Stenographisches Protokoll

142. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 8. Oktober 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

142. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 8. Oktober 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 8. Oktober 1998: 9.00 – 21.51 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausbildung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 770/A der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird

3. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Justiz im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing

4. Punkt: Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Mautvignette

5. Punkt: Bericht über den Antrag 869/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 876/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 764/A (E) der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug

8. Punkt: Bericht über den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (Dritte Lesung)

*****

Inhalt

Nationalrat

Angelobung des Abgeordneten Hermann Mentil 12

Personalien

Verhinderungen 12, 31

Ordnungsrufe 82, 106

Geschäftsbehandlung

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend die Fraktionszugehörigkeit des neu angelobten Abgeordneten Hermann Mentil 12

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka 12

Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 489/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und das Angestelltengesetz 1921 geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 4. Dezember 1998 zu setzen 31

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 31

Redner:

Dr. Volker Kier 142

Mag. Herbert Kaufmann 144

Dr. Gottfried Feurstein 145

Hermann Böhacker 146

Mag. Helmut Peter 147

Karl Öllinger 148

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 149

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung 33

Verlangen der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten – Ablehnung 74, 77

Wortmeldungen betreffend das Verlangen der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 75

Dr. Andreas Khol 75

Dr. Harald Ofner 75

Ersuchen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Mag. Dr. Heide Schmidt, die Sitzung bis zum Erscheinen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zu unterbrechen 76, 77

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic im Sinne des § 59 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte über ihr Ersuchen, die Sitzung zu unterbrechen – Ablehnung 77, 77

Antrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 201

Bekanntgabe 79

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 79

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 201

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 203

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 203

Ablehnung des Antrages 204

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 204

Bekanntgabe 88

Ablehnung des Antrages 205

Unterbrechung der Sitzung 106

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Mautfreistellung für die Benützung von grenznahen Straßenabschnitten die Zahl der "für" Stimmenden bekanntzugeben 177

Fragestunde (30.)

Auswärtige Angelegenheiten 13

Dr. Jörg Haider (224/M); Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Karl Smolle, Mag. Doris Kammerlander, Helmut Dietachmayr

Peter Schieder (219/M); Wolfgang Jung, Dr. Michael Spindelegger, Andreas Wabl, Dr. Martina Gredler

Dr. Martina Gredler (223/M); Peter Schieder, Dr. Gerhard Kurzmann, Wolfgang Großruck, Mag. Doris Kammerlander

Werner Amon (221/M); Mag. Doris Kammerlander, Wolfgang Jung, Dr. Martina Gredler

Mag. Doris Kammerlander (226/M); Hans Helmut Moser, Inge Jäger, Herbert Scheibner, Dkfm. DDr. Friedrich König

Herbert Scheibner (225/M); Dr. Michael Spindelegger, Andreas Wabl, Hans Helmut Moser, Dr. Irmtraut Karlsson

Dr. Irmtraut Karlsson (220/M); Herbert Scheibner, Mag. Doris Kammerlander, Dr. Karl Maitz, Dr. Martina Gredler

Ausschüsse

Zuweisungen 32

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Versäumnisse in der Bildungspolitik, insbesondere beim Gehaltsgesetz (909/A) (E) 107

Begründung: Karl Öllinger 111

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 115

Debatte:

Dr. Gabriela Moser 117

Dr. Dieter Antoni 119

Maria Rauch-Kallat 121

Mag. Karl Schweitzer 122

Maria Schaffenrath 125

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 127

Dr. Robert Rada 129

Werner Amon 130

Mag. Dr. Udo Grollitsch 131

Mag. Terezija Stoisits 133

DDr. Erwin Niederwieser 134

Dr. Sonja Moser-Starrach 137

Heinz Anton Marolt 138

Dr. Gertrude Brinek 139

Dr. Helene Partik-Pablé 140

Karl Öllinger 141

Ablehnung des Dringlichen Antrages 142

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1386 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird (1400 d. B.) 33

2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 770/A der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (1401 d. B.) 34

Redner:

Dr. Alois Pumberger 34

Dr. Elisabeth Pittermann 37

Dr. Martina Gredler 39

Dr. Erwin Rasinger 42

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 44

Dr. Gabriela Moser 45

Bundesministerin Eleonora Hostasch 48

Mag. Walter Guggenberger 51

Dr. Brigitte Povysil 52

Dr. Günther Leiner 53

Klara Motter 56

Mag. Johann Maier 57

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 59

Dr. Stefan Salzl 59

Manfred Lackner 61

Dr. Gerhard Kurzmann 62

Ridi Steibl 63

Dr. Stefan Salzl (tatsächliche Berichtigung) 64

Annemarie Reitsamer 65

Ing. Erwin Kaipel 66

Dr. Harald Ofner 67

Annahme des Gesetzentwurfes in 1400 d. B. 72

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1401 d. B. 72

Entschließungsantrag der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Dr. Ilse Mertel und Genossen betreffend Überprüfung von Meldungen gemäß § 54 Ärztegesetz – Annahme (E 143) 55, 72

3. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Justiz im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing 72

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 72

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 72

Redner:

Mag. Dr. Udo Grollitsch 77

Mag. Helmut Kukacka 79

Andreas Wabl (tatsächliche Berichtigung) 81

Mag. Thomas Barmüller 82

Mag. Dr. Udo Grollitsch (tatsächliche Berichtigung) 88

Dr. Günther Kräuter 88

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 91

Mag. Cordula Frieser 95

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 97

Kurt Eder 98

Dr. Volker Kier 100, 155

Mag. Doris Kammerlander 104, 149

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 151

Karl Öllinger 153

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 156

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Offenlegung des an die internationale Expertenkommission ergangenen Prüfungsauftrags zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing – Ablehnung 84, 160

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend Überprüfung von möglichen strafrechtlichen Sachverhalten im Bereich der Obersten Bergbehörde – Ablehnung 152, 160

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes (III-138 d. B.) über die Mautvignette (1413 d. B.) 160

Redner:

Ing. Walter Meischberger 161

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 163

Karl Smolle 165

Otmar Brix 166

Dr. Gabriela Moser 167

Georg Wurmitzer 169

Mag. Reinhard Firlinger 171

Josef Edler 172

Ing. Wolfgang Nußbaumer 173

Kurt Wallner 174

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 176

Kenntnisnahme des Berichtes III-138 d. B. 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Mautfreistellung für die Benützung von grenznahen Straßenabschnitten – Ablehnung 174, 177

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 869/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1417 d. B.) 178

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 876/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1418 d. B.) 178

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 764/A (E) der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug (1419 d. B.) 178

Redner:

Edith Haller 178

Annemarie Reitsamer 180

Dr. Volker Kier 181

Ridi Steibl 184

Sigisbert Dolinschek 185

Karl Öllinger 186

Elfriede Madl 189

Franz Hums 190

Anna Elisabeth Aumayr 192, 198

Wolfgang Großruck 193

Helmut Dietachmayr 194

Heidrun Silhavy 195

Marianne Hagenhofer 196

Sophie Bauer 197

Bundesministerin Eleonora Hostasch 197

Robert Wenitsch 198

Annahme der Gesetzentwürfe in 1417 und 1418 d. B. 200

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1419 d. B. 200

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Leistungen nach dem AlVG für Nebenerwerbsbauern – Ablehnung 192, 200

8. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1414 d. B.) (Dritte Lesung) 200

Annahme des Gesetzentwurfes in 1414 d. B. 200

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Karl Öllinger und Genossen betreffend Versäumnisse in der Bildungspolitik, insbesondere beim Gehaltsgesetz (909/A) (E)

Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG) geändert wird (910/A)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend österreichische Verhandlungsposition zum Multilateralen Investitionsschutzabkommen (MAI) (911/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die gesetzliche Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Lebensgemeinschaften im Beamtendienstrechtsgesetz 1979 (912/A) (E)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend die Dringlichkeit einer Änderung der Gewerbe- und Störfallverordnung (913/A) (E)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend das seltsame Verhalten der Staatsanwaltschaft Wels (914/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Offenlegung des an die internationale Expertenkommission ergangenen Prüfungsauftrages zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing (915/A) (E)

Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten der NS-Opfer (916/A) (E)

Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert werden (917/A)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend Verdacht der "freihändigen" Vergabe von Bergbauförderungen (918/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Gottfried Feurstein, Mag. Doris Kammerlander, Hans Helmut Moser und Genossen betreffend die Verhandlungen über ein Multilaterales Investitionsschutzabkommen (MAI) (919/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Auszahlung der Familienbeihilfe für passagere Pflegeeltern (4988/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auslandsdienstreisen (4989/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Wassersituation in Wien (4990/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Wassersituation in Wien (4991/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rettungsassistenten und Rettungssanitäter (4992/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Wucherpreis für Wiener Rettungsfahrten (4993/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie (4994/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tätigkeit des Integrationsbeirates (4995/J)

Franz Kampichler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Unfallhäufigkeit auf dem Wechselabschnitt der Südautobahn (4996/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Interpretation der Schubhaftbestimmungen im Fremdengesetz (4997/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "Verletzung des Ansehens des Bundesheeres durch Frau Christine Scherzer" (4998/J)

Gabriele Binder und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Pannenstreifen als dritte Fahrspur auf der Westautobahn (4999/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Ausgaben für Lehrlinge (5000/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausgaben für Lehrlinge (5001/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ermittlungen der Sicherheitsbehörden im Fall Lassing (5002/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Raffinerie Schwechat und Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen (5003/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend seine Verordnungen 288/1998, 294/1998 und 295/1998 betreffend Ausbildungen zum Medienfachmann, Straßenerhaltungsfachmann bzw. zum Systemgastronomiefachmann (5004/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Einhausung A12 (5005/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Einhausung A12 (5006/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Motorradlärm (5007/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Alpenkonvention – Energieprotokoll (5008/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Nuklearanteil im 5. EU-Energieforschungs-Rahmenprogramm (5009/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Programm der österreichischen EU-Präsidentschaft (5010/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die genaue Aufschlüsselung der Minderheitenförderung des BMUK (5011/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Bergung der Opfer von Lassing durch die Hauptverdächtigen eines Kriminalfalles unter Kontrolle möglicher Komplizen? (5012/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Aussagen des Institutsleiters der Forstinventur, daß die "Bäume wachsen wie noch nie" (5013/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Kontrolle von österreichischen Bergwerken nach der Katastrophe von Lassing (5014/J)

