhaupt nicht mehr auskommen wird. Die Zugänge zur modernen Kunst sind sehr schwierig – da gebe ich Ihnen völlig recht –, und diese zu vermitteln wird einer unserer Schwerpunkte sein. Ich glaube, daß schon in Ansätzen sehr gute Aktivitäten vorhanden sind. Ich darf nur an das Kindermuseum, das auch von unserer Seite unterstützt wird, verweisen. Das ist ein Ansatz, der tatsächlich herzeigbar ist und weiterhin unterstützt werden soll.

Frau Abgeordnete Petrovic ist auf das Verhältnis der Kunstschaffenden zur Politik eingegangen. Ich glaube und versuche es, hier noch einmal zu sagen, wichtig ist, daß dieses Klima, den Künstler vor ungerechtfertigten Angriffen zu schützen, erhalten bleibt. Ich meine, daß wir alles dazu beitragen müssen, daß die Möglichkeiten der Kunst in keiner Weise eingeschränkt werden, daß die Möglichkeit, Kunst in allen ihren Erscheinungsformen stattfinden zu lassen, ein staatliches Anliegen sein muß – nicht nur ein staatliches Anliegen, sondern auch ein gesellschaftliches Anliegen sein muß, um eine möglichst breite Ablehnung ungerechtfertigter Angriffe gegen einzelne Künstler, die man selbst beurteilen kann, wie man will, zu erreichen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wieso?) Gegen diese Angriffe muß man die Kunst und den Künstler in Schutz nehmen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wieso? Warum?)

Sie können gerne Ihre persönliche Meinung zu einem Kunstwerk haben, aber letztendlich muß man die Künstler vor Angriffen in Schutz nehmen, solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen. Warum verfolgen Sie niemand anderen, der sich im Rahmen der Gesetze bewegt, oder wollen Sie das auch? (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Steht er unter einem Quargelsturz?) Ich stelle diese Frage in den Raum: Machen Sie bei den Künstlern halt, oder geht das über den Bereich der Künstler hinaus? Das ist meine Frage, die ich mir im Zusammenhang mit diesen Argumenten zu stellen habe. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum schützen Sie mich nicht vor Angriffen?)

Ich glaube auch, daß es wichtig ist, eindeutig klarzustellen, daß wir sehr wohl die soziale Lage der Künstler gewissenhaft analysieren. Wir haben vier Studien zur Erkundung der sozialen Lage der Schriftsteller, der bildenden Künstler, der Filmschaffenden und der Musiker und eine Evaluierung der Tätigkeiten der Kulturinitiativen in Auftrag gegeben. Das heißt, wir sind dabei, diese Analyse vorzunehmen, diese wird dann in unserem Entwurf des Künstlersozialversicherungsgesetzes Eingang finden. Wir sind dabei, den Ist-Zustand zu analysieren, um dann letztendlich den Künstlern eine leistbare und auch herzeigbare Künstlersozialversicherung anbieten zu können.

Die Frage der Mehrjährigkeit der Verträge ist eine grundsätzliche Frage. Im wesentlichen gibt es in manchen Bereichen mehrjährige Verträge. Ich weiß, daß dies natürlich auszudehnen ist, aber man muß trotzdem sicherstellen, daß mehrjährige Verträge nicht dazu führen, daß die Innovationskraft beziehungsweise das Bemühen einzelner Institutionen dann nachläßt, weil man sich sowieso auf den perpetuierten Geldfluß verläßt. Ich glaube, daß man sich ein diesbezügliches Mischsystem überlegen sollte. Das sollte unser Ziel sein.

Zur Frage der Frau Abgeordneten Ablinger kann ich sagen, der Zugang von Frauen zu den Philharmonikern ist gewährleistet. Die Aufnahme von Frauen hängt natürlich auch davon ab, daß diese Damen über die entsprechende Qualität der künstlerischen Leistung verfügen. (Abg. Steibl: Die Frauen leisten das gleiche wie die Männer, bitte!) Aber ich bin überzeugt davon, daß die Philharmoniker nicht auf die Hälfte des kreativen Potentials unserer Bevölkerung verzichten können, das ist eine Frage, die sich von selbst regeln wird. Ich gehe davon aus, daß man in einiger Zeit mit einigen Frauen bei den Philharmonikern rechnen kann. Dieses Problem löst sich nun von allein, die Möglichkeiten sind gegeben. Ich hoffe, daß es nur mehr kurze Zeit dauern wird und werde all meinen Einfluß darauf verwenden, damit es auch tatsächlich stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Vorwurf, daß abgewiesene Förderungsanträge nicht begründet werden, möchte ich folgendes sagen und damit meine Ausführungen auch schließen: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Ich glaube, daß Künstler, die abgewiesen werden, nicht sehr glücklich wären mit der Begründung, die man ihnen in die Hand gibt, wenn in dieser vielleicht zu lesen steht, daß die Qualität des Kunstwerkes nicht entspricht, und diese Begründung auch andere in die Hand bekommen. Man würde dem Künstler, so glaube ich, mit einer derartigen Begründung mehr schaden, als wenn man ihm sagt, dieses Mal konnte Ihr Antrag nicht positiv erledigt werden, Sie haben aber das nächste Mal selbstverständlich die Chance, mit einem neuen Projekt in die Kunstförderung zu kommen.

Abschließend möchte ich nochmals an alle Parteien in diesem Hause appellieren, die Kunst nicht zu emotionalisieren und den Künstlern jenen Freiraum einzuräumen, der ihnen selbstverständlich in jeder Gesellschaft gewährt werden sollte. Alleine die Freiheit der Gesellschaft ist daran abzulesen, wie man mit den Künstlern umgeht, und diese Freiheit, die wir uns mit unseren Spielregeln gegeben haben, sollte man nicht über Diskussionen, die emotionalisieren, die verächtlich machen und die herabsetzen, aufs Spiel setzen. – Ich glaube, ein Bekenntnis für die österreichischen Künstler ist auch ein Bekenntnis zur Freiheit dieser Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.01

Präsident MMag. Dr. Will Brauender: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.01

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Staatssekretär hat soeben in seinem Debattenbeitrag die unrichtige Behauptung aufgestellt, Nitsch habe sich bei seinem widerlichen Sechs-Tage-Schlachtungsspiel an die Gesetze gehalten und sich im Rahmen der Gesetze bewegt. – Dies ist unrichtig.

Richtig ist vielmehr, daß Nitsch zunächst in der ersten Phase seines Sechs-Tage-Spiels gegen landesrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Aus dieser Patsche hat ihm dann der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich höchstpersönlich geholfen, wie sich Nitsch ja bedankt hat. Zweitens hat Nitsch auch gegen das Strafgesetzbuch verstoßen, gegen § 188 StGB "Herabwürdigung religiöser Lehrer", was insbesondere aus Foregger-Serini, einem Kommentar, der Ihnen als Rechtsanwalt bekannt sein müßte, deutlich hervorgeht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Schmidt: Das ist eine rechtliche Würdigung, aber keine tatsächliche Berichtigung!)

13.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der Herr Staatssekretär hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

13.02

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Zunächst einmal ist das Zitat falsch, das Sie hier angeführt haben, und zweitens gibt es keine strafrechtliche Verurteilung, die das bestätigen würde. Das ist eine Meinung von Ihnen und kann daher nicht als Grundlage einer Berichtigung gewertet werden. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

13.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.02

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Otto Mühl, Hermann Nitsch, Cornelius Kolig, um nur drei Beispiele zu nennen – das sind die Produkte Ihrer rot-schwarzen Kulturpolitik. Sie haben diese Leute, die sich selbst gerne als Künstler bezeichnen, jahrzehntelang subventioniert und mit Steuermitteln gefördert. Was Sie in der heutigen Debatte trifft und auch stört – das beweisen auch Ihre Reaktionen –, ist, daß wir Freiheitlichen die Öffentlichkeit darüber aufklären und auch Ihren Wählerinnen und Wählern sagen, daß Sie zum Teil Perversitäten finanzieren und daß Sie auch Gewalt gegen Kinder propagieren lassen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das widerliche Stück "Babyficker" und viele andere abstoßende Machwerke, die meiner Ansicht nach auch kriminell sind. Sie vertreten entweder aus innerer Überzeugung oder aber aus einem tagespolitischen Opportunismus heraus einen sehr gefährlichen Laisser-faire-Standpunkt in Ihrer Kunst- und Kulturpolitik. Wir Freiheitlichen dagegen sagen mit Norbert Leser, der einigen in der Sozialdemokratie noch etwas sagen wird, und der breiten Mehrheit der österreichischen Bevölkerung: Die Kunst soll frei sein, aber nicht bis zur Brandstiftung.

Meine Damen und Herren! Das, was ich Ihnen heute mitgebracht habe, ist für einen Teil unserer Gesellschaft, einen großen Teil unserer Gesellschaft, sicher geistige Brandstiftung. Ewald Stadler hat Ihnen das Bild schon vor den Sommerferien gezeigt. (Abg. Dr. Schmidt: Sie sollten wissen, was geistige Brandstiftung ist!) Es ist Mutter Teresa, eine Ordensfrau, die sich verdient gemacht hat und die hier – das möchte ich vor allem den christdemokratischen Vertretern der ÖVP zeigen – in einer widerlichen Art und Weise verhöhnt wird. (Abg. Dr. Schmidt: Wie recht Sie doch haben! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Bevor Sie sich über einen Freiheitlichen so aufregen, nehmen Sie lieber eine geistige Anregung des siegreichen Edmund Stoiber aus Bayern an, dann werden Sie vielleicht auch endlich erfolgreich sein und nicht von einer Wahlschlappe zur nächsten taumeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie nun der Freiheitlichen Partei vorwerfen, wir redeten einer neuen Zensur das Wort, dann ist das einfach lächerlich. Es ist absurd, einer Bewegung, die sich zu Recht auf die historischen Traditionen des Jahres 1848 berufen kann, einfach Zensurabsichten zu unterstellen, wie das der Herr Staatssekretär tut. Unsere politischen Vorgänger waren es nämlich, die sich schon vor 150 Jahren für die Meinungs- und für die Pressefreiheit und auch für die Konstitution, also die Verfassung, einen Verfassungsstaat und die Bürgerrechte sowie gegen die Zensur und gegen das Metternichsche Zwangssystem eingesetzt haben. Dieselben Leute waren es auch, die für ihre Freiheitsideale auf den Barrikaden von Wien gekämpft haben. Aber dieser Kampf wurde damals nicht für einen anarchischen Freiheitsbegriff geführt, sondern für eine Freiheit in Verantwortung, die auch wir Freiheitlichen heute anstreben.

Meine Damen und Herren! Mühl, Nitsch, Kolig – das sind Namen, das sind Synonyme, die für die Auswüchse einer von Ihnen zu verantwortenden Kulturpolitik stehen. Der skandalöse Mühl-Auftritt im Burgtheater hat österreichweit für Emotionen gesorgt – das ist schon angesprochen worden. Von Hermann Nitsch ist bekannt, daß er gerngesehener Gast vor allem bei den Kanzlerfesten sowohl von Kanzler Vranitzky als auch von Bundeskanzler Klima war und ist. (Abg. Dr. Schmidt: Sie wollen offenbar die Menschen ächten, oder was wollen Sie?)

Frau Dr. Schmidt! Ich frage mich aber – ich komme gleich dazu, und ich werde Ihnen etwas vorlesen –, ob den SPÖ-Vertretern und auch den Vertretern Ihrer Partei nicht schlecht wird, wenn Sie zum Beispiel von Herrn Nitsch etwas lesen. Ich zitiere Ihnen jetzt aus dem Orgien-Mysterien Theater. Ich will Ihnen das nicht ersparen. Sie sollen hören, was dieser Mann geschrieben hat, und Sie sollen beurteilen, ob das Freiheit der Kunst ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Schmidt: Was ist Ihre Alternative?)

Meine Damen und Herren! Ich zitiere Hermann Nitsch, "Die Eroberung von Jerusalem", Seite 160 (Abg. Dr. Schmidt: Was ist Ihre Alternative? Ist es die Bücherverbrennung, die Sie wollen?):

"Die nackte Leiche eines neunjährigen Mädchens wird auf eine Kirchenbank gelegt; das Geschlechtsteil des Mädchens wird aufgeklafft; mit einer Silbersonde wird mehrmals tief hineingestochen; das Geschlechtsteil wird mit einem Skalpell zerfleischt; Zuckerwasser wird auf die blutige Wunde geschüttet; Nummer O saugt und schleckt das gezuckerte Blut von dem zerfleischten Geschlechtsteil." – So geht das seitenlang weiter. (Abg. Dr. Stippel: Diese Rede ist ein Trauerspiel!)

Das ist die Politik, die Sie unterstützen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Zitat – ich könnte noch seitenlang weiter zitieren – will ich Ihnen nicht ersparen. Denn das, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ist die Freiheit der Kunst, die Sie verteidigen. Ich meine, daß das mit Freiheit der Kunst absolut nichts zu tun hat, das ist ein widerlicher Aufruf, Frau Dr. Schmidt, zur Schändung von Leichen, zur Schändung von Frauenleichen und von Kinderleichen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Schmidt: Sie wollen es halt nur verbieten! Was wollen Sie denn? – Abg. Mag. Stadler: Frau Oberlehrer! Wenn Sie es noch nicht wissen: Es ist bereits verboten!)

Das ist abartig, und ich meine, daß jemand, der so etwas niederschreibt, der so etwas denkt, eigentlich ein Fall für den Psychiater, aber auch für den Staatsanwalt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Morak: Was ist das für ein Fall, der das immer wieder vorliest?)

Herr Morak! Ich verstehe Sie schon, daß Sie mir jetzt sozusagen den Schwarzen Peter zuschieben wollen, aber das sind Ferkeleien. Eigentlich ist "Ferkelei" eine Sauerei gegenüber dem Ferkel. (Abg. Morak: Lesen Sie es gerne? – Sie lesen es gerne!) – Nein, ich lese es Ihnen vor, damit Sie sich vor Ihrer Verantwortung nicht drücken können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was nun den Kunstbericht 1996 betrifft, fällt mir nur noch die Kritik eines unabhängigen Journalisten ein. Hans Haider ... (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ich verstehe Ihre Emotionen, weil wir aufdecken, was Sie zudecken wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hans Haider von der Zeitung "Die Presse" hat schon im April ... (Abg. Wabl: Was würden Sie machen, wenn Sie Kulturminister wären? – Abg. Dr. Graf: Diese Kunst nicht fördern!) – Solche Dinge würde ich nicht fördern, nicht über Jahrzehnte hinweg fördern – um Ihre Frage zu beantworten.

Von 700 Millionen Schilling gingen nämlich drei Fünftel – so schreibt ein unabhängiger Journalist – an SPÖ-dominierte Vereine. Das hat schon ein Kollege meiner Fraktion erwähnt. (Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen, den Grünen und der ÖVP.) Ein Fünftel der Subventionen ging an ÖVP-dominierte Firmen und Genossenschaften, und nur ein Fünftel, meine Damen und Herren, kam nichtparteipolitisch beeinflußten Künstlern oder Kunstvereinigungen zugute.

Im Mittelalter, sehr geehrte Damen und Herren, haben sich die Kaiser und Fürsten Hofnarren und Spielleute gehalten. Ich habe den Eindruck, daß sich die Regierungsparteien analog dazu den einen oder anderen Staatskünstler halten. Besonders augenfällig wird dieses Abhängigkeitsverhältnis in Wahlzeiten, in denen nämlich sogenannte Prominentenkomitees für den jeweiligen Kandidaten der einen oder anderen Regierungspartei Propaganda machen und werben.

Was wir Freiheitlichen wollen, ist die Freiheit der Künstler von parteipolitischen Zwängen. Wir wollen aber auch Künstler, die sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung bewußt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.11

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der linke, vermeintlich fortschrittliche Kulturgarten, reichlich mit Mist gedüngt, treibt ein neues Unkraut. "Sandler-Event" heißt diese neue Pflanze, besser Pflanzerei. Das Beet ist der diesjährige "steirische herbst", der fragwürdige Gärtner der linksradikale Anarcho-Regisseur Christoph Schlingensief. Graz wird das größte Sandlertreffen sehen, das es je gab, behauptet der selbsternannte Künstler und setzt nach: Das kann Graz durchaus als Kriegserklärung auffassen. (Abg. Mag. Stadler: Oha!) – Schlingensief, 5. August 1998.

Das Referenzwerk, das dem deutschen Anarcho-Regisseur, wie er sich selbst gerne nennt, die Einladung zum "steirischen herbst" gebracht hat, sind seine aufsehenerregenden Plakate vom Vorjahr – mit dem Aufruf "Tötet Kohl!" oder "Übe Straftaten, du wirst schon wissen, wie das geht!" (Abg. Dr. Cap: Hand aus der Hose! Hand aus der Hose!)

Herr Cap! Daß Sie hier intervenieren, ist mir klar. Ihre Fraktion hat die Kulturagenden in der Steiermark übernommen. Dieses Treffen ist die Ausgeburt dessen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir Freiheitlichen haben nichts dagegen, wenn sich Bettler, Sandler oder Personen, die sich mit diesem Begriff angesprochen fühlen, irgendwo treffen. Aber es zeugt nicht von Sensibilität, daß man Graz auswählt. (Abg. Dr. Cap: Sie haben schon wieder die Hand in der Hose gehabt!)

Wenn sich diese Leute dort treffen, lieber Herr Cap, um etwa über die neue Armut, über den von Ihrer Fraktion mitveranlaßten Sozialabbau zu klagen oder andere Dinge zu proklamieren, so sei ihnen das unbenommen. Das aber als Kunst zu verkaufen, mit Steuergeldern zu fördern und das als das Mega-Event in der Steiermark auszurufen, dagegen sprechen sich die Freiheitlichen in der Stadt Graz, im Land Steiermark und auch unsere Parlamentsfraktion hier aus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Cap! Wenn Sie einen anderen Kunstbegriff haben als den unsrigen, leben Sie damit! Auch wir leben damit. Wir lassen allerdings auch vom Herrn Staatssekretär nicht in polarisierender Form – das haben Sie mit Ihrem letzten Redebeitrag getan – einen Keil zwischen die Künstler Österreichs und die Freiheitliche Partei treiben. Wir fordern Sie auf, Herr Staatssekretär: Beenden Sie die Hatz auf die Freiheitlichen in diesem Zusammenhang! (Abg. Dr. Cap: Was macht Ihre Hand in der Hose?)

Wir haben ein Kunstverständnis, und ich selbst gestatte mir als Repräsentant desselben zu gelten, Herr Cap, auch wenn Sie noch so verächtlich herauslachen. Ich mache seit 26 Jahren die Geschäftsführung der musikalischen Jugend in der Steiermark. Ich habe mehr als 300 Konzerte – mein musikalischer Kunstbegriff ist ein sehr breiter – für die steirische Jugend veranstaltet. Ich lasse mir nicht von Ihnen, aber auch nicht von Ihnen, Herr Staatssekretär, meinen diesbezüglichen Begriff beeinflussen und verächtlich machen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist noch Herr Abgeordneter Morak. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.15

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die FPÖ diskutiert offensichtlich ihr wichtigstes Thema der Saison, und ihr Obmann glänzt durch Abwesenheit. Das nur zur Wertigkeit einer Kulturdiskussion innerhalb der FPÖ. (Abg. Scheibner: Wo ist Herr Khol? – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wo ist denn Ihrer? Wo ist denn Ihrer?) Es ist auch klar, wenn man die Argumente gegeneinander abwägt, daß Ihr Obmann durch Flucht glänzt. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Jetzt lassen Sie mich ein paar Worte zum Kunstbericht sagen, bevor wir dann ans Eingemachte gehen. Es ist natürlich ein wenig tragisch bis ein bißchen lächerlich, daß wir im September 1998 über den Kunstbericht aus dem Jahre 1996 reden. Diese Aussage ist heute schon oft gefallen, man kann es nur nicht oft genug sagen. Das kann so nicht weitergehen, wenn wir uns halbwegs ernst nehmen.

Ich möchte den Staatssekretär daran erinnern, daß wir auch im Ausschuß besprochen haben, daß der Kunstbericht zeitgemäß erscheinen sollte, sodaß wir dann über Themen diskutieren können, die wir noch irgendwo in greifbarer Erinnerung haben und nicht zwei Jahre vorher aktuell waren. Ich erinnere hier nur an die Mitarbeiter des IKM, die gesagt haben, sie hätten ein EDV-Programm erarbeitet, mit dem es durchaus möglich wäre, die Daten zeitgemäß, also im Jänner, zu erstellen, sodaß man einige Wochen später in Druck gehen könnte. Es wäre meiner Meinung nach sehr erstrebenswert, hier zu einer Lösung zu kommen.

Lassen Sie mich ein paar positive Sachen zum Kunstbericht sagen. Es ist der Überblick, es ist der Vergleich, es ist die Vergleichsmöglichkeit, die wir haben, und die Übersichtlichkeit, und zwar zurück bis zum Jahre 1990. (Klubobmann Dr. Khol betritt den Sitzungssaal. – Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.) Aus den Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden werden auch Relationen ersichtlich, zum Beispiel daß wir heute nur über 7 Prozent der Kulturförderung in diesem Land reden. Über 7 Prozent! – Und deswegen diese Aufregung, meine Damen und Herren? Das ist doch nicht notwendig.

Die Systematik der Datenerfassung ist von Likus gemacht worden. Dieses Schema wurde bisher von sechs Bundesländern aufgegriffen, was die Vergleichbarkeit der Kulturförderung durchaus positiv beeinflußt und auch weiterhin besser ermöglicht.

Ergänzungsbedürftig scheint mir das Thema Kuratoren zu sein. Ich hätte ganz gerne, daß in einigen Sätzen Berichte über die Kuratoren verfaßt werden, in denen steht, was diese gemacht haben. Das schon allein deswegen, weil das Modell sehr unterschiedlich ist im Vergleich zur Kunstförderung in diesem Land schlechthin. Es werden Kuratoren mit durchaus eigenen Ansichten und Zugängen zur Kunstförderung installiert. Man sollte ihnen auch die Chance geben, im Kunstbericht zu sagen, was sie wollen, oder es soll dem Kulturausschuß mitgeteilt werden, was da überhaupt abläuft.

Spannend wäre es, dieses Kuratorenmodell einmal zu evaluieren; auf das Ergebnis wäre ich gespannt: Was sind die Overheads? Was sind die Produktionskosten? Wie verhält sich das zur traditionellen Kulturverwaltung? Wieviel Kunstgeld gibt es? – Das ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiges Thema in diesem Land, vor allem angesichts dessen, daß die Budgets nicht höher werden. Wieviel Kunstgeld erreicht tatsächlich die Künstler in diesem Land, und wieviel bleibt in der Verwaltung hängen? – Es gibt durchaus Annahmen, daß diese Quote bei 90 Prozent liegt. Das ist änderungsbedürftig. Ich glaube, darauf sollte der Herr Staatssekretär irgendwann einmal eine Antwort geben.

Zweitens meine ich, daß eine Kostenaufstellung der Abteilung nach regionaler Verteilung der Kunstmittel nicht uninteressant wäre. Mir ist noch aus dem Kunstbericht des Jahres 1995 im Ohr, daß ein Ost-West-Gefälle eingeklagt wurde.

Als dritten Punkt möchte ich fragen: Was passiert mit den Studien, die Sie in Auftrag geben? – Ich habe mich jetzt schon relativ lange bemüht, die Studie zur sozialen Lage der Autorinnen und Autoren zu bekommen. Ich habe sie bis heute nicht bekommen. Es gibt – Sie haben es schon angesprochen – eine Evaluierungsstudie österreichischer Kulturinitiativen um 700 000 S, zum Wertbegriff Kunst um 1,5 Millionen Schilling, die Untersuchung zur sozialen und ökonomischen Lage der Autorinnen und Autoren – auch in etwa um 1,3 Millionen Schilling. Ich glaube, es wäre – Vorschlag zur Güte – für den Kulturausschuß interessant, wenn wir das zur Verfügung gestellt bekämen.

Zum Thema Film: Das ist ein ewiges Thema von mir. Es ist natürlich nicht damit getan, zu sagen, wir stellen dem österreichischen Film 100 Millionen Schilling mehr zur Verfügung – ein, zwei Jahre als Überbrückungshilfe. Es ist deswegen ein ewiges Thema, weil wir uns aus einer Wirtschaft in eine andere Wirtschaft begeben, nämlich auf der einen Seite Film verordnen und auf der anderen Seite Film nicht ermöglichen. Wir haben in Österreich keine Drehbuchautoren, die auf internationalem Niveau stehen. Es gibt keine Infrastruktur auf internationalem Niveau. Es steht natürlich auch kein Geld zur Verfügung, weil es keine Abschreibungsmodelle gibt, und ich glaube, wir haben auch überhaupt keine Produzenten, wie das an der letzten Lehner-Produktion abzulesen war. Ich meine, Geld ist das eine, Strukturen in diesem Bereich aufzubauen ist das andere. (Beifall bei der ÖVP.)

Und jetzt möchte ich zu dem Thema kommen, das mich gestern schon verfolgt hat und das natürlich wieder einmal die Freiheitlichen – nicht ganz aus Uneigennutz, das muß man schon dazusagen – angezogen haben. Ich möchte dazu ein paar Worte sagen.

Natürlich gibt es Menschen, die mit der Kulturproduktion – und das meine ich jetzt durchaus quer durch alle Parteien – Probleme haben, die nicht verstehen, was hier läuft, die nicht ganz genau wissen, was damit gemeint ist. Ich möchte mich in die Lage dieser Menschen versetzen, und ich tue dies, indem ich sage, daß ich auch Probleme habe – etwa mit der Quantenphysik oder mit einem Teilchenbeschleuniger. Aber ich nehme mir hier nicht heraus, zu sagen: Das sind alles Verbrecher, das sind alles Abzocker, das sind alles Idioten. Das muß einmal klar sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Also ich glaube, wir sollten hier zu einer Haltung kommen – und ich schließe da die Freiheitlichen nicht aus –, wo wir uns fragen: Wie können wir das tolerieren? Wie können wir mit dem Unverständnis umgehen? Auffällig wird das nur (Abg. Scheibner: Erklären Sie mir das!), auffällig wird das nur ... (Abg. Scheibner: Ich würde es gerne verstehen, Herr Morak! Erklären Sie mir das!) Hören Sie mir zu, dann werden Sie es verstehen! Auffällig wird das nur, wenn wir am Ende dieses Jahrhunderts noch immer mit Menschen und Politikern zu tun haben – vor allem Politikern –, die ihren Freud nicht gelesen haben, die ihren Kafka nicht gelesen haben, die ihren Schnitzler nicht gelesen haben, die die Abgründe der Seele leugnen – denn etwas anderes kann es ja nicht sein, warum Sie das dauernd hier vorlesen – und die wider besseres Wissen aus politischem Kalkül die Steinzeit hier in das 21. Jahrhundert verlagern!! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich kann es Ihnen auch ruhig sagen: die Steinzeit ins 21. Jahrhundert verlagern.

Ich möchte jene Leute, die möglicherweise ein Problem mit moderner Kunst haben, an einen Rockmusiker erinnern, der Frank Zappa hieß und einmal gesagt hat: Es ist kein Ton auf meiner Gitarre so grauslich, um damit Krieg, Tod, Sterben und Leid darstellen zu können.

In einer Zeit, in der wir im TV ununterbrochen mit Bildern von realem Geschehen konfrontiert werden, die so grauslich sind, daß sie Menschen in Wahrheit undenkbar sind (Abg. Jung: Umso mehr brauchen wir Gutes, Positives!), plädieren Sie für das ewige Biedermeier (Abg. Jung: Nein, aber es ist besser als der Kolig!): Biedermeier in den Theatern, in der bildenden Kunst, im Film, in den Büchern, überall. Also ich muß Ihnen sagen, wenn es nach Ihnen ginge, hätte es ja nicht einmal Grimms Märchen gegeben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Kunst ist: Als ob! Das haben Ihnen die Zeitungen geschrieben, das haben Ihnen die Leute gesagt: Als ob! Das ist eine Fiktion. Und eine Fiktion ist nichts Unanständiges, auch wenn Sie anderer Meinung sind. (Abg. Dr. Fekter: Das ist etwas, was sie nicht verstehen! – Abg. Mag. Stadler: Im Parlament spielt er derzeit das Rumpelstilzchen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Angesichts des Genozids an den deutschen und österreichischen Juden das Wort "Tat" zu schreiben und über den Lokus "Ort" zu schreiben, ist angesichts dieser Tat ein verzweifelter Euphemismus. Der Begriff "Fäkalkunst", den Sie immer verwenden, greift hier viel zu kurz. Das hätten Sie gerne. Das ist weniger als Tatsachenbeschreibung, weil hier die Kunst ausläßt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Schauen Sie, Herr Stadler! Wir haben Sie heute kennengelernt: nicht als Stadler, sondern als St. Adler. Lieber St. Adler! Oder soll ich Herr Ajatollah zu Ihnen sagen? Denn Sie wollen verbieten, Sie wollen sie umbringen, Sie wollen sie ausschalten, Sie wollen sie vernichten. Das ist es, was Sie wollen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Und wenn der St. Adler seine ... (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Schauen Sie, der Herr Mühl ist für seine Verbrechen ... (Abg. Mag. Stadler: Wenn Sie das Rumpelstilzchen aufführen, dann müssen Sie mit dem Fuß aufstampfen!) Entschuldigen Sie. (Abg. Mag. Stadler: Dann erst sind Sie perfekt!) Das überlasse ich Ihnen. Sie können es ganz gut, Herr Stadler. Sie können es ganz gut. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Nein, nein, nein! Entschuldigung! Die Rolle des Brunnenvergifters in diesem Haus ist vergeben, und den machen Sie. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Herr Mühl ist für seine Verbrechen gesessen, sechs Jahre lang, und ich kann Ihnen nur sagen ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Zu wenig!) Dann sollten wir ein anderes Gesetz beschließen. Es ist übrigens schon beschlossen worden. Er ist sechs Jahre gesessen, und im Rahmen der Gesetze war das fast eine Höchststrafe. Aber ich muß Ihnen sagen: Derjenige, der für die Vergewaltigung der Frauen dort, für die Vergewaltigung der Kinder dort, für die Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses, für die Bestechung der Zeugen die Werbung gemacht hat, das ist Ihr Europa-Abgeordneter. Und da beißt die Maus keinen Faden ab. (Beifall bei der ÖVP.) Da beißt die Maus keinen Faden ab! (Abg. Dr. Graf: Jetzt machen Sie das, was Sie uns immer vorwerfen!)

Aber ich habe irgendwie den Verdacht, wenn es irgendwo eine Wahl gibt – und in Ihrem Kopf ist ja immer Wahl, da macht es immer "Gong!": Wahltag! Morgen stehe ich um fünf auf! Wahltag! (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler) ja, ja, ja! –, dann müssen unter anderem auch immer die Künstler herhalten. Das ist ja klar.

Also der Haider zahlt keine Miete. Die zahlt der Klub, denn er verdient ja nur 60 000 S. – Bimsdi! Der Nitsch kriegt eins drüber!

Der Gratzer rottet die "F" in Niederösterreich aus. – Bimsdi! Das "Sportstück" von der Jellinek ist grauenvoll, ein Verbrechen!

Der Rosenstingl geht mit 250 Millionen, huuuiiit, nach Südamerika. – Der Kolig muß vernichtet werden! Ja! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Ein "F"-Gemeinderat dealt mit Kinderpornos. – Der war es natürlich nicht! Der H. C. Artmann oder Publik Netbase sind schuld daran. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ja, ja.

Ich muß Ihnen sagen: Halten Sie einfach die österreichischen Künstler aus! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Als "Froschkönig" haben Sie mir besser gefallen!) Sie sagen sehr oft die Wahrheit. Wir halten Sie auch aus. Und Sie sagen verhältnismäßig oft die Unwahrheit. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

13.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Oje-Rufe im Plenum. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Haider – auf dem Weg zum Rednerpult –: Alle nicken! – Abg. Schwarzenberger: Volle Hütte! – Abg. Wabl: Bitte eine Leseprobe aus der Nachtkastllektüre! – Weitere Zwischenrufe. – Abg. Dr. Haider: Das ist auch wieder nicht recht! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.28

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Zuerst dringen die sehnsüchtigen Rufe des Herrn Morak an mein Ohr, daß er mich schon so vermißt, weil er eben gerne ein qualifiziertes Publikum bei seinen Vorlesungen und Auftritten hat (Heiterkeit bei den Freiheitlichen), und jetzt paßt es auch wieder nicht.

Ich wollte Ihnen, Herr Morak – das ist der eigentliche Grund meiner Wortmeldung –, nur im Namen der freiheitlichen Fraktion unseren Dank aussprechen. Denn das, was Sie hier gesagt haben, eignet sich bestens, um gerade in den von Ihnen immer wieder kritisierten Wahlkämpfen von uns verteilt und unters Volk gebracht zu werden. (Rufe: Jawohl! Bravo! – Beifall bei den Freiheitlichen.) Damit erkennt man nämlich genau die Einstellung der Volkspartei, jener Volkspartei, die draußen unterwegs ist und sich über den Herrn Nitsch entrüstet, die das, angefangen von Landeshauptmann Schausberger bis zum Kärntner Landtagspräsidenten Wutte – alles ÖVP-Leute – abscheulich findet. Und da herinnen tritt dann der Kultursprecher auf und diffamiert fortlaufend jene Partei, die es gewagt hat, Nitsch zum Thema zu machen, weil wir der Meinung sind, daß die Freiheit der Kunst dort ihre Grenzen findet, wo sie menschenverachtend wird, wo sie Menschenrechte verletzt, wo sie religiöse Gefühle verletzt. Und das, Herr Morak, gilt auch für Ihre christliche ÖVP. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind jedoch nicht bereit, das auch in der öffentlichen Diskussion einmal zuzugestehen. Es ist schon schön, da ein bißchen ein Theater zu machen, damit man den Beifall von der Linken bekommt. Das ist aber die falsche Seite. Die wählen Sie nicht, lieber Herr Morak. Sie sind gewählt von einem qualifizierten Bürgertum, das erwartet, daß man auch moralische Maßstäbe hat und daß man diese auch dort zum Ausdruck bringt, wo letztlich menschenverachtende Kultur subventioniert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man kann alles machen in diesem Land, es soll jeder die Freiheit der künstlerischen Betätigung haben, es soll in diesem Österreich keine Grenzen geben. Sie brauchen uns Freiheitlichen nicht ständig so subversiv zu unterstellen, daß wir das abschaffen würden. Nein! Wir bekennen uns dazu, daß diese Freiheit der Kultur ohne staatliche Schranken vorhanden sein soll. (Abg. Morak: Weiß das der Stadler auch?) Aber – und ich formuliere das für Sie –: Die Grenzen sind für uns wirklich die Menschenrechte, die Grenzen sind für uns die Verletzung religiöser Gefühle (Abg. Dr. Nowotny: Wer definiert das? Wer definiert religiöse Gefühle?), und die Grenzen sind für uns, Herr Morak, auch dort, wo etwa Schwachen in unserer Gesellschaft Leid angetan wird.

Das betrifft zum Beispiel eine Darstellungsform, mit der zu Gewalt an Kindern ermuntert wird. (Abg. Wabl: Das ist ja nicht wahr!) Ich kann es nur immer wieder für Sie wiederholen: Ein Biennale-Katalog, der auch mit Zustimmung Ihrer ÖVP in der Bundesregierung vom Bundeskanzler gefördert wird, in dem sich große Abbildungen mißgebildeter Kinder finden, in dem man nackte Babys zeigt und Geschlechtsteile von Erwachsenen dazumontiert – das ist für uns eine Aufforderung zur Gewalt an Kindern. Und darüber können Sie nicht hinweg! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Morak hält ein Schriftstück in die Höhe.) Sie können das noch so hoch halten, wie Sie wollen!

Das ist etwas, was uns in Wahrheit verbinden sollte, und daher verstehe ich es nicht, daß Sie einen Außenminister und Bundesparteiobmann haben, der im Rahmen einer Ausstellung im Ausland etwa auch ein Werk von Otto Mühl präsentieren wird, auf dem Mutter Teresa sozusagen als schnackselnde Alte neben Mühl und Konsorten einschließlich der FPÖ-Politiker herumgezeigt wird. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) Ja, wir sind auch betroffen, liebe gnädige Frau Brinek!

Meine Damen und Herren! Sie fördern das! Wir sagen, das ist eine Schweinerei! So etwas gehört nicht gefördert. – Und das ist der Unterschied! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie den Künstlern die Freiheit! Sie sollen alles tun können, sie sollen auch so wie Herr Kolig überall hinmachen können. Aber mit unserem Steuergeld darf das nicht geschehen! (Abg. Mag. Stadler: Jawohl!) Das ist der entscheidende Unterschied! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie heute durch das Land fahren, dann wird Ihnen jeder Landespolitiker der ÖVP, jeder Abgeordnete, der hier sitzt, im privaten Gespräch sagen: Ihr habt ja recht! Ihr habt ja recht, es ist eine Schweinerei, was hier geschieht. (Abg. Dr. Maitz: Das ist völliger Unsinn!) Oder glauben Sie, daß die Fäkalkultur, wobei einer seine Häufchen vergoldet oder irgendwo hinstellt und dafür ein paar hunderttausend Schilling an Subvention erhält, wirklich Kunst ist, für die Menschen arbeiten und Steuern zahlen wollen? Glauben Sie wirklich, daß es Kunst ist, wenn ein Künstler wie Herr Kolig einen Urinstab macht – einen Glasstab, in den er hineinmacht – und ihn dann dem Land Kärnten um 31 000 S verkauft?

Was denkt sich denn da der normale Arbeitnehmer, der fest seine Steuern abgeben muß – und die werden immer höher –, wenn er dann sieht, was mit seinem Steuergeld geschieht? – Die Armut hingegen wird ignoriert, positive Werke werden ignoriert.

Und deshalb muß es die Freiheitlichen geben: Damit Sie von der ÖVP anständiger werden und sich wieder daran erinnern, daß Sie auch eine moralische Verantwortung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Wurmitzer: Anständig! Ihr dürft von "anständig" nicht reden!)

Das, meine Damen und Herren, ist die Auseinandersetzung. Keine andere Partei in den Bundesländern – lesen Sie es nach in den Zeitungen! – hat Herrn Nitsch während der Nitsch-Diskussion so brutal angegriffen. (Abg. Dr. Brinek: Wie die FPÖ!) Lesen Sie es einmal nach! Und jetzt kann man in der Zeitschrift "NEWS" lesen, daß Herr Nitsch sagt: Es ist wunderbar, daß jetzt die Anständigsten mir gegenüber die Schwarzen sind, die mich früher am meisten verfolgt haben. (Abg. Dr. Brinek: Sie verdrehen das!) Ihnen verdanke ich alle Genehmigungen. Leute wie Landeshauptmann Pröll beginnen offenbar zu schätzen, welchen Künstler sie da in Niederösterreich haben. – Na, wenn man selbst keine Bücher liest, dann organisiert man sich eben Künstler von zweifelhaftem Wert. Das ist also Ihre Politik, meine Damen und Herren: Doppelzüngig! Janusköpfig! (Abg. Ellmauer: Wie der Schelm denkt, so ist er!)

Herr Kollege Morak! Ich würde vieles von dem unterschreiben, was Sie hier sagen, wenn Sie sicherstellten, daß das dann auch in Ihrer Partei umgesetzt wird. Aber auf zwei Kirchtagen zu tanzen, das funktioniert eben meistens nicht. Sie wollen sozialistischer sein als die Sozialisten, Sie wollen die Kultur instrumentalisieren, Sie wollen eine Clique subventionieren, die dann politisch für Sie die Kastanien aus dem Feuer holt.

Das werden wir nicht spielen, denn die anständigen und fleißigen Österreicher wollen einen anderen Weg! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dr. Brinek: Wie der Herr Rosenstingl, so "anständig" und "fleißig"!)

13.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

13.35

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nur eine kurze Replik zu den Äußerungen, die noch gekommen sind und in denen Vorwürfe erhoben wurden, die man nicht unwidersprochen lassen kann.

Uns wurde vorgeworfen, daß Kulturpolitik für uns ein Ideologiebereich wäre, daß Politgünstlinge herumversetzt würden. (Abg. Mag. Schweitzer: So machen Sie es immer!) Da müßte ich die Gegenfrage stellen: Was ist, wenn der Herr Schender in der Volksanwaltschaft sitzt und vorher in einer Landesregierung war? Ist das ein Politgünstling oder sitzt er zu Recht dort, weil er Volksanwalt sein sollte? Wir könnten fragen: Was war mit dem Bürgermeister von Graz, mit Alexander Götz, der dann plötzlich bei der Grazer Messe gesessen ist? War das ein Politgünstling oder hat er dort Aufgaben zu erfüllen gehabt? (Abg. Dr. Haider: Sehr schwach bist du heute!) Es ist durchsichtig, was Sie hier machen, ganz, ganz durchsichtig und doppelbödig. Und ich sage Ihnen: Diese Art der Diskussion richtet sich selbst! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Ihnen unangenehm!)

Ich bin nicht Ihr Therapeut – Gott sei Dank bin ich nicht Ihr Therapeut! –, aber wie Sie heute agiert haben (Abg. Dr. Haider: Du bist selbst ein Fall für Therapie!) – und das erinnert mich an einen Auftritt des Herrn "Porno-Humer" in Oberösterreich bei einer öffentlichen Veranstaltung –, die Art und Weise, wie Sie das immer wieder zitieren, wie Sie hier immer wieder die Bilder darstellen, wie Sie hier immer wieder Begriffe verwenden, die man eigentlich auch in persönlichen Gesprächen kaum verwendet, zeigt doch, daß Sie offensichtlich dabei ein gewisses Lustempfinden haben. Ich habe Herrn Stadler noch nie so entspannt gesehen wie heute nach seiner Rede. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Mag. Stadler.) Und ich wehre mich gegen diese Art der Kriminalisierung einer Kunst- und Kulturdebatte, wie wir sie heute durchführen.

Lieber Herr Dr. Haider, eine Frage: Wenn Sie sagen, die Förderungen für diese von Ihnen genannten Künstler seien – übersetzt gesagt – obszön und gehörten eingestellt, dann frage ich mich: Was ist obszöner? (Abg. Dr. Haider: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nicht "obszön" gesagt!) Nach dem, was in Ihrer Partei passiert ist mit den 200, 300 Millionen Schilling, die weiß der Teufel wohin versickert sind, sollten wir in Wirklichkeit darüber diskutieren, ob es nicht obszön ist, daß die FPÖ überhaupt noch öffentliche Gelder von irgendwo bezieht. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Deine Handbewegungen sind obszön, sonst gar nichts! – Abg. Dr. Haider: Wenn er sich auf eine Rede nicht vorbereitet, dann ist er schwach!)

Ich würde daher dringend ersuchen, daß wir Kulturdebatten in diesem Haus in einer anderen Form führen, als Sie versucht haben, das hier heute zu tun: Sie instrumentalisieren sie, Sie wollen sie zum Gegenstand einer Auseinandersetzung machen, wenn Sie glauben, daß dies kurzfristig Ihren wahlstrategischen und wahltaktischen Überlegungen dient. Sie wollen ablenken von den Ereignissen, Sie wollen andere Themen suchen. (Abg. Dr. Graf: Sie wollen Zensur ausüben! Sie wollen bestimmen, was Kultur ist!) Das ist Ihre Strategie, die Sie hier einführen.

Ich finde das verwerflich, ich finde, daß das letztlich ein schlechtes Bild auf das gesamte Haus wirft – es wird übertragen, es wird davon berichtet –, und ich glaube, daß das im Endeffekt Österreich, dem österreichischen Image und der Republik insgesamt schadet.

Daher ist es wichtig, daß es hier im Rahmen des Verfassungsbogens ein eindeutiges und deutliches Entgegentreten gibt, um diese Doppelbödigkeiten, die Sie hier einbringen, auch wirklich darzustellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Ihr wollt nur nicht, daß diese Dinge bekannt werden, daß ihr das mit Steuergeld fördert!)

13.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Frau Berichterstatterin findet nicht statt.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-130 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme eintritt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 854/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird,

und

über den Antrag 775/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 339/1993, geändert wird (1394 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 853/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird,

und

über den Antrag 429/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird (1395 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 856/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird (1396 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 852/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird (1397 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zu den Punkten 2 bis 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen daher in die Debatte ein.

Als Erstredner gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.40

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Hohes Haus! Ich darf einleitend gleich einen Entschließungsantrag meiner Fraktion einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr, Mag. Stadler und Kollegen betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, binnen drei Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der vorsieht, daß jedes Volksbegehren, das von mindestens 500 000 Stimmberechtigten unterstützt wurde, zwingend einer Volksabstimmung zu unterziehen ist, sowie weiters vorsieht, daß die gesamten Ausschuß- und Unterausschußberatungen des Nationalrates betreffend Volksbegehren zwingend öffentlich abzuhalten sind."

*****

Meine Damen und Herren! Die freiheitliche Fraktion hat zuvor schon einen Antrag eingebracht auf Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes, der in der Regierungsvorlage praktisch zu 100 Prozent umgesetzt wurde. Daher haben wir diesem Teil des sogenannten Demokratiepaketes zugestimmt, wobei dieser Titel natürlich maßlos übertrieben und großsprecherisch ist, denn das, was hier als Demokratiepaket verkauft wurde – ich habe es in der Früh schon gesagt –, ist maximal ein "Demokratiepackerl" in der Größe einer Schnupftabakdose. Mehr ist nicht drinnen. Es ist in der Tat – und diesbezüglich ist die Kritik der Frau Schmidt auch berechtigt – nicht ein Demokratiepaket, sondern es handelt sich um marginale Anpassungen, Novellierungen, die sich im Zuge der Entwicklung im Wahlrecht schlicht und einfach ergeben haben.

Es ist richtig, meine Damen und Herren, daß in Zukunft kein Abgeordneter mehr mehrere Wahlvorschläge zur Bundespräsidentenwahl unterstützen können soll. Diesen Sündenfall hat ja seinerzeit die Frau Schmidt begangen, als sie ihre eigene Kontrahentin unterstützt hat und dann beleidigt war, daß diese mehr Stimmen bekam als sie selbst, was allerdings keine Kunst war, meine Damen und Herren.

Es ist richtig, daß man es abgeschafft hat, daß Abgeordnete überhaupt das Privileg haben, einen Bundespräsidentschaftskandidaten zu unterstützen, ohne daß sich dieser um die Unterstützung der Bevölkerung bemühen muß. Das hätte dem Wähler einiges an Kosten erspart, insbesondere was die Frau Schmidt betrifft, denn sie hätte die notwendige Anzahl von Unterstützungsunterschriften mit Sicherheit nicht einbringen können. Darum war sie ihrem Gegenkandidaten Dr. Klestil auch neidig. Daher war es notwendig, das Bundespräsidentenwahlgesetz zu novellieren, um diese Privilegien abzuschaffen. Das mag auch erklären, warum insbesondere das Liberale Forum und die Grünen so heftig gegen diese Novelle polemisieren. Damit hat es sich aber schon mit der Einigkeit mit den Regierungsfraktionen, denn das ist sozusagen der erste Teil, der gerade noch vertretbar ist und der mehr Demokratie hinsichtlich des Bundespräsidentenwahlrechtes bewirken soll.

Interessant wird dann allerdings die Novelle zum Volksbegehrengesetz. Hier wird zum ersten Mal nicht mehr auf die Zahl der Stimmberechtigten abgestellt, wenn es um die Frage der notwendigen Zahl an Unterstützungsunterschriften bei der Einleitung eines Volksbegehrens geht, sondern auf die Wohnbevölkerung; das heißt österreichische Staatsangehörige plus Ausländer. Erklären Sie uns, Herr Staatssekretär, welche Intention hier dahintersteckt! Wollen Sie schleichend und über die Hintertür, ein bißchen und dann wieder ein bißchen, das Ausländerwahlrecht einführen? – Ich glaube schon, daß Sie das wollen. Das nehme ich Ihnen sofort ab. Ihre Fraktionskollegen wollen es ja auch. Ich sage Ihnen nur ganz klar: Wir Freiheitliche wollen das nicht! Und die Österreicher wollen das auch nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen, daß das Maß, die Zielgruppe der demokratischen Mitbestimmung der Staatsbürger bleibt. Es muß die österreichische Staatsbürgerschaft für die Mitwirkung an der Demokratie in Österreich noch etwas wert sein. Und daher sind wir dagegen, daß über die Hintertür Schritt für Schritt das Ausländerwahlrecht eingeführt werden soll, auch wenn es nur im Volksbegehrengesetz beginnt. Es gibt keinen rationalen Grund, Herr Staatssekretär, die Wohnbevölkerungszahl zum Maßstab der Bemessung für die Zahl der Unterstützungsunterschriften zu machen. Den gibt es nicht. Rational ist er nicht begründbar. Er ist willkürlich, er ist ideologisch motiviert. Und daher sagen wir bereits aus diesem Grunde nein zu dieser Novelle des Volksbegehrengesetzes.

Aber es gibt noch einen zweiten Grund, und Herr Kollege Khol war so freundlich, ihn im Ausschuß offenzulegen. Er hat offen dargetan, daß eigentlich das Volksbegehren zum Euro, das die FPÖ eingebracht hat, Grund und Anlaß dafür war, darüber nachzudenken, wie man es in Zukunft verhindern kann, daß eine politische Partei über ihre Mandatare ein Volksbegehren initiiert. Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen gleich, nur damit Sie sich keiner Illusion hingeben: Wir werden ohne weiteres die politische Kraft, die politische Potenz haben, in jeder unserer Landesgruppen – das sage ich auch gleich dazu –, in jedem der neun Bundesländer in Österreich die entsprechende Unterstützung für die Einleitung eines Volksbegehrens zustande zu bringen. Wer diese Kraft nicht haben wird, das werden kleinere Gruppierungen sein, denn die müssen in Zukunft zwischen 8 000 und 10 000 Unterschriften sammeln, aber dann, meine Damen und Herren, dann gibt es Geld. Und das ist der dritte Grund, warum wir das ablehnen.

Wenn das Volksbegehren 100 000 Unterschriften erreicht, dann bekommt man die 30 000 S retour, die man vorher hinterlegen mußte – und jetzt kommen noch 150 000 S zusätzlicher Ersatz dazu, meine Damen und Herren! Das ist eine Wahlkampffinanzierung für den Vorfeldbereich, für den äußeren Vorfeldbereich, für all diese linken Kleingruppierungen im Umfeld der Grünen, im Umfeld der Sozialdemokratie und so weiter. Das ist versteckte Parteienfinanzierung. Bisher mußte man aus der Parteikasse für diese Organisationen etwas lockermachen, damit sie sich politisch artikulieren konnten. Das ist ja legitim, das ist ja nichts Unanständiges, das hat auch dem Herrn Kollegen Kostelka noch niemand vorgeworfen. Aber jetzt soll das Ganze offiziell ... (Abg. Dr. Kostelka: Sie haben es getan!) – Nein, ich habe ihm nur vorgeworfen, daß er Gelder aus der Klubkasse in die Parteikasse hat fließen lassen. (Abg. Dr. Kostelka: Wogegen es weder vom Rechnungshof noch von der Staatsanwaltschaft Einwände gibt!)

Herr Kollege Kostelka! Das ist ein Vorwurf, dessen Copyright ich gar nicht besitze. Ich besitze das Urheberrecht an diesem Vorwurf gar nicht. Der kommt Ihrem Herrn Bundesgeschäftsführer Andreas Rudas zu, denn in dessem Umfeld ist der anonyme Anzeiger zu suchen, der Sie angezeigt hat. (Abg. Dr. Kostelka: Zum Unterschied von Ihnen haben wir keine finanziellen Probleme!) Es ist nicht fein, wenn man aus der eigenen Partei eine anonyme Anzeige bekommt. Das muß man zugeben. Da habe ich Mitgefühl mit ihm. Aber, meine Damen und Herren, Sie sollten nicht, um Ihren Vorfeldbereich finanziell bedienen zu können, in die Taschen der Steuerzahler greifen und hier eine Regelung einführen, die dafür sorgt, daß in Zukunft jedem 150 000 S in den Rachen geworfen werden.

Und die Grünen haben gleich Begehrlichkeit bekommen und haben gesagt: Darf es auch ein bißchen mehr sein? Kollegin Stoisits hat gleich 300 000 S verlangt. (Abg. Haigermoser: Verdoppelt!) Gleich verdoppelt! Das ist natürlich nach oben offen, was man sich hier alles leisten kann. Und das Entscheidende ist, meine Damen und Herren, Hohes Haus, daß das ohne Nachweis bezahlt wird. Es muß nicht nachgewiesen werden, wieviel verausgabt wurde für Werbemaßnahmen, für Porto und dergleichen mehr. 150 000 S plus 30 000 S, in Summe also 180 000 S, ohne Nachweis der Kosten, werden für die Betreiber eines Volksbegehrens ausgeschüttet – und das in Sparzeiten! (Abg. Dr. Haider: So ein Murks! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wem fällt so etwas Unverschämtes ein?) Das habe ich mich auch gefragt: Das sind die großen demokratiepolitischen Ergüsse, die man dann großartig "Demokratiepaket" nennt, meine Damen und Herren! Das ist das Demokratiepaket dieser Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man muß ja wirklich froh sein, daß Ihnen bei diesem Paket nicht noch mehr eingefallen ist. Ich bin froh darüber, daß Sie selbst sagen, das ist ein Riesenpaket und nicht ein Packerl, so wie wir das sagen, denn wenn Sie ein Paket schnüren, dann kommt das wahrscheinlich den Steuerzahler noch teurer, als es ohnehin schon der Fall ist.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Sie können nicht erwarten, daß eine Fraktion, die erstens Spargesinnung ernst nimmt, die zweitens den sorgsamen Umgang mit dem Steuerzahler auch tatsächlich ernst nimmt ... (Abg. Mag. Posch: Wen meinen Sie mit der Spargesinnung?) – Herr Posch, das werden wir Ihnen vorexerzieren. Sie haben es nicht geschafft – und darauf bin ich heute schon als Neoniederösterreicher ein wenig stolz –, uns mit korrupten Funktionären in dieser Frage eine faule Pflaume in die Hand zu drücken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir zeigen Ihnen, wie man, ohne daß man den Steuerzahler in Anspruch nimmt, eine Partei saniert. Und dazu brauchen wir keine Landeshypothekenbank wie etwa in Salzburg. Dazu brauchen wir keine öffentlichen Gelder, wie Sie das laufend in der Landesgruppe Niederösterreich Ihrer SPÖ benötigen. (Abg. Haigermoser: In Salzburg ist ähnliches geplant!) Das brauchen wir nicht. Wir machen das selbst. Wir organisieren das selber. Wir brauchen Ihren Bankenapparat nicht dazu. Wir sind schon froh, wenn dieser Bankenapparat von Ihnen nicht dazu mißbraucht wird, eine demokratische Oppositionspartei mundtot zu machen.

Meine Damen und Herren! Wir werden diesem sogenannten Demokratiepaket, dieser "Schnupftabakdose", die den Steuerzahler nur einen Haufen Geld kostet, mit Sicherheit nicht zustimmen können. Alles, was Sie von uns erwarten können, ist eine Zustimmung zur Novelle des Bundespräsidentenwahlrechtes, weil es jene Auswüchse, die Frau Schmidt leider produziert hat, in Zukunft verhindern wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.50

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es hat ja heute in der Früh schon eine sehr heftige Debatte über die Frage der Sinnhaftigkeit und auch des Ausmaßes der Reformen, die heute beschlossen werden sollen, gegeben. Ich denke daher, daß es notwendig ist, einmal kurz zu erläutern, was tatsächlich geplant ist, und in weiterer Folge auch zu sagen, daß es sich hier um sinnvolle und notwendige Maßnahmen handelt.

Es geht bei den heute zu beschließenden Gesetzen um Erleichterungen für die Wählerinnen und Wähler und um Erleichterungen für die Initiatoren von Volksbegehren. Und es geht – über diese Frage wurde besonders heftig diskutiert – um die besondere Stellung, die Abgeordnete im Zusammenhang mit Wahlvorschlägen und Volksbegehren bisher hatten, und die jetzt beseitigt werden soll.

Insbesondere enthalten die Novellen zur Nationalrats-Wahlordnung und zur Europawahlordnung Erleichterungen für Behinderte. Es ist vorgesehen, daß in jeder Gemeinde und in Wien in jedem Bezirk zumindest ein Wahllokal so eingerichtet werden soll, daß es behindertengerecht ist. Es wird in der Europawahlordnung vorgesehen, daß Hilfsmittel, Schablonen, eingesetzt werden, die es schwer sehbehinderten oder blinden Wählerinnen und Wählern ermöglichen, selbständig und allein zu wählen. Natürlich können sie auch weiterhin eine Vertrauensperson in die Wahlzelle mitnehmen, aber es soll auch für jene, die das selbständig und allein erledigen wollen, die Möglichkeit geben, das zu tun.

Für die Nationalrats-Wahlordnung haben wir keine analoge Regelung beschlossen, weil ... (Abg. Haidlmayr: Warum?) Das kann ich Ihnen gerne erklären. Wir haben lange darüber diskutiert, aber eine solche Schablone hat nur einen Sinn, wenn sie einfach und klar ist, nur dann ist sie ein Hilfsmittel. Da es bei der Nationalratswahl die Möglichkeit gibt, nicht nur die Partei zu wählen, sondern auch innerhalb des Regionalwahlkreises einen Kandidaten, eine Kandidatin anzukreuzen, also eine Vorzugsstimme zu vergeben, wäre das eine sehr komplizierte Sache. (Abg. Haidlmayr: Wo ist das Problem?) Wir bekennen uns dazu, daß es Hilfsmittel für Blinde geben soll, und daher haben wir auch eine Entschließung gefaßt, daß das Innenministerium gemeinsam mit den Behindertenverbänden eine Lösung suchen soll. Mir erscheint es nicht sinnvoll, ganz schnell, nur damit das vom Tisch ist, eine Regelung analog zur Europawahlordnung zu treffen, die aber den Behinderten nichts gebracht hätte.

Weitere Änderungen beziehen sich auf die Verkürzung des Zeitraumes für das Aufliegen der Wählerverzeichnisse und die Vereinfachung der Stimmabgabe im Ausland.

Im Bundespräsidentenwahlgesetz gibt es einige wichtige Neuerungen: Der Zeitraum zwischen dem ersten und einem allfälligen zweiten Wahlgang wird auf drei Wochen verkürzt. Das Recht der zustellungsbevollmächtigten Vertreter eines Wahlvorschlages, den Wahlwerber nach dem ersten Wahlgang auszutauschen, wird gestrichen. Weiters gibt es Änderungen dahin gehend, daß die Reihung der Wahlwerber nach dem Alphabet erfolgt und daß die bargeldlose Einzahlung des Wahlkostenbeitrages ermöglicht wird.

Im Volksbegehrengesetz wird das Limit für die Einbringung von 10 000 Unterschriften auf ein Promille der Wohnbevölkerung herabgesetzt. Das sind also in etwa 8 000 Unterschriften. Abgeordnete können einen Einleitungsantrag nicht mehr einbringen. Die Möglichkeit der bargeldlosen Einzahlung des Druckkostenbeitrages wird ebenso vorgesehen wie die Rückzahlung des Druckkostenbeitrages plus 150 000 S, wenn das Volksbegehren erfolgreich gewesen ist, das heißt, wenn die erforderlichen 100 000 Unterschriften erzielt worden sind.

Ich möchte im Zusammenhang mit diesem Volksbegehrengesetz einen Abänderungsantrag einbringen, der ebenfalls eine Verbesserung und Erleichterung darstellt.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend den Gesetzesantrag im Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 853/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird (1395 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Z 3 des Antrages lautet:

"3. § 4 Abs. 1 entfällt; die bisherigen Abs. 2 und 3 erhalten die Absatzbezeichnungen ,(1)‘ und ,(2)‘. Der neue Abs. 1 lautet:

"Die Unterstützungserklärung hat die Bestätigung der Gemeinde zu enthalten, daß die in der Erklärung genannte Person in der Wählerevidenz als wahlberechtigt eingetragen ist und in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz hat. Diese Bestätigung ist von der Gemeinde zu erteilen, wenn die Unterstützungserklärung die Angaben über Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Wohnort sowie die Bezeichnung des Einleitungsantrages enthält und die eigenhändige Unterschrift der die Unterstützungserklärung abgebenden Person entweder vor der Gemeindebehörde geleistet wurde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. Die Gemeinden sind verpflichtet, Bestätigungen von Unterstützungserklärungen unverzüglich und ohne Einhebung von Verwaltungsabgaben, sonstigen Abgaben oder Gebühren auszufertigen; sie haben hierbei ihnen allenfalls zur Verfügung stehende, auf das von Unterstützungswilligen bezeichnete Volksbegehren lautende Drucksorten zu verwenden. Stellt eine Person der Gemeinde entsprechende Drucksorten zur Verfügung, so hat die Gemeinde bei ihr hinterlegte, auf das betreffende Volksbegehren lautende Unterstützungserklärungen einmal zu einem von dieser Person bestimmten Zeitpunkt an eine von dieser Person bekanntgegebene Adresse im Inland zu übermitteln. Für jedes Volksbegehren darf für einen Stimmberechtigten nur eine Unterstützungserklärung bestätigt werden."

*****

Herr Präsident, ich ersuche, diesen Abänderungsantrag in die Debatte miteinzubeziehen.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß doch eine Reihe von sinnvollen und nützlichen Maßnahmen mit diesem Paket beschlossen werden. Die wichtigste und zugegebenermaßen nicht ganz unumstrittene ist die Abschaffung der höheren Gewichtung der Abgeordnetenunterschriften bei der Einbringung des Wahlvorschlages für die Bundespräsidentenwahl und für die Einleitung eines Volksbegehrens.

Im Zusammenhang mit dem Volksbegehren möchte ich aber doch festhalten, daß es ja nicht ein Instrument der Abgeordneten sein soll – auch nicht unbedingt ein Instrument von Parteien, die ohnedies im Nationalrat vertreten sind –, sondern es vor allem Bürgerinnen und Bürgern, Organisationen, Vereinen, Menschen, die sich zusammentun, um ein Anliegen zu artikulieren, dienen soll.

Die Abschaffung der Möglichkeit, ein Volksbegehren durch die Unterschrift eines Abgeordneten einzuleiten, erscheint mir daher gerechtfertigt, und ich sehe darin auch keine Einschränkung der Rechte eines Abgeordneten und schon gar nicht seines freien Mandats, wie in einer Zeitung behauptet worden ist, denn der Abgeordnete hat ja jederzeit die Möglichkeit, Initiativanträge – zugegeben, nicht allein – einzubringen, und er oder sie hat auch die Möglichkeit, Petitionen zu unterstützen, damit sie im Parlament diskutiert werden müssen. Ich glaube, daß die Möglichkeiten eines Abgeordneten durchaus ausreichend sind und er sich nicht mittels eines Volksbegehrens artikulieren soll. Wenn er oder sie trotzdem ein Volksbegehren unterzeichnet, aus Sympathie und um seine Solidarität zum Ausdruck zu bringen, so kann er oder sie das auch weiterhin tun, aber diese Unterschrift zählt nur wie alle anderen Unterschriften auch.

Ich habe es schon eingangs erwähnt: Es wird eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die die Einbringung von Volksbegehren erleichtern, und daher glaube ich, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden, daß es sich um sinnvolle Maßnahmen handelt, die wir hier setzen.

Im Zusammenhang mit der Bundespräsidentenwahl, denke ich, gilt Ähnliches. Es hat sich bei den Debatten über die Einbringung von Wahlvorschlägen für die Bundespräsidentschaftswahl im heurigen Frühjahr gezeigt, daß die Tatsache, daß Abgeordnetenunterschriften 1 500 andere Unterschriften ersetzen können, auf Unverständnis und auch auf den Unwillen von vielen Menschen stößt, die diese unterschiedliche Gewichtung nicht verstehen. Eigentlich sollte es einer Kandidatin oder einem Kandidaten, die beziehungsweise der sich der Wahl stellen will und die eigene Kandidatur auch ernst nimmt, möglich sein, 6 000 Unterschriften zu bekommen. Daher glaube ich, daß dies eine vernünftige Regelung ist und die Streichung der bisherigen Bestimmung gerechtfertigt ist.

Abschließend möchte ich noch feststellen, daß die Debatte über die Weiterentwicklung der Demokratie, über das Verhältnis der direkten Demokratie zur repräsentativen Demokratie, über die Rolle des Parlaments, über die Rolle des einzelnen Parlamentariers, all diese Fragen natürlich weiterdiskutiert werden müssen – im übrigen auch im Zusammenhang mit einer Reform der Geschäftsordnung, die hier angestrebt werden muß. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Das, was wir heute beschließen werden, ist nur eine Etappe, aber es sind einige wichtige Fragen, die hier behandelt worden sind, und man sollte jetzt nicht so tun, als ob das alles unbedeutend und unwichtig wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

14.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der eingebrachte Antrag entspricht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und steht daher mit in Verhandlung.

Das gleiche gilt für den vorhin von Herrn Abgeordneten Stadler eingebrachten Entschließungsantrag betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren.

Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

14.01

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! (Präsident Dr. Brauneder befindet sich noch am Präsidium.) Nein: Herren Präsidenten! Herr Staatssekretär! Geschätzte wenige Kolleginnen und Kollegen, die Sie noch da sind. Es ist bemerkenswert, daß das von Herrn Klubobmann Khol so hochstilisierte, wesentliche Gesetzespaket, das hier beraten und beschlossen werden soll, auf eine solche Aufmerksamkeit seiner eigenen Fraktion stößt. Das ist deswegen so bemerkenswert, weil er derjenige ist, von dem ich höre – aber vielleicht haben sich die Sitten inzwischen geändert –, daß er sonst immer sehr viel Wert auf Anwesenheit legt, und gerade bei einer so wesentlichen Materie hätte es doch so sein können. (Abg. Dr. Graf: Ich bin nicht oft Ihrer Meinung, aber Sie haben recht!)

Ich bin aber nicht verwundert darüber, denn daß das alles eine wirklich vordergründige Alibiaktion ist, um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen – wie er es auch selber gesagt hat –, daß die Koalition gleich am Anfang kein Gesetz zusammengebracht hat, liegt auf der Hand. Daß man aber diese Vorlagen mit dem Begriff eines Demokratiepaketes bemäntelt, ist schon bedenklich; denn das ist eine Aushöhlung dieses Begriffes, eine Verwässerung, wobei man sich nicht wundern darf, daß der Begriff der Demokratie an sich einen anderen Stellenwert bekommt, wenn er hier für derartige Aktiönchen mißbraucht wird.

Was wir gewollt hätten, wäre gewesen, eine echte Demokratiereform durchzuführen. Wir waren der Meinung, daß auch die Regierungsparteien, vor allem die Abgeordneten der Regierungsparteien, dazu bereit sind. Wir hätten uns mit Sicherheit nicht in allen Punkten verständigt, aber es liegt in der Natur der Sache, daß man letztlich zu Mehrheitsentscheidungen kommt. Wichtig wäre es gewesen, Argumente auszutauschen, einen Katalog aufzustellen, wo wir der Auffassung sind, daß es den berühmten – um die politische Sprache zu verwenden – Handlungsbedarf gibt, und wichtig wäre es gewesen, die Diskussion darüber gemeinsam zu führen, welche Bereiche und welche Materien es sind, über die wir reden sollen. So wie wir es seinerzeit auch gemacht haben, als wir bei der Debatte über die Geschäftsordnung festgestellt haben, daß wir für das Parlament einen Katalog brauchen, um feststellen zu können, wo es mehrheitsfähige Passagen gibt und wo es diese nicht gibt, und wo Sie es trotzdem für notwendig halten, gegen die Opposition das eine oder andere zu machen.

Also die Sichtung und Auflistung der Problemfelder sind eine notwendige Voraussetzung, wenn man das Wort "Demokratiereform" ernst meint. Und wir Liberalen meinen es ernst. Die Demokratiereform ist notwendig. Unsere Demokratie ist wirklich dünn geworden. Das Demokratieverständnis, das Demokratiebewußtsein der Bevölkerung hat – wie soll ich das sagen? – nicht jene Festigkeit, die eigentlich ein Selbstverständnis sein sollte.

Mir sitzt immer noch eine Umfrage unter jungen Leute in den Knochen, die, soferne ich mich nicht täusche, zu Beginn dieses Jahres oder am Ende des vergangenen Jahres, durchgeführt worden ist, in der die üblichen Rufe, nämlich "Wie reagieren junge Menschen auf den berühmten Ruf nach dem starken Mann und ähnlichem?" – Sie kennen das schon – abgefragt wurden. Es sind dabei erschreckende Zahlen herausgekommen. Eine Zahl war besonders erschreckend, und zwar haben 16 Prozent der Befragten gemeint, es sei ihnen eigentlich egal, ob es Demokratie gibt oder nicht.

Das heißt, daß es notwendig ist, zu zeigen, was eigentlich Demokratie heißt und wie wichtig sie ist und daß sie gestützt werden muß und nicht nur ein Wort ist, sondern daß man sie leben muß, und daß sie nicht nur von der Bevölkerung getragen sein muß, sondern auch die Instrumentarien stimmen müssen, um sie leben lassen zu können. Das wäre die eigentliche Aufgabe gewesen, und gemäß dieser Aufgabenstellung und Zielformulierung hätten Sie vorgehen müssen.

Wir sind uns einig in der Meinung, daß es auch Demokratiezerstörer gibt, die politisch organisiert sind, und zwar auch in unserem Land. Also in diesem Bewußtsein hätten wir darüber reden müssen, was wir brauchen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger.) – Danke.

Aber das, was herausgekommen ist, ist ein Scherz, wirklich ein Scherz. Herr Präsident Neisser hat gemeint, es sei eben nur ein Packerl und kein Paket. Ich werte auch das als wohlwollende Ausdrucksweise. Ich habe heute schon in der Geschäftsbehandlungsdebatte gesagt, daß ich diesen Ausdruck nur als einen Lapsus linguae sehen kann. Das ist ein irrtümlicher Ausdruck, denn sonst müßte mir ja übel werden, sonst müßte ich mich ja vor Ihrem Demokratieverständnis fürchten, und das will ich gar nicht. Daher sage ich: "Demokratiepaket" ist ein euphemistischer, ist ein übertriebener, ist jedenfalls ein falscher Ausdruck für das, was wir heute hier vor uns liegen haben.

Wenn ich mir noch einmal in Erinnerung rufe, mit welcher Vorgangsweise Sie das in das Plenum gebracht haben, so muß ich sagen: Das ist wirklich eine neue negative Qualität, die Sie hier erzeugen. Sie tun so, als würde da von einer Oppositionspartei übertrieben. Und die Argumentation, daß sich die Frau Schmidt jetzt davor fürchtet, daß Sie nicht mehr kandidieren kann, ist primitiv. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Wenn Sie das über die "Kronen Zeitung" transportieren – soll sein –, dann mag das vielleicht die eine oder andere Leserin oder den einen oder anderen Leser erreichen, aber ich bitte Sie, uns nicht hier im Parlament mit einer derartigen Argumentation zu belästigen, denn anders kann ich das nicht empfinden.

Bisher wurden Geschäftsordnungsfragen, Fragen der Wahlordnung – und ich glaube, mich richtig zu erinnern – noch nie behandelt, ohne daß sie nicht unter allen Fraktion des Hohen Hauses vorher abgesprochen worden wären. Aber das, was Sie diesmal gemacht haben, ist der negative Qualitätssprung schlechthin, denn es gab keine Kontaktaufnahme.

Es hat sich heute Herr Klubobmann Khol hier hergestellt und hat gesagt, es hätten Parteiengespräche mit jenen stattgefunden, die es wollten. Dazu muß ich sagen: Das ist eine Verzerrung der Realität, die wirklich mehr als unredlich ist, Herr Klubobmann Khol! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger. – Abg. Dr. Khol: Geh bitte!)

Was wirklich stattgefunden hat, das wissen Sie ganz genau! – Stattgefunden hat eine Präsidiale, in der Sie versucht haben, Ihren Terminkalender so umzusetzen, wie Sie ihn am Ende der Session der Zeitung mitgeteilt haben, und zwar auch mit Unterstützung des sozialdemokratischen Koalitionspartners, der sich auch eine andere Gangart hätte vorstellen können. Es ist wahr, daß das Herr Klubobmann Kostelka kurzfristig für möglich gehalten hat. Aber Sie haben schon vor dem Sommer den Terminkalender fixiert, und dann haben Sie am Tag vor der Sitzung des Verfassungsausschusses von Ihrem Referenten unseren Referenten anrufen lassen, und diese haben gesagt: Setzen wir uns zusammen, schauen wir, was wir zusammenbringen! Unsere Referenten, gewöhnt, auch mit anderen Parteien konstruktiv zusammenzuarbeiten, haben sich zusammengesetzt.

Das bezeichnen Sie jetzt als Parteiengespräche?! (Abg. Dr. Khol: Was ist das sonst?) Das ist eine Zumutung ersten Ranges! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.) Diese Gespräche haben nicht unter Parlamentariern, nicht auf jener Ebene, die wir gewöhnt sind, stattgefunden, sondern aufgrund der Fairneß und des üblichen Arbeitsstils unserer Referenten, die gesagt haben: Reden wir einmal darüber! Das war nichts anderes, und Sie wissen das! Wenn Sie es hier anders darstellen, dann sprechen Sie die Unwahrheit oder Sie argumentieren unredlich, und das sollten Sie gerade dann nicht tun, wenn es um ein Demokratiepaket geht! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Es kommt ja noch etwas dazu: Initiativanträge sind etwas ganz Wesentliches für das Parlament, weil sie die unmittelbaren Instrumente der Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind. Aber etwas anderes ist auch ein wesentlicher Punkt, und zwar die Durchführung von Begutachtungsverfahren.

Ich glaube, daß Begutachtungsverfahren – und Sie umgehen sie ja öfter, und zwar immer nur aus Eigeninteresse und niemals aus Sachzwängen heraus oder kaum, um das Wort "niemals" nicht beweisen zu müssen – den Sinn und Zweck haben, nicht nur eine öffentliche Debatte durchzuführen, sondern auch das Wissen zu bündeln, weil mehr Menschen im Regelfall die Chance bieten, daß mehr Wissen zusammenkommt. Sie haben sich ganz bewußt um diese Diskussion gedrückt, Sie haben ganz bewußt andere nicht mit eingebunden, und Sie haben, wie gesagt, auch die Fraktionen des Hauses nicht mit eingebunden. Und daher ist unser Einwand keine Polemik, kein Scheingefecht oder keine Scheinaufregung. Sie haben vielmehr ausgerechnet mit dem von Ihnen genannten Demokratiepaket einen Sprung in der Qualität nach unten gemacht, und das am Beginn einer Session. Das läßt Übles erwarten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Jetzt möchte ich auf die einzelnen Bereiche ein bißchen eingehen. Ein Bereich betrifft das Bundespräsidentenwahlgesetz, und dazu möchte ich nur ganz kurz sagen, was ich für viel wesentlicher gehalten hätte: Wir haben jetzt sechs Jahre Zeit, wir stehen am Beginn der Amtsperiode, ich frage Sie daher: Wo ist die Notwendigkeit, in der ersten Sitzung sofort die Wahlordnung zu ändern? Wir haben darüber nicht einmal diskutiert! Viel wichtiger wäre es gewesen, das in einer Gesamthaftigkeit zu sehen, über die Kompetenzen des Bundespräsidenten und über das Verhältnis des Bundespräsidenten zum Parlament zu reden. Das scheint mir etwas ganz Wesentliches zu sein.

Ich mußte mir bei der Angelobung eines Bundespräsidenten nahezu eine Regierungserklärung anhören – wie von einem ÖVP-Politiker – und durfte dazu nichts sagen. Wir waren uns, und zwar alle Fraktionen, in der Präsidiale einig, daß dieses Procedere überdacht werden muß. Nur: Wenn es überdacht wird, dann hat das natürlich Auswirkungen auf das Spannungsverhältnis Bundespräsident hier und Parlament da. Daraus ergeben sich eine Reihe von Folgerungen. Aber diese muß man überlegen.

Es stört mich schon die längste Zeit, daß der Bundespräsident zu den Sessionen des Nationalrates einlädt. Ich frage mich: Was ist das für ein Selbstverständnis eines Parlaments, daß wir nicht selber unsere Session eröffnen? Wozu brauchen wir denn die Eröffnung durch den Bundespräsidenten? (Abg. Großruck: Weil er das Staatsoberhaupt ist!) Auch das halte ich für einen wesentlichen Punkt! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist für mich auch nicht einsichtig, daß es zwar möglich ist, parlamentarische Anfragen an den Rechnungshofpräsidenten und an den Präsidenten des Nationalrates zu stellen, diese Möglichkeit aber beim Bundespräsidenten nicht besteht. Wir müssen abwägen, was wir damit in Bewegung setzen und ob wir das auch wollen. Aber zumindest das Bedürfnis sollte doch in Ihnen bestehen, in diesem Bereich der Demokratie etwas weiterzuentwickeln. Oder wollen Sie weiterhin einen Ersatzkaiser haben?

Zur Frage des Verhältnisses zum Parlament gibt es noch eine Reihe anderer Punkte, so etwa jenen, der die Amtsperiode betrifft. Ich glaube auch, daß die Diskussion, die nur öffentlich angerissen wurde, nämlich, ob es eine Wiederwahl geben soll oder nicht, auch auf parlamentarischer Ebene durchgeführt werden sollte.

Das einzige, was Sie tun, ist, daß Sie die Möglichkeit, daß Parteien einen Kandidaten nominieren, abschaffen. Ich weiß, wie unpopulär es ist, dagegen aufzutreten, und ich weiß, daß ich damit direkt in das Messer des Herrn Khol laufe, der dann von seiner Ebene aus – und ich habe von der "Höhe" dieser Ebene schon gesprochen – sagt: Mein Gott, der Frau Schmidt tut es halt leid, daß sie dann nicht mehr kandidieren kann! – Ich nehme das in Kauf. Es fällt Ihnen anscheinend kein besseres Argument ein.

Ich möchte, daß im Protokoll von mir und von den Liberalen nachzulesen steht, daß wir das für eine falsche Weichenstellung halten. Ich meine, daß Sie jenem Trend, der über verschiedene Personen, Parteien und Zeitungen verbreitet wird, daß nämlich Parteien an sich schon etwas Schlechtes seien, daß Parteien pfui seien, daß Politik pfui sei, Vorschub leisten, indem Sie bei der Kandidatur für das höchste Amt im Staate glauben, einen Qualitätssprung zu machen, wenn nur noch von Bürgerinnen und Bürgern und nicht mehr von Parteien kandidiert werden kann. Ich halte das für eine falsche Weichenstellung. Sie werden es mit Ihrer Mehrheit beschließen. Ich weiß es.