Josef Edler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Zeitplan AHS-Neubau Heustadelgasse in Wien Donaustadt (5015/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Mopedausweis für Jugendliche ab 15 Jahren (5016/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Atomkraftwerk Marienberg (5017/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Atomkraftwerk Marienberg (5018/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Atomkraftwerk Marienberg (5019/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Atomkraftwerk Marienberg (5020/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Absystemisierung des Gendarmeriepostens Thalheim bei Wels (5021/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend § 89 ASVG (5022/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einrichtung eines Testinstitutes beim Arbeitsmarktservice Wien (5023/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Anzeigepflicht von Arbeitsunfällen und Unfallverhütungsdienst (5024/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend AMS-Richtlinie zur Vorlehre (5025/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Vorgriffe auf das Budget 1999 seitens der AMS-Länderstellen (5026/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Mietzinsbeihilfe gemäß Einkommensteuergesetz (5027/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Berufsbezeichnungen in den Ausbildungsordnungen aufgrund der §§ 8, 24 und 27 Abs. 2 des Berufsausbildungsgesetzes (5028/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Sicherung der Infrastruktur im Telefonbereich (5029/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Summerauer Bahn (5030/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Fischsterben in Krems (5031/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Karl Zemanek (5032/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend untaugliches österreichisches Kartellrecht (5033/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend chemisches und physikalisches Labor des AWT in Wien-Simmering (5034/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Verweigerung des Vorschlages der Begnadigung eines § 209-Opfers an den Herrn Bundespräsidenten (5035/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einberufung des österreichischen Botschafters in der VR China (5036/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen zur Ahndung des in der Immobilienbranche wohlbekannten Abweichens von der Produktwahrheit der angebotenen Objekte (5037/J)

Katharina Horngacher und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Maßnahmen zum Schutz des Lebens (5038/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verkehrssituation im Nord-Ost-Bereich Niederösterreichs (5039/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einstellung von behinderten Menschen nach dem Behinderteneinstellungsgesetz im Bereich der Statutarstädte (5040/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Handhabung des Unterbringungsgesetzes durch Polizeiärzte (5041/J)

*****

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Beratungsfehler der Studienbeihilfenbehörde (4937/J)

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen.

Ich eröffne um 9 Uhr die 142. Sitzung des Nationalrates und darf Sie bitten, Platz zu nehmen.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Apfelbeck, Haidlmayr, Verzetnitsch und Mag. Haupt.

Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Hinblick auf die in der gestrigen Sitzung bereits bekanntgegebene Hinterlegung des Wahlscheines des Herrn Abgeordneten Hermann Mentil und seine nunmehrige Anwesenheit im Hause werde ich nunmehr nach § 4 der Geschäftsordnung die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer wird der Genannte seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich ersuche nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Auer, um die Verlesung der Gelöbnisformel. (Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Schriftführer Jakob Auer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Hermann Mentil: Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den neuen Abgeordneten aufrichtig in unserer Mitte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum. – Die Abgeordneten nehmen ihre Plätze wieder ein. – Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!)

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Kostelka. – Bitte.

9.02

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Die Zugehörigkeit zu einer Fraktion ist für die übrigen Fraktionen, aber auch für den betreffenden Abgeordneten von zentraler Bedeutung. Wir wissen nicht, ob Abgeordneter Mentil einer Fraktion angehört oder nicht; entsprechende Zeitungsmeldungen sind noch nicht bestätigt worden.

Es wäre das erste Mal in der Geschichte dieser Republik, daß ein Abgeordneter bei seiner Angelobung nicht jener Fraktion angehört, auf deren Liste er gewählt worden ist, und ich bitte daher um entsprechende Mitteilung.

9.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich habe vom Klubdirektor der Freiheitlichen einen Brief bekommen, wonach Herr Abgeordneter Mentil der freiheitlichen Fraktion nicht angehört. Ich habe veranlaßt, daß dieses Schreiben allen Mitgliedern der Präsidialkonferenz zur Verfügung steht. Das ist auch der Grund, warum ich dem Abgeordneten Mentil einen Sitzplatz außerhalb der Reihen der FPÖ-Fraktion zugewiesen habe. (Heiterkeit und Zwischenrufe.)

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Hinblick auf die für heute einberufene Fragestunde beginne ich nunmehr – um 9.03 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage – 224/M – an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten formuliert Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Vizekanzler und Bundesminister! Meine Frage lautet:

224/M

Welche konkreten Schritte werden Sie wann setzen, daß vor einem Beitritt der Tschechischen Republik und Sloweniens zur Europäischen Union die völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Gesetze und Bestimmungen in diesen Ländern aufgehoben werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Wir haben gestern im Rahmen einer Dringlichen Anfrage sehr ausführlich über dieses Thema des unermeßlichen Leids gesprochen, das den Heimatvertriebenen nach 1945 in verschiedenen Teilen Europas zugefügt wurde, etwa in der damaligen Tschechoslowakei oder auf dem Gebiet der früheren Sozialistischen Republik Jugoslawien.

Ich habe gesagt, daß wir durch ein Bündel von Maßnahmen auf der europäischen Ebene, durch die Unterstützung der Beitrittsbemühungen dieser Länder versuchen wollen, eine Europäisierung der Rechtsordnung herbeizuführen, was dann auch den Rechtszug an den Europäischen Gerichtshof oder durch die Ratifizierung von entsprechenden internationalen Abkommen – was mittlerweile erfolgt ist im Fall Tschechien; im Falle Slowenien steht es noch aus – den Rechtszug an den Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte ermöglicht. Im Rahmen der Heranführungsstrategie sollen auch die nationalen Rechte angepaßt werden.

Dazu gehört aber auch – und das muß offen gesagt werden –, daß es, was diese unmittelbaren Dekrete betrifft, auf die sich die Rechtsordnungen ja indirekt immer noch beziehen – jedenfalls haben sie die Kontinuität nicht unterbrochen –, schwierig ist, diese direkt in den Verhandlungen anzusprechen. Daher habe ich mir jedenfalls bei jedem bilateralen Treffen mit den Außenministerkollegen Tschechiens und Sloweniens vorgenommen, diese Fragen anzusprechen.

Es muß klarerweise auch zu einem Aufarbeitungsprozeß in der Geschichte dieser Länder kommen, und dankenswerterweise gibt es dort auch Bewegung. Ich darf, wie ich es gestern schon getan habe, daran erinnern, daß etwa der tschechische Präsident Václav Havel sehr klare Worte dahin gehend gefunden hat, daß das damalige Vorgehen absolut unmoralisch gewesen ist. Diese Art der Aufarbeitung der Geschichte wird über kurz oder lang dazu führen, daß auch diese Dekrete aus der Rechtsordnung verschwinden. Das ist meine Hoffnung, und ich werde daran arbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Die Situation mit den AVNOJ-Beschlüssen in Slowenien und mit den Beneš-Dekreten stellt sich offenbar für die beteiligten Staaten unterschiedlich. Der Präsident von Slowenien hat allen anderen slowenischen Politikern voran vor einigen Monaten in einer öffentlichen Erklärung klargemacht, daß die AVNOJ-Beschlüsse aus der Tito-Ära, die die Heimatvertriebenen sozusagen für vogelfrei erklären, nach wie vor in Kraft sind und auch nicht Gegenstand von Verhandlungen sein können.

Sie haben gestern auf ein Gutachten verwiesen, das Ihnen Professor Zemanek gemacht hat, wonach sich die Frage erübrigt hat. Ich darf Sie fragen: Welchen Datums ist dieses Gutachten, das Sie von Professor Zemanek vorgelegt bekommen haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: 28. September 1998. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Abgeordneter Dkfm. Mühlbachler, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie geht es nach der soeben abgehaltenen Europakonferenz im Erweiterungsprozeß weiter?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Europakonferenz soll Gelegenheit geben, daß mit jenen Ländern, die eine Beitrittsperspektive haben, also den elf Kandidaten – und interessanterweise haben wir auf österreichische Initiative ja jetzt auch die Schweiz als Mitglied der Europakonferenz in spe zum ersten Mal dabeigehabt; der formelle Beschluß wird beim Europäischen Rat in Wien gefaßt werden – jetzt schon Themen besprochen werden, die sehr wichtig sind und bei denen wir gemeinsam unsere Strategien abstimmen wollen.

Sie wissen, daß eines meiner Hauptthemen im Rahmen der Präsidentschaft auch ist, die Rechte der Kinder zu verbessern. Daher haben wir als eines der ganz wesentlichen Themen – das war der Tagesordnungspunkt 1, zu dem eine lange Diskussion mit allen Beteiligten stattfand – die Frage des Kampfs gegen Kinderpornographie im Internet, gegen Kindesmißbrauch, Kinderprostitution diskutiert, ein Thema, das gerade in den mittel- und osteuropäischen Ländern von großer Aktualität ist. Vergessen Sie nicht, daß viele der Produzenten solcher Filme dort arbeiten, dort Milliardengeschäfte machen, und daß wir einen wirklich effizienten, europäisch koordinierten Vorgangsprozeß brauchen.

Ich darf nur daran erinnern, daß wir zwar Europol eingeleitet haben – die Gründung ist jetzt vollzogen, Europol hat seine Arbeit aufgenommen –, aber Europol darf zum Beispiel aufgrund der Rechtslage nicht im Internet surfen; das ist ein riesiges Problem. Die "Aktion Kathedrale", die von nationalen, aber gut koordinierten Behörden gegründet wurde, hat aufgedeckt, daß es eine Million kinderpornographischer Objekte im Internet gibt. Man sieht also, wie wichtig eine über Europa hinausgehende Koordination ist.

Das zweite große Thema vorgestern bei der Europakonferenz war der Umweltschutz. Ich glaube, über die Bedeutung dieses Themas ein Wort zu verlieren, ist überflüssig. Gerade die Frage der Sicherheit von Kernkraftwerken, die Frage der Investition in den Nachbarländern, vor allem auch zur Verbesserung der Umweltprobleme, ist besonders wichtig, und diese erste Europakonferenz hat ein sehr gutes und befriedigendes Ergebnis erzielt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Smolle.