Was ich immer für falsch gehalten habe – und daher bin ich dankbar dafür, daß wir das jetzt ändern –, ist, daß die Reihung auf der Liste davon abhängig sein soll, ob jemand von Parteien oder Bürgern kandidiert wurde, und daß daher dann die Zahl der Unterschriften anders bewertet wird, und zwar je nachdem, ob sie von Bürgerinnen und Bürgern oder von Abgeordneten stammt. Darum geht es nicht! Die Reihung nach dem Alphabet ist richtiger, als sie vorher war. Das ist eine notwendige Änderung. Aber den Parteien die Möglichkeit zu nehmen, eine Kandidatin oder einen Kandidaten ins Rennen zu schicken, halte ich für falsch, denn es ist dann ohnehin die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger, ob sie den Kandidaten für besser oder schlechter halten. Lassen Sie doch die Bürgerinnen und Bürger entscheiden und bevormunden Sie sie nicht ständig, so wie Sie das jetzt machen!

Ich will jetzt zum Thema Bundespräsident aus Gründen der Zeit nicht mehr sagen, obwohl es mehr zu sagen gäbe, und das war auch der Grund dafür, daß wir einen Unterausschuß verlangt haben.

Nun zum Thema Volksbegehren. Ich gehe jetzt deswegen direkt darauf ein, weil ich vorhin davon gesprochen habe, daß ich es beim Bundespräsidenten für falsch halte, wenn Abgeordnete keine Kandidatur mehr unterstützen sollen.

Beim Volksbegehren ist es völlig anders, und zwar deswegen – und jetzt bitte ich Sie, nicht polemisch zu reagieren, sondern sich mit dem Gedankengang auseinanderzusetzen, auch wenn Sie ihn nicht teilen –, weil das Volksbegehren ein Instrument der direkten Demokratie ist. Ich glaube daher, daß es richtig ist, es in seiner gesamten Struktur auch dabei zu belassen, daß es ein Instrument der Bürgerinnen und Bürger bleibt. Ich habe es daher immer – ich weiß nicht, ob immer schon, aber sobald ich mich damit beschäftigt habe, also seit sehr langer Zeit schon – für falsch gehalten, daß Parlamentarier ein Instrument der direkten Demokratie in Anspruch nehmen, wenn sie dasselbe über einen anderen Weg, nämlich über ihre Rechte, über das Initiativrecht, genauso erreichen können, denn damit ist die Gefahr, daß etwas instrumentalisiert, ja sogar mißbraucht wird, viel größer und man gibt auch die falsche Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger.

Aus diesem Grunde haben wir bereits vor einem Jahr den Antrag gestellt, daß die Möglichkeit, ein Volksbegehren durch Abgeordnete einleiten zu lassen, nicht mehr bestehen soll. Sie haben sich ein Jahr lang um diesen Antrag nicht geschert. Jetzt war er Ihnen so wichtig, daß Sie nicht einmal einen Unterausschuß zu diesem Punkt haben wollten und gesagt haben, er gehöre sofort beschlossen. Soviel zu Ihrer Glaubwürdigkeit!

Auf Herrn Stadler möchte ich deswegen kurz eingehen, weil es schon bezeichnend ist, daß er gesagt hat, es gäbe überhaupt keine Begründung dafür, daß sich die Zahl der Unterstützungserklärungen an der Wohnbevölkerung orientiert. Für ihn, für seine Denkungsart gibt es keinen Grund. Für uns gibt es sehr wohl einen Grund dafür, und zwar den, daß Rechte und Pflichten unter den Betroffenen ausgewogen sein sollen und sich nicht daran orientieren sollen, welche Staatsangehörigkeit jemand hat. Sie haben sich daran zu orientieren, wie betroffen jemand ist. Selbstverständlich gehören daher auch ausländische Mitbürger dazu. Das halte ich für richtig.

Nun möchte ich einen Abänderungsantrag einbringen, weil ich es für unnötig halte, hier mit Promillezahlen zu arbeiten. Nehmen wir doch eine ganz konkrete Zahl, sagen wir, 8 000 Unterschriften sollen es sein! Unseren Antrag kann ich aus Zeitgründen jetzt nicht mehr verlesen. Die Uhr ist schon wieder kaputt, und daher blinkt es bei mir am Rednerpult nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Uhr ist nicht kaputt, sondern es sind noch 5 Minuten und 10 Sekunden Zeit, und daher blinkt die Uhr nicht.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Danke vielmals, das beruhigt mich sehr. Ich werde den Antrag trotzdem nicht verlesen, sondern ich sage, daß es um diese 8 000 Unterschriften geht.

Im übrigen möchte ich noch etwas anregen, und wir werden das dann zur Abstimmung stellen, obwohl wir wissen, daß die Mehrheit nicht mitgehen wird, aber ich halte es für gescheit, daß die Altersgrenze jedenfalls bei der Einleitung und Durchführung eines Volksbegehrens auf 16 Jahre gesenkt wird, und zwar wieder aus dem Gefühl heraus, daß das Demokratiebewußtsein so früh wie möglich entwickelt werden soll. Ich glaube, daß durch den Gebrauch der Instrumente der direkten Demokratie dieses Gefühl entwickelt wird und daß dadurch auch ganz andere Verantwortlichkeiten entstehen. Daher lautet unser Vorschlag: 16 Jahre als Altersgrenze, um Volksbegehren unterstützen zu können. Ich lade Sie ein, ihm zuzustimmen. Er wurde im Ausschuß nicht diskutiert. Es war auch niemand bereit dazu, sich irgendeinen neuen Vorschlag anzuhören.

Der zweite Punkt sind die von mir schon genannten 8 000 Unterschriften. Diese beiden Punkte werden in unserem Antrag enthalten sein.

Ich muß jetzt einfach noch sagen, wo ich die großen Mankos in diesem Demokratiepaket sehe. Ein Manko liegt darin, daß wir die Kontrollinstrumente, die wir im Parlament haben, wegen Diskussions- und Antwortverweigerung nicht einmal tauglich einsetzen können. Ich nehme an, daß Kollege Wabl als Vorsitzender des Rechnungshofausschusses Ihnen hier das eine oder andere in Erinnerung rufen wird, bei dem wir das Gefühl haben, daß die Kontrollmöglichkeit des Parlaments blockiert wird, abgebogen wird, einfach abgeschnitten wird, sodaß daher Kontrolle nicht ausgeübt werden kann. Das gleiche ist übrigens bei der Volksanwaltschaft der Fall. Darauf habe ich gestern schon Bezug genommen.

Bevor ich zu den weiteren parlamentarischen Instrumenten komme, die ich an den Schluß meiner Ausführungen setzen möchte, möchte ich noch auf den Verfassungsgerichtshof hinweisen. Das ist ein großer Block, bei dem wir jetzt nur einen Teil herausnehmen mit einer Enquete, bei der es um die dissenting opinion geht. Wir reden von Kontrollinstanzen. Das gehört zur Demokratie dazu. Der Verfassungsgerichtshof ist ein wesentliches Kontrollinstrument, und das bedeutet, daß es funktionieren muß. Das hängt auch sehr stark mit der Bestellung zusammen. Der derzeitige Bestellungsvorgang ist nicht einer, der der Stärkung der Kontrollinstrumente dient. Das hat mehrere Gründe.

Ich empfinde im übrigen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als zunehmend politisch. Das Verfassungsgerichtshofurteil in der Familienrechtssache war für mich ein Paradebeispiel dafür. Da schätze ich die sachgerechte Begründung für geringer ein als die ideologische Befangenheit, die dahinter gestanden ist, und ich werde nicht müde, das bei jeder Gelegenheit zu erwähnen.

Ich halte es für notwendig, daß dem Bestellungsvorgang ein Hearing vorausgeht, so wie das Parlament bereits eines macht. Auch wenn das Ergebnis nicht immer eines ist, mit dem die Opposition oder die Liberalen einverstanden sind, so halte ich das für einen richtigen Schritt. Wir hätten es notwendig gehabt, die Regierung dazu zu verpflichten, und wir werden einen Entschließungsantrag einbringen mit der Forderung, die Regierung dazu zu verpflichten, ein Hearing durchzuführen, bevor der Präsident oder der Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes bestellt wird.

Außerdem sehe ich überhaupt nicht ein, warum das Vorschlagsrecht für den Präsidenten und Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofes ein Privileg der Regierung sein soll. Wieso ist das nicht Sache der Parlamentarier? Gerade darüber, wie die Aufteilung dieses Bestellungsvorganges und all das miteinander in Einklang zu bringen ist, sollten wir auch einmal diskutieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie sehen, daß ich mit der Zeit gar nicht auskomme, ich hätte noch viele Punkte gehabt, die ich in diesem Zusammenhang hätte relevieren wollen. Sie haben eine Diskussion nicht zugelassen, und das ist offensichtlich Ihr Demokratieverständnis! (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.)

14.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin, da keine Anträge eingebracht wurden, ist Frau Abgeordnete Dr. Cordula Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.20

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Ich werde Sie nicht enttäuschen, Herr Kollege Wabl! – Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz zur Novelle zur Bundespräsidentenwahlordnung und auch zur Änderung des Volksbegehrengesetzes äußern. Ehe ich aber auf die Bundespräsidentenwahlordnung eingehe, möchte ich vorweg aus einem Artikel von Erwin Zankl vom 13. März 1998 zitieren, und zwar deshalb, weil mir gerade die Situation, die wir damals hatten, besonders schmerzlich und demokratiepolitisch besonders bedenklich erschien. Erwin Zankl schrieb damals – ich zitiere –:

Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich, heißt es in der Verfassung. Wenn es jedoch um das höchste Amt im Staat geht, gibt es gleichere Bürger. Die Normalsterblichen müssen Schikanen auf sich nehmen, wenn sie einen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten unterstützen wollen. Sie müssen persönlich vor der Gemeindebehörde erscheinen, um ihre Unterschrift beglaubigen und ihre Eintragung in der Wählerevidenz bestätigen zu lassen. Sie dürfen nur einen Kandidaten unterstützen, und ihre Unterschrift zählt auch nur einmal. Die Abgeordneten zum Nationalrat sind die Gleicheren. Fünf Unterschriften genügen für eine Kandidatur, während ein Bewerber ohne nationalrätliche Protektion 6 000 Unterschriften sammeln muß. Nicht genug damit. Die Abgeordneten können beliebig oft unterschreiben und ihren Günstlingen jeweils 25 000 Unterstützungen zuschanzen, was für die Reihung auf dem Stimmzettel wichtig ist. – Und so weiter. – Zitatende.

Mit der heutigen Novelle werden wir dieses Relikt des Klassenwahlrechtes abschaffen. Das ist ein Kurienwahlrecht, ein Klassenwahlrecht. (Abg. Wabl: Die Klasse der Abgeordneten?) – Ja, die Klasse der Abgeordneten, die mit einer besonders hohen Wertigkeit, nämlich der von 25 000 Stimmen, ausgezeichnet wird. (Abg. Wabl: Die Klasse wird nur durch die Geburt bestimmt und durch das Kapital! – Abg. Öllinger: Wozu sitzen wir denn da?!)

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie noch einmal an die Bundespräsidentenwahl 1998. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP, den Grünen und dem Liberalen Forum.) Es war demokratiepolitisch empörend, daß bei den Unterstützungserklärungen für den Bundespräsidentenkandidaten, wie gesagt, zwei Klassen von Bürgern geschaffen wurden und daß eine Stimme eines Abgeordneten zum Nationalrat so viel zählte wie 25 000 Stimmen von Normalbürgern.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Ist die Stimme der Frau Schmidt wirklich 25 000mal mehr wert als die Stimme eines Normalbürgers? (Abg. Dr. Schmidt: Sie kennen das Wahlrecht nicht, Frau Kollegin! Lesen Sie das Wahlrecht, dann wissen Sie, was damit gemeint ist!) Ist sie wirklich 25 000mal mehr wert als die Stimme von Herrn oder Frau Österreicher? (Beifall bei der ÖVP.) Ist sie wirklich 25 000mal mehr wert als, sagen wir – weil ich gerade meinen Klubobmann in der ersten Reihe sehe –, eines wahlberechtigten, aufrechten Tiroler Schützen? – Ich vermag das nicht zu verstehen. (Abg. Dr. Khol: Ich bin kein Schütze!)

Meine Damen und Herren! Das Kurienwahlrecht wurde an und für sich bereits im Jahre 1907 abgeschafft, aber für die Frau Schmidt schaffen wir das Kurienwahlrecht erst heute ab. (Lebhafte Zwischenrufe der Abgeordneten Smolle und Mag. Barmüller. – Abg. Wabl: Kein Normalbürger darf dort unten beim Rednerpult stehen! Der wird von den Ordnern hinausgeworfen!) Daher war es mir ein dringendes, wichtiges Anliegen, daß das endlich beschlossen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Es macht mich besonders betroffen, Frau Dr. Schmidt, daß gerade Sie ein so feudales und demokratiepolitisch bedenkliches Privileg in Anspruch nehmen. Ich empfinde es als eine besondere Provokation, daß dieselbe Abgeordnete nicht nur ihre Konkurrentin, sondern auch noch sich selbst unterstützt hat, daß also ihre Stimme de facto 50 000 Normalbürgerstimmen wert war. Daher vermag ich auch wirklich nicht zu verstehen, warum Sie, Frau Dr. Schmidt, diesem Gesetz nicht zustimmen können. Auch wenn Sie erklären, daß es nicht Ihr höchstpersönliches Anliegen ist, das hier weiter aufrecht zu erhalten, wird es Ihnen trotz allem niemand glauben. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Zusammenhang mit der Novelle zur Bundespräsidentenwahlordnung möchte ich noch folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend den Gesetzesantrag im Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 854/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (1394 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

In Ziffer 9 des Antrages lautet der Abs. 4 § 10 des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971 wie folgt:

"Die Stimmabgabe im Ausland kann unmittelbar nach Erhalt der Wahlkarte, die Stimmabgabe für den zweiten Wahlgang frühestens am elften Tag nach dem Wahltag des ersten Wahlgangs erfolgen."

*****

Meine Damen und Herren! Ich finde es auch höchst an der Zeit, daß beim Volksbegehrengesetz die Privilegierung der Abgeordnetenstimmen endlich entfällt. Diese Privilegierung wurde unter anderem mehrfach von Dr. Haider für Parteibegehren mißbraucht. Wie schon der Name sagt, soll es sich ja um ein Volksbegehren und nicht um ein Parteibegehren handeln. Daß diese Parteibegehren übrigens nur mäßig erfolgreich waren, ist angesichts der Kosten, die der öffentlichen Hand damit verursacht wurden, nur ein schwacher Trost.

Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten haben, wie wir wissen, die Möglichkeit der Initiativanträge und anderer geschäftsordnungsmäßiger Instrumentarien, die sie nützen sollen, statt – unter Anführungszeichen – "Volksbegehren" zu mißbrauchen. Es ist aber irgendwie augenfällig, daß sowohl Frau Dr. Schmidt als auch Herr Dr. Haider, jeder auf seine Weise, mit ihren Abgeordnetenprivilegien eigentlich demokratiepolitische Instrumentarien mißbrauchen. (Abg. Dr. Graf: Das ist absolut schwach! Wie die ÖVP das Konferenzzentrum-Volksbegehren gemacht hat, was war denn das?! Aber das ist die Scheinheiligkeit der ÖVP! Ich komme ohnehin noch darauf zurück. – Abg. Dr. Khol: 1,4 Millionen Unterschriften! Das größte Volksbegehren aller Zeiten!)

Herr Kollege Graf! Ich habe Ihnen schon gesagt, es ist wirklich eine Befriedigung gewesen, daß die Volksbegehren, die Sie initiiert haben, so wenig erfolgreich waren. Es wundert mich auch nicht, daß Sie sich ob der Kosten, die Sie damit verursacht haben, gar nicht genieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Kalauer! Den Holler, den Sie da verzapfen, können Sie dem ... erzählen!)

Daß dieses Demokratiepaket, das wir heute beschließen, natürlich nur ein Mosaikstein in der gesamtdemokratiepolitischen Diskussion ist, ist hier auch schon von Kollegin Hlavac erwähnt worden. Wir werden selbstverständlich auch in Zukunft über andere demokratische Einrichtungen diskutieren. Wir werden vor allem überlegen müssen, warum die Wahlbeteiligung weiter im Sinken begriffen ist. (Abg. Haigermoser: Weil es Abgeordnete gibt wie Sie! Die würde ich auch nicht wählen!)

Wir werden ganz generell über die Wahlordnung zu diskutieren haben, wir werden über das Wahlalter debattieren, wir werden über die Selbstkontrolle bei der Abstimmungs- und Gesetzesmaschinerie sprechen und wir werden natürlich auch über das Anforderungsprofil der politischen Repräsentanten diskutieren müssen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Intelligenztest!)

14.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag Dr. Kostelka, Dr. Khol, der von Frau Abgeordneter Dr. Frieser hier vorgetragen wurde, ist ausreichend unterstützt. Er bezieht sich auf die Novelle zum Bundespräsidentenwahlgesetz und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

14.29

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Wahlordnungen und die dafür vorliegenden Änderungen lassen in einigen Punkten zumindest einen Ansatz dafür erkennen, daß Sie auch behinderte Menschen als Wähler ansehen. Bei der Bestimmung, die jetzt aufgenommen wurde, wonach nach Möglichkeit und Maßgabe der baulichen Gegebenheiten in jeder Gemeinde zumindest ein Wahllokal barrierefrei sein soll, haben Sie von den Koalitionsparteien wenigstens – das möchte ich ausdrücklich erwähnen – einen Gedanken an solche Wählerinnen und Wähler verloren, die mobilitätsbehindert sind.

Meine Damen und Herren! Es ist aber ganz einfach zu wenig, wenn es in einer Gemeinde oder in einem Bezirk nur ein Wahllokal geben soll, das barrierefrei ist – und das nur nach Maßgabe der Möglichkeiten. Haben Sie wirklich vergessen, daß wir am 9. Juli 1997 eine Verfassungsbestimmung beschlossen haben, die die Gleichstellung behinderter Menschen vorsieht? – Aufgrund dieser Verfassungsbestimmung müßte es doch bitte möglich sein, festzuschreiben, daß alle Eintragungsorte barrierefrei zugänglich sein müssen! Es müssen auch entsprechende, geeignete Leitsysteme für blinde und schwer sehbehinderte Menschen zur Verfügung stehen.

Sie können natürlich sagen: Ein Wahllokal pro Gemeinde ist besser als gar nichts; da gebe ich Ihnen recht. Aber ein Wahllokal pro Gemeinde ist eindeutig zu wenig, wenn Sie bedenken, wie viele Wahlsprengel es in einer Gemeinde oder in einer Stadt gibt. Sie können doch nicht verlangen, daß jemand, der mobilitätsbehindert ist, vier oder fünf Kilometer durch die halbe Stadt reisen muß – noch dazu an einem Wahlsonntag, an dem kaum Busse verkehren –, um dort die Möglichkeit der Stimmabgabe wahrnehmen zu können. Das ist eindeutig zu wenig! Ich habe deshalb auch drei Abänderungsanträge vorbereitet, mit der Forderung, daß alle Wahllokale barrierefrei erreichbar sein müssen. Diese Abänderungsanträge beziehen sich auf die Nationalrats-Wahlordnung, auf die Europawahlordnung und auf das Volksbegehrengesetz.

Meine Damen und Herren! Beim Volksbegehrengesetz halten Sie es offenbar gar nicht mehr für notwendig, daß auch behinderte Menschen ihre Unterschrift leisten können. Frau Rauch-Kallat! Ich frage Sie: Warum nicht? (Abg. Rauch-Kallat: Warum haben Sie überhaupt keine Initiative gesetzt? Das kommt sehr spät! Ich hätte mir eigentlich erwartet, daß die Grünen viel aktiver werden!)

Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß im Verfassungsausschuß ein Entwurf zum Behindertengleichstellungsgesetz – Sie wissen das ja auch als Mitglied der Arbeitsgruppe –, das selbstverständlich nur im Verfassungsausschuß beschlossen werden kann, nach wie vor ansteht. Frau Rauch-Kallat! Sie waren zwar diejenige, die sich dankenswerterweise für die Verfassungsbestimmung eingesetzt hat, aber unsere Forderung nach einem Behindertengleichstellungsgesetz liegt noch immer im Verfassungsausschuß und wird nicht behandelt.

Deshalb meine Frage, Frau Rauch-Kallat: Warum gilt das nicht für das Volksbegehrengesetz? Warum sollen behinderte Menschen keine Möglichkeit haben, bei einem Volksbegehren in einem barrierefreien Lokal ihre Unterschrift abzugeben? Ich habe daher einen weiteren Abänderungsantrag vorbereitet. Dieser bezieht sich auf das Volksbegehrengesetz und beinhaltet, daß alle Eintragungsorte auch bei Volksbegehren barrierefrei zugänglich sein und Leitsysteme für blinde und schwer sehbehinderte Menschen haben müssen. (Abg. Rauch-Kallat: Hätten Sie Anträge gemacht!)

Frau Rauch-Kallat! Ich würde mir wünschen, daß der Verfassungsausschuß schon bald über die Erstellung der Schablonen bei Nationalratswahlen berät. Es wäre gut, die Verhandlungen darüber schon jetzt aufzunehmen, um zu überlegen, wie solche Schablonen ausschauen können, damit sie nicht bei jeder Wahl neu gestanzt werden müssen. Sicher gibt es dafür bereits gewisse Leitsysteme. Man sollte sich auch den Zeithorizont überlegen. Ich glaube, es müßte möglich sein, daß es bis zum Jahre 2003, wenn wahrscheinlich die übernächsten Nationalratswahlen stattfinden werden, entsprechende Schablonen gibt, die sehbehinderten und blinden Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Möglichkeit ihres Wahlrechtes geben.

Einen positiven Punkt möchte ich noch herausstreichen. Es liegt mir schon lange am Herzen, daß es endlich nicht mehr die Aufgabe des Arztes ist, zu beurteilen, ob jemand wählen kann oder nicht, sondern daß die Entscheidung, ob jemand aufgrund seiner körperlichen Situation wahlfähig ist oder nicht, dem einzelnen überlassen wird, und daß nicht mehr vom Arzt bestimmt wird, dieser darf wählen und jener nicht. Das betrachte ich als einen großen Fortschritt, denn diese Arztentscheidung war eine massive Entmündigung, speziell für Menschen in Altenheimen und in Krankenhäusern.

Ich würde mir wünschen, daß man nicht bei diesem guten Ansatz der Barrierefreiheit der Wahllokale stecken bleibt, sondern daß dieser Ansatz rasch weiterentwickelt wird, nämlich dahin gehend, daß alle Wahllokale, wie schon erwähnt, barrierefrei sein müssen, und zwar sowohl für Nationalratswahlen als auch für Bundespräsidentenwahlen, für Europawahlen und selbstverständlich auch für Volksbegehren. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Motter.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, wollten Sie nicht einen Antrag einbringen?

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Danke, Herr Präsident.

Ich bringe folgende drei Abänderungsanträge ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und FreundInnen betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Khol, Dr. Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird (853/A), in der Fassung des Ausschußberichtes, 1395 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 853/A wird wie folgt geändert:

In Artikel I Ziffer 8 ist in § 7 Abs. 1 folgender 4. Satz einzufügen:

"Die Eintragungsorte müssen barrierefrei zugänglich sein und geeignete Leitsysteme für blinde und schwer sehbehinderte Wähler vorsehen."

*****

Ein weiterer Abänderungsantrag bezieht sich auf die Europawahlordnung und lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und FreundInnen betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Khol, Dr. Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird (852/A), in der Fassung des Ausschußberichtes, 1397 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 852/A wird wie folgt geändert:

Artikel I, Ziffer 6 wird wie folgt geändert und lautet:

"6. In § 39 wird folgender Absatz 6 eingefügt, der bisherige Abs. 6 erhält die Bezeichnung Abs. 7:

(6) Seitens der Wahlbehörde ist sicherzustellen, daß in jedem Wahlsprengel zumindest ein für körperbehinderte Wähler barrierefrei erreichbares Wahllokal vorhanden ist. Für blinde und schwer sehbehinderte Wähler sind geeignete Leitsysteme vorzusehen."

*****

Der dritte Antrag bezieht sich auf die Nationalrats-Wahlordnung und lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und FreundInnen betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Khol, Dr. Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird (856/A), in der Fassung des Ausschußberichtes, 1396 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 856/A wird wie folgt geändert:

Artikel I, Ziffer 6 wird wie folgt geändert und lautet:

"6. In § 52 wird folgender Absatz 5 eingefügt, der bisherige Abs. 5 erhält die Bezeichnung Abs. 6:

(5) Seitens der Wahlbehörde ist sicherzustellen, daß in jedem Wahlsprengel zumindest ein für körperbehinderte Wähler barrierefrei erreichbares Wahllokal vorhanden ist. Für blinde und schwer sehbehinderte Wähler sind geeignete Leitsysteme vorzusehen."

*****

Ich bitte Sie, diese Abänderungsanträge zu unterstützen, denn nur so kann es gelingen, daß der Ansatz, der jetzt gegeben ist, weiterentwickelt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Motter.)

14.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die soeben verlesenen Anträge sind ordnungsgemäß unterstützt und stehen mit in Verhandlung. Kollege Wabl! Ich würde anregen, daß der Gesetzestext den Erläuterungen angeglichen wird, denn in den Erläuterungen ist von "Wählerinnen und Wählern" die Rede, aber im Gesetzestext immer nur von den "Wählern". Das ist sicher nicht im Sinne der Antragsteller. (Abg. Dr. Schmidt: Aber im Sinne der Gesellschaft!)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson. – Bitte.

14.37

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich kann an die Ausführungen der Frau Haidlmayr nahtlos anschließen, sehe die Frage aber etwas weiter gespannt. Denn meiner Meinung nach ist jede Maßnahme, die wir im Sinne des leichteren Zugangs von behinderten Menschen treffen, eine Maßnahme, die eigentlich für alle da ist. Denn es gibt eine Reihe von Menschen, die nicht als behindert anzusehen sind, aber zum Beispiel durch einen Unfall temporär nicht so beweglich sind, nicht so gut sehen oder nicht so gut hören wie gesunde Menschen. Daher glaube ich, daß es sehr notwendig ist, mehr Sensibilität zu entwickeln und sich alle Wahllokale unter diesem Blickwinkel anzuschauen.

Ich war zum Beispiel bei der letzten Bundespräsidentenwahl in einem Sprengelwahllokal im zweiten Stock, ohne Lift. Es war zwar offiziell der erste Stock, aber die Wiener Gebäude sind eben mit Halbstock, Mezzanin und allem möglichem versehen. Das war unzumutbar, und zwar für eine weitaus größere Zahl von Wählerinnen und Wählern, als es etwa die Gruppe der Behinderten ist!

Daher bin auch ich dafür – und wir werden heute entsprechende Änderungen beschließen –, daß man sich diese Dinge genauer anschaut und daß auch Leitsysteme installiert werden. Leitsysteme sind ja nicht nur für Sehbehinderte nützlich, sondern dienen auch jenen Menschen, die verständlicherweise verwirrt sind, wenn sie in das Gebäude hineinkommen und sich anhand irgendwelcher oranger Streifen, auf denen dann irgendwo klein handgeschrieben das Wahllokal drauf steht, orientieren sollen! Oft muß man dreimal nach dem Weg fragen. Daher ist ein Leitsystem für eine viel größere Anzahl von Menschen sehr wichtig.

Was die Schablonen für die Nationalrats-Wahlordnung betrifft, so meine ich, daß das nicht der Weisheit letzter Schluß ist.

Deshalb wollten wir uns nicht damit zufriedengeben, daß man sagt: Das ist zu kompliziert!, und: Das geht nicht!, sondern die Entschließung ernst nehmen, darüber noch einmal nachzudenken. Ich habe mich erkundigt, es wird etwas geschehen. Die Wahlzettel sind auch für Nichtbehinderte ein bißchen kompliziert gestaltet – um es jetzt vornehm auszudrücken. Auch diesbezüglich sollte man einmal im allgemeinen darüber nachdenken, wie das graphisch anders gelöst werden kann, und dann in diesem Zusammenhang entsprechende Maßnahmen für die schwer Sehbehinderten und Blinden setzen.

Der zweite Punkt in diesem Gesetzespaket, auf den ich näher eingehen will, weil er sonst untergeht, ist folgender: Endlich werden die weiblichen Funktionsbezeichnungen im Gesetz festgeschrieben. Der Bundespräsident kann auch eine Bundespräsidentin sein – wenn es eine Kandidatin gibt. Wir haben ja schon Kandidatinnen gehabt. (Abg. Dr. Schmidt: Es gibt auch Landeshauptfrauen!) Damit wird eine längst fällige und von der Realität überholte Regelung geändert, eine gesetzesmäßige Reparatur vorgenommen.

Dritter Punkt: Das Gesetzespaket enthält eine Reihe von Erleichterungen im Hinblick auf das Wahlrecht der Auslandsösterreicher. Man kann in Zukunft die Unterstützungserklärung für Kandidaten bei Wahlen vom Ausland aus leichter durchführen. Statt zwei Zeugen genügt ein Zeuge. Im Rahmen der EU-Wahlordnung gelten auch Unionsbürger als Zeugen. Also es gibt eine Reihe von Erleichterungen für die Auslandsösterreicher, und diese registrieren das auch.

Sie registrieren aber auch andere Dinge, und ich muß sagen, daß bei einer großen Gruppe von Auslandsösterreichern Besorgnis herrscht im Hinblick auf einige Äußerungen, die zu machen Herr Dr. Haider am 9. September in Pörtschach wieder nicht unterlassen konnte. Es handelt sich um seine Äußerungen bezüglich Gleichstellung der Opfer des Holocaust mit den Heimatvertriebenen.

Ich möchte das hier wirklich ganz genau festhalten. Am 9. September erfolgte diese Gleichstellung. Als dann in der "ZiB 2" – und es waren keine linken, vom Staat ausgehaltenen Journalisten, die da irgend etwas geschrieben haben, sondern es war der Originalton – nachgefragt wurde: Sie stellen die Sudetendeutschen und das Unrecht, das an den Juden geschehen ist, gleich?, sagte Herr Dr. Haider: Selbstverständlich.

Danach gab es gerechtfertigterweise – Gott sei Dank! – massive Empörung ob dieser Gleichstellung. Aber am 13. September – und das ist die Taktik des Dr. Haider – hat er die Vernebelungsmaschine wieder angeworfen und in der "Pressestunde" festgestellt: Nein, nein, so habe er das nicht gemeint, er habe ja nur gemeint, die Opfer seien alle gleich, und er wolle nicht aufrechnen – um dann genau das zu machen, nämlich aufzurechnen! Er zitierte nämlich das "Schwarzbuch des Kommunismus", das sage – wieder O-Ton Haider –: Der Stalinismus war schlimmer als Hitlers Holocaust. Das "Schwarzbuch des Kommunismus" ist ein eindeutiges Aufrechnungsbuch. Herr Dr. Haider rechnet damit, daß es niemand kennt und jeder sagt: Okay, so ist es.

Und wieder auf eine Nachfrage stellte er fest: Ja, Opfer sind halt gleich, nicht? Ob ich jetzt in einem KZ mißhandelt worden bin oder ob ich vertrieben worden bin von Zuhause – das ist original aus der "Pressestunde" –, geprügelt worden bin von den Tschechen, das interessiert die Opfer nicht, sondern die Frage ... – Zwischenruf des Journalisten: Na, "in einem KZ mißhandelt worden", da sind 6 Millionen Menschen umgebracht worden! – Herr Haider: Na ja, aber es geht ja nicht um die Zahl, ich bitte Sie!

Diese Relativierungen, dieses ewige Blinzeln nach rechtsaußen, dieses ständige Verharmlosen – das möchte ich hier in diesem Haus von diesem Rednerpult aus entschieden zurückweisen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Feurstein und Dr. Schmidt.)

14.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

14.45

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr "Demokratiestaatssekretär"! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Demokratiepaket – da muß ich Frau Kollegin Schmidt wirklich beipflichten – ist in Wahrheit kein solches, und das haben wir auch in all unseren Stellungnahmen immer wieder festgehalten. Dieser Ausdruck suggeriert, daß dem Volk mehr Rechte gegeben werden, aber das findet tatsächlich nicht statt. Zugegebenermaßen – und daher werden wir einiges mit tragen – werden einige wenige Privilegien von Mandataren, von Politikern beseitigt. Unseres Erachtens natürlich zu wenige. Aber sonst werden bei diesem Punkt keine Rechte der Bevölkerung abgehandelt.

Es gibt keine Regelung – aber die Diskussion darüber wird sicherlich geführt werden, wir werden sie in einem Unterausschuß oder aber auch im Verfassungsausschuß weiter in Gang halten –, wonach bei einem höchst erfolgreichen Volksbegehren verpflichtend eine Volksabstimmung stattfinden muß.

Es gibt keine Diskussion über die Senkung des Wahlalters; eine Diskussion, die sicherlich notwendig sein wird und die wir zu führen haben werden, weil es ganz einfach nicht angeht, daß ein großer Teil unserer Bevölkerung, der durchaus politisch sehr interessiert ist, von Wahlen ferngehalten wird. Dabei wird man sicherlich auch die Position von Minister Bartenstein als Jugendminister überdenken müssen, der ja schon medial in die Diskussion eingeworfen hat, daß man das Wahlalter auf kommunaler Ebene zwar senken möchte, allerdings erst nach Eintragung in die Wählerevidenz. Da müssen wir wirklich aufpassen, daß das nicht passiert! Unsere Vorväter haben nämlich nicht dafür gekämpft, daß wir ein geheimes, gleiches und allgemeines Wahlrecht haben, wenn dann Zustände eintreten, wonach sich eine gewisse Bevölkerungsgruppe, vielleicht jene zwischen 16 und 18 Jahren, in eine Wählerevidenz eintragen muß, um das Wahlrecht zu bekommen. Das leistet nämlich nur den durchorganisierten Jugendorganisationen Vorschub, die in den Parteiapparaten von Rot und Schwarz zuhause sind. Und genau das soll verhindert werden! Da werden wir als Opposition alle Hände voll zu tun haben, um diesen Vorschlägen brauchbare Gegenvorschläge entgegenzusetzen.

Es gibt auch keine echte Diskussion über die Erweiterung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft.

Was tatsächlich geschehen ist: Das Wahlrecht für Auslandsösterreicher ist erleichtert worden. Das freut natürlich die Kollegin Karlsson besonders, weil sie ja eine Nutznießerin dieser Wahlrechtsänderung ist, da ja im Wahlkreis Wien Innen-West, wo Sie ein Grundmandat errungen hat, die Auslandsösterreicher dazugezählt waren. (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson.) Genau das bestreite ich, Frau Kollegin Karlsson. Es wäre viel ehrlicher, wenn auch die SPÖ in diesem Wahlkreis mit einem Auslandsösterreicher kandidieren würde, denn ich glaube nämlich nicht, daß die Mehrheit der Auslandsösterreicher Sie gewählt hat. Die haben vielleicht die SPÖ gewählt, aber Sie als Kandidatin bestimmt nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die hätten viel lieber einen Auslandsösterreicher hier in diesem Hause und nicht die Kollegin Karlsson – das würde ich mich zu wetten getrauen. Aber es steht mir nicht zu, das zu kritisieren; Sie sind gewählt, und Sie sind eine Kollegin, und das ist durchaus in Ordnung so, und es freut mich auch, daß wir die politische Auseinandersetzung führen können.

Aber eines möchte ich Ihnen sagen aufgrund Ihrer Unterstellungen, die Sie sich vorhin geleistet haben: Sie messen mit zweierlei Maß, wenn es darum geht, Opfer zu betrachten oder sonstige Mißstände, die noch nicht beseitigt sind, anzuprangern. Sie messen mit zweierlei Maß! (Abg. Dr. Karlsson: Dr. Haider mißt mit zweierlei Maß!)

Eine Spitzenvertreterin des Liberalen Forums hat gestern im "Standard" einen Leserbrief veröffentlicht, in dem sinngemäß steht, daß die vertriebenen Sudetendeutschen quasi noch etwas zurückzahlen müßten, weil es ihnen in Wirklichkeit viel, viel besser gehe als den in Tschechien verbliebenen Tschechen! Sie hätten durch ihre Vertreibung überhaupt erst das Glück gehabt, in den Genuß des "goldenen Westens" zu kommen! – Das ist zynisch, und ich würde mir erwarten, daß Sie das anprangern. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist Zynismus pur, denn dabei wird vergessen, daß 241 000 Tote auf dem Weg von Prag und Brünn nach Wien zurückgeblieben sind! (Abg. Koppler: Das stimmt schon, aber wie hat es denn angefangen?)

Daß die Haltung des Liberalen Forums in diesem Punkt sehr, sehr zwiespältig ist, haben wir in diesem Hohen Haus schon oft gemerkt. Wenn Sie aber jetzt auch beginnen, in dieser Kategorie zu denken, Frau Kollegin Karlsson, dann möchte ich Ihnen schon raten: Es stünde Ihnen als sogenannter Mandatarin für Auslandsösterreicher gut an, auch einmal anzuerkennen, daß diesen Menschen ebenfalls endlich Menschenrechte zugestanden werden müssen – genauso wie allen anderen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Karlsson: Daß der Holocaust verniedlicht wird, das macht der Dr. Haider! Er verniedlicht den Holocaust! Wir haben andere Ansichten!)

Sie haben sich hier vom Rednerpult aus nicht gegen diesen Leserbrief der Spitzenvertreterin des Liberalen Forums ausgesprochen, sondern wieder versucht, mit falschen Zitaten und falschen Unterstellungen etwas hier in dieses Hohe Haus hereinzubringen, was in Österreich gar nicht stattfindet. Das sage ich Ihnen auch hier und heute. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Öllinger: Bitte, was ist eine "falsche Unterstellung"?)

Wenn die Kollegin Hlavac – das möchte ich auch noch sagen – heute hier gemeint hat, daß im Rahmen einer Demokratiereform eine Geschäftsordnungsdebatte abgeführt werden soll, dann ist das fast eine gefährliche Drohung, denn wir haben erst die letzten Geschäftsordnungsdebatten und auch -beschlüsse hinter uns. Diese sind alle zu Lasten der Opposition gegangen, nämlich der wirklichen und einzigen Opposition. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Wabl: Die einzige, wahre, blaue Opposition!)

Auch Kollegin Frieser hat heute gefragt: Warum ändert man das Volksbegehrengesetz denn wirklich? – Die einzige Änderung findet in dem Punkt statt, daß man eben verhindern will, daß die FPÖ dieses Privileg in Anspruch nimmt. Kollegin Frieser hat es auch so benannt. Sie hat gesagt, die FPÖ habe vergessen, daß die ÖVP die gleichen Rechte über Jahre hindurch immer wieder in Anspruch genommen hat. Wenn die ÖVP, das Liberale Forum oder die Grünen sie in Anspruch nehmen, dann ist es gut und dann ist es demokratisch. Wenn aber die FPÖ ein gesetzlich zugestandenes Recht in Anspruch nimmt, dann muß man natürlich die Verfassung ändern, das ist ganz klar! Das ist eine wirklich kurzsichtige Geisteshaltung; das sage ich Ihnen, meine Damen und Herren Kollegen! Denn diese Geisteshaltung ist tatsächlich demokratiefeindlich, und das werden Sie auch noch erkennen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und was das finanzielle Argument betrifft: Wir als Freiheitliche Partei und auch die Bürgerinitiativen leben davon, daß man immer wieder sagt, Volksbegehren kosten Geld, zuviel Geld, und man laste dem Steuerzahler etwas auf. Aber heute beschließt die Koalition, daß man für die erfolgreiche Bestreitung eines Volksbegehrens zusätzlich noch Geld bekommt, also man macht das noch teurer. Das ist für mich unverständlich. Und dies in einer Zeit wie heute dann auch noch, ohne Belege darüber vorlegen zu müssen, wie hoch die tatsächlichen Kosten waren.

Es ist richtig, wie Frau Kollegin Schmidt sagte, daß es hier kein Demokratiepaket zu verhandeln gibt. Es wäre aber auch sinnlos gewesen, diese wenigen marginalen Punkte in einen Unterausschuß zu verweisen. Die anderen Fragen werden wir dort diskutieren. Insbesondere werden wir uns in dieser Diskussion gegen Ihren Vorschlag, das Mehrheitswahlrecht einzuführen, sehr verwahren. Das haben Sie nämlich im Ausschuß permanent forciert. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Schmidt gemeldet. Ich mache auf die Redezeit von 2 Minuten aufmerksam. – Bitte.

14.52

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Hohes Haus! (Abg. Haigermoser: Max Stadler in Bayern ...! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Sie haben offenbar nicht gesehen, welches Wahlergebnis Ihr Freund, der Herr Brunner, eingefahren hat! (Abg. Haigermoser: Bei der Schwesterpartei in Bayern spielt das Wahlergebnis keine Rolle!)

Herr Abgeordneter Graf hat behauptet, daß es mein Vorschlag sei, das Mehrheitswahlrecht einzuführen. – Dies ist unrichtig. Er weiß das auch, denn ich habe das bereits im Ausschuß richtiggestellt. Er hat es daher wider besseres Wissen gesagt. Ich habe mich wiederholt öffentlich im Ausschuß und bei jeder Gelegenheit engagiert gegen das Mehrheitswahlrecht ausgesprochen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

14.53

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Außer dieser programmatischen Deklaration des demokratischen Prinzips in Artikel 1 enthält das österreichische Verfassungsrecht vor allem Normen, die die Bestellung der gesetzgebenden Körperschaften sowie des Bundespräsidenten als oberstes Vollzugsorgan regeln. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Haider und Wabl.) – Vielleicht könnten die Herren ihre Diskussion beenden!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Kollege Wabl, Kollege Stadler, wenn eine Dame am Wort ist, dann werden wir ihr jetzt alle zuhören.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend): Auf dieser Grundlage des allgemeinen, gleichen, persönlichen und geheimen Wahlrechtes gestalten Wahlordnungen die administrativen und praktischen Abläufe von Wahlen. Wie in der von Univ.-Prof. Manfred Nowak und Professor Dr. Karl Korinek begutachteten Dissertation "Menschenrechte von Behinderten – Zur Stellung des behinderten Menschen im österreichischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte" von Dr. Philipp Wahl ausgeführt ist, wurde im bisher geltenden Wahlrecht den Grundrechten behinderter Menschen nur unzureichend Rechnung getragen.

Wörtlich heißt es: Die in der Verfassung niedergelegten Grundsätze des österreichischen Wahlrechtes sind durchaus nicht widerspruchsfrei, was am Beispiel des behinderten Menschen besonders deutlich wird. So geraten der Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts mit den Grundsätzen des persönlichen und geheimen Wahlrechts in einen Gegensatz, wenn eine körperlich schwer behinderte Person physisch nicht in der Lage ist, ihre Stimme ohne die Hilfe Dritter abzugeben.

Und weiter: In Durchführung des demokratischen Prinzips der Bundesverfassung muß daher der Gesetzgeber die einzelnen kollidierenden Wahlrechtsgrundsätze gegeneinander abwägen, bewerten und harmonisieren. – Zitatende.

Im Juli des vergangenen Jahres hat der Nationalrat sein Verständnis des Gleichheitsgrundsatzes in Artikel 7 der Bundesverfassung im Hinblick auf behinderte Menschen präzisiert: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik, Bund, Länder und Gemeinden, bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.

Bestand also nach Ansicht von Dr. Philipp Wahl bereits vor Inkrafttreten dieser Präzisierung Handlungsbedarf, so ist er nun umso größer.

Der Bundeskanzler hat vor diesem Hintergrund eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Aufgabe die Überprüfung der Rechtsordnung auf diskriminierende Vorschriften ist. An dieser Arbeitsgruppe nehmen neben den Ministerien auch betroffene Experten, vor allem aus der Initiative "Selbstbestimmt leben", sowie die Behindertensprecher der Parteien der Parlamentsklubs teil.

Das Protokoll der 5. Sitzung der Unterarbeitsgruppe Rechtsschutz bestätigt hinsichtlich des Wahlrechtes die Kritik Dr. Wahls. Und eigentlich – Frau Kollegin Haidlmayr ist jetzt nicht da – hätte ich erwartet, daß Frau Kollegin Haidlmayr, die ja Mitglied der Gruppe "Selbstbestimmt leben" ist, das Demokratiepaket zum Anlaß nehmen würde, gleich die entsprechenden Änderungen in Form von diesbezüglichen Anträgen einzubringen. Da das nicht geschehen ist, haben wir – nach einer angemessenen Wartefrist auf die Anträge der Frau Haidlmayr – seitens der ÖVP das Demokratiepaket zum Anlaß genommen, korrigierend einzugreifen. (Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Es geht dabei um folgende drei Punkte: die Wahlfreiheit von Anstaltspfleglingen, die Hilfestellung für blinde und sehbehinderte Menschen und die Barrierefreiheit der Wahllokale. Daß in diesem Zusammenhang das Volksbegehrengesetz nicht abgeändert werden sollte, war bitte keine Absicht, sondern ein Übersehen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß wir seitens unserer Fraktion einen entsprechenden gemeinsamen Antrag formulieren beziehungsweise einem solchen beitreten, wenn wir dazu eingeladen werden, oder ihm zustimmen. (Abg. Wabl: Das klingt schon wunderschön! Das klingt schon fast nach Demokratie!) Selbstverständlich ist es uns auch beim Volksbegehren ein Anliegen, daß die Lokale barrierefrei erreichbar sind.

Lassen Sie mich noch ganz kurz auf diese drei Punkte eingehen. Nach geltender Rechtslage besteht derzeit die Möglichkeit, daß Pfleglingen in Anstalten die Ausübung des Wahlrechts aus gewichtigen medizinischen Gründen durch einen Arzt untersagt werden kann. Dieser Passus wird nunmehr ersatzlos gestrichen, und durch die ersatzlose Streichung von § 72 Abs. 4 Nationalrats-Wahlordnung beziehungsweise § 58 Abs. 4 Europawahlordnung wird das Wahlrecht mit den Artikeln 23a Abs. 4 beziehungsweise 26 Abs. 5 der Bundesverfassung, wonach der Entzug des Wahlrechts allein aufgrund einer richterlichen Entscheidung erfolgen darf, in Einklang gebracht. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Zum zweiten Punkt: Bis vor kurzem konnten sehbehinderte und blinde Menschen ihr Wahlrecht nur mit Hilfe einer Vertrauensperson, also im Prinzip nicht geheim, ausüben. Seit einigen Jahren gibt es dank technischer Hilfsmittel Schablonen, die den Blinden und Sehbehinderten das geheime Wahlrecht sichern. Eine gesetzliche Verankerung dieser Hilfestellung gab es bisher nicht. Nunmehr wird für Bundespräsidentenwahlen sowie für die Wahlen zum Europäischen Parlament die Zurverfügungstellung von Wahlschablonen für blinde und sehbehinderte Menschen zwingend vorgeschrieben.

Im Hinblick auf Nationalratswahlen wird der Bundesminister für Inneres mit einer Entschließung ersucht, einen Vorschlag über geeignete Hilfsmittel zur selbständigen Ausübung des Wahlrechts für diese Personengruppen vorzulegen. Damit wird dem Recht blinder und sehbehinderter Menschen auf geheime Wahl Rechnung getragen.

Es ist allerdings gerade bei der Nationalratswahl weitaus schwieriger, weil es 43 Wahlkreise gibt, und so einfach, wie sich Frau Kollegin Haidlmayr das vorstellt, daß man für mehrere Wahlen dieselben Schablonen verwenden kann, ist es sicher nicht, das ist blauäugig. Es ist gerade auch der sozialdemokratischen Fraktion dafür zu danken, daß sie angekündigt hat, man werde danach trachten, daß es möglichst auch bei Nationalratswahlen eine Lösung gibt, die in der Kürze der Zeit technisch machbar wird.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Entschuldigen Sie, es ist jetzt 15 Uhr. Ich muß dann unterbrechen.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend): Darf ich noch einen Satz sagen? Dann bin ich mit meiner Rede am Ende.

Drittens wird bei diesem Antrag die Barrierefreiheit von Wahllokalen sowie die Notwendigkeit der Ausstattung von Wahllokalen mit Blindenleitsystemen als Grundsatz festgehalten.

Somit konnten die Beratungen der Arbeitsgruppe erste konkrete Ergebnisse im Rahmen des Demokratiepaketes erzielen, die uns der Gleichbehandlung behinderter Menschen im Sinne des Art. 7 ein Stück näher bringen, aber es ist nur ein erster Schritt, und ich glaube, es gibt noch eine Menge zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)

15.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich unterbreche jetzt die Verhandlungen zu den Punkten 2 bis 5 der Tagesordnung und rufe die Dringliche Anfrage 4886/J auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt, Mag. Helmut Peter, Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend überfällige Trendwende bei der Abgabenquote (4886/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Anfrage ist in der Zwischenzeit allen Abgeordneten zugegangen. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die Regierung befindet sich hinsichtlich ihrer Budget- und Steuerpolitik in einer Doppelmühle:

Die Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts und des Instituts für höhere Studien sind sich einig, daß das für nächstes Jahr angepeilte Budgetdefizit von 26 Prozent des BIP angesichts der guten Konjunktur zu hoch ist. Das Defizit darf höchstens bei 1 bis 1,5 Prozent zu liegen kommen, um den Spielraum zu erhalten, der in einer Abschwungphase den Erhalt des Stabilitätskriteriums von 3,0 Prozent des BIP absichert.

Übereinstimmend kommen die OECD und das Europäische Währungsinstitut (EWI) aber auch die Oesterreichische Nationalbank zu dem Schluß, daß auf längere Sicht eine nachhaltige Konsolidierung erreicht werden muß, um das strukturelle Defizit zu senken und die Stabilitätskriterien dauerhaft zu erfüllen. Zahlreiche Maßnahmen, die zu den bisherigen Erfolgen bei der Konsolidierung beigetragen haben, waren sogenannte Einmalmaßnahmen, deren Auslaufen bereits beschlossen ist, wie etwa die Sistierung von Freibetragsbescheiden, deren Ersatz durch nachhaltige Maßnahmen aber nicht erfolgt.

Gleichzeitig weist Österreich mit 45,7 Prozent des BIP eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten in der EU auf. Das Europäische Währungsinstitut stellt in seinem Konvergenzbericht dazu fest, daß diese bereits jetzt ein Niveau erreicht hat, das dem Wirtschaftswachstum schadet.

Der einzige Weg zur Einleitung einer Trendwende bei der Abgabenquote führt über nachhaltige Strukturreformen bei gleichzeitiger Senkung der Steuern und Abgaben.

Die Notwendigkeit einer Tarifreform als Kernstück einer umfassenden Steuerreform ist evident: Seit 1990 stiegen allein die Einnahmen aus der Lohnsteuer von 105,5 Milliarden Schilling auf 198 Milliarden Schilling, das ist eine Steigerung von 8 Prozent nominell, während die Wirtschaftsleistung im selben Zeitraum nominell um 38 Prozent wuchs. Das massive Anwachsen der Steuerleistungen aus der Lohnsteuer stellt gleichzeitig einen substantiellen Kaufkraftverlust dar, der sich nachteilig auf die Inlandsnachfrage und damit auf einen wichtigen Pfeiler des Wirtschaftswachstums auswirkt.

Die Regierung hat einerseits mit den Sparpaketen I und II sowie mit der Untätigkeit im Bereich der Anpassung der Auswirkungen der kalten Progression Belastungen für alle Bevölkerungsgruppen realisiert, um den Konsolidierungsbedarf kassamäßig darstellen zu können. Sie ist aber Konzepte schuldig geblieben, die andererseits den Druck auf die Konsolidierung ausgabenseitig vermindern.

Die Geschichte der Mißerfolge im Bereich der Einsparungen und des Rückbaus des Staates ist lang. Ein systematisches Hinterfragen, welche Aufgaben grundsätzlich vom Staat zu erfüllen sind bzw. welche Aufgaben unter den Überlegungen der Sparsamkeit, der Effizienz und der Produktivität von Privaten erfüllt werden können, ist unterblieben. Selbst die zeitweise Existenz eines eigenen Ministeriums hat daran nichts geändert. Trotz der Ankündigungen der Regierung, die Kosten für die Verwaltung des Staates jedenfalls nicht weiter steigen zu lassen, betragen die Ausgaben allein für die Personalkosten des Bundes mittlerweile rund 230 Milliarden Schilling, das ist bereits ein Drittel aller Ausgaben des Bundes. Eine Trendwende ist entgegen der politischen Aussagen der Regierungsparteien nicht in Sicht – vielmehr sind im Jahr 1997 die Personalausgaben wiederum gestiegen.

Es geht aber nicht nur um die nachhaltige Senkung des Gesamtaufwandes für die öffentlich Bediensteten, sondern auch um einen grundsätzlich anderen Zugang zur öffentlichen Verwaltung, mit anderen Worten um eine völlige Neuausrichtung der staatlichen Aufgabenerfüllung. Ein immer größer werdender Verwaltungsapparat will beschäftigt werden: Nach einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts beträgt alleine das Transfervolumen zwischen den Gebietskörperschaften bereits an die 300 Milliarden Schilling. Eine Neuorganisation dieser Finanzierungsströme könnte nicht nur substantielle Einsparvolumina beim Verwaltungsaufwand bringen, sondern auch die (Kosten-) Transparenz beträchtlich erhöhen.

Auch der kosten- und personalintensive Aufbau und Erhalt von Parallelstrukturen bei den Sozialversicherungsträgern und den Finanzverwaltungsbehörden erzeugt Reibungsverluste. Aufgrund der chaotischen Bestimmungen – als Ergebnis einer übereilten und in den Auswirkungen nicht bedachten Anlaßgesetzgebung – im Bereich der Werkvertragsregelung müssen sich diese Behörden gegenseitig in aufwendigen Datenabgleichverfahren informieren. Unter dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung und der Senkung der Staatsausgaben muß überlegt werden, solche Aufgaben und Funktionen oder zumindest Teile davon in einer Hand zu vereinen. Ein "windfall profit" dieser Reform wäre – konsequent und tabulos realisiert – der Ersatz einer Vielzahl von Einzelprüfungen (Lohnsteuerprüfung, Umsatzsteuerprüfung, Sozialversicherungsprüfung, etc.) durch einen einzigen Prüfvorgang hinsichtlich der Steuern und Abgaben in den Unternehmen. Die Bundesregierung hat aber nicht einmal ansatzweise Konzepte vorgelegt, welche nach einer Analyse des Ist-Zustandes die sparsamsten und ökonomisch sinnvollsten Erhebungsformen analysieren, beziehungsweise Vorschläge enthalten, wie und in welchem Zeithorizont solche Reformen umsetzbar sind.

Nicht nur die öffentliche Verwaltung selbst weist eine Tendenz auf, sich selbst in immer intransparenter werdenden Vorschriften, Erlässen und Verordnungen Handlungsanweisungen zu geben, deren Sinnhaftigkeit nicht abklärbar ist, sondern es werden auch immer öfter Verwaltungsaufgaben und damit Kosten auf den exponierten Sektor überwälzt. So wurde beispielsweise die Einhebung der Krankenscheingebühr auf die Unternehmensebene verlagert. Die Meldepflichten an das österreichische statistische Zentralamt werden immer weiter ausgeweitet, in Kürze sind weitere Meldevorschriften im Zusammenhang mit dem Eintritt in die dritte Stufe des EURO zu erwarten. Dieser Zustand bleibt solange erhalten, als die rechtlichen Rahmenbedingungen das Statistische Zentralamt bei der Erhebung der Daten mit Methoden der Buchhaltung arbeiten lassen statt mit Methoden der modernen Datenerhebung nach den Grundsätzen der Stichproben und Hochrechnungen. Durch immer kompliziertere Vorschriften bei der Einhebung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben betragen die Kosten für die Lohnverrechnung in den österreichischen Unternehmen nach konservativen Schätzungen bereits 5 Milliarden Schilling.

Obwohl die Bundesregierung immer wieder ankündigt, während der EU-Ratspräsidentschaft Fortschritte im Bereich der Steuerharmonisierung erzielen zu wollen, bleibt sie entsprechende Aktivitäten weitgehend schuldig: Besonders wichtig und dringend wäre die Umstellung im Bereich der Umsatzsteuer auf das Ursprungslandprinzip, das dem Funktionieren des Binnenmarktes auch erheblich besser entspricht. Das weitere Beibehalten des Bestimmungslandprinzips belastet alle exportorientierten Unternehmen durch ein aufwendiges Berichtssystem sowie einen ausufernden Steuerberatungsaufwand in den Zielländern des Exports.

Schließlich wurden in den letzten Jahren zahlreiche Regierungsvorlagen verabschiedet, die dazu beitragen, den exponierten Sektor mit zusätzlichen administrativen Hürden und Kosten zu belasten. So hat beispielsweise die neugeschaffene Werkvertragsregelung nicht nur einen enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand in den Unternehmungen erzeugt, sondern sie steht von ihrer Zielsetzung der oft angekündigten JungunternehmerInnen-Offensive diametral entgegen. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz steht als Paradebeispiel für die Erzeugung von Mehraufwand für und in den Unternehmen und letztlich hat die Regierung auch versäumt, evidente Behinderungen für unternehmerische Tätigkeit zu beseitigen, wie im Fall des Anlagenrechts anläßlich der ‘Reform’ der Gewerbeordnung.

Es kann aber weder eine echte Entlastung durch eine tiefgreifende Steuerreform noch eine Trendwende bei der Abgabenquote geben, wenn die Kosten- und Ausgabenstruktur der öffentlichen Verwaltung nicht von Grund auf ‘abgeschlankt’ wird. Dabei geht es einerseits um die politische Definition der Kernkompetenzen des Staates und andererseits damit untrennbar verbunden um den Mitteleinsatz im Verhältnis zur Erfüllung dieser Aufgaben, also um die Berücksichtigung der Kosten staatlicher Aufgabenerfüllung.

Die hohe Belastung des Faktors Arbeit und die Abgabenquote erfordern dringenden Handlungsbedarf. Österreich ist mit dem Niveau der steuerlichen Belastung des Faktors Arbeit an einen Plafond gestoßen, der nicht weiter nach oben ausdehnbar ist, und bereits negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes nach sich zieht.

Die OECD stellt in ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht über Österreich fest, daß die Verteilungsgerechtigkeit des Steuersystems dringend verbesserungsbedürftig ist. Eine der Hauptursachen für die Verschleierung des tatsächlich zur Anwendung kommenden Tarif – so die OECD – sei die faktische Steuerfreiheit der ‘13.und 14. Monatsbezüge’ ohne Berücksichtigung der Einkommenshöhe. Dem Vorstandsvorsitzenden einer Großbank wird nach der derzeitigen Regelung also dieselbe Steuerbegünstigung eingeräumt wie einem teilzeitbeschäftigten Büroboten.

Der Forderung des Liberalen Forums, die Grenzsteuersätze zu senken und gleichzeitig die ‘13. und 14. Monatsbezüge’ als Teil des gesamten Jahreseinkommens mit dem zur Anwendung kommenden Tarif zu besteuern, kann diese Kritik der OECD beseitigen. Durch die Entprivilegierung hoher Einkommen steigt die vertikale Verteilungsgerechtigkeit des Steuersystems bei gleichzeitiger Entlastung der unteren Einkommensgruppen.

Außerdem ist eine Rücknahme der geldwertbedingten Einnahmensteigerung längst überfällig. Die Auswirkungen dieser kalten Progression müssen durch eine Steuersenkung beseitigt werden. Der liberale Steuersenkungsvorschlag sieht dabei folgendes vor:

Senkung der Steuersätze und zwar beim Spitzensteuersatz (50 Prozent) um ein Fünftel auf 40 Prozent, um ein Viertel von 42 Prozent auf 32 Prozent, um ein Drittel von 32 Prozent auf 22 Prozent und um die Hälfte von 22 Prozent auf 10 Prozent, ein steuerfreier Sockel soll für Einkommen bis zu 15 000 S brutto bestehen.

Der aktuelle Spielraum für eine Senkung der Tarife in der Lohn- und Einkommensteuer wurde durch die sogenannte Reform der Familienbesteuerung allerdings weitgehend verbraucht. Dabei wurde einmal mehr die Chance vertan, dem Grundsatz der vertikalen Verteilungsgerechtigkeit Rechnung zu tragen und die vielfach angesprochene Treffsicherheit von Transferleistungen zu erhöhen. Statt Transferzahlungen in Abhängigkeit des Einkommens zu gestalten, wurde wieder nach dem Gießkannenprinzip verfahren. Das ist insbesondere im Bereich der Transferzahlungen weder gerecht noch ohne weiteres Steigern der Abgabenquote finanzierbar und steht überdies im Widerspruch zum Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung, in dem es heißt, daß die Treffsicherheit von Transferzahlungen erhöht werden soll.

Die Vermutungen verdichten sich, daß es angesichts der anhaltenden Reformunfähigkeit und des Politikstillstandes der Bundesregierung im Bereich des Rückbaus des Staates und der Konzepte zu nachhaltigen Ausgabeneinsparungen ein drittes Sparpaket geben wird. Bereits die Sparpakete I und II haben das Gegenteil einer Tarifreform verwirklicht: Haben sie doch – entgegen gegenteiliger Ankündigungen – zu zwei Drittel Steuer- und Abgabenerhöhungen und nur zu einem Drittel Ausgabenkürzungen realisiert, welche wieder überwiegend durch Transferkürzungen statt durch Kosteneinsparungen erzielt wurden.

Vor dem Hintergrund der historisch höchsten Abgabenquote dieser Republik, der drohenden Fortsetzung der Belastungspolitik durch die Bundesregierung bei gleichzeitigem Stillstand im Bereich des Rückbaus des Staates und der Gefahr, das Stabilitätsziel bei einem Rückgang der Konjunktur nicht mehr zu erreichen, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage:

1. Der von Ihnen vorgelegte Bundesvoranschlag für 1999 enthält gegenüber dem Budgetprogramm der Bundesregierung 1996 bis 2000 ein geplantes Nettodefizit von 2,6 Prozent gegenüber dem ursprünglich geplanten Defizit von 2,3 Prozent. Wie erklären Sie diese Abweichung vor dem Hintergrund der aktuell günstigen Konjunkturlage?

2. Wie beurteilen Sie die Kritik der OECD, daß das Nettodefizit derzeit höchstens 1 bis1,5 Prozent betragen dürfe, um im nächsten Konjunkturabschwung den Erhalt des Stabilitätskriteriums von 3,0 Prozent des BIP nicht zu überschreiten?

3. Wie entkräften Sie den Vorwurf des Europäischen Währungsinstituts in seinem Konvergenzbericht, daß die hohe österreichische Abgabenquote von 45,7 Prozent ‘dem Wirtschaftswachstum schaden könnte’?

4. Welche nachhaltigen, kostensparenden, nicht leistungskürzenden Maßnahmen trugen aus Ihrer Sicht zu den bisherigen Erfolgen der Konsolidierung des Budgets bei?

5. Welche sogenannten Einmalmaßnahmen haben aus Ihrer Sicht zu den bisherigen Erfolgen bei der Budgetkonsolidierung beigetragen?

6. Welche Strukturreformen sind in Vorbereitung, um das Volumen der Einmalmaßnahmen zu ersetzen?

7. Wie planen Sie, die Mehrbelastung von etwa 6 Milliarden Schilling für das Budget durch die zweite Ausbaustufe der Familienbesteuerungsreform zu finanzieren?

8. Welches Szenario haben Sie für den Fall ausarbeiten lassen, daß die notwendigen und erwarteten Einnahmen durch eine negative Konjunkturentwicklung ausbleiben?

9. Welche Vorschläge zur Senkung des Verwaltungsaufwandes gibt es in den einzelnen Ministerien und sind Ihrem Haus übermittelt worden?

10. Gibt es in Ihrem Ministerium eine Koordinierungsstelle, die diese Vorschläge auf Plausibilität, Effizienz und Zeithorizonte zur Realisierung dieser Kostensenkungsvorschläge überprüft?

11. Welche Maßnahmen im Hinblick auf die absehbar notwendige Neudefinition der staatlichen Aufgabenerfüllung lassen Sie in Ihrem Ministerium vorbereiten?

12. Gibt es dabei Überlegungen, wie die Überwälzung von Kosten staatlichen Handelns auf die Unternehmungen reduziert beziehungsweise gänzlich beseitigt werden kann?

13. Welches Potential zur Senkung der Steuerlast ist Ihrer Einschätzung zufolge durch echte Strukturreformen im Bereich der Verwaltung kostensenkend zu erzielen?

14. Wie beurteilen Sie unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit zwischen unselbständig Erwerbstätigen mit unterschiedlichen Einkommen die Sechstelbegünstigung?

15. Wie beurteilen Sie unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit die Tatsache, daß die freien Dienstnehmer die Sechstelbegünstigung nicht in Anspruch nehmen können?

16. Welche Zeithorizonte zur Realisierung des Ursprungslandprinzips haben Sie im Rahmen Ihres Schwerpunktes zur EU-Steuerharmonisierung in Aussicht genommen?

17. Ist daran gedacht, angesichts prognostizierter Überschüsse die Dienstgeberbeiträge zum FLAF zu reduzieren und damit einen Schritt zur Entlastung des Faktors Arbeit zu machen?

18. Bei welchen Steuern steht aus Ihrer Sicht der Aufwand ihrer Einbringung in einem ungünstigen Verhältnis zu ihrem Aufkommen?

19. Können Sie ausschließen, daß durch das Auslaufen des geltenden Finanzausgleiches im Jahre 2000 mit einer Verschiebung der Steuerreform zu rechnen ist, weil die Neuordnung des Steuersystems auch einer grundlegenden Umstrukturierung der Finanzierung der Länder und Gemeinden bedarf?

20. Welche Maßnahmen zur Ökologisierung des Steuersystems bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit sind geplant?

21. Steuerkürzungen in welcher Höhe und in welchen Bereichen sind durch die geplante Steuerreform zu erwarten?

In formaler Hinsicht wird vor Eingang in die Tagesordnung die Durchführung einer Debatte zum frühestmöglichen Zeitpunkt verlangt."

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Schmidt als erster Fragestellerin das Wort. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Redezeit maximal 20 Minuten beträgt. – Bitte.

15.02

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Liberalen haben eine dringliche Anfrage betreffend die überfällige Trendwende bei der Abgabenquote eingebracht, und es mag sein, daß der oder die eine oder andere meint, das sei nicht so dringlich, weil ein Uraltanliegen. Es ist uns dringlich, und zwar deshalb, weil wir wissen, daß ohne eine Ausgabenreform, ohne einen Rückbau des Staates auch keine Steuerreform möglich ist, die eine Steuersenkung bringt. Diese Steuerreform ist ein Punkt, der uns zwar versprochen wurde, aber wo wir das Gefühl haben, daß das Schieben auf einen anderen Zeitpunkt bereits beginnt.

Und weil jetzt gerade Herr Kollege Van der Bellen in den Saal gekommen ist: Mich hat seine Ausführung sehr irritiert, da sie in diesem Zusammenhang für mich überraschend war. Er sagte nämlich "lieber später", wobei ich ihm beim zweiten Teil des Satzes "und dafür ordentlich" schon recht gebe, "als jetzt gleich". Mich hat das deswegen ein bißchen unangenehm berührt, weil, wenn dieses Hinausschieben-Wollen seitens der Regierung jetzt auch noch Unterstützung von einer Oppositionspartei bekommt, die Gefahr besteht, daß der Finanzminister, vielleicht auch sein Staatssekretär, uns über einen Zeitraum hinwegtrösten wollen, vielleicht mit der Argumentation, man könne doch vor Wahlen keine Steuerreform machen. Das hielten wir für einen tiefgreifenden Fehler. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Im übrigen: Die Logik, daß die Steuerreform, wenn sie später erfolgt, auch besser ist, haben wir doch leider durch unsere Erfahrungen hier im Hohen Haus eindeutig widerlegt. Daher ist das für mich keine zwingende Schlußfolgerung.

Sie haben in dieser Dringlichen Anfrage nachlesen können, sollten Sie das schon getan haben, worum es uns im Kern geht. Wir haben in Österreich mit 45,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Steuer- und Abgabenquote nicht nur eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten in der Europäischen Union, sondern wir haben auch für Österreich die historisch höchste. Und wenn man liest, daß das Europäische Währungsinstitut in seinem Konvergenzbericht dazu feststellt, daß diese Abgabenquote bereits ein Niveau erreicht hat, das dem Wirtschaftswachstum schadet, so ist das ein Alarmsignal.

Ich möchte nun nicht – gerade als Liberale – unterstellt bekommen, daß uns das Wirtschaftswachstum sozusagen als Selbstzweck ein Anliegen ist. Das ist es nicht. Dieses ist kein Selbstzweck, und ich möchte in diesem Zusammenhang jene drei Ziele nennen, die uns gleich wichtig sind, und wo niemals eines auf Kosten des anderen gehen darf, und wo ich auch keinen Prioritätenkatalog in der Form zulassen würde, daß eines nach dem anderen passiert, sondern die Bemühungen haben gleichzeitig zu erfolgen. Diese drei Ziele heißen: die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sicherzustellen, und dazu gehört eben das Wirtschaftswachstum, den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft zu sichern und die BürgerInnenrechte zu sichern.

Diese drei Ziele – und das ist, und darauf bin ich stolz, das Alleinstellungsmerkmal der Liberalen – können nur dann erreicht werden, wenn wir zum Beispiel eine Trendwende in der Abgabenquote erreichen, und weil wir so weit entfernt sind von dieser Zielerreichung, haben wir diese Dringliche Anfrage gestellt, um das endlich zu einem Thema in diesem Hohen Haus zu machen.

Diese Trendwende kann aber nur herbeigeführt werden, wenn endlich der Begriff der Ausgabenreform, das heißt der Ausgabenersparnis, ernst genommen wird und nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, und diese Ausgabenersparnis ist nur möglich, wenn man den Rückbau des Staates nicht nur als Überschrift sieht, sondern sich inhaltlich damit auseinandersetzt und ihn tatsächlich betreibt.

Für die Liberalen hat das mehrere Effekte. Auf der einen Seite ist das eine budgetwirksame Überlegung und eine budgetwirksame Vorgangsweise, aber dieser Rückbau des Staates befreit auch von der Bevormundung des Staates, denn nichts anderes ist diese Umklammerung (Beifall beim Liberalen Forum), und sie ermöglicht, und das ist mir wesentlich, eine Steuerreform – auf die ich später noch zurückkommen werde –, die auch eine tatsächlich spürbare Senkung mit sich bringen kann.

Diese Senkung ist für uns nicht etwas Populistisches. Obwohl: Wer verspricht nicht gerne, daß Steuern gesenkt werden? Ich weiß schon, daß das etwas ist, was jeder gerne erzählt. Aber bitte unterstellen Sie uns nicht diese Leichtfertigkeit! Ich glaube, es wäre nicht seriös und wäre nicht gerechtfertigt. Wenn Sie unsere bisherige Politik beobachtet haben, dann wissen Sie ganz genau, daß populistische Anliegen nie die unseren waren, sondern daß es uns immer darum gegangen ist, die Sachgerechtigkeit zu unterstreichen. Es kann sein, daß Sie unsere Meinung nicht teilen, aber die sachgerechte Motivation, glaube ich, kann man uns wirklich nicht abstreiten.

In dieser Sachgerechtigkeit hat die Senkung der Steuern einen ganz wesentlichen Stellenwert, denn die Senkung der Steuern hat ja weitere Folgen. Die Senkung der Steuern bedeutet eine Kaufkraftstärkung. Was bislang geschehen ist in diesem Land, war eine Schwächung der Kaufkraft durch die kalte Progression, und zwar in einem Ausmaß, das ich dann noch beziffern werde, das unerträglich ist, und diese Kaufkraftstärkung wiederum ist selbstverständlich ein Stimulans für die Wirtschaft.

Wenn ich das alles in dieser Abfolge sehe, dann weiß ich, daß das diesen drei Zielen, die ich vorher genannt habe, zu dienen geeignet ist und geeignet ist, uns diesen Zielen näherzubringen. Für diese Senkung der Abgabenquote ist für uns die Tarifreform ein Kernstück.

Ich möchte jetzt nur etwas in Erinnerung rufen, weil ich mir schon vorstellen könnte, daß es viele vergessen haben. Das Fernziel der Liberalen für eine Steuerreform ist ein einheitlicher Steuersatz – ich rufe das nur in Erinnerung! –, und zwar im Zusammenhang mit der Grundsicherung und im Zusammenhang mit einem Freibetrag. Wir haben dieses Modell im Herbst vergangenen Jahres vorgestellt, nur wissen wir, daß das ein Fernziel ist, das jetzt kurzfristig nicht erreichbar ist. Daher haben wir uns mit dem derzeitigen System auseinandergesetzt und Reformvorschläge für das derzeitige System gemacht, wo wir schrittweise unserem Fernziel entgegenkommen können. Bei dieser schrittweisen Reform ist eine solche Tarifsenkung deswegen so notwendig, weil, wie gesagt, die kalte Progression de facto eine Erhöhung dieser Tarife mit sich gebracht hat.

Mir geht es nicht darum, daß das vielleicht aufkommensneutral sein soll – um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen. Selbstverständlich soll die Reform auch eine Senkung der Einnahmen des Staates mit sich bringen, denn das ist notwendig, um den Staat dazu zu zwingen, seinen Rückbau voranzutreiben. Es ist notwendig, ihn dazu zu zwingen, bei den Ausgaben zu sparen, und dann wird man, und das gebe ich auch zu, genau aufpassen müssen, bei welchen Ausgaben er spart. Die bisherigen Sparmaßnahmen waren natürlich keine ausgabenseitigen, sondern da hat sich der Finanzminister das Geld hereingeholt. Beim ausgabenseitigen Sparen muß man aufpassen, daß sich der Staat das Geld nicht bei den Schwächsten holt. Diese Gefahr besteht natürlich, aber es gibt ja schließlich auch ein Parlament, um das zu verhindern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts bezüglich des Transfervolumens, und ich sage das deswegen, weil es mir um den Rückbau des Staates geht und weil die Ausgaben der Personalkosten des Bundes ständig steigen – trotz Ihrer Ankündigung, Herr Staatssekretär. Derzeit bereits werden 230 Milliarden Schilling allein für die Personalkosten aufgewendet – das ist, wie wir alle wissen, ein Drittel der Ausgaben des Bundes –, und sie sind 1997 weiter gestiegen. Ich weiß schon, daß das nicht in Ihrem Interesse liegt, nur: Das ist die Realität. Zur Reform gehört jetzt nicht nur das Dienstrecht dazu, das selbstverständlich ein einheitliches sein muß – auch um diese Spaltung in unserer Gesellschaft endlich wieder zu beseitigen, die Spaltung, die darin besteht, daß die einen im geschützten Bereich arbeiten und die anderen um ihren Arbeitsplatz kämpfen müssen. Wir haben daher auch gestern wieder die Pragmatisierung thematisiert. Ich halte es für unerträglich, was die ÖVP in diesem Zusammenhang betreibt. Ich bin die letzte, die den Staatssekretär verteidigen will, aber es ist selbstverständlich richtig, daß man nicht haltmachen kann vor Spitzenpositionen. Was tut die ÖVP, was tut Ihre Beamtengewerkschaft? – Sie sind die eigentlichen Bremser, indem sie sagen, da darf nicht weiterreformiert werden, was natürlich zu einem Stillstand der Verhandlungen geführt hat.

Es ist ein Übel, und selbstverständlich darf es hier kein Tabu geben! Es gibt nicht den geringsten Grund, nicht auch Personen in Spitzenfunktionen in der Verwaltung zu Vertragsbediensteten zu machen. Es gibt durchaus Bereiche, in denen es einen besonderen Kündigungsschutz geben sollte, aber die Pragmatisierung ist ein Relikt der Vergangenheit, das abgeschafft gehört, das leistungsfeindlich ist, das sich im Budget in einer unangenehmen Weise zu Buche schlägt und das die Trennung in dieser Gesellschaft vertieft. – Das ist das eine. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber das ist nur ein Teil. Nach einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstitutes beträgt alleine das Transfervolumen zwischen den Gebietskörperschaften bereits an die 300 Milliarden Schilling. Das heißt, es geht auch hier um eine Neuorganisation der Finanzströme. Es werden nämlich Parallelstrukturen aufrechterhalten, die kosten- und personalintensiv sind, zum Beispiel bei den Sozialversicherungsträgern und bei den Finanzverwaltungsbehörden. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür – außer die Tradition oder irgendwelche historische Begründungen. Auch die Werkvertragsregelung hat wiederum gezeigt, welch aufwendiger Datenabgleich notwendig ist.

Wir schlagen vor – und das ist nur ein Teil, und ich erwähne es nur beispielhaft deswegen, weil Sie es ja schriftlich vor sich liegen haben –, daß zum Beispiel die Vielzahl von Einzelprüfungen – die Lohnsteuerprüfung, die Umsatzsteuerprüfung, die Sozialversicherungsprüfung und so weiter – in einem einzigen Prüfvorgang hinsichtlich der Steuern und Abgaben in den Unternehmungen erfolgen soll. Das wäre nicht nur eine Erleichterung für die Betroffenen in den Unternehmungen, es wäre auch eine Erleichterung für die Verwaltung. Vielleicht tut ihnen das weh, weil sie damit ihren Selbstzweck verlieren, aber das wollen wir doch nicht hoffen. Es würde jedenfalls eine Effizienzsteigerung für die Verwaltung bedeuten, es würde sich ökonomisch zu Buche schlagen, und wir müssen nur einmal neue Strukturen andenken und auf diese Weise die staatliche Aufgabenstellung insgesamt neu ausrichten. Darum geht es! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich kenne mich mit der Uhr nicht aus. Herr Präsident, ist es richtig, daß ich noch 2 Minuten habe?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Viel mehr: Sie haben noch über 9 Minuten.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Die Uhr funktioniert nicht!

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Verzeihen Sie, Frau Abgeordnete, darf ich einen Blick machen? Funktioniert die Uhr schon wieder nicht? – Ich bitte um Entschuldigung, aber das liegt nicht in meiner Ingerenz. Wir werden das reparieren lassen.

Bitte, wenn Sie fortsetzen! Sie haben noch eine Redezeit von 9 Minuten.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Ich habe nicht die Absicht, die 9 Minuten auszuschöpfen, weil ich glaube, daß wir die wesentlichen Dinge ohnehin schriftlich festgehalten haben.