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Herr Vizekanzler! Wir sind sicher einer Meinung, daß Menschenrechtsfragen, Volksgruppenfragen zu ernst sind, als daß man sie sozusagen als Wahlkampfthema aus Kärnten gleich hierher ins Haus transportiert, wie das Kollege Haider getan hat. Daher möchte ich zum Ernst der Frage zurückkommen.

Die Kopenhagener Erklärung fordert von den neuen Mitgliedern, von den potentiellen Mitgliedern vor allem auch die Beachtung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten. Sind Sie der Auffassung, Herr Vizekanzler, daß es richtig wäre, ein gutes europäisches Menschenrecht und vor allem auch ein gutes Volksgruppenrecht zu schaffen, weil wir ja wissen, fast an allen Problemen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, das war schon die Frage, Herr Abgeordneter Smolle! – Bitte um Ihre Antwort, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Antwort aus österreichischer Sicht ist natürlich ein absolutes Ja, Herr Abgeordneter Smolle. Sie wissen aber, daß ich als Vorsitzender, als Ratspräsident natürlich die EU-Länder koordinieren muß. Es genügt nicht, daß ich meine persönliche Meinung sage. Ich hielte es für zweckmäßig, wenn es ein solches europäisches Statut gäbe. Wir haben auch in den Amsterdamer Vertrag zum ersten Mal Elemente eines solchen Ziels hineingebracht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Kammerlander.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Bezug nehmend auf die menschenrechtswidrigen Gesetze, die in dieser Anfrage angesprochen werden, frage ich Sie, Herr Außenminister, wie Sie den Umstand begründen, daß Österreich mehr als 50 Jahre gebraucht hat, um Schritte zu unternehmen, um arisiertes Vermögen an seine ehemaligen Besitzer beziehungsweise deren Nachkommen zu übermitteln.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Da muß man aber jetzt der Wahrheit schon die Ehre geben: Österreich hat nicht 50 Jahre gebraucht, um etwas zu tun, sondern es hat eigentlich sofort in den Nachkriegsjahren sieben Restitutionsgesetze gegeben, die immerhin – ich habe die genaue Zahl jetzt nicht im Kopf – zu 50 000, 60 000 konkreten Restitutionsverfahren geführt haben. Davon wurde ein großer Teil positiv im Sinne der Rückgabe oder einer Entschädigung abgeschlossen.

Zum Kern der Frage, die Sie ansprechen – und damit haben Sie vollkommen recht, und das habe ich gestern auch gesagt –: Auch wir haben in Schritten unsere Aufarbeitung der Geschichte vollzogen. Wir haben auch nicht alles gleich am Anfang perfekt geschafft. Und es ist ja auch mein Argument, daß man berücksichtigen muß, daß es relativ junge Länder gibt – Slowenien und Tschechien sind solche Länder –, Länder, die jetzt erst sechs, sieben Jahre die junge Erfahrung von Demokratie und Eigenständigkeit haben, aber auch diesen Ländern bleibt die Konfrontation mit den Schatten ihrer Geschichte nicht erspart.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Vizekanzler.

Zusatzfrage: Kollege Dietachmayr.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Vizekanzler! Eine differenzierte Behandlung des Vertriebenen-Problems, speziell jenes der Sudetendeutschen, scheitert vielfach an der Unwissenheit über die vor und nach 1945 gültigen Grenzen. Weder im heutigen Tschechien noch in Österreich, auch nicht in Deutschland, wurde die Jugend entsprechend informiert, geschweige denn mit der Vertreibung der Sudetendeutschen konfrontiert.

Sehen Sie eine Möglichkeit, diesem Defizit im Geschichtsunterricht auch in unseren Schulen entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: In unseren Schulen auf jeden Fall. Ich glaube, das ist ein absolutes Ziel einer vernünftigen Bildungspolitik. Wir wollen auch – und das haben Bundeskanzler Klima und ich auch gemeinsam vereinbart – den Heimatvertriebenen, den sudetendeutschen Verbänden bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte helfen. Wir werden für die kommenden Jahre 10 Millionen Schilling für ein solches Projekt zur Erarbeitung eines fairen und objektiven Geschichtsbildes zur Verfügung stellen.

Was die Geschichtsbücher – und das wäre, glaube ich, auch wichtig – in den Nachbarländern betrifft, kann man natürlich nicht von außen etwas tun, aber da haben wir gute Beispiele. Wir haben zum Beispiel mit Italien gemeinsam ein Projekt für unsere Geschichtsbücher in Italien und in Österreich über das Südtirolproblem und über die auch gemeinsame und oft schmerzhafte Geschichte gemacht. Das ist ein großer Erfolg geworden. So ein Modell könnten und sollten wir jederzeit unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Damit haben wir den ersten Fragenkomplex abgeschlossen.

Die 2. Anfrage formuliert Kollege Schieder. – Bitte. (Abg. Schieder: Muß ich zu einem Mikrophon gehen? – Rufe: Ja! – Abg. Schieder – auf dem Weg zu einem Mikrophon in einem anderen Sektor –: Man ist ja benachteiligt in dem Sektor drüben, denn dort gibt es viel weniger Mikrophone! – Abg. Smolle: Bei uns sind Sie immer willkommen! – Heiterkeit.)

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Außenminister! Meine Frage lautet:

219/M

Wann wird es zur Einrichtung von "Mrs." oder "Mr. GASP" kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Danke für die geschlechtsneutrale Bezeichnung, denn sonst wird immer vom "Mr. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" geredet, und ich glaube, daß es durchaus eine Frau genauso sein kann, wenn sie qualifiziert ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Smolle: Eine Frau muß qualifiziert sein, bei den Männern ist das nicht ...! – Heiterkeit.) Ein Mann natürlich auch.

Der Zeitplan ist so gedacht, daß wir Ende Oktober die Vorschläge von den einzelnen Mitgliedsländern auf den Tisch bekommen, und der Europäische Rat in Wien soll im Dezember darüber entscheiden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): In der Sitzung der Vorsitzenden der Außenpolitischen Ausschüsse der Parlamente der EU-Mitgliedsländer gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Auschusses des Europäischen Parlaments hat man sich darauf geeinigt, zu verlangen, daß sich die "Frau" oder der "Herr GASP" einem Hearing in diesem Kreis stellt.

Wie wird sich Österreich im Rat – ich kann Sie ja nicht als Vorsitzenden fragen – zu dieser Forderung stellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Der oder die hohe Vertreter/in der Außenpolitik wird Generalsekretär des Rates; und das ist, glaube ich, die Schlüsselposition, um auch das kontinuierliche Element in der Außenpolitik darzustellen. Wir haben dann einen für die Außenbeziehungen zuständigen Kommissär, den Generalsekretär oder die Generalsekretärin des Rats, zuständig für die Außenpolitik und den wechselnden Ratsvorsitz. Das ist eine neue Troika, wobei zwei Personen kontinuierlich, dauernd, permanent tätig sind und einer oder eine wechselt. Das ist, glaube ich, kein schlechtes Modell.

Nach dem Vertrag entscheiden das die Mitglieder des Europäischen Rates, also die Regierungschefs und die Außenminister. Ich habe überhaupt kein Problem damit, daß wir das Parlament voll einbinden, aber der Beschluß, die echte Abstimmung darüber, wer es wird, liegt nach dem Vertrag ganz eindeutig beim Europäischen Rat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Jung.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wie wir gerade gehört haben, wird voraussichtlich die Besetzung des "Mr. GASP" noch während des österreichischen Vorsitzes erfolgen. Wir haben alle noch die Problematik – man könnte es fast Debakel nennen – bei der Besetzung der Europäischen Zentralbank in Erinnerung.

Welche Vorsorgen hat der Vorsitz getroffen? Gibt es hier schon Namen, um ein solches Debakel beim "Mr. GASP" zu vermeiden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter Jung! Die Besetzung an sich, also die Namen, die Personen, die ausgesucht worden sind, waren überhaupt kein Debakel für die Europäische Zentralbank. Im Gegenteil. (Abg. Jung: Der Vorgang!) Nein, wirklich nicht! Duisenberg ist ein absolut erstklassiger Bankfachmann. (Abg. Haigermoser: Der Bestellungsvorgang war ein Debakel!) Moment! Das Debakel hätte ja aufgrund der Frage dahin gehend interpretiert werden können, wer ausgesucht worden ist. Das sogenannte Debakel bestand darin, daß eben zwölf Stunden diskutiert worden ist. Darf ich ganz offen sagen: Ich finde es gar nicht schlecht, wenn zwölf Stunden diskutiert wird. Wenn dabei etwas Ordentliches herauskommt, ist das besser, als wenn man fünf Minuten diskutiert und ein Blödsinn herauskommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Vizekanzler! Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang folgendes fragen: Es taucht in der Diskussion die Frage auf, ob diese Vertreterin oder dieser Vertreter der hohen Außenpolitik der EU aus einem kleinen oder großen Mitgliedsland kommen soll, ob es ein Politiker oder eventuell ein hoher Beamter sein soll. Wie stellt sich Österreich dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Also, klein oder groß, Beamter oder Diplomat, Politiker oder sonst etwas – ich glaube, entscheidend ist, daß er oder sie gut ist. Ich persönlich hätte überhaupt kein Problem damit, wenn das ein Politiker, ein ehemaliger Politiker aus einem kleinem Land oder ein erstklassiger Diplomat aus einem großen Land ist – oder umgekehrt. Das einzige Kriterium sollte sein, daß diese Persönlichkeit wirklich etwas von der Außenpolitik verstehen muß und die Mechanismen der Zusammenarbeit innerhalb der Union kennen sollte. Das sind, glaube ich, die Voraussetzungen, die absolut gegeben sein müssen. Wenn wir so jemanden finden, wird das, glaube ich, der Qualität der europäischen Außenpolitik nur guttun. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Herr Abgeordneter Wabl stellt die nächste Zusatzfrage.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Sie sind ja Vizekanzler dieser Republik und Außenminister dieser Republik (Abg. Schieder: Die Antwort ist: Ja!), und wie Sie ja sicher noch in Erinnerung haben, ist die Republik Österreich neutral. Das heißt, Sie – ebenso wie alle anderen Minister in der Regierung – sind den Neutralitätsgesetzen verpflichtet.

War das bereits ein Vorgriff auf den "Mr. GASP", daß Sie mit dem Satz, Sie werden nun andere Saiten aufziehen, unverhohlen mit Gewalt in Richtung Milošević gedroht haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Mir ist die Verfassungslage und die Rechtslage zweifellos bekannt, aber ich habe auch den Bericht des absolut unverdächtigen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan gelesen, der nach der vom Sicherheitsrat einstimmig verabschiedeten Sicherheitsratsresolution 1199, in der genau zu lesen ist, was zur Lösung der Kosovo-Krise gewünscht wird, verfaßt wurde und aus dem hervorgeht, daß Milošević nach dieser Resolution durch seine Anordnungen weitere 20 000 Flόchtlinge erzwungen hat, daί weitere zehn Dφrfer zerstφrt worden sind und daί zumindest zwei an unschuldigen Zivilisten, an Familien verübte Massaker festgestellt worden sind.

Herr Abgeordneter, mich läßt das nicht kalt! Mit papierenen Resolutionen wird sich die Staatengemeinschaft gegen diesen Staatsterror nicht behelfen können. Deswegen habe ich gemeint, andere Maßnahmen sind notwendig. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Mag. Peter.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Gredler.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Mit welchen Befugnissen wird eine "Mrs. GASP" – denn Sie reden doch oft von "Mr. GASP" – Ihrer Meinung nach ausgestattet werden, wenn man sich vor Augen führt, daß in Sachen Kosovo bis jetzt eigentlich nichts beziehungsweise kaum etwas erreicht worden ist und die Gemeinsamkeiten in der EU mit der Lupe zu suchen sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Nun, ganz so möchte ich das wirklich nicht stehenlassen. Daß nichts erreicht wurde und daß alle zerstritten sind, ist einfach nicht wahr. Wir haben ein ganzes Bündel von zum Teil auch sehr wirksamen Maßnahmen, so zum Beispiel den Investitionsstopp, diverse andere Zwangsmaßnahmen wie den Stopp der jugoslawischen Luftlinie, Visabeschränkungen, den Freeze, also das Einfrieren von bestimmten Staatskonten, oder die Informationen an den Internationalen Gerichtshof gegen Kriegsverbrecher.

Die österreichische Präsidentschaft hat nach Jahren der Diskussion in Priština, also vor Ort, ein eigenes Präsidentschaftsbüro errichtet. Wir haben jetzt ein gut koordiniertes Flüchtlingsbetreuungsprogramm. Sie dürfen nicht vergessen, wir haben derzeit allein in Montenegro 45 000 Flüchtlinge, die ständig von außen ernährt und versorgt werden müssen. In Albanien sind es 20 000 Flüchtlinge, in Mazedonien 5 000, in Bosnien – mit steigender Tendenz – 7 000 bis 8 000 Flüchtlinge und weitere 50 000, die im Kosovo unter freiem Himmel nächtigen. Sie alle werden de facto durch die Europäische Union beziehungsweise durch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ernährt.

Wir haben mittlerweile über 100 Beobachter in der Region – übrigens von einem Österreicher koordiniert –, die sicherstellen, daß diese humanitäre Betreuung gut funktioniert. Das ist nicht "nichts". Das möchte ich schon deutlich dazusagen.

Ich bin auch ein bißchen stolz darauf, daß gerade die österreichische Präsidentschaft diese humanitären Notwendigkeiten so stark in den Vordergrund gerückt hat. Aber es wird deswegen so dramatisch schwierig, weil der Winter kommt, und schon jetzt liegen die Temperaturen in den Nächten unter null Grad. Daher ist ja auch der Druck der Staatengemeinschaft so stark, jetzt Milošević dazu zu bringen, einen anderen Lφsungsansatz zu suchen. Man kann doch nicht Flόchtlinge zurόck in die zerschossenen Dφrfer schicken, wenn sie Angst haben müssen, daß übermorgen die Spezialpolizei oder die Armee wiederkommt. Darum geht es! Hier ist niemand kriegswütig oder schießwütig, sondern uns treibt die Sorge um die Menschen, und das sollte auch der kommende "Mr. GASP" oder die kommende "Mrs. GASP" im Auge haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der dritte Fragenkomplex wird von Frau Abgeordneter Dr. Gredler formuliert. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

223/M

Wie wollen Sie Ihre bei der UN-Generalversammlung in New York geδuίerte ”persφnliche Meinung”, daί der jugoslawische Prδsident Slobodan Milošević auf die Liste der als Kriegsverbrecher anzuklagenden Personen gesetzt werden soll, zu einer gemeinsamen Linie der Europäischen Union machen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich muß nur die Frage korrigieren. Ich habe nicht bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine solche Erklärung abgegeben – dort habe ich die akkordierte Rede der Europäischen Union gehalten, in der das überhaupt nicht vorkommt –, sondern ich habe auf eine Anfrage eines österreichischen Radioreporters diese meine persönliche Meinung gesagt. Dazu stehe ich auch hundertprozentig.

Ich sage Ihnen auch, wie so etwas funktioniert: Wir haben derzeit das internationale Tribunal gegen Kriegsverbrechen in Den Haag. Es gibt ein eigenes Statut dieses Kriegsverbrechertribunals, und nach diesem Statut kann – da es sich hier um ein unabhängiges Gericht mit einem unabhängigen Ankläger handelt – niemand dieses Gericht oder diesen Ankläger von außen zu etwas bringen, außer der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Was man tun kann und was ich natürlich auch gemacht habe, ist, alle relevanten Informationen über die Massaker, über die behaupteten oder gefundenen Massengräber, über die humanitären Verbrechen, in einer Dokumentation diesem internationalen Kriegsverbrechertribunal zur Verfügung zu stellen, und dieses Tribunal nimmt dann in einer nichtöffentlichen Prozedur die Dinge auf oder nicht auf – wobei die Anonymität der Behandlung sogar sehr klug ist, denn damit ist eigentlich auch eine größere Effizienz dieses Kriegsverbrechertribunals sichergestellt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Wie stellt sich Österreich im Falle, daß es zu einem Eingreifen der NATO ohne Sicherheitsratsbeschluß kommen sollte, zu einem eventuellen Ansuchen bezüglich des Überfluges oder des Durchfahrens von Militärinstrumentarium der NATO?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Da es derzeit noch keinen Beschluß der NATO gibt und da ich auch keine Informationen darüber habe – der EU-Vorsitz ist in diese Dinge nicht eingebunden, und wir sind auch kein NATO-Mitglied –, kann ich diese Frage nicht kommentieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Schieder, bitte.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Das Mikrophon geht nicht. (Abg. Jung: Freilich geht es! Wir hören!)

Herr Bundesminister! Wer müßte, da Sie sehr strenge Kriterien dafür anwenden, wer als Kriegsverbrecher zu bezeichnen ist, indem Sie nämlich auch das Verhalten im eigenen Land unter Sanktion stellen, unter den Staatsoberhäuptern dieser Welt Ihrer Meinung nach noch als Kriegsverbrecher angeklagt werden? (Abg. Schwarzenberger: Das ist eine Frage! – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist aber eine schwere Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Die Fragestunde würde nicht ausreichen, um das wirklich seriös zu beantworten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. – Abg. Wabl: Schriftlich beantworten, bitte! – Abg. Rauch-Kallat: Kurz und diplomatisch!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kurzmann, bitte.

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie sind in der letzten Zeit als Mann der starken Sprüche in Österreich aufgetreten. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Ich habe hier eine Presseaussendung. Prδsident Milošević, sagen Sie, ist persφnlich und im vollen Umfang fόr die Vorkommnisse im Kosovo verantwortlich zu machen. Das Problem im Kosovo hat einen Namen: Milošević. – Das sind starke Sprόche.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um die Frage, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (fortsetzend): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet: Wenn man solch starke Sprüche klopft, dann muß man doch etwas hinter sich haben, dann muί man doch Unterstόtzung finden. Welcher Staatschef in Europa oder in der Welt unterstόtzt Sie darin, daί Milošević wirklich auf die Kriegsverbrecherliste kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wenn Sie mich fragen, was hinter mir steht, dann sage ich Ihnen: Die Wahrheit. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Großruck, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Bundesminister! Sie haben vorhin schon einige Maßnahmen genannt, die getroffen werden sollen, um den grauslichen Verbrechen – ich darf das hier so ausdrücken – im Kosovo Einhalt zu gebieten.

Meine Frage: Was kann man jetzt in der konkreten Situation tun? Was ist Ihrer Meinung nach notwendig, um den Kosovo-Albanern im Kosovo jetzt ad hoc zu helfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Einer der Erfolge, die wir in New York bei der Generalversammlung erzielt haben, war, daß der Österreicher Wolfgang Petritsch, unser Botschafter in Belgrad, zum EU-Beauftragten für den Kosovo gemacht wurde. Petritsch hat sofort seine Arbeit aufgenommen und hat ein ganz bestimmtes Projekt – wir nennen es "Project Home", und es kann innerhalb von 14 Tagen erfolgreich abgeschlossen werden – für 3 000 Flüchtlinge entwickelt, die derzeit in den Wäldern wohnen. Ich habe eine Fotodokumentation gesehen, und es ist absolut erschütternd: Man hat dort Plastikbeutel zusammengeflickt, um notdürftigste Zelte zu basteln. Es hat derzeit, wie gesagt, in der Nacht unter null Grad.

Wir können mit bescheidensten Geldmitteln und durch eine permanente Beobachtung durch die internationale Staatengemeinschaft abgesichert diese Menschen innerhalb der nächsten zwei Wochen zurück in ihre Dörfer bringen. Das haben wir jetzt ganz konkret vor. Dazu kommt ein großes Rückführungsprojekt für Orahovac, wo 20 000 bis 30 000 Menschen gewohnt haben. Das muß besser vorbereitet sein, denn da braucht man auch Baumaterial und etwas mehr Geld. – Das sind im Augenblick die konkretesten Projekte. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander, bitte.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Außenminister! Von Bundeskanzler Klima haben wir gestern gehört, daß er ein Eingreifen der NATO ohne UN-Sicherheitsratsbeschluß ausschließt. Sind Sie als Ratspräsident der Meinung, daß ein Eingreifen der NATO auch ohne UN-Sicherheitsratsbeschluß erfolgen soll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete, wir haben eine ganze Reihe von UNO-Sicherheitsratsbeschlüssen, und ich darf wiederum auf die berühmte, sehr gute Resolution 1199, die vor zwei Wochen in New York gefaßt wurde und bei der auch die Russen und die Chinesen mitgegangen sind, hinweisen. In dieser Resolution steht ganz klar, was gemacht werden muß, und es steht auch darin, daß die gegenwärtige Situation, die durch Milošević verursacht wurde, eine Gefahr fόr Frieden und Stabilitδt in der Region darstellt.