Ich möchte aber als wichtiges Kernanliegen in den Mittelpunkt stellen, worum es uns geht: Es geht uns einerseits um die politische Definition der Kernkompetenzen des Staates. Und ich sage es nicht zum ersten Mal, aber ich sage es gerne immer wieder: Es sind für mich drei Grundfragen zu beantworten, die sich auch eine Parlamentarierin und ein Parlamentarier irgendwie verinnerlichen sollten, denn dann brauchen wir auch nicht solch merkwürdige Vereine wie "Kampf der Gesetzesflut", gegen die ständig verstoßen wird und die daher nicht ernst zu nehmen sind.

Die erste Frage ist, ob der Staat etwas überhaupt regeln darf. – Darauf wird es sicherlich unterschiedliche Antworten geben, aber man sollte sich wenigstens die Frage stellen. Wenn man zum Ergebnis kommt, der Staat darf etwas regeln, dann sollte man sich die Frage stellen: Ja, aber muß er das überhaupt regeln?, und dann werden wir schon viel weniger übrig haben, was wir tatsächlich einem legistischen Procedere unterziehen müssen. Und wenn man zum Ergebnis kommt, es muß geregelt werden, dann sollte der größtmögliche Freiraum des einzelnen und der größtmögliche Spielraum für Eigenverantwortung gewahrt sein.

Wenn wir dieses Procedere machten, dann kämen wir zu einem ganz anderen Konvolut an Gesetzen, zu einer ganz anderen Regelungsdichte, und zwar nicht nur Regelungsdichte, was die Gesetze selbst betrifft, sondern auch was die Detailliertheit der jeweiligen Gesetze betrifft. Und dann brauchen wir uns nicht nur immer über die Medien auszurichten, daß wir viel zu viele Gesetze haben, sondern dann kämen wir auch zu einem anderen Procedere in diesem Hause. Noch dazu würde sich das gewaltig im Budget niederschlagen, und es würde sich vor allem in der Mentalität der Bürgerinnen und Bürger niederschlagen, die wieder einmal lernen würden, mit Eigenverantwortung umzugehen und nicht bei jeder Gelegenheit nach Institutionen oder nach dem Staat zu rufen. Das würde uns allen gut tun, denn es würde die Demokratie stärken. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, daß der Mitteleinsatz in einem vernünftigen Verhältnis zur Erfüllung der Aufgaben des Staates stehen muß. Es geht also um die Berücksichtigung der Kosten der staatlichen Aufgabenerfüllung. Seien wir doch ehrlich: Dieses "Larifari" in sämtlichen Regierungsvorlagen, wo bei den Bedeckungsvorschlägen oder überhaupt bei den finanziellen Auswirkungen steht "Kosten: keine", ist ja nicht ernst zu nehmen. Wir alle wissen, daß dieses "keine" ein Formalismus ist, daß sich Gesetze natürlich auch finanziell zu Buche schlagen, ob sich das nun im Verwaltungsbereich abspielt oder vor allem bei den Betroffenen – und im Regelfall ist es die Wirtschaft, wo es sich dann zu Buche schlägt. Natürlich spürt die Wirtschaft das, und natürlich sind das Daumenschrauben, und natürlich haben Regelungen daher ihre finanziellen Effekte und Auswirkungen.

Und wenn ich von dieser Kosten- und Ausgabenstruktur rede, die von Grund auf abgeschlankt werden muß: Es geht um die hohe Belastung des Faktors Arbeit – und das ist schon kein Alleinstellungsmerkmal der Liberalen mehr, wenn wir diese Belastung als unerträglich darstellen. Es sind sich ja inzwischen alle einig in der Feststellung, daß die Belastung des Faktors Arbeit noch unerträglicher geworden ist, blockierend, und daß sich daher diesbezüglich etwas ändern muß. Die Konkretisierung werden wir diskutieren, denn wir haben entsprechende Vorschläge.

Ich möchte aber einen zweiten Bereich der Konkretisierung herausnehmen, und das ist die Tarifsenkung. Wir haben den Vorschlag gemacht, daß die Tarife gesenkt werden, und zwar abgestuft. Es geht um jeweils 10 Prozent, mit einem steuerfreien Sockel von 15 000 S, alle anderen Tarife würden um 10 Prozent gesenkt werden. Das bedeutet beim Spitzensteuersatz die Senkung um ein Fünftel, das bedeutet bei 42 Prozent ein Viertel, bei 32 Prozent bedeutet das ein Drittel und bei der Senkung von 22 auf 10 Prozent die Hälfte. Was ich damit meine, ist, daß zwar 10 Prozent überall gleich klingt, aber daß in diesem Vorschlag natürlich eine Verhältnismäßigkeit liegt, und gerade diese Verhältnismäßigkeit ist uns so wie Steuergerechtigkeit ein Anliegen.

Ich gebe zu, daß wir auch eine "heilige Kuh" Österreichs angegriffen haben, daß wir uns erlaubt haben, ein Tabu anzudiskutieren. Als seriöse Partei sagen wir: Wir wollen eine Steuersenkung, wir wollen, daß den Menschen mehr in der Tasche bleibt, und wir wollen es auch, damit mehr in die Wirtschaft fließt. Es soll die Entscheidung des einzelnen sein, was er mit dem Geld macht, aber es soll ihm mehr bleiben.

Aber die soziale Gerechtigkeit ist uns genauso ein Anliegen, und daher komme ich nun dazu, wie denn das alles finanziert werden soll, und ich halte es für notwendig, sich Gedanken darüber zu machen, wie unser Vorschlag finanziert werden soll. Daher komme ich zu einer anderen Verteilung der Steuerlast betreffend das 13. und 14. Gehalt. Ja, es ist wahr! Und Sie alle, wie Sie hier sitzen, Sie profitieren um ein Vielfaches mehr als jene anständigen, fleißigen, braven Bürger, die Sie vorgeben zu vertreten – obwohl: das sind wir auch; ich habe jetzt eine Diktion gewählt, die Sie hoffentlich nicht so ernst nehmen, die eine einschlägige ist. (Abg. Dr. Graf: Aber wir wollen nicht mehr profitieren! Der Fleißige, Anständige soll mehr profitieren!)

Jene also, die wir doch alle auch schützen wollen, zahlen dabei nämlich drauf, und das möchte ich einmal klarmachen. Und deswegen verstehe ich ja insbesondere einen Sozialdemokraten nicht, der sich mit breiten Schultern – wenn er sie hat – davorstellt und sagt: Nein, 13., 14. Gehalt wird nicht angegriffen! Finanzieren Sie doch eine gesamte Steuersenkung, indem Sie eine steuerliche Gerechtigkeit herstellen! (Beifall beim Liberalen Forum.) Das würde bedeuten, daß das 13. und 14. Gehalt so betrachtet wird, wie eben das Jahr ist: mit zwölf Monaten. Das Jahr hat zwölf Monate, und daher sollen diese zwölf Monate gleich besteuert werden – mit einem niedrigeren Steuersatz.

Und eines werden Sie uns nicht unterstellen können, obwohl Sie es vielleicht versuchen werden: Daß die bösen Liberalen irgend jemandem etwas wegnehmen wollen. Das ist es nicht, sondern wir wollen eine Steuersenkung, und wir machen einen seriösen Vorschlag, wie diese finanziert werden kann – und das ist ein Teil davon.

Daß wir insgesamt wollen, daß der Staat zu sparen hat und daher selbstverständlich auch weniger Steuereinnahmen hat, das können Sie aus dem herauslesen. Das ist wahr, denn er soll mit dem Geld nicht so um sich werfen können, wie er das derzeit tut. Offensichtlich funktioniert die Sparsamkeit nur mit Zwang. Dieser Zwang ist ein sehr demokratischer, ein sehr hilfreicher und ein sehr sinnvoller. Die Bürgerinnen und Bürger müssen dafür nicht ihre Köpfe und ihre Taschen hinhalten, sondern das Sparen geht über den Weg, daß eine Steuersenkung eine Belebung der Wirtschaft, jedenfalls aber mehr Selbstbewußtsein und mehr Handlungsfähigkeit für die einzelnen bringt. Das soll das Ziel sein. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Staatssekretär, Sie haben die Beantwortung der Anfrage übernommen. Ich bitte Sie, eine Sekunde zu warten.

Meine Damen und Herren! Eine endgültige Reparatur dieses technischen Gebrechens ist während der Sitzung nicht möglich. Wir können nur zwischendurch wieder etwas korrigieren, wie dies ja jetzt geschieht. (Abg. Böhacker: Herr Präsident! Da links oben ist auch eine Uhr!) – Ja, aber auch wenn die Uhr nicht funktioniert, leuchtet automatisch zwei Minuten vor Schluß der möglichen Redezeit die rote Lampe auf.

Herr Staatssekretär! Entschuldigen Sie bitte diese "technische Unterbrechung". – Bitte.

15.21

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Herr Präsident! Hohes Haus! Die österreichische Budget- und Steuerpolitik steht unzweifelhaft vor beträchtlichen Herausforderungen. Einerseits ist die Budgetkonsolidierung weiterzuführen, um im Einklang mit dem europäischen Wachstums- und Stabilitätspakt mittelfristig einen nahezu ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, andererseits ist eine Steuerreform vorzunehmen, die ein Reihe von Zielen umzusetzen hat. Als Schwerpunkte möchte ich neben der Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerzahler die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft nennen.

Diesen budget- und steuerpolitischen Erfordernissen ist unter der Rahmenbedingung Rechnung zu tragen – und das ist für mich ganz wesentlich –, daß die hohen sozialen Standards für unsere Bevölkerung gewahrt und Sicherheit und Stabilität weiterhin ein Markenzeichen Österreichs bleiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben daher auch den Bundeshaushalt 1999 unter vorsichtigen Gesichtspunkten erstellt; sowohl die angenommene Steigerung des Wirtschaftswachstums von realen 2,8 Prozent als auch die Bindung eines Prozentsatzes der Ermessensausgaben zeugen davon.

Was die Budgetkonsolidierung betrifft, ist Österreich – wie ich meine – auf einem guten Weg. Defizit und Schuldenquote des Gesamtstaates sind rückläufig. So konnte beispielsweise das gesamtstaatliche Nettodefizit, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, zwischen 1995 und 1997 von über 5 Prozent auf 1,9 Prozent mehr als halbiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist von fast 70 auf mittlerweile unter 65 Prozent des BIP gesunken. Zu diesem guten Weg der Budgetkonsolidierung haben auch strukturelle Maßnahmen wesentlich beigetragen.

Im Verwaltungsbereich ist es gelungen, den Personalaufwand des Bundessektors laut volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, in den letzten Jahren – von 5 Prozent im Jahre 1995 auf etwa 4,5 Prozent im heurigen Jahr – zurückzunehmen. Neue Formen der effizienteren Aufgabenerfüllungen im öffentlichen Dienst wurden initiiert und werden weiter ausgebaut. Reformen im ASVG- und Pensionsbereich sichern die Leistungen auf hohem Niveau und werden zugleich längerfristig positive budgetäre Auswirkungen haben.

Reformen und auch die Budgetkonsolidierung sind natürlich ein permanenter Prozeß. Der in den letzten Jahren erreichte Erfolg gibt uns recht. Jetzt geht es darum, diesen Weg fortzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ohne Zweifel bleibt noch viel zu tun. Das Budgetdefizit des Bundes ist mit 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nach wie vor zu hoch und muß weiter gesenkt werden. Das wird auch gelingen, wenn wir die Strukturreformen fortsetzen und – ich sage das sehr klar – auch bei der Steuerreform maßvoll bleiben. Dies heißt klipp und klar: Die kalte Progression sollte den Steuerzahlern zurückgegeben werden.

Wir wollen den Faktor Arbeit entlasten. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft verbessern, aber zwei Fehler dürfen wir nicht machen: Erstens dürfen wir mit dieser Steuerreform nicht die Basis für ein neues Sparpaket legen, und zweitens dürfen wir bei den Strukturreformen nicht die soziale Sicherheit und die Stabilität in diesem Lande gefährden. Das wäre keine verantwortungsvolle Politik für dieses Land und seine Bevölkerung.

Was nun die Steuerquote in Österreich im einzelnen anbelangt, möchte ich folgendes anmerken: Gemäß der neuesten Statistik der OECD – das ist die jüngst erschienene Revenue Statistics 1965 – 1997 – liegt die österreichische Steuerquote im engeren Sinn, das heißt, ohne Sozialversicherungsbeiträge für 1996, mit ... (Abg. Dr. Kier: Zusammenzählen!) – Ich stelle beides dar. (Abg. Dr. Kier: Brav!) – ... 28,7 Prozent zwar über dem OECD-Durchschnitt von 27,9 Prozent, jedoch knapp unter dem Durchschnitt aller europäischen OECD-Länder – und das sind wohl die zu vergleichenden, der liegt nämlich bei 28,9 Prozent – und deutlich unter dem EU-Schnitt von 30,2 Prozent.

Wegen der höheren Sozialversicherungsbeiträge – und dies ist eine Konsequenz unseres gut ausgebauten Sozialsystems, zu dem wir stehen – liegt Österreich mit seiner Gesamtabgabenquote von etwa 44 Prozent über dem Durchschnitt dieser Ländergruppen. Das ist richtig. (Abg. Dr. Schmidt: Wenn es treffsicher wäre, wäre es ja wunderbar!) Zudem ist zu berücksichtigen, daß Österreich in einigen Bereichen – zum Beispiel im Bereich der Familienförderung – aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit vor allem transferseitige Instrumente einsetzt, was im Vergleich zu anderen Ländern, die steuerliche, also indirekte Förderungen stärker einsetzen, zu einer relativ höheren Steuer- und Abgabenquote führt. (Abg. Dr. Schmidt: Ja, aber Sie machen es mit der Gießkanne!)

Trotz dieses Faktums, daß wir ohne diese Abgaben darunter liegen und einige andere Abweichungen haben, liegt ohne Zweifel ein ganz wesentlicher Aspekt weiterer Reformen in der öffentlichen Verwaltung. Dies ist ja unbestritten. Dieser Verwaltung kommt eine immer größere Bedeutung zu. Heute stehen ja nicht nur Unternehmen, sondern im Zuge der Globalisierung ganze Volkswirtschaften im Wettbewerb. Dabei ist die öffentliche Verwaltung das Rückgrat einer modernen Volkswirtschaft, beispielsweise im Wettbewerb um Ansiedlungen und Beschäftigung.

Österreich ist in der Lage, auf hochqualifizierte öffentlich Bedienstete zurückzugreifen. Trotzdem ist die Reform der Verwaltung ein permanenter Prozeß. Es ist erforderlich, die Aufgaben des Staates laufend zu hinterfragen, um die Dienstleistungen effizienter und kundennäher zu erbringen. Meiner Meinung nach läßt sich dies an drei Schwerpunkten festmachen: Bürgerorientierung, Modernisierung und Ausgabensenkung – diese Ziele sind gleichgewichtig.

Unter der Zielsetzung "Bürgerorientierung" arbeiten wir vor allem an einem erleichterten Zugang zu Ämtern und Behörden für alle Bürgerinnen und Bürger, sei es durch Modernisierung von Ämtern – von einem Musterkommissariat bis zu einer Reform des Wasseramtes –, sei es dadurch, daß man einen neuen Zugang zu den Behörden ermöglicht, zum Beispiel über das Internet.

Bei der Zielsetzung Modernisierung geht es vor allem darum, den Mitarbeitern ein modernes Dienstrecht anzubieten, das Leistung individuell belohnt. Zudem werden auch bereits moderne Personalentwicklungs- und Führungsinstrumente im öffentlichen Bereich eingeführt.

Um Effektivität und Effizienz zu erhöhen – damit bin ich beim dritten Ziel angelangt –, führen wir beispielsweise im Zusammenhang mit Leistungskennziffern Globalbudgetierung, Controlling und Bench-marking ein. Ich werde darauf noch näher eingehen.

Die Grundphilosophie geht dahin, den einzelnen Dienststellen mehr budgetäre Flexibilität in Kombination mit mehr Ergebnisverantwortung zu ermöglichen und haushaltsrechtliche Spielregeln zu etablieren, die Anreize zu effizienterem Verwaltungshandeln unterstützen. Wir beziehen zu diesem Thema Reformerfahrungen aus anderen westlichen Industriestaaten ebenso wie Anregungen des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen.

Wir wollen keinen undifferenzierten Rückbau des Staates, keinen Nachtwächterstaat. Unser Ziel ist ein schlanker und gleichzeitig leistungsfähiger Staat, einer, der die Aufgaben bürgernah, modern und effektiv wahrnimmt.

Nun zu Ihren Fragen im einzelnen:

Zur Frage 1:

Es ist richtig, daß das Bundesbudget 1999 einen Abgang von 2,6 Prozent vorsieht, während das Budgetprogramm 1996 bis 2000 für das Jahr 1999 von 2,3 Prozent ausgeht. Es ist aber auch nicht zu übersehen, daß das Defizit des Gesamtstaates 1999 aus heutiger Sicht sogar etwas unter diesen 2,3 Prozent zu liegen kommen wird. – Dies trotz zusätzlicher Ausgaben zur Erhöhung des Beschäftigungsgrades und der Reduzierung der Arbeitslosigkeit im Zuge des nationalen Beschäftigungsprogrammes, für welche trotz allgemeiner Einschränkung der öffentlichen Ausgaben zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Darüber hinaus möchte ich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1997 hinweisen, wonach die bestehende steuerliche Berücksichtigung von Kindern abgeändert werden mußte, was selbstverständlich auch zu einer entsprechenden Ausgabenerhöhung beigetragen hat.

Zu den Fragen 2 und 8:

Die zitierten Berechnungen der OECD beziehen sich auf den gesamten öffentlichen Sektor – Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger und Kammern –, daher nicht nur auf den Bund. Es ist richtig, daß das konjunkturbedingte Schwanken des Defizits in der Vergangenheit nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes in Österreich nur bei bis zu 1,75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag. Das heißt, im österreichischen Budget zeigen sich bei schlechter Konjunkturlage mit einer Elastizität zum Bruttoinlandsprodukt von 0,5 Prozent nicht so heftige Reaktionen wie in dem anderer EU-Staaten. Es ist aber zweifellos nötig, das derzeitige Budgetdefizit des Bundes von 2,6 Prozent – wie ich bereits sagte – weiter abzusenken, um einen ausreichenden Polster für sich allenfalls verschlechternde Konjunkturentwicklungen zu haben.

Zur Frage 3:

Ich sehe mich außerstande, zu diesem angeblichen Vorwurf des Europäischen Währungsinstitutes Stellung zu nehmen, da im Konvergenzbericht 1998 des EWI und übrigens auch in jenem der Kommission kein derartiger Satz enthalten ist, nämlich daß die Abgabenquote von 45,7 Prozent dem Wirtschaftswachstum schaden könnte. Von einer wie immer definierten Gesamtabgabenquote, die übrigens in Relation zu anderen Kennzahlen zu hoch angegeben wird, auf das Wirtschaftswachstum zu schließen, wäre meines Erachtens auch unseriös. Es wäre erstaunlich, wenn die Ökonomen des Währungsinstituts derart verkürzt argumentieren würden. Trotzdem ist es meiner Meinung nach so, daß die Abgabenquote in Österreich mit der Steuerreform sinken wird und soll.

Zur Frage 4:

In den vergangenen Jahren wurde eine große Palette nachhaltiger, kostensparender, strukturverbessernder Reformen beschlossen. Beispiele für solche Reformen der Budgetkonsolidierung sind: die Reform des öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechtes, qualitative Verbesserungen und Konsolidierung der Sozialleistungen auf hohem Niveau, Überprüfung und Umstrukturierung der Förderausgaben, Verbesserung der Ergiebigkeit des Steuersystems – vor allem Beseitigung von Steuerschlupflöchern –, Verwaltungsstrukturreform, restriktive Budgetierung der Ausgaben, aber auch eine Verstärkung der Kooperation mit Ländern und Gemeinden.

Zu den Fragen 5 und 6:

Die Unterteilung der Ausgaben und Einnahmen in einmalige, nichteinmalige oder erstmalige ist mit enormen Zuordnungs- und Abgrenzungsfragen behaftet. Es gibt bislang keine ökonomisch sinnvollen Kriterien, die eine solche Unterscheidung mit letzter Klarheit ermöglichen.

Es gibt viele Ausgaben und Einnahmen, die einen einmaligen Charakter haben. Bei den Ausgaben sind alle jene Aufwendungen einmalig, die zu einem Zugang im Anlagevermögen des Investors führen. Dazu gehören die Investitionen, der Erwerb von Grundstücken, Rechten und sonstigen immateriellen, nicht reproduzierbaren Anlagewerten. Auch die Zuwendungen an Unternehmungen, die ausdrücklich für Investitionszwecke bestimmt sind und vom Empfänger widmungsgemäß verwendet werden müssen, sind in der Regel einmalig. Ebenso sind die gegebenen Darlehen einmalig. Schließlich sind auch die Finanzanlagen wie etwa Erwerb von Beteiligungen einmalig. Ähnliches gibt es natürlich auch auf der Einnahmenseite. Auf das Schuldenkriterium wirken übrigens alle defiziterhöhenden oder defizitsenkenden Maßnahmen gleich – und zwar dauerhaft.

Zur Frage 7:

Die Mehrbelastungen durch die Familiensteuerreform werden – soweit sie im Jahre 2000 erstmals wirken – ohne Erhöhung des Budgetdefizits zu verkraften sein. Dies ist bei Fortsetzung der restriktiven Handhabung von Ausgabenentwicklungen unseres Erachtens möglich.

Zu den Fragen 9 und 10: (Abg. Dr. Schmidt: Was ist mit der achten? – Ruf bei den Freiheitlichen: Die hat er schon! – Abg. Dr. Schmidt: Entschuldigung!) – Die achte Frage habe ich gemeinsam mit der zweiten beantwortet.

Die Bundesregierung hat am 3. Dezember 1997 ein neues, umfassendes Verwaltungsreformprojekt mit der Bezeichnung "Verwaltungsinnovation" beschlossen. Das Projekt, mit dessen Hilfe der Umbau vom Ordnungsstaat zum Dienstleistungsstaat erfolgen soll, ist von folgenden Zielen getragen:

Erstens: eine jährliche Steigerung der Produktivität von 2 bis 3 Prozent; es soll eine hohe Leistungsqualität im Rahmen knapper Ressourcen gesichert werden.

Zweitens: schrittweise Einführung einer wirkungsorientierten Verwaltungsführung durch Steuern, über Ziele, Leistungsaufträge, durch das Entwickeln von Produktkatalogen, Schaffung von Transparenz über Kosten und Leistungen, wie auch stufenweise Dezentralisierung von Ressourcenverantwortung

Drittens: die Handhabung eines effizienten Personalmanagements, um eine eigenverantwortliche Führung professionell wahrzunehmen und den flexiblen und qualifikationsgerechten Einsatz der MitarbeiterInnen zu sichern.

All diese Projekte werden von der Personalsektion des Finanzministeriums begleitet und beratend unterstützt.

Man könnte die Fülle der Projekte – es sind etwa 60, die momentan laufen – gliedern: in solche, die die Bürgernähe erhöhen, also Ämtermodernisierung oder überhaupt neuer Zutritt zu den Behörden, in solche, die im Sinne der Mitarbeiter Modernisierung bringen – das reicht von einer Ausbildungsreform bis zu einem neuen, modernen Dienstrecht – und in solche, die im Sinne des Steuerzahlers mehr Effektivität bringen. Dabei geht es darum, Leistungskennzahlen zumindest in Richtung des Experimentierens zu definieren, mit Globalbudgets zu operieren und gleichzeitig das Controlling zu verstärken.

Zu den Fragen 11 und 12:

Im Auftrag des Finanzministeriums wurde von Wissenschaftern eine Studie erstellt, welche die neuen Formen der Aufgabenerfüllung des Staates behandelt. Dabei wurden wichtige Bereiche der Leistungserstellung der öffentlichen Hand auf Zieladäquanz überprüft und Vorschläge für neue, innovative Lösungen erstellt.

Das Bundesministerium für Finanzen führt auf Basis eines Ministerratsbeschlusses in Zusammenarbeit mit den einzelnen Ressorts ein Budgetcontrolling durch. Dieses soll in der von mir bereits angesprochenen Novelle zum Bundeshaushaltsgesetz ehestens auch gesetzlich verankert werden. Wie ich ebenfalls bereits erwähnt habe, soll durch die Erprobung neuer Spielregeln im Haushaltsrecht ein wesentlicher Beitrag zu einer effizienteren Erfüllung öffentlicher Aufgaben erreicht werden. Diese zuletzt genannten Vorschläge werden in der Budgetsektion des Bundesministeriums für Finanzen ausgearbeitet.

Da eine effiziente Verwaltung auch einen wesentlicher Faktor für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich darstellt, sollten die entsprechenden Reformen auch den österreichischen Unternehmen zugute kommen.

Zur Frage 13:

So wesentlich die Verwaltungsreformen auch sind, ist doch darauf hinzuweisen, daß schon aufgrund des hohen Anteils an Personalkosten im Verwaltungsaufwand spürbare Kostensenkungspotentiale nur längerfristig realisierbar sind. Angesichts der von mir genannten Realitäten ist es bereits ein sehr ambitioniertes Ziel, über einen längeren Zeitraum jedes Jahr den Verwaltungsaufwand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt schrittweise abzusenken. In den letzten Jahren ist dies erfolgt.

Zur Frage 14:

Es liegt in der Natur einer progressiven Steuer, daß von einer derartigen Begünstigung Besserverdienende mehr profitieren. Um die Verteilungseffekte einer Steuer zu beurteilen, sollte aber nicht nur eine einzelne Steuerbegünstigung herangezogen werden, sondern es ist ein Gesamtvergleich erforderlich.

So liegt etwa der derzeitige Spitzensteuersatz eines Lohnsteuerzahlers inklusive der Begünstigung des 13. und 14. Gehalts bei 43,5 Prozent, während nach dem Steuerkonzept des Liberalen Forums ein Spitzensteuersatz von 40 Prozent vorgesehen ist. Sie würden also durch Ihre Reform auch den Spitzensteuersatz senken.

Zu Frage 15:

Der österreichische Gesetzgeber ist dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Steuer verpflichtet, das heißt, gleiche Einkommen sind gleich zu besteuern. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrmals festgestellt, daß diese spezifische Arbeitnehmerbegünstigung durchaus mit diesem Prinzip vereinbar ist. Es gibt natürlich auch bei den anderen Einkunftsarten, also auch für die in der Frage genannten freien Dienstnehmer, spezifische Vergünstigungen, wie etwa den Investitionsfreibetrag, die keine Verletzung des Prinzips der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bewirken.

Zu Frage 16 – Mehrwertsteuer, Ursprungslandprinzip –:

Es steht für mich außer Frage, daß wir innerhalb der Europäischen Union längerfristig auf das Ursprungslandprinzip wechseln müssen. Die EU-Richtlinien können nur auf Vorschlag der Europäischen Kommission zustande kommen. Die Kommission hat bisher noch keinen diesbezüglichen Richtlinienvorschlag geliefert, daher ist es der österreichischen Präsidentschaft auch nicht möglich, Verhandlungen darüber im Rat aufzunehmen. Österreich nutzt aber seine Präsidentschaft dazu, um Überzeugungsarbeit auf allen Ebenen der Gemeinschaft zu leisten, um eine Vereinfachung des derzeitigen Mehrwertsteuerübergangssystems zu erreichen.

Zu Frage 17:

Der Herr Bundesminister für Finanzen hat die Steuerreformkommission beauftragt, Vorschläge zur Entlastung des Faktors Arbeit zu entwickeln, sowie die positiven und negativen Effekte derartiger Maßnahmen aufzuzeigen. Das Ergebnis der Steuerreformkommission soll in Kürze präsentiert werden, sodaß ich Sie um Verständnis ersuche, daß ich erst dann bereit sein werde, eine Kommentierung vorzunehmen. Fest steht allerdings, daß die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds – übrigens wie unter anderem auch die Kommunalabgabe oder die Wohnbauförderung – nach Definition der Bundeswirtschaftskammer die Lohnnebenkosten erhöhen.

Zu Frage 18:

Natürlich sollen bei der kommenden Steuerreform alle Möglichkeiten der administrativen Vereinfachung ausgeschöpft werden. Andererseits können Steuern natürlich nicht hauptsächlich nach dem Aufwand-/Ertragsverhältnis beurteilt werden, weil das gesamte Steuersystem natürlich verteilungspolitischen und sozialen Grundsätzen entsprechen muß.

Zu Frage 19 – Steuerreform und Finanzausgleich –:

Wir sind bestrebt, die Steuerreform in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Dabei werden selbstverständlich zum Beispiel auch Vertreter der Bundesländer in die politischen Verhandlungen eingebunden werden. Ich bin zuversichtlich, daß auf diesem Weg bei gutem Willen aller Beteiligten ein erfolgreicher Abschluß möglich ist.

Zu den Fragen 20 und 21:

Der Finanzminister hat bereits mehrmals erklärt, daß im Rahmen der kommenden Steuerreform die Lohn- und Einkommensteuerzahler um 10 Milliarden Schilling – also um mehr als der kalten Progression ab 1994 – entlastet werden sollen. Zusammen mit der Familiensteuerreform ergibt dies eine Entlastung von insgesamt 22 Milliarden Schilling.

Die Steuerreformkommission hat den Auftrag, unter anderem Vorschläge zur Entlastung des Faktors Arbeit, zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreichs, aber auch zu einer stärkeren Ökologisierung des Steuerrechtes zu machen.

Der Bericht der Steuerreformkommission liegt noch nicht vor. Ich möchte die Reformarbeiten bis dahin in keiner Weise präjudizieren, zu konkreten Inhalten der Steuerreform werde ich mich daher bis zum Vorliegen des Endberichtes nicht äußern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gehen in die Debatte ein. Nach der Geschäftsordnung hat jeder Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten. Die individuelle Redezeit ist mit 10 Minuten beschränkt.

Als erster ist Herr Abgeordneter Peter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.45

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es stimmt: Wir stehen vor beträchtlichen Herausforderungen. Nur, Herr Staatssekretär, wir leben offensichtlich in zwei unterschiedlichen Ländern. Ich weiß nicht, von welchem Land Sie soeben berichtet haben. Es handelt sich scheinbar um das Land, wie es die Regierung "von oben" sieht. Erlauben Sie mir, den Blickwinkel der Menschen "von unten" einzubringen.

Steuerreform diskutieren Sie unter einem Prätext: "Was’s kost‘ – des kost’s!" – Das stellen wir nicht in Frage. Wenn durch die kalte Progression den Menschen zehn oder 20 Milliarden Schilling über das normale Wirtschaftswachstum hinaus weggenommen werden, dann wird das gnädig wieder verteilt.

Herr Staatssekretär! Kann denn Steuerreform nicht auch heißen, daß Sie ganz klar sagen: Wir stellen die Leistungen dieses Staates mit ihren Kosten in Frage. Sie haben nicht ein einziges Mal gesagt, dieser Staat sei zu teuer.

Sie haben von Verwaltungsreform geredet. – Am Präsidium sitzt Herr Präsident Dr. Neisser. Dieser wurde im Jahre 1986 Minister für Verwaltungsreform im Bundeskanzleramt, und er hat uns genau dasselbe erzählt, was jetzt, 1998, Herr Staatssekretär Ruttenstorfer erzählt. Was glauben Sie denn, wie lange wir Ihnen das noch glauben werden? Welche Glaubwürdigkeit haben Sie? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Seit 12 Jahren wird in der großen Koalitionsregierung von Steuerreform geredet, seit 12 Jahren wird davon gesprochen, wie die Verwaltung abgeschlankt wird. Faktum ist, daß die Pragmatisierungen gestiegen sind, seit Sie in Amt und Würden sind, und Sie zusätzlich noch 6 000 Teilzeitarbeiter eingestellt haben, die Sie jetzt als Sachaufwand und nicht unter Personalaufwand verbuchen.

Wo haben Sie denn die Effizienz Ihres Staatswesens gesteigert? Das ist doch der Punkt! Es geht nicht um die Leistungskürzung, es geht um mehr Kundenorientierung dieses Staates, um die genaue Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Haben Sie denn jemals hinterfragt, ob durch ein Reengineering-government, durch ein New-public-management eine vollkommen neue Form der staatlichen Leistungserbringung möglich ist?

Sie haben heute das Wort Drittvergleich in den Mund genommen. Herr Staatssekretär! Ich gratuliere Ihnen! Der Drittvergleich zeigt, daß in Österreich bei Bund, Länder, Gemeinden – Lehrer, alle zusammen – 21 bis 22 Prozent aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst tätig sind. Österreich ist ein funktionierender Staat, das stimmt doch! Die Schulen funktionieren, die Ämter funktionieren, die Bezirkshauptmannschaften funktionieren, die Polizei funktioniert, die Justiz – alles funktioniert; einverstanden, aber, Herr Staatssekretär, zu welchen Kosten? Warum schaffen das die Deutschen mit nur 16 öffentlich Bediensteten pro 100 Beschäftigten?

Wieso besagt eine Studie des Herrn Prof. Schneider aus Linz, die zwischen Oberösterreich – um auch die Bundesländer einzubeziehen – und Bayern gemacht wurde, daß Oberösterreich im Drittvergleich ein Drittel mehr öffentlich Bedienstete hat als Bayern? Das ist der Drittvergleich, den Sie machen sollten: nicht nur zwischen dem blinden Ministerium A und dem blinden Ministerium B, sondern machen Sie einmal einen Drittvergleich in der Europäischen Union! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Staatssekretär! Natürlich hängt die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes ebenso wie die Beschäftigung in diesem Land sehr wesentlich davon ab, wie hoch der Teil der Wertschöpfung dieses Landes ist, den der Staat an sich zieht, und wie hoch der Teil der Wertschöpfung im privaten Sektor bei Aufrechterhaltung der öffentlichen Leistungen – nur zu günstigeren Kosten effizienter und produktiver erbracht – ist.

Der private Konsum, der jetzt langsam wieder anspringt, war in den Jahren 1994, 1995, 1996 und 1997 unser großes Problem. Nur die starke Exportentwicklung, die sich dank des Beitritts zur Europäischen Union eingestellt hat, hat uns jenes Wirtschaftswachstum beschert, das wir heute haben.

Sie haben wirklich die Stirn, es als Erfolg zu verteidigen, daß wir bei einem durch Export gestützten Wirtschaftswachstum von 3 Prozent angelangt sind, wobei wir nicht wissen, wie sich die Frage der Börsenkrache, der Ostasienkrise, der Rußlandkrise und auch der Lateinamerikakrise im Jahre 1999 auswirken wird. In Zeiten – das ist eine reife Volkswirtschaft – eines optimalen Wirtschaftswachstums von real 3 Prozent verschulden Sie den Staat um weitere 70 Milliarden Schilling pro Jahr; das sind diese 2,6 Prozent, die Sie selbst genannt haben.

Gott sei Dank sind die Gemeinden und Länder etwas besser im internen Stabilitätspakt, sodaß die Schuldenquote insgesamt unter 2,3 Prozent gedrückt werden kann; das ist ohne Zweifel ein Erfolg. Aber es geht doch darum: Was tun Sie wirklich, wenn Sie keine kostenseitigen Einsparungen machen, wenn Sie keine neuen Strukturen schaffen, wenn Sie kein wirkliches Reengineering vornehmen, wie es alle anderen Unternehmungen in Österreich bereits getan haben, wie es sogar mit allen sozialen Schwierigkeiten bei der Bundesbahn gelingt, wie es bei einem Verbundkonzern gelingt? – Warum? – Weil es plötzlich einen Druck des Marktes gibt. Ebenso muß es bei der Post- und Telegraphenverwaltung gelingen, weil geschützte Bereiche auf Dauer nicht aufrechterhalten werden können.

Auf der einen Seite sind Menschen im exponierten Sektor, die täglich um ihren Arbeitsplatz zittern müssen, die von der Wucht des Wandels in der Arbeitswelt voll getroffen werden, die sich neu qualifizieren müssen, die schauen müssen, wie sie ihr Berufsleben mit einem zweiten oder gar dritten Beruf ausfüllen, auf der anderen Seite gibt es offensichtlich die von Ihnen verteidigte Kaste von Menschen, die immer noch im geschützten Bereich arbeitet. Meine Damen und Herren der Sozialdemokratischen Partei! Wo ist da die soziale Gerechtigkeit? Wo ist sie? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie können nicht sagen, Sie wollen ein einheitliches Dienstrecht für Arbeiter und Angestellte, denn Sie werden den öffentlichen Dienst in seiner gesamten Breite mit hineinnehmen müssen. Herr Staatssekretär, entweder sind Sie in der Lage, da wirkliche Reformen einzuleiten – oder Sie kapitulieren vor der Beamtengewerkschaft, so wie es Ihr Vorgänger, Herr Dr. Neisser, bereits tun mußte. Dazwischen liegen zwölf verlorene Jahre in dieser Republik, zwölf Jahre einer großen Koalition, die nichts in diese Richtung getan hat, außer daß sie uns – wie auch Sie heute – sehr schöne Worte gesagt hat. Ich sehe aber nicht, was passiert, ich spüre es nicht, ich kann es nicht messen. Allerdings bin ich auch nicht im Olymp der Regierung zu Hause, sondern ich lebe zu ebener Erde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist recht spannend, wenn Sie über die Höhe der Steuer- und Abgabenquote herumdiskutieren und meinen, es wären 43,8 oder 44 Prozent. Sie werden noch etwas dazuzählen und die gesamte Belastung der Österreicher und Österreicherinnen in unserem Lande berücksichtigen müssen, nämlich das, was sie an die Europäische Union abliefern müssen, nämlich ungefähr 1,2 Prozent. Sie werden außerdem ein weiteres halbes Prozent des BIP einrechnen müssen, das nötig ist, um die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer zu bezahlen. Auch das sind selbstverständlich alles in die Steuer- und Abgabenquote einzubeziehende Positionen. Das hat ja das Europäische Währungsinstitut getan und damit einen Drittvergleich von 45,7 Prozent geschafft.

Sie bestreiten es auch gar nicht, Herr Staatssekretär! Das ist die höchste Steuer- und Abgabenquote, die diese Republik jemals hatte, und das nach zwölf Jahren einer sozialistischen Regierung gemeinsam mit dem Koalitionspartner Volkspartei! Hier geht es nicht darum, Herr Staatssekretär, den sozial Schwachen die Sozialleistungen wegzunehmen. Hier geht es darum, das Transfervolumen insgesamt zu verschlanken. Was macht es denn für einen Sinn, wenn Sie dem Mittelstand in Summe gleich viel Transferzahlungen geben, wie er Steuern bezahlt? Was macht das für einen Sinn? Senken Sie die Steuern und streichen Sie diese Transfers! Konzentrieren Sie bitte die Transfers auf jene Menschen, die sie wirklich brauchen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie können sich Ihre Familiensteuerreform an den Hut stecken, wenn Sie einem Helmut Peter, einem Herrn Haselsteiner, einem Herrn Bartenstein oder sonst irgend jemandem weitere Familienförderungsmittel zukommen lassen! Diese Herren können nämlich für ihre Kinder selbst sorgen. Senken Sie lieber die Steuern und geben Sie ihnen auf diese Art und Weise Geld! Verringern Sie das Transfervolumen des Staates insgesamt und schärfen Sie die Treffsicherheit, um jenen zu helfen, denen wirklich in der Gesellschaft geholfen werden muß! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Für uns Liberale ist folgendes ganz wesentlich: Wer nicht sicher ist, kann nicht frei sein. Daher ist unserer Meinung nach das soziale Netz der größte Beitrag zur politischen Kultur. Das gilt aber nicht für die gut verdienenden Menschen in unserem Lande. Diese brauchen das soziale Netz nicht. Es ist doch völlig sinnlos, es ihnen zuerst über eine überhohe Steuer- und Abgabenquote wegzunehmen und dann mit Geschenken herumzulaufen und zu sagen: Du als Wohlhabender bekommst ein Kind und erhältst jetzt noch 4 000 S im Monat – oder welchen Betrag auch immer. Was wir Liberale darunter verstehen, den Staat schlanker zu machen, ist es, selbstverständlich unter Aufrechterhaltung der sozialen Leistungen mit ihrer absoluten Treffsicherheit dort, wo sie notwendig sind, letztlich Stabilität und Freiheit zu garantieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Sparpakete, die Sie in den Jahren 1995 und 1996 geschnürt haben, haben den Menschen entweder mehr Belastungen gebracht oder soziale Transfers dort gekürzt, wo die Menschen sie wirklich gebraucht hätten. Aber Sie haben nie sich selbst in Frage gestellt, Herr Staatssekretär und meine Damen und Herren der Koalitionsregierung. Sie haben nie das, was der Staat tut, wirklich in Frage gestellt und gefragt: Muß das, was wir tun, so teuer sein?

Frau Dr. Schmidt hat Ihnen einen klaren, dreifach gegliederten Satz gesagt, den ich wiederholen möchte – vor allem in Richtung der Österreichischen Volkspartei, die immer wieder Petitionen einbringt, wie "Stopp der Gesetzesflut", und zum selben Zeitpunkt wiederum eine neue Gesetzesflut in Österreich erzeugt. Frau Dr. Schmidt hat Ihnen folgendes gesagt: Darf der Staat das, muß der Staat das und wird er die Freiheit des einzelnen fördern?

Sie töten Eigeninitiative ab! Das wird langfristig – nicht nur heute, sondern auch in Zukunft – das Problem dieses Landes sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte.

15.54

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das Thema der Steuerreform ist natürlich derzeit von einem unwiderstehlichen Reiz für die Medien und die Politik. Ich kann mich diesem Reiz ja selber auch nicht immer ganz entziehen, aber für einen verantwortungsbewußten Umgang mit diesem Thema erscheint es mir doch wichtig, etwas festzuhalten.

Steueränderungen können nie Selbstzweck sein, sondern sie müssen immer als Mittel zu einem wirtschaftspolitischen Ziel gesehen werden. Sie, Frau Kollegin Schmidt, haben hier ja einige genannt. (Abg. Dr. Schmidt: Sozialpolitisch!) Für uns Sozialdemokraten sind die Frage einer leistungsfähigen Wirtschaft, die Frage solider Staatsfinanzen und natürlich vor allem auch die Frage einer gerechten Verteilung der Chancen in bezug auf Einkommen und Lebenschancen am wesentlichsten. (Abg. Dr. Schmidt: Genauso ist es!)

Gerade die Fragen der Stabilität und der Solidität sind ja derzeit für die finanzielle Betrachtung besonders wichtig. Wir wissen alle, daß es eine weltwirtschaftliche Entwicklung gibt, die von erheblichen Unsicherheiten gekennzeichnet ist. Es wäre meines Erachtens auch eine Illusion zu glauben, daß Europa und damit auch Österreich davon überhaupt nicht betroffen sein wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur folgendes anmerken: Es hat sich hier Gott sei Dank die Europäische Währungsunion als Stabilisierungsfaktor herausgestellt, und man kann nur sagen: Seien wir in Österreich froh, daß wir nicht denen gefolgt sind, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit verlangt haben, daß wir den Beitritt zur Währungsunion verschieben sollten. Wir wären dann allen möglichen Spekulationen ausgesetzt. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.) Soviel, um Ihrem kurzen Gedächtnis ein wenig nachzuhelfen.

Für die österreichische Wirtschaft ist aber derzeit die Hauptaufgabe eindeutig die Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität unseres Landes. Es haben ja einige Kolleginnen und Kollegen des Finanzausschusses vor einiger Zeit eine Aussprache mit dem Direktorium der Nationalbank gehabt, und wir alle waren eigentlich der Meinung, die wirtschaftliche Stabilität habe derzeit Priorität. Natürlich spielt hier das Budget eine zentrale Rolle.

Wir haben – das hat auch der Herr Staatssekretär gezeigt – eine erfolgreiche Konsolidierungspolitik betrieben. Ich stimme aber Frau Dr. Schmidt dahin gehend zu, daß diese Konsolidierungspolitik nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Wir müssen weiter die Nettodefizitquote senken, etwa im Ausmaß von 0,5 Prozent des BIP. Das muß man einmal in absoluten Zahlen ausdrücken: Das sind ungefähr 15 Milliarden Schilling, um die es hier geht. Wenn man sich nun konkrete steuerpolitische Vorschläge ansieht, so ist es das wichtigste Kriterium für jeden Vorschlag, festzusetzen, wie dieser unter dem Aspekt der Solidität, der Stetigkeit und der Seriosität in bezug auf die Finanzpolitik aussieht.

Wenn ich mir nun die Vorschläge des Liberalen Forums ansehe, so ist meiner Meinung nach interessant, daß sich darin offensichtlich ein gewisser Wandel in der politischen Grundausrichtung zeigt. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen Sie sehr vehement für Modelle der Grundsicherung und des Grundeinkommens eingetreten sind. (Abg. Dr. Schmidt: Immer noch!) Gerade hat Kollege Peter massiv gegen einheitliche Modelle gewettert und ist für Differenzierung eingetreten. Irgendwo müssen Sie sich selber darüber klar werden, was Sie wirklich wollen. (Abg. Dr. Schmidt: Sie müssen unterscheiden zwischen Rechtsanspruch und ...! – Zwischenruf des Abg. Mag. Peter.) Es ist ja ehrenvoll für Liberale, wenn jeder eine andere Meinung hat, aber politisch ist es nicht ganz einfach, sich dann darüber klar zu werden, was Sie wirklich wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Sie jetzt wollen – der letzte Stand –, ist die Senkung des Steuersatzes für alle um 10 Prozentpunkte. Dafür sollen alle Begünstigungen der Arbeitnehmer, nämlich 13. und 14. Monatsgehalt, Überstunden und so weiter gestrichen werden. Ich betone: der Arbeitnehmer. Denn worauf das letztlich im harten Kern hinausläuft – das muß man schon deutlich sagen –, ist, daß Sie eine Einkommensteuersenkung, und damit auch eine Senkung der Steuer für Selbständige und Freiberufler durch das Streichen der Begünstigungen von Arbeitnehmern finanzieren. Das ist der harte Kern.

Dahinter steckt offensichtlich auch ein politisches Konzept. Sie haben gesagt, Sie wollen keinen Populismus betreiben. – Da stimme ich Ihnen schon zu. Offensichtlich sind Sie aber in Richtung einer Nischenstrategie unterwegs. In Deutschland ist es so, daß man die FDP oft die Partei der Zahnärzte und der Klinikvorstände nennt, also der Spitzenverdiener. (Abg. Mag. Barmüller: Auch Universitätsprofessoren!) Offensichtlich wollen Sie eine FDP-Strategie betreiben. Ich darf Sie nur warnen. Die deutschen Beispiele zeigen, daß es manchmal eine politisch etwas riskante Strategie ist, die da betrieben wird.

Natürlich ist es richtig, daß es bei verteilungspolitischen Fragen nicht relevant ist, ob ein Einkommen von einem Selbständigen oder Unselbständigen verdient wird. Auf der anderen Seite muß man aber doch deutlich sehen, daß es unter den verschiedenen Einkommen – natürlich auch zwischen hohen und niedrigen – sehr große Unterschiede in der Frage – wie es so schön heißt – der Steuergestaltungsmöglichkeiten gibt. (Abg. Mag. Peter: Da gibt es einen laut meinem Arbeitgeberabsetzbetrag, der das beinhaltet!) Das ist die Begründung, warum ich hier auf jeden Fall für weite Bereiche für eine besondere Berücksichtigung der Arbeitnehmereinkommen eintrete. Was Sie hier geliefert haben, ist ein Vorschlag – und das können Sie nicht bestreiten (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter) –, von dem vor allem die Zahler der veranlagten Einkommensteuer, also der selbständigen Einkommen profitieren. Insgesamt ist Ihr Vorschlag daher sozial nicht ausgewogen.

Gleichzeitig muß man jetzt natürlich prüfen, wie es mit den Steuerausfällen ausschaut. Ich bin damit schon beim nächsten Punkt. Wie schaut es mit den Steuerausfällen aus? (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Peter.) – Frau Kollegin Schmidt hat gesagt, sie sei für den Rückbau des Staates, man solle einmal ordentlich sozusagen reduzieren. Sie hat aber doch etwas schamhaft – was sonst nicht ihre Art ist – verschwiegen, um welche Beträge es dabei eigentlich geht.

Eine Senkung des Tarifs um 10 Prozent bedeutet einen Steuerausfall von ungefähr 90 Milliarden Schilling. (Abg. Dr. Schmidt: Wie kommen Sie auf 90? 77!) Der Steuerausfall durch die Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehaltes und andere Begünstigungen liegt bei etwa 45 bis 50 Milliarden. Das heißt, Sie hätten einen Nettosteuerausfall von 40 bis 45 Milliarden Schilling. (Abg. Mag. Peter: Das stimmt nicht! Da fehlt noch die Besteuerung der ...!)

Ich kann jetzt nur die Fakten mitteilen. Das sind die Zahlen aus dem Förderungsbericht; die sind offiziell. Sie können ihnen natürlich mißtrauen, aber das sind die Zahlen, die offiziell vorliegen. Jetzt sagen Sie: Na bitte, muß ich eben für 40 bis 50 Milliarden in einem Jahr die Ausgaben kürzen. (Abg. Mag. Peter: Sie gehen vom falschen Ansatz aus!) Da wäre es natürlich interessant zu fragen: Wo? – Es ist schon interessant, daß der einzige Bereich, den Sie wirklich konkret genannt haben, die Familienförderung ist, von der Sie sagten, sie sei übermäßig ausgefallen. Das war ganz konkret. Bei den übrigen Bereichen haben Sie gesagt: In der Verwaltung muß man sparen. (Abg. Mag. Peter: Warum tun Sie es nicht?) Das ist völlig richtig. Der Herr Staatssekretär hat das auch entsprechend unterstützt.

Ich bitte Sie jedoch, auch ein wenig die Größenordnung zu sehen. Es ist nicht so, daß all das, was Sie als Personalkosten zusammengezählt haben, für die Verwaltung aufgewendet wird, sondern auch für den öffentlichen Dienst, die Gesundheit und die Sicherheit. In der Verwaltung selbst machen die Personalkosten vielleicht maximal 80 Milliarden Schilling aus. Und die wollen Sie im Ausmaß von 50 Milliarden Schilling in einem Jahr reduzieren? – Das ist einfach nicht seriös! (Abg. Mag. Peter: Der Herr Professor jongliert mit Zahlen!) Ich würde Sie folgendes bitten: Kehren Sie um! Der Test der Seriosität zeigt sich darin, wenn man zu Zahlen kommt, aber diesen Test haben Sie leider nicht sehr gut bestanden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte aber doch noch eine weitere Anmerkung machen, die für so manche Dinge gilt. Frau Kollegin Schmidt hat wieder gemeint, diese Steuersenkung wirke wirtschaftsbelebend, weil sie die Kaufkraft erhöhe. Das ist isoliert betrachtet richtig. Man muß aber sehen, daß das nur dann gilt, wenn man nicht gleichzeitig die Ausgaben kürzt. Die Ausgaben des Staates sind wiederum Einnahmen anderer Staatsbürger. Was man für Familienförderung ausgibt, ist wieder das Einkommen einer anderen Familie. Das heißt, es ist nicht so, daß es sich um Geld handelt, das irgendwo verschwindet. Insgesamt bedeutet das, daß das gleichzeitige Kürzen von Staatsausgaben und Steuern nicht expansiv, sondern restriktiv wirkt. In der Ökonomie lernt man das unter dem Namen "Haavelmo-Effekt" kennen. Herr Kollege Van der Bellen wird Ihnen das als Ihr Sitznachbar vielleicht noch näher erklären können. Das heißt also, Ihre Logik stimmt einfach nicht. Es kann natürlich in einer Zeit einer guten Konjunkturlage sinnvoll sein, das trotzdem zu machen, man muß aber den makroökonomischen Zusammenhang sehen, sonst ist das einfach nur Etikettenschwindel.

Apropos Etikettenschwindel: Ich möchte zum Schluß noch einen kurzen Satz zum Konzept der "flat tax" und der Proportionalsteuer sagen, das Herr Kollege Haider und die FPÖ, zum Teil aber auch die Industriellenvereinigung für sich entdeckt haben. Das heißt, statt einer progressiven Steuer gibt es eine proportionale Steuer. Die Kapitaleinkommen sollen überhaupt nicht besteuert werden, wenn alles angeblich nur einmal besteuert wird. Ich kann mich jetzt hier nicht im Detail damit auseinandersetzen. (Abg. Aumayr: Das werden Sie noch müssen!)

Ich möchte Ihnen vielleicht nur zwei kurze Zitate bringen, weil das Ganze eine uralte Diskussion ist. (Abg. Dr. Haider: Ich habe gar nichts vorgelegt, da wollen Sie es schon kommentieren!) Entschuldigung! Das wurde ja nicht von Ihnen erfunden. Das ist eine uralte Diskussion in ... (Abg. Dr. Haider: Sie wissen noch gar nicht, was wir vorschlagen!) – Ich wende mich dem zu, was Sie in der letzten "Pressestunde" gesagt haben. Ich weiß, Sie sind sehr flexibel. (Abg. Dr. Haider: Da habe ich gar nichts gesagt! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Man muß Ihre Meinung immer mit einem Datumsstempel versehen. Ich gehe aber nach dem letzten Datum. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Smolle.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, bitte den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (fortsetzend): Ich kann das längere Zitat nicht bringen. Ich bringe daher nur ein kurzes Zitat aus einem ganz simplen Lehrbuch. Das ist das Lehrbuch von Samuelson/Nordhaus. Paul Anthony Samuelson ist Nobelpreisträger, Sie kennen ihn alle. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Haider und Böhacker.) Er hat sich in diesem Lehrbuch ganz kurz mit diesem Thema beschäftigt. Ich bringe nur die Schlußfolgerung, in der er sagt: Der wesentliche Nachteil dieses radikalen Vorschlags – wobei er das eben schildert – besteht darin, daß er zu einer massiven Umverteilung der steuerlichen Belastung zugunsten der Reichen und zu Lasten des Mittelstandes führen würde. – Zitatende.

Das ist das, was Ihnen ...

16.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Bitte, die Redezeit ist zu Ende! (Abg. Dr. Nowotny versucht, seine Rede fortsetzen.) Herr Abgeordneter! Sie sind nicht mehr am Wort! (Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Nowotny.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

16.05

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst kein Hehl daraus machen, daß ich für einige der Grundpositionen des Liberalen Forums, wie sie in dieser Dringlichen Anfrage zum Ausdruck kommen, durchaus Sympathie habe. Ich mache gar kein Hehl daraus. Ich habe Sympathie für die Philosophie des schlanken Dienstleistungsstaates gegenüber dem dicken Verwaltungs- und Verteilungsstaat. Gar keine Frage. (Abg. Dr. Haider: Das sagt der Generalsekretär der Bundeskammer, der oberste Preistreiber bei Lohnnebenkosten?)

Ich habe Sympathie für eine Reihe von Detailvorschlägen. Ich habe zum Beispiel auch Sympathie für den Detailvorschlag der Abschaffung der Erbschaftsteuer. Sogar der von mir sehr geschätzte Sprecher der Grünen, Van der Bellen, hat einmal gesagt, die Erbschaftsteuer ist ein Jobkiller. Der Sprecher der Grünen hat das gesagt. Da müssen doch bei jedem, der Beschäftigungssicherung ernst nimmt, die Alarmglocken läuten. Die Erbschaftsteuer gehört bei Betriebsübernahmen wirklich weg. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe auch durchaus Sympathie für Ihren Vorschlag, Herr Kollege Peter, nicht- entnommene Gewinne steuerlich zu entlasten. Gar keine Frage. Wenn es aber um den Kern Ihrer Vorschläge geht, dann gilt schon das, was Herr Kollege Nowotny gesagt hat. Ich habe, als das Steuerreformkonzept der Liberalen vorgelegt wurde, mit großer Freude die Überschrift gelesen: "Einkommen- und Lohnsteuern um ein Drittel senken." – Ich wollte schon Bravo rufen. Dann habe ich nachgelesen, was der "Kaufpreis" dafür ist. Dieser wurde heute auch schon genannt, nämlich volle Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes, volle Besteuerung der Überstunden, Besteuerung der Abfertigung.

Meine Damen und Herren! Das ist meiner Meinung nach keine mehrheitsfähige Steuerreform. Das ist ein Hin- und Herschieben von Steuerbelastungen. Ich sage ganz offen, als ich das gelesen habe – ich will den Ausdruck jetzt eigentlich nicht verwenden –, ist mir das Wort "Taschenspielertrick" in den Sinn gekommen. Zuerst ein Drittel weniger Lohn- und Einkommensteuer zu verkünden und nachher eine Fülle von steuerlichen Belastungen aufzuzählen, Herr Kollege Peter, das ist an der Grenze – ich sage: an der Grenze! – eines Taschenspielertricks. (Abg. Mag. Peter: ..., daß das eine völlig neue Steuerreform ist!) – Das kann keine Steuerreform sein. Das ist ein Hin- und Herschieben steuerlicher Belastungen, Herr Kollege Peter. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Peter: Das ist das Thema! Das wissen Sie ganz genau!)

Ich sage aber auch ganz offen in Richtung der Regierungsbank, wo heute Herr Staatssekretär Ruttenstorfer und nicht Herr Finanzminister Edlinger sitzt: Für uns von der ÖVP ist auch das keine Steuerreform, was diese Woche im Magazin "News" zu lesen ist: Jedem Österreicher im Durchschnitt 200 S mehr. – Das ist unserer Meinung nach keine Steuerreform. (Zwischenruf des Abg. Smolle.) Ich bin überzeugt davon, daß der Herr Finanzminister, der heute nicht anwesend ist, ein politisch viel zu kluger Kopf ist, um uns eine solche Steuerreform vorzulegen, bei der die Schlagzeile leicht lauten könnte: Auf Ederer-Tausender folgt Edlinger-Hunderter. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Auch das kann keine Steuerreform sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch klarstellen, daß meine Partei natürlich weiß, daß der Finanzminister nicht der Weihnachtsmann ist. Außerdem wissen wir, daß es nicht um die Steuerreform allein geht. Es geht um eine dreifache Herausforderung: Steuerreform, Budgetkonsolidierung, Finanzausgleich. Ich sage ganz deutlich: Die ÖVP bekennt sich absolut zur Stabilität; Stabilität im Sinne der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hat absoluten Vorrang. Stabilität darf aber nicht Erstarrung bedeuten. Stabilität und eine dynamische, offensive Steuerreform sind kein Widerspruch, meine Damen und Herren! (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Für uns von der Volkspartei, lieber Herr Kollege Schweitzer, gelten folgende fünf Grundsätze für eine Steuerreform im Sinne einer Offensivstrategie.

Erstens: Kaufkraftsteigerung für die Familie, zweitens: Entlastung des leistungsfähigen Mittelstandes (Abg. Mag. Schweitzer: Wodurch?), drittens: Beschäftigungssicherung durch steuerliche Förderung des Wirtschaftsstandortes Österreich (Abg. Mag. Schweitzer: Wie?) – ich komme gleich darauf zu sprechen –, viertens: Zukunftssicherung, vor allem in den Bereichen Altersvorsorge, Forschung und Entwicklung und Bildung; und fünftens: Abbau von Steuerbürokratie.

Sie fragen: Wie? Herr Kollege! Hier stimme ich wieder dem Liberalen Forum zu und sage ganz offen, mir bereitet – das sage ich ganz offen in aller Freundschaft – die Formel des Herrn Finanzministers ein wenig Sorge, die da lautet: Ich mache keine Steuerreform, wenn ich nachher ein Sparpaket brauche. – Ich habe einmal gesagt, diese Formel ist eigentlich genial-diabolisch. Die Frau Waberl sagt: Eigentlich hat er recht. Was habe ich davon, wenn er mir 200 S gibt und nachher 300 S wegnimmt. – Aber: Diese Formel ist insoferne diabolisch, als sie den Begriff "Sparen" negativ besetzt. – Meine Damen und Herren! Ich würde vorschlagen: Einigen wir uns auf folgende Definition: Sparen ja, aber nicht zu Lasten der Bürger, sondern zu Lasten staatlicher Bürokratie! Darauf können wir uns einigen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.) Aber verteufeln wir nicht mit einer solchen Formel den positiven Grundwert des Sparens, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.)

Zur Frage: Wie soll das geschehen? – Erstens: Kaufkraftsteigerung für die Familien. Das können wir abhaken, und ich sage Ihnen: Wirtschaft und Familie werden sich nicht auseinanderdividieren lassen, daher trägt das auch die Wirtschaft voll mit und gibt es den Vorschlag Bartenstein zum Karenzgeld. (Beifall bei der ÖVP.) Wir tragen das voll mit, weil wir auch eine familienpolitische Verantwortung haben und weil wir wissen, daß eine gesunde Familie Voraussetzung für das Wohlergehen einer Gesellschaft ist, Frau Kollegin Schmidt! (Beifall bei der ÖVP.) Ich weiß schon: Sie sind für die Homosexuellen-Ehe, wir sind für die Familie! Darin unterscheiden wir uns, gar keine Frage!

Zweitens: Entlastung des leistungsfähigen Mittelstandes. Sie kennen unser Konzept: Senkung der Marginalsteuersätze um jeweils zwei Prozentpunkte.

Drittens: Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich, Eigenkapitalfinanzierung. Kollege Peter! Da sind wir einander sehr nahe. Heute geht es technisch leichter, wenn wir eine Beseitigung der Diskriminierung des Eigenkapitals in Form der Anerkennung einer Eigenkapitalverzinsung als fiktive Betriebsausgabe befürworten. In diesem Punkt sind unsere Positionen einander ziemlich nahe. Und wir sind einander wahrscheinlich auch nahe in der Frage, wie wir – viertens – Zukunftssicherung durch Anreize für Forschung und Entwicklung fördern können, zum Beispiel durch eine stärkere Anhebung des Forschungsfreibetrages. Ich glaube, da haben wir viele Gemeinsamkeiten.

In einem Punkt stimmen wir aber nicht überein: Eine Steuerreform, bei der Belastungen nur hin- und hergeschoben werden, ist für uns keine Steuerreform, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielmehr muß unterm Strich eine Entlastung herausschauen. Ich sage ganz offen: Ich stimme jenen Experten zu, die sagen, daß eine echte Steuerreform zumindest ein Volumen von 35 bis 40 Milliarden Schilling bewegen und unterm Strich eine Entlastung von zumindest 15 Milliarden Schilling bringen muß. – Das wäre eine Herausforderung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Vielleicht können wir, wenn wir die Ergebnisse der Steuerreformkommission haben, auf dieser Basis in einen konstruktiven Dialog eintreten! (Beifall bei der ÖVP.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen gemeldet. – Bitte.

16.13

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Stummvoll hat gerade gesagt, daß Abgeordneter Van der Bellen für eine Abschaffung der Erbschaftsteuer sei, aus welchen Gründen auch immer. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie haben gesagt, daß die Erbschaftsteuer ein Jobkiller ist!) Auch das habe ich nicht gesagt, das Wort "Jobkiller" habe ich nicht verwendet.

Ich berichtige: Ich habe gesagt, derzeit werden in Österreich Erbschaften extrem unterschiedlich besteuert, nämlich von gar nicht – wie bei den KESt-pflichtigen Finanzvermögen – über sehr verzerrt – beispielsweise Immobilien – bis voll – wie etwa Gewerbetriebe. Deswegen meine ich, daß man sich entweder mit einer Abschaffung der Erbschaftsteuer oder aber mit einer Totalreform der Erbschaftsteuer anfreunden muß. Und meine Präferenz liegt, wenn Sie es wissen wollen, bei einer Reform der Erbschaftsteuer. (Beifall bei den Grünen.)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Er hat das Wort.

16.14

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es mußte so kommen, wie es ist: Herr Dr. Nowotny als Wirtschaftssprecher der großen Regierungspartei, der uns jetzt abhanden gekommen ist, hat seine Position hier festgelegt und hat uns erklärt, warum etwas nicht geht. Er erklärt derzeit als Finanz- und Wirtschaftssprecher seiner Partei überall, daß eine Absenkung der Lohnsteuerbelastung nicht möglich ist. Er warnt – ich zitiere jetzt ein buntes Wochenmagazin – seine Partei davor, eine Steuersenkung vorzunehmen. Heute tritt der Herr Staatssekretär auf und sagt: Die kalte Progression wird ja wohl drinnen sein. – In Wirklichkeit zeigt sich auch am Beispiel dieser Steuerdebatte, daß die Regierung über kein Konzept verfügt, und das ist der Punkt.

Der Herr Finanzminister fühlt sich jetzt in die Enge getrieben, weil es verschiedene steuerpolitische Vorstellungen gibt und weil jeder weiß, daß die Belastungen aus der kalten Progression und infolge des Streichens von verschiedenen Absetzmöglichkeiten und steuerlichen Entlastungsmöglichkeiten in den letzten Jahren gerade für die Arbeitnehmer ganz massiv zugenommen haben. Aus diesem Grund weiß er, daß er Handlungsbedarf hat. 1988/89, nach der letzten wirklichen Lohnsteuersenkung, betrug die Belastung für die Arbeitnehmer 88 Milliarden Schilling, 1998 beträgt sie nahezu 200 Milliarden Schilling. Und dazwischen liegt eine riesige Belastung der Arbeitnehmer.

Ein Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer im Jahre 1989, also zum Zeitpunkt der letzten Lohnsteuersenkung, 150 000 S verdient hätte, dann müßte er zu heutigen Preisen, unter Berücksichtigung der Inflation, 187 350 S verdienen, um nur diese Auswirkungen zu kompensieren. Von den zusätzlichen 37 350 S, die zwischen den ursprünglichen 150 000 S und 187 000 S liegen, hätte er 32 Prozent Steuern zu zahlen, das sind 11 950 S. Sein verbleibendes Einkommen ist damit heuer 175 400 S, das heißt, er hat real in den letzten zehn Jahren 10 000 S verloren. Hiebei handelt es sich um einen kleinen Einkommensbezieher, der knapp über der Besteuerungsgrenze liegt, also dort, wo die Besteuerung anfängt. 150 000 S sind sozusagen die Grenze, wo man davonkommt. Bei allem, was darüber liegt, beginnt schon die Steuerprogression zu wirken.

Jetzt frage ich Sie: Ist es wirklich die steuerpolitische Zielsetzung der Sozialdemokratie, daß sie bereits im unteren Bereich eine massive Mehrbelastung der Arbeitnehmer riskiert? – Das ist der Grund für die Schwarzarbeit, und das ist der Grund für den Verdruß, den viele bei den Leistungen haben, Herr Staatssekretär, weil sie sagen: Es zahlt sich für uns nicht aus, mehr zu arbeiten, weil mir allein schon die kalte Progression in den letzten Jahren ganz gewaltig viel weggefressen hat. – Da nützen Ihre Argumente nicht, daß die Stabilität wichtig ist und daß Sie das Budget saniert haben. – Sie haben vielleicht das Budget saniert, aber Sie haben es auf Kosten einer ganz massiven Mehrbelastung der Leistungsträger, nämlich der fleißigen und tüchtigen Leute in diesem Land gemacht! Das ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher stellt sich mir die Frage: Warum verweigern Sie sich einer massiven, spürbaren Steuersenkung? Warum verweigern Sie sich einer Rückführung der kalten Progression? – Weil in Wirklichkeit der Finanzminister bereits für die EU-Ostöffnung ansparen muß, weil das die nächste Belastungsrunde wird. Daher sagen wir Freiheitlichen: Lassen Sie den Unsinn dieser Ostöffnung! Verschieben Sie dieses Projekt, und regeln Sie zuerst einmal in Österreich die Verhältnisse, daß Leistung sich wieder lohnt und daß die Bürger sich wieder anstrengen und Freude haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie schimpfen immer gleich, wenn die Freiheitlichen neue Vorstellungen haben. Herr Dr. Nowotny kennt unser Konzept noch gar nicht, aber er sagt jetzt schon: Es ist schlecht. Das ist die typische Manier, im Reflex zu sagen: Alles, was von der Opposition kommt, ist schlecht. Wir sagen auch nicht: Alles ist schlecht, was im LIF-Papier steht. Sie haben sich etwas überlegt, okay, das ist Ihre Philosophie, ob es gut oder schlecht ist, das ist eine Frage des Geschmacks. Ob es die Leute annehmen, das ist eine politische Entscheidung, und daher kann Herr Nowotny nicht gleich sagen: Etwas, was ich nicht kenne, ist auf alle Fälle schlecht, weil es von der FPÖ kommt, denn es schützt die Reichen und fördert die Armen.

Ihre Politik – ich glaube, ich konnte es Ihnen an diesem Beispiel demonstrieren – ist jedenfalls eine laufende Produktion von Armutsfällen in Österreich und sonst nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie besteuern schon ab 150 000 S jeden Fleißigen in diesem Lande. Unser Modell, wie ich es skizziert habe, würde hingegen bedeuten, daß bis zu einem Familieneinkommen von 280 000 S bis 300 000 S mit zwei Kindern Steuerfreiheit existiert. Das ist attraktiv. Unser Modell würde bedeuten, Herr Kollege Stummvoll, daß man für klein- und mittelständische Unternehmungen eine Investition im ersten Jahr zu 100 Prozent abschreiben kann. Wissen Sie, was das heißt? – Das ist Investitionsanreiz! Das ist Arbeitsplatzpolitik! Nicht so, wie Sie gesagt haben: Sie sind für eine graduelle Entlastung, damit die Beschäftigung steigt und die Betriebe mehr investieren.

Ich stimme Ihnen schon zu. Sie gehen aber ständig den umgekehrten Weg! Sie haben eine Einkommensteuervorauszahlung in den Sparpaketen mitbeschlossen. Sie haben die Verlustvorträge ausgesetzt. Sie machen genau das Gegenteil von dem, was Investitionsfreude ausmacht. Sie haben den 13. Umsatzsteuertermin eingeführt. Sie, die Sie hier herausgehen und groß reden und sagen: Wir müssen die Leute entlasten, wir müssen die Betriebe wieder flottmachen!, waren mit daran beteiligt! Das ist Ihre Politik! Sie tun genau das Gegenteil von dem, was Sie, Herr Kollege Stummvoll, hier propagieren! Sonst könnte ich schon mit Ihnen mitgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weil Sie jetzt die Hände zusammengeschlagen haben, sage ich Ihnen: Sie müssen die Hände wirklich zusammenschlagen! (Abg. Dr. Stummvoll: Ja, über Sie!) Aber Sie müssen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, Herr Kollege! Denn Ihre Fraktion – Kollege Feurstein sitzt hier – hat jetzt einen Antrag eingebracht, daß rückwirkend mit April alle, also auch die Ausländer, in den Bezug der Notstandshilfe mit einbezogen werden. Jetzt wird also wieder ein dreistelliger Millionenbetrag an Lohnnebenkosten dazukommen! (Abg. Dr. Feurstein: Das stimmt nicht!) Ich gratuliere Ihnen zu dieser Politik! Das ist genau Ihre Politik, so läuft das, diese Absichten haben Sie! (Abg. Dr. Stummvoll: Das stimmt nicht, wie so oft!)

Vergleichen Sie das mit unserer Überlegung: Attraktiv für die Familie, attraktiv für den Arbeitnehmer, wenn er höhere Freigrenzen und nur einen einheitlichen Steuersatz hat, der niedrig ist, und attraktiv auch für die Wirtschaft, die Investitionen zu 100 Prozent abschreiben kann. Ich will das jetzt nicht im Detail ausführen, aber das ist eine mögliche Variante, die mir zugegebenermaßen etwas besser gefällt als diese laufende Politik der kleinen Schritte, bei der man einmal etwas dazugibt, dann wieder ein bißchen etwas wegnimmt und ein irrsinnig kompliziertes Steuersystem hat, das im Grunde genommen nicht funktioniert.

Denn Sie haben in den letzten Jahren – da stimme ich schon zu – die falschen Leute besteuert. Sie haben Sonderregelungen etwa bei den Verschmelzungsverlusten getroffen. Sie haben den Großunternehmungen die Möglichkeit geboten, Tochtergesellschaften mit Muttergesellschaften zu vereinigen.

Diese haben dabei buchmäßige Verluste gebaut, die aber real gar nicht vorhanden waren, und das hat den Staat allein 1 Milliarde Schilling an Steuern gekostet. Und der Kleine, der Arbeitnehmer, der zwischen 1989 und 1998 auf die Lohnsteuersenkung wartet, zahlt das. Das ist das tatsächliche Problem!

Wenn Sie sagen, daß Sie auch für eine gerechte Verwaltungsreform sind und daß Sie wollen, daß das Geld durch Sparsamkeit in der Verwaltung hereinkommt, dann stimme ich Ihnen in diesem Punkt zu, Kollege Stummvoll. Dann frage ich Sie aber: Warum stattet dann aber zum Beispiel Ihr Landwirtschaftsminister Molterer in seinem Ministerium die Beamten mit Sonderverträgen aus, in denen es riesige Überstundenpauschale – gegen das Gesetz – gibt? Diese sind verboten, es gibt nur Verwendungszulagen. Diese Spitzenbeamten haben im vergangenen Jahr 300 000 S und mehr für Überstunden kassiert, und zwar gegen das Gesetz, aber sie sind politische Parteigänger des Herrn Molterer, und daher geben wir das Geld aus. Bei einer normalen Verwendungszulage zur Abgeltung der zusätzlichen Arbeitsbelastung wäre das nicht möglich; es wird ein viel höherer Betrag aufgewendet. – Da frage ich mich wirklich: Wie ehrlich ist die Politik, daß über die Verwaltungsreform eingespart werden soll, wenn Sie schon damit beginnen, Ihre Ministersekretäre mit Privilegien auszustatten, die sogar contra legem sind?

Wir werden eine Sonderprüfung beantragen. Schauen wir uns einmal an, wie es sich in allen Ministerien verhält, ob uns der Herr Staatssekretär die Wahrheit erzählt, wenn er sagt: Wir werden jetzt bei der Verwaltung den Gürtel enger schnallen! – In Wirklichkeit läuft die Entwicklung so, daß Sie oben ständig Neues dazugeben, hingegen dort reduzieren, wo Dienstleistungen für die Bevölkerung erbracht werden, nämlich draußen, ob bei der Polizei, bei der Gendarmerie, bei Dienstleistungen im Sozialbereich. Das ist meines Erachtens der Fehler einer Verwaltungsreform, wie wir sie nicht haben wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Ich sage zum Abschluß, Herr Präsident, daß die steuerpolitische Diskussion für uns unverzichtbar ist, weil nur mit niedrigen Steuern der Staat wirklich gezwungen wird, schlanker zu werden, und nur mit niedrigen Steuern die Standortqualität Österreichs für die Zukunft gesichert ist, damit es mehr Arbeitsplätze gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. Maximale Redezeit auch für ihn 10 Minuten. – Bitte.

16.25

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein bißchen kritischer als Kollege Nowotny auf die heutige Dringliche des Liberalen Forums eingehen.

Sie haben sehr ausführlich und immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen das Wort "Verteilungsgerechtigkeit" verwendet und ins Spiel gebracht. In Wirklichkeit glaube ich, daß Sie im wesentlichen Klientelpolitik betreiben, die man allerdings nicht unter dem Flaggschiff "Verteilungsgerechtigkeit" laufen lassen sollte. Gegen Klientelpolitik ist ja im Prinzip nichts zu sagen, nur sollten Sie diese offen betreiben und nicht versteckt. (Abg. Mag. Peter: Kennen Sie unsere Klientel?) Ich werde laufend darauf zurückkommen!

Ich möchte vorweg auch sagen, daß wir selbstverständlich in sehr vielen Punkten Ihrem Papier zustimmen, zum Beispiel der textlichen Einleitung, in welcher erwähnt wird, daß die Sparpakete I und II zur höchsten Abgabenquote der Zweiten Republik geführt haben. Das ist unbestritten und unbestreitbar. Und auch die Tatsache, daß die Bundesregierung mit politischen Konzepten für eine hinreichende ausgabenseitige Konsolidierung säumig ist, ist unbestreitbar. Und es findet sich in Ihrem Papier auch ein interessanter Hinweis auf die Parallelstrukturen, Doppelgleisigkeiten zwischen Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern. In vielen solcher Details kann ich durchaus mit Ihnen mitgehen. (Abg. Smolle: Im Herzen sind Sie ja ein Liberaler!)

Ich konzentriere mich jetzt aber auf die meiner Meinung nach einseitigen Darstellungen in Ihrem Papier und auf die Auslassungen. Gerade durch das, was Sie nicht sagen, betreiben Sie in Ihrem Papier mehr Klientelpolitik als etwas anderes. Zur Frage der Begünstigung des 13. und 14. Gehalts hat Kollege Nowotny schon Stellung genommen. Die Grünen haben immer wieder darauf hingewiesen, daß die Begünstigung des 13. und 14. Gehaltes natürlich vor allem eine Begünstigung der hohen und höchsten Einkommen im Bereich der Unselbständigen und somit eine überproportionale Begünstigung dieser Gehaltsbezieher darstellt und daß eine Lohnsteuerreform zugunsten der unteren und mittleren Einkommen daran etwas ändern sollte. Sie tun jedoch etwas ganz anderes: Sie wollen die Begünstigung des 13. und 14. Gehaltes abschaffen und damit eine allgemeine Tarifsenkung finanzieren, die allen möglichen Leuten zugute kommt, nicht nur den Arbeitnehmern, sondern selbstverständlich auch den Selbständigen und Gewerbetreibenden. Dadurch würde der Spitzensteuersatz bei den Selbständigen von 50 Prozent auf 40 Prozent sinken und bei den Unselbständigen von rund 43 auf 40 Prozent. Der Unterschied ist also, daß die Senkung bei den Selbständigen 20 Prozent beträgt und bei den Unselbständigen rund 7 Prozent. Daher weiß ich nicht, warum das unter dem Stichwort "Verteilungsgerechtigkeit" laufen soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich begrüße an sich die Nennung des Stichwortes "Verteilungsgerechtigkeit", die ich befürworte. Aber wenn Sie wirklich über Verteilungsgerechtigkeit reden wollen, dann bitte ich Sie, wenn Sie mehrfach in Ihrem Papier auch den letzten OECD-Bericht über Österreich zitieren, diesen vollständig und nicht selektiv zu zitieren. Sehen Sie sich zum Beispiel – ich greife das jetzt ziemlich willkürlich heraus – auf Seite 75 der deutschen Ausgabe die Tabelle mit dem Titel "Grenzsteuersätze nach Einkommensniveau" an: Dort können Sie etwas Verblüffendes feststellen. Für mich ist tatsächlich verblüffend, daß man bei der OECD, bei welcher es sich ja nicht um irgendwelche Vollkoffer von gestern handelt, feststellt, daß die Grenzsteuersätze in Österreich im Gegensatz zu fast allen anderen OECD-Ländern fallend sind, daß wir – allgemein ausgedrückt – eine regressive Einkommensteuerstruktur haben, fallend von 47,5 Prozent für Schlechtverdienende auf 35,7 Prozent für Gutverdienende. – Das sind die Probleme, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen im Bereich der Verteilungsgerechtigkeit!