Das ist die Ausgangslage fόr ein, glaube ich, sehr vernόnftiges politisches Handlungsprogramm, auf das man sich stόtzen kann. Sollte Miloševi栖 entgegen meiner noch immer bestehenden Hoffnung – in den nächsten Tagen oder Stunden nicht einlenken, dann gibt es natürlich auch andere rechtliche Plattformen oder Ausgangsbasen, auf denen man weitere Aktionen abstützen kann. Es gibt ja nicht nur ein einziges Thema, auch wenn es manchmal in der Öffentlichkeit so dargestellt wird. Es gibt mehrere Maßnahmen, die in der gegenwärtigen Situation eine sehr rasche Wirkung haben kφnnen. Sie werden aber verstehen, daί ich Milošević nicht die Freude mache, so etwas stδndig φffentlich zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Frage 221/M wird von Herrn Abgeordneten Amon eingebracht. – Bitte.

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Herr Außenminister! Könnten Sie uns bitte einen Überblick geben:

221/M

Was hat Österreich in den vergangenen drei Monaten in der EU erreicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte. (Abg. Dr. Ofner: Auf diese Frage ist er gar nicht gefaßt, der Arme! So eine "überraschende" Frage! Und jetzt wird er nicht wissen, was er antworten soll! Ich kenne ja dieses Geschäft!)

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Wir haben jetzt in etwa Halbzeit unserer Präsidentschaft. Ich glaube, daß das Arbeitsprogramm der Österreicher sehr gut angekommen und auch international auf ein sehr gutes Echo und auf konstruktive Mitarbeit gestoßen ist. Wir haben in der Zwischenzeit einige konkrete Erfolge erzielen können.

Ich darf nur stichwortartig noch einmal auf den Kosovo Bezug nehmen, wo die innerhalb von wenigen Monaten aufgebaute humanitäre Betreuung jetzt zwar relativ gut funktioniert, aber natürlich die politische Lösung noch nicht da ist.

Zweiter Bereich: Wir haben es fertiggebracht, daß durch eine sehr gute Zusammenarbeit – Haushaltsausschuß, Außenministerrat und COREPER, also Botschafterkooperation – die Haushaltsrichtlinien vor allem für die NGOs außer Streit gestellt worden sind. Das ist ein Thema, das jahrelang nicht gelöst werden konnte.

Wir haben die Zustimmung aller bekommen, am 10. November mit den Beitrittsverhandlungen zu beginnen.

Wir haben das Thema Kinderrechte und den Kampf gegen die Kinderpornographie zu einem europäischen Schwerpunkt gemacht. Am Montag ist hiezu ein eigenes Aktionsprogramm beschlossen worden, und bei der UNO-Generalversammlung haben wir dieses Thema zum Ausgangspunkt genommen, um zwei internationale Konventionen voranzutreiben.

Wir arbeiten intensiv an einer Umweltschiene in der Erweiterungsstrategie. Am Montag ist beschlossen worden, daß dieses Thema, Umwelt und nukleare Sicherheit, zum zentralen Thema bei den Beitrittsbemühungen gemacht wird. Der Umweltminister hat zustande gebracht, daß wir jetzt eine Vereinbarung bezüglich Sechs-Liter-Auto mit der Industrie haben. Die Agrarminister arbeiten sehr energisch an einer vernünftigen Biospritrichtlinie und -initiative.

Der Verkehrsminister steht, glaube ich, wenige Wochen vor einem Durchbruch in der Vermittlung zum Fünften Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung, was ein ganz großer Schritt für den Standort Europa insgesamt wäre.

Im Bereich der Menschenrechte haben wir durch beharrlichen Druck und durch unseren Dialog mit China fertiggebracht, daß die zwei wichtigen internationalen Konventionen diese Woche von China unterschrieben worden sind, wobei die zweite Konvention noch in diesem Jahr ratifiziert wird.

Das sind, glaube ich, signifikante Fortschritte, wobei ich nicht verhehle, daß einige sehr schwierige Themen noch vor uns liegen: Die Lösung der Rußlandkrise, die nicht von uns allein kommen kann; die Frage, wie wir die internationalen Finanzinstitutionen zu einem schlagkräftigen Instrument machen können – auch das ist noch offen –; die Frage des Kosovo ist politisch zu lösen; und natürlich steht das große Thema der Agenda noch bevor.

Ein großer Erfolg, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist die Bewährungsprobe, die derzeit die Eurozone durchmacht. Allein die jetzige Unruhe auf den Finanzmärkten und die Sicherheit innerhalb von Euroland zeigt, wie richtig und strategisch bedeutend diese Entscheidung im Mai gewesen ist und wie richtig und gut diese Institutionen während der österreichischen Präsidentschaft eigentlich bereits arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Herr Außenminister, es gibt gerade in letzter Zeit immer wieder eine Diskussion über die Effizienz der EU-Institutionen, und die Frage der Koordinierung innerhalb dieser Institutionen wird immer wieder aufgeworfen. Wie beurteilen Sie diese Frage?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist ein wichtiges Thema, und ich glaube, daß jede Institution – ob dies nun der Allgemeine Rat ist oder all die anderen Fachräte, der Europäische Rat, das Europäische Parlament oder die Kommission sind – sich mit dieser Frage auseinandersetzen sollte. Wir Außenminister haben das in Salzburg getan, wir haben ein Zehnpunkteprogramm verabschiedet und dieses bereits bei diesem Rat umgesetzt. Das Ergebnis spricht für sich, es ist ein sehr positives.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Kammerlander, bitte.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Außenminister! Das Demokratiedefizit in der Europäischen Union ist evident. Nationale Parlamente haben in den vergangenen Jahren Kompetenzen abgegeben, und das Europäische Parlament hat nicht die Kompetenzen, die ein Parlament haben sollte.

Welche konkreten Schritte sind während Ihrer Ratspräsidentschaft in Richtung Ausbau von Demokratie und Institutionenreform, auch im Lichte der Osterweiterung, gesetzt worden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Außenminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens haben wir ja durch den Vertrag von Amsterdam die Rechte des Europäischen Parlaments ganz deutlich gestärkt, und ich dränge im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft darauf, daß wirklich jedes Mitgliedsland ratifiziert – je rascher, umso besser. Das einzige Problem, das wir derzeit haben, ist, daß die Franzosen wahrscheinlich erst – ich hoffe – im Februar ratifizieren. Ursprünglich hieß es, daß es vielleicht sogar bis Sommer dauern könnte. Diese Ratifizierung wäre jedenfalls ein großer Schritt vorwärts.

Beim zweiten Punkt, den ich mir vorgenommen habe, möchte ich vor allem die Staatssekretärin in den Vordergrund rücken. Frau Benita Ferrero-Waldner hat ausgezeichnete Beziehungen mit dem Europäischen Parlament entwickelt, und vor allem die verschiedenen interinstitutionellen Vereinbarungen sind hervorragend geeignet, um auch die Rolle des Europäischen Parlaments entsprechend zu würdigen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Jung, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Minister! Das Programm der österreichischen Präsidentschaft sieht Jugoslawien an wichtiger Stelle vor. Nunmehr ist die österreichische Position in der Jugoslawien-Frage derzeit durch widersprüchliche Äußerungen des Bundeskanzlers international etwas umstritten und ruft Verwirrung hervor.

Meine Frage lautet deswegen konkret noch einmal: Ist Österreich im Fall, daß die Situation in Jugoslawien sich verschärfen sollte, bereit, Überflug- beziehungsweise Transitgenehmigungen auch ohne weitere UNO-Mandate zu erteilen, oder werden wir uns wie beim französischen Transitansuchen, das natürlich eine andere Frage betroffen hat, hier verweigern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Ich habe heute im Morgenjournal den Bundeskanzler gehört, und er hat eins zu eins das gesagt, was ich vorgestern in der "Zeit im Bild 2" gesagt habe. (Abg. Wabl: Nein, nein, nein! – Ruf: Das ist eine Frage der Interpretation!) Ich kann da wirklich keinen Unterschied heraushören. Sie werden wohl verstehen, daß ich jetzt nicht auf eine Frage hypothetisch antworten kann. Es liegen derzeit keine Überfluggenehmigungsanträge vor. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Dr. Gredler, bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Vizekanzler! Sie haben selbst gesagt, daß sozusagen die großen Brocken in Ihrer Phase der EU-Präsidentschaft noch kommen werden. Einer dieser Brocken ist die künftige Finanzierung der EU.

Die Kommission hat gestern drei Möglichkeiten vorgestellt, eine Finanzierung darzustellen, nämlich Begünstigungen für Großbritannien zu streichen, Bauernsubventionen auf nationale Ebene zurückzuführen oder die Nettobeiträge zu senken. Für welche der drei Optionen würden Sie sich stark machen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Gestern am Nachmittag hat die Kommission ihre Vorschläge präsentiert, und auch ich habe sie natürlich sofort bekommen und habe sie mir angesehen. Ich muß ehrlich sagen, alle drei Vorschläge sind interessant und würden die österreichische Position um ungefähr 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verbessern, was durchaus interessant wäre. Wir würden etwa in unserer Nettoposition um 700 Millionen Schilling besserfahren, wobei man schon dazusagen soll, daß die Idee ja nicht darin besteht, daß dann zum Beispiel die Bauern weniger bekommen, sondern daß man durchaus die volle Höhe der Preisstützungen oder der sonstigen Alternativförderungen an die Bauern weitergibt, aber zu 25 Prozent aus nationalen Kofinanzierungen.

Ich glaube, daß man über diese drei Fragen sehr offen reden kann. Aus österreichischer Sicht haben wir noch keine abgestimmte Position, aber ich glaube, daß wir theoretisch mit allen drei Varianten leben könnten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit haben wir diesen Komplex erledigt.

Frau Abgeordnete Kammerlander schneidet das nächste Thema an. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Außenminister! Meine Frage lautet:

226/M

Haben Sie Ihren Ressortkollegen Fasslabend darauf hingewiesen, daß es für das von ihm einberufene EU-Verteidigungsministertreffen keine Rechtsgrundlage gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das mußte ich nicht, weil er ja keine Rechtsgrundlage innerhalb der europäischen Formationen beansprucht hat. Er hat eingeladen zu einem Seminar, zu einer Konferenz der EU-Verteidigungsminister, was ich notabene für eine sehr kluge Idee halte, denn gerade im Licht des Vertrages von Amsterdam, in dem ja als Zielmöglichkeit eine gemeinsame Verteidigungspolitik vorgesehen ist, aber – und noch wichtiger – jetzt schon eine gewisse Akkordanz und Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie, ist es überhaupt keine Frage, daß ein solcher Erfahrungsaustausch zwischen den Verteidigungsministern der Union absolut sinnvoll ist.

Ich habe diese Einladung des österreichischen Verteidigungsministers auch zum Anlaß genommen, sie den Außenministern der Europäischen Union zur Kenntnis zu bringen. Ich habe niemanden gefunden, der das kritisiert hat; es ist eigentlich von allen sehr positiv aufgenommen worden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): In der Annahme, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik noch immer Angelegenheit des Außenministerrates in der Europäischen Union ist, stelle ich meine Frage:

Hat es, was die Programmpunkte des Treffens anbelangt, eine Akkordierung zwischen Ihnen und Minister Fasslabend hinsichtlich des neutralen Status Österreichs, der in dieser Frage besonders zu berücksichtigen ist, gegeben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Da die Europäische Union weder die Absicht hat, einen Krieg zu beginnen noch sich irgendwie in einer neutralitätsrechtlich relevanten Frage zu betätigen, ist das überhaupt nicht notwendig gewesen.

Er hat mich informiert. Ich halte es für sehr klug, daß sich die europäischen Verteidigungsminister auch außerhalb der Ratsformation treffen. Das ist auch mit der Westeuropäischen Union abgestimmt gewesen. An diesem Treffen werden auch der Generalsekretär der Westeuropäischen Union und der Vorsitzende der WEU teilnehmen. Damit ist das eine absolut vernünftige Initiative, die Fasslabend gesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Moser, bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Die Einladung zu diesem Treffen erweckt schon den Eindruck einer Hochstapelei (Rufe bei der ÖVP: Ha, ha, ha, ha!), wenn der österreichische Verteidigungsminister Verteidigungspolitik auf europäischer Ebene machen will, vor allem im Lichte der Tatsache, daß es weder Ihnen noch dem österreichischen Verteidigungsminister gelungen ist, innerhalb unseres Landes oder für unser Land die Perspektiven einer österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu akkordieren und auf eine breite politische Basis zu stellen oder dem österreichischen Nationalrat einen diesbezüglichen Optionenbericht vorzulegen.

Ich möchte daher noch einmal nachfragen: Welche konkreten Themen sollten Ihrer Meinung nach bei diesem Treffen angesprochen werden, und wurde auch der Beitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union andiskutiert?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Sie können alles fragen, aber dazu müssen Sie schon den, der einlädt, fragen. Sie können gerne den Verteidigungsminister fragen, wie die Tagesordnung aussieht, aber ich bin Außenminister, ich bin nicht der Einladende. (Abg. Hans Helmut Moser: Der Außenminister hat ja konkrete sicherheitspolitische Interessen!)

Ich kann Ihnen meine Meinung sagen: Ich halte es für sehr klug, eine solche Sache zu machen. Ich verweise auf eine ganze Reihe von Angelegenheiten, in denen ja wir darauf drängen. Ich habe etwa in meiner Eigenschaft als Außenminister an eine ganze Reihe von Premierministern, Bundeskanzlern und Staatspräsidenten geschrieben, um zum Beispiel österreichischen Firmen den Zugang zu einem bestimmten Konsortium im Flugbereich zu ermöglichen.

Entschuldigen Sie, das ist doch absolut legitim! Das hat nichts mit Neutralitätsfragen oder sonstigen Dingen zu tun. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum man nicht für österreichische Arbeitsplätze im Rahmen einer Industriekooperation eintreten soll, warum man nicht bestimmte Dinge aufeinander abstimmen soll, die gerade im Licht des Inkrafttretens des Amsterdam-Vertrages absolut sinnvoll sind. (Abg. Wabl: Das Aufeinander-Abstimmen ist extrem neutral!)

Ich weiß nicht, warum wir manchmal die Tendenz haben, unsere internen Kleinthemen auf europäische Ebene hinausexportieren zu wollen. Die Frage ist: Ist es klug, daß die 15 EU-Länder in der Rüstungsfrage kooperieren, in der wirtschaftlichen Frage kooperieren, ist es richtig, daß es hier einen Informationsaustausch gibt – ja oder nein? (Abg. Wabl: Eine klassische Neutralitätsfrage!) – Und die Antwort ist eindeutig mit Ja zu geben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Eine klassische Neutralitätsfrage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Jäger, bitte.

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Vizekanzler! Ich nehme aber doch an, daß die Einberufung dieses Treffens mit Ihnen akkordiert war, und meine Frage lautet:

Soll daraus eine institutionelle Einrichtung werden, ein regelmäßiges Treffen, und würde das nicht die Kompetenzen der Außenminister einschränken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Noch einmal: Ich wurde von diesem Treffen informiert und habe dazu auch eine absolut positive Reaktion abgegeben. Das Treffen mußte deswegen nicht koordiniert werden – auch nicht mit dem Bundeskanzler, der aber auch informiert wurde –, weil es keine Ratsformation ist. Das sage ich schon deutlich dazu. Im Moment gibt es keine Ratsformation der Verteidigungsminister.

Wenn im Lichte des Amsterdam-Vertrages so etwas einmal notwendig sein sollte, muß es darüber einen Beschluß geben. Diesen gibt es aber nicht. Das ändert jedoch nichts daran, daß eine solche Konferenz der europäischen Verteidigungsminister absolut vernünftig ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Außenminister! Bei solchen Initiativen handelt es sich ja wohl eher um den Versuch, die Isolation Österreichs in der Sicherheitspolitik etwas zu kompensieren. Sie selbst haben schon ausgeführt, daß wir durch die Nichtmitgliedschaft etwa in der NATO massive Nachteile, vor allem was die Information anlangt, haben.

Deshalb meine Frage an Sie, auch als zuständigen Minister: Welchen Zeitplan und welche Vorgangsweise werden Sie wählen, um endlich diese Defizite Österreichs in der Sicherheitspolitik, was eine Entscheidung bezüglich NATO- oder WEU-Mitgliedschaft anbelangt, zu beseitigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich gebe Ihnen schon recht, wenn Sie sagen, daß es Defizite gibt. Ich habe zum Beispiel immer beklagt, daß es nicht einmal einen Dialog gibt zwischen zwei Institutionen, die in der gleichen Stadt sind, nämlich der Europäischen Union und der NATO, und habe das auch zum Thema innerhalb der Europäischen Union gemacht. Ich glaube, daß das jetzt auch sehr stark auf positive Resonanz sowohl bei den EU-Partnern wie auch bei den NATO-Partnern und auch bei den Amerikanern, die am Anfang ja eigentlich sehr skeptisch gegenüber dieser Idee gewesen sind, gestoßen ist. Es ist absolut sinnvoll, daß man mit den relevanten Institutionen einen positiven Dialog unterhält.

Das heißt nicht, daß wir jetzt unsere eigenen sicherheitspolitischen Diskussionen auf diese Ebene hinaufheben oder exportieren sollten. Das ist auch nicht die Absicht. Die Frage ist: Macht es Sinn, wenn EU und NATO oder die Verteidigungsminister, die Wirtschaftsminister, die Außenminister der EU über verteidigungsrelevante Themen reden? – Und die Antwort aus meiner Sicht heißt ja. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Das war nicht meine Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. König, bitte.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Vizekanzler! Wir alle – auch in diesem Hause – haben in den Krisen des früheren Jugoslawien schmerzhaft erfahren, was es bedeutet, daß es in der Europäischen Union bisher keine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik gibt.

Nun werden – Sie haben es schon gesagt – mit der Ratifikation des Amsterdamer Vertrages erste Ansätze einer solchen gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik geschaffen werden, auch die Koordination von humanitären Einsätzen.

Sind Sie nicht auch der Meinung, daß es daher sogar höchste Zeit ist, daß sich die Verteidigungsminister jetzt zu diesem informellen Treffen zusammensetzen, um zeitgerecht das Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages und dann auch eine rasche Umsetzung der darin vorgesehenen Möglichkeiten vorzubereiten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich muß auf meine früheren Antworten verweisen: Ich halte es für klug, daß sich die Verteidigungsminister außerhalb der Ratsformation zusammensetzen. (Abg. Wabl: ... um die neutrale Position Österreichs zu fördern!) Es ist kein informelles EU-Treffen der Verteidigungsminister – das muß ich noch einmal betonen, sonst entstehen Mißverständnisse –, aber ich halte es im Lichte der jetzt kommenden Ratifizierung des Amsterdam-Vertrages für absolut richtig, einen solchen Gedankenaustausch zu führen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir dieses Thema erledigt.

Die nächste Frage bringt Herr Abgeordneter Scheibner ein. – Bitte.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Außenminister! Ich möchte nur kurz festhalten, daß Sie auf meine vorige Zusatzfrage nicht geantwortet haben. Ich versuche es eben mit Frage 6, die lautet:

225/M

Inwieweit war die österreichische Transitverweigerung von Armeeteilen des EU-Mitgliedslandes Frankreich der gegenseitigen Verständigung im Rahmen des Aufbaus einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit solidarischer Beteiligung Österreichs dienlich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens war das keine europäische Aktion, die in irgendeiner Weise mit dem Entstehen des Amsterdam-Vertrages zusammenhängt, sondern das war ein Manöver, das Frankreich allein und national auf dem Gebiet der Slowakei durchführen wollte.