Oder warum ist Ihnen die Aussage der Tabelle auf Seite 71 nicht aufgestoßen? Die Tabelle trägt den Titel "Effektive durchschnittliche Steuersätze auf Kapital, Arbeit und Umsatz". In Österreich ist die effektive Durchschnittsbesteuerung der Arbeit derzeit doppelt so hoch wie die des Kapitals. Das sind doch wesentliche Stichworte, wenn Sie schon "Verteilungsgerechtigkeit" anschneiden! Das kommt aber weder in Ihrem Text noch bei den Anfragen im einzelnen vor.

Sie übernehmen die eine Kapitelüberschrift, die lautet: "Hohe steuerliche Belastung des Faktors Arbeit". Das ist eh klar, das wissen wir! Aber die nächste Kapitelüberschrift der OECD – es handelt sich hiebei nicht um irgendein Papier des "Roten Börsenkrach" – zitieren Sie nicht, denn diese lautet: "Niedrige effektive Besteuerung von Vermögenseinkommen". – Ich warte darauf, daß Sie dazu Stellung nehmen! (Abg. Smolle: Sie müssen unser Gesamtkonzept lesen!)

Ich muß nicht Goethe vorwärts und rückwärts lesen! Wenn Sie eine dringliche Anfrage einbringen, dann lese ich den Text Ihrer dringlichen Anfrage – denn das können Sie mit Fug und Recht erwarten – und die Fragen. Den Rest schicken Sie mir bitte nach Hause beziehungsweise lieber ins Büro, dann lese ich das bei Gelegenheit! (Beifall bei den Grünen.)

Reden wir über Verteilungsgerechtigkeit! Nehmen wir die OECD-"Revenue Statistics", letzte Ausgabe August 1998, und schauen wir nach, was Österreich tatsächlich von anderen Ländern unterscheidet! Das ist ja hochinteressant! Auch der Laie stellt fest – er braucht dafür nur ein bißchen Gespür für Zahlen –, daß beispielsweise das österreichische Abgabensystem insgesamt nicht progressiv sein kann, sondern bestenfalls proportional, aber wahrscheinlich regressiv ist. Das heißt, daß von den unteren Einkommen mehr Steuern bezahlt werden müssen als von den oberen.

Das ist halt auch eine Folge – muß ich sagen – sozialdemokratischer Finanzpolitik, denn schließlich haben Sie jetzt 28 Jahre lang den Finanzminister gestellt. Das sollte man in diesem Zusammenhang auch erwähnen. Die Österreicher wissen folgendes nicht: Die Österreicher ächzen und krächzen immer unter der Progressivität der Lohn- und Einkommensteuer. Diese gibt es, das stimmt. Aber die Progressivität der Lohn- und Einkommensteuer wird konterkariert durch alle anderen Abgaben, darunter vor allem die Sozialversicherungsabgaben, die proportional beziehungsweise ab der Höchstbeitragsgrundlage regressiv wirken.

Vom quantitativen Gewicht her sieht man das auf den ersten Blick: Die Sozialversicherungsabgaben sind in Österreich mittlerweile weit gewichtiger als sämtliche einkommensbezogenen Steuern, das heißt, Lohnsteuer, Einkommensteuer, KESt und Körperschaftsteuer zusammengenommen machen weniger aus als die Sozialversicherungsbeiträge. All das kann man mit Zahlen aus anderen EU-Staaten vergleichen, um zu sehen, inwiefern sich Österreich auf diesem Gebiet unterscheidet.

Die Vermögensteuer hat Sie offenbar nicht interessiert, denn diese kommt in Ihrem Papier nicht vor! Die Tatsache, daß die Vermögensbesteuerung, die typischerweise Bezieher höherer Einkommen betrifft, in Österreich traditionell weitaus niedriger ist als im EU-Durchschnitt, inzwischen "natürlich" weiter "fallend", weil wir ja genialerweise die Vermögensteuer abgeschafft haben, und inzwischen alles in allem ein Drittel des EU-Durchschnittes ausmacht, ein Viertel der Werte der Schweiz – eines "ursozialistischen" Landes bekanntlich –, ein Fünftel der Werte der USA – da müssen auch irgendwelche Börsenkrachler am Werk sein! –, ein Sechstel des Vereinigten Königreiches – Thatcher-Regierung ist spurlos vorübergegangen! –, all das sind doch Phänomene, über die man im Rahmen der Verteilungsgerechtigkeit diskutieren sollte. Darüber sollte man reden, aber nicht beschränkt auf die Abschaffung eines Steuerprivilegs der Unselbständigen zugunsten einer Tarifsenkung für die Selbständigen. Das allein kann es doch wohl nicht sein!

Ich habe es auch ein bisserl bedauert, daß Sie nur mit einer einzigen Frage auf die Ökologisierung des Steuersystems eingegangen sind, mit einer Frage von 21. Früher einmal haben wir gewissermaßen Hand in Hand dafür gekämpft, jetzt scheint das für Sie kein Thema mehr zu sein. Bei dieser Gelegenheit, Frau Dr. Schmidt, möchte ich Sie fragen: Merken Sie nicht, wie die Steuerreformdiskussion verflacht? Merken Sie nicht, wie Sie sich in diese Tradition schon einreihen? Ursprünglich wurde eine riesige Steuerreformkommission eingesetzt, die Tod und Teufel untersuchen hätte sollen, vom Finanzausgleich über die Getränke- und Grundsteuer bis zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer, das Verhältnis von Arbeit und Kapital, alles was gut und teuer ist. Und worüber reden wir jetzt? – Von einer bescheidenen Tarifkorrektur im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer!

Ich möchte nicht mißverstanden werden: Auch die Grünen befürworten die Abgeltung der kalten Progression bei der Einkommensteuer beziehungsweise Lohnsteuer und haben diese immer schon verlangt, überhaupt keine Frage. Aber dafür brauchen wir keine Steuerreformkommission, dafür genügen zwei Beamte im Finanzministerium, vielleicht sogar nur einer! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Schmidt: Vollkommen richtig!)

Außerdem haben wir eine Ökologisierung des Steuersystems verlangt, welcher Herr Minister Edlinger mehrfach und unzweideutig zugestimmt hat. Aber all das verflacht irgendwie! Und ich habe es sehr bedauert, daß in Ihrer Dringlichen, die an sich zu einem richtigen Zeitpunkt kommt, diese großen Fragen im Grunde nicht angeschnitten werden, sondern daß Sie diese halt dazu verwenden, um das Ergebnis Ihrer Klubklausur mit der Abschaffung der Begünstigung des 13. und 14. Gehaltes zu verkaufen. Ich verstehe das. Aber ein bisserl enttäuscht hat mich das schon, noch dazu, wenn die Anfrage unter dem großen Stichwort "Verteilungsgerechtigkeit" läuft. Ich meine nämlich, daß Verteilungsgerechtigkeit wirklich viel, viel mehr als das ist! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Gleiche Redezeit. – Bitte.

16.35

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade noch vorhin, bevor Kollege Van der Bellen zu reden begonnen hat, habe ich mir gedacht, daß wir jetzt eine Dringliche Anfrage haben, bei der ich mich mit den Versäumnissen der Bundesregierung auseinandersetzen können werde. Jetzt muß ich mich aber auch mit der Polemik des von mir durchaus geschätzten Kollegen Van der Bellen auseinandersetzen! (Abg. Mag. Posch: Das war keine Polemik, das war eine Tatsachenfeststellung! – Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen.) Herr Kollege Van der Bellen! Sie haben natürlich recht. (Abg. Haigermoser: Raus aus dem Glashaus!) Darf ich um Aufmerksamkeit bitten! Vielleicht versuchen wir einmal, hier von dieser Stelle aus wirklich zu diskutieren! Wir sitzen ja selten gemeinsam in Ausschüssen, daher möchte ich jetzt auf ein paar Aspekte eingehen.

Sie sagen mit Recht, daß diese Anfrage unvollkommen ist. Darin gebe ich Ihnen recht! Sie ist nicht die Weltmaschine. Wir beschäftigen uns, das wird in der Anfrage zugegeben, ausschließlich mit den Einkommensteuern, ausschließlich! Sie wissen aber, denn Sie haben ja auch auf unsere Klubklausur Bezug genommen, daß wir in dieser auch gefordert haben, daß die Kapitalertragsteuer von 25 Prozent auf 30 Prozent angehoben wird. Das ist aber nicht Gegenstand dieser Anfrage, das gebe ich zu. Sie wissen auch, daß so wie Sie auch wir der Meinung sind, daß die Tatsache, daß bei Sozialversicherungsbeiträgen Vorsteuern eingehoben werden, eine außerordentlich diskussionsbedürftige Angelegenheit ist, weil sie genau jene Effekte auslöst, die Sie geschildert haben. Das war allerdings nicht Gegenstand dieser Anfrage! Wenn Sie uns aber in diesem Zusammenhang unterstellen, Kollege Van der Bellen, daß das nicht Anliegen sind, für die wir seit Jahr und Tag, wie Sie wissen, eintreten, dann greift mir das zu kurz!

Sie kennen nur das Papier, sagen Sie, und in diesem steht es nicht. – Stimmt! Gebe ich zu! Aber tun Sie nicht so, als ob Sie unter Gedächtnisverlust leiden würden! Sie werden doch nicht die Debatten der letzten drei Jahre vergessen haben! Und übrigens setzt man bei einer ökologischen Steuerreform hauptsächlich bei den Lohnnebenkosten an, die hier auch nicht vorkommen. Wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten uns nicht mit den Lohnnebenkosten beschäftigt, so gebe ich auch das zu. Aber das war nicht der Gegenstand dieser Anfrage! Und wenn Sie meinen, daß die Sechstelbegünstigung, die hier sehr stark in den Mittelpunkt gestellt wird, nicht der Verteilungsgerechtigkeit dient, dann sage ich: Das gilt wohl für die Vorstandsvorsitzenden der großen Aktiengesellschaften, für die Spitzenfunktionäre in den Kammern, die von den Sechstelbegünstigungen "windfall profits" mitnehmen, von denen ein gewöhnlicher Selbständiger nur träumen kann! (Beifall beim Liberalen Forum.) Verstehen Sie mich?

Wenn Sie hingegen die Masseneinkommen betrachten, die neuen Selbständigen, die kleinen Gewerbetreibenden, dann werden Sie sehen, daß dort die Sechstelbegünstigung zwar derzeit für die unselbständig Erwerbstätigen im Jahresergebnis etwas Wichtiges ist, wir ihnen das aber mit der Steuerreform vielfach zurückgeben. Und warum sollen wir das dann nicht auch den kleinen Gewerbetreibenden geben? Nennen Sie mir einen Grund dafür, warum es sich nicht um Verteilungsgerechtigkeit handelt, wenn ich dem Greißler ums Eck dieselben Steuern geben will wie dem Mitarbeiter im Unternehmen A oder B, wenn beide im Prinzip dasselbe Jahreseinkommen haben! Und sagen Sie mir nicht, der Greißler hat mehr Möglichkeiten, Steuertricks zu machen. Vernadern Sie mir die Greißler nicht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist vielmehr die Frage zu stellen, ob man nicht auch den unselbständig Erwerbstätigen mehr Möglichkeiten geben sollte, Aufwendungen, die sie haben, beispielsweise für Fort- und Weiterbildung, tatsächlich unmittelbar geltend zu machen. Das hätte ich mir von Ihnen erwartet! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte jetzt aber meine relativ schlanke Redezeit nicht damit verbrauchen, denn wir können uns bei Gelegenheit noch vertieft darüber unterhalten. Es ist mir nämlich im Rahmen dieser Anfrage nicht das Hauptanliegen, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen, das werden Sie mir glauben. Es war mir nur wichtig, Ihnen von dieser Stelle aus mitzuteilen, daß sowohl der soziale Zusammenhalt als auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Grundrechte drei unverzichtbare und gleichzeitig notwendige Eigenschaften einer gut geordneten Gesellschaft sind. Und wenn man sich mit nur einem Aspekt davon beschäftigt, dann ist es halt schwierig, ständig nach jedem Satz eine Unterbrechung zu machen. Im übrigen bin ich selbstverständlich der Meinung, daß die Grundrechte wichtig sind, und ich bin der Meinung, daß der soziale Zusammenhalt wichtig ist. Wenn Sie uns das nicht glauben, dann ist das Ihr gutes Recht! Ich weise es deswegen zurück, denn die sozialen Anliegen des Liberalen Forums dürften mittlerweile so unbestritten sein, daß manchmal schon der Eindruck entstanden ist, wir hätten zuwenig Wirtschaftskompetenz. Wenn Sie uns das irgendwann einmal vorgeworfen hätten, dann hätte ich das eher akzeptiert, zumindest vorübergehend.

Sie dürfen nicht meinen, daß es, wenn man sich bestimmten Aspekten, wie beispielsweise der kalten Progression, zuwendet, irgend etwas mit Ungerechtigkeit zu tun hat, denn die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer – und Sie wissen, wo die Mächtigkeit liegt, die Mächtigkeit liegt bei der Lohnsteuer – sind von 1990 bis heute um 88 Prozent gestiegen. Dem steht im selben Zeitraum eine Wirtschaftsleistungssteigerung von nur rund 38 Prozent gegenüber. Diese Schere muß zugemacht werden, und zwar bei den Masseneinkommen!

Ich erwähne in diesem Zusammenhang den Kollegen Nowotny, der momentan nicht im Saal ist. Er hat gesagt, es sei ganz schlecht, wenn die Masseneinkommen und damit die Kaufkraft steige, es sei viel besser, wenn der Staat das Geld ausgebe, denn das kurble die Wirtschaft stärker an. (Abg. Mag. Posch: Das hat er sicher nicht gesagt!) Ich bin zwar auch der Meinung, daß der Staat im Bereich von Infrastrukturinvestitionen etc. pp. das Seine zu tun hat. Aber was an der Massenkaufkraft schlecht für die Wirtschaftsentwicklung sein soll, kann ich nicht erkennen, außer dem Umstand, daß die Leute in diesem Fall selber entscheiden können, wofür sie das Geld ausgeben. Das gefällt Ihnen vielleicht nicht, das könnte schon sein. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Smolle – in Richtung des Abg. Mag. Posch –: Sie müssen dem Nowotny zuhören, wenn er redet!)

Wenn Sie sich von den Monatsgrößen lösen und das Jahr betrachten, werden Sie erkennen, daß das Jahresergebnis nach Steuern für jemanden, der Steuern zahlt, interessant ist. Denn das, was heute immer noch anachronistisch unter dem Begriff "Sechstelbegünstigung" vorhanden ist, kommt eben tatsächlich nur den hohen Einkommen zugute.

Kollege Stummvoll hat den 13. und 14. Monatslohn verteidigt. Habe ich das richtig verstanden? Sie haben gemeint, das sei ... (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht mehrheitsfähig, habe ich gesagt!) Ja! Sie haben gesagt, das sei nicht mehrheitsfähig. Es sind aber nicht die "mehreren", die so hoch verdienen, daß sie das 13. und 14. Gehalt immer noch brauchen. Das meine ich nicht! (Abg. Koppler: Machen S‘ eine Presseaussendung, Herr Stummvoll!)

Ich glaube, die Gewerkschaft wäre gut beraten, sich einmal zu überlegen, woran es liegt, daß teilweise ihre eigenen Funktionäre längst "windfall"-Profiteure der Sechstelbegünstigung sind und deswegen bremsen. So sagen etwa die, welche auf den zweiten Ebenen im Unternehmen arbeiten und gut verdienen, daß sie sich nicht mehr um den Organisationsgrad in ihren Betrieben kümmern werden, wenn der 13. oder 14. Monatslohn angegriffen werde. Führt einmal diese Diskussion!

Ich weiß, daß sie zu führen wäre. Aber das ist böse, denn den Leuten mit niedrigem Einkommen wird vorgegaukelt, man verteidige etwas für sie, in Wirklichkeit verteidigen aber wenige für sich selber etwas und behaupten, sie täten es für die anderen. Das ist ganz, ganz schlecht. Diese Diskussion muß entkrampft werden. Und lassen Sie sich nicht durch Überschriften in der "Kronen Zeitung" bluffen, und auch nicht durch den Finanzminister, der in dieser Frage vielleicht einem raschen Pressegag auf den Leim gegangen ist. Denn wenn Sie etwas bewegen wollen, dann müssen Sie innerhalb des Systems umschichten. Umschichtungen sind keine Taschenspielertricks, da sonst alles, was eine Umschichtung bedeutet, ein Taschenspielertrick wäre. Ich weise diesen Vorwurf des Kollegen Nowotny auf das entschiedenste zurück!

Herr Staatssekretär! Ich möchte noch einen Teilaspekt ansprechen, der mich sozusagen auf der fachlichen Ebene berührt: Wir haben in unserer Anfrage ausgeführt, daß das Europäische Währungsinstitut davon ausgeht, daß die hohe österreichische Abgabenquote den Wirtschaftsstandort Österreich gefährden könnte. Sie haben gesagt, Sie könnten die entsprechende Stelle nicht finden. – Ich helfe Ihnen, das ist der Bericht, aus dem das zitiert ist. (Der Redner hält den Bericht des Europäischen Währungsinstitutes in die Höhe.) Er ist vom März 1998. Ich gebe allerdings zu, daß in diesem Bericht auf die Einnahmenquote, also den Betrag ohne die Zahlungen an die EU, Bezug genommen wird. Daher ist es ein niedrigerer Betrag. Er hat aber genau dieselbe Tendenz, nur sind die Lasten noch niedriger.

Von dieser Einnahmenquote steht dort wörtlich, daß sie dem Wirtschaftswachstum schaden könnte. Schauen Sie auf Seite 107 nach! Lesen Sie das gewissenhaft, und seien Sie redlich. Ich gebe zu, daß das Wort Abgabenquote nicht drinnen steht, sondern die Einnahmenquote – das räume ich Ihnen ein. Wir haben jedoch die Abgabenquote ohnehin nicht als Zitat gebracht, sondern nur den wirtschaftlichen Befund. Und 45,7 Prozent sind halt tatsächlich ein bißchen viel. Daß das von den Sozialabgaben kommt, wissen wir, daß es in diesem Bereich Reformbedarf gibt, wissen wir, und daß dort 30 000 Leute arbeiten, wissen wir.

Nowotny hat selber gemeint, 80 Milliarden Schilling seien direkte Verwaltungskosten. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wenn es uns nicht gelingt, in angemessen kurzer Zeit mindestens 25 Prozent dieser 80 Milliarden einzusparen, dann sind die Verantwortlichen dafür das Geld nicht wert, das sie bekommen! Denn ich kann von der Regierung verlangen, daß sie eine rasche, effiziente und stromlinienförmige Verwaltungsreform durchführt und nicht nur im System herumbastelt.

Sie geht nun zwar das Vertragsbedienstetenrecht an, läßt sich aber gleichzeitig von der GÖD ausrichten, daß diese Vertragsbediensteten, diese "Minderläufer", diese "Unterläufer", natürlich keine Führungspositionen besetzen können. – Wozu brauche ich sie aber dann? Als Wasserträger für die Pragmatisierten? Damit gäbe ich dem Dreck eine Watsch’n. Das brauche ich nicht. Ich will, daß jemand, der im öffentlichen Dienst arbeitet, und sei er auch nur Vertragsbediensteter, dort jede Führungsfunktion ausüben kann, und das auf Zeit! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassing hat uns vorgeführt, was mit einem Minister, der außerdem selber mehr als einen Fehler in diesem Zusammenhang gemacht hat, passiert, wenn er zaghaft anfangen würde, durchzugreifen! Er stößt auf seine pragmatisierte Bergbehörde. Er zerschellt am Erz der Pragmatisierung. In diesem Fall wird vielleicht das Strafrecht helfen, denn wenn strafbare Handlungen begangen worden sein sollten, kriege ich mit dem Strafrecht auch Pragmatisierte weg. Aber es kann doch nicht die Ultima ratio der Verwaltungsreform sein, daß ich nur dann etwas ändern kann, wenn sich jemand strafbar macht. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gartlehner. Ich erteile ihm das Wort.

16.45

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst nochmals daran erinnern, was Kollege Nowotny in diesem Zusammenhang gesagt hat, da er vom Kollegen Kier sichtlich nicht richtig zitiert wurde. – Kollege Nowotny hat vom Haavelmo-Effekt gesprochen, von der Haavelmo-Theorie, die lautet, daß Steuersenkung und gleichzeitige Senkung der staatlichen Ausgaben im gleichen Ausmaß immer zu einem negativen volkswirtschaftlichen Effekt, zu einem negativen Volkseinkommen führt. Die Interpretation, die Kollege Kier gerade vorgebracht hat, ist meiner Ansicht nach irrtümlich oder absichtlich falsch.

Ich halte die Fixierung dieser Anfrage der Liberalen auf die Abgabenquote jedoch grundsätzlich für etwas bedenklich, weil sie nicht den gesamtheitlichen Zugang sieht. Sich darauf zurückzuziehen, daß irgendwo steht, die Abgabenquote könnte zu negativen Effekten führen, mag für den Fall richtig sein, daß sie weiter steigt. Das ist aber de facto nicht der Fall, da man dieser heute historisch hohen Abgabenquote, wie sie derzeit gegeben ist, auch eine historisch hohe Beschäftigungsquote in diesem Land gegenüberstellen kann. (Abg. Smolle: Aber auch die Arbeitslosenquote läßt sich leider sehen!) Das heißt also, daß die Abgabenquote derzeit noch keine negativen Effekte gezeigt hat, und daß wir auch historisch betrachtet die höchste Beschäftigung in diesem Land haben, die es seit dem Jahr 1945 gegeben hat. Meiner Überzeugung nach sollte man daher nicht so isoliert darüber diskutieren.

Faktum ist, daß die Budgetkonsolidierung in den letzten Jahren ausgezeichnet gelungen ist. Der Staatssekretär hat bereits im Detail ausgeführt, was dabei durchgezogen wurde. Ich kann der Bundesregierung nur gratulieren, daß sie das in dieser Konsequenz durchgehalten hat, denn im Unterschied zu anderen Konsolidierungspaketen wurde zuletzt auch ein sehr strenges Controlling auf Ministerialebene eingeführt und auch eingehalten. Wir sehen also, daß die Realisierung dieser Einsparungsprogramme auch im Ist-Vergleich gehalten hat.

Eine weitere Kritik, die ich an diesem Antrag der Liberalen anbringen möchte, ist einfach diese doch sehr – wie soll ich sagen? – populäre oder populistische Form, die Bürokratie müsse dringend saniert werden, in den nächsten Jahren mindestens 25 Prozent, sagt Volker Kier. Das ist schon richtig, daß wir einen relativ hohen Anteil an Bürokratie in Österreich haben, das ist ja auch historisch bedingt, glaube ich, wie wir alle wissen. (Abg. Smolle: Die Historie dauert ein bißchen lang!) Wir wissen jedenfalls, daß jede Einsparung im öffentlichen Dienst de facto zu Arbeitslosigkeit im privaten Bereich führt, da nicht alle, die auf den Markt drängen, dort aufgenommen werden, weil ihre Tätigkeiten zum Teil gar nicht nachgefragt werden.

Man muß also einen evolutionären Prozeß greifen lassen in der Form, Abgänge wirklich nur dort nicht zu ersetzen, wo es möglich ist, weil darüber hinaus der Reformprozeß in der Verwaltung auch von den Betroffenen mitgetragen werden muß und wir wissen, daß die Betroffenen die Leistungen und die von uns gestellten Ansprüche auch umsetzen müssen. Dabei dürfte eigentlich niemand überfordert werden. Ich sage es so, wie es ist.

Darüber hinaus müssen wir darauf achten, daß trotz guter Konjunktur die Regel gilt, daß Wachstum nicht gleichzeitig Beschäftigungssteigerung heißt. Auch darin hat sich in den letzten Jahren durch die internationale Globalisierungspolitik sehr vieles geändert. Wir sollten eher danach trachten, daß die Steuereinhebung besser und konsequenter wird. Das heißt also, wir müssen versuchen, das Steuersystem weiterhin zu vereinfachen.

Wir sollten aber nicht nur über eine Steuersenkung debattieren. Auf der einen Seite gibt es die Steuern, auf der anderen Seite die Gehälter und Löhne. Kollege Stummvoll, der im Augenblick nicht anwesend ist, hat es bereits angesprochen. (Abg. Dr. Stummvoll: Bin schon da!) Oh! Er ist schon hier! – Herr Kollege! Sie haben gesagt, wir müßten versuchen, die Kaufkraft zu stärken. Für uns Sozialdemokraten hieße das aber auch, daß wir bei den Löhnen und Gehältern im Realeinkommen etwas tun müssen. (Abg. Böhacker: Das geht am einfachsten durch Lohnsteuersenkung!) Eine Gelegenheit dazu wird es bereits in den nächsten Wochen geben. (Abg. Dr. Stummvoll: Mehr netto, weniger brutto!) Ich bin überzeugt davon, daß sich unsere Freunde auf Sie berufen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich will heute noch nicht über die "flat tax"-Ideen der FPÖ sprechen, weil wir sicherheitshalber abwarten wollen, was wir davon zu erwarten haben, aber wenn es nach den Aussagen Jörg Haiders in der letzten "Pressestunde" geht, wäre es natürlich eine sehr unsoziale und ... (Abg. Dr. Haider: Danke, daß du zugehört hast!) Natürlich, ja! (Abg. Dr. Haider: Jetzt weiß ich, warum ich immer so hohe Quoten habe! Weil alle Abgeordneten der Regierungsfraktionen zuhören!) Mir ist aber im Zusammenhang mit dieser "flat tax"-Geschichte aufgefallen, daß sie ein bißchen unsicher präsentiert wurde! Darum warte ich lieber ab.

Das LIF-Modell würde, wie Nowotny erwähnt hat, 50 Milliarden Schilling kosten – das ist aufgrund der Zahlen klar. Eine tatsächliche Umsetzung dieses Modells würde bedeuten, daß rund 100 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst eingespart werden müßten – wenn man es nur auf die Personaleinsparungen reduziert.

Zum Abschluß möchte ich noch anmerken: Wir werden im Jänner mit unserem Koalitionspartner über die Steuerreform 2000 verhandeln. Das Team, das für die SPÖ in diese Verhandlungen gehen wird, besteht aus Edlinger und Stix. Wir verlassen uns darauf, daß unsere Polit-Realos Edlinger und Stix mit hohem sozialen Gewissen und mit sehr viel Fachkompetenz verhandeln werden.

Für uns gilt das Prinzip, daß nicht nur Steuerreduzierungen, sondern auch Steuererhöhungen da oder dort durchaus möglich sein können – das ist auch heute wieder das eine oder andere Mal andiskutiert worden. Ich bin überzeugt davon, daß wir mit dem SPÖ-Modell in der Debatte um eine Steuerreform gut abschneiden werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

16.52

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Diskussion wurde mit einer großen Erklärung der Liberalen eingeleitet, in der sie den Wunsch nach einer Debatte über die Steuerreform äußerten. – Meine Damen und Herren vom Liberalen Forum! Im Grunde geht es Ihnen aber nicht um eine generelle Steuerreform, sondern um ein Modell für eine Änderung des Einkommensteuersystems. Und nicht nur Van der Bellen, auch Dr. Stummvoll hat sich deutlich mit Ihrem Modell auseinandergesetzt und klargestellt, wie falsch, wie gefährlich, ja wie unmöglich für die Steuerzahler Ihr Modell wäre! (Abg. Mag. Peter: Es würde vor allem das Steuerprivileg des Herrn Feurstein senken! Das verstehe ich) Ich darf ganz kurz sagen, was Ihr ... (Abg. Mag. Peter: Sie bangen um Ihr 13. und 14. Gehalt!)

Herr Mag. Peter! Ihr Modell sieht eine gewaltige Umschichtung von den Nicht-Erwerbseinkommen zu den Erwerbseinkommen vor. (Abg. Mag. Peter: Sie zahlen mehr, das ist klar!) Derjenige, der arbeitet, darf Ihr Modell bezahlen, da er mehr Steuer zahlt, derjenige, der nicht arbeitet, wird von Ihrem Modell begünstigt (Abg. Mag. Peter: Also die Selbständigen arbeiten nicht?) – und das ist das Gefährliche Ihres Modells, Herr Kollege Peter. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Trattner: Du bist ein Abkassierer!)

Und innerhalb der Erwerbstätigen beabsichtigen Sie eine gewaltige Veränderung von den Selbständigen zu den Unselbständigen (Abg. Mag. Peter: Wollen Sie mehr Selbständige oder weniger?) – das heißt, die Unselbständigen werden von Ihnen zur Kasse gebeten. (Abg. Mag. Peter: Sie wollen weniger!) Das 13. und 14. Monatsgehalt wird bei Ihrem Modell voll besteuert. (Abg. Dr. Khol: Unerhört!) Überstunden werden bei Ihrem Modell voll besteuert. (Abg. Mag. Peter: 200 000 zu 6 Prozent! Das ist ein Grund!)

Herr Abgeordneter Peter! Die Abfertigung wollen Sie mit dem halben Satz besteuern! (Abg. Mag. Peter: 200 000 zu 6 Prozent! Daß Sie sich nicht genieren! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Das ist eine gewaltige Umverteilung von den Unselbständigen weg – die unselbständig Erwerbstätigen sollen Ihre Steuerreform bezahlen! Und dazu können und müssen wir eindeutig nein sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Peter! Widersprüchlichkeit kommt ja auch darin zum Ausdruck, daß Sie auf der einen Seite den Spitzensteuersatz von 50 auf 40 Prozent herunternehmen wollen, auf der anderen Seite aber – wie Herr Abgeordneter Kier schon einige Male gesagt hat – Mehrbelastungen bei den Lohnkosten verursachen würden, indem die Höchstbeitragsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge einfach gestrichen werden soll. (Abg. Mag. Peter: Auch das ist nur halb richtig!) Das sind Lohnkostenerhöhungen, und zwar gewaltige, die nicht akzeptiert werden können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Peter: Und wie Sie das sagen! Das wissen Sie ganz genau! Ich werfe Ihnen Polemik vor!) Die Widersprüchlichkeit Ihres Konzeptes ist augenscheinlich, seine Wirkungen wären katastrophal.

Lassen Sie mich aber ganz kurz grundsätzlich zur Steuerreform, zur Einkommensteuer- und Lohnsteuerreform, Stellung nehmen, die heute, aber auch sonst, in aller Munde ist.

Es ist sicherlich richtig, daß in dieser Diskussion immer wieder darauf hingewiesen wird, daß in den letzten Jahren die Erwerbstätigen, die Einkommensteuerpflichtigen und Lohnsteuerpflichtigen, einen ständig steigenden und wachsenden Beitrag des Steueraufkommens geleistet haben. Von 1990 bis 1998 ist das Lohnsteueraufkommen um 80 Prozent, die Gesamteinnahmen an Steuern und Abgaben aber nur um 64 Prozent gestiegen. Das heißt also, daß die Lohnsteuerpflichtigen in diesen acht Jahren einen wesentlich höheren Beitrag als eben alle anderen Steuerpflichtigen geleistet haben. (Abg. Dr. Haider: Das ist diese Regierungspolitik, wo ihr dabei seid! – Abg. Haigermoser: Feurstein beschwert sich über sich selbst!) Dazu gehören auch die Umsatzsteuer und die Verbrauchssteuern, ich spreche vom ganzen Steueraufkommen, Herr Abgeordneter Haider. (Abg. Dr. Haider: Deine Politik, Gottfried!)

Deshalb haben wir uns eine Steuerreform zum Ziel gesetzt, die eindeutig die unteren und mittleren Einkommen entlastet. Unser Vorschlag lautet, jene Steuersätze zu senken, die die mittleren und unteren Einkommen betreffen. Das würde bedeuten, daß man, anders als nach den Vorschlägen des Liberalen Forums, die eine Senkung um 10 Prozent vorsehen – etwas, das sich nicht finanzieren läßt –, die unteren und mittleren Steuersätze moderat um 2 Prozentpunkte senkt. Meine Damen und Herren, das ist realistisch! (Abg. Koppler: Das ist aber nur ein Teil Ihrer Vorschläge!)

Ich bedauere es, daß aus dem Finanzministerium dieser Tage ein Vorschlag gekommen ist, bei dem es um 200 S geht. Ich glaube nicht, daß das ein realistischer Vorschlag ist: 200 S! (Abg. Verzetnitsch: 300!) Ich habe 200 S gelesen, aber vielleicht sind es 300 S, Herr Präsident Verzetnitsch. Aber weder 200 S noch 300 S sind ein realistischer Vorschlag. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Wir müssen daher ganz klar sagen: Gewisse Dinge sind bei dieser Steuerreform für uns unantastbar. (Abg. Dr. Schmidt: Sakrosankt!) Den ersten Punkt habe ich schon klar erwähnt, nämlich kein Angriff auf das 13. und 14. Monatsgehalt und auf die Abfertigungen – kein Angriff auf diese beiden Bereiche. (Abg. Böhacker: Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! – Abg. Haigermoser: Das glaubt er ja selber nicht!)

Zweiter Punkt: Ich bedauere es, Herr Finanz-Staatssekretär, daß aus der Steuerreformkommission immer wieder Indiskretionen nach außen gedrungen sind. (Abg. Haigermoser: Ihr macht euch das immer über Hinterzimmer aus!) Ich weiß nicht, ob das echte oder gezielte Indiskretionen sind. Aber wenn gesagt wird, die Steuerreformkommission beabsichtige, die Einheitswerte zu ändern und die Grundsteuer von den Verkehrswerten zu berechnen, so muß ich sagen, daß ein solcher Vorschlag nicht nur nicht mehrheitsfähig, sondern total falsch ist. (Abg. Böhacker: Das ist aber der derzeitige gesetzliche Zustand, Herr Kollege Feurstein!) Eine Erhöhung der Grundsteuer muß von der Steuerreform ausgenommen werden. Meine Damen und Herren! Es darf nirgends im Steuerreformpaket zu einer Änderung der Grundsteuer kommen – das ist ein ganz entscheidender Punkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Unserer Meinung nach sollten aber auch andere wichtige Gesichtspunkte mit berücksichtigt werden. So sollte im Rahmen der Steuerreform etwa die Eigenvorsorge gestärkt werden, Herr Kollege Peter – aber Eigenvorsorge bei allen Erwerbseinkommen, nicht nur bei einzelnen.

Wer für sich selbst vorsorgt, wer zur Stärkung der Eigenverantwortung beiträgt, soll eine steuerliche Entlastung haben. (Abg. Mag. Peter: Die Eigenvorsorge wird eben nicht gefördert!) Darum wird es für uns auch ein ganz wichtiger Punkt sein, daß wir dann zu einer Steuerentlastung kommen, wenn jemand für sich selbst sorgt. Denn Personen, die für sich selbst sorgen, entlasten damit schlußendlich den Staat. – Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt zur Tarifreform sagen. Es wird immer wieder behauptet, eine Tarifreform sei unrealistisch. Wir haben 1988 – und damit antworte ich auch dem Dr. Haider – eine sehr großzügige Tarifreform durchgeführt, die genau das berücksichtigt hat, was ich heute als Grundsätze formuliert habe. Diese Tarifreform hat natürlich im Moment einen gewissen Einnahmenrückgang bei den Lohnsteuer- und Einkommensteuereinnahmen bewirkt, aber schlußendlich hat sie zu einer Belebung der Wirtschaft geführt und so mitgeholfen, den Staatshaushalt zu sanieren.

Die Steuerreform 1988 war ein Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes, und wir erwarten, daß auch die Steuerreform 1999/2000 ein Beitrag zur weiteren Sanierung unseres Staatshaushaltes sein wird. Denn die Stabilität ist – Dr. Stummvoll hat es gesagt – ein ganz wichtiger Gesichtspunkt, der im Rahmen dieser Steuerreform zu beachten ist, und es wäre falsch, eine Steuerreform zu machen, die die Stabilität unseres Staatshaushaltes in Frage stellt. Genausowenig sollte die Steuerreform unsere Beschäftigungs- und Arbeitsmarktsituation gefährden, sie sollte sie vielmehr verbessern.

Das sind nur zwei wichtige Grundsätze, die zu beachten sind. Wir werden diese Steuerreform sicherlich in den nächsten Monaten so rechtzeitig behandeln, daß es dann auch zu einer Beschlußfassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

17.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.02

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht schon seit Jahren so – und deshalb braucht man hier eigentlich nicht über Details zu debattieren: Seit Jahren präsentieren die Oppositionsparteien Steuermodelle, und die Regierungsparteien suchen immer nur Ausreden, warum das eine oder das andere nicht geht.

Es ist auch allen völlig klar, daß man nicht aus jedem Papier die Gustostückerl herausziehen kann. Vor allem aber ist allen hier im Hohen Haus klar, daß die einzigen, die mit konkreten Konzepten und Papieren kommen, die Oppositionsparteien sind – in erster Linie die Freiheitliche Partei. Die Regierungsparteien hingegen haben überhaupt nichts getan, sondern sie kündigen nur irgendeine Steuerreformkommission an, die keine Kompetenz hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum hat die Steuerreformkommission keine Kompetenz? – Sie können Kommissionen einsetzen mit 30 Personen, mit 40 Personen, mit 80 Spezialisten, mit Inländern, mit Ausländern und so weiter – wenn die kein Pouvoir haben, innerhalb dessen sie sich bewegen können, wenn Sie ihnen nicht sagen: Ihr habt eine Manövriermasse von 30 oder 40 Milliarden Schilling!, können sie nichts tun. Sie können nicht manövrieren, sondern sie haben nur die Vorgabe, bestenfalls umzuschichten. Und dann kommen eben auf der einen Seite nur 2 Prozent Reduktion der Steuerprogression oder auf der anderen Seite ein paar Freibeträge heraus.

Die Roten schleichen sich überhaupt aus der Debatte hinaus. Warum schleichen Sie sich denn hinaus? – Sie tun dies, weil nun der Zeitpunkt gekommen ist, da die Budgetkosmetik zu Ende ist. Sie haben kein Geld mehr, sie können nichts mehr zur Verfügung stellen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stippel: Vor allem bei der FPÖ! Vor allem bei der FPÖ-Niederösterreich!) Doch genau das haben wir immer gesagt, Herr Staatssekretär. Sie haben vorhin deutlich gesagt, mit 2,6 Prozent Budgetdefizit seien Sie nicht einverstanden, damit seien Sie nicht glücklich. Das ist erstmalig, daß Sie das zugeben.

Was steht denn im Stabilitätspakt? – Sie müssen auf ein ausgeglichenes Budget beziehungsweise auf einen kleinen Budgetüberschuß hinarbeiten, und dieses ausgeglichene Budget und der kleine Budgetüberschuß kosten immerhin 80 Milliarden Schilling. Daran mangelt es! Die Einmaleffekte sind vorbei, all die budgetkosmetischen Maßnahmen sind zu Ende. Es ist vorbei mit den Verlustvorträgen beziehungsweise mit den Einmaleffekten aus Ausgliederungen und Privatisierungen. Jetzt haben Sie nichts mehr zu verteilen, jetzt haben Sie nämlich nichts mehr zu privatisieren. Die Lieferantenverbindlichkeiten können Sie auch nicht mehr länger hinausschieben. Jetzt sind Sie praktisch am Ende. Sie haben kein Geld, um eine Steuerreform durchzuziehen, und deswegen suchen Sie alle immer nur nach Ausreden. Und das ist die Kritik! Wir brauchen nicht über Progressionsänderungen zu reden – da eine Steuer senken, dort eine Steuer erhöhen –, Sie haben das Geld nicht dazu. Und das ist die Problematik!

Diese Problematik verschärft sich, da Sie all Ihre Erwartungen nur auf den Export gerichtet haben. Die Inlandsnachfrage haben Sie total vernachlässigt, denn es gab keine realen Einkommenszuwächse, sie sind sogar reduziert worden. Jetzt werden aufgrund der Ostasienkrise, aufgrund der Rußlandkrise die ersten Exporteinbrüche kommen. Was machen Sie dann?

Sie haben einen Stand von Haftungen in der Höhe von 359 Millionen Schilling. Von diesen 359 Millionen Schilling sind allein 107 Millionen Schilling bereits Umschuldungsgarantien, und zwar 39 Millionen für Rußland und 38 Millionen für Polen. (Abg. Böhacker: Milliarden!) Ja wie lange wollen Sie denn das noch umschulden? Sie wollen es möglichst lange umschulden, damit Sie es immer wieder hinausziehen können (Rufe: Milliarden! Milliarden, nicht Millionen!) – ah, Milliarden, Entschuldigung! (Abg. Hans Helmut Moser: Millionen oder Milliarden – das ist nicht so genau!) –, damit Sie es nicht in das Budget einstellen müssen, was praktisch die Staatsverschuldung beziehungsweise das Defizit steigern würde.

Das ist Ihr Problem! Sie haben kein Geld mehr für eine Steuerreform. Sie haben sie nur angekündigt mit einer Steuerreformkommission, und Sie brauchen hier nicht zu debattieren. Sie suchen immer nur nach Ausreden, warum an dem einen oder an dem anderen Papier irgend etwas zu kritisieren ist.

Setzen Sie sich doch einmal mit der Materie auseinander! Gehen Sie auf die verschiedenen Papiere ein und sagen Sie: Das und das ist realisierbar und das nicht! Aber dann müssen Sie auch dazusagen, welche Manövriermasse Sie haben. Und wenn Sie keine Manövriermasse haben, dann können Sie die Steuerreformkommission auch vergessen und all Ihre Parteienverhandlungen über Steuerreform im Jänner genauso. Das ist alles leere Luft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haigermoser: Der neue Steuersprecher der ÖVP!)

17.06

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! An und für sich hat das Liberale Forum heute versucht, sein Grundsicherungsmodell unter dem Titel Steuerreform zu diskutieren. (Abg. Dr. Schmidt: Bei welcher Veranstaltung waren Sie!) Ich sage auch ganz offen: Aus Sicht der Landwirtschaft hätte ich fast Sympathien für dieses Grundsicherungsmodell, wenn es finanzierbar wäre.

Vielleicht eine ganz einfache Rechnung: Wir haben laut statistischen Erhebungen in der Landwirtschaft auf 240 000 Bauernhöfen rund 985 000 Personen. Wenn gemäß dem Grundsicherungsmodell im Monat 8 000 S ausbezahlt beziehungsweise als Einkommen garantiert würden, so wären das im Jahr 100 000 S pro Person, für alle also – das ist eine einfach Rechnung – rund 100 Milliarden Schilling. Das derzeitige landwirtschaftliche Gesamteinkommen beträgt 38 Milliarden Schilling. An bäuerlichen Pensionen werden etwa 20 Milliarden Schilling ausbezahlt. Das ergäbe zusammen dann 58 Milliarden Schilling. – Bei der Grundsicherung würden wir also noch 30 bis 40 Milliarden Schilling dazubekommen.

Was würde zum Beispiel eine Teilzeitbeschäftigte in einem Handelsbetrieb, die derzeit weniger als 8 000 S netto bekommt, tun? Sie würde sicher nicht mehr arbeiten gehen. – Aus diesen Gründen muß zuerst einmal eine Rechnung vorgelegt werden, wie das überhaupt finanziert werden kann.

Zweitens: Herr Abgeordneter Haider hat von den vielen Überstunden in den Ministerien gesprochen. Er hat das aber offensichtlich mit dem Büro des Landesrates Schnell verwechselt. Dort gab es nämlich einen Mitarbeiter, der Hunderte Überstunden im Monat geschrieben hat und dann ein Disziplinarverfahren hatte, weil er diese Überstunden überhaupt nicht geleistet hatte. (Abg. Böhacker: Das war ein ÖVPler!) Es gab Tage, an denen er mehr als 24 Stunden geschrieben hatte. Und das hat Herr Dr. Haider offensichtlich verwechselt.

Abgeordnete Böhacker wird es ja wissen. In diesem Büro hat es einen Dr. Schmittner gegeben. Nein! Schnell wird doch nicht einen von der ÖVP in sein Büro nehmen, sozusagen als Büroleiter. (Abg. Böhacker: Nachdenken! Zuerst denken, dann sprechen!) Ihr verwechselt, glaube ich, die Kanzleien. (Abg. Böhacker: Das war ein ÖAAB-Mann!) Nein, das war kein ÖAAB-Mann, das war ein Freiheitlicher. Vielleicht kommt er, da in Salzburg so viele von der Freiheitlichen Partei wieder Abstand nehmen, dann wieder zum ÖAAB. (Abg. Böhacker: Er war bei der ÖVP! Dann ist er ausgetreten! Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Zweifellos ist in Österreich die Steuer- und Abgabenquote sehr hoch. Wir liegen damit innerhalb der EU-Länder im oberen Mittelfeld. (Abg. Böhacker: Übrigens, dieser Schmittner ist Berater der ÖVP-Bürgermeister! Von Mooshammer und so weiter!) Also leugnen Sie, daß Dr. Schmittner im Büro des Landesrates Schnell mehr Überstunden geschrieben hat, als er gemacht hat (Abg. Dr. Haider: Weil er ein Schwarzer ist!), daß er monatlich Hunderte Überstunden schrieb und deshalb ein Disziplinarverfahren hatte (Abg. Dr. Haider: Weil er ein ÖVPler ist, und die Schwarzen schwindeln immer!), wobei Dr. Schnell alle diese Überstunden sogar noch bestätigte. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir streben selbstverständlich eine Steuerreform an. Sie ist auch im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode mit verankert. Wir erwarten von dieser Steuerreform, daß die Mittelschicht entlastet wird, daß sie Leistungsanreiz bietet. (Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Eine Steuerreform ist darüber hinaus natürlich auch ein gesellschaftliches Anliegen. Ich verweise darauf, daß wir bereits einen ersten Teil der Steuerreform im heurigen Jahr beschlossen haben. Die Familiensteuerreform tritt zu einem Teil mit 1. Jänner 1999, zu einem weiteren Teil im Jahre 2000 in Kraft. Das heißt, pro Familie wird es weniger Steuern beziehungsweise eine höhere Familienbeihilfe pro Kind von 6 000 S im Jahr geben, für zwei Kinder 12 000 S, und für das dritte Kind kommen, sofern das Monatseinkommen der Familie unter 42 000 S liegt, noch 10 800 S dazu. Das bedeutet, daß eine Familie mit drei Kindern im Jahre 2000 22 800 S allein durch die Familiensteuerreform mehr bekommt. Ich sehe dies als eine erste sehr sinnvolle Maßnahme in diesem Bereich an.

In den letzten Tagen ist auch eine Diskussion um das Karenzgeld ausgebrochen. Wenn es uns gelingt – es sollen uns sozusagen nicht nur alle Kinder, sondern auch alle Mütter gleich viel wert sein –, daß jene Mütter, die bereits zwei kleine Kinder haben und aus diesem Grund nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis sein können, auch für ein drittes Kind gemäß dem Modell, das Bartenstein vorgeschlagen hat, Karenzgeld bekommen werden, so ist das ein sehr wichtiger Beitrag in der finanziellen Absicherung der Familien. Es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, und es ist eine Anerkennung der Leistung der Kindererziehung und ein wesentlicher Beitrag zur finanziellen Absicherung von Frauen und Kindern.

Wir haben aber auch in der Landwirtschaft einige Forderungen an diese Steuerreform 2000. So hat uns etwa Finanzminister Edlinger versprochen, die Vorsteuerpauschalierung in der Steuerreform 2000 zu regeln. Nachweislich zahlen die Bauern derzeit mehr als 1 Milliarde Schilling mehr an Mehrwertsteuer für Investitionsgüter und Betriebsmittel, als sie für ihre Produkte an Mehrwertsteuer einnehmen. Diese Mehrwertsteuer wäre in diesem Bereich an und für sich ein Druchlaufposten, wir empfehlen aber jenen Bauern, welche größere Investitionen tätigen, zur Regelbesteuerung überzugehen, damit sie die Mehrwertsteuer sozusagen gerecht abrechnen können.

Das hat aber keinen Sinn, weil damit nur Mehrarbeit sowohl in der Landwirtschaft als auch in den Finanzministerien verbunden ist. Angesichts dessen, daß 200 000 Bauern monatlich Umsatzsteuererklärungen abgeben müßten und die auch kontrolliert werden sollten, hat das sicher keinen Sinn. Eine Pauschalierung wäre wesentlich vernünftiger, allerdings muß diese Pauschalierung gerecht sein.

Wir erwarten aber auch, daß die Neufestsetzung der landwirtschaftlichen Einheitswerte sehr wohl auf Ertragswertbasis erfolgt, und wir erwarten natürlich auch, daß die Einkommensteuerpauschalierung, wie sie sich in der Landwirtschaft bewährt hat, auch in Zukunft aufrechterhalten bleibt.

Ich glaube, daß wir in diesem Bereich im Rahmen der Steuerreform 2000 ab dem Jahre 2000 für die leistungsfähige Mittelschicht, aber auch für die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten einige Akzente setzen können. (Beifall bei der ÖVP.)

17.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.15

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollege Feurstein – er ist nicht mehr im Haus (Abg. Murauer: O ja, er ist schon im Haus!) – hat sich mannhaft an dieses Rednerpult gestellt und gesagt: Eine Einheitswerterhöhung, Einheitswert nach dem Verkehrswert kommt für uns nicht in Frage!

Herr Kollege Feurstein kennt offensichtlich das Bewertungsgesetz nicht. Der Einheitswert – und das geht auch aus einer Anfragebeantwortung durch Finanzminister Edlinger hervor – hat sich nach dem Verkehrswert zu richten. Denn wenn nun die Einheitswerte an die Verkehrswerte angepaßt werden, dann bedarf es keines Gesetzesbeschlusses. Dieses Damoklesschwert schwebt über allen österreichischen Bürgern. – Das zum ersten.

Herr Staatssekretär! Sie sehen mich enttäuscht ob Ihrer Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage. Ich habe mir gedacht: Gut, heute kommt einmal nicht der Herr Finanzminister, denn dessen Antworten kennen wir bereits auswendig. Aber auch Sie, Herr Staatssekretär, haben sich hinter der Steuerreformkommission versteckt, Sie haben von Kommissionen, die Sie einsetzen, von Studien, die Sie erstellen lassen, erzählt. Immer geht es in den Äußerungen darum, für die Zukunft etwas vorzubereiten, aber es gibt keine Umsetzung.

Sie, Herr Staatssekretär, haben auch eine vom Inhalt her an sich sehr gute Aussage getätigt: Sie wollen von einem Ordnungsstaat zu einem Dienstleistungsstaat kommen. In Ordnung! Nur, das sind Schlagworte, die Fakten sehen anders aus.

Verstehen Sie unter einem Dienstleistungsstaat das Schließen von kleinen Finanzämtern? Verstehen Sie unter Dienstleistungsstaat das Schließen von Bezirksgerichten? Sehen Sie die Reduzierung der Zahl der Bediensteten als Dienstleistung an, sodaß etwa im Bereich der Finanzverwaltung eine effektive Steuereinhebung nicht mehr durchgeführt werden kann? – Das, Herr Staatssekretär, ist kein Dienstleistungsstaat!

Sie sprechen auch von der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Das ist sehr lobenswert, aber, Herr Staatssekretär, Sie müßten wissen, daß es diese Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Österreich schon lange nicht mehr gibt. Die Großen richten es sich, die können es sich leisten, die Gewinne quer durch Europa zu verschieben, die Konzerne können die Gewinne verschieben, und die Zeche zahlt der kleine Steuerbürger, der Arbeitnehmer, der seine Einkommen nicht entsprechend verschieben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier, Herr Staatssekretär, hätten Sie echten Handlungsbedarf. Aber wenn es um die berechtigte Forderung geht, bei der Umsatzsteuer endlich dem Ursprungslandprinzip zum Durchbruch zu verhelfen, ist plötzlich die EU schuld: Keine Richtlinien, kein Richtlinienvorschlag, also können wir nichts machen! Aber ohne Wenn und Aber in die EU hinein, statt vorher die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Jetzt fällt Ihnen das auf den Kopf. Denn gerade diese Bestimmung im Umsatzsteuerrecht, daß nicht das Ursprungslandprinzip, sondern das Bestimmungslandprinzip gilt, kostet den österreichischen Steuerzahler jährlich Milliardenbeträge, die in dunklen Kanälen verschwinden, die durch Steuerbetrügereien dem Staat vorenthalten werden. Doch dagegen machen Sie nichts! Also mit einem Wort: Wieder ist die EU schuld.

Wenn man sich die Wortmeldungen von Vertretern der Regierungsparteien anhört, kann man nur sagen: Die Steuerreformdiskussion zeigt ein totales Chaos – aber nicht nur inhaltlich, Herr Staatssekretär, sondern auch vom Termin her.

Ich habe mir das näher angeschaut: Im Jahr 1996 hat der Wirtschaftsminister – damals noch Ditz – eine große Steuerreform für 1999 verlangt. Finanzminister Klima antwortete: Brauchen wir nicht! Geht momentan nicht! Vier Monate später verkündete der damalige Finanzminister, jetzige Bundeskanzler, plötzlich: Umfassende Steuerreform für 1999! Wieder einige Monate später: Jawohl, Klima fordert Steuerreform für 1999! Das gleiche noch einmal im November 1996: Steuerreform 1999!

Jetzt kommt plötzlich Herr Finanzminister Edlinger und sagt: Keine Steuerreform 1999, erst 2000 oder vielleicht 2001! – Das ist die Handschlagqualität dieser Bundesregierung. Sie versprechen dem Bürger eine Steuerreform ab 1999, plötzlich ist es aber einfach nicht mehr so. Sie sagen: Wir haben kein Geld, wir wollen nicht! Die Bürger sollen zahlen, zahlen und wieder zahlen. (Abg. Haigermoser: Bis sie schwarz werden!) Aber das, Herr Staatssekretär, ist eine unehrliche Politik den Bürgern gegenüber. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber den Vogel hat die Konsumentenministerin Prammer abgeschossen, die sich auch in diese Termindiskussion um die Steuerreform eingemengt hat.

Die Aussage der Frau Minister Prammer lautete: Kein vernünftiger Mensch macht eine Steuerreform vor einer Wahl! Sie schlägt eine Verschiebung der Steuerreform auf das Jahr 2001 vor und meint, die Änderungen könnten dann rückwirkend in Kraft gesetzt werden. – Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wir machen im Jahr 2001 eine Steuerreform und lassen diese Steuerreform rückwirkend mit dem Jahr 2000 oder 1999 in Kraft treten.

Wissen Sie, was Sie damit machen? – Sie verjagen jeden Investor aus Österreich, Sie gefährden Arbeitsplätze und vernichten Arbeitsplätze mit einer derartigen Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Präsident, wieviel Zeit habe ich noch insgesamt?

Präsident MMag. Dr. Willi BraunederDie Restredezeit Ihres Klubs beträgt 11 Minuten; Sie haben noch zirka 5 Minuten.

Abgeordneter Hermann Böhacker (fortsetzend): Danke schön, Herr Präsident.

Nun zu ein paar Detailfragen, etwa einer höheren Besteuerung des 13. und 14. Gehaltes: Wir haben heute erklärt bekommen, daß das Liberale Forum das 13. und 14. Gehalt voll besteuert haben will. Daraufhin kam sofort ein Dementi von der Regierungsbank aus, auch von seiten der ÖVP. Aber, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch dabei sind Sie unglaubwürdig. Sie haben zwar immer schon gesagt, der 13. und 14. Bezug müßten tabu bleiben. Was aber haben Sie tatsächlich gemacht? – Im Jahr 1993 haben Sie die Kinderbegünstigung in diesem Bereich abgeschafft und generell einen einheitlichen Steuersatz von sechs Prozent eingeführt.

Ab 1. Jänner 1997 sind die Sozialversicherungsbeiträge vom Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr beim laufenden Bezug, sondern bei den Sonderzahlungen abzuziehen, was eine wesentliche Verschlechterung bringt. Das kostet den österreichischen Steuerzahler rund 3 000 S im Jahr, und das wollen Sie jetzt in Form des "Edlinger-Hunderters" wieder zurückgeben. Sie nehmen mit der Linken und geben – vielleicht – mit der Rechten einen Teil zurück. Auch das, Herr Staatssekretär, ist eine unehrliche Politik, eine Politik der Täuschung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder – das wurde heute schon angeschnitten –: die Besteuerung bei der Betriebsübergabe. Es ist doch so – und das ist allgemein bekannt –, daß rund ein Drittel aller klein- und mittelständischen Unternehmen in den nächsten Jahren den Eigentümer wechseln werden: vom Vater oder der Mutter auf den Sohn oder die Tochter. Sie wissen ganz genau, daß durch die Erbschafts- und Schenkungssteuer im wesentlichen die Betriebsvermögen belastet werden, und es besteht die große Gefahr, daß viele Nachfolger die Betriebe gar nicht übernehmen können, weil sie nicht in der Lage sind, die entsprechende Erbschafts- und Schenkungssteuer zu bezahlen, denn es kann bis zu einer Belastung von 60 Prozent des Wertes kommen.

Dazu gibt es eine "wunderschöne" Aussendung des Kollegen Niederwieser, glaube ich, von der SPÖ, der sich ebenfalls zu Steuerfragen geäußert hat: Er hat gemeint, es sei doch ein Unsinn, man brauche gar nicht über die Erbschaftssteuer zu reden, weil es keinen Unternehmer gebe, der so lange wartet, bis er stirbt, und erst dann seinen Betrieb übergibt. (Abg. Grabner: Du verwechselst ihn!) Oder es war Kollege Gartlehner. In der sozialistischen Korrespondenz war es auf jeden Fall enthalten. – Ich darf Sie aufklären: Es handelt sich um eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Der Unternehmer muß auch zahlen, und zwar Schenkungssteuer, wenn er seinen Betrieb unentgeltlich übergibt, nicht erst dann, wenn er stirbt. Man sollte sich ein bißchen überlegen, wovon man spricht.

Wir Freiheitliche fordern – und das fordert auch die Österreichische Volkspartei – eine Steuerfreistellung der Betriebsübergabe. – Warum machen wir es nicht? Wir haben gemeinsam die Mehrheit. Betriebe, die mindestens sieben Jahre im Eigentum des Übergebers stehen, sollen dem Übernehmer steuerfrei und unentgeltlich übergeben werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das würde Betriebe sichern, Arbeitsplätze sichern und nicht vernichten.

Meine Damen und Herren! All diese Vorschläge, die guten Vorschläge der Opposition, die an den Finanzminister gerichtet werden, aber auch jene von der ÖVP, die teilweise ganz gut sind, werden vom Herrn Finanzminister immer als Brief an das Christkind bezeichnet. Der Schrei nach einem Abbau der kalten Progression bei der Lohn- und Einkommensteuer ist kein Brief ans Christkind. Das ist ein Schrei nach sozialer Gerechtigkeit, das ist ein probates Mittel zur Verhinderung der Verarmung von Klein- und Mittelständlern. Der Schrei nach Entbürokratisierung im Steuerrecht ist kein ...

Präsident MMag. Dr. Willi BraunederDen Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Hermann Böhacker (fortsetzend): ... das ist eine Frage des Überlebens von Tausenden klein- und mittelständischen Betrieben.

Meine Damen und Herren! Beenden Sie das Chaos in der Steuerreformpolitik, und warten Sie auf den freiheitlichen Vorschlag zu einem Steuerkonzept! Sie werden überrascht sein, welch positive Stellung darin bezogen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zur Durchführung einer Kurzdebatte, sie betrifft den Antrag des Abgeordneten Haigermoser, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 589/A (E) der Abgeordneten Prinzhorn und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe sowie Attraktivierung der Lehre eine Frist bis zum 17. Dezember 1998 zu setzen.

Nach Schluß der Debatte wird die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Geschäftsordnungsgemäß bestehen folgende Redezeitbeschränkungen: Erstredner zur Begründung maximal 10 Minuten, jeder weitere Redner maximal 5 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung beziehungsweise Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Zur Begründung hat der Erstredner, Herr Abgeordneter Haigermoser, das Wort. 10 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

17.26

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Eine Dringliche Anfrage war es, welche das Hohe Haus soeben zu Ende diskutierte. Wir Freiheitlichen meinen, ebenso dringlich ist die Lehrlingsfrage. Nicht zuletzt deshalb haben wir seitens unserer Fraktion zahlreiche Initiativen, gewidmet dem Problem Lehrlingsausbildung, den Facharbeitern schlechthin, gesetzt, und ich meine, daß die tauglichen Vorschläge unsererseits mehr wert wären, als von der Regierung nur in die Schublade gelegt zu werden.

Die Regierungsparteien auf der anderen Seite haben sich in Retuschen ergangen, haben kosmetische Operationen versucht und sind in der Lehrlingsfrage auf halbem Wege steckengeblieben, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Insbesondere das berüchtigte Klima-Garantieangebot des vergangenen Jahres hat für Diskussionen gesorgt. Heuer hat man am Ballhausplatz schamhaft geschwiegen, weil dieses Garantieangebot ein Rohrkrepierer war, denn heuer haben wir wiederum dramatische Zahlen zu verzeichnen, wiewohl wir festzustellen haben, daß die Betriebe zahlreiche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben. Aber 8 900 Lehrlinge stehen heute noch auf der Straße, davon sind bedauerlicherweise 5 400 Mädchen. Diese Zahlen sind dramatisch genug, und daher meinen wir, daß ein Fristsetzungsantrag – Problemlösungskatalog liegt auf – mehr als gerechtfertigt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die schwarz-rote Mogelpackung hat bis dato keinen einzigen Lehrlingsausbildungsplatz zusätzlich geschaffen. (Widerspruch bei der ÖVP.) Es ist also nichts mit der These, die große Koalition könne die großen Probleme lösen! Damit gehen Sie ja immer wieder hausieren. Herr Kohl, Ihr großes Vorbild, oder auch Stoiber sagt und beweist Ihnen etwas anderes. Daher sollten Sie auch in diese Richtung etwas nachdenken, meine Damen und Herren.

Immer wieder werden Sie auf frischer Tat ertappt, insbesondere die ÖVP. Da Sie schon wieder murren, muß ich Sie einmal bei Ihrer doppelbödigen Politik festnageln und fragen, warum Sie nach wie vor in Ihren Sonntagsreden die Kommunalabgabe bekämpfen, aber in diesem Hohen Haus Anträgen auf Abschaffung der Kommunalabgabe für Lehrlinge nicht zustimmen. Mit großem Trara haben Sie die Kommunalabgabe eingeführt, mit Zeter und Mordio habe Sie diese bejammert, sie ist ungeliebt, sie bringt nichts, außer Kopfweh, aber auf der anderen Seite verteidigen Sie diese mit Zähnen und Klauen, wenn es ans Eingemachte geht.

Unter anderem deshalb haben wir heute einen Fristsetzungsantrag, fußend auf dem freiheitlichen Entschließungsantrag betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre, eingebracht. Wir wollen Ergebnisse, Hohes Haus, meine Damen und Herren, für die Lehrlinge, für die Facharbeiter und für den Wirtschaftsstandort Österreich und nicht für die Bürokraten und für die Abkassierer auf der Regierungsbank. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die wesentlichen Eckpunkte unserer Vorschläge stellen sich wie folgt dar: ein vom Bund finanziertes Lehrlingsleistungsstipendium für überdurchschnittliche Leistungen bis zur Höhe der für AHS-Schüler im Vergleich mehr anfallenden Kosten, die schon erwähnte Nichtberücksichtigung der Lehrlingsentschädigung bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Kommunalabgabe, Frau Generalsekretärin, die Einführung der Anlehre in Form einer zweijährigen Ausbildung, eine verbesserte verpflichtende Aus- und Weiterbildung der Berufsschullehrer, eine allgemeine Förderung einer Lehrlingsweiterbildung im Ausland – besonders wichtig, meine Damen und Herren! –, die Schaffung der Möglichkeit für Unternehmen, bei Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die überwiegend Ausbildungszwecken dienen, einen erhöhten Investitionsfreibetrag geltend zu machen, und – nicht zuletzt – eine Gleichstellung der Meisterprüfung mit der B-Matura im öffentlichen Dienst und eine Forcierung des Zuganges zu einschlägigen Fachhochschulstudiengängen. – Das sind Vorschläge, die wenig Geld kosten, aber einen Schub in Richtung Lehrlingsausbildung bringen würden.

Nun ist ein Jahr ins Land gezogen, seitdem wir diese Anträge eingebracht haben. Meine Damen und Herren, Sie haben den Mund voll genommen. Klima hat das "rote Telefon" eingerichtet, es ist aber still und leise geworden um dieses rote Telefon.

Wie geht es zu, wenn Freiheitliche in Regierungen sitzen? Dann geht schnell etwas weiter. Frau Rossmann, in diesem Hause wohlbekannt, jetzt Stadträtin in Graz, hat den Stier bei den Hörnern gepackt und ein Lehrlingsimpulsprogramm für Graz auf die Beine gestellt. Sie hat es in Graz geschafft, den Unternehmern neue Möglichkeiten zu geben, Lehrlinge auszubilden, und entsprechende Hilfestellung zu leisten. Mit diesem Lehrlingsimpulsprogramm löst sie nicht nur ein Wahlversprechen ein, sondern hat sehr schnell auf die Nöte und Wünsche der Unternehmer reagiert, was die ÖVP jahrzehntelang versäumt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Maitz! Sie haben ja bei den Wahlen in Graz die Quittung bekommen. Der Wähler hat Ihnen den Weisel gegeben. Sie sind dort hingestellt worden, wo Sie hingehören, meine Damen und Herren. Sie, Herr Maitz, sind als Klubobmann aus der Steiermark sowieso verjagt worden, aber das ist nicht unser Problem, weil Sie ob Ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit bei einer Zeitung ein bißchen zu schwitzen begonnen haben. Die freiheitliche Stadträtin hat Ihnen gezeigt, was Sache ist, indem sie eben für die Lehrlingsausbildung etwas getan hat.

Meine Damen und Herren von der großen Koalition! Ihre Versäumnisse treten zuhauf zutage. Auch wenn Sie Freibeträge eingeführt haben, ändert es nichts daran, daß kein Gesamtkonzept nach dem Vorbild der vorliegenden Expertenvorschläge umgesetzt wurde. Natürlich ist es klar, daß in die Diskussion um Ausbildungsplätze auch das vorherrschende Bildungssystem einbezogen werden muß, und es ist ganz interessant, was uns das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft am 1. September 1998 dazu gesagt hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz.)

Herr Kollege, wenn Sie meinen, es sei dümmlich, was ich sage, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich beim Intelligenztest Ihrer Frau Kollegin Frieser anzumelden. Da wären Sie, glaube ich, der erste Kandidat. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Maitz: Und Sie kommen mit dieser Leistung nicht einmal bis dorthin!)

Meine Damen und Herren! Dieses Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft sagt folgendes: Der Abwärtstrend bei den Kenntnissen in Mathematik, Deutsch, Geographie, Wirtschaftskunde hält an. 1991 wurden im Durchschnitt noch 70 Prozent der Mathematikaufgaben richtig gelöst, in den beiden letzten Schuljahren waren es um 10 Prozent weniger. Auch in Deutsch sinkt der Anteil der richtigen Antworten stetig, wenn auch nicht so stark wie in Mathematik. Die Kenntnisse in Geographie und Wirtschaftskunde waren bis zum letzten Schuljahr konstant, im letzten Jahr sanken auch diese um 5 Prozent ab.

Das ist das Produkt der ÖVP/SPÖ-Bildungspolitik, meine Damen und Herren. Das sind die "Leistungen" – unter Anführungszeichen – der Frau Gehrer, das sind die "Leistungen" der Bundesregierung insgesamt. Sie schaffen es nicht einmal mehr mit Ihrem Schulsystem, den zukünftigen Lehrlingen das Beherrschen der Grundrechnungsarten mitzugeben. Daher gibt es unter anderem die Schwierigkeit, Lehrlinge auf Vollausbildungsplätzen unterzubringen.

Aber nicht nur das Gewerbe oder der Handel beklagt diese in weiten Bereichen schlechten Voraussetzungen, sondern auch die Industrie schreibt Ihnen ins Stammbuch – wörtliches Zitat –: In Anbetracht der langen und mühsamen Verfahren fordert die Industriellenvereinigung eine Reform der Berufsbildungsgremien. Das bürokratische Verfahren durch das Wirtschaftsministerium dauert einfach viel zu lange.

Also auch da ist der Herr Wirtschaftsminister immer mehr gefragt. Er hat in Sachen Lassing sowieso seine Schwierigkeiten, aber er kommt auch seinen ureigensten Aufgaben nicht nach, weil er zu bürokratisch arbeitet. Es ist absolut notwendig, daß das freiheitliche Programm in Form des Entschließungsantrages in die Tat umgesetzt wird.

Daher ersuche ich Sie dringlich, diesen unseren Zielen nachzukommen und mit uns zu stimmen. Wenn Sie klug sind, sind Sie bereit, bis zum Jahresende mit uns gemeinsam ein Lehrlingspaket zu schnüren, welches diesen Namen auch wirklich verdient, kein Kuckucksei beinhaltet, sondern den Lehrlingen zumindest für das nächste Jahr neue Chancen gibt, auf einem Berufsfelde tätig werden zu können, damit die mehr als 9 000 Lehrlinge schlußendlich in der klein- und mittelständischen Wirtschaft und auch in der Industrie untergebracht werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Riepl. Ab jetzt maximale Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.36

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Haigermoser, hat von "Retuschen der Regierungsparteien", von "am halben Weg steckengeblieben" gesprochen. Ich glaube, man sollte im Rahmen dieser Kurzdebatte darauf hinweisen, daß wir im Bereich der Lehrlingsausbildung und der notwendigen Maßnahmen noch lange nicht am Ziel sind, daß wir aber diesbezüglich sicherlich nicht steckengeblieben sind, sondern eigentlich ganz gut weitergekommen sind.

Der Entschließungsantrag der Freiheitlichen spricht von Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe. Er ist, wie Sie wissen, im Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses in Behandlung, und ich möchte daher die inhaltliche Diskussion im Ausschuß führen und nicht jetzt hier von diesem Rednerpult aus.

Ein Stichwort ist: Entlastung der Betriebe. Ich glaube, man sollte darauf hinweisen, daß in den letzten Monaten viele Schritte gesetzt wurden, um eine Entlastung der Lehrbetriebe durchzusetzen und damit auch eine größere Bereitschaft der Wirtschaft zur Aufnahme von Lehrlingen zu ermöglichen. Ich erinnere an den Krankenversicherungsbeitrag, der den Lehrbetrieben erlassen wurde. Ich erinnere an die Diskussionen zur Novellierung des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes, was die Altersbegrenzung, den Zeitausgleich bei den Berufsschulen, die Wochenruhezeit betrifft. Ich erinnere an den Wunsch der Wirtschaft, in bestimmten Branchen Blockunterricht in den Berufsschulen einzuführen. Wir haben diesem teilweise stattgegeben.

Aber es gibt auch kleine Beispiele, die zu einer entsprechenden Entlastung geführt haben. Wir haben gemeinsam von unterschiedlichen Standpunkten aus letztendlich doch die Vorlehre als Alternative zur Hilfsarbeit ermöglicht. Wir haben den Lehrlingsfreibetrag von 20 000 S eingeführt. Es gab im Sommer dieses Jahres eine Verordnung über viele neue Lehrberufe – und ich denke, daß die Zeit, in der sich die Wirtschaft auf diese neuen Lehrberufe einstellt, bald zu Ende sein und man sich danach richten sollte, daß es nun viele neue Möglichkeiten gibt, denn die Auswirkungen sind noch nicht so, wie wir sie uns erwartet haben. Und wir haben letztendlich ein Auffangnetz gespannt, das für all jene, die keine Lehrstelle in einem Betrieb bekommen, eine Alternative bildet.

Ich glaube, man sollte den Blick in die Reihen der Wirtschaft wagen. Ich spreche ganz konkret Abgeordneten Trinkl an, der ja heute noch zu diesem Thema sprechen wird, und möchte ihn fragen, warum es von der Wirtschaft nicht noch deutlichere Signale in Richtung der eigenen Mitglieder gibt. Frau Kollegin Tichy-Schreder! Wir haben objektiv gesehen einiges durchgesetzt, auch für die Betriebe, und jetzt – packen wir es an, versuchen wir doch, jene paar hundert junge Menschen, die in diesem oder jenem Teil unseres Landes noch Lehrplätze suchen, aufzufangen, ohne daß wir all die uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen nützen müssen. Mir fehlt die offizielle und öffentliche Bekundung des politischen Willens, diese Aussage fehlt mir von allen, vom Präsidenten der Wirtschaftskammer genauso wie vom Generalsekretär. (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder.) Mir fehlt das, und ich glaube, wir sollten diesbezüglich noch einmal eine Anstrengung, wenn Sie wollen, auch gemeinsam, unternehmen.

Mir ist heute wichtig, festzustellen, daß wir Ende August dieses Jahres um 13 Prozent weniger Lehrstellensuchende hatten als 1997. Mir ist wichtig, festzuhalten, daß wir in der ersten Schulwoche der Berufsschulen zum Beispiel in Wien 17 724 Berufsschüler registrieren konnten. Das sind 3 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr. Es zeichnet sich also eine Trendwende ab.

Wichtig ist weiters, festzustellen, daß wir für Tausende Jugendliche Stiftungen, Lehrlingsprojekte, Ausbildungsplätze als Alternative zur betrieblichen Ausbildungsstelle anbieten werden.

Für mich hat daher die Begründung dieses freiheitlichen Fristsetzungsantrages folgendes deutlich gemacht: Den Freiheitlichen geht es um keine inhaltliche Diskussion, sondern um das Suchen von Löchern in dem von den Regierungsparteien geknüpften Auffangnetz für Lehrlinge. (Abg. Haigermoser: Nein!) Das ist jedenfalls mein Eindruck, Herr Kollege Haigermoser. Sie wollen damit einmal mehr von den eigenen Löchern im zerrissenen Finanznetz der Freiheitlichen ablenken. Die Sozialdemokraten werden Ihren Antrag keinesfalls zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist eine dünne Suppe!)

17.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.41

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde auf das polemische Niveau des Erstredners nicht eingehen, sondern einige Anmerkungen zum vorliegenden Antrag machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns von der Österreichischen Volkspartei war von jeher klar, daß nur Betriebe Arbeitsplätze schaffen, daß nur erfolgreiche Betriebe Lehrplätze anbieten können. Wir sind in dieser Diskussion von Anfang an den Weg gegangen, zu fragen, warum Betriebe Lehrlinge einstellen und warum Betriebe das Angebot an Lehrplätzen zurücknehmen. Unsere Politik war immer darauf gerichtet, auf diese Argumente einzugehen und jene Hindernisse zu beseitigen, die einer Lehrlingseinstellung entgegenstehen.

Wir haben in den letzten Jahren sehr konsequent in einem Lehrlingspaket 1 und einem Lehrlingspaket 2 doch auch – Herr Kollege Haigermoser, ich bitte, das wenigstens zur Kenntnis zu nehmen – einige sehr massive Erfolge erzielen können, von denen ich – wir sind noch immer nicht zufrieden, mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen – einige aufzählen möchte: die Senkung des Schutzalters, das Verbot des Einarbeitens von Überstunden, die Einführung von flexibleren Arbeitszeitmodellen, finanzielle Anreize wie die Beseitigung der Krankenversicherungsbeiträge oder der Unfallversicherungsbeiträge auf der Arbeitgeberseite oder der schon zitierte 20 000-Schilling-Freibetrag für Lehrlingseinstellungen.

Ich verweise darauf, daß wir als Volkspartei viele weitere Schritte gerne gesetzt hätten, die aber zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verhandlungen noch nicht möglich waren. Ich gebe aber zu, daß mich das eine oder andere schon überrascht hat. Ich habe mit Interesse die Fernsehsendung "Zur Sache" gehört, in welcher Herr Bundeskanzler Klima dem erstaunten Publikum mitteilte, er hätte auch 50 000 S Lehrlingsfreibetrag zugestanden, er müsse allerdings Mehrheiten dafür finden. Diese Mehrheiten sind, glaube ich, mit dem Koalitionspartner leicht zu finden. Ich fürchte nur, daß er dabei in der eigenen Fraktion Probleme bekommen wird, zumindest mit dem eigenen Finanzminister. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde mich auch darüber freuen, wenn wir endlich die versprochene Verordnung über die verbotenen Berufe oder verbotenen Betriebe bekommen würden, die uns zunächst mit Jahresende 1997, dann mit Jahresmitte 1998 und, wie ich höre, jetzt mit Jahresende 1998 in Aussicht gestellt wurde. Wir brauchen sie, um das Signal an die Betriebe zu geben, daß sie wieder bereit sein sollen, mehr Lehrlinge einzustellen. Ich glaube aber trotzdem, daß wir erfolgreich waren. Darin stimme ich mit dem Herrn Kollegen Riepl überein: Wir waren wirklich erfolgreich! Wir haben den Trend umkehren können. Jetzt gilt es, genau zu beobachten, genau zu prüfen, wie sich die Situation weiterentwickelt.

Wir haben hier vor dem Sommer gemeinsam – dazu bekennen wir von der Volkspartei uns – ein Auffangnetz geschaffen, das jene Lehrlinge auffangen soll, die keinen Lehrplatz finden können. Sie sollen eine Ausbildung in einer Stiftung oder in einem Lehrgang erhalten. Ich kann aber Fehlentwicklungen nicht gutheißen. So steht zum Beispiel in der "Presse" vom Mittwoch zu lesen, daß ein Mitarbeiter der Arbeiterkammer, Herr Baier, meint, die Vorlehre sei nur als letzte Chance zu sehen und Lehrlingsstiftungen und Lehrgänge seien quasi der Schwerpunkt. Dagegen verwahren wir uns! Die Vereinbarung lautete gerade umgekehrt. Ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Einstellung der Arbeiterkammer trägt auch Früchte. Mit großer Besorgnis las ich eine Presseaussendung der ÖBB, der Österreichischen Bundesbahnen, eines staatlich ausgezeichneten Lehrbetriebes – dieser Umstand sei anerkannt –, in welcher es dieser als Vorbild hinstellte, ein Drittel seiner Lehrlinge in einer Lehrlingsstiftung zu beschäftigen, und in welcher man meinte, dieser Weg sei auch für andere Unternehmer vorbildlich und geeignet. Wir wissen schon, warum die ÖBB ein Drittel der Lehrlinge in Stiftungen unterbringen will. Weil sie die NAP-Mittel anzapfen will. Aber das soll man nicht als Vorbild hinstellen. Da ist Vorsicht geboten, denn sonst werden alle anderen Tausenden Lehrbetriebe in Österreich den gleichen Weg zu gehen versuchen, und dann sind wir wirklich auf dem Holzweg. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen. Die Österreichische Volkspartei war immer ein glaubwürdiger Anwalt der Lehrbetriebe, aber auch der Lehrlinge in unserem Land. Wir haben uns immer wieder bemüht, gerade die duale Ausbildung attraktiver zu machen. Wir haben dabei vieles erreicht, und wir werden diesen erfolgreichen Weg weitergehen. Ich bin zuversichtlich, daß auch der Koalitionspartner die berechtigten Wünsche der Wirtschaft akzeptieren wird. Daher ist es nicht notwendig, sich unter Druck setzen zu lassen. Wir werden auch ohne diesen Fristsetzungsantrag zum Ziel kommen! (Beifall bei der ÖVP.)