Zweitens ist für die Bewilligung der Durchfuhr von Kriegsmaterial das Innenministerium alleine zuständig. Die Bewilligung liegt im Ermessen der Behörde, und es sind dazu Stellungnahmen einzuholen. Die Stellungnahmen des Außenministeriums und des Verteidigungsministeriums waren positiv. Wir sind für die Erteilung einer Bewilligung eingetreten, weil unserer Meinung nach auch keinerlei neutralitätsrechtliche Bedenken dem entgegengestanden sind. Weder waren ein Krisenfall noch ein Krisengebiet angesprochen. Man hätte das ohne weiteres machen können.

Diese Auffassung wird übrigens auch von sehr prominenten Neutralitätstheoretikern geteilt. Ich darf etwa Professor Rotter nennen, der wirklich unverdächtig ist und in der "Presse" folgendes geschrieben hat: "Ich sehe aus neutralitätspolitischer Sicht jedenfalls nicht den Schatten eines Grundes, ein solches Ansuchen abzulehnen. Das ist sicherlich kein Neutralitätsproblem." – Soweit ich informiert bin, hat es aber keine Ablehnung dieses Ansuchens gegeben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Scheibner, ich bitte um Ihre Zusatzfrage.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Es hat keine Antwort gegeben auf das Ansuchen, aber jedenfalls handelt es sich dabei um eine weitere Blamage Österreichs in diesen Bereichen. Das geht sogar so weit, daß etwa die belgische Regierung ein Problem damit hat, ihr Regierungsflugzeug, das zwar ein ziviles Flugzeug ist, aber beim Militär angemeldet ist, bei einem Staatsbesuch nach Österreich zu bringen.

Deshalb lautet meine Frage, Herr Außenminister: Welche Maßnahmen werden Sie innerhalb der Bundesregierung treffen, um eine einheitliche Vorgangsweise bei künftigen Genehmigungsansuchen zu erreichen, etwa in der Art, daß man jährliche fixe Kontingente für derartige Überflugsgenehmigungen für Mitgliedsländer der Europäischen Union schafft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Soweit ich informiert bin, hat es nie ein Problem damit gegeben, daß bei einem Staatsbesuch ein Regierungsflugzeug nicht landen konnte. Nach meinen Informationen hat es da nie ein Problem gegeben, weil auch bekanntlich alle deutschen Minister mit Flugzeugen der Luftwaffe und der Bundeswehr einreisen. Diesbezüglich hat es also noch nie Probleme gegeben.

Ich glaube, daß es klug ist, wenn man da eine gemeinsame Vorgangsweise entwickelt. Ich werde in diesem Sinn auch den Bundeskanzler informieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Spindelegger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Vizekanzler! In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage einer europäischen Zielsetzung einer zukünftigen Sicherheitspolitik. Da es darüber offenbar unterschiedliche Auffassungen gab, frage ich Sie: Gibt es seitens Österreichs eine Zielsetzung in Richtung einer europäischen Sicherheitspolitik?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wir haben den Amsterdam-Vertrag gemeinsam ratifiziert, es geht auch gar nicht anders, und wir haben hier im Hohen Haus dankenswerterweise eine große Zustimmung dazu gefunden. Wir haben auch beim Treffen der Westeuropäischen Union in Rhodos im Mai dieses Jahres eine gemeinsame Erklärung abgegeben, die folgendermaßen lautet:

"Was die weitere Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik anlangt, wird Österreich im Rahmen seiner Europapolitik bei der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik und an der Verwirklichung der Perspektive einer gemeinsamen europäischen Verteidigung aktiv mitwirken. Im Sinn des Vertrages von Amsterdam ist Österreich auch bereit, die Integration der WEU in die Union solidarisch mitzugestalten, wobei die Umsetzung einer Empfehlung des Europäischen Rates zur Verwirklichung einer gemeinsamen Verteidigung und zur Integration der WEU in die Europäische Union in Österreich der Zustimmung durch eine qualifizierte Parlamentsmehrheit bedarf."

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Vizekanzler. – Herr Abgeordneter Wabl, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Vizekanzler! Angesichts der Zustimmung Ihres Ressorts für den Transit französischer Panzer in die Slowakei und angesichts der meines Erachtens sehr korrekten Entscheidung des Kanzlers, dazu keine Zustimmung zu geben, würde es mich aber doch interessieren, ob Sie jetzt das Kriegsmaterialgesetz verändern wollen, um solche Transporte zu ermöglichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter Wabl! Wenn Sie das Kriegsmaterialgesetz lesen – ich würde Ihnen wirklich empfehlen, das gerade in diesem Fall zu tun –, dann werden Sie überhaupt keinen Hinweis darauf finden, daß etwa ein Transport durch Österreich für diesen einen Manöverfall rechtlich nicht möglich gewesen wäre. Ihre Interpretation ist absolut nicht richtig.

Daher: Um so etwas zu machen, brauche ich das Gesetz überhaupt nicht zu ändern. Richtig ist, daß die Behörde in eigenem Ermessen autonom entscheiden kann, das heißt, sie kann genehmigen oder nicht genehmigen. Und das ist in diesem Fall, soviel ich jedenfalls aus dem Innenministerium weiß, noch nicht geschehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Moser bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie haben vorher eine österreichische Zielsetzung definiert, die auch im Vertrag von Amsterdam im groben dargestellt ist und wozu es auch die Ratifizierung im österreichischen Parlament gegeben hat.

Was werden Sie aber tun, um für diese Position die notwendige qualifizierte Mehrheit im österreichischen Parlament zu erreichen, denn es läuft darauf hinaus, daß es zu einer Integration der Westeuropäischen Union in die EU kommt, woraus sich dann auch ein Beitritt Österreichs zu diesen europäischen Sicherheitsstrukturen ergibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wenn ein solcher Beschluß durch den Europäischen Rat erfolgt – das setzt Einstimmigkeit voraus, und bei gegebener Situation würden nach dem Vertragstext der Europäischen Union der österreichische Bundeskanzler und der österreichische Außenminister Österreich beim Europäischen Rat vertreten –, wenn also mit unseren Stimmen eine solche Perspektive eröffnet wird, dann bin ich eigentlich ziemlich sicher, daß – eine Sachdiskussion vorausgesetzt – im Hohen Haus auch die notwendige qualifizierte Mehrheit dafür gegeben sein wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Vizekanzler. – Frau Abgeordnete Dr. Karlsson, bitte.

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Herr Minister! Laut Ihrer Antwort würde das auch bedeuten, daß wieder zum Beispiel ukrainische Panzer oder russische Panzer durch Österreich durchfahren könnten, und Sie hätten damit kein Problem.

Ich frage Sie daher: Welche Schritte werden Sie setzen und welche Verpflichtungen werden Sie uns auferlegen, damit Österreich in Folge seiner geopolitischen Lage nicht zum Truppen- und Waffentransitland wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Da haben wir, so glaube ich, tatsächlich einen anderen Zugang. Ich glaube, daß ein EU-Land wie Frankreich anders zu werten ist als jedes andere Land. Ich kann daher den Vergleich mit der Ukraine und Rußland – ich weiß schon, warum solche Vergleiche gewählt werden – nicht ganz ernst nehmen.

Wir haben einen konkreten Vorschlag gehabt, und bei wirklich gründlicher, objektiver Durchsicht des Kriegsmaterialiengesetzes gibt es aus Sicht des Außenministers – der nicht die alleinige Wahrheit gepachtet hat, das weiß ich schon – keinen Grund, das abzulehnen. Das habe ich hier öffentlich vertreten. Und das darf man doch, oder? In einer Demokratie ist so etwas durchaus akzeptabel, und Sie wollen auch, so nehme ich an, eine ehrliche Antwort haben. Ich glaube, deswegen wird Österreich weder zu einem Transitland für Panzer oder sonstige Kettenfahrzeuge, noch brauchen wir uns jetzt davor zu fürchten, daß jetzt alles quer durch Österreich – Nord/Süd, Ost/West – fährt.

Außerdem ist diese Frage immer im Einzelfall zu beurteilen und zu bewerten. (Beifall bei der ÖVP.)

Einen Satz möchte ich aber schon noch dazusagen, weil mir der Applaus jetzt fast das Wort abgeschnitten hat. Eines ist doch ein bißchen seltsam: Wenn das Ganze als "NATO-PfP" deklariert worden wäre, dann wäre es überhaupt kein Problem gewesen. (Abg. Dr. Karlsson: Wäre es genauso!) Nein, dann wäre es überhaupt kein Problem gewesen, das weiß ich, und ich muß ganz ehrlich sagen, das verstehe ich nicht ganz. Warum muß man etwas als NATO-PfP deklarieren und möglicherweise dadurch russische und ukrainische Panzer in Kauf nehmen, aber wenn ein befreundetes EU-Land etwas tut, dann gibt es Probleme? – Also bitte! (Abg. Wabl: Da haben Sie recht, Herr Vizekanzler!) Ich überlasse das Ihrem Urteil. Ich kann nur meine unmaßgebliche Meinung hier sagen, aber ich glaube, daß ich sie mit Argumenten stützen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Karlsson, bitte formulieren Sie Ihre Frage 220/M. – Ich schlage vor, kurze Fragen zu stellen und kurze Antworten zu geben.

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

220/M

In welchem Stadium befinden sich die Vorbereitungen für die Errichtung der "Strategieplanungs- und Frühwarneinheit" für die GASP?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Vorbereitungen befinden sich in einem sehr konkreten Stadium. Allerdings wollen wir natürlich sinnvollerweise die Bestellung des Hohen Vertreters der Außenpolitik abwarten, denn er soll auch in den Aufbau der Strategieeinheit, die er führt, eingebunden sein. Er soll etwas dazu sagen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Die Sorge, die wir alle haben, ist, daß dieses Frühwarnsystem womöglich so wie im Kosovo funktioniert, wo man seit 1988 weiß, daß sich dort eine humanitäre Katastrophe zusammenbraut. So ein System sollte vielmehr zielführend und effektiv sein. Welche konkreten Schritte werden diesbezüglich gesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wir wollen vor allem alle Mitgliedsländer an dieser Strategieeinheit beteiligen, damit jeder sein nationales Wissen dort auch einbringen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Außenminister! Die Verteidigung Europas liegt – das zeichnet sich klar ab – in den Händen der NATO. Für die Europäische Union käme die wichtige Aufgabe der Krisenprävention in Frage. Bisher sieht man da noch nicht sehr viel.