17.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.46

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns Freiheitlichen erscheint dieser Fristsetzungsantrag außerordentlich wichtig, und ich habe mit Bedauern festgestellt, daß die beiden Regierungsparteien dieser Fristsetzung nicht zustimmen wollen.

Herr Riepl sagte von diesem Rednerpult aus, der Antrag liege ohnehin dem Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses vor und werde dort behandelt. Aber er wird dort nicht behandelt. Es stimmt zwar, daß am 4. Dezember vorigen Jahres ein Unterausschuß eingesetzt wurde, aber dieser Antrag ist dort bisher noch nicht behandelt worden (Abg. Tichy-Schreder: O ja!), sondern wird dort praktisch geparkt, schubladisiert und ist im Prinzip bis auf den Sankt Nimmerleinstag zum Verschimmeln verurteilt. Das ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluß. Wenn Sie schon in der Lehrlingsfrage nichts weiterbringen, dann wäre es wenigstens sinnvoll, einen Antrag der Opposition im Ausschuß zu behandeln.

Herr Abgeordneter Trinkl hat in seinen Ausführungen hier gesagt, die Volkspartei sei immer bestrebt gewesen, Hindernisse zu beseitigen, die Betriebe abhalten, Lehrlinge einzustellen. Es wird wohl so sein, daß man dahingehend arbeitet, aber bewirkt haben Sie bisher noch nichts damit. Das kann man feststellen, wenn man sich die heutigen Zahlen anschaut: Ende August ist wiederum ein Sinken der Zahl der offenen Lehrstellen zu verzeichnen gewesen, und zwar um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wir haben heute 2 721 verfügbare Lehrplätze. Das sind exakt um 873 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Dem stehen 8 872 lehrstellensuchende Jugendliche gegenüber. Diese lehrstellensuchenden Jugendlichen sind heute zum größten Teil weiblich, nämlich 5 353. Dazu kommen noch 3 519 Burschen, die heute einen Lehrplatz suchen, aber keinen bekommen.

Ich habe hier eine Bewerbung eines Mädchens aus Oberösterreich, das Bürokaufmann lernen wollte. Es hat mir sein Bewerbungsschreiben zukommen lassen. Anstatt des Polytechnischen Lehrganges hat es eine Klasse in der Handelsschule besucht und sich anschließend bei 80 Firmen um eine Lehrstelle als Bürokauffrau beworben. Es hat von über 50 Firmen eine Absage erhalten, und jetzt bekommt es vom Arbeitsmarkt seit zwei Monaten keine Adressen mehr zugeschickt, wo es sich bewerben kann. Laut Auskunft des Arbeitsmarktservices wird sich an dieser Situation auch in nächster Zukunft kaum etwas ändern. Dieses Mädchen ist verzweifelt, ist verzagt und hat kaum noch Hoffnung, einen Lehrplatz zu finden.

Das müßte uns doch zu denken geben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Lehrstelle als Bürokauffrau müßte doch zu bekommen sein. Es ist mir einfach unverständlich, daß man in der heutigen Zeit in diesem Bereich keine Chance hat.

4 000 junge Menschen konnten im Vorjahr nicht vermittelt werden. Sie scheinen aber heuer in der Statistik gar nicht mehr auf. Sie scheinen natürlich auch in der Arbeitslosenstatistik nicht auf, weil sie noch nie versichert waren, weil sie noch keine Versicherungszeiten erworben haben. Das ist der Graubereich in der Arbeitslosenstatistik. Diese Arbeitslosen haben wir noch zusätzlich. Die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz ist also nicht kleiner geworden, sondern bleibt gleich oder ist eher noch größer geworden.

Das Versprechen unseres Bundeskanzlers im vergangenen Jahr, daß jeder junge Mensch einen Ausbildungsplatz erhalten werde, wurde – oder wenn Sie so wollen – konnte ganz einfach nicht eingehalten werden. Im Bereich der Lehre hat die österreichische Bundesregierung bis auf Ankündigungen und Alibiaktionen bisher im Prinzip nichts weitergebracht. Mit den Schlagworten "Karriere mit Lehre", "Lehrlingspaket", "Schwerpunktprogramm" oder "Lehrlingsoffensive" wurden Maßnahmen vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit nicht gab.

Zu den Äußerungen gewisser Personen, daß die Lehrlings-Hotline ein Erfolg gewesen wäre, muß ich sagen: Das ist Ansichtssache, denn wenn in ganz Österreich nur 154 Betriebe und 600 Lehrlinge mitmachen, also pro Bundesland 17 Betriebe und 66 Lehrlinge, so sehe ich darin keinen Erfolg. Diese Lehrlings-Hotline hat nichts anderes gebracht als einen Wildwuchs an Förderungen. Gewinner waren jene Betriebe, die lange gewartet haben und junge Leute spät eingestellt haben, um eine Förderung bis zu 20 000 S pro Lehrplatz lukrieren zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben damit allerdings auch erreicht, daß jene Betriebe verärgert worden sind, die bisher immer kontinuierlich Lehrlinge ausgebildet und Lehrplätze zur Verfügung gestellt haben. Diese Betriebe sind jetzt zunehmend verärgert. Und nun schickt man die Lehrlinge, wie Herr Trinkl vorhin richtigerweise gesagt hat, in Stiftungen und andere Ausbildungsstätten, damit man die Ausbildung nicht selbst bezahlen muß.

Natürlich entsteht dadurch eine Wettbewerbsverzerrung. Man hat im öffentlichen Dienst Lehrstellen geschlossen, und für die Privatwirtschaft hat man Rahmenbedingungen geschaffen, die das Interesse, Lehrlinge auszubilden, immer mehr reduzieren.

Lehrlinge nur um der Statistik willen in Schulen, in sogenannten Berufsfachschulen unterzubringen, ist meiner Meinung nach keine sinnvolle Alternative, denn während ein Lehrplatz die öffentliche Hand 8 000 S kostet, kostet ein Schulplatz das Zehnfache, nämlich 80 000 S. Es werden derzeit Unsummen in Einrichtungen, die weder Qualität noch Berufschancen bieten, investiert. Die Bundesregierung und die Sozialpartner haben bei der Bewältigung des Lehrlingsproblems total versagt und auf den Wandel der Zeit durch neue Technologien mit hohen Abgaben geantwortet. Die Rahmenbedingungen für neue Berufsbilder ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Selbstverständlich, Herr Präsident. Ich komme zum Schlußsatz. – Die FPÖ hat den Antrag zur Aktivierung von Lehrplätzen bereits am 19. September eingebracht. Bis heute ist er jedoch nicht behandelt worden. Wenn Ihnen die Attraktivierung der Lehre ein echtes Anliegen ist, dann stimmen Sie dieser Fristsetzung jetzt zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.53

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt wirklich einen Unterausschuß, der sich mit der Lehrlingsreform befaßt. Dieser hat auch Mitte Juni 1998 einmal getagt. Es ist aber dann – sehr zum Leidwesen der Frau Vorsitzenden – das Lehrlingspaket der Bundesregierung an diesem Unterausschuß und am Wirtschaftsausschuß vorbei in den Finanzausschuß gewandert. Faktum bleibt aber, daß dort Anträge liegen – 17 liberale Anträge, ein freiheitlicher Antrag, über den wir jetzt gerade reden –, die teilweise ein Jahr oder eineinhalb Jahre alt sind, und daß es die Bundesregierung und die Koalitionsparteien vorgezogen haben, statt die Lehre wirklich von Grund auf zu reformieren, über Lehrgänge und Stiftungen ein Auffangnetz zu knüpfen.

Prinzipiell gratuliere ich Ihnen zu diesem Auffangnetz und dazu, daß Sie sich dieser Frage annehmen und erreicht haben, daß die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich sinkt. Es ist eine Leistung, die Sie da vollbracht haben. Hinterfragen Sie aber einmal, zu welchem Preis Sie diese Leistung vollbracht haben. 4 000 Plätze werden heuer in Lehrgängen und Stiftungen bereitgestellt, für die Sie aber allein im Schuljahr 1998/99 900 Millionen Schilling investieren müssen. Das sind also nicht 80 000 S, wie es Herr Dolinschek sagte, sondern mehr als 200 000 S pro Platz. Das ist die teuerste Form, die allerteuerste Form, mit der Sie Jugendarbeitslosigkeit aufgrund mangelnder Lehrstellen bekämpfen können. Ist es die richtige Form? (Abg. Wurmitzer: Ihre Rechnung stimmt nicht!) 900 Millionen durch 4 000 ergibt 200 000. Ich habe das jetzt errechnet. Auch Herr Kopf, der sehr gut Kopfrechnen kann, wird es Ihnen gleich sagen können, Herr Wurmitzer.

Worum geht es denn dabei in Wahrheit? – Es bietet die Möglichkeit, kurzfristig etwas zu tun. Aber ich stehe hier nun schon mindestens zum fünften Mal vor den Sozialpartnern und vor den Regierungsfraktionen, und ich sage ihnen wieder, daß die duale Ausbildung ein unverzichtbarer Bestandteil der sekundären Bildungsstufe ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Seit vielen Jahren sage ich Ihnen aber, daß die duale Ausbildung in jener Form, in welcher sie 40, ja 50 Jahre erfolgreich war, keine wirkliche Zukunft mehr hat. Sie werden die duale Ausbildung in die sekundäre Bildungsstufe einklicken müssen. Wir müssen endlich einmal weg von der Maturantengläubigkeit. Ich halte die Matura für eine sehr wichtige Ausbildungsstufe, aber sie ist nicht mehr oder nicht weniger wert als eine gute berufliche Ausbildung. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Haigermoser: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Der Schwerpunkt muß in Zukunft in der beruflichen Ausbildung liegen. Den Arbeitskräftemangel, den wir in Zukunft haben werden, werden wir im Bereich der Facharbeiterinnen und Facharbeiter haben. Daher war die Antwort der Betriebe auf die Belastung der Lehre mit vielen Hindernissen, die ich jetzt nicht aufzählen möchte, daß Sie sich schrittweise aus der Lehrlingsausbildung zurückgezogen haben.

Nehmen Sie dieses Signal doch einmal zur Kenntnis und glauben Sie nicht, daß wir alles so lassen können, wie es ist! Durch 20 000 S Lehrlingsfreibetrag oder einer Befreiung von der Krankenversicherung oder von der Kommunalsteuer kann zwar der Druck etwas gemildert, aber das Problem nicht wirklich gelöst werden. Nehmen wir doch, Frau Vorsitzende, diesen Unterausschuß wieder auf, diskutieren wir gemeinsam mit dem Unterrichtsausschuß die vielen Anträge, zu welchen sicherlich noch bessere und noch gescheitere dazukommen werden, und beschließen wir doch endlich eine wirkliche Reform der Lehre! Überlegen wir einmal, wie die Lehre heute noch gegenüber der AHS und der BHS diskriminiert ist! Wir begehen ja nahezu ein Verbrechen, wenn wir junge Menschen in die BHS schicken, obwohl wir wissen, daß 40 Prozent dieser jungen Menschen in der BHS scheitern, nur weil sie die Lehre nicht wahrnehmen wollen, die immer noch mehr oder weniger eine Einbahnstraße ist.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich stimme der Fristsetzung der Freiheitlichen selbstverständlich zu, weil sie ein Schritt zu einer Lehrlingsreform ist. Allerdings gebe ich zu bedenken: Mit Geld allein können Sie Lehrplätze nicht herbeibeten! 900 Millionen Schilling wurden nur für das Jahr 1998/99 ausgegeben, damit 4 000 jungen Menschen zumindest einen Ausbildungsplatz für ein Jahr haben. Die Intention ist richtig, aber was danach mit ihnen geschieht, wo sie dann hingehen, wissen wir nicht. Sie verschieben damit nur das Problem auf die nächste Zeit. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als letzter dazu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.57

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es mag schon sein, Herr Kollege Riepl, daß die Freiheitlichen Finanzprobleme haben, es ist auch sicherlich so, aber das kann doch kein Grund sein – und diese Argumentation wurde verwendet –, daß wir über die im hier vorliegenden Antrag erhobenen Forderungen nicht diskutieren können.

Auch ich teile viele dieser Forderungen nicht beziehungsweise sind sie teilweise durch Regierungsmaßnahmen und das, was im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung enthalten war, zu meinem Leidwesen schon erfüllt worden. Denn es sind in diesem Antrag neben richtigen Punkten auch Punkte enthalten, die ich für grundlegend falsch halte, weil sie meiner Meinung nach der Lehrlingsproblematik in keiner Weise gerecht werden, wie zum Beispiel der Lehrlingsfreibetrag oder die Abschaffung der Krankenversicherung. Das sind alles Maßnahmen – und teilweise hat das sogar Kollege Peter zugegeben –, die in eine völlig falsche Richtung gehen, weil sie am grundlegenden Problem, wie wir mit Lehrlingsausbildung umgehen, in welche Richtung sie reformiert gehört, nichts zu tun haben. Genau darüber sollte man in einem Ausschuß, der sich nur mit dieser Frage beschäftigt, diskutieren. Aber darüber wird nicht diskutiert.

Natürlich ist auch der Antrag der Freiheitlichen – so wie alle anderen Anträge – dort vorgelegen. Es wurde kurz drübergestreift, und dann haben wir einzelne Punkte abgehakt und kurz andiskutiert, aber diskutiert in dem Sinne, daß man das, was in den einzelnen Punkten enthalten ist, konfrontiert mit der Realität, mit vorhandenen Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, aus vergleichbaren Systemen wie Deutschland und der Schweiz, wo es eine heftige Diskussion, viele Initiativen und eine breite Debatte in der Öffentlichkeit darüber gibt, wie das Lehrausbildungssystem zu reformieren wäre, wurde im Ausschuß nicht.

In Deutschland und in der Schweiz lauten die Vorschläge ganz anders. Ich kann nicht beobachten, daß etwa in der Schweiz jener Weg, der in Österreich gewählt wurde, gegangen wird. Aber es wird auch nicht jener dort vertreten, der in diesem freiheitlichen Antrag, aber auch in den von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen enthalten ist. Dort wird nicht gesagt, der Lehrling müsse billiger werden, sondern dort wird die Meinung vertreten, daß man bei den Lehrberufen anfangen müsse, sich dort etwas ändern müsse. Dort vertritt man die Ansicht, daß an der Struktur des Ausbildungssystems in der Lehre etwas geändert werden muß, ob das jetzt das triale Ausbildungssystem ist, das man auch dort diskutiert, oder ob man hier eine Berufsausbildungsabgabe meint, die man ebenfalls auch dort diskutiert.

Das sind Vorschläge, über die diskutiert gehört. Sie stehen in diesem Antrag natürlich nicht drinnen, sie stehen aber auch nicht in irgendeiner der Forderungen, die von der Regierung in den letzten Monaten erfüllt worden sind. Darum meine ich, daß es wichtig ist, in diesem Unterausschuß weiterzudiskutieren – es sei denn, Sie wollen jenen Weg weitergehen, den man offensichtlich immer mehr bevorzugt, nämlich die eigentliche Politik, die Umsetzung von Politik, außerhalb der Ausschüsse zu vollziehen. Die Ausschüsse dürfen zwar vielleicht noch darüber reden, daß es ein Lehrlingsproblem gibt und daß sich alle über diese Tatsache einig sind, aber diskutiert und beschlossen wird in den Ausschüssen nichts mehr. Das aber ist das eigentliche Problem.

Nur zwei Anmerkungen aus den Debatten der letzten Wochen: Zum einen ist es nicht so, daß mit dem Auffangnetz, das Sie im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes errichtet haben, die Lehrlingsproblematik für dieses Jahr gelöst werden könnte – das wissen Sie alle. Dies gilt möglicherweise noch für die neu auf den Lehrstellenmarkt Drängenden. Dabei vergessen Sie aber bereits all jene, die vom vorigen Jahr übriggeblieben sind und die auch durch das Auffangnetz und durch die Maßnahmen im Auffangnetz kaum Möglichkeiten erhalten, tatsächlich noch hineinzukommen, weil sie teilweise ausgeschlossen werden.

Das andere Problem: Es wird ganz offen darüber diskutiert – zum Beispiel in Salzburg –, daß es innerhalb der neuen Jugendlichen Gruppen gebe, die nicht mehr für eine Lehre geeignet seien. Das wird von der Politik so formuliert. Da sollten eigentlich die Alarmglocken läuten, ganz egal, welche Schlußfolgerungen man daraus zieht. Wenn es in offiziellen politischen Dokumenten – in diesem Fall eines Landes – heißt, von 400 Lehrlingen seien 70 nicht mehr für eine Lehrausbildung geeignet, dann stellt sich erstens die Frage, was mit diesen geschehen soll, was man mit diesen vorhat und – zweitens – was das für die Politik bedeutet. Verabschiedet sie sich bereits von der Frage, welche Zukunftschancen auch diese Jugendlichen haben könnten? Darüber zu debattieren wäre meiner Meinung nach sowohl im Rahmen des Unterausschusses als auch hier mit Hilfe dieses Antrages notwendig, obwohl er – das muß ich den Freiheitlichen schon sagen – äußerst widersprüchlich und ein Sammelsurium von teilweise auch durch die Regierung schon vollzogenen Maßnahmen ist. Aber wir diskutieren gerne darüber. (Beifall bei den Grünen.)

18.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die von der Geschäftsordnung vorgesehenen Wortmeldungen sind erschöpft. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 589/A (E) der Abgeordneten Prinzhorn und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre eine Frist bis zum 17. Dezember 1998 zu setzen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Dieser Antrag ist damit abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir nehmen nun die Verhandlungen über die Punkte 2 bis 5 der Tagesordnung wieder auf.

Wir setzen fort mit der Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Dr. Kier. – Bitte.

18.04

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf im Zusammenhang mit dem sogenannten Demokratiepaket zwei Anträge einbringen, und zwar zunächst einen Abänderungsantrag zum Tagesordnungspunkt 3, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt und PartnerInnen betreffend des Berichts des Verfassungsausschusses zur Änderung des Volksbegehrengesetzes 1973

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Ziff. 1 § 3 Abs. 2 1. Satz lautet: "Der Antrag muß von mindestens 8 000 Personen, die in der Wählerevidenz eingetragen sind und den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, unterstützt sein."

2. Ziff. 7a lautet "§ 6 Stimmberechtigt ist, wer am Stichtag das 16. Lebensjahr vollendet hat und in einer Gemeinde des Bundesgebietes den Hauptwohnsitz hat."

*****

Weiters bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt und PartnerInnen betreffend Verbesserungen für blinde oder schwer sehbehinderte Personen bei Nationalratswahlen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, die geeigneten Veranlassungen zu treffen, daß künftig schwer sehbehinderten und blinden Personen bei Nationalratswahlen – wie bei anderen Wahlen – geeignete Hilfsmittel zur selbständigen Ausübung des Wahlrechts zur Verfügung gestellt werden."

*****

Zur kurzen Begründung beider Anträge darf ich zunächst einmal auf den ausführlichen Redebeitrag meiner Klubobfrau verweisen. Zu den blinden und sehbehinderten Personen möchte ich aber noch zusätzliche Ausführungen machen.

Es liegt ein vergleichbarer Entschließungstext dem Hohen Haus zur Abstimmung vor, der allerdings darauf abzielt, daß unter allen Umständen ein Gesetz geschaffen werden soll. – Wir sind der Meinung, der Bundesminister für Inneres sollte ersucht werden, zunächst alle geeigneten Veranlassungen zu treffen. Sollte sich bei dieser Gelegenheit herausstellen, daß es auch einer Gesetzesänderung bedarf, dann wäre das selbstverständlich ein Teil dieser Veranlassungen. Aber der Antrag, der von den Regierungsparteien vorgelegt wurde, verhindert einen Vollzug von anderen Maßnahmen, solange es kein Gesetz gibt. Wir glauben, daß dies neuerlich nur ein Antrag ist, der der Gesetzesflut dienlich ist und ihr nicht vorbeugt. Daher stellen wir unseren Antrag.

Hingegen zielt der Abänderungsantrag, den ich zuvor zur Verlesung gebracht habe, in erster Linie darauf ab, bei Volksbegehren eine völlig eindeutige Zahl zu definieren. Sie entspricht der Größenordnung nach durchaus einem Promille der Bewohner des Bundesgebietes, aber die Zahl 8 000 ist eindeutig, und wir ersparen uns durch eine solche Vorgangsweise die Notwendigkeit, jeweils am Stichtag eines Volksbegehrens die aktuelle Einwohnerzahl festzustellen – auf Punkt, Strich und Komma. Die Größenordnung bliebe gleich, die Transparenz wäre größer, und es wäre auch ein Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung, weil es in diesem Fall eben nicht notwendig wäre, x-mal überflüssigerweise exakt die Einwohnerzahl zu ermitteln, damit ein Volksbegehren rechtmäßig vor sich gehen kann.

Zur Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre: Das ist schon so oft gefordert worden, daß ich ganz einfach sicher bin, daß es mehrheitsfähig sein müßte. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden soeben verlesenen Anträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sind entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.07

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nach der längeren Unterbrechung wiederhole ich meine wichtigsten Einwände beziehungsweise Argumente zur Novelle des Volksbegehrengesetzes beziehungsweise des Bundespräsidentenwahlgesetzes.

Ich möchte zunächst zum Volksbegehrengesetz 1973 sprechen, das ich vollinhaltlich unterstütze, weil es eine Reihe von vernünftigen Änderungen bringt, etwa die Senkung der für die Einleitung eines Volksbegehrens notwendigen Unterschriftenzahl. In der alten Regelung waren dafür 10 000 Unterstützungserklärungen vorgesehen. Man hat das nun auf ein Promille der Wohnbevölkerung, also zirka 8 100, reduziert. Es ist keineswegs – wie Abgeordneter Stadler meint – der Fall, daß es dabei um die Unterhöhlung des österreichischen Wahlrechtes zugunsten von Ausländern oder die Einführung des Ausländerwahlrechtes durch die Hintertür ginge, sondern es ist ein vernünftiger Kompromiß und erleichtert die Einreichung wesentlich.

Den Wegfall der Privilegierung der Abgeordnetenunterschrift halte ich in diesem Fall für vernünftig. Bisher waren acht Abgeordnetenunterschriften notwendig. Das heißt, die alte Regelung stand im wesentlichen in einem Widerspruch zum Instrument des Volksbegehrens, weil das Volksbegehren eben eine Sache des Volkes und nicht der Abgeordneten ist. Daher ist es widersinnig, daß Abgeordnete, also die Legislative, mit ihren eigenen Unterschriften ein Volksbegehren an sich selbst einleiten können.

Auch die Regelung bezüglich des Kostenbeitrags halte ich für vernünftig und gerechtfertigt, weil sie es nichtorganisierten und kleinen Initiativen erleichtert, ein Volksbegehren einzuleiten. Sie sollten auch die Möglichkeit der Einleitung haben und nicht an einer finanziellen Hürde scheitern. Die behindertenfreundlichen Regelungen sind schon von etlichen meiner Vorrednerinnen, zum Beispiel der Frau Abgeordneten Rauch-Kallat und der Abgeordneten Karlsson, ausführlich gewürdigt worden. Nach Maßgabe des technischen Fortschritts ist das auch eine ganz wesentliche Verbesserung. Insgesamt ist die Novelle zum Volksbegehrengesetz 1973 eine relativ positive demokratiepolitische Entwicklung.

Auch die Novelle zum Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 bringt meiner Meinung nach eine Reihe von vernünftigen Änderungen, zum Beispiel die Erleichterung der Wahlzeugenregelung im Ausland. Auch die Verkürzung des Zeitraumes zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang von fünf Wochen auf drei Wochen und damit die Verkürzung des Wahlkampfes halte ich für eine äußerst positive Maßnahme. Insgesamt kann man sagen, daß es eine Reihe von positiven Maßnahmen in dieser Novelle gibt.

Die wichtigste Änderung ist jedoch § 7 Abs. 1. Bei der Einführung der Direktwahl des Bundespräsidenten nach dem Krieg war vorgesehen, daß Parteien ab einer Stärke von fünf Nationalratsmandaten oder 6 000 Bürgerunterschriften das Nominierungsrecht für einen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl haben sollen. Für die Reihung auf dem Stimmzettel zählte jedoch ein Abgeordneter für 25 000 Unterschriften. Weiters konnte ein Abgeordneter verschiedene Kandidaten nominieren, was die Bürger mit einer amtlich beglaubigten Unterschrift nicht konnten. Sie konnten nämlich nur einem Kandidaten ihre Unterschrift geben, und das war sicher eine sehr, sehr widersprüchliche Regelung. Insofern halte ich es für vernünftig, daß die Privilegierung der Abgeordnetenunterschriften in dieser Novelle fehlt.

Ich hätte es jedoch besser gefunden, wenn zumindest das Vorschlagsrecht der Abgeordneten geblieben wäre, weil in einer repräsentativen Demokratie der Wert eines Abgeordneten 25 000 Stimmen entspricht, und ich möchte diesen Populismus nicht mittragen. So zeugt etwa die Aussage des Bundespräsidenten – ich zitiere wörtlich –: Unter Bürgerpräsident verstehe ich, daß ich es abgelehnt habe, mich von den Parteien nominieren zu lassen! nach meinem Dafürhalten von einem merkwürdigen Demokratie- und Parteienverständnis und mitunter auch von leichter Vergeßlichkeit. Denn ein Bundespräsident, der im ersten Wahlgang von einer Partei vorgeschlagen wurde, wird im zweiten Wahlgang nicht dadurch ein unabhängiger, über den Parteien stehender Präsident, daß er sich von 6 000 Unterstützern vorschlagen läßt, sondern er wird dadurch ein objektiver und über den Parteien stehender Bundespräsident, daß er sich geistige Unabhängigkeit und Integrität erwirbt. Und das geschieht nicht dadurch, daß man Parteien herabsetzt, um sich selbst zu schmücken. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Daher hätte ich es in diesem Fall ganz gerne gesehen, wenn die alte Regelung geblieben wäre, wonach auch Abgeordnete mit ihrer Stimme einen Kandidaten vorschlagen dürften oder könnten, weil das nicht im Widerspruch zur repräsentativen Demokratie steht. Das hätte der Demokratie insgesamt, dem Verständnis von Demokratie und auch unserem Herrn Bundespräsidenten gutgetan. – In diesem Sinne danke. (Beifall bei der SPÖ. )

18.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.13

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grόne): Dobar večer, poštovane dame i gospodo! Verehrter Herr Staatssekretδr! Sehr geehrter Herr Prδsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Δnderungen in verschiedenen Gesetzen, die die Koalition so gerne mit dem positiven Titel "Demokratiepaket" schmückt, ist ein extrem kleines Paket. (Abg. Schwemlein: Macht mitunter die größte Freude!) Es ist ein so kleines Paket, daß man es, würde man es auf die Post tragen, als Brief aufgeben könnte – so klein ist dieses Paket. Nichtsdestotrotz beinhaltet es Dinge – die noch zur Diskussion und bald zur Abstimmung stehen –, die ich durchaus für bemerkenswert und auch insofern für sehr positiv halte, als sie eine Fortentwicklung unseres Demokratieverständnisses darstellen.

Die wesentlichsten Punkte der Veränderungen enthält zweifelsfrei das Volksbegehrengesetz, das geändert wird. Die Initiative dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht etwa aus der großen Zuneigung der Koalitionsparteien zum Instrument "Volksbegehren" entstanden, sondern die Initiative dazu ist vor allem aufgrund sehr erfolgreicher Volksbegehren und der damit verbundenen Wünsche der Volksbegehrensbetreiber und -betreiberinnen, die schwerwiegende Mängel sowohl in den rechtlichen Grundlagen, aber erst recht in der politischen Umsetzung dieser Volksbegehren gesehen haben, entstanden.

Ich sage nur Stichworte: Gentechnik-Volksbegehren – 1,4 Millionen UnterzeichnerInnen, Tierschutz-Volksbegehren – 450 000 UnterzeichnerInnen – und das Frauen-Volksbegehren mit über 600 000 Unterschriften von Bürgern und Bürgerinnen, die sich mit diesen Forderungen identifiziert haben. Und diese Mängel bezüglich der rechtlichen Grundlagen sind es, die jetzt auch zu einer Reform geführt haben.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht sehr viel von dem übriggeblieben, was die "Initiative Direkte Demokratie", wie sich der Zusammenschluß der BetreiberInnen dieser erfolgreichen Volksbegehren genannt hat, als Kernpunkte gefordert hat, und sie hat ihre Forderungen allen Parteien vorgetragen. Was sie den im Nationalrat vertretenen politischen Parteien präsentiert haben, haben sie "Paket" genannt. Die Kernpunkte des Pakets der "Initiative Direkte Demokratie" möchte ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, weil ich das Gefühl habe, daß sehr viele Abgeordnete, sogar solche, die dem Verfassungsausschuß angehören, nicht so recht gewußt haben, welche Forderungen das waren. Das werfe ich Ihnen gar nicht vor, man muß ja nicht alle Details kennen.

Ich möchte meine Hauptkritikpunkte auch nicht auf die Vorgangsweise bei der Behandlung dieses "Demokratiepäckchens" konzentrieren. Am letzten Tag der ausgelaufenen Session – ich habe es nicht präsent, ich glaube, es war wirklich der 17. Juli, also der letztmögliche Tag – ist der Initiativantrag der Koalition eingebracht worden. Und am ersten Tag der neuen Session, am 15. September, hat bereits der Verfassungsausschuß getagt, und es ist beschlossen worden. Daß das Parlament einmal schnell arbeitet, ist per se noch nichts Negatives, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Khol: Sonst ist es Ihnen immer zu langsam! Einmal sind wir schnell, und es ist Ihnen auch nicht recht! Man kann es den Grünen nicht recht machen!) Es ist immer, Herr Dr. Khol, auch eine Frage des Ergebnisses, das das schnelle Arbeiten mit sich bringt, denn in der Schnelligkeit – und ich bin vom Typ her eine Person, die dazu neigt (Abg. Dr. Krüger: Sehr selbstkritisch! Sehr einsichtig!) – hudelt man auch gerne, vergißt wesentliche Dinge, konzentriert sich manchmal auf unwesentliche. Genau so kommt mir das, was jetzt zur Beschlußfassung vorliegt, auch vor.

Es ist ein bißchen schnell dahingehudelt, wobei Sie das Wort "dahingehudelt" direkt noch schmückt, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, im wesentlichen sind einige Punkte – Kollege Posch hat es vorhin in seiner Rede bereits gesagt – von einem unglaublichen Populismus geprägt. Das zeigt sich schon daran, daß man sich jetzt Regelungen in einer wirklich "affenartigen" Geschwindigkeit vornimmt, die frühestens erst in sechs Jahren zum Tragen kommen können, denn die letzte Bundespräsidentenwahl war bekanntlich in diesem Frühjahr und die nächste wird erst – so Gott die Gesundheit unseres jetzigen Bundespräsidenten erhalte – in sechs Jahren sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber Sie haben es irrsinnig eilig gehabt. Es ist so geschwind gegangen, daß die Opposition fordert, sich mit den Fragen, die Dr. Khol und Dr. Kostelka als Vorschläge in ihrem Initiativantrag im Parlament einbringen, auseinanderzusetzen und das, was die Opposition sich dazu denkt und auch gerne diskutiert hätte, vielleicht mit einzubeziehen. Aber in diesem Parlament, speziell im Verfassungsausschuß, hat man jedes Interesse, aber nur nicht jenes, sich vielleicht mit Vorschlägen der Opposition zu beschäftigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So schnell hätte man nicht einmal einen Antrag einbringen können. Sie haben den Initiativantrag in letzter Sekunde im Juli gemacht, und in der ersten Sekunde der neuen Session ist bereits darüber getagt worden. Ich frage mich ernsthaft, wann ich denn die Möglichkeit gehabt hätte, meine Gedanken zu Ihren Dingen überhaupt zu formulieren und sie einzubringen – vorausgesetzt, Sie hätten ein ernsthaftes Interesse, sich damit auseinanderzusetzen! Es wäre vom Fristenlauf und von den Gegebenheiten her gar nicht möglich gewesen.

Aber gut, das Lamentieren hilft uns jetzt nichts. Die Koalition fährt, solange sie noch die Zweidrittelmehrheit hat, ohnedies über alles, was nur möglich ist, drüber. Dieses Volksbegehrengesetz ist für mich ein wirklich sehr gutes Beispiel, ich will nicht sagen, das allerbeste Beispiel. Und jetzt komme ich wieder auf ... (Abg. Schieder: Das ist ja ein Gesetz mit einfacher Mehrheit, dazu brauche ich keine Zweidrittelmehrheit zum Drüberfahren!) Ich habe nicht gesagt, daß in diesem Fall mit der Zweidrittelmehrheit drübergefahren wird (Abg. Dr. Khol: Ja, das haben Sie gesagt!), sondern das Bewußtsein der Koalition, eine Zweidrittelmehrheit zu haben, prägt die Vorgangsweise.

Ich komme zurück zur IDD. Was will die "Initiative Direkte Demokratie"? – Sie will Parteiunabhängigkeit von Volksbegehren und Erleichterung bei der Einleitung und Durchführung derselben. Die Parteiunabhängigkeit von Volksbegehren wird umgesetzt. Das ist eine Forderung, die die Grünen schon lange vorher aufgestellt haben, noch bevor Khol und Kostelka auf die Idee gekommen sind, einen Initiativantrag zu formulieren.

Abgeordnete können also – einer allein konnte dies ohnedies nie, es mußten auch in der Vergangenheit immer acht Abgeordnete sein – keine Volksbegehren mehr initiieren und somit in den Nationalrat einbringen. Das ist absolut in Ordnung und deckt sich sowohl mit meinem Demokratieverständnis als auch mit jenem des Herrn Dr. Khol. (Abg. Dr. Khol: Dann brauchen Sie doch keinen Unterausschuß dafür, wenn Ihre eigene Forderung umgesetzt wird! Die gleiche Inkonsequenz wie die Liberalen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Groß ist diese Deckung des Demokratieverständnisses aber nicht, denn jene, die das verlangt haben und mit parteiunabhängigen Volksbegehren Erfahrung haben, haben selbstverständlich gleichzeitig verlangt, daß es Erleichterungen bei der Einleitung eines Volksbegehrens geben muß. Denn wenn man sich diese Mühe – um es einmal so auszudrücken – in der Vergangenheit erspart hat, dann geschah dies in der Regel entweder aus technischen oder aus finanziellen Gründen, aber nicht deshalb, weil man in irgendeiner Form am Erfolg von Volksbegehren gezweifelt hätte. Ich erinnere jetzt nur einmal an das Beispiel Tierschutz-Volksbegehren. Keines dieser Volksbegehren wurde von den Koalitionsparteien mitunterschrieben oder mitgetragen. Es waren Mischformen dabei, aber nie diese Variante.

Was sagen die Volksbegehrensbetreiber? – Sie wollen – das wäre auch im Sinne der Demokratie – eine Halbierung jener Zahl der Unterstützungsunterschriften, die notwendig sind, um ein Volksbegehren einzuleiten. Was ist die Hälfte von 10 000? – 5 000.

Meine Damen und Herren! Auf welche Zahl hat sich die Koalition geeinigt? – Auf 8 100. Dies ist weit entfernt von einem Kompromiß gegenüber den ursprünglichen Forderungen. 8 100! Das ist das Demokratieverständnis, das hiermit verbunden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Schieder: Wo ist Halbierung mehr Demokratie? Wo steht geschrieben, daß Halbierung mehr Demokratie heißt? Vielleicht sind 8,1 mehr Demokratie!) Nein, es steht nirgends geschrieben, daß das so ist. Es bedeutet lediglich – oder es hieße das nur, es wird ja nicht der Fall sein –, daß jene Gruppen, die weder die finanziellen Mittel noch die Apparate von großen Organisationsstrukturen hinter sich haben, überhaupt die Möglichkeit haben, ein Volksbegehren einzuleiten.

Kollege Schieder! Das heißt ja noch nicht, daß das die Volksbegehrenskampagne ist. (Abg. Schieder: Das weiß jeder! Das weiß jeder! Lernt man in der Volksschule!) Das heißt noch nicht, daß man Hunderttausende oder zumindest 100 000 zum Wahllokal bringt. Da müssen ja 10 000 Leute auf ihr Gemeindeamt gehen und sozusagen face to face zum Bürgermeister ein Volksbegehren unterschreiben, das vielleicht von einer – um es einmal so zu formulieren – inhaltlich konkurrierenden, wenn auch noch so kleinen Gruppe getragen wird. Das ist für viele Leute in der Vergangenheit eine Mutfrage gewesen und wird es auch in der Zukunft bleiben. Sie erleichtern das nicht! Dieses Instrument dient nicht dazu, Menschen couragierter zu machen, sondern um diesen Knüppel der möglichen Einschüchterung weiter in der Hand zu haben. Das ist die Konsequenz, und deshalb behaupte ich, daß es zwar ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber in Wahrheit zwei Schritte zurück sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum nächsten Punkt, nämlich was das Verständnis und das Ernstnehmen von Bürgeranliegen seitens der Koalitionsparteien angeht: Den zweiten Punkt, die Senkung der Altersgrenze für die Stimmberechtigungen, möchte ich nur streifen. Diese Forderung ist nirgends diskutiert worden, man hat sie ja nicht einmal ignoriert, obwohl sie demokratiepolitisch essentiell wäre. Denn das frage ich mich anläßlich jeder Wahl, aber bei Volksbegehren frage ich mich dies umso deutlicher: Gehen denn die Gentechnik, die Chancengleichheit und der Tierschutz 16- bis 18jährige überhaupt nichts an? Es ist offenkundig Ihre Meinung, daß sie dies nichts angeht, wenn es darum geht, Willen und Meinung zu äußern. Dies aber ist gewissermaßen nur ein kleiner Unterpunkt.

Ein viel wesentlicherer Punkt ist, daß die Volksbegehrensbetreiber in diesem – ich formuliere es jetzt ein bißchen populär – demokratiepolitischen Match gegen politische Parteien – und wenn die Parteien die Forderungen umsetzen würden, die die verschiedenen Gruppierungen erheben, wäre das Instrument des Volksbegehrens gar nicht so notwendig – ein bißchen Chancengleichheit wollen, und Chancengleichheit bedeutet auch Geld haben. Darum haben die besonnenen Menschen dieser Initiative gesagt: Wir sind jenseits der Forderung, daß eine Stimme bei Wahlen geldmäßig gesehen gleich viel wert sein soll wie eine Unterschrift bei Volksbegehren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jede Partei, einschließlich die der Grünen, erhält für jede bei der Nationalratswahl für sie abgegebene Stimme rund 22 S an Wahlkampfkostenrückerstattung. Bürger und Bürgerinnen zahlen auf diese Weise gewissermaßen dafür, daß sie eine Partei wählen dürfen und daß es politischen Wettstreit gibt, einen Betrag von 22 S. Ich stehe dazu. Über die Höhe könnte man diskutieren. Aber Ihnen ist die Tatsache, daß sich Menschen auch durch Volksbegehren artikulieren können, überhaupt nichts wert, null wert. Die "Initiative Direkte Demokratie" hat vorgeschlagen – pragmatisch, realistisch und mit beiden Beinen auf dem Boden stehend, wie diese Menschen nun einmal sind –, daß die Betreiber eines Volksbegehrens für jede geleistete Unterschrift einen Betrag von 2 S erhalten sollen – 2 S, nicht 20 S! Das wären als Untergrenze 200 000 S für ein Volksbegehren, denn 100 000 Unterschriften braucht man, um es überhaupt zu einem erfolgreichen Volksbegehren werden zu lassen. Bei einem Betrag von 2 S pro Unterschrift wären das also 200 000 S.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts von Hunderten Millionen Schilling, die jährlich für wahlwerbende Parteien in Form von Parteienfinanzierung, an politische Akademien, Wahlkampfkostenrückerstattung, Klubfinanzierung und ähnliches – auch wir sind Nutznießer, füge ich hinzu – ausgeschüttet werden, ist dies eine so kleine Summe, daß sie nicht einmal einer Erwähnung wert wäre. Aber offensichtlich ist es so, daß in diesen Fragen – wie in so vielen anderen auch in der letzten Zeit – Ideologie transportiert wird. Offensichtlich hat man Angst davor, daß Bürger und Bürgerinnen ihre Anliegen artikulieren. Ob sie anschließend in der politischen Umsetzung erfolgreich sind, ist ohnehin wieder eine andere Frage, weil der Nationalrat ohnehin macht, was er will. Offensichtlich ist die Angst, mit dem Willen oder mit der Artikulation eines Willens konfrontiert zu werden, so groß, daß es nicht einmal zu einer Unterstützung in Höhe von 200 000 S für Volksbegehren kommt. Das wäre ohnehin nichts anderes als eine Art Portospesenersatz.

Meine Damen und Herren! Eine wesentliche Vergleichszahl, um die Relationen zu verdeutlichen, was dieser Betrag von 200 000 S bedeutet: Er entspricht jenem Betrag, den der Steuerzahler für jedes einzelne Volksbegehren zu zahlen hat. Jedes Volksbegehren in Österreich – egal, ob es von 1,4 Millionen, 100 000 oder vielleicht nur 60 000 Menschen unterzeichnet wird, wie seinerzeit jenes der Motorradfahrer – kostet 25 Millionen Schilling. 25 Millionen Schilling – das sind Fixkosten, meine Damen und Herren! Fixkosten!

Ich frage mich: Was sind 200 000 S oder was wären 150 000 S? – Nichts! Ich wollte jenen Kolleginnen und Kollegen, die nicht im erlauchten Vier-Augen-Kreis Khol/Kostelka dabei sind, einmal verdeutlichen, was die Forderungen jener sind, die das, was solche Initiativen fordern, in irgendeiner Form auch berücksichtigt haben wollen. Das sei Ihnen als Denkanstoß gesagt. Aber wir sind ja noch nicht am Ende dieser Diskussion. Es ist auch noch nicht aller Tage Abend und auch noch nicht das Ende dieses Tages. Es wäre ja noch etwas möglich.

Ich will jetzt keineswegs internationale Vergleiche strapazieren, denn dann könnte ich eine ganze Vorlesung halten. Man weiß ja, wie in anderen Ländern die Instrumente direkter Demokratie geregelt sind, welche finanzielle Unterstützung sie erhalten und welchen Stellenwert sie insgesamt haben. Man müßte nicht die Schweiz bemühen, sozusagen als das in dieser Hinsicht klassische Land, wo Bürger ihre Anliegen eben auch in anderer Form artikulieren können, als lediglich alle vier Jahre zur Wahl zu gehen. Nicht die Schweiz wäre zu bemühen, sondern viele andere EU-Staaten, die in dieser Frage viel vorbildlicher sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Redezeit ist auch nicht unbegrenzt. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein tröstliches Wort!) Deshalb sei noch ein Wort zu den anderen Gesetzen, etwa der Europawahlordnung, gesagt. Es wird ganz schnell, vom 17. Juli bis zum 15. September, die Europawahlordnung geändert, und zwar in einem Sinne, der durchaus nicht unsympathisch ist. Sie bringt nämlich durchwegs Erleichterungen und eine Entbürokratisierung, denn es ist etwa nur mehr ein Zeuge vonnöten und dergleichen mehr. Aber niemand kommt auf die Idee, daß man gewisse Absurditäten aus der Wahlordnung beseitigt. Was ich gerne diskutiert hätte, ist die 4-Prozent-Klausel im Europawahlrecht, daß eine Partei sozusagen 4 Prozent haben muß. Das ist aus der Nationalratswahlordnung abgeschrieben. Doch mit 4 Prozent gibt es nie ein Mandat, weil es nur 21 Europaparlamentarier gibt. Dabei ist Ihnen also die Legistik oder gewissermaßen die Qualität des Gesetzes Wurscht. Es muß nur alles schnell, schnell gehen, wenn es darum geht, eine populistische Ansage, die vielleicht einmal vor zwei Monaten gemacht worden ist, jetzt umzusetzen. Dies nur als kleines Beispiel dafür, wie "ordentlich", wie "sauber" und wie "gut" hier gearbeitet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Frage der Abschaffung der Möglichkeit, daß bei Bundespräsidentenwahlen künftig eine Partei einen Kandidaten nominiert: Meiner Meinung nach ist das dem ersten Anschein nach einmal ganz neutral zu sehen. Im ersten Augenblick hege ich dafür weder Sympathie noch Antipathie, aber nach kurzem Nachdenken kommen mir Bedenken, die ich für äußerst schwerwiegend halte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben – Gott sei Dank! – in einer repräsentativen Demokratie. Wir leben in einem Staat, in dem der Parlamentarismus zumindest auf dem Papier einen hohen Stellenwert hat. Wir leben in einem Staat, der gegenüber anderen Systemen große Vorteile hat, der auch Parteien einbindet und damit eine Qualität aufweist, die sich durchaus sehen lassen kann. Wir leben in einem Staat, der keine Präsidialdemokratie ist. Aber mit solchen kleinen Änderungen wie dieser – daß die Parteien eigentlich immer mehr auf Distanz zum Bundespräsidenten gehen – begibt sich auch der Nationalrat, in Form der politischen Parteien, wieder eines Stückes seiner Möglichkeiten und seines Stellenwertes. Mit solchen kleinen Dingen wird dieses System systematisch untergraben! Ich sage keineswegs, daß dies absichtlich, bewußt oder hinterhältig geschieht, nein, sondern nur einfach so, weil Klestil mit den Packerln, mit seinen 50 000 rot-weiß-roten Mascherln einmal ein Gag gelang, denn nichts anderes war das. Jetzt muß man das im Gesetz gleich für alle Zeiten festschreiben. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das stellt für mich keine reife und von allen gelebte und bereicherte Demokratie dar, aber es zeigt die Art, wie dieses Parlament und wie dieser Verfassungsausschuß arbeiten. Das Hauptübel liegt meines Erachtens darin, daß der Vorsitzende dieses Verfassungsausschusses natürlich der Klubobmann der größten Partei ist und der Vize der Klubobmann der zweitgrößten Partei. Die sind gewissermaßen in einem Zweidrittelpackerl drinnen, und dort wird gemacht, was man will. Frau Dr. Schmidt hat mit all ihren Einwänden recht. Ich kann das jetzt nicht mehr wiederholen, weil meine Zeit um ist.

Mag. Posch möchte ich an dieser Stelle für seinen Mut danken, das auszusprechen. Meiner Meinung nach wird er als der einzige der großen Fraktion der SPÖ, der diese Bedenken ausgesprochen hat, in die Geschichte eingehen, und zwar hoffentlich positiv und nicht als negativer Mahner. (Beifall bei den Grünen.)

18.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.34

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir behandeln heute das Demokratiepaket, und in Anbetracht der noch zu verhandelnden Punkte der Tagesordnung und der Zahl der gemeldeten Redner möchte ich nur in einigen kurzen Bemerkungen auf diese Novellierungsvorschläge Bezug nehmen, denen wir unsere Zustimmung geben werden.

Zum ersten: Frau Kollegin Stoisits, ich bewundere Ihren heutigen Leidensdruck. Im Verfassungsausschuß habe ich Sie erlebt, da waren Sie eigentlich mit sehr vielem einverstanden. Sie haben sich kaum so engagiert zu Wort gemeldet, zumindest nicht mit soviel Wehmut wie jetzt. Ich darf Sie bitten: Betrachten Sie auch den Gesamtzusammenhang! (Abg. Wabl: Man ist ja so viel gewohnt! Man ist ja so verdammt viel gewohnt! In der Präsidiale durfte ich mir die Ergüsse des Herrn Khol anhören!) Sie waren ja nicht dabei, Herr Kollege Wabl! Sie geben nur zu allem Ihren Kommentar ab, auch dann, wenn Sie gar nicht dabei waren. Ich war dabei, und deshalb kann ich sagen, was los war beziehungsweise gesprochen wurde.

Halten Sie sich einmal klar vor Augen: Mit dieser Novelle wird zunächst einmal die Stimmabgabe erleichtert. Die Stimmabgabe im Ausland kann künftig mit Bestätigung durch eine Person durchgeführt werden. Heute braucht man dazu zwei Personen. Meiner Meinung nach ist das ein demokratiepolitischer Fortschritt, den wir gutheißen können.

Wir haben in weiterer Folge auch bei der Stimmabgabe gerade von Körperbehinderten in Zukunft Vorsorge zu treffen, sowohl in der Nationalrats-Wahlordnung als auch in der Europawahlordnung. Dies ist ein Fortschritt, der sich sehen lassen kann.

Zum nächsten Punkt: Dabei geht es um die Neuregelung der Einsichtsfrist. Ich halte das für gut und wichtig. Diese Fristen sind von zehn Tagen auf eine Woche verkürzt worden, und zwar dann, wenn die Voraussetzungen des § 26 – nämlich die öffentliche Kundmachung – erfüllt sind. Das sind doch Dinge, über die man meiner Meinung nach reden sollte und die auch sehr vernünftig sind.

Nun zu den einzelnen Bereichen. Bei der Bundespräsidentenwahl bestand deshalb Handlungsbedarf, weil wir bei der letzten Wahl ein sonderbares Erlebnis hatten. Aufgrund der Tatsache, daß die Unterschrift von fünf Parlamentariern als Unterstützung für einen Wahlvorschlag ausreicht, kam es auch zur Situation, daß Parlamentarier gar nicht genau gewußt haben, wohin sie sich wenden sollen. Sie waren also mehr oder weniger in einer ungeheuren Konfliktsituation. Um dies in Zukunft zu vermeiden, haben wir meiner Meinung nach mit dieser Vorlage einen klaren Weg beschritten, nämlich dahin gehend – ich verstehe nicht, warum Sie immer wieder von einer Ausschaltung der Parteien sprechen –, daß 6 000 Wahlberechtigte mit ihrer Unterstützung jeden Vorschlag – jeden Vorschlag! – einbringen können. (Abg. Wabl: Für Sie kein Problem!)

Herr Wabl! Wenn Sie das genau lesen, dann lesen Sie auch, daß in Zukunft die Unterstützungserklärungen – was bisher nicht der Fall war – auf den Gemeindeämtern aufliegen und die Gemeindeämter per Gesetz angehalten, verpflichtet sind, dabei behilflich zu sein. Ich persönlich sehe darin eine Verbesserung der Situation. Vor allem aber haben wir vermieden, daß einige in eine Konfliktsituation kommen, indem sie darüber nachdenken müssen, wem sie lieber ihre Zustimmung geben: einem oder zwei Kandidaten. Sie wissen ohnehin, worauf ich anspiele.

Zum nächsten Punkt, zu den Volksbegehren: Ich verstehe nicht, was Sie daran so übel finden, daß ein Promille der Gesamtbevölkerung – ganz klar genormt – ein Volksbegehren einleiten kann. Wir haben meiner Überzeugung nach auf diese Weise dahin gehend eine Norm gesetzt, daß dies wirklich ein ernstes und ehrliches Anliegen werden soll und nicht jede Gemütsregung bereits ein Volksbegehren hervorruft.

Zu Ihrem Einwand, warum die 16- bis 18jährigen von der Möglichkeit der Unterzeichnung eines Volksbegehrens ausgeschlossen sind. Ich würde Sie vielmehr zu folgendem ermuntern: Achten wir darauf, daß all jene, die das Wahlrecht haben, sich daran beteiligen! Es ist doch viel, viel mehr wert, wenn wir uns in diese Richtung bemühen! Sie haben auch dabei die Möglichkeit, sich zu engagieren.

Was Ihre Sorgen bezüglich der finanziellen Mittel betrifft, sei folgendes gesagt: Sie haben erstmals die Mithilfe der Gemeinden sehr deutlich auch im Gesetz geregelt, und zum zweiten haben Sie den Betrag von 150 000 S im Gesetz mit einer Dynamisierungsklausel festgeschrieben. Meiner Meinung nach kann man das ganz klar als wesentlichen Fortschritt bezeichnen.

Ich möchte noch auf drei Dinge Bezug nehmen, die in dieser Gesetzesvorlage nicht normiert sind, nämlich zunächst einmal auf die Pauschalierung des Wahlkostenersatzes nach der Zahl der Wahlberechtigten. Es gibt in den Ländern, in der Landesgesetzgebung sehr taugliche Lösungen. Meiner Meinung nach ist die Kostenersatzregelung nach den heutigen Abrechnungsmodalitäten ein ungemein hoher Aufwand. Wenn wir dies den landesgesetzlichen Regelungen anpassen würden, wäre die Situation günstiger, und wir könnten vor allem den Kommunen etwas mehr helfen.

Zum zweiten: Wir haben in vielen Gemeinden wirklich ein Problem mit den Mitgliedern der Wahlkommission. Tatsächlich werden heute nach dem Gesetz 247 S pro Tag bezahlt. Ich frage Sie: Wie viele Leute gibt es noch, die sich an einem Sonntag um diesen Betrag zur Verfügung stellen? Deshalb wäre es angezeigt, daß bezüglich des Ersatzes der Aufwandsentschädigung für Mitglieder der Wahlkommission eine neue Norm gefunden würde. Wir haben auch im Verfassungsausschuß darüber gesprochen.

Zum dritten und letzten Punkt: Bei der Auszählung der Stimmen bei der Europawahl ist es so, daß wir uns an die Vorgaben der Europäischen Union zu halten haben. Das heißt, daß die Auszählung meist erst dann beginnen kann, wenn das letzte Wahllokal geschlossen hat. Das ist meistens erst abends. – Herr Staatssekretär! Wir würden anregen, daß man sich bei der nächsten Besprechung oder bei der nächsten Möglichkeit darüber Gedanken machen soll, ob die Auszählung der Stimmen – nicht aber die Bekanntgabe des Wahlergebnisses – in den einzelnen Ländern nicht dann beginnen kann, wenn, wie es unsere Nationalrats-Wahlordnung vorsieht, das letzte Wahllokal geschlossen hat. Ich halte es für unerträglich, daß die Mitglieder der Wahlkommission um den schon erwähnten Betrag von 247 S fünf, sechs Stunden sitzen und warten müssen, bis die sogenannte Normzeit erfüllt ist, und erst dann mit der Auszählung beginnen dürfen. Das wäre meiner Meinung nach eine Vorgabe für die Regierung, für Sie, für den Herrn Innenminister, daß man darüber einmal nachdenkt und europaweit eine brauchbare Lösung findet.

Wir stimmen dem Demokratiepaket zu und glauben, daß wir damit einen Fortschritt gemacht haben, um auf die Veränderungen der Zeit mit einer entsprechenden Anpassung zu reagieren. (Beifall bei der ÖVP.)

18.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.40

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Visoki Dom! Liebe Freunde! Herr Präsident! Ich möchte mich wegen der späten Stunde vielleicht nur auf zwei Schwerpunkte dieser sogenannten Novellen konzentrieren. (Abg. Grabner: Das hat der andere zuerst auch gesagt, und dann hat er 10 Minuten geredet!)

Meine Damen und Herren! Ich spüre die Angst vor dem Bürger sowohl bei der ÖVP als auch bei der SPÖ. (Ruf bei der ÖVP: No, no!) Ich verstehe nicht, warum man nicht in der Lage ist, den Zugang zu Volksbegehren, den Zugang zu Wahlen für den Bürger zu erleichtern. Ich sehe nicht ein, warum es nicht möglich sein soll, daß ein anständiger Bürger seine Unterschrift auch zu Hause oder wo immer leisten kann. Sie haben hier kein Vertrauen zum Bürger, und das beweisen Sie mit dieser Novelle. Sie wollen eigentlich die Macht so zementieren, wie Sie sie heute haben. (Demonstrativer Beifall des Abg. Wabl.)

Meine Damen und Herren! Sie hätten die Möglichkeit gehabt, im Ausschuß zumindest ein gutes Zeichen zu setzen, wenn Sie den Mut gehabt hätten, die Regierung zufolge eines Entschließungsantrages des Liberalen Forums zu beauftragen, die Wahlordnung in Kärnten in Frage zu stellen. Wir haben dort bei Landtagswahlen noch immer eine 10prozentige Hürde, die weit über dem österreichischen Durchschnitt, weit über dem notwendigen Quorum für Nationalratswahlen liegt. Damit hätten Sie ein Zeichen setzen können, denn in dieser Novelle geht es lediglich darum, den Bürger fernzuhalten sowohl von Bürgerinitiativen beziehungsweise Volkbegehren als auch bei Wahlen, ihm einfach den Weg zu erschweren, sich an der Demokratie zu beteiligen.

Meine Damen und Herren! Sie haben eines zustande gebracht: Der normale Bürger assoziiert doch mit einem Paket ein Geschenk, etwas, was man sozusagen bekommt. Sie haben es zustande gebracht, nicht nur ein Paket zu schnüren, in das Sie nichts hineingegeben haben, sondern auch noch Sachen wegzunehmen.

Ich muß sagen, Kollege Khol, es gab schönere Zeiten, es gab Zeiten, in denen du Petitionen unterstützt hast, zum Beispiel auch die Petition des Volksgruppenzentrums, damit auch die Volksgruppen sich direkter an Wahlen beteiligen können. – Das ist sozusagen ein trauriges Beispiel dafür, daß sich jemand trotz der Tatsache, daß er älter wird, nicht bessert, sondern sich in seiner Art eher verschlechtert.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre notwendig, in dieser Sache nicht von einem Demokratiepaket zu sprechen, sondern von einer leeren Hülle, bestehend aus dem Versuch, dem Bürger wieder Sand in die Augen zu streuen. Es geht dabei nicht um Demokratie, sondern um den Machterhalt der Regierungsparteien. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.43

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus!

Herr Kollege Smolle, ich kann Ihnen natürlich nicht alle Ängste nehmen. Aber eine Angst kann ich Ihnen nehmen, und zwar jene, daß die ÖVP Angst vor dem Wähler hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Die ÖVP hat die Hand am Puls der Wähler und der Österreicher. Also, diese Sorge kann ich Ihnen nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zum heutigen Demokratiepaket wurde im wesentlichen schon erwähnt, daß es neben dem Bundespräsidentenwahlgesetz, einer Änderung im Bereich der Volksbegehren und einer Neuregelung bei den Einsichtsfristen in Zukunft auch Erleichterungen bei der Stimmabgabe geben wird. Das heißt, die Stimmabgabe im Ausland verlangt nicht mehr zwei Zeugen, sondern eben nur einen. Ich halte das für einen wesentlichen Schritt (Abg. Wabl: Ein ganz wesentlicher!), neben vielen, vielen anderen Positionen – um nicht in den Verdacht zu kommen, daß ich nur diese eine Position sehe, wie Kollege Wabl hier vielleicht meint.

Ein wesentlicher Punkt betrifft auch die Körperbehinderten, und zwar, daß in Zukunft, wenn es technisch möglich ist, der barrierefreie Zugang zu Wahllokalen sicherzustellen ist und daß für Blinde und Sehbehinderte Leitsysteme errichtet werden.

Zu diesem Punkt möchte ich folgenden Antrag der ÖVP einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Dr. Kostelka und Kollegen betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Khol, Dr. Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird (853/A), in der Fassung des Ausschußberichtes (1395 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. Die Novellierungsanordnung in Ziffer 8 lautet:

"§ 7 Abs. 1 lautet:"

2. In Ziffer 8 werden im § 7 Abs. 1 folgende Sätze angefügt:

"Nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten ist in jeder Gemeinde, in Wien in jedem Bezirk, zumindest ein für Körperbehinderte barrierefrei erreichbares Eintragungslokal vorzusehen. Für blinde und schwer sehbehinderte Stimmberechtigte sind nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten geeignete Leitsysteme vorzusehen."

*****

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte nun zur Erleichterung der Stimmabgabe zurückkommen. Der Notwendigkeit, mit einer Wahlrechtsanpassung und Erleichterung des Wahlverhaltens neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten gerecht zu werden, wurde bei weitem nicht Rechnung getragen. In den Ländern, insbesondere in Oberösterreich – hier ist Landeshauptmann Dr. Pühringer entsprechend massiv an die Öffentlichkeit getreten, und es gibt hiezu auch einen gemeinsamen Beschluß aller Parteien im oberösterreichischen Landtag –, wird eine Vereinfachung, eine Weiterentwicklung, eine Demokratisierung des Wahlrechtes verlangt. Leider Gottes konnten wir diese Erleichterung für die Wähler nicht erreichen. Es tut mir leid, daß die Sozialistische Partei dies im Vorfeld nicht erkannt hat und sich dagegen ausspricht und nicht bereit ist, dem Rechnung zu tragen. Die Österreichische Volkspartei wird dieses Ziel, ein modernes Wahlrecht für unsere Mitbürger zu schaffen, weiterverfolgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu diesem Thema einige Fakten: Wir wissen, daß die Gesellschaft mobiler geworden ist, daß wir uns im In- und Ausland einfach mehr bewegen, daß wir uns beruflich oder in der Freizeit viel auf Reisen befinden und daß der Wahlausschluß so weit gehen kann, daß ein Bürger, der sich im Krankenhaus befindet, sein Wahlrecht nicht ausüben kann. Zweitens verlangen die Gemeinden seit Jahren Vereinfachungen und Entbürokratisierung, und drittens ist es – und das ist als etwas Sonderbares anzumerken – bei Arbeiterkammer- und Betriebsratswahlen durchaus möglich, mittels Briefwahl zu wählen. Hier ist es also selbstverständlich, aber bei anderen Wahlen läßt man dies nicht zu.

Den Zweiflern an der Demokratiereife der Österreicher möchte ich das Beispiel des Wahlrechts für Auslandsösterreicher vorführen. Es gab bis jetzt keine Mißbräuche, es gab keine Manipulationen, es gab kein Verzerren des Wahlergebnisses, meine Damen und Herren. Im nächsten Jahr, 1999, wird es eine Reihe von Wahlen geben – wir sprechen von einem Superwahljahr. Es wäre alleine schon im Sinne der Wahlbeteiligung eine Briefwahl einzuführen.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt, daß wir den Koalitionspartner noch dazu bringen werden, daß er diesem mobileren Wahlverhalten Rechnung trägt. Wir wissen, daß in Deutschland die Wähler einige Wochen vor der Wahl mittels eidesstattlicher Erklärung und Stimmzettel wählen gehen können. Wir wissen, daß in der Schweiz die Briefwahl so weit geht, daß über 60jährige, daß bettlägerige Mitbürger auf Dauer eine Briefwahlmöglichkeit haben, daß in Großbritannien sogar eine Stimmabgabe durch ein Familienmitglied erfolgen kann und in Australien die Teilnahme an der Wahl selbst per Fax möglich ist.

Meine Damen und Herren! Sind die Österreicher um so viel unreifer in der Demokratie? – Ich behaupte: Nein. (Abg. Wabl: Bravo!) Und deswegen ist es an der Zeit, ein neues Wahlrecht zu beschließen. (Abg. Wabl: Nur weiter so!)

Ich komme zum Abschluß. Ich bin überzeugt, daß die Österreicher keine juristischen oder verfassungsrechtlichen Spitzfindigkeiten, sondern ein praktikables, einfaches, zeitgemäßes Wahlrecht wollen, und dies ist das Anliegen der Österreichischen Volkspartei. Es ist höchste Zeit zu dieser weiteren Demokratisierung. (Beifall bei der ÖVP.)

18.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.50

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Klubobmann Khol! (Abg. Dr. Khol: Ja!) Die Demokratie (Abg. Dr. Khol: Demokratie ist schwer!) à la ÖVP hat eine neue Facette bekommen, und wir haben bereits einen Vorgeschmack erlebt bei der heurigen Präsidentschaftswahl, als sich unser großer Thommy Klestil, der Bürgerpräsident, unabhängig von den Parteien, um die Unterschrift vom einfachen, anständigen, fleißigen Bürger bemüht hat.

Thomas Klestil ist vor die Kameras getreten und hat gesagt: Bitte, liebe Bürgerinnen und Bürger, ich möchte nicht mehr von den Parteien abhängig sein. Nein, ich will nicht. Die ÖVP, die ist nicht ganz korrekt. Da möchte ich nicht mehr dabei sein, von denen möchte ich nicht mehr aufgestellt werden. (Abg. Dr. Khol: Hat er nicht gesagt! Das hat er nicht gesagt!) Nein, vom Volk selber, meine Damen und Herren! – Und dann kam die Bitte an das große Herz der schwarzen Bürgermeister im Lande, die dann jedem Bürger, der zufällig ins Gemeindeamt gekommen ist, gesagt haben: Ah! Grüß Gott! Servus, Huber! Willst nicht auch unseren Thommy unterstützen? Geh, unterschreib gleich!

Dann wurden die "schönen" Unterstützungserklärungen – 60 000 oder mehr an der Zahl – nach Wien geschickt, mit einem roten Mascherl. – Das ist die neue Demokratie! Die ÖVP hat den neuen Bürger erfunden! Das ist das Demokratiepaket à la Khol und anderer Verfassungsbogenschützer und -bastler. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, die ÖVP hat seit 1945 verbissen dafür gekämpft, daß dieses unglaubliche Privileg eines Volksvertreters, der mit lächerlichen 25 000 Stimmen in dieses Haus hereingewählt worden ist, auch noch festlegt, wer der Präsidentschaftskandidat seiner Partei sein darf. Gegen dieses Privileg müssen wir, unterstützt von allen wichtigen Medien – großformatig, kleinformatig – kämpfen, denn die Demokratie ist in Gefahr! Frau Schmidt hat überhaupt über die Stränge geschlagen: Sie hat gleich zwei Kandidatinnen unterstützt! (Abg. Rosemarie Bauer: ... hat sich selber darüber aufgeregt!) Ein Verbrechen! Eine Aushöhlung der Demokratie! Die Pinge im Parlament ist eingestürzt, das demokratische Substanzwasser ist abgeronnen, denn Frau Schmidt hat ein Instrument mißbraucht: Ihre Unterschrift! – Das hat Sie jahrzehntelang nicht gestört, Herr Khol. Jetzt plötzlich haben Sie entdeckt: Oh, Katastrophe! Volksbegehren!

Meine Damen und Herren! Das sieht auf den ersten Blick gar nicht so ungeschickt aus, denn Volksbegehren heißt ja Volksbegehren, was hat dabei ein Volksvertreter verloren? Pfui, pfui, pfui! Es haben doch glatt Volksvertreter Volksbegehren unterstützt! Das ist ja unglaublich! Das hört sich jetzt auf! Wir machen Volksbegehren viel eleganter. Wir schicken ein Rundschreiben an unsere ÖVP-Bürgermeister: Liebe ÖVP-Bürgermeister! Am so und so vielten im Dezember kriegt ihr die herrlichen Unterstützungsformulare. Diese werden aufgelegt in euren Gemeinden, und jedesmal, wenn Parteienverkehr ist, lädt das große Herz des Bürgermeisters seine Bürgerinnen und Bürger ein, ein echtes, demokratisches, schwarzes, Khol-schwarzes Volksbegehren zu unterschreiben. – Das ist Demokratie! Da lacht das Herz eines Khol! (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was daran das Bösartige ist? (Ruf: Überhaupt nichts! – Abg. Dr. Leiner: Kasperl!) Das Bösartige daran ist folgendes: ... (Abg. Dr. Leiner: Kasperl! Kasperl!) Ja, hören Sie auf, Sie Pingendemokraten! (Abg. Dr. Leiner: Kasperl, blöder!) Es rinnt die Demokratie unterm Parlament durch mit Ihrer Politik! Da brauchen Sie keinen Farnleitner mehr und andere. (Abg. Dr. Leiner: Wurstel!)

Meine Damen und Herren! Ihre Praxis der Demokratie sieht so aus: Im Parlament hat der Volksvertreter einer kleinen Oppositionspartei oder einer größeren Oppositionspartei unglaublich viele Rechte. Er wird gewählt mit 25 000 Stimmen, dann kommt er in dieses Haus, ist fleißig – vor allem in den ersten Monaten und Jahren, denn er will zeigen, was er kann –, schreibt Anträge, und dann sitzen diese ausgepufften Profis in den Ausschüssen, wie Schwimmer, Khol und andere, und sagen: Sind die Anträge des Oppositionellen A schon reif wie ein Parmaschinken? Haben sie schon ihre sechs Monate auf dem Buckel? (Abg. Dr. Schwimmer: So gut hat es Ihr Parmaschinken? – Heiterkeit des Abg. Mag. Posch.) Können wir sie schon herausnehmen? Haben sie schon Schimmel? Dann können wir sie kurz auf die Tagesordnung setzen, um sie dann in einem Unterausschuß zu versenken. – Das ist das Recht des Abgeordneten in diesem Haus.

Dann kommt ein oppositioneller Abgeordneter in seiner Hilflosigkeit, in seiner Ohnmacht auf die Idee, er möchte ein Volksbegehren initiieren, weil er sich denkt, er werde sich Verbündete beim Volk holen. Oje, da kommt wieder der große Demokrat Khol und sagt: Nein, nein, das ist ein Privileg, bitte! Beim Volk? Nein, nein! Der privilegierte Volksvertreter soll sich dort nicht einmischen. Da darf er nicht dabeisein, und schon gar nicht mit seinem Gewicht als Volksvertreter. Nein! Da dürfen nur die ÖVP-Bürgermeister und die ÖVP-Funktionäre und der Thommy – die dürfen alle dabeisein. Aber der oppositionelle Volksvertreter soll sich hier nur abmühen, und seine Anträge darf man in den Schubläden versenken lassen.

In der Präsidiale sitzen wir dann gemütlich beisammen – das ist immer so herzig –: Präsident Neisser (Abg. Dr. Neisser: Herzig ist hier überhaupt nichts!) und Präsident Brauneder und Herr Stadler und Khol und Herr Kostelka und unser Präsident Fischer. Wir sitzen dort und beraten. Und dann: Ist er schon reif? Darf er schon hinein in den Ausschuß? Und dann: Nein, er kann noch drei Monate liegen. – So hören wir doch auf! Meine Damen und Herren, das verstehen Sie unter Demokratie!

Es gibt aber so komische Abgeordneten wie den Abgeordneten Wabl, der denkt sich: Na gut, die Oppositionsbank ist eine harte Bank, aber wenigstens bei der Kontrolle können wir vielleicht etwas machen. Vielleicht dürfen wir in den Ausschüssen hineinschauen! – Doch da kommt wieder Herr Khol und sagt: Solange diese Opposition diesen Untersuchungsausschuß mißbraucht als ein Femegericht, als ein Tribunal, nein, so lange – sei ÖVP und Thomas davor! – werden wir nicht zulassen, daß jemals irgend etwas untersucht wird.

Meine Damen und Herren! Sie spielen mit dem demokratischen Feuer, aber auf der ganz falschen Seite, und Sie wundern sich dann, wenn einige Abgeordnete in diesem Haus ausrasten, sei es jetzt auf der blauen Seite oder anderswo. (Abg. Mag. Stadler: Bei den Grünen vor allem!) Auch bei uns soll das vorkommen. Ihr Ausrasten ist offensichtlich zu üppig gemeint: Das geht bis nach Brasilien! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Aber originell ist er!)

Meine Damen und Herren! Herr Kohl! Ich würde Sie aber bitten: Wenn Sie von einem Demokratiepaket sprechen, dann sollten Sie darin auch ganz einfache Dinge festschreiben. Wenn etwa ein einfacher Bürger oder eine einfache Bürgerin zu einer Gemeinderatswahl antreten darf und will, dann kann dieser von Haus zu Haus gehen und kann sich dort eine Unterschrift holen. Damit auch bestätigt wird, daß dieser Mensch in der Wählerevidenz erfaßt ist, kommt am Gemeindeamt ein Stempel drauf, und dann gilt das. – Nein! Sie wollen das für das Volksbegehren nicht! Das wäre zu kompliziert! Nein, jeder einzelne muß hingehen und dort unterschreiben, damit das wirklich echt demokratisch ist. – Sie hätten so viele Möglichkeiten – so viele Möglichkeiten! –, aber nein: Sie machen kurzfristig populistische Politik und verkaufen das als Demokratie. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Zu jenem Volksbegehren, das Sie, Herr Khol, oder Ihre Partei einmal mit großem Elan unterstützt haben – UNO-City, glaube ich –, hat der Regierungschef damals gesagt: Was geht mich das an? Die Mehrheit hat ja nicht unterschrieben! – Damals haben Sie erlebt, was direkte Demokratie ist.

Was haben die Menschen erlebt beim Gentechnik-Volksbegehren? – 1,4 Millionen? Sie haben gezeigt, was man daraus machen kann: ein kleines Papierschifferl, hinein in den See der großen, weiten Demokratie. Es schwimmt dort und bewegt sich dort. Und wenn man wirklich nicht mehr aus kann, dann sagt man: Die in Brüssel, die haben uns ja diktiert! Wir können ja nicht! Es ist ja dort schon alles zugelassen. Wie sollen wir uns dagegen noch wehren können, wir armes, kleines Österreich mit 8 Millionen Menschen?

Das Frauen-Volksbegehren haben 600 000 Menschen unterschrieben. Was machen Sie hier in diesem Haus damit? Das ist das Problem in der Demokratie, daß diese Anliegen nicht ernst genommen werden. Es geht nicht darum, ob Sie irgendwelche Dinge erfinden und meinen, 10 000 auf 8 000 ändern zu müssen. Glauben Sie mir, das ist völlig gleichgültig, Sie können auch erhöhen! Aber lassen Sie doch Demokratie zu, indem Sie dem einfachen Bürger, der einfachen Bürgerin das gleiche Vertrauen entgegenbringen wie bei jedem anderen Vertrag, nämlich daß sie etwas nur zu unterschreiben brauchen und das als gültig angenommen wird, außer es wird irgendwann bewiesen, daß das eine Fälschung war – aber das unterliegt ohnehin den Strafgesetzen. – Nein! Sie haben Angst davor, daß die Volksbegehren ... (Beifall des Abg. Smolle) – Danke schön, Herr Smolle! Sie sind noch immer in der guten Tradition der demokratischen Vorstellungen der Grünen! (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Khol! Ich schätze Sie ja als ausgebufften, raffinierten Machtpolitiker, aber bitte hören Sie auf mit diesen kindischen Spielereien – von Paketen zu reden und so weiter – und übertreiben Sie es nicht mit dem Verhöhnen! (Abg. Dr. Schwimmer: Das bitten Sie sich selber, Herr Wabl!)

Herr Schwimmer! Da meldet sich ja der "Ausbund" eines Volksvertreters zur Demokratie zu Wort. Wissen Sie, da würde ich an Ihrer Stelle an der Demokratie zu zweifeln beginnen und da würde ich eigentlich schon darüber nachdenken, wie weit unsere Demokratie gekommen ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.) 

Herr Kukacka! Auch Sie passen in diese Kategorie hinein. Wissen Sie, Menschen wie Sie, die seit 1945 in diesem Land in allen Regierungen gesessen sind – satt, zufrieden ... (Abg. Mag. Kukacka: Seien Sie vorsichtig mit Ihren Abqualifizierungen!) – Sie nicht, Sie waren immer auf der Nudelsuppe oder auf der 0,8-Promille-Suppe, darin sind Sie immer gut geschwommen. Bitte, übertreiben Sie es nicht mit der Verhöhnung jener, die sich in diesem Land noch um Demokratie bemühen. Freilich: Oppositionelle müssen mehr darum kämpfen, Sie brauchen das nicht so. Sie bekommen ja die Informationen immer direkt. Aber übertreiben Sie es nicht mit dem Verhöhnen, Herr Khol! Das ist meine Bitte. (Beifall bei den Grünen.)

19.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit ist die Debatte zu diesem Teil der Tagesordnung geschlossen.

Der Wunsch nach einem Schlußwort des Berichterstatters liegt mir nicht vor.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, die, wie immer, getrennt über die einzelnen Ausschußanträge durchgeführt werden.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird samt Titel und Eingang in 1394 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen hinsichtlich der Ziffer 9 § 10 Abs. 4 vor.

Es liegt nur dieser eine Abänderungsantrag vor. Ich lasse daher über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung dieses Abänderungsantrages Kostelka/Khol abstimmen.

Der vorliegende Entwurf enthält Bestimmungen gemäß Artikel 26 Abs. 6 Bundes-Verfassungsgesetz, das heißt, es ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten erforderlich, und der Beschluß muß mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gefaßt werden.

Ich stelle zunächst das notwendige Quorum fest und lasse jetzt über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages Kostelka/Khol abstimmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Dies ist mit Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß die Vorlage auch in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird, samt Titel und Eingang in 1395 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen vor. Weiters haben die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Es haben auch die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, ebenso die Abgeordneten Rauch-Kallat, Dr. Kostelka und Genossen.

Ich lasse zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile – der Reihe nach – und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Ziffer 1 § 3 Abs. 2 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir stimmen ab über die gleiche Bestimmung, Artikel I, Ziffer 1 § 3 Abs. 2, in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Ziffer 3 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, daß auch dieser Abänderungsantrag mit Mehrheit angenommen wurde.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 7a in Artikel I bezieht.

Im Falle der Zustimmung darf ich Sie bitten, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Ich stelle fest, daß dieser Zusatzantrag in der Minderheit bleibt.

Ferner haben die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Ziffer 8 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die diesem Antrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag Haidlmayr findet keine Mehrheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Rauch-Kallat, Dr. Kostelka und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf Artikel I Ziffer 8 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für Artikel I Ziffer 8 in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Rauch-Kallat, Dr. Kostelka und Genossen aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich darf feststellen, daß dies einstimmig beschlossen wurde.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes und bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit so beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

In diesem Zusammenhang gelangen wir nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 abgeändert wird, samt Titel und Eingang in 1396 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und sodann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Der vorliegende Entwurf enthält wieder Bestimmungen gemäß Artikel 26 Abs. 6 Bundes-Verfassungsgesetz, das heißt, die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen ist erforderlich.

Ich stelle zunächst die Anwesenheit dieses Quorums fest.

Wir kommen nunmehr zum Abänderungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen, der sich auf Artikel I Ziffer 6 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt worden.

Daher stimmen wir nun ab über Artikel I Ziffer 6 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Bestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir stimmen nun ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile dieses Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich darf im Falle der Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Ich stelle fest: Annahme mit Mehrheit, und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit.

Damit haben wir die zweite Lesung abgeschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir stimmen nunmehr ab über die dem Ausschußbericht in 1396 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung zustimmen, um ein Zeichen. – Dies wurde mehrheitlich angenommen. (E 138.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen betreffend Verbesserungen für blinde oder schwer sehbehinderte Personen bei Nationalratswahlen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag findet keine Mehrheit und ist daher abgelehnt.

Als nächstes lasse ich abstimmen über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird, samt Titel und Eingang in 1397 der Beilagen.

Auch hiezu liegt ein Abänderungsantrag der Kollegin Haidlmayr vor.

Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Der vorliegende Entwurf enthält Bestimmungen gemäß Artikel 23a Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes, die die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfordern.

Ich stelle zunächst die Anwesenheit des entsprechenden Quorums fest.

In der Sache selbst haben die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Ziffer 6 bezieht.

Ich lasse nunmehr über diesen Abänderungsantrag abstimmen und bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über Artikel I Ziffer 6 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die Artikel I Ziffer 6 in der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Damit können wir nunmehr über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß die Beschlußfassung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit erfolgt ist.

Wir kommen nun zur dritten Lesung dieser Vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

6. Punkt

Erste Lesung des Antrags 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst Abgeordneter Peter Schieder. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.12

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin der vorangegangenen Debatte sehr aufmerksam gefolgt, und soweit mir das – trotz der "verschlechterten" Tonqualität, trotz dieser "Narben" da an der Wand (der Redner deutet auf die beiden etwa zwei Meter langen, neu eingebauten Lautsprecherleisten zu beiden Seiten des metallenen Wappenadlers hinter dem Präsidenten – Heiterkeit) – möglich war, soweit ich das richtig verstanden habe, hat die Opposition mehrmals die Demokratie und die demokratische Vorgangsweise in diesem Haus angesprochen.

Vertreter der Opposition haben auch gesagt: Wir würden es ja anerkennen, wenn von den Regierungsparteien etwas Gutes käme, aber das war nicht gut, wie es hier gemacht wurde."

Dabei habe ich mir gedacht, es wäre doch schön, einmal die Probe aufs Exempel machen zu können und einen Punkt zu haben, bei dem man wirklich sehen kann: Erkennt es die Opposition an, wenn etwas Ordentliches präsentiert wird, oder findet sie automatisch bei allem, was gemacht wird, ein Haar in der Suppe? – Und siehe da, dieser Punkt, diese erste Lesung, bietet uns nun die Gelegenheit, das zu sehen.

Dabei geht es darum, daß Änderungen in der Geschäftsordnung gemacht werden, damit die Vorberatung eines Volksbegehrens rascher stattfinden kann und damit die Bevollmächtigten das Recht bekommen, zwei weitere Vertreter zu nominieren, die an den Ausschußverhandlungen teilnehmen. Da geht es darum, wie die Beratungen des Volksbegehrens transparenter gestaltet werden und daß Ton- und Bildaufnahmen zulässig sind. Und es geht um die Zustellung des Ausschußberichtes, wobei der Schritt gemacht werden wird, daß sogar die Bürger, all jene, die das Volksbegehren unterstützt haben, das Recht bekommen, einen Anspruch darauf haben, diese Berichte auf Anforderung kostenlos zugeschickt zu bekommen.

Jetzt werden wir sehen, wie es die Opposition wirklich mit dem hält, was sie vorher gesagt hat. Wird sie kommen und sagen: Okay, das ist einmal etwas sehr Gutes, da werden wir ja sagen! oder wird sie dagegen sein? Wird sie, auch wenn sie dafür ist, wieder sagen: Ja, gut, aber da hätten wir noch dies und das, das müßte noch hineinkommen! Das allein ist zu wenig, das ist zu spät!, oder was auch immer? – Ich wette, sie wird letzteren Weg gehen. Sie wird sagen: Ja, aber. Sie wird sagen, es müsse noch dies und jenes kommen, das sei zu wenig, zu spät, und so weiter. Sie wird es nicht honorieren, daß das einen wesentlichen Schritt darstellt. (Abg. Wabl: Die Wette gilt!)

Meine Damen und Herren! Ich würde mir wünschen, diese Wette zu verlieren, denn es wäre schön, wenn alle einmal sagen würden: Ja, das ist etwas Gutes, das beschließen wir in diesem Haus! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Die Wette gilt! Eine Straßburger Bonbonniere!)

19.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort.

19.15

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ja gewiß einen stark ausgeprägten Sinn für Humor und habe hier schon manche Travestie und manche Parodie, vor allem wenn sie von dem begabten Laiendarsteller Andreas Wabl aus der Steiermark kam, sehr genossen. Aber wenn man hier, wenn es um das Demokratieverständnis geht, einen solchen Zynismus wie er an den Tag legt, dann vergeht mir das Lachen. (Abg. Wabl: Wir zynisch?! Hoho!) – Ja, Sie waren zynisch, Herr Kollege Wabl. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe zwar Ihre Enttäuschung darüber, daß Ihre Kandidatin zur Bundespräsidentenwahl nicht erfolgreich war (Abg. Wabl: Wir haben keine gehabt!), aber wie Sie hier den Herrn Bundespräsidenten apostrophiert haben, das ging zu weit.

Ich glaube, Sie sollten eines zur Kenntnis nehmen – und das möchte ich auch Frau Schmidt sagen, die heute in ihrem Debattenbeitrag zum Demokratiepaket das ganz einfach nicht verstanden hat –: daß der Bundespräsident vom Volk gewählt ist und vom Volk zur Verantwortung gezogen wird und daher die Möglichkeit einer schriftlichen Anfrage an den Bundespräsidenten durch das Parlament ein Systembruch wäre. (Abg. Dr. Schmidt: Wir haben einen Unterausschuß gefordert! Eine Änderung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen!)

Das, liebe Frau Kollegin, ist unter dem Level der Intelligenz, den ich Ihnen zutraue, nachdem Sie immer von "unter meiner Würde" gesprochen haben. Dazu, finde ich, sind Sie verfassungsrechtlich und staatstheoretisch zu gut ausgebildet, um nicht den Unterschied zu verstehen und zu wissen, daß das reine Polemik gegen den Bundespräsidenten ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen heute die Geschäftsordnung in erster Lesung getrennt vom Demokratiepaket verhandeln, weil das Geschäftsordnungsgesetz ein besonderes Gesetz ist. Meine Fraktion wird natürlich die Verkürzungen der Fristen zur Behandlung des Volksbegehrens ernst nehmen. Wir begrüßen es, daß wir eine Reihe von geschäftsordnungsmäßigen Verbesserungen für die Stellung der Proponenten der Volksbegehren, aber auch für die Unterzeichner der Volksbegehren vorgesehen haben. Und ich bin, wie so oft, einer Meinung mit meinem Freund Peter Schieder: Das wird wieder einmal die Probe aufs Exempel sein, ob Sie von der Opposition zynisch sind oder ob Sie es ehrlich meinen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Danke! – Abg. Wabl: Wie ein Meßdiener, so ehrfürchtig!)

19.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

19.18

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Klubobmann Khol, im vorliegenden Fall wird ja eine ganz andere Vorgangsweise eingehalten: Da gibt es eine erste Lesung. Allerdings ist das halt bei einer Geschäftsordnungsänderung so vorgesehen. (Abg. Wabl: Kollege Khol! Das wollten Sie ja!) Ich habe nämlich das Gefühl, wenn das nicht so vorgesehen und nicht zwingend wäre, dann hätten Sie auch dieses Gesetz in einer ähnlich eleganten – aus Ihrer Sicht eleganten, aber leider nicht sehr parlamentskonformen – Art und Weise gehandhabt wie das sogenannte Demokratiepaket. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Eines steht für mich schon fest, Herr Klubobmann Khol: Unser Antrag auf Änderung des Volksbegehrengesetzes wurde am 10. April 1997 eingebracht, bis dato aber noch nicht einmal behandelt. Gerade eben haben wir ein Demokratiepaket über die Rampe gehen gesehen, das in atemberaubender Geschwindigkeit und ohne nennenswerte Möglichkeiten für die Opposition, mitzuargumentieren – formal schon, aber nicht materiell –, erledigt wurde. Und dieser Unterschied ist halt beträchtlich. Das ändert aber nichts daran, daß ich hier gerne festhalte, daß das, was in diesem Antrag, der in erster Lesung steht, beabsichtigt ist, durchaus von uns von der Intention her begrüßt wird, weil wir der Meinung sind, daß es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Noch besser wäre es natürlich, wenn wir uns bei einer solchen Geschäftsordnungsdebatte, die dann über diesen Antrag im Ausschuß stattfinden wird, auch einmal mit der Frage des Minderheitenrechts für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen auseinandersetzen würden – eines kontrollierten, eingeschränkten, limitierten, aber wenigstens vorhandenen Minderheitenrechts.

Gestern ist uns ja wieder einmal bewußt gemacht worden, daß selbst dann, wenn die Dinge schon überevident sind – wie derzeit im Falle von Herrn Bundesminister Farnleitner – und dringendst der politischen Untersuchung bedürfen, ein solches Ansuchen auch in Zukunft an der Mehrheit der Regierungsparteien abprallen wird, wenn es dieses Minderheitenrecht nicht gibt. Hätte es das nämlich schon gegeben, dann hätten auch Vertreter der Regierungsparteien vorsichtshalber und in Kenntnis der wahrscheinlichen Ergebnisse des Ausschusses für den Ausschuß gestimmt, damit sie sich dann nicht nachher im Regen stehend gefunden hätten als jene, die einen Ausschuß gerade nicht verhindern hätten können. Das wäre ein anderer, offenerer Zugang zur Demokratie. – Aber in einer Bürgergesellschaft, in der die Bürgerinnen nicht vorkommen, wie bei Herrn Khol, ist so etwas nicht vorgesehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Redner ist Herr Abgeordneter Wabl, der vorhin die UNO-City mit dem Konferenzzentrum verwechselt hat. (Abg. Dr. Khol: Und auch sonst nicht immer alles weiß! – Abg. Mag. Stoisits: Das ist aber alles im selben Bezirk! – Zwischenruf des Abg. Schieder.) – Herr Abgeordneter Schieder, am Wort ist Kollege Wabl!

19.21

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident Fischer! Ich danke sehr für die Korrektur. Ich würde bitten, daß das öfters stattfindet, daß die Ausführungen der Redner hier berichtigt werden, wenn sie etwas Falsches sagen. Ich gebe schon zu, ich war damals selten in Wien, als diese glorreiche ÖVP-Oppositionspolitik gemacht worden ist und sich wirklich im Land noch etwas bewegt hat, weil Menschen wie Khol noch gewußt haben, was es heißt, in der Minderheit zu sein.

Meine Damen und Herren! Die Wette, Herr Kollege Schieder, nehme ich an. Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist mit Punkt und Beistrich in Ordnung. Kein Problem! Ich sage, das ist ein guter Vorschlag. Ich bin, glaube ich, dreimal bei diesen Geschäftsordnungskomitees dabei gesessen – diesmal allerdings nicht, da hat es kein Komitee gegeben. Es ist auch nicht notwendig, denn ihr habt ohnehin die Zweidrittelmehrheit. Wozu braucht ihr uns?!

Herr Kollege Kier hat hier angeführt, daß Sie gezwungen worden sind, eine erste Lesung zu machen und es nicht so durchzuziehen. Meine Damen und Herren! Sie wollten doch gestern die erste Lesung machen und heute schon die zweite. Sie wollten keine Geschäftsordnungsreform, über die diskutiert wird. Das, was Sie vorgeschlagen haben, ist für sich genommen ein seriöser und ordentlicher Vorschlag.

Meine Damen und Herren! Voriges Jahr – Herr Kollege Khol, um beim Zynismus zu bleiben – haben Sie unter dem Druck der Presse, auch unter dem Druck der ausländischen Presse, darüber nachgedacht, ob man nicht doch das Quorum für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ändern könnte – etwas, was Herr Neisser noch in der Opposition gefordert hat, etwas, was Herr Präsident Fischer in der Opposition gefordert hat. Jetzt sitzen Sie alle satt in der Regierung. Jetzt fordern Sie das nicht mehr. Jetzt sind Sie schon stolz, wenn Sie Vertreter von Volksbegehren hier auch reden lassen, wenn Sie Öffentlichkeit zulassen.

Herr Kollege Schieder! Ich bin damit einverstanden. Aber bitte übertreiben Sie nicht mit Ihrem Stolz! Eine substantielle Änderung in diesem Haus wäre, daß die Kontrolle ein Recht der Minderheit ist. Natürlich wird auch dieses Recht möglicherweise überzogen, mißbraucht werden oder wird sonstiges mit ihm passieren. Aber, bitte, wir haben in diesem Land auch eine Kontrolle durch Medien, durch Öffentlichkeit! Ich erwarte mir von kritischen Journalisten, daß, wenn die Oppositionellen ein Instrument mißbrauchen, diese dafür in der Öffentlichkeit kritisiert werden und daß dadurch ein Korrektiv entsteht.

Selbstverständlich kann in allen Bereichen Mißbrauch passieren. Die Demokratie ist im Grund genommen der große Versuch, zuzulassen, daß das Volk hier seine Meinung zum Ausdruck bringt mit Hilfe von Volksvertretern, die manchmal dumm, manchmal gescheit sind, manchmal gut informiert, manchmal schlecht informiert sind. Da passieren Fehler und Mißbräuche. Aber das ist ja der Sinn, das ist das große Wagnis der Demokratie. Dafür gibt es Korrektur. Dafür gibt es freie Medien. Sie verkaufen das aber heute hier wieder als großen Versuch: Wir werden ja sehen, was die Opposition dazu sagt!

Herr Abgeordneter Schieder! Sie wissen das ebensogut wie ich, denn Sie sind oft genug in Geschäftsordnungskomitees gesessen, Sie sind ein alter, erfahrener Parlamentarier, Sie wissen genau, wie viele Geschäftsordnungsdetails wir gemeinsam getragen haben. Wir haben gesagt, das ist eine Verbesserung. Aber für das, was ein Herzstück wäre, nämlich die Kontrolle der Regierung durch die Minderheit, haben Sie nur ein offenes Ohr und Verständnis, wenn Sie selber in der Opposition sind.

Meine Damen und Herren! Ich halte die Auswüchse in den USA, daß man den Präsidenten bis ins Hosentürl nachkontrolliert, für ein Kabarett, für ein fürchterliches Debakel der Demokratie! Dort geht das soweit, daß das Intimleben eines Präsidenten über Internet in der ganzen Welt veröffentlicht wird, daß das Privatleben eines Politikers nichts mehr zählt. So dumm sich der Mann verhalten haben mag in dieser Causa, aber das kann doch nicht das demokratische Verständnis sein!

Auf der anderen Seite werden hier in Österreich elf Menschen verschüttet, werden vier Menschen ermordet, und die Volksvertretung verlangt nach einer Untersuchung, aber Sie sagen: Nein, njet! Herr Khol sagt: Nein, ich will keine Untersuchung. Die Demokratie ist bestimmt durch die Mehrheit, und ich bin Teil der Mehrheit, und ich verhindere, daß es Untersuchungsausschüsse gibt.

Meine Damen und Herren! Dieses Demokratieverständnis erfordert Widerspruch und Widerstand durch die Opposition. Auf der einen Seite kann es – wie beispielsweise gestern – passieren, daß hier Herr Abgeordneter Haider von diesem Rednerpult aus aus einem geheimen Dokument berichtet und ohne Probleme zitiert, welche Schuldenverhältnisse ein anderer Abgeordneter hat. Er liest das genüßlich – nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal – vor, er weidet sich daran. Dann gibt es auch noch eine Auseinandersetzung mit dem Innenminister, der sagt: Herr Heindl hat nichts bestritten.

Das wird hingenommen. Ich frage Sie aber: Warum wird das hingenommen? Ist es nur der Mißbrauch von einigen Beamten, die den oppositionellen Freiheitlichen etwas zuspielen, und der Mißbrauch eines Abgeordneten hier von diesem Rednerpult aus, oder ist es vielleicht auch Ihre Verantwortung, daß jene Institute, die dafür vorgesehen sind, ausschließlich zu Teilnehmern von Sitzungen degradiert werden, in denen nichts passiert?

Wir haben einen Ausschuß für die Kontrolle der Nachrichtendienste. Wir haben einen Ausschuß, in dem der Landesverteidigungsminister Auskunft geben sollte. Wir haben Ausschüsse, die dafür offiziell vorgesehen sind. Herr Kollege Schieder und Herr Kollege Khol, um wieder beim Zynismus zu bleiben: Unsere Fraktion hat wesentlich dazu beigetragen, daß eine Strafverschärfung für Indiskretionen in Ausschüssen erfolgt, daß ein Parlamentarier seine Immunität sofort verliert, wenn er Daten weitergibt, die Personen in Gefahr bringen. Selbstverständlich kann es bei Nachrichtendiensten passieren, daß eine Person durch eine Indiskretion aus einem Ausschuß in Lebensgefahr kommt. Selbstverständlich soll da die Härte des Gesetzes zur Anwendung kommen.

Was aber machen Sie als Entgegenkommen? – Sie sorgen dafür, daß in diesen Ausschüssen nichts mehr gesagt wird. Ich kann in jeder Zeitung nachlesen, was dort die Minister erzählen. Und dann wundern Sie sich, wenn Herr Abgeordneter Haider mit seinen Kontakten zu den blauen, oder welche Farbe auch immer, Polizeiapparaten Dokumente bekommt, durch die er die privaten Einzelheiten von Mitgliedern dieses Hauses ausbreiten kann – und zwar ohne irgendeine Reaktion!

Meine Damen und Herren! Sie ruinieren auf der einen Seite die korrekten Kontrollinstitute und wundern sich auf der anderen Seite darüber, daß die Beschaffung von indiskreten Materialien, von Geheimpapieren, von Personalakten routinemäßig in diesem Land vollzogen wird!

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Das, was in diesem Land passiert, passiert immer als Reaktion. Das, was die FPÖ in ihrer Übertreibung und oft in ihrer Bösartigkeit, in ihrer Brutalität und in ihrem Populismus tut (Widerspruch bei den Freiheitlichen), meine Damen und Herren, ist auch eine Reaktion auf die Ignoranz vieler Teile in diesem Haus.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schieder! Lesen Sie nach, was Präsident Fischer damals in seinen Schriften geschrieben hat! Lesen Sie nach, Herr Khol, was Präsident Neisser damals in seinen Schriften über den Untersuchungsausschuß geschrieben hat! Und setzen wir uns dann zusammen, mit den Liberalen, mit den Freiheitlichen, mit der ÖVP und mit der SPÖ, entweder im Ausschuß oder im Geschäftsordnungskomitee, wie es gute Tradition war in diesem Haus, und beraten wir darüber, wie wir den Mißbrauch minimieren und den Nutzen für die Demokratie optimieren können!

Aber das wollen Sie nicht mehr. Es reicht, wenn Herr Khol seine schützende Hand über Herrn Farnleitner hält. Da ist es ihm gleichgültig, daß diesem eine gesamte Behörde völlig entglitten ist. Da braucht er keine Untersuchung! Nein, Hauptsache, es wird ausgesessen! Und dann kommen noch so zynische Sprüche wie in der "Zeit im Bild 3", wo er sagt: Mir ist lieber, die deutsche Bergbehörde prüft als Herr Wabl mit der Kerze in den Schächten. – Da reden Sie von Zynismus? Da reden Sie, Herr Khol, von Zynismus und setzen hier die Miene eines tiefgläubigen Ministranten auf?! Ich sage Ihnen, Herr Khol: Mir ist jeder Meßdiener und jeder Ministrant, der ehrlich diese Miene hat, lieber als Ihre ausgefuchste, routinierte, oft polemische und ... – Also diese Rede gestern vom Herrn Schwimmer! Das ist das Fette, an dem ich würge – um einen großen Schriftsteller zu zitieren.

Herr Schieder! Ich habe Ihre Worte ernst genommen, und ich freue mich schon auf das Geschenk – die Bonbonniere aus Straßburg. (Abg. Dr. Khol: Jetzt muß er selbst lachen! Jetzt lachen Sie über sich selbst! Herr Wabl, Sie nehmen sich selbst nicht ernst! Das ist Ihr Problem! Bei ernsten Sachen lachen Sie über sich selbst! Man muß es leider sagen!) – Ein Freund hat mir einmal gesagt: Das ist Größe, wenn du auch über dich selbst lachen kannst! Wissen Sie, das Zitat von diesem Schriftsteller ist so schön! Aber, Herr Kollege Khol, ... (Abg. Dr. Khol: Sie sind narzißtisch, in sich selbst verliebt, und das sieht man an dieser Rede!) Unser Psychologe Khol! Herr Khol, ich habe mir gedacht, Sie seien Klubobmann und hobbymäßig seien Sie auch noch Kernölesser, aber daß Sie auch noch Psychologe geworden sind, das habe ich nicht gewußt. (Abg. Dr. Khol: Wer viel Kernöl ißt, wird Psychologe!)

Sie haben auch noch einen anderen Beruf, den ich zur Genüge kenne, Sie sind Hobbybastler. (Abg. Dr. Khol: Gärtner bin ich auch noch!) Sie basteln am Verfassungsbogen, der manchmal aufgemacht wird und manchmal wieder zugemacht wird. Ich glaube, nach dieser Rede bin ich wieder draußen aus dem Verfassungsbogen. Herr Stadler ist heute sicher schon wieder ein bißchen hineingekommen, hineingerutscht; er darf wieder ein bißchen mitnaschen.

Herr Khol! Ich bitte Sie: Geben Sie doch zu, daß wir in den Ausschüssen und in den Geschäftsordnungsausschüssen fair und korrekt verhandelt haben! (Abg. Dr. Khol: Das habe ich nie bestritten!) Aber – und das ist mein Vorwurf an die FPÖ, Herr Stadler – bei der vorletzten Geschäftsordnungsreform haben die Grünen dagegen gestimmt und Ihre Fraktion hat zugestimmt. (Abg. Mag. Stadler: Nein, Sie haben sich über den Tisch ziehen lassen! Vier Fraktionen gegen die FPÖ!) Um den Preis einiger Instrumente, die nur Sie nutzen konnten, haben Sie das Quorum im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß abgegeben, haben Sie gesagt: Na, das geben wir euch! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Das war Ihr Sündenfall! Vier Fraktionen dafür, eine dagegen!)

Herr Stadler! Lesen Sie nach in den Protokollen! Ich kann Sie nicht dazu bringen, ich will Sie auch gar nicht dazu bringen, aber ich kann Ihnen einen Trost sagen in dieser Angelegenheit, Herr Stadler (Abg. Mag. Stadler: Ich brauche keinen Trost!): Der damalige Vertreter der Freiheitlichen Partei sitzt jetzt bei den Liberalen. Das ist ein Trost für Sie! Aber es war dies offensichtlich die Linie der FPÖ. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt tut es Ihnen leid! Das ist der ganze Hintergrund! Jetzt jammern Sie dem Untersuchungsausschuß nach!) Wahrscheinlich hat Haider dann die Unterverhandlungen geführt: Wir geben den wichtigen Punkt der Untersuchungsausschüsse auf, damit wir jene Instrumente bekommen, die nur eine Oppositionspartei von einer bestimmten Größe auch in Anspruch nehmen kann!

Das war damals bei der vorletzten Geschäftsordnungsreform der Preis dafür. Denn es stand auf der Tagesordnung, das Quorum für Untersuchungsausschüsse zu senken. Jetzt steht es nicht mehr auf der Tagesordnung, und ich würde Sie bitten: Setzen Sie es wieder hinauf!

Herr Khol! Schauen Sie einmal nach, was Sie vorigen Sommer in Ihr Tagebuch hineingeschrieben haben, als es hier einen Parlamentsboykott gegeben hat! Damals haben Sie gesagt: Ja, wir sind bereit, darüber zu reden, aber zuerst brauchen wir die Reform, wie dieses Procedere im Untersuchungsausschuß abgewickelt werden soll. (Abg. Schieder: Natürlich, denn die Pilz-Verfahren waren ein Problem!) In Ordnung! Geschenkt, Herr Kollege Schieder! Aber wir haben Korrekturen vorgenommen, wir haben Reformen vorgenommen. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt geschieht wieder nichts! Totes Recht!) Genau! Und Kollege Khol hat gesagt: Wenn wir das haben, können wir darüber reden.

Herr Kollege Khol! Das ist Zynismus! Sie haben das Glück, daß Sie ein Katholik sind, denn Sie können morgen wieder zu Groër oder zu sonst jemandem gehen und sagen: Bitte schön, verzeihe mir, ich habe gesündigt! Sie glauben ja, morgen sind Sie wieder anständig. Nur: Bei Ihnen, wo Sie so routiniert diese Versprechen abgeben und dann nicht halten, wird es gefährlich! (Abg. Dr. Khol: Das ist die glatte Unwahrheit!)

Herr Kollege Khol! Ich würde Sie bitten: Schauen Sie nach in Ihrem Tagebuch, da steht das sicher drinnen! Und Kollege Schieder wird es wissen, und die anderen werden es auch wissen: Wir haben damals verhandelt. Das Unangenehme war wieder einmal Ihr "wunderbarer" Kollege Haider, der damals zu "Tommy", zu Herrn Klestil, gegangen ist und gesagt hat: Da brauchen wir nichts mehr zu untersuchen! Ich habe ihm tief in die Augen geblickt und festgestellt, es ist alles in Ordnung in der Kurdenfrage (Abg. Mag. Stadler: Das war es ja auch!), es paßt alles. Außerdem haben wir einen kleinen Deal gemacht: Er spricht anständig über die FPÖ. – Das war damals das Geschäft.

Herr Khol! Sie sind oft ein kongenialer Partner der Freiheitlichen Partei. Das sollten Sie nicht vergessen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.35

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Khol, ich glaube nicht, daß Kollege Wabl Narziß ist. Ich glaube, daß er dazu viel zuviel Ästhet ist. (Heiterkeit. – Abg. Schieder: Das ist sehr beleidigend!) Nein, Herr Kollege Schieder, das ist nicht beleidigend, das ist meine persönliche Meinung. (Abg. Schieder: Das ist sehr herabwürdigend am Menschen! Das ist wirklich nicht schön, was Sie da machen! So spricht man nicht über Menschen!)

Herr Kollege Schieder! Sie haben in Ihren Erläuterungen prophezeit, daß die Opposition wieder ein Aber und irgendwelche Argumente dafür einbringen wird, daß sie dieser Geschäftsordnungsnovelle nicht zustimmen kann. Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Schieder: Kein Aber (Abg. Schieder: Sie können mich nicht versöhnen mit dem Streicheln jetzt!), sondern ein Und. Denn es ändert für die Bürger überhaupt nichts, wenn die Verfahrensdauer bei Volksbegehren von vier auf sechs Monate verkürzt wird, wenn mehrere Personen an den Verhandlungen teilnehmen können, wenn sie kostenlos die Berichte zugeschickt bekommen. Was ändert das, bitte, für die Bürger, wenn im Grunde genommen am Ende wieder herauskommt, daß seine Anliegen, seine Volksbegehren einfach schubladisiert werden?

Herr Kollege Khol, ich frage Sie ernstlich – ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie das nicht verstehen –: Wenn Hunderttausende Bürger in Österreicher den Weg zum Gemeindeamt gehen, sich deklarieren, ihren politischen Willen kundtun und dann die Regierungsparteien hergehen – so wie beim Gentechnik-Volksbegehren, so wie beim Frauen-Volksbegehren – und diese Willenskundgebung ganz einfach negieren, nach Scheinverhandlungen schubladisieren – ist das Ihr Demokratieverständnis?

Herr Kollege Khol! Wann geht es endlich in Ihren "Verfassungsbogen" hinein, daß das Recht in diesem Staate vom Bürger ausgeht, vom Volk ausgeht? Das muß schrittweise gehen, Hand in Hand; diese Geschäftsordnungsänderung ist ein richtiger Schritt, wir stehen ihr wirklich positiv gegenüber, aber gleichzeitig muß es zu einer Verfassungsänderung kommen, damit endlich die Bürger, die sich die Mühe machen und zum Gemeindeamt gehen, die sich dieser demokratischen Pflicht unterziehen, zu ihrem Recht gelangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Initiativantrag 855/A dem Geschäftsordnungsausschuß zu.

7. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes (Zu III-106 der Beilagen) über das Verwaltungsjahr 1996 (1355 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt mir von Frau Abgeordneter Apfelbeck vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.38

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus! Der Rechnungshof zeigt uns auf 250 Seiten auf, wie diese Bundesregierung mit dem Geld der Steuerzahler umgeht, und für diesen ausführlichen Bericht möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei den Beamtinnen und Beamten des Rechnungshofes bedanken.

29 Überprüfungen wurden in diesen Nachtrag aufgenommen. Im Ausschuß durften die Abgeordneten von diesen 29 Fällen aber nur 6 Fälle hinterfragen – dies wurde uns gnädigst von den Regierenden bewilligt. (Abg. Koppler: Wer war Vorsitzende?) Herr Kollege! Sie reden vom falschen Ausschuß! Ich spreche jetzt vom Rechnungshofausschuß und nicht vom Unterausschuß, bitte. (Abg. Koppler: Ich auch!)

Es wurde uns bewilligt die Fakultät für Maschinenbau, die seit 80 Jahren darauf wartet – genau seit dem April 1990 –, daß sie gebaut wird. (Abg. Dr. Lukesch: 1919! Sie haben "1990" gesagt!) Seit 80 Jahren, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Lukesch: 1919! Sie haben "1990" gesagt!) Seit 1919, ja, stimmt. (Abg. Dr. Khol: Das sagen wir ja: 1919! Sie haben "1990" gesagt!)

Für diese Fakultät, meine Damen und Herren, wird es wohl weiter heißen: Bitte warten und zahlen – und dies nicht zuwenig! Abgesehen von den zig Planungskosten und so weiter zahlen die Steuerzahler seit dem Jahr 1993 monatlich Grundreservierungskosten von 988 000 S.

Nicht bewilligt zum Hinterfragen im Rechnungshofausschuß wurden die Wiener Festwochen. Jahrzehntelang war Wien eine rein rote Domäne, das heißt, die Roten konnten schalten und walten, wie sie wollten. Und sie wollten – und wie sie wollten! Das weist uns der Rechnungshof in seinem Bericht genau nach.

Bei den Wiener Festwochen wurden dieselben Personen zugleich auf beiden Seiten eingesetzt, als Förderungsgeber wie auch als Förderungsnehmer. Daher war dann auch die Verbuchung der Fördermittel entsprechend großzügig, sprich: nicht vorhanden, weil eben nur mündlich vereinbart wurde.

Was die Beanstandung des Rechnungshofes hinsichtlich der mangelnden Bilanzen angeht, erwiderten die Wiener-Festwochen-Verantwortlichen, sie seien zu keiner Bilanzierung verpflichtet. Das heißt, wenn der Steuerzahler ihnen, ohne gefragt zu werden, das Geld schicken würde, so wären sie niemandem mehr Rechenschaft darüber schuldig, was sie mit diesem Geld getan haben.

Dem Intendanten, der laut Rechnungshof sowieso überflüssig ist, wurde für die Intendanz bei einem 6-Wochen-Festival ein Jahresgehalt von 14mal 90 000 S zugebilligt und zur gesetzlichen auch noch eine zusätzliche Altersversorgung. Genauso dem Generalsekretär. Dieser mußte sich jedoch mit 14mal 85 000 S zufriedengeben, allerdings auch mit einer Anwartschaft auf eine Zusatzpension.

Die Wiener Festwochen legten auch eine Analyse vor, wonach eine Million Wiener kulturinteressiert sind, jedoch von 1993 bis 1996 nur 35 000 Karten beziehungsweise 64 000 Karten verkauft wurden; das sind im Durchschnitt 50 000 Karten. Das heißt, meine Damen und Herren: Entweder gibt es diese eine Million Wiener nicht, die kulturinteressiert sind, was ich ja weniger glaube, oder die produzierte Kultur ist so, daß 950 000 von einer Million Kulturinteressierten, also 95 Prozent, zu dieser Kultur "nein, danke" sagen. Ein hoher Anteil dieser Karten mußte sowieso gratis abgegeben werden, damit überhaupt jemand im Zuschauerraum saß. (Abg. Koppler: Könnten Sie uns das noch einmal vorrechnen?) Für die Eröffnung wurden bekannte Künstler engagiert, denen man für die Teilnahme an der Probe ein volles Vorstellungshonorar bezahlte. So wurde etwa einer Sängerin für ein einziges Lied 600 000 S an Gage bezahlt.

Die Fördermittel wurden nicht nach dem wirklichen Bedarf zugeteilt, sondern gleich automatisch zugesandt, wodurch Steuermittel natürlich ungenützt blieben und teils widmungswidrig eingesetzt wurden. Aber, meine Damen und Herren, einige hatten sicherlich große Freude, nämlich die, die ein Stück des Weges gemeinsam mit den Wiener Roten marschiert sind.

Der Rechnungshof hat aber auch das System der sogenannten Gratisschulbuchaktion durchleuchtet. Dieses Buch, das angeblich nichts kostet, kostete den Steuerzahler 1972 eine halbe Milliarde Schilling, 1992 bereits eine ganze Milliarde. Dabei sank aber die Zahl der Schüler immer mehr. Allein die Verwaltung dieser Aktion kostete jährlich 16 Millionen Schilling.

Aber auch das Schulbuchangebot erfreut sich einer galoppierenden Inflation: Es stieg um 214 Prozent. Allein in der AHS waren 21 verschiedene Geschichtsbücher auf dem Bestellzettel vermerkt. Es kann mir niemand erzählen, daß unsere Lehrer 21 verschiedene Unterrichtsmethoden anwenden, sodaß 21 verschiedene Arbeitsunterlagen notwendig wären.

Die Abhilfe, die der Rechnungshof ernsthaft empfiehlt, sollte auch umgesetzt werden: Systemänderung, Einrechnung des sogenannten Preisnachlasses in den dann ehrlichen Preis, meine Damen und Herren, aber auch ernsthafte Kontrolle. Man sollte alle Anregungen zur Verbesserung und zur Steuergeldschonung, die der Rechnungshof empfiehlt, befolgen.

Im Ministerium sollte man nicht nachdenken, wie man zu mehr Geld kommt, zum Beispiel durch die Erhöhung der Einheitswerte und so weiter, sondern wo und wie in den einzelnen Ministerien gespart werden kann. Der Rechnungshof listet dies auch genau auf, man bräuchte das nur zu befolgen. So einfach könnte es gehen, aber dann gäbe es keine Prozente mehr für das Ministerium, wie zum Beispiel bei der Gratisschulbuchaktion.

Geprüft hat der Rechnungshof aber auch das Mobilienmuseum, nur durften wir auch dies nicht im Rechnungshofausschuß hinterfragen. Da kann ich die ÖVP schon verstehen, schuldet doch ihre ehemalige Staatssekretärin Fekter dem Steuerzahler 1,2 Millionen Schilling für ein Tafelgeschirr, das zwar vielleicht künstlerisch wertvoll sein mag (Abg. Mag. Stadler: Oh! Oh! Die Frau Fekter!), aber seither als Gipsabdruck in einer Vitrine lagert, aus dem man eben nicht essen konnte. Ein Regierungsmitglied sollte schon wissen, daß das Tafelservice der Republik Österreich zum Essen verwendet wird und nicht zum Anschauen.

Aber auch beim Mobilienmuseum wurden Steuergelder verschwendet. 250 Millionen Schilling wurden für dieses Museum ausgegeben, aber die Gestaltung war noch offen. Das heißt, man hat kräftig Steuergelder ausgegeben, ohne zu wissen wofür. 162 000 Objekte sollten verwaltet werden, aber nur 84 Prozent davon waren inventarisiert. Da stellt sich für mich die Frage: Wer haftet für den Rest?

Der Rechnungshof stellte fest, daß ein Großteil verliehen war, ohne daß es dafür vollständige Aufzeichnungen gegeben hätte. Die Überprüfung des Rechnungshofes brachte auch schon verlorengeglaubte kunsthistorische Gegenstände wieder zum Vorschein, 114 Gegenstände im Werte von einer Million Schilling! Wie wäre es denn mit einer "Möbelauffindungszulage"? Dann würde sich so mancher daran erinnern, wo und von wem Eigentum der Republik Österreich benützt wird.

Trotz der guten Arbeit, die der Rechnungshof uns vorlegt, muß auch er sich den Vorwurf gefallen lassen, so wie diese Bundesregierung, daß auch er Steuerschillinge verschwendet beziehungsweise Mithilfe dazu leistet. Der Rechnungshof prüft seit über eineinhalb Jahren die Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit des Semmering-Basistunnels. Seit einem halben Jahr gibt es diesen sogenannten Roh- oder Arbeitsbericht, er geistert auch immer wieder in den Medien herum. Herr Bundesminister Einem hat bereits im Frühjahr, genau am 16. April 1998, im "Standard" Schlußfolgerungen aus diesem Rohbericht gezogen. Im Juli wurde von der HL-AG entschieden, weitere 500 Meter voranzutreiben. Die Kosten sind auf das Doppelte explodiert, aber es wird weitergebohrt.

Der Rechnungshof aber schweigt dazu und legt uns keinen Bericht vor. Jeder Tag Verzögerung, Herr Präsident, kostet den Steuerzahler Geld. Da muß der Rechnungshof schneller agieren. Durch Zuwarten besteht die Gefahr, daß der Rechnungshof zum Werkzeug der Steuergeldverschwender wird. Dies täte mir, täte uns sehr leid, weil wir die Arbeit dieses Rechnungshofes überaus schätzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. Er hat das Wort.

19.49

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Der 251 Seiten umfassende Nachtrag über die Tätigkeit des Rechnungshofes im Verwaltungsjahr 1996 stellt einen mehr als positiven Bericht dar. Ich möchte richtigstellen, was meiner Meinung nach von Frau Kollegin Aumayr hier fälschlich dargestellt wurde. (Abg. Aumayr: Herr Kollege, ich habe nicht gesprochen!) – Entschuldigen Sie, bitte, ich korrigiere: die Kollegin Apfelböck. (Abg. Apfelbeck: Apfelbeck!) Entschuldigen Sie, Kollegin Aumayr!

Ich stelle hier fest, daß die Kollegin Apfelböck (Abg. Apfelbeck: Apfelbeck!) fälschlicherweise davon gesprochen hat, daß von den 29 Kapiteln, die dieser Bericht umfaßt, die Opposition sich nur einen Teil davon ausgesucht hat, denn all jene Kapitel, die Sie sich ausgesucht haben, wurden im Rechnungshofausschuß auch behandelt.

Daher ist es falsch, wenn Sie hier sagen, die Opposition konnte nur zu sechs Kapiteln sprechen. Das ist nicht richtig, denn im Übereinkommen mit allen Parteien wurde festgelegt, welche Berichte im Ausschuß zur Diskussion stehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie davon sprechen, daß im Ausschuß über diese Berichte nicht großteils positiv gesprochen wurde, und all diese auch von Ihnen vorgeschlagenen Kapitel nur eine mehrheitliche Zustimmung gefunden haben, so halte ich hier fest: Wenn die Mehrheit etwas beschließt, ist es eben angenommen, auch wenn eine andere Fraktion eine andere Ansicht dazu hat. (Abg. Apfelbeck: Also Sie geben zu, daß wir das wollten!) Ich gebe zu, daß wir Ihnen 29 Kapitel vorgelegt haben. Sie haben sich davon einige herausgesucht, die anderen wollten Sie nicht, und über die, die Sie sich herausgesucht haben, haben wir diskutiert, und diese wurden auch in einer positiven Weise behandelt. (Abg. Apfelbeck: Elf!)

Kollegin Apfelbeck! Hätten Sie sich mehr ausgesucht, dann hätten wir mehr diskutiert! An uns lag es ja nicht, am Fleiß der Regierungsparteien lag es nicht, wir hätten auch mehr diskutieren können. Sie haben anscheinend weniger Zeit gehabt, daher haben wir auch nur jene Kapitel diskutiert, die Sie vorgeschlagen haben.

Lassen Sie mich, der ich zehn Jahre Mitglied des Wiener Gemeinderates und des Wiener Landtages war, Ihnen noch eines sagen: Wenn Sie, Frau Apfelböck (Heiterkeit – Abg. Mag. Schweitzer: Kollege Koppler, das ist die Apfelbeck!), von den Wiener Festwochen sprechen und sagen, da lag eine Million Karten auf, aber es sind alle nicht hingegangen, dann zeigen Sie mir einmal jenes Veranstaltungszentrum, egal in welchem Land, wo so viele Menschen hingehen können. Ich kann Ihnen nur sagen, daß bei den Wiener Festwochen (Abg. Apfelbeck: Die drittschlechteste Auslastung von den Festwochen!) – Sie haben keine Ahnung von den Wiener Festwochen (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ) – die Menschen um die Karten angestellt und daß auf Wochen hinaus Veranstaltungen der Wiener Festwochen ausverkauft sind. Das ist eine Tatsache! (Abg. Apfelbeck: Lesen Sie doch den Rechnungshofbericht!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, daß das ein Verdienst der Beamten des Rechnungshofes ist, und daher möchte ich auch dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofes dafür danken, daß den Abgeordneten ein umfangreicher, klarer Bericht vorliegt, anhand dessen man arbeiten kann, mit dem man wirklich etwas anfangen kann. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wieviel Defizit machen Sie denn?)

Hohes Haus! Wenn dem Rechnungshof – ich sage das heute wieder, und ich werde es so lange sagen, bis diese Forderung auch erfüllt ist – immer mehr und mehr Verantwortung auferlegt wird, muß dort auch mehr Personal aufgenommen werden. Wenn jetzt immer wieder die Diskussion darüber aufbricht, ob man dort Vertragsbedienstete oder Beamte einstellen soll, kann ich nur klar und deutlich sagen, daß jene Frauen und Männer, die im Rechnungshof, im Prüfdienst tätig sind, auch durch diese Republik geschützt werden müssen und daß sie auch ein pragmatisches Angestelltenverhältnis haben müssen. Diese Frauen und Männer gehören pragmatisiert, damit sie ihre Arbeit machen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Wenn der Rechnungshof ordentliche Arbeit leisten soll – und das geschieht ja; das ersehen wir allein aus dem vorliegenden Bericht –, dann ersuche ich von dieser Stelle aus den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes, in der nächsten Zeit einmal informative Gespräche darüber zu führen, daß der Rechnungshof durch unabhängige Wirtschaftsprüfer selbst die Effizienz seiner Arbeit untersuchen lassen soll. Ich glaube, daß dann der Rechnungshofpräsident noch viel offener und freier vor uns hintreten und sagen kann: Seht her, auch in meinem Amt ist alles in Ordnung, weil ich mich an die Richtlinien halte! – Daher schlage ich namens meiner Fraktion eine Überprüfung des Rechnungshofes durch unabhängige Wirtschaftsprüfer vor. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zum Abschluß noch eines sagen, weil es der aktuellen Tagespolitik entspricht. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie können ja einen Antrag einbringen, Sie brauchen das ja nicht da vorschlagen!) Stehen Sie lieber nicht im Halteverbot mit Ihrem protzigen Mercedes, und halten Sie auch als Abgeordneter die Gesetze ein, Herr Bauer! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Mit dem Halten solltest du selber vorsichtig sein, wo du sonst hältst! Mit dem nächtlichen Parken solltest du vorsichtig sein, lieber Freund!)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Angesichts der heutigen Medienberichte, wonach laut Abgeordnetem Trattner die Bundespartei der Freiheitlichen mithilft, den Konkurs von der niederösterreichischen FPÖ abzuwenden, möchte ich einen Antrag der vier Parteien im Juni, vor dem Sommer, in Erinnerung rufen (Abg. Dr. Ofner: Welche vier?) – der Liberalen, der Grünen, der ÖVP und der SPÖ –, in welchem festgehalten ist, daß der Rechnungshof die Parteien in bezug auf die öffentlichen Gelder, die die Klubs und die Parteien erhalten, prüfen soll. Damals gab es einen Antrag des Abgeordneten Stadler, der gesagt hat: Wir sind dafür, aber die Überprüfung soll in der Reihenfolge der Mandatsstärke erfolgen. Wir haben damals gesagt, das wollen wir nicht, denn bis sie drankommen, sind die Nationalratswahlen 1999 vorbei. (Abg. Mag. Stadler: Ach so! Jetzt kommt es heraus! Das war ein Geständnis der SPÖ! Ach, das waren die Gründe? Da bin ich Ihnen sehr dankbar dafür!) Und jetzt hören wir, daß Bundesgelder zu der niederösterreichischen FPÖ wandern. Na wenn da der Rechnungshof nicht jetzt schon einen Prüfungsauftrag bei Ihnen hat, dann hat er, so meine ich, den Prüfungsauftrag jetzt von Ihnen bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Eine Wortspende wie ein Geständnis!)

19.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

19.56

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bin sehr glücklich darüber, daß wir einen Bericht von Ihnen haben, Herr Präsident Fiedler, der uns sehr, sehr wertvolle Informationen geliefert hat. Ich möchte mich zuerst auf die Technische Universität Wien konzentrieren und dann zum nächsten Punkt kommen. (Abg. Wabl: Ärztehonorar!) Herr Wabl, nachdem Sie mir versprochen haben, die Ärzte zu verteidigen, kann ich meine Ausführungen natürlich kurz halten.

Zuerst zur Technischen Universität: Es ist ein gutes ... (Abg. Koppler: Das kann ich nicht machen! Mir kommen die Tränen!) Darüber werden wir nachher sprechen. Lassen Sie mich zuerst die Geschichte der Technischen Universität und der Projektentwicklung erläutern, die über die Liegenschaft der Aspanggründe getätigt worden ist.

Begonnen hat es im April 1919 mit dem Ankauf. 1920 gab es den ersten Wettbewerb. Dann hat man ein bisserl gebuddelt, man hat aber die Buddlerei bald wieder eingestellt und beschlossen, zu warten. 1972 gab es den zweiten Wettbewerb, wieder einen Versuch, diese Aspanggründe zu aktivieren, um dort die damalige k. k. Technische Hochschule, wie sie 1919 hieß, auszubauen.

Das hat nicht genügt. Wir haben 1989 den dritten Wettbewerb gehabt. Gut. Dann haben wir endlich einmal einen Sieger gekürt. Im Juni 1993 gab es einen ersten Vorentwurf. Das hat aber nicht genügt. Im Juni 1994 gab es den zweiten Vorentwurf. Gut. Dann hat man mit den Vorentwürfen einmal die Sache beendet. Im Juli 1995 hat man dann eine Machbarkeitsstudie gemacht.

Das alles hat bis jetzt 180 Millionen Schilling gekostet, wobei monatlich für die Reservierung der Aspanggründe 980 000 S, ohne Indexsteigerung und Umsatzsteuer, zu bezahlen sind. Monatlich fast eine Million – reich ist die Republik, muß ich sagen – nur dafür, daß man ein Grundstück reserviert! (Abg. Dr. Lukesch: Das verstehen Sie offensichtlich nicht! Das ist sinnvoll!) Es ist sinnvoll, wenn man seit 1919 – und das entnehme ich dem Bericht – sozusagen wartet, bis irgend etwas geschieht? Leidtragende sind die Professoren, Leidtragende sind die Assistenten, Leidtragende sind die Studenten. Sie, Herr Dr. Lukesch, sind sicherlich nicht der Leidtragende.

Im Mai 1988 ist von der Technischen Universität ein Raum- und Funktionsprogramm erstellt und eine Nettonutzfläche von rund 71 000 m² verlangt worden. Dann kam der Alternativvorschlag Donau-City; da wurde damals beim Raum- und Funktionsplan eine Nettonutzfläche von rund 34 000 m² verlangt.

Jetzt kritisiert der Rechnungshof, daß die Prüfung des Raum- und Funktionsprogrammes überhaupt unterblieben ist, was in der Folge zu unwirtschaftlichen Planungsabläufen, Terminabweichungen und Verzögerungen bei Genehmigungen des Vorentwurfes geführt hat. Aber damit noch nicht genug.

Im März 1991 gab es ein Gutachten über eine alternative Energieversorgung, die eine Kosteneinsparung von fast 18 Millionen Schilling gebracht hätte – ein innovatives Konzept, eine kombinierte Versorgungsvariante. Man hat berechnet, daß dadurch jährlich Energiekosten in der Höhe von 5 Millionen Schilling eingespart werden könnten. Nach Übernahme des Bauprojektes durch die BIG hat man aber festgestellt: Nein, so ist das nicht gut. Wir machen das ganz anders, nämlich mit einer konventionellen Energieversorgung. – Dafür wurde aber keine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt. Das ist eigentlich schade, denn wenn man innovativ sein möchte – und da muß ich die Planer wirklich loben –, dann wird man noch bestraft und es wird einem gesagt: Nein, konventionell geht es viel besser. – Offensichtlich, weil es viel teurer und daher "besser" ist.

Die Stadt Wien hat mit Frau Finanzstadträtin Ederer ein 30-Milliarden-Schilling-Paket vereinbart, mit dem die Stadt Wien dem Bund 16 000 m2 auf der Donauplatte schenkt. Es gibt einen Vertrag, der besagt, daß der Bund bis zum Jahre 2006 eine Universität auf diesem Gelände errichten sollte. Dieser Vertrag ist gültig. Jetzt gibt es also die eine Variante, die bereits 180 Millionen Schilling gekostet hat, und andererseits liegt ein Vertrag vor, wonach bis 2006 schnell eine Universität hingebaut werden muß. Das führt natürlich zu erheblichen Problemen.

Die Geschichte ist aber noch nicht zu Ende. Der ehemalige Bundesminister Busek hatte bereits einen Termin für den Spatenstich bei den Aspanggründen festgelegt, doch dann hat ihm offenbar der damalige Finanzminister den Spaten "geklaut" und gesagt: Wir haben kein Geld dafür. Es war also praktisch fast schon so weit, daß gebaut werden konnte – zwar auf den Aspanggründen, aber immerhin –, doch dann ist das Projekt wieder auf Eis gelegt worden.

Jetzt verhält es sich so, daß die armen Studentinnen und Studenten offensichtlich zwischen 13 verschiedenen Standorten hin und her pendeln müssen. Ob das wirklich sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Die betroffene Fakultät für Maschinenbau würde die Donauplatte bevorzugen, aber es gibt eben auch noch jenen Bereich, der auf den Aspanggründen reserviert worden ist. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Ich weiß jetzt wirklich nicht mehr, was die gescheitere Variante ist. Es liegt offenbar eine Machbarkeitsstudie von Mayrhof/Nadler vor, in der in Szenario 5 eine Empfehlung für die Aspanggründe gegeben wird. Ich meine, Sie sollten dennoch auf jeden Fall die Donauplatte bevorzugen. Ich würde Ihnen empfehlen, eine Ausschreibung zu machen, sodaß Architekten in die Planung eingebunden werden.

Die Architektenkammer hat bereits kritisiert, daß man einfach irgendein Bauwerk hinstellen möchte – ich würde sagen: einen Fertigteilhaufen –, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie man eine gewisse harmonische Bauweise hineinbringt. Ich möchte ebenfalls davor warnen, einfach einen Fertigteilhaufen hinzustellen, weil wenn schon, dann sollte eine derartige Konzentration und Repräsentanz von Technik und Industrie natürlich auch ein Gesicht haben. Österreich soll nicht dazu degradiert werden, den Eindruck zu erwecken, nur irgendwelche Fertigteilhaufen bauen zu können.

Ich würde mir wünschen, daß wir bald zu einem Ergebnis kommen, sodaß irgendwann einmal diese Universität an einem günstigen Ort gebaut werden kann und irgendwann einmal das Leid der Professorinnen und Professoren, der Studentinnen und Studenten, der Assistentinnen und Assistenten ein Ende findet. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Wabl.)

Ein Nachsatz – ich habe auf den Applaus gewartet – bezüglich der Einkommen der Primarärzte. Da gibt es einigen Regelungsbedarf, der bis jetzt erst teilweise erledigt worden ist. (Zwischenruf des Abg. Wabl.) In öffentlich-rechtlichen Institutionen haben wir die Macht, aber lassen wir bitte die Privatspitäler aus dem Spiel! Diese sollen sich die Verträge mit ihren Angestellten selbst ausmachen. (Abg. Koppler: Es geht um die Sondergebühren!) Wenn wir schon über die Sondergebühren reden, dann reden wir bitte auch über die Grundgehälter, denn die Grundgehälter der Primarärzte sind beschämend! (Abg. Koppler: ... Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes?) Da ist es kein Wunder, wenn die Sondergebühren diesen Umstand – das gebe ich zu – teilweise im Übermaß ausgleichen, was eigentlich von allen Seiten nicht gewollt ist. (Beifall des Abg. Mag. Barmüller.) Wenn die Primarärzte anständige Honorare bekommen, dann werden sie auch wieder mehr Zeit im Spital verbringen und etwa auch um 3 Uhr nachmittags zur Verfügung stehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.05

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Was ich heute hier von den Rednern der Opposition zum Thema Kontrolle der öffentlichen Gebarung in Österreich gehört habe, hat mich erschüttert. Kollege Wabl hat hier etwa im Brustton der Überzeugung behauptet: Kontrolle ist das Recht der Minderheit.

Herr Kollege Wabl! Sie kennen anscheinend die österreichische Bundesverfassung nicht. Kontrolle ist Recht und Auftrag des gesamten Parlaments. Das österreichische Parlament bedient sich dazu des Rechnungshofes, und ich darf Ihnen sagen: Wir trauen dem Rechnungshof mehr zu als einem Dorfrichter Adam in der Person des Abgeordneten Wabl! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler.)

Ihr hysterisches Agieren nährt in mir die Annahme (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), daß Sie glauben, durch die Ausweitung Ihrer Kontrollrechte eine Umkehrung der Wahlergebnisse herbeiführen zu können. Ich darf Ihnen versichern: Da werden Sie auf Granit beißen. Wenn Sie die Kontrolle so ernst nehmen, wie Sie hier behaupten, dann frage ich Sie, Herr Kollege Wabl: Wo waren denn heute die Vertreter der beiden Oppositionsparteien, Liberales Forum und Grüne, als eine Sitzung des Rechnungshofausschusses stattgefunden hat? – Sie waren nicht da. So "ernst" nehmen Sie die Kontrolle in dieser Republik, und das sollen die Bürger unseres Landes auch wissen! (Beifall des Abg. Dr. Lukesch. – Zwischenruf des Abg. Wabl.) – Ja, das ist die Wahrheit.

Frau Kollegin Apfelbeck hat behauptet, daß nur sechs von 29 Fällen, die in diesem Nachtragsbericht enthalten sind, überprüft wurden. Dazu möchte ich Sie fragen, Frau Kollegin Apfelbeck: Wer hat Sie denn daran gehindert, auch die Überprüfung anderer Fälle zu verlangen? (Abg. Apfelbeck: Sie!) Ich darf Ihnen von hier aus sagen: Wir sind auch heute noch dazu bereit, im Ausschuß alle weiteren Fälle, die Sie geprüft haben wollen, zu prüfen (Abg. Wabl: Rückverweisungsrecht!), weil wir den Oppositionsparteien die Auswahl der zu prüfenden Kapitel überlassen, und zwar deswegen, um eine objektive und exakte Kontrolle ohne starke Einflußnahme der Regierungsparteien sicherzustellen.

Sie haben zum Beispiel das Kapitel "Wiener Festwochen" angesprochen, Frau Kollegin Apfelbeck. Da mache ich Ihnen folgenden Vorwurf: Warum haben Sie uns nicht die Möglichkeit gegeben, im Ausschuß darüber zu diskutieren? – Ich bin dazu bereit, und die ÖVP ist dazu bereit. Wir gehen aber nicht mit, wenn Sie den Kulturkampf der Freiheitlichen Partei in diesen Bereich hineintragen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben heute schon einige Aussagen erlebt, die bei mir den Verdacht nähren, daß Sie den Neidkomplex schüren wollen, mit dem Ziel, die Kulturhauptstadt Wien zum kulturellen Hinterhof Europas werden zu lassen. Diesen Weg werden wir mit Ihnen sicher nicht mitgehen.

Noch etwas hat mich heute sehr erschüttert, und zwar daß Sie, Kollegin Apfelbeck, bei Ihrer Aussage betreffend Frau Kollegin Fekter den Eindruck erweckt haben, diese hätte sich persönlich bereichert. Ich weise diese Unterstellung auf das massivste zurück! (Beifall bei der ÖVP.) Sie sei der Republik 1,2 Millionen Schilling schuldig, haben Sie hier wortwörtlich gesagt. Das stimmt nicht!

Frau Kollegin Fekter hat als Staatssekretärin einen Designerwettbewerb ausgeschrieben. Jeder, der sich im Bereich des internationalen Designs ein wenig auskennt, weiß, daß 1,2 Millionen Schilling für einen derartigen Wettbewerb eine Bagatelle sind. Ich weiß, wovon ich spreche, weil einer meiner Söhne in diesem Bereich in Großbritannien tätig ist. Und Sie wollen hier den Eindruck erwecken, Frau Dr. Fekter hätte als Staatssekretärin öffentliches Geld verschleudert. Daß dieses Projekt dann nicht umgesetzt wurde, steht auf einem anderen Blatt, da ja immer noch die Entscheidungsträger darüber verfügen, ob Projekte nach einem Wettbewerb auch entsprechend umgesetzt werden. (Zwischenruf der Abg. Apfelbeck.)

Ich möchte mich hier aber nicht zu sehr mit der Opposition beschäftigen, sondern möchte von zwei Bereichen sprechen, bei denen sich die Kontrolle und die Tätigkeit des Rechnungshofes sehr wohl positiv ausgewirkt haben. Der erste Bereich betrifft die ASFINAG und die ÖSAG. Es wurde festgestellt, daß die ASFINAG schon von der Gründung her nicht den Vorgaben entsprochen hat. Es war weder der Kompetenzbereich klar abgegrenzt, noch waren die Verrechnungskreise exakt. Es gab auch unvorteilhafte Kredite in diesem Bereich. Die Kritik des Rechnungshofes hat eine Umstrukturierung im Jahr 1997 bewirkt, und ich möchte dem Rechnungshof für seine gewissenhafte Tätigkeit danken. Heute ist die ASFINAG eine Holding, der die beiden Gesellschaften ASAG und ÖSAG angeschlossen sind. Sie ist heute in der Lage, die ihr übertragenen Aufgaben umzusetzen. Derzeit wird in Österreich pro Jahr auf dem Straßenbausektor ein Bauprogramm im Umfang von 3,5 Milliarden Schilling umgesetzt, und es werden Erhaltungsmaßnahmen in der Größenordnung von 2,5 Milliarden Schilling getätigt. Natürlich muß es unser Ziel sein, durch diese Umstrukturierung zu erreichen, daß der Lückenschluß im hochrangigen Straßennetz in Österreich relativ rasch erfolgt. Auch diese Zusage wurde gegeben.

Man will auf dieser Finanzierungsbasis bis zum Jahre 2006 das Netz der hochrangigen Straßen Österreichs geschlossen haben – das betrifft sowohl die Süd Autobahn als auch die A 9, die Pyhrn Autobahn –, damit Österreich den internationalen Anschluß in Europa nicht verpaßt und die österreichischen Autofahrer sowie die Transporteure entsprechende Bedingungen vorfinden. Der Deckungsgrad liegt derzeit bei 76 Prozent, das heißt, daß im Jahre 2001 die LKW-Maut kommen müssen wird, um diesen Finanzbedarf abzudecken und um die ASFINAG in die Lage zu versetzen, diese Aufgaben auch zu realisieren.

Ich möchte von dieser Stelle aus auch einen konstruktiven Vorschlag machen, und zwar, daß man diese Entwicklung weiterführt, daß man aus der Holding ASFINAG eine Alleinträgerin ASFINAG macht und die beiden Gesellschaften ASAG und ÖSAG in der ASFINAG aufgehen läßt.

Uns ist es wichtig, daß sich aufgrund der Kontrolle positive Aspekte und positive Wirkungen für die Bürger unseres Landes ergeben. Ich erlaube mir einen Ausblick: Ich erwarte mir natürlich, daß der Semmering-Straßentunnel gebaut wird – ganz im Gegensatz zu den heutigen Aussagen des Kollegen Wabl. Wir werden nicht zulassen, daß die südlichen und westlichen Bundesländer Österreichs verkehrsmäßig die Stiefkinder dieser Republik bleiben. Auch die Bürger in Kärnten, in der Steiermark, in Salzburg, in Tirol und in Vorarlberg haben ein Recht darauf, verkehrsmäßig entsprechend angebunden zu werden.

Der zweite Bereich, den ich ansprechen möchte, betrifft die Umweltförderung im Ausland. Bis zum Jahre 1989 war eine Umweltförderung im Ausland nicht möglich, weil die COMECON-Staaten eine derartige Förderung und Einflußnahme nicht zugelassen haben. Es war damals schon bekannt, daß es große Emissionsmengen gibt, die aus Tschechien, aus Slowenien, aus der Slowakei und teilweise auch aus Ungarn auf unser Land zuströmen. Erst mit dem Fall des Eisernen Vorhanges war es möglich, in diesen Ländern entsprechende Hilfe zu leisten, was Österreich seit dem Jahre 1991 auch tut.

Diese Hilfe erfolgte zuerst immateriell in Form von Projekten, von Beratungen und im Transfer von Know-how. Dann hat der Rechnungshof eingegriffen und gesagt: Liebe Bundesregierung, es wird in Zukunft notwendig sein, diese immaterielle Hilfe in eine materielle Hilfe – das heißt, in eine Projektförderung – umzuwandeln. Darauf hat die Regierung entsprechend reagiert. Das Umweltförderungsgesetz wurde geändert. Es wurden entsprechende Richtlinien erlassen, obwohl – das möchte ich hinzufügen – gerade in diesem Bereich die Förderungsmaßnahmen nicht einfach sind, da man am Anfang noch keine geeigneten Ansprechpartner in den ehemaligen Ostblockstaaten – in jenen vier Staaten, die davon betroffen sind – gehabt hat.

An dieser Stelle möchte ich den Wunsch äußern, daß auch die Republik Polen in dieses Förderungsgesetz, in diese Förderung, mit einbezogen wird, weil die Nähe zu Österreich auch noch umweltmäßige Auswirkungen auf unsere hat.

Auf diese Art und Weise ist es gelungen, zumindest einige Fälle – diese sind im Bericht des Umweltministeriums festgehalten – zu sanieren. Ich denke dabei etwa an das Kohlekraftwerk Schönstein im unteren Drautal – Soštanj auf Slowenisch – oder an die Kraftwerke in Tschechien und in der Slowakei. Diesen Weg sollten wir gezielt weitergehen. Denn eines steht fest: Durch die Investition von 1 Milliarde Schilling in diesen osteuropäischen Ländern können dort mitunter bis zu 20 Prozent der Emissionen reduziert werden. Der Einsatz desselben Betrages bewirkt in Österreich vielleicht nur eine Reduktion um 1 Prozent. Das heißt, wir haben in Österreich bereits einen so hohen Grad der Emissionsunterbindung erreicht, daß jede weitere Maßnahme oder jedes weitere Prozent Emissionsreduktion in Österreich mindestens zehnmal so teuer ist wie in unseren Nachbarstaaten.

Wir von der Volkspartei bekennen uns zu diesen Maßnahmen. Wir möchten auch die Anregungen des Rechnungshofes zur Verbesserung dieser Förderungen im Ausland positiv aufnehmen und damit unseren Nachbarn helfen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Wabl. Sie haben noch 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

20.15

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wurmitzer (Abg. Schwarzenberger: War eine gute Rede vom Wurmitzer!), Ihre Argumente betreffend: Ich weiß nicht, wozu diese Art der Diffamierung, die Sie heute hier wieder verwendet haben, notwendig ist. (Abg. Wurmitzer: Welche Diffamierung?) Sie haben ausgeführt, die Grünen und die Liberalen nähmen die Kontrolle nicht ernst, weil sie heute früh nicht bei der Sitzung des Rechnungshofausschusses dabei waren. – Schauen Sie, das war eine Sitzung des Rechnungshofausschusses, in der ausschließlich die Auskunftspersonen ... (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer.) – Nein, Sie haben nicht die Unwahrheit gesagt, Sie wissen aber: Wahrheit ist etwas anderes als das, was in diesem Fall aus Ihrem Munde gekommen ist. Herr Wurmitzer! Herr Kollege Wurmitzer! Lieber Herr Abgeordneter aus Kärnten! Der Kärntner Stil mag Sie ein bißchen verdorben haben.

Die Ausschußsitzung heute früh war ausschließlich dazu bestimmt, um die Auskunftspersonen festzulegen. Wir haben dazu eine Liste gesehen, die akkordiert und festgelegt wurde. Ich hatte zufällig das Vergnügen, in Vertretung der Frau Klubobfrau Petrovic in der Präsidiale zu sein und konnte deshalb nicht den Ausschußvorsitz übernehmen. Aus diesem Grund habe ich Frau Apfelbeck gebeten, sie möge das übernehmen.

Sie halten mir jetzt vor, ich nähme die Kontrolle nicht ernst, Herr Kollege Wurmitzer. Was soll ich darauf sagen? Ich frage Sie: Was soll ich darauf sagen? Geben Sie mir als alter, professioneller Abgeordneter einen kleinen Tip! (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.) Wie geht man mit solchen Versuchen eines Regierungsparteimitgliedes um? Wie geht man mit solchen Vorwürfen um? Wie geht man damit um? (Zwischenruf des Abg. Koppler.) Setzt man sich in seine Bank und sagt: Der Wurmitzer ist ein ...!, oder agiert man korrekt und sagt ... (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer.)

Herr Wurmitzer, wissen Sie, ich habe nichts gegen eine harte Auseinandersetzung, aber greifen Sie doch nicht unter die letzte Schublade! Das ist ja nicht notwendig, Herr Kollege Wurmitzer! Es gibt genug Fehler, die Sie bei mir kritisieren können. Da brauchen Sie nicht Dinge herbeizuzaubern, die wirklich nicht korrekt sind.

Herr Kollege Wurmitzer! Ein zweiter Punkt: Sie haben gesagt, Sie vertrauen dem Rechnungshof mehr als dem Herrn Abgeordneten Wabl. – Schauen Sie, Herr Kollege Wurmitzer, was soll denn diese Aussage? – Der Rechnungshof ist ein wertvolles Instrument, ein Hilfsorgan – im besten Sinn des Wortes! – dieses Hauses, des Nationalrates, weil dort Fachleute tätig sind, die aufgrund ihrer besten beruflichen Ausbildung sachlich, inhaltlich, juristisch jene Angelegenheiten des Staates prüfen, die sie aufgrund der Verfassung befugt sind zu prüfen. Dieses Gremium, der Nationalrat – und damit auch Sie –, sollte die politischen Notwendigkeiten und Konsequenzen daraus schälen und prüfen, welche Konsequenzen notwendig sind.

Herr Kollege Wurmitzer! Warum sagen Sie denn solche Dinge? Für wen? Für Ihr Kärntner Publikum? – Sie wissen ganz genau, wie Sie in diesen Ausschüssen vorgehen. Man darf das noch nicht veröffentlichen, weil es sich noch um geheime Ausschußprotokolle handelt. Aber wie Sie dort betreffend Auskunftspersonen vorgegangen sind, das spottet jeder Beschreibung! (Abg. Dr. Lukesch: ..., das spottet jeder Beschreibung!) Sie lassen ausschließlich jene Personen zu, die Ihnen genehm sind! Bei einem ganz normalen Bericht ist Ihnen das gleichgültig, da kann sowieso nichts passieren, da diskutieren wir nur. (Abg. Koppler: Wer schlägt die Auskunftspersonen in der Regel vor?) – Alle Parteien schlagen sie vor! Alle Parteien! Aber wenn es einen Unterausschuß gibt, bei dem die Opposition einen Prüfungsgegenstand festgelegt hat, dann ist es ja naheliegend, daß Sie den Minderheiten in diesem Ausschuß entgegenkommen.

Aber Sie stellen so absurde Forderungen auf, wie zum Beispiel, indem Sie sagen: Wir lassen überhaupt nur mehr genehme Beamte zu. – Nachzulesen im Protokoll! Herr Wurmitzer! Herr Kollege! Herr Abgeordneter! Lesen Sie es nach! (Abg. Wurmitzer: Nur die Wahrheit sagen!) Mein Gott, Herr Wurmitzer, bitte nehmen Sie das schöne Wort nicht dauernd in den Mund! Es verwest! Es verwest, wenn Sie es gebrauchen!

Herr Abgeordneter Wurmitzer! Ich bitte Sie: Lesen Sie die Protokolle nach, dort steht das genau drinnen. Wir wollten Juristen, Experten und Gutachter einladen. Aber was haben Sie gesagt? – Das käme gar nicht in Frage! Er müsse ein ÖVP-Pickerl haben. Nur ein solider, abgetesteter ÖVP-Beamter dürfe in diesem Ausschuß Auskunft geben.

Bei den Politikern verfolgen Sie ein anderes Prinzip: Bis zu einer gewissen Stufe in der Hierarchie ist es möglich, ihn zu laden. Jemand, der sich selbst darstellen will, wie Hirschmann, ein begnadeter Selbstdarsteller (Abg. Wurmitzer: Wie du!), darf kommen (Abg. Mag. Stadler: Dann muß er!), ja er muß sogar kommen. Wenn es aber um Politiker geht, die sich bereits in einer Kategorie befinden, die ins "Majestätische" geht, dann wird – Gott behüte! – sofort der Kontakt mit dem "netten, lieben" Partner hergestellt und ihm mitgeteilt: Bitte schön, ich sage euch nur eines: Wenn ihr unsere Landeshauptfrau da hereinholt, dann wißt ihr eh: Dann holen wir eure Landesräte herein, und dann werdet ihr sehen, was ihr davon habt! (Abg. Dr. Lukesch: Das ist ja alles gelogen!)

Herr Kollege Wurmitzer! Wenn das Ihre Art der Kontrollpolitik ist, dann erzählen Sie das einmal der Öffentlichkeit! Wir brauchen nicht den Herrn Präsidenten und die Beamten des Rechnungshofes gegen einen Politiker auszuspielen. Das ist überflüssig! Das ist nicht gegeneinander aufzurechnen. Wir wissen ganz genau, was wir an dieser wertvollen Institution haben, auch wenn wir manchmal Kritik an ihr üben. Aber im wesentlichen ist das eine korrekte Institution, sie arbeitet exzellent – so exzellent, daß Sie manchmal davor Angst haben. Das ist das Problem, Herr Kollege Wurmitzer. (Abg. Wurmitzer – lachend –: Aber wo!)

Herr Kollege Wurmitzer! Wir werden den Mehrheits- und den Minderheitsbericht in diesem Unterausschuß miteinander vergleichen können, und dann werden wir hoffentlich auch die Protokolle veröffentlichen dürfen. Sie stimmen dem ja sicherlich zu, denn Sie wollen doch, daß das, was dort gesagt worden ist, an die Öffentlichkeit kommt. Davon bin ich überzeugt! Und dann können die Menschen prüfen, ob das, was Sie gesagt haben, wahr oder falsch ist. (Abg. Wurmitzer: Zuerst vertraulich, dann veröffentlichen! Ich bin ja nicht wahnsinnig!) Das dürfen nur Sie tun – so wie beim letzten Unterausschuß, als nur Sie die vertraulichen Mitteilungen machen durften. Ich weiß, die Mehrheit bestimmt wieder.

Meine Damen und Herren! Es ist ein Ritual in diesem Haus – im wesentlichen der Regierungsparteien –, sich bei den Beamten des Rechnungshofes zu bedanken. Ich mache es heute auch, da ich glaube, daß viele Beamte, die intensiv an bestimmten Materien arbeiten, manchmal das Gefühl haben, daß ihre Arbeit in diesem Haus zuwenig geschätzt wird. Ich möchte aber sagen, daß viele Dinge wirken, auch ohne daß sie in diesem Haus beraten werden, weil die Institutionen und der Verwaltungsapparat selbstverständlich auch dann auf den Bericht reagieren, wenn er in unseren Ausschüssen nicht verhandelt wird.

Aber Frau Kollegin Apfelbeck hat natürlich im wesentlichen recht mit ihrer Äußerung, daß bestimmte Bereiche nicht mehr verhandelt werden. Das hängt aber damit zusammen, daß Sie von den Regierungsparteien sich, wenn wir Termine haben wollen, immer zurückziehen und sagen: Geht nicht, geht nicht! – Herr Kollege Wurmitzer! Dieses Spiel wird allzu oft betrieben! (Abg. Wurmitzer: Warum schon wieder die Unwahrheit?) Ach Gott, Herr Kollege Wurmitzer! (Abg. Wurmitzer: Schon wieder die Unwahrheit!) Ich rege mich heute nicht mehr über Sie auf.

Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich froh darüber, daß das, was der Rechnungshof tut, auch ohne die Arbeit dieses Hauses wirkt. Viele Bereiche der Verwaltung arbeiten schon allein aus dem Grund besser, weil sie wissen, daß sie in bestimmten Abständen vom Rechnungshof geprüft werden.

Es gibt in diesem Bericht aber auch Kapitel, bei denen der Nationalrat sehr wohl gefordert wäre. Ich möchte nur einen Bereich erwähnen, der mir besonders eklatant erscheint, und zwar den der Ärztehonorare. Auch Kollege Koppler wird darüber noch ausführlich reden.

Herr Kollege Wurmitzer! Der Rechnungshof kritisiert massiv die diesbezüglichen Regelungen in den einzelnen Krankenanstalten der Bundesländer. Es gibt Honorare, bei denen ein normaler Politiker erblaßt, auch wenn er so viel verdient wie Sie. Herr Wurmitzer! Das muß geändert werden, das darf nicht sein! Dort werden Gehälter gezahlt, die um ein Vielfaches höher sind als das, was der Bundeskanzler dieser Republik verdient. Ich spreche von den öffentlichen Krankenanstalten, nicht von den Privatanstalten, die Frau Gredler angeführt hat.

Bei den Privatanstalten können wir über die Steuersätze reden. Aber bei den Honoraren in öffentlichen Krankenanstalten handelt es sich um öffentliche Gelder, das sind Beträge, die von den Pflichtversicherungsbeiträgen bezahlt werden. Und in diesem Bereich gibt es Unterschiede von einer bis 8 Millionen! (Abg. Dr. Gredler: Nicht öffentliche Gelder!) Gerade jene, die im Mittelbau gute und beste Arbeit leisten, sind damit unzufrieden. Das steht auch so im Bericht.

Herr Abgeordneter Wurmitzer! Ich halte nichts davon, daß wir hier jetzt gemeinsam mit der Neidgesellschaft gegen die Ärztehonorare vorgehen. (Abg. Wurmitzer: Eh nicht!) Sie lachen. Nehmen Sie die Kritik dieses Berichtes ernst! Darin steht, daß die beträchtlichen Einkommensunterschiede – ich betone: das sage nicht ich, sondern das sagt der Rechnungshof – von einem nicht geringen Teil der Ärzteschaft als unbefriedigend empfunden werden.

Wir haben versucht, bei den Politiker- und Politikerinneneinkommen ein transparenteres – von "gerecht" möchte ich noch gar nicht sprechen – System zu finden. Versuchen wir das doch auch im Bereich der öffentlichen Krankenanstalten! Setzen wir uns doch in einer seriösen Art und Weise, alle Fraktionen gemeinsam, mit den Ärztevertretern und jenen, die damit unzufrieden sind – möglicherweise auch mit dem Rechnungshof –, zusammen und ändern wir dieses System! (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich halte das derzeitige System für zutiefst ungerecht und illoyal, auch innerhalb der Krankenhäuser, da nicht immer jene Ärzte das meiste Geld bekommen, die auch die beste Arbeit machen. Ich erwähne das, weil in manchen Bereichen (Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen), in denen es keine zusatzversicherten Patienten gibt, Primarärzte nur einen geringen Teil jener Honorare erhalten, die an Primarärzte in bestimmten Kliniken ausbezahlt werden. Das ist nur ein ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Das Glockenzeichen galt Ihnen. Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Kollege Neisser! Ich danke für den hervorragenden Witz! Ich verstehe schon, daß Sie etwas nervös sind, weil Sie als Präsident hier nicht mehr reden dürfen. (Abg. Dr. Lukesch: Sie sind nervös!) – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich möchte schon betonen, daß die Vollziehung der Geschäftsordnung nichts mit Nervosität zu tun hat. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Koppler zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.27

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wabl! Ihre Aussagen zu den Auskunftspersonen waren bereits anläßlich der letzten Debatte zum Rechnungshof Gegenstand Ihrer Rede. Offensichtlich liegt Ihnen sehr viel daran. Meiner Ansicht nach sollten wir uns einmal hinsichtlich der Vorgangsweise im Zusammenhang mit den Auskunftspersonen unterhalten. Dann werden wir sehen, was Sie für richtig halten. Vielleicht kommen wir auf einen gemeinsamen Nenner.

Grundsätzlich werden – und das ist ebenfalls eine Wiederholungsübung – hauptsächlich jene Auskunftspersonen geladen, die von der Opposition vorgeschlagen werden. Das ist auch gut so, das ist recht so. Ich bekenne mich dazu.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1996 war der Bericht über die Bezüge, Gebühren und Honorare der Ärzte in öffentlichen Krankenanstalten besonders aufschlußreich. Kollege Wabl hat bereits darauf hingewiesen, daß ich mich hauptsächlich diesem Thema widmen werde.

Es geht in diesem Bericht um die sogenannten Sondergebühren, welche für die Behandlung privat zusatzversicherter Patienten in öffentlichen Spitälern von den Krankenzusatzversicherungen vor allem an Primarii von Krankenhausabteilungen bezahlt werden. – Frau Abgeordnete Gredler! Sie haben schon recht damit, daß man sich über ein Grundgehalt für Ärzte unterhalten sollte, aber dafür gibt es, glaube ich, andere Verhandlungspartner. Meiner Meinung nach sollten Sie sich darüber einmal mit Ihren Standesvertretern auseinandersetzen. Vielleicht könnten Sie dieses Problem mit ihnen besprechen, denn es ist, wie ich meine, nicht Aufgabe des Rechnungshofes. (Abg. Dr. Gredler: Eh nicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lektüre des Berichtes müßte uns allen allerdings klarmachen, daß es um unser Gesundheitswesen nicht so schlecht bestellt sein kann. Kollege Wabl hat schon darauf hingewiesen: Die Geldbeträge, die dort verdient werden, sind teilweise wirklich atemberaubend! Der Rechnungshof hat eine Fülle von Kritikpunkten erhoben. Ich möchte heute nur einige wenige herausgreifen.

Höchst bemerkenswert ist vor allem die Höhe, die die Sondergebühren mancher Primarii – wohlgemerkt: ohne Vergütung aus sonstigen Beratungstätigkeiten, ohne allfällige Einkünfte aus Nebenbeschäftigungen, ohne Erlöse aus der privaten Praxis et cetera – erreichen. Die Spitzenverdienste der Internisten und Chirurgen lagen 1994 zum Teil weit über 8 Millionen Schilling. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben richtig gehört: weit über 8 Millionen Schilling. Das ist keine Behauptung von mir, sondern das hat der Rechnungshof festgestellt.

Spitzenverdiener sind aber auch die Laborärzte – ihr Maximalverdienst liegt bei 6,7 Millionen Schilling pro Jahr – und Neurologen, aber auch Pathologen. Auffällig ist die Höhe der Sondergebühren, mehr aber noch der Umstand, daß die dafür von der Krankenzusatzversicherung für die privat zusatzversicherten Patienten erkauften Leistungen eigentlich größtenteils vom Spital erbracht werden und weniger vom Abteilungsvorstand.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rechnungshof hält es für notwendig, daß einerseits die Sondergebühren vom betreffenden Spital eingenommen werden, und andererseits ein ausreichender Teil der Sondergebühren diesem Spital auch direkt zugute kommt. Diese Empfehlung des Rechnungshofes sollte man meiner Meinung nach ehestmöglichst umsetzen.

Was die Weitergabe eines Teiles der Sondergebühren an die nachgeordneten Ärzte, Oberärzte oder Ärzte in Ausbildung betraf, fand der Rechnungshof österreichweit unterschiedliche Verhältnisse vor. Der Rechnungshof macht weiters darauf aufmerksam, daß das Sondergebührensystem beispielsweise den stationären Spitalsaufenthalt finanziell belohnt, da ein Anspruch auf Ärztehonorar vor allem an die stationäre Aufnahme in der Sonderklasse gebunden ist.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Ärzte wurden in nahezu allen Bundesländern auch an Ambulanzgebühren, welche die Krankenversicherungen für die Behandlung von pflichtversicherten Patienten in der Spitalsambulanz zahlt, beteiligt. Der Rechnungshof empfiehlt bereits seit 1996, diesen Mißstand sofort abzustellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich persönlich verstehe unter Gesundheitspolitik, zuerst die Interessen der Patienten zu vertreten, und ich glaube, daß die Gesundheitspolitik der Sozialdemokraten darauf ausgerichtet ist. – Ein herzliches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ.)

20.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Mag. Schweitzer das Wort. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.33

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr wurde mit sehr viel Pomp und Trara ein "Flaggschiff" seiner Bestimmung übergeben (Abg. Dr. Keppelmüller: Jetzt liest er wieder aus der Presse vor!), ein Leitprojekt, der Industriebetrieb schlechthin im Ziel-1-Gebiet Burgenland: Lyocell-Heiligenkreuz!

Die sozialistischen Granden haben gewaltige Eröffnungsreden gehalten und die Zukunft "eingeleitet". (Abg. Dr. Keppelmüller: Nicht neidisch sein!) Die Arbeitsplätze für die nächsten Jahrhunderte waren "gesichert", weil dieses Leitprojekt eine "Lawine" an Arbeitsplätzen nach sich ziehen sollte. – Nun, ein Jahr später, liest man in den Zeitungen, daß Lyocell der Entzug der EU-Gelder drohe, Lenzing der Markt für die Wunderfaser wegbreche, Lenzing in der Förderfalle säße, und so weiter und so fort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sich in Heiligenkreuz abspielt, ist ein besonders signifikantes Beispiel für die völlig größenwahnsinnige Ansiedlungspolitik in unserem Lande, mit der man Steuergelder nur verschleudern kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.) 1,65 Milliarden Schilling wurden in dieses Projekt gesteckt, weitere 700 Millionen Schilling in den Industriepark, in dem das Werk steht – insgesamt also 2,3 Milliarden Schilling für einen Betrieb, der nun acht Wochen stillstehen mußte, weil das Produkt, das dort hergestellt wird, niemand haben will! Diese Wunderfaser will niemand haben! (Abg. Madl: In Oberösterreich wurden dafür 500 Arbeitsplätze vernichtet!)

Dieses Produkt sollte in vier Förderungslinien mit einer Gesamtjahresproduktion von 80 000 Tonnen hergestellt werden. Der gesamte Weltmarkt macht lächerliche 20 000 Tonnen aus, und davon liegt der Marktanteil von Lyocell-Heiligenkreuz bei 15 Prozent. Lächerliche 3 000 Tonnen konnten bis jetzt auf dem Markt verkauft werden. Die Lagerhallen des Werkes sind längst voll, auch die angemieteten Lagerkapazitäten sind längst voll, sodaß es nur mehr eine einzige Möglichkeit gab, nämlich den Betrieb für längere Zeit stillzulegen und die Arbeiter für acht Wochen auf Urlaub zu schicken. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Sie werden nun sagen: Aber es gab doch viele Arbeiter, die dort neue Arbeit bekommen haben! – Meine Damen und Herren! Bei dieser Gesamtinvestition von fast 2,3 Milliarden Schilling handelte es sich um 116 Arbeitsplätze, gleichzeitig wurden 500 Arbeitsplätze in Lenzing (Abg. Madl: In Oberösterreich!) in Oberösterreich abgebaut. Das ist die Wirtschaftspolitik, die von SPÖ und ÖVP in den Jahren 1996, 1997 und 1998 betrieben wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Wirtschaftsminister! Dazu kommt noch, daß diese Faser mit extrem hohen Kosten hergestellt wird. (Abg. Mag. Stadler: Lenzing vor Lassing! – Bundesminister Dr. Farnleitner: So etwas sollte man nicht sagen! – Abg. Mag. Stadler: Das soll man nicht sagen? Sie vernichten Arbeitsplätze, pfuschen in der Wirtschaft herum, in der Kontrolle bringen Sie auch nichts weiter!) Der Rechnungshofausschuß hat mir die Möglichkeit geboten, an die Fakten heranzukommen: Für 45 S pro Kilogramm wird diese Faser derzeit produziert, aber erst bei einem Preis von 28 S pro Kilogramm – und der liegt in weiter Ferne, er ist nur eine Vorstellung, die niemand erfüllen kann – könnte man mit dieser Faser etwas auf dem Markt anfangen. (Abg. Dr. Keppelmüller: Derzeitiger Preis: 98 S!)

Herr Wirtschaftsminister! Dazu kommt noch dazu, daß es beim Verkauf der Faser zu massiven Verarbeitungsproblemen kommt. Sie ist von den Spinnereien im Moment nicht zu verarbeiten. Das ist die Wirtschaftspolitik der SPÖ! Es wurde damals groß und mächtig vorgestellt, was sie nicht alles in unserem Lande bewegt habe! (Abg. Silhavy: Haben wir ja!) – Ein Werk ist innerhalb eines Jahres sang- und klanglos untergegangen! Es ist eine Schande, soviel Steuergeld in einen Flop zu investieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Wirtschaftsminister! Ich komme nun zur Kritik des Rechnungshofes. (Abg. Dr. Keppelmüller: Schweitzer, du bist geschäftsschädigend!) Der Rechnungshof hat interessanterweise alles vorausgesagt. Nach Ansicht des Rechnungshofes bewirkte ausschließlich die Vergabe von öffentlichen Mitteln – Kollege Peter Keppelmüller, hör΄ einmal zu! – die Verlagerung einer Investition, die in Oberösterreich getätigt werden sollte, in das Burgenland. Weil naiven, unfähigen Politikern viel zu viele Förderungsgelder in die Hand gegeben wurden, gab es diese völlig idiotische Verlagerung in das Burgenland. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Ihr hättet in Oberösterreich keine Absatzprobleme? – Zwischenruf der Abg. Dr. Krammer.)

Der Rechnungshof vermerkte – diese Passage ist für Sie interessant, Herr Wirtschaftsminister – die fehlende, die beide betroffenen Bundesländer und den Bund einbeziehende analytische Gesamtschau der volkswirtschaftlichen und regionalwirtschaftlichen Auswirkungen aus der durch Subventionen hervorgerufenen Verlagerung von Produktionen beziehungsweise Arbeitsplätzen und bemängelte... (Zwischenruf der Abg. Dr. Krammer.) Bitte, Christa, da kennst du dich wirklich nicht aus! Ich lasse dich sonst immer reden, aber jetzt bitte nicht. Da bist du völlig unbedarft. Bitte, bitte! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Krammer: Bei den Subventionen kennt sich der Prinzhorn aus!)

Den Wettbewerb der beiden Bundesländer um die Förderungen führte der Rechnungshof – wichtig für Sie (der Redner wendet sich an Bundesminister Dr. Farnleitner) und hervorragend erkannt vom Rechnungshof – auf das Fehlen industriepolitischer Rahmenkonzepte und eines darauf abgestimmten gesamtösterreichischen Förderungskonzeptes zurück. – Vielleicht gehen Sie einmal gemeinsam mit Ihren Beamten daran, industriepolitische Rahmenkonzepte zu entwickeln und ein darauf abgestimmtes gesamtösterreichisches Förderungskonzept zu erarbeiten.

Herr Bundesminister! Damit wäre vielen geholfen. Vor allem aber könnten solche amateurhaften Betriebsansiedlungen wie Lyocell-Heiligenkreuz nicht noch einmal passieren. Das, was unter Landeshauptmann Stix in dieser Sache an dilettantischer Fehlleistung produziert wurde, ist so katastrophal, wie es bisher noch nicht der Fall war. Eurem Freund Stix ist sein "Flaggschiff" jetzt wohl zum Klotz am Bein geworden, der ihn unter die Wasseroberfläche der politischen Existenz ziehen wird. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Krammer.)

20.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. 8 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.40

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Wirtschaftsminister! Meine Damen und Herren! Kollege Schweitzer! Ich werde nicht auf Ihre Enunziationen zum Lyocell-Werk eingehen, da gibt es berufenere Burgenländer. – Pardon, aber ich als Tiroler habe den Eindruck, daß Sie keine Wirtschaftsförderung für das Burgenland haben wollen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Geben Sie mir das Förderungsgeld, wir können es in Tirol und in anderen Bundesländern sehr gut brauchen. Sie haben Ihrer Heimat heute einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Mag. Schweitzer.)

Meine Damen und Herren! Damit keine falschen Eindrücke entstehen: Ich möchte auf Frau Kollegin Apfelbeck – sie ist ja die stellvertretende Obfrau des Rechnungshofausschusses – schon eingehen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das war eines Professors unwürdig!) Kollege Schweitzer! Sie sind kein guter Richter, der fähig ist, die Würde anderer Menschen zu beurteilen. (Abg. Mag. Schweitzer: Sie haben nicht mitgedacht!) Sie zerren die Würde von Menschen bedenkenlos in den Schmutz, daher lasse ich mich von Ihnen nicht beurteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Sie haben nicht gedacht!)

Frau Kollegin Apfelbeck! Ich möchte mit aller Klarheit sagen: Ich sitze jetzt seit neun Jahren im Rechnungshofausschuß. Die Kapitel, die zu besprechen sind, wurden immer konsensuell und natürlich unter Berücksichtigung der Wünsche der Opposition ausgewählt. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich gestehe Ihnen durchaus das Recht zu, auch auf andere, auf nicht besprochene Teile hier im Plenum einzugehen, keine Frage. (Rufe bei den Freiheitlichen: Oh, danke!) Sie dürfen sich jedoch nicht darüber beschweren, daß wir Sie in dieser Sache in irgendeiner Weise beschnitten hätten, denn das entspricht nicht der Wahrheit! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Was ich nicht verstehe, ist, daß Sie den Rechnungshof beziehungsweise den Präsidenten des Rechnungshofes angreifen und behaupten, daß er angeblich ein Semmering-Gutachten, einen diesbezüglichen Prüfungsbericht bislang noch nicht herausgegeben hätte und er daher dem Steuerzahler jährlich mehrere Millionen – oder wie immer Sie das formuliert haben – an zusätzlichen Kosten beziehungsweise Ausgaben verursachen würde. (Zwischenruf der Abg. Apfelbeck.) Der Präsident des Rechnungshofes wird Ihnen darauf antworten. Daß der Rechnungshof Geld verschwende, ist immerhin eine sehr willkürliche Unterstellung, die außerdem überhaupt noch nicht erörtert wurde. Ich weise diese Behauptung zunächst einmal für meine Partei aufs schärfste zurück! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Wabl! Es tut mir leid, aber ich bin sehr an der Wahrheit – auch wenn Sie sie heute als eine zerkaute bezeichnet haben – interessiert. Sie haben auf den Ständigen Unterausschuß angespielt. Aber was wollen Sie? – Dort wurden die zuständigen Landesräte, der zuständige Minister, die entscheidenden Beamten von allen gebietskörperschaftlichen Ebenen befragt.

Nicht eingeladen haben wir – und ich verklausuliere das jetzt – die Rechtsvertreter von bestimmten Parteien, die im Verwaltungsgerichtshof-Verfahren recht bekommen haben. Nicht eingeladen haben wir weiters frühere Beamte, und zwar aus Altersgründen beziehungsweise aufgrund von Erkrankungen. Darüber hinaus möchte ich meinen Fraktionsführer, Kollegen Wurmitzer, in Schutz nehmen: Der Befragung des Personenkreises steht überhaupt nichts entgegen. Selbstverständlich sind wir daran interessiert, die Gesetzgebung zu verbessern, weil wir wertvolle Anregungen aus den Diskussionen – mit oder ohne Rechnungshof – im Rechnungshofausschuß erhalten.

So ist es auch bei der Fakultät für Maschinenbau, die im Rechnungshofbericht behandelt wird und die uns im Ausschuß beschäftigt hat. Frau Kollegin Gredler ist schon in extenso darauf eingegangen, aber ein paar Auslassungen, die im Ausschuß eigentlich klargeworden sind, muß ich ihr vorwerfen.

Natürlich: Der Rechnungshof hat von etwa 180 Millionen Schilling an verlorenem Aufwand gesprochen. (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt gehst du runter!) Er hat aber auch gesagt, warum das so ist, und zwar deshalb, weil man das Projekt geändert hat: von den Aspanggründen zur Donau-City. Daher sind die Projektierungsarbeiten, Planungsarbeiten, Finanzstudien, Raumbedarfsstudien et cetera für die Aspanggründe verlorener Aufwand, einschließlich der Grundbereitstellungsbeiträge des bestellenden Ministeriums. Daß Kollegin Gredler dies kritisiert, verstehe ich aus ihrer Sicht, nämlich der Position einer liberalen Abgeordneten, überhaupt nicht. Daß ein bestellendes Ministerium, das, weil es natürlich eine alternative Verwertung solcher Grundstücke durch den Anspruch, sie für eigene Zwecke zu verbauen, blockiert, sehr gerne kräftig zugreifen würde, durch die Grundbereitstellungsbeiträge an die BIG jedoch auf Realitäten und in bezug auf die Möglichkeiten reduziert ist, ist eine sehr sinnvolle Regelung, die wir im BIG-Gesetz geschaffen haben.

Im Zuge dieser Planungstätigkeiten stellte sich heraus, daß das Projekt etwa drei Milliarden Schilling, nach Redimensionierung 2,6 Milliarden Schilling kosten würde. Der Finanzminister hat gesagt: Mit normalen Budgetmitteln kann ich so etwas nicht bezahlen. Aus dem Wissenschaftsministerium wiederum hörte man, die BIG-Mieten auf Basis eines solch hohen Betrages könne man sich nicht leisten. Dann kam als Alternative dieses neue Projekt in der Donau-City, auf der Platte, aus dem 30-Milliarden-Schilling-Paket mit der Stadt Wien zum Vorschein, das von der Technischen Universität begrüßt wurde. Es beliefen sich die Kosten für den Bund statt auf drei Milliarden Schilling – wie einmal anvisiert – auf eine Milliarde Schilling und bei entsprechender Verwertung der freiwerdenden Aspanggründe auf 500 Millionen Schilling – natürlich in redimensionierter Form, keine Frage.

Ob, sollte dieses Projekt in der Donau-City realisiert werde, diese 180 Millionen Schilling nun verlorener Aufwand oder Voraussetzung dafür wären, eine bessere und kostengünstigere Investition für den zweifellos vorhandenen Raumbedarf der Fakultät für Maschinenbau der Technischen Universität zu finden, ist eine Einschätzungsfrage.

Ich ersuche die zuständigen Ministerien – Wirtschaftsministerium, Wissenschaftsministerium –, diesem Projekt wirklich volle Priorität zu geben. Nur dann, wenn auch in der Donau-City nicht gebaut, sondern vielleicht auf ein drittes Projekt zurückgegriffen würde, wäre das ein verlorener Aufwand. Ich habe aber Vertrauen, daß das Angebot der Stadt Wien gilt und daß es ein vernünftiges, für unsere Studierenden und Professoren akzeptables Angebot ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Firlinger ist der nächste Redner. 6 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.49

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Bevor ich mich dem Kapitel ASFINAG und den Geschäftspraktiken der ASFINAG widme, ein Wort zu Kollegen Lukesch. Herr Kollege Lukesch! Ich glaube, Sie haben heute in der Früh geträumt oder waren nicht ausgeschlafen, jedenfalls scheinen Sie beträchtliche Erinnerungslücken zu haben.

Sie haben sich hier zum Rednerpult gestellt und behauptet, Sie hätten immer dafür gesorgt, daß im Rechnungshofausschuß – gerade im Rechnungshofausschuß! – die Wünsche der Opposition berücksichtigt werden. Ich darf Sie daran erinnern, wie Sie heute vormittag, also vor nicht allzu langer Zeit, reagiert haben, als wir Freiheitliche Ihnen eine Liste jener Personen, die wir als Auskunftspersonen in Sachen Mautvignette gerne dem Ausschuß beiziehen würden, vorgelegt haben.

Da gab es ein Geplänkel, und dann wurde gemauert, dann hat Kollege Brix zu mauern begonnen – das sind wir ja von ihm gewöhnt –, dann hat auch Kollege Wurmitzer gesagt, es sei eigentlich nicht notwendig (Abg. Silhavy: Das war eigentlich umgekehrt! Zuerst hat sich Kollege Wurmitzer zu Wort gemeldet!), daß so viele Auskunftspersonen beigezogen werden, sie seien unnötig, sie seien nur lästig, sie brächten nichts Neues, nichts Erhellendes.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Das ist Ihre seit Jahren praktizierte Taktik des öffentlichen Zudeckens und Mauerns im Rechnungshofausschuß! Daran hat sich nichts geändert. Das ist ihre Politik! Das muß ich Ihnen sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muß es Ihnen auch zum Vorwurf machen, denn durch diese Politik sorgen Sie dafür, daß wesentliche Belange im Rechnungshofausschuß einfach nicht aufgedeckt, sondern zugeschüttet werden. Sie fahren mit der Regierungsmehrheit von Rot und Schwarz einfach darüber. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. Ich werde mich nicht davon abhalten lassen, das zu kritisieren.

Meine Damen und Herren! Nun aber einige Gedanken zum ASFINAG-Bericht. Dabei handelt es sich meines Erachtens um ein vernichtendes Urteil des Rechnungshofes. Herr Bundesminister! Es ist ein Bericht, an dem es nichts zu beschönigen gibt. Ich glaube, daß wir das auch im Ausschuß ausführlich behandelt haben. Der Rechnungshof stellt dem ASFINAG-Management ein katastrophales Zeugnis aus, zumindest was den Zeitraum bis 1986 betrifft: mangelnde Effizienz der Leistungen, Kompetenzstreit auf allen Ebenen, fehlende Integrationsbereitschaft, Nichtwahrnehmung von Kontrollaufgaben, Nichtnachrechnung, was beispielsweise die Straßensondergesellschaften verbraucht haben, kein Nachweis über eingesetzte Mittel – dafür aber ein hemmungsloser Selbstbedienungsladen, wenn es um das Abkassieren geht.

Vorstand und Aufsichtsrat sind nebenberuflich tätig, jedoch mit einer ordentlichen Gage. Mitarbeiter der ASFINAG bekommen Bilanzgelder, bekommen Erfolgsprämien, obwohl weit und breit kein Erfolg sichtbar ist, und so weiter.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Zustandsbild, das der Rechnungshof über die ASFINAG zeichnet, ein Sittenbild auch über eine Gesellschaft, über eine Firma, die in Wirklichkeit niemand will und auch niemand braucht. Lassen Sie mich das mit aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Niemand braucht die ASFINAG, beziehungsweise braucht man, wenn man die ASFINAG braucht, die Straßen-Sondergesellschaften nicht, oder man braucht die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur nicht, Herr Bundesminister, denn da gibt es sehr viele Doppelgleisigkeiten, was auch im Bericht sehr eindrucksvoll aufgezeigt wurde.

In der ASFINAG gibt es ein Management, das sich seit zwei, drei Jahren wehrt, daß die Bundesfinanzierungsagentur die Kompetenz über Finanzierungen übernimmt und sagt: So geht es lang! Statt dessen macht die ASFINAG Fremdwährungsgeschäfte, die in die Hose gehen, Fremdwährungsgeschäfte, die mit doppelten Zins- und Devisenswaps ausgesprochen vermurkst sind, weil nicht die richtigen Fachleute am Werken waren. Herr Bundesminister! Was mich daran so stört, ist, daß das alles so viele Jahre ohne Konsequenzen bleibt. (Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Im Jahre 1992 – das steht auch im Bericht nachzulesen – sind offenbar bei Rot und Schwarz – bei den Freiheitlichen war es schon früher der Fall – die ersten politischen Zweifel aufgetaucht, ob die Lösung mit der ASFINAG der richtige Weg ist. (Abg. Schwemlein: Damals warst du aber noch ein Liberaler!) – Ich habe nicht so viel Zeit, Herr Kollege, um dir jetzt antworten zu können.

Im Jahre 1992 sind die ersten Zweifel auch von seiten des Wirtschaftsministeriums geäußert worden, und dann dauerte es fünf Jahre, bis man die Strukturen in der ASFINAG änderte. (Abg. Wabl: Der Rosenstingl wäre ein guter Finanzberater!) Meine Damen und Herren! Das ist schlichtweg ein Armutszeugnis. Es tut mir leid, Ihnen das mit diesen Worten sagen zu müssen, aber da gibt es nichts zu beschönigen, es ist ein Armutszeugnis dieser Republik. Es ist, Herr Bundesminister, ein Versagen in Ihrem Ressort, und das ist einmal mehr ein Grund dafür, weshalb wir die Auffassung vertreten, daß Ihre Tage als Wirtschaftsminister eigentlich gezählt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Silhavy. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.55

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Herr Kollege Firlinger, Sie sollten sich nicht so auf das Jammern konzentrieren, was die Ladung der Auskunftspersonen betrifft, sondern Sie sollten uns vielmehr dankbar dafür sein, daß wir seriös damit umgehen, denn: Wenn ich mich an meine Zeit im Rechnungshofausschuß erinnere, dann fällt mir ein, daß Sie gar Verstorbene geladen hätten, und das ist auch nicht gerade das Beste. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Rechnungshof kritisiert in seinem Nachtrag zum Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 1996, daß die Ziele der Schulbuchaktion nach anfänglichen Erfolgen zunehmend verfehlt wurden. Dies wurde auch von Minister Bartenstein in der Ausschußdebatte bestätigt. Er mußte zugeben, daß der Versorgungsgrad von 85 Prozent im Schuljahr 1994/95 auf 75 Prozent beziehungsweise 76 Prozent im Schuljahr 1996/97 gesunken ist. Ein Ziel der Neuorganisation der Schulbuchaktion sollte auch die Erhöhung des Versorgungsgrades sein.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben bei dieser Neuorganisation ausdrücklich festgehalten, daß das Eigentum nach wie vor bei den einzelnen Schülerinnen und Schülern verbleiben muß und es im freiwilligen Ermessen des jeweiligen Schülers oder der jeweiligen Schülerin sein muß, ob sie die Bücher weiterverwenden oder weitergeben wollen.

Der Presse muß ich nun entnehmen, daß diese Freiwilligkeit offensichtlich von den zuständigen Ministern – Bartenstein und Gehrer – keinesfalls gewährleistet werden kann. Ich befürchte, daß wir uns mit dieser Problematik in diesem Haus noch intensiver auseinanderzusetzen haben werden.

Zur Frage der kartellrechtlichen Situation hat der Herr Bundesminister im Ausschuß gesagt, daß er auf die besondere Bedeutung des österreichischen Schulbuches verweisen möchte. Ich fordere in diesem Zusammenhang – der Wirtschaftsminister ist mir inzwischen auch abhanden gekommen, ich begrüße dafür den Herrn Staatssekretär –, daß auch die Produktion des österreichischen Schulbuches durch hochqualifizierte österreichische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die es im Druckereibereich gibt, zu erfolgen hat, denn schließlich werden rund 4 000 bis 6 000 Arbeitsplätze durch diesen Bereich mitgesichert.

Frau Kollegin Apfelbeck! Grundsätzlich ist zu betonen, daß für die Schulbuchaktion lediglich 2 Prozent des FLAF aufgewendet werden, und dieser Zuwachs bei den Schulbüchern ist weit unter dem Verbraucherpreisindex gelegen. Sie verwenden ja wieder Ihre übliche Zahleninterpretation, die – außer, was die Finanzen der Freiheitlichen betrifft – immer überdurchschnittlich bejammert wird.

Bundesminister Bartenstein ist nicht da, aber die Familiensprecherin der ÖVP ist da: Ich würde Sie bitten, vielleicht doch auf den Bundesminister dahin gehend einzuwirken, daß er ideologische Vorstellungen nicht auf dem Rücken der Schülerinnen und Schülern austragen soll, indem er eine bewährte Maßnahme wie die Schulbuchaktion vernichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre besser, statt nicht vorhandene beziehungsweise noch nicht vorhandene Überschüsse in Almosengesinnung einer Neuverteilung zuführen zu wollen, seine derzeitigen Aufgaben wahrzunehmen. (Abg. Rosemarie Bauer: Bleiben Sie bei Ihren sozialen Rechten! Da kennen Sie sich besser aus!)

Herr Präsident Fiedler! Ich bin immer wieder über die Wahrnehmung, nämlich wie der Rechnungshof seine Aufgaben sieht, etwas verwundert. Sie haben, Herr Präsident Fiedler, im Ausschuß erklärt, daß Ihnen die politische Einigung hinsichtlich der Beibehaltung und Weiterentwicklung von Sachleistungen nicht verborgen geblieben ist. Ich wundere mich doch über die Überlegung des Rechnungshofes hinsichtlich einer Umgestaltung dieses Systems von Sach- auf Geldleistungen; das haben wir ja auch in der Ausschußsitzung besprochen. Es kann nicht Aufgabe des Rechnungshofes sein, die politische Willensbildung zu hinterfragen, sondern es muß vielmehr seine Aufgabe sein, die Vollziehung auf Effizienz und Erreichen von Zielen zu überprüfen.

Ich gestehe aber zu, daß auch Sie in Ihrem Bericht zur Erkenntnis gekommen sind, daß bei einer Geldleistung die zweckwidrige Verwendung und damit die Erreichung des politisch ausdrücklich formulierten Zieles nicht kontrollierbar und damit nicht nachvollziehbar ist. Ich meine, daß diese Erkenntnis uns auffordert, auch in anderen Bereichen darüber nachzudenken, ob man durch eine stärkere Hinwendung zu Sachleistungen nicht doch besser die jeweilige Zielgruppe erreicht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf der Abg. Rosemarie Bauer. – Abg. Silhavy: Aber die Geldleistung schon, Frau Kollegin? Was ist mit den Überschüssen, die der Herr Minister jetzt verteilen will?)

21.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Mag. Steindl. 8 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

21.00

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Meine Herren Präsidenten! Hohes Haus! Ich möchte meine Ausführungen mit einer positiven Feststellung beginnen. Ich bin jetzt das vierte Jahr im Rechnungshofausschuß tätig, und ich bin der Meinung, daß sehr viele Kapitel sehr ausführlich diskutiert und von den Fraktionen unterschiedlich beleuchtet und bewertet werden, wie es ja zu einer richtigen Diskussion dazugehört.

Zwei Dinge fallen mir negativ auf: Zum einen, daß gewisse Themen von den Medien vorweggenommen werden. Manchmal bekommt man die Pressemeldung, bevor sich noch der Abgeordnetenkollege oder die -kollegin im Ausschuß dazu zu Wort gemeldet hat. Man kann dann genau nachvollziehen, ob er oder sie das wortwörtlich wiedergibt oder ob es Abweichungen gibt.

Zum zweiten: Wir laden sehr viele Auskunftspersonen ein, das möchte ich ausdrücklich feststellen. Ich habe aber oft schon erlebt, daß Personen, die vorgeladen wurden, gar nicht zu Wort gekommen sind. Ich denke da zum Beispiel an den Bundesheerbereich. Da haben wir höchstrangige Offiziere vorgeladen, neun Offiziere waren es, wenn ich mich richtig erinnere. Kein einziger von ihnen ist dann zu Wort gekommen. Das sind natürlich Dinge, die meiner Meinung nach vermieden werden sollten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.)

Zum Fall Lenzing. Das ist jener Bereich, den ich im Ausschuß seitens der ÖVP bearbeitet habe. Im Bericht umfaßt er knappe 15 Seiten. Es gab – das muß man dazu sagen – bereits im Vorfeld dieser Rechnungshofüberprüfung Schwierigkeiten, weil die Bank Austria die Prüfung verweigert hat. Der Verfassungsgerichtshof entschied dann letztendlich, daß der Rechnungshof dennoch zuständig sei.

Kollege Schweitzer hat ja nur einen Teil aus diesem Rechnungshofbericht herausgenommen. Es geht nämlich nicht nur um das Lyocell-Werk in Heiligenkreuz, sondern es geht auch um Lenzing. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.) Es geht darum, daß im Personalbereich viele Unverhältnismäßigkeiten vorgekommen sind. Ich sage dazu, und das habe ich schon einmal in einer Rede betont: In einem Privatbetrieb könnten derartige Unregelmäßigkeiten nicht geschehen! (Abg. Mag. Schweitzer: Da hat die SPÖ die Finger drinnen!) Wenn man diese Rechnungshofberichte liest, dann sieht man immer wieder querfeldein, daß solche Dinge eher in staatsnahen Betrieben vorkommen: Zu hohe Vorstandsbezüge, unterschiedliche Zuschußleistungen – interessanterweise nur bei den leitenden Angestellten, nicht bei den einfachen Angestellten! –, und die Urlaubsabfindung hast du, Karl Schweitzer, schon angesprochen. (Zwischenrufe des Abg. Mag. Schweitzer.)

Ich möchte aber auch etwas anderes betonen. Es ist niemand auf die ausländischen Beteiligungen eingegangen. Karl Schweitzer! Du hast dich über die Investitionen im Burgenland aufgeregt. Ich habe zum Beispiel nichts darüber gehört, daß in ein Viskosefaserwerk in Amerika rund 670 Millionen Schilling investiert wurden; Rückfluß: wahrscheinlich null. Dazu habe ich keine einzige Kritik seitens der Freiheitlichen Partei gehört. Es geht euch nur um das Burgenland. Dazu möchte ich schon sagen, daß man bei der Wahrheit bleiben muß. Karl! Wenn du ehrlich bist, dann mußt du zugeben, daß viel mehr dahintersteckt als nur die Kritik an Lenzing und an dem Betrieb. Wenn man sich die Problematik um das Lyocell-Werk Heiligenkreuz anschaut, dann sieht man, daß viele Kritikpunkte zwar stimmen, viele andere aber wiederum nicht. (Abg. Mag. Schweitzer: Alles!) – Nein, das sind zum Teil Halbwahrheiten.

Man kann nicht einfach sagen: ja oder nein. Gewisse Vorwürfe sind gerechtfertigt, darüber kann man diskutieren. Gehen wir das einmal durch.

Vorwurf Nummer eins: die Standortdiskussion. Der Herr Präsident hat die Argumente im Ausschuß auch entsprechend untermauert. Dazu gibt es Fakten, und man muß sich wirklich jedes Argument genauestens anschauen. Warum hat das Burgenland so darauf bestanden beziehungsweise warum haben Politiker darauf bestanden, daß das Lyocell-Werk in Heiligenkreuz gebaut wird? – Weil das Südburgenland – das weißt du als südburgenländischer Abgeordneter genau –, was die Wirtschaft anlangt, wesentlich unter dem Österreichdurchschnitt liegt. Es ist Ziel-1-Gebiet geworden, weil dort nicht einmal annähernd 75 Prozent des österreichweiten BIP-Durchschnitts erfüllt werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Trotz 30 Jahren "Überholspur"! Trotz 30 Jahren Sozialpolitik!)

Karl Schweitzer! Da wirst du mir auch recht geben: Wenn man seitens der EU, seitens des Bundes Mittel zur Verfügung hat – und auch das Land hat dort investieren müssen, sonst hätten es der Bund und die EU nicht gefördert –, dann versucht man ganz einfach, in wirtschaftlich schwache Regionen (demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Krammer) zu investieren, auch wenn durch die Umsetzung unterm Strich keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen werden. (Zwischenrufe des Abg. Mag. Schweitzer.) Das muß man fairerweise sagen.

Stichwort Pendler: 18 Prozent der Pendler sind Wochenpendler. Diese sind nur am Wochenende daheim. Warum? – Weil es im Südburgenland keine Arbeitsplätze gibt (Abg. Mag. Schweitzer: Trotz 30 Jahren Sozialisten!) und weil es keine Infrastruktur gibt. (Abg. Mag. Schweitzer: 30 Jahre "Überholspur!") Im Bezirk Güssing gibt es zum Beispiel nicht einmal eine Eisenbahn! (Abg. Mag. Schweitzer: Trotz 30 Jahren Sozialisten!) Die notwendigste Infrastruktur fehlt. Daher ist es legitim, daß man in Heiligenkreuz eine Infrastruktur schafft, einen Gewerbepark, einen Wirtschaftspark errichtet und daß man Leitbetriebe dort hinstellt. So war das gemeint. (Abg. Mag. Schweitzer: 30 Jahre "Überholspur!") Auch wir von der ÖVP haben gesagt: Jawohl, wir brauchen im Burgenland nicht nur im Gewerbe, in der Industrie, sondern auch im Tourismus Leitbetriebe. Und viele dieser Leitbetriebe funktionieren ja auch. (Abg. Mag. Schweitzer: Zum Beispiel?) Einige halt nicht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt zur Förderung. Es ist schon klar, man kann sagen, die Förderung sei – umgelegt auf die geschaffenen Arbeitsplätze – zu hoch. Aber nur so kann man es auch wieder nicht sehen. Bleiben wir bei der Wahrheit! Kollege Schweitzer! Schau dir die Lyocell-Technologie an! Ich bin bei Gott kein Verteidiger dieses Werkes, aber wir haben schon genug Flauten und böse Überraschungen erlebt, als wir – zum Beispiel im Textilbereich – in personalintensive Betriebe investiert haben. Was war das Resultat? – Sie haben einige Jahre bestanden und dann sind sie abgewandert. (Abg. Mag. Schweitzer: Wo ist die Forschungs- und Entwicklungsabteilung? Ist sie im Burgenland?) Lieber Karl Schweitzer! Diesmal haben wir gesagt, wir investieren nicht in personalintensive Bereiche, sondern in Technik, in Hightech. Alle Experten sagen nach wie vor, daß dieses Produkt ein technisch hochentwickeltes Produkt ist. Das sagen alle Experten! (Beifall der Abg. Dr. Krammer.)

Man muß das in der Relation sehen. Diese Milchmädchenrechnung, nämlich zu sagen, auf der einen Seite sind 123 Arbeitsplätze geschaffen worden (Abg. Mag. Schweitzer: 116!) – oder 116, ich korrigiere mich –, während auf der anderen Seite 500 verlorengegangen sind, gibt ein falsches Bild. Kollege Schweitzer! Du mußt den Rechnungshofbericht lesen. Darin steht ganz genau, daß Personal- beziehungsweise Betriebsberatungen durchgeführt wurden und daß es Vorschläge gegeben hat – schon bevor man das Werk gebaut hat –, daß man in Lenzing rationalisieren muß. Ich könnte dazu noch sehr viel sagen, ich habe mich auch entsprechend vorbereitet.

Ich möchte nur zum Schluß betonen: Wir stehen zu diesem Werk, wir stehen zu diesem Leitbetrieb. Wir machen keine Kindesweglegung, denn wir tragen als Politiker Verantwortung. Aber wir fordern Vertragstreue. Wir fordern, daß bei Lenzing, daß bei Lyocell durch die Betriebsverantwortlichen das erfüllt wird, was mit der EU vertraglich vereinbart worden ist: nämlich nicht 500 oder 600 Arbeitsplätze, sondern vereinbart wurde letztendlich die Schaffung von 200 Arbeitsplätzen. – Das fordern wir ein.

Wir fordern, daß diese Faser auf dem Absatzmarkt aggressiver beworben wird. Wir fordern auch, daß wir entsprechend informiert werden, wenn es einen Eigentümerwechsel gibt. Das haben wir immer glasklar gesagt, und wir stehen nach wie vor zu diesem Projekt.

Ich hätte mich gar nicht zu diesem Thema zu Wort gemeldet. Da aber Herr Abgeordneter Brix so betont hat – ich habe derartiges von seiten der SPÖ zum ersten Mal so eindeutig positiv gehört –, daß du, Kollege Brix – und ich nehme an, die gesamte SPÖ-Fraktion –, zur Pragmatisierung der Beamten im Rechnungshof stehst, schlage ich dir folgendes vor: Setzen wir uns diesbezüglich mit dem Herrn Staatssekretär zusammen. Seine Mitarbeiter haben ein eigenes Gesetz ausgearbeitet, und Experten meinen, es sei ein modernes Gesetz. An uns soll es nicht scheitern! Setzen wir uns zusammen! Setzen wir das zum Wohle dieser Beamten entsprechend um! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Edler, Sie sind der nächste Redner. 5 Minuten Redezeit. – Bitte

21.10

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Schwerpunkt der heutigen Diskussion waren die Anmerkungen zum Rechnungshofbericht, zum Nachtrag betreffend die ASFINAG. – Auch ich möchte kurz diesbezüglich Stellung nehmen.

Natürlich sind das wesentliche Kritikpunkte, die wir im Rechnungshofausschuß sehr lange und eingehend diskutiert haben, und im Rahmen dieses Ausschusses haben wir auch wirklich Auskunft erhalten. Ich glaube, die Kontrolle fand in der Zeit vor der Reform statt, nämlich von Oktober bis Dezember 1996. Der Rechnungshofbericht bezieht sich aber auch auf die Zeit nach der Auslagerung und auf die wirklich neue Struktur.

Wenn Kollege Wurmitzer jetzt angesprochen hat, daß die ÖVP für die Zusammenlegung beider Gesellschaften, der ASAG und der ÖSAG, ist, so begrüße ich das sicherlich. Denn das, was seinerzeit bei den vielen Gesellschaften, die nicht koordiniert waren, passiert ist, darf sich nicht wiederholen.

Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Monaten zwar darüber diskutiert, daß es in Zukunft bei den kommenden Regierungen notwendig sein wird, ein eigenes Infrastrukturministerium zu haben – wir haben das bei vielen Koalitionsverhandlungen andiskutiert –, konnten uns aber nie einigen. Es ist dies eine Wunschvorstellung von mir und von vielen meiner Kolleginnen und Kollegen. Wir könnten damit sicherlich viel einsparen.

Um etwas Aktuelles dazu zu erwähnen: Kollegin Apfelbeck hat den Semmering-Basistunnel Eisenbahn angesprochen. Heute ist für den Straßenteil der erste Spatenstich durchgeführt worden. Wenn wir diese gemeinsamen, für unser Land und für ganz Europa wichtigen Verkehrsaufgaben in einem gelöst hätten und Schiene und Straße gemeinsam geplant und gebaut hätten, dann gäbe es die jetzigen Problemstellungen sicherlich nicht. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wer hat das denn verhindert? Soweit ich mich erinnere, seid ihr seit 1970 an der Regierung!) Aber das ist ein Wunsch an die Zukunft, und ich glaube, es ist ein realistischer Wunsch.

Meine Damen und Herren! Der Herr Wirtschaftsminister ist jetzt nicht mehr da. Ich möchte aber doch allgemein anmerken, Kollege Wurmitzer, daß es sich leider nicht so verhält, daß die ASFINAG derzeit finanziell befriedigend ausgestattet ist. Die Mittel, die, wie geplant, durch LKW-Road-Pricing ab 1998 hätten aufgebracht werden sollen, sind nicht eingetroffen, und daher haben wir derzeit große Schwierigkeiten betreffend die Schließung von Straßenlücken beziehungsweise den Bau unbedingt notwendiger Umfahrungsstraßen.

Ich möchte das als Wiener ansprechen: Ich bin selbstverständlich für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, aber allein damit werden wir es nicht schaffen. Wir brauchen im Großraum Wien, in der Ostregion – wie das auch Kärnten, Steiermark und die westlichen Bundesländer berechtigtermaßen angesprochen und gefordert haben –, auch Umfahrungsstraßen, die sogenannte Nordostspange oder Nordostumfahrung. Diese ist dringend notwendig.

Täglich sind die Meldungen über die Südosttangente zu hören: Das dortige Verkehrsaufkommen beträgt 180 000 Fahrzeuge in 24 Stunden! Die Straße ist total verstopft, es gibt täglich einen Verkehrskollaps. Der Wirtschaftsraum Österreich ist gefährdet. Der Wirtschaftsaustausch mit den Reformländern, die bestrebt sind, der EU beizutreten, findet bereits vermehrt statt. Daher müssen wir in diesem Bereich Vorsorge treffen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unbedingt notwendig, daß wir uns Gedanken darüber machen, wie man die ASFINAG finanziell ausstattet, wenn wir nicht vorher betreffend das LKW-Road-Pricing eine Lösung finden. Auch in diesem Zusammenhang geht es um Tausende Arbeitsplätze! Es geht darum, daß wir grundsätzlich mehr Beschäftigte haben. Es gibt Branchenprobleme. Und besonders vom Baugewerbe und der Bauindustrie gehen viele Impulsen für andere Bereiche aus. Ich glaube daher, daß wir zusammenwirken müssen, damit wir diese Finanzierungen auch bekommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Redner ist Herr Abgeordneter Stampler. Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

21.14

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich glaube, grundsätzlich zu Beginn sagen zu dürfen, daß die Erreichung der Ziele im Rahmen der Schulbuchaktion, die im Schuljahr 1972/73 eingeführt wurde, als positiv zu bewerten ist.

Bevor ich auf den Inhalt des Rechnungshofberichtes eingehe, möchte ich festhalten, wie wichtig und unentbehrlich diese Aktion für unsere Kinder ist. Das Zurverfügungstellen von Wissen ist ein wichtiger Beitrag zur Ausbildung unserer Jugend. Die ÖVP steht dazu, daß jeder Schüler, unabhängig von seiner finanziellen Situation, in den Besitz der Bücher und somit in den Genuß der Bildung kommen soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Rechnungshofbericht zeigt jedoch deutlich, daß die Kostenentwicklung im Bereich dieser Schulbuchaktion in den letzten Jahren ständig steigend gewesen ist. So bewegte sich der Aufwand aus dem Familienlastenausgleichsfonds vom Schuljahr 1972/73 von einer Höhe von 567 Millionen Schilling bis zum Schuljahr 1996/97 auf eine Höhe von 1,2 Milliarden Schilling.

Ein Grund dafür sind sicherlich die Kostensteigerungen bei den Papierpreisen und im graphischen Gewerbe. Auch Lehrplanänderungen machten neue Auflagen notwendig. Die Zahl der Titel stieg vom Jahr 1972/73 von 1 050 bis zum Schuljahr 1995/96 auf 3 300 Titel.

Einer der Kritikpunkte im Bericht waren die hohen Kosten für die Verwaltung der Schulbuchaktion und die vermeintlich mangelnde Kontrolle. Im Hinblick darauf gilt es meiner Meinung nach festzuhalten, daß die Vollziehung der Schulbuchaktion so konzipiert ist, daß von der Bestellung der Bücher bis hin zur Einlösung der Schulbuchanweisungen ausreichend Zahlenmaterial vorhanden ist, damit die Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Schulbuchaktion überwacht werden kann. Durch die Schulbuchreform 1998 wurden unter anderem organisatorische Abläufe vereinfacht, wodurch Personalressourcen für andere Dinge eingesetzt werden können.

Wie im Rechnungshofbericht angemerkt wird, kam es durch die Abwicklung der Rabattgewährung durch die Schulbuchhändler zu Zeitverzögerungen, wodurch dem Ministerium Zinsverluste entstanden. Im Rahmen der neu zu verhandelnden Verträge mit dem Buchhandel galt es daher, mit Bezug auf die Schulbuchreform 1998 die Buchhändlerrabatte neu festzulegen. Die Preise der Bücher wurden ab dem Schuljahr 1998/99 um 6,5 Prozent gesenkt, was zu einer Kostensenkung bei der Schulbuchaktion im Ausmaß des bisherigen Bücherrabattes führen wird. Dieser muß jedoch nicht mehr nachträglich rückverrechnet werden, wodurch die Zinsverluste wegfallen. Zusätzlich wurde ein umsatzabhängiger Mengenrabatt für Schulbuchhändler mit Umsätzen über 5 Millionen Schilling ausverhandelt, was für die Schulbuchaktion eine Erhöhung des Budgets um zirka 10 Millionen Schilling bedeuten wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bücher sind Wissen, und Wissen ist wertvoll. Daher ist es wichtig, den Kindern schon in frühen Jahren einen verantwortungsvollen Umgang mit Büchern beizubringen. Es muß nicht jedes Lehrbuch am Ende des Schuljahres in einer Ecke verstauben oder im Mistkübel landen. Gerade in Anbetracht der Kostenentwicklung der letzten Jahre, die ich erwähnt habe, und auch in Anbetracht des erzieherischen Effekts steht die ÖVP ganz klar zu einer künftigen Kombination aus neuen und gebrauchten Unterrichtsmitteln, unter dem Motto: Soviel Eigentum wie möglich, soviel Wiederverwertung wie nötig. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube sehr wohl, daß dieses System funktionieren könnte, und zwar folgendermaßen: Die Schulkonferenz legt fest, welche Unterrichtsmittel für das jeweils kommende Schuljahr notwendig sind. Das Schulforum und der Schulgemeinschaftsausschuß, Gremien, bei denen Eltern, Schüler, Lehrer und Schülervertreter ein Mitspracherecht haben, entscheiden dann, welche Schulbücher der Wiederverwendung zugeführt werden beziehungsweise ob und welche Unterrichtsmittel nach eigener Wahl an der Schule angeschafft werden. Dadurch sollen Eltern und Schüler mithelfen, sich ihrer Gestaltungsmöglichkeit bewußt werden und lernen, wie durch sorgsamen Umgang mit Unterrichtsmitteln die Ausstattung aller Schüler ohne finanzielle Mehrbelastung verbessert werden kann.

Die "Schulbuchaktion neu" hat neue Wege geschaffen: einerseits die Einrichtung moderner Schulbibliotheken, weiters eine sinnvolle Wiederverwendung von Schulbüchern, drittens eine Verbesserung der Ausstattung mit Unterrichtsmitteln und viertens eine Ausstattung mit mehr alternativen Unterrichtsmitteln und somit mehr Flexibilität bei deren Auswahl. So gesehen ist der Weg frei für eine moderne Pädagogik. Gleichzeitig bringt diese neue Schulbuchaktion Erleichterungen für die Schulen, nämlich eine Reduktion des Vollzugsaufwandes im Bereich der Finanzlandesdirektionen und eine Pauschalierung des Elternselbstbehaltes.

Abschließend noch einmal die Ziele dieser neuen Schulbuchaktion: Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung aller Schüler, Hebung der Wiederverwendung und damit qualitativ bessere Ausstattung von Schulbüchern, mehr Autonomie für die Schulen bei der Auswahl, keine Erhöhung des Schulbuchbudgets von derzeit 1,2 Milliarden Schilling, weniger Bürokratie und keine Erhöhung des Selbstbehaltes der Eltern.

Daher sage ich – und dazu stehe ich –: Die Schulbuchaktion ist wichtig. Sie ist ein unersetzlicher Beitrag für die umfassende Bildung unserer Kinder. Sie muß aber einhergehen mit der Erziehung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Büchern. (Beifall bei der ÖVP.)

21.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Binder. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

21.21

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte ein paar Gedanken zum Prüfbericht des Rechnungshofes betreffend die Schulbuchaktion ansprechen, welche auch schon mein Vorredner zum Inhalt seiner Rede gemacht und in ihrer Wichtigkeit unterstrichen hat.

Der Rechnungshof hat in seiner Einleitung zum Bericht einige Probleme aufgezeigt: die Tatsache der Verschlechterung der Versorgung, der Umstand, daß die Kosten des Lehrpersonals überproportional hoch waren und daß fehlende einschränkende Bestimmungen das Angebot der Schulbücher steigen ließen. Es wurde festgestellt, daß die Abwicklung der Schulbuchaktion verändert werden könnte.

Kollege Stampler hat schon auf die Ziele der Schulbuchaktion hingewiesen. Einige Punkte, die ich noch ergänzend erwähnen möchte, sind die finanzielle Entlastung der Familien in Österreich, die Chancengleichheit für alle Schüler und der Abbau von sozialen Bildungsschranken. In seinen Schlußbemerkungen meint der Rechnungshof, daß aufgrund des aufwendigen Verfahrens der Vollziehung der Schulbuchaktion Systemänderungen zu erwägen wären.

Meine Damen und Herren! Im Dezember 1997 wurde ein Entschließungsantrag angenommen, der die Schulbuchaktion zum Inhalt hatte und in dem ein Bekenntnis dazu abgegeben wurde. Festzustellen ist, daß am Gesamtvolumen des Familienlastenausgleichsfonds die derzeit 1,2 Milliarden Schilling für Schulbücher ein eher kleinerer Anteil sind. Weiters ist festzustellen, daß, gemessen an der Indexsteigerung der letzten 25 Jahre, die Erhöhung der Mittel für die Schulbuchaktion nur eine sehr geringe Steigerung darstellt.

Eine Systemänderung gab es. Ihre Auswirkungen zeigen Presseaussendungen von gestern. Darin heißt es: "In meiner Klasse müssen wir um Bücher losen. – Unser Lehrer hat einfach die Geschichtsbücher abbestellt. – Ich bekomme meine Bücher erst im Oktober. – So ärgerten sich österreichweit Schüler und Schülerinnen über die chaotischen Zustände um ihre Schulbücher am SchülerInnennotruf des AKS." – Soviel zu den Presseaussendungen.

Meine Damen und Herren! Für mich steht trotzdem fest, daß die Schulbuchaktion eine sehr wesentliche und wichtige familienpolitische und bildungspolitische Sachleistung ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb kann ich dem Gedanken beziehungsweise dem Vorschlag des Rechnungshofes betreffend Umwandlung der Sachleistung in eine Geldleistung auf keinen Fall folgen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

21.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Moser-Starrach gelangt nun zu Wort. – Bitte.

21.24

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Silhavy! Liebe Frau Kollegin Binder! Ich kenne die APA-Aussendung. Ich weiß, daß jedes Jahr zu Schulanfang "Chaostheorien" zum Schulbuch heraufbeschworen werden. Die Sachlage ist aber nicht so. Ich habe selbst 18 Kollegen in Tirol, zwei in Salzburg und drei in der Steiermark angerufen und erfahren, es ist alles in bester Ordnung.

Ich selbst bin, wie Sie wissen, ein absoluter Gegner von Sachleistungen. Sie haben uns bloß an den Rand des Machbaren gebracht und die Verschwendungssucht entsprechend gesteigert. Ich stimme also absolut mit dem überein, was der Rechnungshof schon seit Jahren fordert, nämlich die Sachleistungen in Geldleistungen umzuwandeln. Ich finde, das wäre wesentlich sinnvoller. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich selbst möchte jetzt aber zu den Bezügen, Gebühren und Honoraren der Ärzte an öffentlichen Krankenanstalten Stellung nehmen. Der Rechnungshof empfahl in seinem Bericht drei wesentliche Dinge.

Erstens: Der Bereich Sondergebühren wäre im Krankenanstaltengesetz des Bundes zu regeln, die länderweise unterschiedlichen Aufteilungsregelungen der Honorare zwischen leitenden und nachgeordneten Ärzten wären nach Möglichkeit zu vereinheitlichen, und ein Gebührenanspruch wäre ausschließlich gegenüber dem Rechtsträger festzulegen, um finanzielle Abhängigkeiten zwischen Dienstnehmern zu vermeiden.

Zweite Forderung des Rechnungshofes: Die Grundgehälter einer neuen Besoldungsregelung sollten allen Spitalsärzten eine adäquate Entlohnung sichern. Die Entlohnung des ärztlichen Personals wäre aus den Einnahmen des Anstaltsträgers zu bestreiten. Dabei wäre die unmittelbare Abhängigkeit der Spitalsärzteeinkommen von den Sonderklassepatienten zu beseitigen.

Dritte Forderung: Von der Beteiligung der Ärzte an den Ambulanzgebühren wäre in Hinkunft abzusehen.

Zu den Sondergebühren einige Gedanken: Den Empfehlungen des Rechnungshofes steht der Wunsch der Länder nach Subsidiarität entgegen. Den Spitälern der Länder stand es nach den krankenanstaltenrechtlichen Bestimmungen bisher frei, neben der Führung der allgemeinen Gebührenklasse bis zu einem Viertel der Gesamtbetten als Sonderklasse zu führen. Es gab einen Rahmenvertrag zwischen den Krankenanstaltenträgern und den honorarberechtigten Ärzten. Darin waren Hausabgaben und Abgaben an die nachgeordneten Ärzte vorgesehen.

Salzburg, Kärnten und Steiermark haben nun bereits eine Gebührenregelung für Sondergebühren. Der Träger hebt die Kosten ein und verteilt sie nach einem bestimmten Schlüssel an den leitenden Arzt, an das nachfolgende ärztliche und nichtärztliche Personal und sogar an einen Fonds, der Weiterbildung und soziale Angelegenheiten regelt. In anderen Bundesländern wiederum will der Träger in die sensible Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht eingreifen, und es sind individuelle Regelungen vorgesehen.

Mein Bundesland Tirol hat seit 1. Juli 1998 sogar ein eigenes diesbezügliches Landesgesetz. Die neugefaßten Bestimmungen führten zur konsensualen Übereinstimmung und genauen Aufteilungsschlüsseln zwischen Anstaltsträgern und leitenden Ärzten, zu Honoraren in der Sonderklasse und zur Aufteilung beziehungsweise zum Anspruch auf Honoraranteile für das akademische und nichtärztliche Personal, aber auch zur transparenten Gebarung zwischen honorarberechtigten Ärzten und Verrechnungsstellen der Anstaltsträger. Ich sehe daher in der Verabschiedung dieser Novelle zum Tiroler Krankenanstaltengesetz eine sehr positive Reaktion auf die Empfehlungen des Rechnungshofes.

Zur Besoldungsregelung. Es mag für die Öffentlichkeit immer wieder nach himmelschreiender Ungerechtigkeit oder nach Institutsvorstands- oder Primarärztekaisertum aussehen, wenn Spitzenärzte, die weltweit anerkannt sind, auch Spitzeneinnahmen haben. Tatsache ist, daß die Möglichkeit von Sondergebühren schon immer in die Grundgehälter miteingerechnet wurde. Das heißt im Klartext, daß die Gehälter nicht von vornherein der Ausbildung unserer Ärzte, deren Verantwortung und der Tragweite ihrer nur allzu oft lebensentscheidenden Tätigkeiten und Anordnungen entsprechen, sondern daß die zu erwartenden Sondergebühren von vornherein in ihre Gehälter miteingerechnet werden.

Meine Damen! Meine Herren! Wenn ein Arzt sein Leistungsprofil erfüllt, wenn Qualität und Leistung seiner Tätigkeit gegenüber dem öffentlichen Auftrag stimmen, wenn er mit dem Anstaltenträger Kosten der benützten Infrastruktur abrechnet und jegliche Unschärfen und Graubereiche ausgleicht, wenn er das nachfolgende ärztliche und nichtärztliche Personal entschädigt beziehungsweise mit ihnen entsprechende Vereinbarungen getroffen hat, dann ist damit sein Mehrerwerb voll gerechtfertigt.

Darüber hinaus gibt es einen großen Vorteil auch für die Krankenanstalten selbst, da sie Mehreinnahmen haben und sich dadurch auch mehr leisten können. Das ist im Sinne von Eigenverantwortung, Kompetenz und bei korrekter Abwicklung absolut gutzuheißen.

Ein Schlußwort noch zur Eigenverantwortung: Die Freiheit des einzelnen hört dort auf, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. (Abg. Mag. Schweitzer: Wenn die Freiheit des Nächsten beschnitten wird!) Wir haben in Österreich ein gutes staatliches Gesundheitswesen. Wir geben dafür 170 Milliarden Schilling, also 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, aus. Uns wird weder beim Autokauf noch beim Junkfood-Konsumieren dreingeredet. Die unterschiedlichsten Angebote werden von unserer Konsumgesellschaft in großem Umfang wahrgenommen, nicht aber im Gesundheitswesen. Gratisangebote, wie etwa der wertvolle Mutter-Kind-Paß oder die Gesundenuntersuchungen, werden nur zögerlichst wahrgenommen. Höheres Einkommen und steigender Bildungsgrad müßten doch als Voraussetzung dafür reichen, daß man mehr Interesse für die eigene Gesundheit entwickelt! (Beifall bei der ÖVP.)

Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts, meinte Schopenhauer. Und jeder wünscht sich, ein hohes Alter zu erreichen. Aber was ist ein hohes Alter, wenn die Lebensqualität nicht stimmt? 

Ich darf bei dieser Gelegenheit den Wunsch einer EU-weiten Denkgruppe im Gesundheitswesen weitergeben, die derzeit in Igls tagt: eine Stelle in Österreich zu installieren, wo alle Studien im Gesundheitsbereich koordiniert und evaluiert werden. Oder: Wie heißt der Slogan der Apotheker, die für unsere gesunde Entwicklung sorgen? – Kompetent, aktiv und unverzichtbar wie unsere ureigenste Verantwortung für Gesundheit! (Beifall bei der ÖVP.)

21.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.33

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die 1982 gegründete ASFINAG als zentrale Finanzierungseinrichtung für Autobahn- und Schnellstraßeneinrichtungen war wahrlich mehr als ein Jahrzehnt mäßig erfolgreich. Da hat der Rechnungshof völlig recht mit seiner Kritik. Mit dem Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997 wurden die Strukturen allerdings in der Tat bereinigt, und der ÖVP-Kollege Wurmitzer hat recht, wenn er meint, daß die Gesellschaft nunmehr effizient und erfolgreich arbeitet.

Diese effiziente und erfolgreiche ASFINAG hat für ein steirisches Straßenprojekt bereits ein Budget von 270 Millionen für das Jahr 1999 und 270 Millionen für das Jahr 2000 fixiert. Es geht um das wichtigste steirische Straßenprojekt überhaupt, meine Damen und Herren, um die zweite Röhre des Plabutsch-Tunnels. Erste Ausschreibungen sind schon erfolgt. Und was fehlt jetzt noch? – Es fehlt das grüne Licht von Wirtschaftsminister Farnleitner.

Ich bedauere es sehr, der Herr Minister wird in dieser Woche von Kritik ohnehin schon schwerst gebeutelt, aber ich kann ihm diese Kritik nicht ersparen: Der Herr Minister ist diesbezüglich säumig, meine Damen und Herren. Es ist dringend notwendig, daß für die zweite Röhre des Plabutsch-Tunnels grünes Licht gegeben wird.

Derzeit bewegen sich dort mehr als 20 000 Kfz täglich im Gegenverkehr. Das ist ein enormes Gefahrenpotential! Und wie schaut es mit der Wartung aus? – Wenn im Tunnel Arbeiten notwendig sind, dann kommt es zu einem Verkehrsinfarkt im Großraum Graz. Daher mein Appell an Sie, Herr Minister Farnleitner: Tun Sie etwas für die Menschen in der Steiermark, für die Menschen im Großraum Graz! Machen Sie den Weg frei für die zweite Tunnelröhre im Plabutsch, und zwar schleunigst! (Beifall bei der SPÖ. )

21.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.34

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich im Zusammenhang mit dem Bericht des Rechnungshofes kurz mit der Lenzing AG beschäftigen. Meine Vorredner sind im Detail auf dieses Thema eingegangen. Ich möchte die Kritik, aber auch das Positive, das der Rechnungshof herausgestrichen hat, nur stichwortartig erwähnen.

Der Rechnungshof kritisierte die Unternehmenspolitik. Er hat einige Anmerkungen dazu gemacht und Anregungen dazu gegeben. Auch das Rationalisierungsprogramm und die Standortfrage wurden vom Rechnungshof aufgezeigt. Ebenso hat er die ausländischen Beteiligungen ganz genau unter die Lupe genommen und hat bei diesen Beteiligungen festgestellt, daß manche Mittel nicht richtig angelegt wurden. Der Rechnungshof hat auch das Förderungsvolumen erwähnt und unter die Lupe genommen.

Als positiv hat der Rechnungshof vermerkt, daß die Umweltauflagen, die von den Behörden erteilt wurden, zu einem großen Teil umgesetzt werden konnten. Es wurden eine Abfallverbrennungsanlage errichtet, eine Abwasserreinigungsanlage entwickelt, und auch die Ökobilanz wurde regelmäßig erstellt.

Kritisiert wurde vom Rechnungshof die Personalpolitik. Und in den Schlußfolgerungen des Rechnungshofberichtes wird zusammenfassend folgendes empfohlen: erstens die Rationalisierungsmöglichkeiten im innerbetrieblichen Leistungs-, Produktions- und Verwaltungsbereich entsprechend auszuschöpfen, zweitens die einzelnen Geschäftsbereiche am Standort Lenzing zu verselbständigen, drittens die Weiterentwicklung von Kooperationen oder Partnerschaften zu verbessern, viertens die produktmäßige Absicherung des Standortes Lenzing auf breiterer Basis zu verstärken und fünftens die Weiterführung der Globalisierungsstrategie zu überdenken beziehungsweise neu zu ordnen.

Als nicht rechtskundiger Abgeordneter bin ich dafür dankbar, daß uns der Rechnungshof in vielen Bereichen durch seine Berichte umfangreiches Material in die Hand gibt, das es uns ermöglicht, uns Einblick in die einzelnen Bereiche zu verschaffen, und zwar nicht nur in die Gebarung verschiedener Firmen, sondern auch in die der verstaatlichten Industrie.

Ich bin zuversichtlich, daß auch die Lenzing AG, wenn sie die Empfehlungen des Rechnungshofes umsetzt, Zukunft hat. (Beifall bei der ÖVP.)

21.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt der Herr Präsident des Rechnungshofes. – Bitte, Herr Präsident.

21.38

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Einen wesentlichen Teil des Nachtragsberichtes des Rechnungshofes über das Jahr 1996 nehmen die Ärztehonorare ein. Es wurde diesbezüglich im Ausschuß eine sehr ausführliche und auch sehr kontroversielle Debatte geführt, die aber, wie ich finde, auf durchaus hohem Niveau gestanden ist.

Es ist heute im Zuge der Plenardebatte dieses sehr heikle Problem wiederum von mehreren Rednern angesprochen worden. Ich möchte von seiten des Rechnungshofes auch hier im Plenum klarstellen, worum es ihm im Zusammenhang mit den Ärztehonoraren geht. Es geht nicht darum, daß jemandem etwas weggenommen werden soll oder daß Neidkomplexe geweckt werden sollen, sondern darum, daß die Vorgaben, die in der Verfassung beziehungsweise im Bundesgrundsatzgesetz festgelegt sind, bei den Ausführungsgesetzen, die die Länder zu beschließen haben, auch tatsächlich eingehalten werden. Denn wie der Rechnungshof bei seiner Querschnittsprüfung in Österreich feststellen konnte, gibt es eine Reihe von Ländern, in denen die Grundsätze, die im Grundsatzgesetz niedergelegt sind, nicht eingehalten werden. Das heißt, es gibt eine ganze Reihe von landesgesetzlichen Regelungen, die mit dem bundesgesetzlichen Grundsatzgesetz nicht im Einklang stehen. Dem Rechnungshof geht es in diesem Zusammenhang darum, daß Verträge nur zwischen den Patienten und den Rechtsträgern abgeschlossen werden und nicht zwischen den Ärzten und den Patienten, wie dies in manchen Ländern der Fall ist, was eben nicht grundsatzgesetzkonform ist.

Ich glaube, es sollte das Anliegen auch dieses Hauses sein, alles zu tun, um darauf hinzuwirken, daß diesbezüglich in ganz Österreich eine einheitliche Regelung Platz greift, die auch den Grundsätzen moderner Entlohnung entspricht; und der oberste Grundsatz moderner Entlohnung ist eben die Leistungsgerechtigkeit. Diese ist nach Ansicht des Rechnungshofes nicht flächendeckend gegeben, und er meint daher, daß in diesem Zusammenhang Änderungen am Platze sind. Es sollte der Gebührenanspruch, den der einzelne Arzt hat, nur gegenüber seinem Rechtsträger geltend gemacht werden können. Es sollte nur ein Rechtsanspruch des einzelnen Arztes gegenüber dem Rechtsträger bestehen und nicht gegenüber dem Patienten.

Darüber hinaus hat der Rechnungshof – und auch dies kommt in seinem Bericht sehr deutlich zum Ausdruck – eine gerechte Honoraraufteilung zwischen den Primarärzten auf der einen Seite und den nachgeordneten Ärzten auf der anderen Seite angeregt und in seinen Schlußempfehlungen festgehalten. Ich glaube, daß das legitime Anliegen des Rechnungshofes sind. Es sind jedenfalls legitime Empfehlungen, und alle, die im Gesundheitswesen tätig sind und dort ihren Einfluß geltend machen können, sollten das Ihre dazu beitragen, daß diesen Empfehlungen entsprochen wird.

Ich darf mich bei einer ganzen Reihe von Rednern aus allen Fraktionen dafür bedanken, daß diese Empfehlungen des Rechnungshofes heute in der Debatte verbal aufgegriffen wurden, und ich sehe darin den ersten Schritt, daß es zu einer Umsetzung kommen wird.

Frau Abgeordnete Apfelbeck! Sie haben im Zusammenhang mit dem Bericht des Rechnungshofes über den Semmering-Basistunnel Kritik am Rechnungshof dahin gehend geübt, daß dieser Bericht dem Nationalrat noch nicht vorgelegt werden konnte. Es ist natürlich richtig: Der Bericht liegt dem Nationalrat noch nicht vor. Ich darf aber eine Erklärung dafür geben, warum er ihm noch nicht vorliegt.

Der Rechnungshof hat das Prüfungsergebnis in der ersten Märzhälfte dieses Jahres an vier geprüfte Stellen versandt, um von diesen vier geprüften Stellen die Stellungnahmen einzuholen, wie dies in der Verfassung vorgesehen ist. Die Stellungnahmefrist beträgt maximal drei Monate, so wie dies gleichfalls in der Verfassung vorgesehen ist. Wenn man nun von März weg drei Monate dazurechnet, wären die Stellungnahmen spätestens Mitte Juni beziehungsweise während der ersten Junihälfte fällig gewesen

Tatsächlich hat eine dieser vier Stellen, denen der Bericht zur Stellungnahme übermittelt wurde, diese Frist bei weitem überschritten, nämlich um insgesamt sieben Wochen; daher ist diese Stellungnahme erst am letzten Julitag im Rechnungshof eingelangt. Im Anschluß daran mußte der Rechnungshof seine Gegenäußerung abgeben. Erst dann, wenn die Gegenäußerung abgegeben ist, kann er an die Verfassung des Berichts für den Nationalrat schreiten. Im Hinblick auf die sieben Wochen, die von seiten dieser geprüften Stelle überzogen wurden, hat sich die gesamte Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes beziehungsweise die Berichtserstellung durch den Rechnungshof verspätet. Ich darf also unter Berufung auf die Ihnen jetzt zugekommenen Mitteilungen um Verständnis dafür ersuchen, daß es nicht in der Ingerenz des Rechnungshofes gelegen ist, daß dieser Bericht dem Nationalrat noch nicht zugeleitet werden konnte. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter! Es waren vier Stellen. Es ist heute keine dieser vier Stellen vertreten, die dazu Stellung nehmen könnte. Ich darf daher um Verständnis dafür ersuchen, daß ich diese eine Stelle nicht namentlich nenne. Es war von diesen vier geprüften Stellen eine. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wann kommt er?) – Ehestens. Wir arbeiten zügig daran, Frau Abgeordnete, und Sie können versichert sein, daß auch wir interessiert daran sind, diesen Bericht möglichst rasch dem Nationalrat vorzulegen. (Neuerlicher Zwischenruf bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ – in Richtung Freiheitliche –: Haben wir eine Fragestunde?)

Frau Abgeordnete! Was die Dauer der Prüfung durch den Rechnungshof anlangt, darf ich folgendes ausführen: Die Prüfung selbst hat nicht ein Jahr gedauert, sondern wesentlich kürzer. Im Zusammenhang mit der darauffolgenden Erstellung der Prüfungsmitteilungen hat sich ungefähr – aber auch nicht ganz – ein Jahr ergeben.

Man muß aber dabei bedenken, daß es sich gerade bei dieser Prüfung, nämlich bei jener betreffend den Semmering-Basistunnel, ja um keinen Normalfall handelte. Diese Prüfung griff, was die zeitliche Dimension anbelangt hat, sehr tief in die Vergangenheit zurück und hat eine ganze Reihe von komplexen Fragen aufgeworfen, die ich aber jetzt nicht näher ausführen möchte, denn ich kann sie als bekannt voraussetzen. Darüber hinaus – das wurde ausdrücklich in dem uns erteilten Auftrag begehrt – sollten auch noch Alternativen geprüft beziehungsweise dazu von seiten des Rechnungshofes die entsprechenden Stellungnahmen bezogen werden.

Ich darf darauf hinweisen, daß unter Berücksichtigung all dieser Fakten meiner Ansicht nach – und ich habe eine diesbezügliche Erfahrung – die Dauer der Vornahme der Prüfung und auch der Erstellung des Prüfungsergebnisses durch das Prüfungsteam des Rechnungshofes nicht ungewöhnlich lang ist.

Zur Frage, wann der Bericht erstellt werden kann, möchte ich nochmals darauf verweisen, daß der Endablauf während der letzten Monate nicht mehr in der Hand des Rechnungshofes beziehungsweise nicht mehr ausschließlich in seiner Hand liegt, weil eben – verständlicherweise – auch andere Stellen zur Abgabe einer Stellungnahme verpflichtet sind und daher dem Rechnungshof von dem Zeitpunkt an, zu welchem er das Prüfungsergebnis den geprüften Stellen übermittelt, kein unmittelbarer Einfluß mehr auf die zeitlichen Vorgaben zukommt. Jetzt, da diese Stellungnahmen vorliegen, kann er es wieder, und ich darf nochmals versichern: Wir arbeiten daran und werden den Bericht ehestens vorlegen.

Im Zuge dieser Debatte wurde von mehreren Rednern die Schulbuchaktion angesprochen beziehungsweise insofern Kritik an den Vorstellungen, an den Vorschlägen und Feststellungen des Rechnungshofes geübt, als sehr deutlich zum Ausdruck gekommen ist, daß man sich den Empfehlungen des Rechnungshofes nicht anschließen könne. Das ist für den Rechnungshof nichts Neues. Es kommt immer wieder vor, daß seine Empfehlungen nicht oder doch nicht sogleich aufgegriffen werden. Er stellt allerdings auch öfter fest, daß seine Empfehlungen im Moment keine Mehrheit finden, daß sich aber im Laufe der Zeit dann doch eine höhere Einsicht durchsetzt und die Empfehlungen umgesetzt werden.

Was mich aber im Zusammenhang mit den Empfehlungen des Rechnungshofes zur Schulbuchaktion veranlaßt, Näheres auszuführen, ist der Umstand, daß dem Rechnungshof mehr oder weniger die Legitimation zur Kritik am derzeitigen System beziehungsweise die Legitimation zur Erstellung neuer Empfehlungen abgesprochen wurde.

Ich möchte einmal grundsätzlich darauf verweisen, daß – und das kommt im Bericht sehr deutlich zum Ausdruck – hinsichtlich der Tatsache, daß die Schulbuchaktion von allen politischen Fraktionen befürwortet wird, kein Zweifel aufkommen darf und soll und daß sie auch der Rechnungshof nie in Frage gestellt hat. Was er aber festgestellt hat, ist, daß sich gegenüber dem Zeitpunkt, zu welchem die Schulbuchaktion eingeführt wurde, die Rahmenbedingungen doch nicht unwesentlich verändert haben. Beispiele dafür: die höhere Schulautonomie, die es damals nicht gab, oder aber auch das Verfahren, das sich wesentlich aufwendiger gestaltet beziehungsweise mit fortschreitender Zeit gestaltet hat als ursprünglich, und ähnliches mehr.

Angesichts der Änderung der Rahmenbedingungen und auch der Tatsache, daß alle Aktivitäten des Staates unter den Vorgaben des Sparpakets stehen – darüber muß man sich im klaren sein – hat der Rechnungshof Überlegungen angestellt, wie man eine kostengünstigere Lösung anpeilen könnte. Dem Rechnungshof war durchaus klar, daß gerade im Zusammenhang mit der Schulbuchaktion eigentlich schon alle Positionen irgendwie politisch besetzt sind und daß es daher natürlich nicht ungefährlich ist, wenn der Rechnungshof sich die eine oder andere Position zu eigen macht oder vielleicht eine Position einnimmt, die danach politisch besetzt werden könnte.

Er hat daher, soweit es um Alternativen gegangen ist, mit der nötigen Vorsicht seine Vorschläge eingebracht, und schon die Diktion des Rechnungshofes in diesem Zusammenhang ist eine äußerst vorsichtige. Sie lautet: Man soll das Verfahren für die Versorgung der Schüler mit Unterrichtsmitteln überdenken.

Es wurde diesbezüglich vom Rechnungshof auch die mittelfristige Umstellung von Sach- auf Geldleistungen in Erwägung gezogen. Darüber hinaus hat der Rechnungshof bei dieser von ihm angeregten mittelfristigen Umstellung von Sach- auf Geldleistungen die Vor- und Nachteile, wie er sie gesehen hat, aufgelistet, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, er wolle dabei eine Schwarzweißmalerei entwickeln. Er hat sieben Vorteile und fünf Nachteile aufgelistet.

In Anbetracht dieser zwölf Argumente – teils für, teils gegen die von ihm vorgenommene Anregung – scheint es mir nicht ganz zulässig zu sein, ein einziges Argument, nämlich ein Kontraargument, herauszugreifen und damit die Vorstellungen des Rechnungshofes zu konterkarieren. Das ist eine Vorgangsweise, die mir nicht adäquat erscheint, vor allem nicht im Hinblick auf die objektive Darstellung des Rechnungshofes, der ja selbst Vor- und Nachteile aufgelistet hat. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Frau Abgeordnete Silhavy! Natürlich steht es Ihnen frei, eine Gewichtung vorzunehmen. Das ist ganz klar. Selbstverständlich! (Rufe bei der SPÖ: Das ist aber sehr großzügig!) Aber ich glaube nur, daß es für den Rechnungshof nicht angehen kann, daß er eine solche Gewichtung dann mitvollziehen muß. Ich hoffe, daß ich Sie in diesem Zusammenhang nicht falsch verstanden habe.

Wir stehen sowohl zu den von uns aufgezeigten Vorteilen als auch zu den Nachteilen und meinen, ein Überdenken der Situation könnte Platz greifen.

Frau Abgeordnete, Sie haben des weiteren ausgeführt, daß der Rechnungshof die Einhaltung der politischen Vorgaben zu überprüfen hat. Das ist richtig, da gehe ich mit Ihnen völlig konform. Nur: Was sind die politischen Vorgaben bei der Schulbuchaktion? – Es geht doch darum – und darin sind wir uns doch alle einig, nämlich alle Fraktionen wie auch der Rechnungshof –, die Schüler kostengünstig und ausreichend mit Schulbüchern zu versorgen. Das heißt, das Ziel, das uns allen vor Augen schwebt, ist eines und ist für alle gleich.

Die Frage ist nur: Auf welchem Weg erreicht man dieses Ziel am zweckmäßigsten und für den Steuerzahler am schonendsten? – Das, Frau Abgeordnete, ist keine Kritik am Ziel, das es zu erreichen gilt, sondern das ist das Aufzeigen einer Alternative, nämlich eines alternativen Weges, um genau dieses Ziel, das auch Sie erreichen wollen, kostengünstiger zu erreichen. Die Legitimation des Rechnungshofes, einen solchen neuen, anderen Weg als Alternative aufzuzeigen, ist einigermaßen unbestritten, national wie international. Das kann sich der Rechnungshof schon deshalb nicht nehmen lassen – deshalb kann er sich auch Einschränkungen nicht gefallen lassen –, weil der Spielraum für ihn, kostengünstigere Alternativen aufzuzeigen, ansonsten ja völlig eingeschränkt wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch betonen, daß der Rechnungshof, wenn er solche Empfehlungen abgibt, sich im klaren darüber ist, daß er damit politische Reflexionen auslösen kann; das ist nicht seine Absicht, aber es kann durchaus sein. Es wäre jedoch ein sehr mutloser Rechnungshof, der sich bereits im Vorfeld, sobald er solche politischen Reflexionen nur annimmt oder erahnen kann, davon abhalten ließe, seine Empfehlungen dennoch zu Papier zu bringen, wenn er sie für richtig hält. Ein Rechnungshof, der vor politischen Reflexionen Angst hat, ist fehl am Platz. (Abg. Dr. Mertel: Diese Reflexion war überraschend für Sie!) – Diese Reflexion war nicht überraschend, wir ließen uns dadurch aber nicht von der Überzeugung der Richtigkeit unserer Empfehlung abbringen. Wir lassen uns auch nicht davon abhalten, diese Empfehlung festzuhalten.

Frau Abgeordnete! Ich halte es auch für sehr wichtig, daß sich nicht nur der Präsident des Rechnungshofes davon nicht abhalten läßt, sondern daß sich auch die Beamten des Rechnungshofes durch solche politische Reflexionen nicht abhalten lassen.

Frau Abgeordnete! Sie könnten das Ihre dazu beitragen, daß die Beamten auch die Gewißheit haben, daß das, was heute – übrigens auch von einem Redner Ihrer Fraktion – geäußert wurde, in der Praxis seine Umsetzung erfährt, nämlich daß man dazu beiträgt, im Zusammenhang mit all den Vorstellungen und Vorschlägen, die es jetzt um das Berufsbeamtentum und Vertragsbedienstetengesetz gibt, den Beamten des Rechnungshofes deutlich zu machen, daß das Berufsbeamtentum für sie gewahrt bleibt, um die Gewißheit zu haben, daß sich niemand von ihnen fürchten muß, in irgendeiner Weise derart zur Verantwortung gezogen zu werden, daß er bei der Ausübung seiner Tätigkeit beeinträchtigt wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade dadurch, daß den Beamten des Rechnungshofes von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses heute Lob ausgesprochen wurde, sehe ich mich veranlaßt und auch bestärkt in meinem Willen, vor diesem Hause nochmals darauf zu verweisen – ich habe das schon mehrmals getan –, daß es noch eine Verpflichtung gegenüber den Beamten des Rechnungshofes einzulösen gilt. Es handelt sich dabei um einen nunmehr 50 Jahre alten Entschließungsantrag, der hier in diesem Hohen Hause beschlossen wurde und in dem davon die Rede ist, daß den Beamten des Rechnungshofes eine Rechnungshof-Zulage als besondere Vergünstigung gewährt wird. Es gibt – es kam von seiten der Redner in dieser Debatte bereits zum Ausdruck – einen ausformulierten Gesetzesantrag, der den Forderungen der Beamten des Rechnungshofes Rechnung trägt und der auch gleichzeitig die Erfüllung dieser Entschließung bedeuten würde.

Ich darf mit folgenden Worten schließen: Wenn das Lob, das den Beamten des Rechnungshofes heute von den Fraktionen dieses Hohen Hauses ausgesprochen wurde, ernst gemeint war, dann bitte ich, dies den Rechnungshofbeamten auch mit Nachdruck unter Beweis zu stellen, und zwar mit der Beibehaltung des Berufsbeamtentums im Rechnungshof und mit der Schaffung eines Rechnungshof-Dienstgesetzes. (Beifall bei der ÖVP.)

21.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Schwarzenberger: Nicht länger als 20 Minuten!)

21.55

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Meine Herren Präsidenten! Herr Staatssekretär! Nach dieser – mir ist es zumindest so vorgekommen – nicht ganz passenden Kopfwäsche betreffend unsere Überlegungen zur Schulbuchaktion möchte ich mich mit dem Thema der Planung und Erweiterung der TU Wien noch einmal beschäftigen; einem Thema, bei dem ich mir zweimal zeitversetzt vorgekommen bin: zum einen in die Vergangenheit versetzt, als ich nämlich zu lesen bekam, daß 1919 die Aspanggründe gekauft wurden, um dort die k.u.k. Technische Hochschule zu errichten.

Ich erspare mir jetzt aus zeitökonomischen Gründen den Abriß dieser Zeitgeschichte – das hat Frau Abgeordnete Gredler schon für mich gemacht –, möchte allerdings bei den Jahren 1995/96 fortsetzen. Da kam nämlich zu den Aspanggründen ein weiteres, zweites Projekt hinzu, nämlich das Projekt Donau-City.

Dieses Projekt wurde etwas abgespeckt. Herr Abgeordneter Lukesch! Sie haben schon auf die Kostenvorteile dieses kleineren Projektes hingewiesen. Ein Grund für diese Verkleinerung ist auch eine Absprache mit der TU Graz, die zu einer Dezentralisierung des universitären Angebotes führen könnte, was ja grundsätzlich gutzuheißen ist, denn meiner Meinung nach muß ja nicht alles in Wien konzentriert sein.

In der Diskussion im Rechnungshofausschuß kam auch noch die Überlegung beziehungsweise die Feststellung hinzu, daß die Stadt Wien den Grund und die notwendige Infrastruktur kostenlos zur Verfügung stellt. All das – im synergetischen Zusammenhang mit einem von der Stadt Wien geplanten Technologiezentrum auf der Donauplatte gesehen – würde für diesen Standort sprechen.

Der Rechnungshof faßt in seinem Bericht zusammen und meint – ich zitiere –: Die Planung auf den Aspanggründen sollte fortgeführt und vor einer allfälligen Entscheidung für den Standort Donau-City eine umfassende Kosten-Nutzen-Rechnung vorgenommen sowie die Finanzierung sichergestellt werden. – Wenn ich überlege, wie lange diese unendliche Geschichte schon gedauert hat, und angesichts der Bedeutung der universitären Forschung und Entwicklung im Technologiebereich, dann erscheint mir diese Empfehlung nicht ganz optimal.

Als ich allerdings auf der Suche nach Information über das Projekt Donau-City auf eine Presseaussendung des Wiener Vizebürgermeisters Görg vom 18. August dieses Jahres stieß, da fühlte ich mich zum zweiten Mal zeitversetzt, diesmal in die Gegenwart. Ich fand nämlich folgende Aussagen vor: Zum Technologiezentrum: Anfang September des Jahres 1998 soll die Bauverhandlung für das Technologiezentrum, der Spatenstich November/Dezember stattfinden. – Gut, damit wäre einmal das Technologiezentrum besprochen.

Etwas weiter unten heißt es dann zum Architektenwettbewerb TU – Maschinenbaufakultät: Die Gesellschaftsgründung zwischen BIG und der WED, die Errichtungsgesellschaft für die Maschinenbaufakultät der TU wurde Anfang 1998 abgeschlossen, im Februar 1998 das Raum- und Funktionsprogramm fertiggestellt. – Dann heißt es weiter: Im Juli wurde mit dem EU-weit ausgeschriebenen zweistufigen Wettbewerb begonnen. Das wird dann noch genauer beschrieben. Im Schlußsatz heißt es schließlich: Abschluß des Wettbewerbes im Jänner 1999, möglicher Baubeginn im Jahr 2000.

Sieht man davon ab, daß der Diskussion im Rechnungshofausschuß vom 10. Juni dieses Jahres ein Hauch von Anachronismus anhaftet, ist nunmehr zu hoffen, daß die fast 90jährige Geschichte dieses Neubaues der Fakultät für Maschinenbau der TU beendet ist und nun endlich gebaut wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Lukesch.)

22.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Meine sehr geehrten Herren Präsidenten! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich muß mich heute zwangsläufig mit dem Thema Lyocell beschäftigen, aber eigentlich wollte ich mich ein bisserl ausführlicher mit dem Rechnungshof an sich befassen.

Ich bin auch der Meinung, daß der Rechnungshof ein sehr wertvolles Instrument des Parlamentes ist, aber, Herr Präsident, ich wunderte mich bereits im Ausschuß darüber, wie Sie immer beleidigt reagieren, wenn man ein bisserl Kritik am Rechnungshof übt beziehungsweise wenn etwas hinterfragt wird. Ich verstehe das nicht ganz. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Nein, nicht beleidigt! Er stellt es wieder richtig!)

Bei aller Wertschätzung auch für Ihre Mitarbeiter verweise ich doch darauf, daß zum Beispiel ein Herr Talirz neun Jahre lang durch die Mühlen der Justiz gedreht wurde und erst kürzlich in Graz freigesprochen wurde. Und überall war zu lesen, daß ausschließlich ein Bericht des Rechnungshofs für die Anklage verantwortlich war. Es muß also auch erlaubt sein, über den Rechnungshof zu diskutieren. Vielleicht sollte man das öfter tun, vielleicht sollten wir uns einmal zusammensetzen und einiges, was auch mir bei der nur kurzen Beschäftigung mit der Materie an Ungereimtheiten bereits aufgefallen ist, wirklich leidenschaftslos diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun aber zurück zum Burgenland und zu Lyocell. Unser Geographieprofessor Schweitzer hat den Rechnungshofbericht dazu genützt – wie ihn natürlich viele nützen –, sich die negativen Körnderl herauszupicken. Im großen und ganzen ist der Rechnungshofbericht zur Lenzing AG ja durchaus ein sehr positiver. Wenn der Generaldirektor ein bisserl zu viel verdient oder sich zu viel Urlaub auszahlen hat lassen, ist das ja nebbich im Vergleich zum Gesamtergebnis der Firma beziehungsweise dem, was zum Beispiel über den Umweltschutz dort steht. Auch Lyocell wird dort nicht so schlecht beschrieben.

Obwohl ich damals betreffend Lyocell auch für den Standort Lenzing gekämpft habe, habe ich immer auch Verständnis für die Sicht des Burgenlandes und des burgenländischen Landeshauptmanns gehabt, daß man versucht hat, einen Leitbetrieb in diese benachteiligte Region zu bekommen. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß das richtig war.

Ich werde das dem Kollegen Schweitzer auch gleich erklären, denn er macht etwas, was ich nicht verstehe: Ich würde das als oberösterreichischer Oppositionspolitiker nie tun, daß ich sozusagen in Wirklichkeit Arbeitsplätze gefährde, indem ich ein Produkt oder eine Anlage schlechtmache, ohne ihm oder ihr die Chance zu geben, sich wirklich zu entwickeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werde das gleich ausführen. Ich lese da, was Kollege Schweitzer dazu zu sagen hat, nur um zu zeigen, wie unbedarft er an die Sache herangeht, aber vielleicht macht er es auch bewußt. Er schreibt: Vor allem die Spinnereien haben mit der Qualität der Faser Riesenprobleme – so Schweitzer –, und zwar ein Defibrillierungsproblem. – Ich weiß zwar nicht, ober er weiß, was das heißt, denn er sagt dann weiter: Bei der Verarbeitung löse sich die Faser auf. – Das ist so was von hanebüchen, so ein Unsinn!

Im selben Artikel dementiert der Geschäftsführer des Bereiches der Spinnerei der Linz-Textil, der vermutlich nicht ganz so viel davon versteht wie der Geographieprofessor Schweitzer, die Probleme mit Lyocell: Die Faser löse sich nicht auf, sondern es gebe färberische Probleme. Diese lägen aber nicht an der Faser, sondern an den Ausrüstern. – Das ist also die Wahrheit.

Das heißt, es wurde dort eine großartige technische Leistung vollbracht, es wurde in kurzer Zeit dieses Werk auf die grüne Wiese gestellt. Es funktioniert technisch sehr gut, es gibt aber Absatzprobleme, weil diese Hochpreisfaser ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) – Sie können ruhig lachen, Sie wollen das nicht hören. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Es handelt sich um ein Mengenproblem, und dieses Mengenproblem hätte man in Lenzing genauso. Das ist immer so, wenn man ein Produkt nicht im erforderlichen Ausmaß anbringt. Lesen Sie einmal nach, welche Probleme es bei Perlon- und Nylonwaren gegeben hat, bis sie gegriffen haben! Diese Chance sollte man dem Werk geben, Kollege Schweitzer!

Sie setzen sich ja immer für die kleinen tüchtigen und braven Leute ein. Wenn Sie ein Produkt, einen schönen Anzug etwa, verkaufen wollen, werden sie ihn, wenn Sie ihn vorher mit Farbe oder Gülle anschmieren, auch nicht anbringen. Ich halte das Projekt im Burgenland für ein Zukunftsprojekt.

Lesen Sie Dionys Lehner, Doyen der Textilindustrie, im "profil". Er sagt, das sei die Zukunftsfaser, diese Technologie dürfen wir in Österreich nicht aus der Hand geben, es braucht Geduld. Die Entscheidung war richtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Helfen Sie lieber mit, aber nicht mit irgendwelchen Anschuldigungen – ich sage sogar, nicht mit Dreck schleudern, was es ja wirklich ist, wenn Sie mit solchen Argumenten versuchen, die Faser madig zu machen –, sondern helfen Sie mit, daß diese Arbeitsplätze erhalten bleiben, daß das Werk gepusht wird.

Kollege Schweitzer! Ihre Rede heute war Emmentaler: löchrig, anrüchig – mit einem Wort: ein "Schweitzer" Käse. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

22.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

22.06

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Der Rechnungshof hat 1996 die Gebühren, Bezüge und Honorare der Ärzte an öffentlichen Krankenhäusern und an Universitätskliniken geprüft. Im Ausschuß durfte nur der Bereich der öffentlichen Spitäler hinterfragt werden. Das ist umso verwunderlicher, als es gerade bei den Universitätskliniken eindeutige Mängel gibt, über die die Regierung jedoch offensichtlich ihre schützende Hand hält.

Die Honorierung der leitenden Ärzte in den Spitälern ist eine historisch gewachsene – man kann schon sagen – Ungeschichte, und der Rechnungshof kritisiert völlig zu Recht, daß es zurzeit höchstens mit Insiderwissen möglich ist, diesen Dschungel an Gebühren und an Gehaltssituation zu entwirren.

Prinzipiell setzt sich das Gehalt eines Arztes aus dem Grundgehalt, aus der Sondergebühr, aus einer eventuellen Ambulanzgebühr und aus der Abgeltung für eine eventuelle freiberufliche Tätigkeit zusammen. Das Gehalt ist dabei gering, sodaß der Arzt von Sondergebühren, die ein wesentlicher Einkommensbestandteil sind, abhängig ist.

Diese Sondergebühren wiederum sind die medizinischen Honorare der Privatpatienten, und für diese gibt er je nach Bundesland einen verschieden großen Anteil an die Spitalserhalter ab. In Oberösterreich zum Beispiel sind es 25 Prozent, in Wien – hören Sie, meine Damen und Herren aus Wien! – sind es null Prozent.

Und da beginnen schon die Schwierigkeiten: Sowohl der Auszahlungsmodus als auch der Hausrücklaß – also das, was an das Spital abzugeben ist – ebenso wie die Verteilung an die nachgeordneten Ärzte sind unterschiedlich, und zwar von Land zu Land, manchmal von Haus zu Haus. Das heißt, es herrscht ein vom Rechnungshof richtig aufgezeigter kompletter Kompetenzwirrwarr quer durch alle Bundesländer.

Auch die Höhe der vereinnahmten Honorare ist von Fach zu Fach verschieden. So verdient zum Beispiel ein operativ tätiger Arzt, ein Chirurg, in etwa viermal soviel wie ein Kinderarzt oder wie ein Psychiater, weil letzterer natürlich aufgrund seines Patientenklientels weniger Sonderklassepatienten hat.

Den Forderungen des Rechnungshofes ist also nur zuzustimmen, wenn er sagt: Grundsätzlich ist allen Ärzten eine adäquate Entlohnung zu geben, oder wenn er zweitens meint: Unmittelbare Abhängigkeit der Spitalsärzte von den Sonderhonoraren ist zu beseitigen, denn hier herrscht ein wirkliches und wahres Ungleichgewicht.

Vor einer kompletten Systemänderung warnen allerdings auch alle zu diesem Ausschuß geladenen Experten. Denn was würde passieren? – Würde man das System so ändern, daß man zum Beispiel die Sondergebühren völlig abschafft und eine fixe Gehaltssituation schafft, dann würde die reine Zweiklassenmedizin entstehen, denn jene Patienten, die weiterhin Privatpatienten sind – es wird ja weiterhin Privatversicherungen geben –, werden in die reinen Privatspitäler ausweichen. Und auch das, was der Arzt derzeit von seinem medizinischen Honorar abgibt, käme den Häusern nicht mehr zugute, und es käme zu einer beträchtlichen Belastung der Allgemeinheit. Denn derzeit, meine Damen und Herren, sind immerhin 33,9 Prozent der Bevölkerung privat krankenversichert, und die Gesamtausgaben der privaten Krankenversicherung beliefen sich im Jahre 1996 auf 12 Milliarden Schilling.

Den wirklichen Ist-Stand bei den Universitätskliniken zu hinterfragen war uns in den Ausschüssen nicht gestattet. Dabei ist es laut Rechnungshofbericht gerade in den Universitätskliniken Klinikvorständen eindeutig gestattet, für dieselbe Leistung zweimal ein Arzthonorar für Sonderklassepatienten einzuheben. Es war uns nicht möglich, das zu hinterfragen.

Es war uns aber auch nicht möglich, viele andere Dinge zu hinterfragen wie zum Beispiel das Thema Wiener Festwochen, das Thema Bundesimmobilienverwaltung, das Thema ST Liegenschaftsverwertungs AG oder das Thema schulärztlicher Dienst. Von elf Themen, deren Hinterfragung wir als Oppositionspartei eingefordert haben, durften wir uns lediglich mit sechs befassen. Abgeordneter Wurmitzer war so nett und hat gesagt, daß er jederzeit bereit ist, das nochmals mit uns zu diskutieren, daß er jederzeit gesprächsbereit ist. Herr Abgeordneter! Wir geben Ihnen diese Chance. Ich bringe hiermit – und ich hoffe jetzt natürlich auch auf Ihre Zustimmung, denn das haben Sie ja in aller Öffentlichkeit gesagt –, einen Rückverweisungsantrag dieser Themen an den Rechnungshofausschuß ein.

Antrag

der Abgeordneten Apfelbeck und Genossen betreffend Rückverweisung gemäß § 71 GOG-NR

Der Nationalrat wolle beschließen, den Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Nachtrag zum Tätigkeitsbericht (Zu III-106 der Beilagen) des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1996 (1355 der Beilagen) zur weiteren Behandlung dem Rechnungshofausschuß rückzuverweisen.

*****

Ich freue mich sehr, Herr Abgeordneter Wurmitzer, daß Sie zu Ihrem Wort stehen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als Gesundheitspolitikerin und als Ärztin ist mir natürlich vor allem auch die menschliche und qualitativ wirklich gute Versorgung unserer Bevölkerung in den Spitälern wichtig. Als Abteilungsleiter in einem Spital – und ich kann als Abteilungsleiterin vor Ihnen reden, als eine, die diesen Beruf innehat – muß man heutzutage Manager, wirklich qualifizierter Arzt, Ausbildner und im Rahmen der LKF am besten auch noch Buchhalter sein. Und damit man solche qualifizierten Leute bekommt, bedarf es eines ordentlichen, leistungsbezogenen Honorierungssystems. Ein Lösungsansatz in dem gesamten von Rechnungshof aufgezeigten Wirrwarr wäre zum Beispiel ein gemischtes System, wie es das in anderen Ländern – etwa in Kanada oder in Holland – schon gibt, eine wirklich leistungsadäquate Bezahlung, ein sogenannter Fee for Service, was bedeutet, daß nur derjenige, der eine Leistung wirklich nachweislich erbringt, dafür auch adäquat entlohnt wird.

Meine Damen und Herren! Derzeit bestehen weder eine einheitliche Zuständigkeit noch eine einheitliche Regelung noch ein leistungsbezogenes und transparentes System.

Frau Ministerin Hostasch, die leider heute nicht anwesend ist, hat diesen Rechnungshofbericht. Sie ist am Zug. Wir warten auf die Umsetzung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorgetragene Rückverweisungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Jetzt hat sich Herr Abgeordneter Wurmitzer zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Behauptung, der Sie Ihre Richtigstellung gegenüberstellen wollen. – Bitte.

22.14

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Dr. Povysil hat behauptet, daß im Rechnungshofausschuß elf Themen für die Kontrolle zur Spezialbehandlung im Ausschuß verlangt worden wären.

Diese Darstellung ist unrichtig: Es wurde von der Freiheitlichen Partei kein einziges Thema mit Ausnahme der sechs Themen, über die schon vor der Ausschußsitzung Einvernehmen hergestellt wurde, zur zusätzlichen Beratung verlangt. Das ist das Faktum, und deshalb sehe ich auch keine Notwendigkeit, dem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie trauen sich nicht zustimmen, sagen Sie es doch ehrlich!)

22.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt jetzt eine zweite Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Schweitzer mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 3 Minuten vor. – Bitte.

22.15

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine zweite Wortmeldung ist notwendig geworden, weil ich Kollegen Keppelmüller doch noch einmal auseinandersetzen muß, wie erfolgreich sozialistische Wirtschaftspolitik gewesen ist.

Meine Damen und Herren! Nur die Fakten: Gesamtinvestition in dieses Leitwerk: 2,3 Milliarden Schilling. Ein Großteil dieser Investitionen mußte vom Burgenland in der Form aufgebracht werden, daß man sich im Nicht-EU-Land Schweiz einen Kredit besorgen mußte, um die Kofinanzierung überhaupt aufbringen zu können. Ergebnis: Nachdem man eine Milliarde Schilling Kredit in der Schweiz besorgt und 2,3 Milliarden Schilling insgesamt investiert hatte, entstanden dort 116 Arbeitsplätze. Die Leute haben in erster Linie dafür gearbeitet, daß man die Lager mit der nicht verkaufbaren Faser füllen konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als keine Lagerkapazität mehr vorhanden war, hat man den Betrieb nach nicht einmal einem Jahr einstellen müssen, und acht Wochen lang wurde dort nicht mehr produziert. Nach einer Investition von 2,3 Milliarden Schilling konnte dann acht Wochen lang überhaupt nicht mehr produziert werden, weil diese Faser auf dem Markt nicht anzubringen ist. (Zwischenruf des Abgeordneten Mag. Peter.) Das ist Faktum, das ist SPÖ-Wirtschaftspolitik im Jahre 1997/98! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler.)

Zuletzt, Herr Kollege Keppelmüller, möchte ich fragen: Warum wird, wenn die Faser dermaßen innovativ und gut ist, im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Personalstand um 14 Mitarbeiter reduziert? Warum forscht man dann nicht weiter und versucht, diese Faser wirklich marktfähig zu machen? 14 Personen der Forschungs- und Entwicklungsabteilung für diese Faser haben Sie in den letzten Tagen abgebaut. So glauben Sie an dieses Zukunftsprodukt in Lenzing! Aber 2,3 Milliarden Schilling an Fehlinvestition sind ja für Sie etwas ganz Normales! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zu zwei Abstimmungen, und zwar stimmen zuerst ab über den Antrag der Abgeordneten Apfelbeck und Genossen, den Gegenstand an den Rechnungshofausschuß rückzuverweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Rückverweisungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Rückverweisungsantrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt in der Sache über den Tagesordnungspunkt ab, und zwar über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht (Zu III-106 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Kenntnisnahme erfolgt mehrstimmig.

8. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9dE Vr 5025/98, Hv 3058/98) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider (1398 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr kommen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht begehrt.

Es liegt mir auch keine Wortmeldung für die Debatte vor, sodaß ich diese Debatte schließe.

Ein Schlußwort der Berichterstattung findet nicht statt.

Wir stimmen daher nun ab über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1398 der Beilagen, folgendes zu beschließen:

1. In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Juni 1998 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider wird im Sinne des Artikels 57 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz festgestellt, daß ein Zusammenhang zwischen der vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider besteht.

2. Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider wird zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen beiden Punkten des Antrages ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist somit angenommen.

9. Punkt

Erste Lesung des Antrages 816/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1998

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Wir beginnen die Debatte damit, daß ich zunächst dem Antragsteller, Herrn Abgeordnetem Mag. Peter, das Wort erteile. – Bitte.

22.21

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Zu später Stunde hat eine erste Lesung wenig Chance, Interesse zu finden. Daher nur einige kurze Anmerkungen.

Die vielzitierte Jungunternehmeroffensive findet bisher leider nur auf dem Papier statt. Wir haben das Problem, daß es nach wie vor eine Diskriminierung der neuen Selbständigkeit gibt, sei es in steuerrechtlicher, sei es in sozialrechtlicher Hinsicht, vor allem aber im Zusammenhang mit der Bürokratiebelastung. Dazu kommt die unnötige Erschwerung des Gewerbezugangs, denn es wurden trotz der Reform der Gewerbeordnung, die eingeleitet wurde und die einige kleine Verbesserungen gebracht hat, weiter unnötige Hürden zum Gewerbezugang aufgebaut. Ich bin davon überzeugt, daß die Prüfungen der Vergangenheit nicht die Qualität der Zukunft sichern können werden. Ich bin aber davon überzeugt, daß die Qualifizierungen wie die Meisterprüfung als Qualifizierungskriterium den Kunden gegenüber Sinn machen.

Den Initiativantrag der Liberalen, den wir überarbeitet wieder eingebracht haben, verstehen wir als Diskussionsgrundlage, gemäß welcher ein freierer Zugang zum Gewerbe ermöglicht und eine Versicherungspflicht für Unternehmer geschaffen werden soll. Wir wissen um die Schwierigkeiten in der Versicherungsfrage. Eine Ausgestaltung im zweiten Risiko, eine Ausgestaltung mit Selbstbehalten und eine Definition im Risikomanagement werden notwendig sein. Vor allem aber meinen wir, daß die Doppelreglementierung, die wir in vielen Bereichen zwischen Gewerbeordnung und Spezialgesetzgebung haben, unnötig ist.

Der Entwurf eines modernen Anlagenrechtes ist diesem Antrag beigelegt. Dieser entspricht in vielen Punkten dem Entwurf, den die Bundesregierung spät, aber doch jetzt eingebracht hat. Sie hat uns diesen Entwurf für das Anlagerecht für viel früher versprochen. Er liegt nun vor. Ich hoffe, daß es zu einer gemeinsamen parlamentarischen Behandlung kommen wird!

Da dieser Gewerbeordnungsantrag für uns ein work in progress darstellt, an dem wir laufend weiterarbeiten, kündige ich jetzt schon einen Abänderungsantrag zu den Strafbestimmungen an, die in ihrer unteren Grenze zu hoch gefaßt sind und daher auf Widerstand seitens des Verwaltungsgerichtshofes stoßen würden.

Ich freue mich, daß ich immer wieder, wenn ich die Pressemeldungen verfolge, feststellen kann, daß es positive Signale nicht nur von seiten der Sozialdemokraten gibt, die verstehen, daß diese Gewerbeordnung in der jetzigen Form eine unnötige Zugangshürde für die neue Selbständigkeit darstellt. Ich wünsche mir, daß alle einsehen, daß neue Selbständigkeit nicht herbeigeredet werden kann, sondern daß die nötigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

22.24

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Werter Kollege Peter, ich stimme nicht zu, wenn Sie die Gewerbeordnung unter dem Aspekt des so unheimlich erschwerten Zugangs diskutieren wollen, und zwar deshalb nicht, weil man es mit dem Zugang unvergleichlich leichter hat als mit den schikanösen Auflagen, die man den Betrieben nachher teilweise antut. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte heute ganz kurz zwei Beispiele nennen, die zeigen, daß oft der Wille des Gesetzgebers, also das, was wir hier beschlossen haben, nicht vollzogen wird, sondern, ganz im Gegenteil, Betriebe wirklich schikanös behandelt werden. Gewerbebescheide werden überprüft. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir hier in diesem Hohen Haus allerdings nicht beschlossen, daß zum Beispiel an den Füßen von Sesseln und Tischen Gleitunterlagen angebracht werden müssen, also eine Art Filzpatscherln oder Gummipatscherln. Hier habe ich aber einen Strafbescheid über 1 000 S, weil sich von einigen Sesseln die Filzpatscherln abgelöst haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter.) Ich halte das für eine skandalösen und schikanösen Vollzug durch die Gewerbebehörde! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wer hat die Filzpatscherln weggenommen?) Das ist in der Magistratsabteilung für den 4. und 5. Bezirk vorgekommen. Diese Magistratsabteilung ist überhaupt unheimlich emsig im Strafeneintreiben.

Wir haben in diesem Hohen Haus auch nicht beschlossen, daß Betriebe gestraft werden sollen, bei denen wirklich alles in Ordnung ist. Es ist einem Unternehmer passiert, daß die Gewerbebehörde unangemeldet gekommen ist, er zufällig nicht anwesend war und die Befunde – Gasbefunde, Sicherheitsbefunde – versperrt hatte, sodaß seine Angestellten nicht in der Lage waren, sie bei der Nachschau sofort vorzulegen. In der Begründung des Bescheides steht folgendes – das muß ich vorlesen –: "Die verhängte Strafe ist angemessen. Bei der Bemessung der Strafe wurde der Umstand, daß die Tat keinerlei nachteilige Folgen nach sich zog, berücksichtigt." Also es gab überhaupt keine nachteiligen Folgen! "Außerdem wurde die Unbescholtenheit des Täters berücksichtigt." – Der Magistrat beziehungsweise der Landeshauptmann sind zuständig, nicht mehr das Wirtschaftsministerium. Die wissen das nicht. Die haben die letzten Novellen der Gewerbeordnung verschlafen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Sie müssen endlich in die Regierung kommen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gewerbebehörde spricht eine Strafe aus, obwohl es keinerlei nachteilige Folgen gab! Obwohl der Beschuldigte bemüht war, alle Auflagen einzuhalten (Abg. Mag. Stadler: Bis auf die betreffend die Filzpatscherln!), obwohl die erforderlichen Befunde, um die es ging und die versperrt waren, alle fristgerecht erstellt waren und keine Mängel aufwiesen, hat die Behörde trotzdem gesagt, daß die Strafe in Höhe von 12 000 S angemessen sei, weil die Angestellten nicht in der Lage waren, alles rechtzeitig vorzulegen. (Abg. Mag. Peter: Da besteht Reformbedarf!) Diesbezüglich besteht Reformbedarf – da stimme ich Ihnen zu, Kollege Peter (Beifall und Bravoruf des Abgeordneten Mag. Peter), denn diese schikanösen Vorgangsweisen im Vollzug des Gesetzes, das wir hier beschlossen haben, entsprechen mit Sicherheit nicht dem Willen des Gesetzgebers! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dkfm. Bauer: Auf welcher Basis hat die Behörde entschieden?)

Aufgrund des Vollzuges, in diesem Fall durch den Magistrat der Stadt Wien – oberste Instanz ist der Landeshauptmann (Abg. Mag. Stadler: Mittelbare Bundesverwaltung!), bei ihm endet nämlich dieses Verfahren; es ist keine höhere Instanz mehr möglich, also auch nicht das Ministerium –, wird offenkundig, daß er die Novellen verschlafen hat, mit welchen der Instanzenzug bei den Landeshauptleuten angesiedelt wurde.

Im Hinblick darauf bin ich wirklich sehr froh darüber, daß der Herr Bundeskanzler so viel von der Liberalisierung der Gewerbeordnung spricht. Er soll seinen lieben Fraktionskollegen Häupl einmal darauf hinweisen, daß Liberalisierung auch Abstellen von Schikanen bedeutet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Für die Filzpatscherln ist Herr Farnleitner zuständig!)

22.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte.

22.28

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fekter! Auch mir kommen fallweise derartige Vorfälle zu Ohren. Da mache ich es mir aber nicht so einfach, daß ich sage ... (Abg. Dr. Fekter: Das ist mir nicht zu Ohren gekommen, ich habe die Bescheide in der Hand!) Sie haben schon recht, wenn Sie sagen, daß es unser aller Meinung war, daß der Instanzenzug beim Landeshauptmann enden soll! Wissen Sie, was ich mache, wenn mir so etwas passiert? – Ich rufe den zuständigen obersten beamteten Chef an und frage: Herr Dr. Hechtner, was tut sich da? Ist das möglich? Denn wir haben natürlich keine Kontrolle darüber. Die Art und Weise des Vollzuges sagt doch nichts aus über die Qualität eines Gesetzes! (Abg. Dr. Fekter: Es ist ein Wahnsinn, daß so etwas überhaupt vorkommt!)

Ich möchte Ihnen etwas dazu sagen: Im Hinblicke auf solche Vorfälle bin ich Ihrer Meinung. Sie fordern jetzt aber wieder den Kanzler auf, daß er sich darum kümmern soll, kurz vorher haben Sie jedoch gesagt, daß sich der Wirtschaftsminister nicht darum kümmern darf. – Also: Wenn sich der nicht darum kümmern darf, dann darf sich der Kanzler erst recht nicht darum kümmern. Was soll die Diskussion in diese Richtung? Ich verstehe es nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen als ehemaliger Staatssekretärin und Juristin möchte ich empfehlen: Halten Sie sich auch ein bisserl an die Kompetenzen! Frau Kollegin Fekter, es kann doch nicht der Vollzug ... (Abg. Dr. Fekter: Wenn so schonungslos vollzogen wird, haben wir Handlungsbedarf!) Frau Kollegin Fekter! Ich habe schon einmal gesagt, wenn Sie mir das sagen, wenn Sie es schon nicht tun ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Das weiß ich nicht! Es ist auch ziemlich egal, ob das ein schwarzer, roter oder blauer Beamter ist. Wenn es sich so verhält, dann muß man dem nachgehen, aber nicht der Wirtschaftsminister und auch nicht der Kanzler und erst recht nicht wir im Parlament. Das ist eine Tatsache. Das kritisieren Sie auf der einen Seite, auf der anderen Seite fordern Sie es ein! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist halb elf! Diskutieren wir über Grundsätze! Über das, was ich jetzt sage, werden Sie überrascht sein: Ich stimme sehr wohl mit Kollegen Peter in einem Punkt überein, nämlich daß wir nicht stillhalten dürfen in der Reform. Das Wirtschaftsleben wandelt sich so enorm, daß wir nicht rasch genug immer wieder erweiterte und verbesserte Rahmenbedingungen schaffen können. Darüber müssen wir uns einig sein.

Ich bin mit Ihnen aber zum Beispiel nicht ganz einverstanden, wenn Sie sagen, daß die Zulassungsbestimmungen ohnehin alle paletti sind. Ich bin der Auffassung, daß es da genügend Dinge gibt, die man verbessern kann. Und ich bin weiters der Auffassung – ich habe mich in diesem Punkt nicht durchgesetzt, das gebe ich gerne zu oder leider muß ich es zugeben –, daß man die finanziellen Zulassungsbedingungen verbessern sollte, denn gerade junge Leute, die erst zu arbeiten beginnen, haben kein Verständnis dafür, daß sie, wenn sie sich selbständig machen wollen beziehungsweise in die gewerbliche Tätigkeit eintreten wollen, auch noch viel zahlen sollen. Das sind die Dinge, die wir beachten müssen!

Herr Kollege Peter! Wir setzen uns gerne mit Ihnen auseinander: Flexibilität und Geschwindigkeit sind selbstverständlich Kriterien, die den zukünftigen selbständigen Unternehmer auszeichnen. Etwas verstehe ich aber nicht: Es läßt sich locker sagen: Schaffen wir viele Paragraphen ab, ein paar hundert oder gar tausend. Aber was kommt nachher? Inwieweit ist der Konsument dann geschützt. Wo ist der Arbeitnehmerschutz? Wollen Sie, daß anstelle des Vollzugs durch staatliche Behörden all das nur mehr durch das Kleingedruckte in den Versicherungsbedingungen geregelt ist? Nach Ihrem Modell würden Hunderte Paragraphen verschwinden, die Bestimmungen würden dann aber im Kleingedruckten bei den Versicherungen wieder auftauchen.

Herr Kollege Peter! Sie sind im Geschäft so wie ich: Sie wissen ganz genau, daß ein Newcomer in diesem Geschäft erst eine Versicherung finden muß, die ihm 5 oder 10 Millionen Schilling an Haftpflichtversicherungen abdeckt. Oder er muß so viel Prämie bezahlen, daß er schon zugrunde gegangen ist, bevor er überhaupt angefangen hat. – Also bleiben Sie auf dem Boden!

Wir bekennen uns zu einer Liberalisierung, jawohl, aber wir wollen einen gewissen rechtlichen Rahmen haben. Wir wollen Qualität, aber wir wollen nicht, daß Behörden durch Versicherungsbedingungen ersetzt werden. Das wollen wir sicherlich nicht, denn das ist nicht die Zukunft des österreichischen Wirtschaftslebens! (Beifall bei der SPÖ.) Dazu muß ich Ihnen unser "Njet" sagen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Madl zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

22.33

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Kollegin Fekter bejammert eine Gesetzesnovelle, die sie selbst mitbeschlossen hat. Denn Sie haben den neuen Instanzenzug selbst mitbeschlossen, Frau Kollegin! Jetzt stellen sich aber hierher und reden dagegen, weil wahrscheinlich – Kollege Heindl hat schon diesen Verdacht geäußert – ein roter Bezirkshauptmann in Wien mit der Angelegenheit befaßt war. Und damit haben Sie nicht gerechnet, weil Sie sich darauf verlassen haben, daß in den Bundesländern vorwiegend schwarze Landeshauptleute sind, die dann die oberste Instanz für diese Gewerbebehörde sind.

Sie bejammern jetzt also etwas, was Sie selbst vor eineinhalb Jahren mitbeschlossen haben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Selbstverständlich haben Sie gejammert. Schauen Sie sich das Protokoll an! Das war doch fürchterlich! (Abg. Dr. Fekter: Es liegt nicht am Gesetz, sondern am Vollzug!)

Ich stimme mit Herrn Kollegen Heindl überein, daß dieses Reförmchen des Gewerbegesetzes, das Sie alle beschlossen haben, nicht die von Ihnen groß angekündigte Gründungs- und Neugründungswelle nach sich gezogen hat. Das können Sie nicht dem Vollzug zuordnen! Wegen Filzpatscherln auf irgendwelchen Sesseln – es ist ja direkt unwürdig, so etwas hier im Hause erwähnen – wird sich, wenn es ihm leicht gemacht wird, keiner abhalten lassen, ein neues Gewerbe zu gründen oder sich zum Unternehmertum zu entschließen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Mir sind die Filzpatscherln zu wenig wert, da hast du recht, Kollege Stadler! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Nein! Ihre ganze Gründungswelle ist in die Hosen gegangen, und jetzt schieben Sie es dem Vollzug des von Ihnen beschlossenen Gewerbegesetzes zu. Und das finde ich unredlich!

Nun zu diesem Antrag. Ich stimme mit Kollegen Heindl überein, daß einige Dinge darin enthalten sind, die an und für sich von der Idee her gut sind. Sie haben gesagt, das sei eine Diskussionsgrundlage. Aber eine solche Liberalisierung im Zusammenhang mit dem Zugang zu einem Gewerbe ist einfach unmöglich! Ein Knackpunkt dabei ist die Haftpflichtversicherung für freies Gewerbe. Man muß sich das einmal vorstellen: Ein Schlosser macht einen Betrieb auf, bevor er aufmachen darf, muß er jedoch eine Haftpflichtversicherung abschließen. Die Versicherungssumme möchte ich sehen, die er dann abschließen wird! Denn welche Versicherung wird sich bei jemandem, der keinen Befähigungsnachweis hat und auch keine Befähigung vorzeigen muß, auf eine normale Prämie einlassen, wenn sie genau weiß, daß dieser Betrieb, zum Beispiel eine Schlosserei oder Werkzeugmacherei, mit irgendeiner Pfuscharbeit, die er immerhin machen kann, denn sonst bräuchte er nicht haftpflichtversichert zu sein, einen Schaden in Höhe von Millionen Schilling anrichten kann!

In dieser Geschichte vertreten Sie einen unheimlich starken Liberalismus, den Sie sich von irgendwo hergeholt haben – und ich weiß auch, woher Sie den haben –, aber ich sagen Ihnen eines: Das freiheitliche Modell, das wir damals in die Diskussion eingebracht haben, als das Gewerbegesetz beschlossen wurde, hätten Sie sich anschauen sollen! Das wäre etwas Vernünftiges gewesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Smolle vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.36

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Dober večer! Guten Abend! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Visoki Dom! Dragi prijatelji! Ich möchte Kollegin Fekter doch in Schutz nehmen. Ich finde es nicht fair, daß man, bloß weil sie ein schlechtes Beispiel gewählt hat, gleich den Schikanen sozusagen einen Freibrief gibt. Wir wissen, daß es hier tatsächlich sehr viele Dinge gibt, die uns Gewerbetreibenden insgesamt nicht passen. Es gibt sehr viel Kontrolle, es gibt sehr häufig Kontrollen. Grundsätzlich hat man nichts dagegen, aber letztlich sollte die Kontrolle doch nur den Zweck erfüllen, die Qualität im Betrieb zu verbessern, aber nicht, die Leute zu ärgern. Und schon gar nicht finde ich eine Strafe wegen solch einer Bagatelle sinnvoll. Denn das bringt doch nichts anderes als schlechte Laune, was sogar soweit führen kann, daß letztlich die Arbeitsqualität der Mitarbeiter darunter leidet.

Ich könnte auch einige Geschichten erzählen, es gibt wirklich öfters filzpatscherlähnliche Vorkommnisse. Ich bin leider oder Gott sei Dank auch ein Betroffener und weiß, wovon ich da spreche. (Abg. Mag. Stadler: Was heißt "Filzpatscherln" auf slowenisch?) Ich bin sehr gerne bereit, mit Ihnen eine slowenische Diskussion zu führen, nach Schluß der Haussitzung seid ihr alle dazu eingeladen! (Abg. Mag. Stadler: Ich möchte es aber jetzt gleich wissen!) Ich spreche slowenisch, Stadler spricht deutsch. Ich hoffe, wir werden uns trotzdem verstehen!

Aber jetzt weiter zum Thema: Kollege Peter hat etwas gesagt, was gerade die liberalen Vorlagen immer auszeichnet: Wir behaupten nicht, daß wir die Weisheit mit dem großen Löffel gegessen haben, sondern wir legen solide, gute Papiere zur Diskussion vor, über deren Inhalt man nachdenken sollte. – Viele Dinge daraus werden vielleicht schon auf den ersten Blick Zustimmung finden, in viele Dinge muß man sich erst vertiefen. So mancher von Ihnen sollte sich die Texte doch genauer anschauen und nicht die späte Stunde sozusagen als Ausrede für die Schlampigkeit verwenden, weil er die Vorlage nicht studiert hat.

Meine Damen und Herren! Den Zugang zum Gewerbe zu erleichtern, ist eine ganz, ganz wichtige und zentrale Forderung. Gerade, wenn wir uns jetzt den Kopf darüber zerbrechen, wie wir mehr Arbeitsplätze schaffen, wie wir die neue Selbständigkeit einführen können, müssen wir vor allem auch älteren Mitarbeitern, die oft eine ausgezeichnete Arbeitsleistung erbringen und aufgrund jahrzehntelanger Tätigkeit in einem bestimmten Beruf eine hohe Befähigung und Erfahrung aufweisen, helfen. Der liberale Antrag soll eben die neue Selbständigkeit ermöglichen, und eine Voraussetzung dafür ist ein klarerer und leichterer Zugang zur gewerblichen Tätigkeit. Letztlich ist das auch ein Mittel gegen Pfusch. Das möchte ich auch festhalten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Auch über die Qualität der Dienstleistung haben wir uns natürlich den Kopf zerbrochen. Ich glaube, daß eine Versicherungspflicht durchaus auch eine Garantie für qualitativ gute Leistung sein kann, vor allem, wenn man eine Selbstbeteiligung mit einführt und sagt, daß letztlich der, der seine Arbeit nicht zufriedenstellend geleistet hat, das Recht und die Pflicht hat, das in Ordnung zu bringen. Über all das kann man reden!

Ganz wichtig ist auch, daß wir mit diesem Entwurf die Stärkung der Nachbarschaftsrechte bringen. Es gibt also keine Vernachlässigung der Rechte jener, die von der Errichtung eines bestimmten Gewerbebetriebes betroffen sind.

Die nächste Säule unseres Entwurfes ist vor allem die Klärung der Frage des Anlagenrechtes. Jeder, der ein etwas komplizierteres Gewerbe ausübt, weiß, welcher Aufwand und wie viele Behördenwege notwendig sind. Es ist dringend erforderlich, daß eine einzige Behörde zuständig gemacht wird, die sich dann um alle weiteren Genehmigungen kümmert und die natürlich die Auflagen erteilt, die man erbringen muß, um einen Betrieb zu errichten und letztlich die Arbeit aufzunehmen.

Es ist ganz wichtig, daß wir nicht immer alles auf den kleinen Mann, der den Mut hat, selbständig zu werden und Arbeitsplätze zu schafften, abwälzen; auch indem wir hier oft sehr schnell und auch sehr spät Gesetze beschließen.

Wichtig ist auch, daß wir die Behörde zur Reaktion zwingen. Das heißt, äußert sich die Behörde nicht, versäumt sie sozusagen von sich aus Fristen, dann kann der Betrieb eben aufmachen. Das ist ein ganz zentraler Punkt. Da gibt es sehr viele Verzögerungen. Ich könnte Ihnen von Betriebseröffnungen erzählen, wo wochenlang Vorauskontrollen erfolgt sind, wo man Kommissionen erwartet hat, die zu spät gekommen sind. Darüber kann ich sehr viel erzählen.

Meine Damen und Herren! Da gehört frischer Wind hinein. Machen Sie, vor allem liebe Damen und Herren der ÖVP, mit bei diesem Antrag mit! Sie werden sehen, das Ergebnis wird zufriedenstellend sein – sowohl für die Gewerbetreibenden als auch für die Konsumenten. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Den Antrag 816/A weise ich dem Wirtschaftsausschuß zu.

10. Punkt

Wahl eines Mitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 10. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies die Wahl eines Mitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Es liegt nur ein Wahlvorschlag vor. Dieser lautet auf Frau Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson.

Ich schlage daher vor, im Sinne des § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung nicht mit Stimmzetteln, sondern durch Erheben von den Sitzen abstimmen zu lassen.

Wird gegen diese Vorgangsweise eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Ich ersuche daher jene Damen und Herren, die für die Annahme des bekanntgegebenen Wahlvorschlages sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Der Wahlvorschlag ist einstimmig angenommen.

Ich gratuliere Frau Abgeordneter Dr. Karlsson zu dieser Wahl. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Aumayr und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der politischen, rechtlichen und finanziellen Verantwortung mehrerer Bundesminister und der AMA an der Entstehung und mangelhaften Bewältigung des Hormonfleischskandals.

Dieser Antrag ist an alle Mitglieder dieses Hauses verteilt worden. Eine Verlesung findet nicht statt.

Wir beginnen mit der Debatte. Sie kennen die Regeln der Geschäftsordnung. Frau Abgeordnete Aumayr, als Antragstellerin erteile ich Ihnen als erste das Wort. Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

22.44

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Ich bringe folgenden Antrag ein:

Antrag

der Abgeordneten Aumayr, Koller, Dr. Salzl, Wenitsch, Klein und Kollegen betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG zur Untersuchung der politischen, rechtlichen und finanziellen Verantwortung mehrerer Bundesminister und der AMA an der Entstehung und mangelhaften Bewältigung des angeblichen Hormonfleischskandals

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen, rechtlichen und finanziellen Verantwortung

1. der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz,

2. des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, einschließlich der Agrarmarkt Austria und ihrer Tochtergesellschaften,

3. des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten

für den im Zusammenhang mit dem Hormonfehlalarm aus Italien betreffend eine AMA-Lieferung von Interventionsrindfleisch entstandenen Schaden für Bauern, Steuerzahler und Konsumenten aufgrund der getroffenen Maßnahmen aller Beteiligten wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 LIF, 1 Grüner Klub besteht."

*****

Hohes Haus! Der angeblich größte Kriminalfall in der Landwirtschaft ist nicht nur zur größten Blamage für die Ministerin Prammer geworden, sondern der sogenannte Hormonskandal zeigte auch, daß im österreichischen Interventionslager ausländisches Rindfleisch gelagert wird und daß den Konsumenten zwei Jahre altes Rindfleischprodukt zugemutet wird.

Dieses Interventionslager wurde 1996 zur Zeit der BSE-Krise eingerichtet, um den Rindfleischüberschuß in Österreich vom Markt zu nehmen. Ein Untersuchungsausschuß soll jetzt klären: Welche Firmen haben zu welchem Preis Rindfleisch eingelagert? Welche Firmen machen Geschäfte mit dem Verkauf aus diesem Interventionslager? Gibt es da Ausschreibungen? Vor allem soll aber geklärt werden: Wie ist es möglich, daß in diesem österreichischen Interventionslager nicht nur österreichisches Rindfleisch eingefroren wurde? Wie viele Tonnen stammen aus Deutschland, aus Italien oder Polen, und wer trägt dafür die Verantwortung?

Wenn die politische Verantwortung der Landwirtschaftsminister Molterer trägt, ist es meiner Meinung nach ein Riesenskandal, daß genau jener Minister beim sogenannten Rindergipfel 60 Millionen Schilling Steuergelder für eine Imagekampagne zugesprochen und zugesteckt bekommen hat. Bei diesem Gipfel nahmen der Bundeskanzler, Minister Molterer, Ministerin Prammer und Abgeordneter Stummvoll für die Wirtschaftskammer teil.

Es ist zu untersuchen, warum bei dem Rindergipfel die wahren Geschädigten – die Bauern und das Fleischergewerbe – leer ausgingen, obwohl der Schaden für die Bauern laut Präsident Schwarzböck 50 Millionen Schilling betrug und der Schaden für die Fleischwirtschaft laut Wirtschaftskammer 150 Millionen Schilling betrug.

Es ist zu untersuchen, warum Ministerin Prammer von Italien am 14. Juli über angebliche Hormonrückstände im österreichischen Rindfleisch informiert wurde und – ohne eine Gegenprobe vornehmen zu lassen – 17 Tage später damit in die Öffentlichkeit ging.

Als Konsumentenministerin hätte Sie eigentlich wissen müssen, daß bei einem Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz ohne Gegenprobe eine Beanstandung nicht rechtskräftig ist. – Keine Gegenprobe! Trotzdem gehen Ministerin Prammer, das Bundeskanzleramt, aber auch die Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftsminister in die Knie und beschließen de facto einen Exportstopp für österreichisches Rindfleisch nach Italien. Das kommt einem Schuldeingeständnis gleich, und zwar von höchster Ministerebene. Warum eigentlich dieser voreilige Kniefall, Herr Kollege Schwarzenberger? Dadurch ist nämlich der Viehabsatz nach Italien erst richtig ins Stocken gekommen.

Wir Freiheitlichen wollen durch einen Untersuchungsausschuß geklärt haben, warum Ministerin Prammer am 31. Juli 1998 im Rahmen einer Pressekonferenz über Stilbene im österreichischen Rindfleisch vom größten Kriminalfall in der österreichischen Landwirtschaft spricht. War der Grund vielleicht das streng vertrauliche Schreiben der Wirtschaftskammer Österreich vom 30. Juli? (Abg. Schwemlein: Das Sie da haben!)

Am 31. Juli ist die Frau Ministerin Prammer an die Öffentlichkeit gegangen, am 30. Juli ist ein Schreiben der österreichischen Wirtschaftskammer, Vieh- und Fleischgroßhandel, dringend, streng vertraulich eingelangt:

Ergeht an: alle Landesgremien des Vieh- und Fleischgroßhandels sowie an Fleischhandelsbetriebe und Schlachthöfe; 30. Juli; dringend, streng vertraulich; betrifft Rindfleischexporte nach Italien:

"Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Fleischlieferungen nach Italien aus der Intervention, Schlachtung 1996, wurden bei Nachuntersuchungen in Italien Rückstände verbotener Stoffe gefunden. Es droht die eminente Gefahr, daß die österreichischen Fleischlieferungen nach Italien vollkommen eingestellt werden müssen." (Abg. Mag. Stadler: Die reden sich auf die Prammer aus!) – Das muß man sich einmal vorstellen! – "Angesichts dieser äußerst ernsten Situation empfehlen wir allen Exportfirmen, Verladungen nach Italien erst nach Klärung der negativen Untersuchungsergebnisse durchzuführen beziehungsweise die Klärung dieser offenen Fragen abzuwarten."

Jetzt ist mein Verdacht, daß durch dieses streng vertrauliche Schreiben der Bundeswirtschaftskammer vom 30. Juli die Frau Ministerin Prammer, welche bisher 16 lang Tage geschwiegen hat, ganz bewußt in Zugzwang, ganz bewußt in Schwierigkeiten gebracht worden ist. Es ist nämlich nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn dieses streng vertrauliche Schreiben der Bundeswirtschaftskammer an die Medien gegangen wäre und die zuständige Ministerin bis zu diesem Zeitpunkt nichts unternommen hätte.

Daß die Frau Ministerin Prammer am 31. Juli, einen Tag danach, vom größten Skandalfall der österreichischen Landwirtschaft sprach, ist unentschuldbar. Daß sie dann aber nach Vorliegen der Ergebnisse der Untersuchung in Holland, wo ganz klar bewiesen wurde, daß keine Hormonrückstände im österreichischen Rindfleisch gewesen sind, sagte, daß sie jederzeit wieder so handeln würde, das ist wirklich ein echter Skandal. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was können denn eigentlich die Bauern dafür, daß sich eine Ministerin von der Bundeswirtschaftskammer ausgetrickst gefühlt hat? Sie hat einen fürchterlichen Imageschaden weit über die Grenzen Österreichs verursacht. Sie hat als Konsumentenministerin versagt, denn sie hat entweder zu spät gehandelt – sie hätte das bereits am 14. Juli tun müssen – oder zu früh, denn sie hätte zumindest die Gegenproben abwarten müssen. Als Schadensbegrenzung hat sie dann angekündigt, sie macht jetzt eine Selbstanzeige.

Als ich das gehört habe, habe ich mir gedacht, das ist eigentlich wirklich gescheit. Sie übernimmt jetzt die Verantwortung und zeigt sich selbst an. Wirklich gescheit. – Ein paar Stunden später hat sie für mich jedoch auch als Frauenministerin versagt, denn sie nimmt diese Ankündigung zurück, weil ihr Herr und Meister, der Parteivorsitzende Bundeskanzler Klima, ihr diese Selbstanzeige einfach verbietet. Alles wieder retour!

Wie soll eine Frauenministerin glaubwürdig die Angelegenheiten der Frauen vertreten, wenn sie nicht einmal ihre eigene Position gegenüber ihrem Chef durchsetzt? Das müssen Sie mir einmal erklären! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Fuchs: Der logische Schluß ist umwerfend!)

Was soll auch das Gerede vom Feinkostladen Österreich? – Der Konsument wird wirklich als dumm verkauft. Die Ministerin sagt nichts davon, daß ein zwei Jahre altes Rindfleisch an die österreichischen Konsumenten verkauft werden darf. Es gibt kein Gesetz in Österreich, das eine zeitliche Frist für gefrorenes Fleisch vorsieht. Es gibt einfach keine Grenze. Das kann drei, das kann vier Jahre alt sein. Wir haben diesbezüglich einen Antrag im Gesundheitsausschuß eingebracht.

Es kann ganz einfach nicht so sein, daß die wirklich Geschädigten in diesem Skandal, nämlich die Bauern und das Fleischergewerbe, der Fleischhandel, leer ausgehen. Aus diesen Gründen haben wir im Landwirtschaftsausschuß einen Antrag auf volle Entschädigung der Bauern und der Gewerbetreibenden eingebracht. Der einzige Gewinner in diesem Skandal ist der gute Minister Molterer, denn der Verdacht liegt nahe, daß der Bundeskanzler beim Gipfel diesen 60 Millionen Schilling an Steuergeldern für den Landwirtschaftsminister zugestimmt hat, der das verlangt hat so nach dem Motto: Gib du mir 60 Millionen, und ich tue deiner roten Ministerin nichts, welche wir von der schwarzen Wirtschaftskammer ganz toll aufs Glatteis geführt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Für die folgenden Redner gilt eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

22.54

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, daß eine Untersuchung einen Gegenstand braucht. In der Einleitung des heutigen Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird der dürftige Versuch unternommen, einen solchen Gegenstand zu konstruieren.

In den letzten zehn Minuten haben wir den wiederholten Versuch dieser Konstruktion erlebt, und ich kann eigentlich dem Zwischenruf meiner Kollegin Fuchs nichts hinzufügen. Frau Kollegin Aumayr! Ihre Logik, wie Sie hier argumentiert haben und wie Sie versucht haben, den Gegenstand einer Untersuchung tatsächlich darzustellen, sucht ihresgleichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Frau Kollegin Aumayr! Sie haben heute hier klarzumachen versucht, daß die Konsumentenschutzministerin falsch gehandelt hat, indem sie den verfassungsmäßigen Auftrag, sich schützend vor die Konsumenten zu stellen, gerecht zu werden ... (Abg. Mag. Stadler: Das war für einen Gemeindesekretär aus der Steiermark zu hoch! – Abg. Aumayr: Sie haben nicht folgen können!) – Moment, keine künstliche Aufregung zu einem künstlichen Untersuchungsgegenstand! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sie haben die Konsumentenschutzministerin beschuldigt, sie hätte sich vor die Konsumenten gestellt, indem sie diese Pressekonferenz gegeben hat, und das wollen Sie jetzt untersuchen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Frau Kollegin Aumayr! Hätten Sie für diesen heute eingebrachten Antrag tatsächlich recherchiert, dann hätten Sie nur ein wenig im Internet zu surfen brauchen und hätten für Ihre Antragstellung keine Begründung mehr gehabt. Denn dann hätten Sie im Internet Dokumente der Europäischen Kommission gefunden – die ich Ihnen übrigens gerne zur Verfügung stelle, da Sie selbst anscheinend nicht in der Lage sind, sich diese Dokumente zu besorgen –, in denen eindeutig festgestellt wird, daß diese von Ihnen behaupteten Gegenstände nicht in Österreich, sondern über die Europäische Kommission passiert sind. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie sprechen in Ihrer Begründung zum Antrag von einem Exportstopp und einem Exportverbot. Mir ist nichts Derartiges bekannt. Ich habe recherchiert, ob es so etwas gibt. Frau Kollegin Aumayr! Es gibt ein Importverbot, aber es ist nirgends die Rede von einem Exportverbot, und es hat mir auch keiner bestätigen können, daß es ein Exportverbot gäbe. (Abg. Silvahy: Vielleicht kennt sie den Unterschied nicht!)

Zweiter Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Hätten Sie von der "F" die Recherche ein bißchen sachkundiger angestellt, dann hätten Sie feststellen müssen, daß diese Referenzuntersuchungen, die Sie verlangen, sehr wohl von österreichischer Stelle, von den österreichischen Behörden eingefordert wurden, daß man in Italien jedoch dem Wunsche nicht zeitgerecht nachgekommen ist.

Zum dritten: Hätten Sie ein wenig recherchiert, hätten Sie erkannt, daß die Europäische Union, nämlich die Generaldirektion XXIV, eine Dienst- und Kontrollreise nach Österreich zur Aufklärung dieser Gegenstände unternommen hat. In diesem vorliegenden Bericht ist zu lesen ... (Rufe bei den Freiheitlichen: Wann?) – Nach dem Vorfall, denn vorher hätten sie es nicht untersuchen können. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Anläßlich dieser Dienstreise wurde im Protokoll festgehalten – ich zitiere –: Die von den österreichischen Behörden getroffenen Maßnahmen sind mit den Vorschriften der Richtlinien des Rates übereinstimmend. – Das heißt, in Österreich hat man absolut korrekt gehandelt. Was wollen Sie untersuchen, Frau Kollegin Aumayr? (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Nächster Punkt. Sie haben es angesprochen, Herr Kollege Stadler. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) – Ich habe immer und ich werde auch in Zukunft österreichisches Rindfleisch mit Genuß verzehren, was Sie auch an meiner stattlichen Figur erkennen können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das sieht man Ihnen an!)

Frau Kollegin Aumayr! Sie haben auch ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) – Nicht nur, Kollege Ofner, ich gebe es zu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag wollen Sie einen Untersuchungsausschuß einsetzen zu einem Gegenstand, der durch einen Gipfel in der österreichischen Bundesregierung auch zum Wohl der anderen von Ihnen heute angeblich vertretenen Personengruppen und Erwerbsgruppen bereits erledigt ist. (Abg. Aumayr: Wo sind die Entschädigungen für die Bauern?)

Hätten Sie von den Freiheitlichen sich ein wenig bemüht zu recherchieren, hätten Sie festgestellt, daß bereits Maßnahmen getroffen wurden. Es werden weitere Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt, die genau das verhindern sollen, was Sie als schwarzen Teufel – Verzeihung, als blauen Teufel – an die Wand malen.

Für mich steht eines fest, meine sehr geehrten Damen und Herren: In Ermangelung eines Grundes für eine Untersuchung ist auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht möglich.

Aber es steht noch ein Zweites fest: Wie in den letzten Tagen geben Sie auch heute vor, für die Konsumenten, für die Produzenten einzutreten, diese schützen zu wollen, aber in Wirklichkeit geht es nur darum (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) – ich komme schon zum Schluß, Herr Präsident –, Nebelgranaten zu werfen, um von Ihren eigenen Problemen abzulenken.

Dafür, daß Sie aus diesem Nebel herausfinden, Frau Kollegin Aumayr, geben wir uns nicht her. (Beifall bei der SPÖ.)

22.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. – Bitte.

23.00

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Geschädigten, vor allem jene Bauern, die wochenlang mit einer unbefriedigenden Marktsituation zu kämpfen hatten, brauchen keinen Untersuchungsausschuß, sondern die rascheste Umsetzung jener Ergebnisse, die beim Regierungsgipfel vereinbart worden sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vor allem erwarten wir uns von Frau Ministerin Prammer, daß sie in ihrer Kompetenzlage rasch das umsetzt, was im Regierungsgipfel mit den Sozialpartnern vereinbart worden ist.

Frau Kollegin Aumayr! Was soll untersucht werden? (Abg. Aumayr: Zum Beispiel: Warum liegt in österreichischen Lagern ausländisches Rindfleisch?)

Daß Frau Ministerin Prammer unverantwortliche und falsche Äußerungen von sich gegeben hat, die in mehreren Bereichen der Volkswirtschaft Schaden angerichtet haben, ist evident und braucht nicht untersucht zu werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Da hört ihr es!)

Daß die Maßnahmen des Rindergipfels bis zur Klage an Italien möglichst rasch zu konkreten Ergebnissen führen sollen, ist evident, und im 7. Punkt des 7-Punkte-Programms ist vereinbart: "Sollten die Maßnahmen einen unbefriedigenden Verlauf nehmen, dann wird der gleiche Personenkreis neuerlich Verhandlungen aufnehmen, um zu konkreteren Ergebnissen zu kommen." (Abg. Mag. Stadler: ÖVP-Logik!)

Meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Zahlt Prammer den Schaden?) Es ist skurril, daß Sie jetzt die Skandalisierung kritisieren (Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler) – die ich bei Frau Ministerin Prammer genauso kritisiere –, obwohl, bevor klar war, daß nichts ist, Ihr Parteiobmann Haider und Ihr Bauernvertreter Reichhold genauso vom großen Skandal gesprochen und gleich noch Raiffeisengenossenschaften mit hineingenommen haben, denn ohne sie darf es keine großen Skandaldiskussionen geben. (Beifall bei der ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Das Faß ist voll! (Abg. Mag. Stadler: Ein weiterer Grund für einen Untersuchungsausschuß!) Denn Ihr Schattenminister für den Gesundheitsbereich, Ihr Gesundheitssprecher Pumberger, hat schon vor zwei Jahren Prammer in allen Kategorien übertroffen. Einige Wochen nach Ausbruch des BSE-Skandals in England ist Ihr Gesundheitssprecher, Ihr Schattengesundheitsminister, hier am Rednerpult gestanden und hat davon gesprochen, daß das Land mit den meisten BSE- und Creutzfeldt-Jakob-Fällen nicht England, sondern Österreich ist; nur bei uns würde vertuscht und in England aufgedeckt. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich habe die Presseaussendung von Ihnen hier, Kollege Pumberger. Sie können das Stenographische Protokoll vom 16. April nachlesen. Alles, was Sie Prammer vorwerfen, wurde von Ihnen mehrfach übertroffen! (Rufe bei den Freiheitlichen: Wo? Wo?) Und zwar von mehreren Personen: von Haider, Reichhold und Pumberger. (Abg. Mag. Stadler: Umso mehr ein Grund für einen Untersuchungsausschuß!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf Ihnen durchaus mein Unbehagen ausdrücken, daß das Problem auch damit zusammenhängt, daß Frau Minister Prammer Kompetenzen zugewiesen worden sind, die nicht unbedingt mit ihrem persönlichen Zugang zu den wichtigen Themen ihres politischen Lebens zusammenhängen. (Beifall bei der ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe. – Abg. Schieder: Na das ist ein guter Grund!) Bitte? (Abg. Schieder: Da müßten sich ein paar Minister von Ihnen verabschieden! Zum Beispiel der Verteidigungsminister!)

Herr Kollege Schieder! Sie können die öffentliche Meinung dazu jederzeit überprüfen. Sie wird in Karikaturen in besonders eindrucksvoller Weise dargestellt. Ich persönlich glaube, daß es der Regierung guttäte, bei der nächsten Regierungsbildung oder vielleicht auch schon vorher in Verhandlungen über derartige Kompetenzfragen einzutreten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Genauso wie der Schwarzböck und der Raiffeisenverband!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Da Frau Kollegin Aumayr gemeint hat, die Frau Ministerin Prammer hätte bei der Selbstanzeige bleiben sollen: Frau Kollegin Aumayr, seien Sie froh, daß es für derartiges Verhalten keine Rechtsordnung gibt. Sie wären nämlich ständig in der Verlegenheit, sich wöchentlich im Hinblick auf ähnliche Äußerungen Selbstanzeigen verordnen zu müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

23.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Wenitsch gemeldet. – Bitte.

23.04

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegen Abgeordneten! Statt von einem Rindfleischskandal muß man eher von einem Hormonskandal sprechen, denn in die Fleischskandale dieser Republik war bis jetzt ausnahmslos die ÖVP verwickelt und sonst niemand. Sie haben bis jetzt den Bauern riesigen Schaden zugefügt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist nachvollziehbar. Jeder Fleischskandal, der in dieser Republik aufgedeckt wurde, war im Dunstkreis der ÖVP und sonst nirgends. Das kann man nachweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Hormonskandal ist natürlich eine Sache, bei der man in zwei Richtungen untersuchen muß. Ich glaube, das Verhalten der Frau Ministerin Prammer zu untersuchen, wird wirklich nicht viel Sinn haben. Ich unterstelle ihr keine böse Absicht. Ihr Verhalten war ein bißchen tolpatschig, das muß man laut und deutlich sagen, sie war natürlich ein bißchen unbeholfen in dem beinharten Wettbewerb der Fleischmafia in der Europäischen Union. Sie hat halt in diesem Punkt versagt, aber vielleicht lernt sie es noch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 14. Juli 1998 informiert das italienische Gesundheitsministerium die österreichische Botschaft über Hormonrückstände in österreichischem Fleisch. Am 16. Juli 1998 lehnt Italien – und da kommt meiner Meinung nach der eigentliche Kriminalfall zutage – eine Überprüfung der Agrarmarkt Austria für diese Fleischproben ab. Das war lange, bevor Ministerin Prammer diesen unsäglichen Ausspruch getätigt hat. Es wurde also von der italienischen Fleischmafia – wenn ich das so bezeichnen darf – abgelehnt.

Was passiert am 30. Juli 1998? – Auch da passiert Interessantes. Die Wirtschaftskammer Österreich – Herr Kollege Schwarzböck, ich habe das schwarz auf weiß, Sie brauchen nichts zu beschönigen und nichts zu vertuschen – informiert am 30. Juli die Fleischhändler in Österreich und empfiehlt allen Exportfirmen, die Verladungen nach Italien erst nach Vorliegen negativer Untersuchungsergebnisse durchzuführen beziehungsweise die Klärung dieser offenen Fragen abzuwarten.

Herr Kollege Stummvoll! Ich würde mir von Ihnen und Ihrer Kammer wünschen, daß Sie bei Importen von Lebensmitteln nach Österreich genauso sorgsam darauf achten würden wie bei den Exporten der österreichischen Rinderbauern. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie brauchen mir gar nichts zu erzählen! Das ist die Wahrheit! Bei Importen kontrollieren Sie, da haben Sie bis jetzt versagt. Das wäre Ihre Aufgabe.

Meine Damen und Herren! Am 31. Juli 1998 bezeichnet Frau Ministerin Prammer diesen Hormonskandal als den größten Kriminalfall in der österreichischen Landwirtschaft, obwohl die Frau Ministerin wußte oder wissen hätte müssen, daß Italien diese Überprüfung der Agrarmarkt Austria abgelehnt hat. Daher hätte Sie ahnen können, daß da mehr dahintersteckt als ein plumper Versuch, die Exportbedingungen für Österreich, für die österreichischen Bauern zu verschlechtern.

Meine Damen und Herren! Das Resümee aus dieser Geschichte: Imageverlust laut Minister Molterer 60 Millionen Schilling für die Republik, der Schaden für die Bauern beträgt laut meinem Kollegen, Präsidenten Schwarzböck, 50 Millionen Schilling (Abg. Mag. Stadler: Zeuge Schwarzböck!) – Zeuge Schwarzböck –, der Verlust bei den Schlachthöfen laut Generalsekretär Stummvoll: 150 Millionen Schilling. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch diese Problematik entsteht, ist eigentlich noch gar nicht abzuschätzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was gibt es zu untersuchen? – Kollege Schwarzböck meint, es gebe nichts zu untersuchen. Wir sind das gewohnt: Die ÖVP will zudecken und nicht aufdecken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt jedoch sehr wohl etwas zu untersuchen. Erstens gilt es, die politische Verantwortlichkeit der Frau Ministerin Prammer zu untersuchen, vor allem geht es aber darum, zu untersuchen, welche dubiosen Geschäfte über die AMA, die Agrarmarkt Austria, in dieser Republik abgewickelt werden. Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der in der Nähe von Rom untersuchten Lieferung handelt es sich um Ware, die die Agrarmarkt Austria im Jahre 1996 aufgekauft und tiefgefroren hatte. Es heißt, das inkriminierte Fleisch stamme von Rindern, die entweder in Österreich aufgezogen oder aus dem Ausland als Lebendvieh nach Österreich transportiert und hier geschlachtet wurden. Ein geringer Teil dieses Fleisches sei Importfleisch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das gilt es zu untersuchen. Die AMA, die durch österreichische Zwangsmitgliedsbeiträge bezahlt und finanziert wird, hat nicht die Aufgabe, ausländisches Fleisch einzukaufen und in Österreich zu lagern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Smolle gemeldet. – Bitte.

23.10

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Dober večer! Hohes Haus! Visoki Dom! Herr Prδsident! Gospod predsednik! Frau Kollegin Aumayr, ich gehe ja davon aus, daß das, was Sie uns berichtet haben, der Wahrheit entspricht. So, wie Sie es erzählt haben: Wort für Wort, Datum für Datum. Ich muß Sie daher fragen: Was soll man noch untersuchen? Sie haben es untersucht, ich glaube es Ihnen. (Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Der Sachverhalt ist also festgestellt. Jetzt geht es nur noch um die politische Verantwortung. Und auch diese ist klar: Da hat Frau Minister Prammer voreilig und nichts wissend etwas erklärt hat. Ihre politische Verantwortung ist also klar. Es gab einen Minister Molterer, über den mir die ÖVP zugerufen hat: Das ist ein guter Minister, der reißt mir nichts, dir nichts 60 Millionen heraus! – Ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht eine etwas unangenehme Sache ist, denn er reißt ja Steuergeld heraus! Ansonsten hätten wir aus den Fleischexporten sicherlich noch Steuereinnahmen gehabt. Jetzt müssen die Steuerzahler noch 60 Millionen Schilling beitragen.

Ich sehe hier also keine Notwendigkeit, irgend etwas zu untersuchen! Ich sehe es nur als notwendig an, daß zumindest die Dame in dieser Partie Konsequenzen zieht und zurücktritt. Das habe ich gefordert, und dazu stehe ich auch heute. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Nächster Punkt: Ein bißchen Unbehagen hat man natürlich, wenn man darüber nachdenkt, ob die Gesundheitsfrage, die Konsumentenfrage und die Bauernfrage bei den jeweiligen Regierungsparteien wirklich gut untergebracht sind. Diesbezüglich habe ich doch meine Zweifel. Aber auch diese Sache ist ganz klar: Sie reklamieren für sich immer die Verantwortung für eben diese Bauern, jetzt lassen Sie sie jedoch sozusagen wieder in den sauren Apfel beißen. Denn wir wissen, daß es mit 60 Millionen nicht getan sein wird. Wir wissen, daß der Rinderpreis gesunken ist, wir wissen ganz genau, daß auch die Händler noch zusätzlich drücken und auf diese Weise den Schaden wiederum die Erstproduzenten, also die Bauern haben.

All das ist noch nicht ausgestanden. Zu untersuchen ist hier nichts. Die Bundesregierung mit diesen beiden Ministern hat Verantwortung. Und diese müssen wir einfordern!

Ich habe aber wenig Verständnis dafür, daß wieder sozusagen ein Spektakel gemacht wird. Der Untersuchungsausschuß ist ein ernstes Instrument und soll dort greifen, wo politische Verantwortung erst festgemacht werden muß. Hier ist sie klar gegeben, deshalb ist ein Untersuchungsausschuß nicht notwendig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

23.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt ist noch Herr Abgeordneter Wabl zu Wort gemeldet. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler.) Nein, ich hätte Sie ohnehin nicht aufgerufen, Frau Dr. Gredler!

23.13

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Bevor ich meine Rede beginne, wollte ich mich noch offiziell für meine Bemerkung Ihnen gegenüber entschuldigen.

Nun aber zu dem Untersuchungsausschuß, den Frau Aumayr verlangt. Frau Kollegin Aumayr! Sie sollten nicht immer damit rechnen, daß Khol sich in der Koalition durchsetzt und automatisch jeden Untersuchungsausschußantrag ablehnt. Ich persönlich würde wirklich nicht wissen, was wir in diesem Untersuchungsausschuß tun sollen. (Abg. Mag. Stadler: Das kann ich Ihnen schon sagen: Die Fleischmafia gibt genug her!)

Frau Abgeordnete Aumayr! Da kommt etwas aus dem Lebensmittelministerium in Italien, und ich weiß schon, daß da bei Ihrer Fraktion wahrscheinlich gleich der Verdacht besteht, daß, wenn von da unten etwas kommt, das irgendwie gefälscht ist. (Abg. Mag. Stadler: Das Fleisch kam nicht von unten!) Wenn von dort irgendein Zeugnis kommt, heißt es bei Ihnen: Das ist von den Italienern – Sie wissen schon, Ausländer und so –, wer weiß, die Mafia ist nicht weit weg und so weiter. Ich kann mir schon vorstellen, daß Sie sofort gesagt hätten: Das ist sicher geschummelt. Das kann nicht wahr sein!

Ich sage Ihnen aber folgendes: Wäre diese Probe durch österreichische und niederländische Institute bestätigt worden, dann hätte ich selbstverständlich als grüner Abgeordneter massiv und laut gerufen: Warum hat die Gesundheitsministerin nicht sofort nach Bekanntwerden eines Untersuchungsergebnisses aus dem Lebensmittelministerium in Italien gewarnt? – Ich hätte sofort verlangt, daß es einen Untersuchungsausschuß gibt. Denn dann stellen sich die Fragen: Was wollte sie decken? Wollte sie die AMA decken? Wollte sie die Fleischindustrie decken? Die Landwirtschaft? Wen wollte sie decken? Wen wollte sie schützen?

Über die Wortwahl der Frau Ministerin Prammer – ich hätte andere Worte gewählt – kann man diskutieren. Grundsätzlich ist es aber richtig, daß die Ministerin, die für Konsumentenschutz zuständig ist, wenn ein Lebensmittelministerium aus einem benachbarten EU-Land mitteilt, daß verbotene Stoffe im Fleisch enthalten sind, die gesundheitsgefährdend und krebserregend sind, selbstverständlich warnt. Das ist meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Smolle.) Herr Kollege Smolle! Ich verstehe auch Sie nicht!

Frau Kollegin Aumayr! Es ist immer das Problem bei solchen Vorkommnissen, daß dann eine gesamte Branche darunter leidet. Was können die österreichischen Rinderbauern dafür, daß es in England diesen BSE-Skandal gegeben hat? Wir wollen darüber nun nicht mehr diskutieren. Aber was kann die gesamte österreichische Landwirtschaft dafür?

Frau Aumayr! Aber über das Tragische daran wurde heute kein Wort verloren, auch nicht von Kollegen Schwarzböck oder von Kollegen Smolle. Haben Sie den Kommentar von Herrn Walter Müller vom Donnerstag, den 10. September, mit dem Titel "Schwein gehabt" gelesen? – Ich zitiere: "Tierarzneien werden vorbei an den Apotheken und an den Tierärzten verschoben, in der Schweinezucht, in der Schweinemast, in der Hühnermast." – Ich sage Ihnen: Es gibt einige in diesem Bereich, die dem Druck in der EU nicht standhalten und glauben, sie müssen um jeden Preis die Produktionsmittel verbilligen und um jeden Preis produzieren. Und das macht eine gesamte Branche kaputt!

Natürlich herrschen auch die politisch falschen Rahmenbedingungen. Aber davon haben Sie heute nicht geredet. Ich sage Ihnen noch einmal: Lieber ein Wort zuviel von Frau Prammer als ein Toter oder ein Kranker durch kaputtes, verdorbenes, durch Hormone oder Arzneimittel verseuchtes Fleisch in österreichischen Läden! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wo kommt das Fleisch her, das in der AMA lagert?)

Herr Kollege Stadler! Machen Sie doch bitte einen Antrag oder verlangen Sie einen Landwirtschaftsausschuß, in dem wir überprüfen, warum Rindfleisch zwei Jahre lang und länger eingefroren wird! Da haben Sie recht! Das ist selbstverständlich auch gesundheitlich bedenklich. Aber was hat das jetzt mit den italienischen Angelegenheiten zu tun, was hat das damit zu tun, daß ein Ministerium offensichtlich falsche Berichte und falsche Informationen nach Wien geleitet hat? Was hat das damit zu tun?

Frau Kollegin Aumayr! Ich sage Ihnen noch einmal: Vertrauen Sie darauf: Das Parlament ist im Augenblick der Kontrolle beraubt! Aber der Khol wird nicht ewig zum Brunnen gehen! (Beifall bei den Grünen.)

23.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag der Frau Abgeordneten Aumayr und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dem genannten Thema.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 877/A bis 889/A (E) eingebracht wurden.

Weiters sind die Anfragen 4886/J bis 4934/J eingelangt.

Schließlich ist auch eine Anfrage des Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

Verlangen im Sinne des § 99 (2) GOG

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe weiters bekannt, daß im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 885/A auf Durchführung eines besonderen Aktes der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof, und zwar betreffend Sonderprüfung des Bundeskanzleramtes und der anderen Bundesministerien hinsichtlich der Vollziehung aller dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Bestimmungen, ein Verlangen von 20 Abgeordneten im Sinne des § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellt wurde.

Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben, daß diese Gebarungsprüfung durch den Rechnungshof auch ohne Beschluß des Nationalrates stattfindet. (Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Feststellung betreffend Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl! Ich mache jetzt noch eine Feststellung. Ich stelle nämlich fest, daß Herr Abgeordneter Peter Rosenstingl dieser Sitzung unentschuldigt ferngeblieben ist.

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Die nächste Sitzung ist eine geschäftsordnungsgemäße Zuweisungssitzung, die ich für sofort – das ist im Anschluß an diese Sitzung –, für 23.19 Uhr einberufe.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 23.18 Uhr