Herr Außenminister! Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um der Krisenprävention innerhalb der Europäischen Union vor allem im Hinblick auf die künftigen möglichen Konflikte, etwa im Kaukasus oder im Maghreb, zum Durchbruch zu verhelfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Eine meiner Meinung nach sehr wichtige Maßnahme ist eben diese Strategieeinheit oder diese Planungszelle, denn das wichtigste ist, daß man eine ordentliche Analyse hat bei einem Konflikt. Das ist, so glaube ich, das ganz Entscheidende. Daher: Wenn dort alle Länder vertreten sind und ihr Wissen einbringen, dann ist natürlich auch die Basis und die Qualität des Wissens, das uns dann für politische Entscheidungen, für die Krisenprävention zur Verfügung steht, ungleich besser.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander, bitte.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Bundesminister! Bevorzugen Sie im Rahmen der Weiterentwicklung der GASP und auch im Lichte der Haushaltsbelastung der EU Maßnahmen ziviler und präventiver Art, oder geben Sie neuerlichen militärischen Maßnahmen sowohl haushaltsmäßig als auch EU-mäßig den Vorzug?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Europäische Union ist die größte zivile und wirtschaftliche Macht der Welt. Von allen Ländern geben wir das meiste Geld für die Entwicklungsländer aus. Wir sind, so glaube ich, auf diesem Segment absolut positioniert.

Eines möchte ich aber schon deutlich dazusagen: Wer eine richtige, ganzheitliche Politik machen will – gerade in der Außenpolitik –, die auf das Vermeiden von Konflikten abzielt, dem muß bewußt sein, daß dabei auch ein militärischer Faden miteingewoben sein muß. Gerade wenn man den Frieden will, darf man nichts ausschließen, nicht naiv sein und die Augen zumachen, sondern man muß wissen, daß auch ein gewisses Sicherheits- und militärisches Element eingebunden sein muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Maitz, bitte.

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Vizekanzler! Bei den Bemühungen um Frieden in und für Europa wird die Strategieplanungs- und Frühwarneinheit eine wesentliche Rolle spielen. Wird Österreich in dieser Einheit vertreten sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es sind 20 Beamte vorgesehen, und zwar Spitzenprofis, die tatsächlich etwas wissen, und ich hoffe – die Entscheidung ist noch nicht gefällt –, daß jedes Mitgliedsland darin vertreten ist, also auch Österreich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Dr. Gredler, bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Vizekanzler! In puncto Kompetenzen der "Mrs." oder des "Mr. GASP" haben Sie mir leider nicht geantwortet. Jetzt stellen wir fest, daß das Einstimmigkeitsprinzip in der GASP ein Hemmschuh ist.

Was machen Sie, um im Bereich der Außenpolitik zu einer Mehrheitsentscheidung zu kommen, um eine größere Flexibilität zu erhalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Gar nichts, weil meiner Meinung nach vernünftigerweise die Außenpolitik in nationaler Koordination stattfinden soll. Wir haben eben keine vergemeinschaftete Außenpolitik, daher kann es auch logischerweise keine Mehrheitsabstimmung geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Die Fragestunde ist beendet.

Ich danke dem Herrn Vizekanzler. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe in Ergänzung zu den am Eingang der Sitzung verlautbarten Entschuldigungen bekannt, daß auch die Abgeordneten Sauer, Dr. Höchtl, Dr. Mock und Donabauer für die heutige Sitzung als entschuldigt gemeldet sind.

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, daß der Klub der Grünen gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt hat, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Versäumnisse in der Bildungspolitik, insbesondere beim Gehaltsgesetz, dringlich zu behandeln.

Dieser Dringliche Antrag wird um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters hat Herr Abgeordneter Dr. Kier den Antrag gestellt, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 489/A (E) der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz und das Angestelltengesetz geändert werden, eine Frist bis zum 4. Dezember 1998 zu setzen.

Es liegt auch das Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Diese kurze Debatte wird im Anschluß an die Verhandlung des Dringlichen Antrages stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag erfolgt nach Beendigung der diesbezüglichen Debatte.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen:

Zurückziehung: 4937/J.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 892/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz (GSVG) geändert wird,

Antrag 894/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz geändert wird;

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 893/A (E) der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien,

Antrag 902/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Maßnahmen zum Schutz von Kindern in Kriegen und bewaffneten Konflikten,

Antrag 905/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend EU-Beitragssenkungen;

Familienausschuß:

Antrag 891/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Ausdehnung des Karenzgeldanspruches auf alle Eltern unabhängig von der Erwerbstätigkeit;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1412 der Beilagen),

Antrag 895/A (E) der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen betreffend § 42a Entschδdigungsgesetz ČSSR,

Antrag 896/A (E) der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen betreffend Entschδdigungsgesetz ČSSR,

Antrag 907/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden;

Gleichbehandlungsausschuß:

Antrag 906/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Maßnahmen zur Erleichterung der Väterkarenz;

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 897/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Konzeption von ÖPUL 2000,

Antrag 898/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut und Gentech-Futtermittel für alle ÖPUL-Betriebe,

Antrag 899/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Befassung des Nationalrates mit dem Konzept "ÖPUL 2000",

Antrag 900/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Sicherung des Waldes als Erholungsgebiet;

Verfassungsausschuß:

Antrag 890/A (E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein umfassendes Verbot von Atomwaffen in Verfassungsrang,

Antrag 901/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Änderung des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus,

Antrag 904/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des B-VG bezüglich Bestellung der VerfassungsrichterInnen;

Wirtschaftsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (1391 der Beilagen),

Antrag 903/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG) (BGBl. I Nr. 103/1998) geändert wird.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf dem Hohen Haus mitteilen, daß der Herr Bundesminister für Justiz die Absicht und Bereitschaft bekundet hat, im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing eine Erklärung abzugeben. Wir haben in der Präsidialkonferenz Übereinstimmung erzielt, diese Erklärung als dritten Punkt der Tagesordnung in der heutigen Sitzung zu verhandeln. Ich werde daher so vorgehen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 und 2 sowie 5 bis 7 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Daher werden wir so vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es wurde eine Tagesblockzeit von 8 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberale und Grüne je 72 Minuten. Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist es so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1386 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird (1400 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 770/A der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (1401 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Vorschlag auf Berichterstattung liegt mir nicht vor. Daher können wir sogleich in die Beratungen eintreten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Er hat das Wort.

10.07

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diesem Ärztegesetz 1998 geht eine nunmehr zwölfjährige Debatte der Kammerfunktionäre voraus, und im Ministerium hat man bereits seit acht Jahren davon Kenntnis. Trotz dieser heftigen Debatten innerhalb der Ärzteschaft und dieser, wie man meinen sollte, ausreichenden Diskussion ist kaum jemand mit dem Ergebnis, das heute zu beschließen ist, zufrieden.

Ich möchte kurz zusammenfassen: Das Hauptziel der Ärztekammer war die Reform und die Einteilung in Kurien – da kommt es jetzt zu einer Aufblähung des Kammerapparates –, Wohnsitzärzten, die Pensionisten sind, wird das Wahlrecht aberkannt, die Anzeigepflicht der Ärzte bei Kinderschändern fehlt, das Studium der Zahnmedizin wird jetzt mit mindestens fünfjähriger Verspätung beschlossen, und vieles andere mehr ist in dieses Gesetz hineingepackt worden. Ich glaube es meinen niedergelassenen und angestellten Kollegen und auch den Zahnärzten, daß kaum jemand mit diesem Gesetz zufrieden ist, und das haben mir auch viele in persönlichen Gesprächen versichert.

Unter anderem ein kleines Detail am Rande: In diesem Gesetz ist beispielsweise enthalten, daß Flüchtlinge, die nach Österreich kommen und angeben, sie seien Arzt, ohne nachweisen zu müssen, daß sie jemals die entsprechenden Prüfungen oder das Doktorat gemacht haben – Herr Kollege Löschnak, sie brauchen dies nur glaubhaft zu machen –, dazu berechtigt sind, diesen Beruf selbständig in Österreich auszuüben. Damit sind wir nicht einverstanden, meine Damen und Herren! Daher werden wir auch einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das beschließt heute die Koalition? – Abg. Dr. Graf: Das beschließt heute die Koalition?)

Oder: Über die Kammerreform, meine sehr verehrten Damen und Herren, beklagen sich nahezu alle, die nicht genau danach gefragt wurden, wie sie die Kammerreform haben wollten. Die wesentliche Kritik besteht darin, daß es zu einer enormen Aufblähung der Kammern kommt. Von derzeit sechs Gremien pro Bundesland wird es nunmehr 16 Gremien in den Ärztekammern pro Bundesland geben. (Abg. Haigermoser: Wieviel? 16?) – 16! Österreichweit wurden die Gremien von 60 auf 160 aufgestockt. Das bedeutet eine Unzahl von bezahlten Funktionären, die von den Zwangsbeiträgen der Zwangsmitglieder finanziert werden. Eine Unzahl dieser Funktionäre wird durchzufüttern sein, die Serviceleistung der Kammer wird jedoch um kein Jota verbessert. Der Unmut der Pflichtmitglieder der Ärztekammer ist sehr groß. Das können Sie mir glauben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher haben wir gesagt, wir stellen uns auf die Seite der Pflichtmitglieder. (Abg. Dr. Graf: Nicht nur bei den Ärzten, bei allen Freiberuflern!) Ja, bei allen Freiberufen ist es dasselbe, bei allen Kammern ist es dasselbe. Die Tendenz geht in Richtung Aufblähung der Kammern – das sehen wir heute ganz deutlich bei der Ärztekammer –, und zwar ohne die Leistungen oder das Service für die Mitglieder zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir Freiheitlichen haben uns immer dagegen ausgesprochen und werden uns auch in Zukunft dagegen aussprechen. Daß die Pflichtmitgliedschaft beibehalten wird, ist uns außerdem ein Dorn im Auge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Außerdem wird es innerhalb der einzelnen Berufsgruppen zu großen Differenzen kommen. Derzeit zahlen beispielsweise in der Ärztekammer Wien die niedergelassenen Ärzte – das sind 20 Prozent aller Ärzte – 80 Prozent der Kammerumlagen. Nunmehr soll dieses Budget auf alle aufgeteilt werden. Das wird dazu führen, daß die angestellten Ärzte wesentlich mehr an Umlagen zahlen müssen. Diese werden sich aufgrund ihrer Majorität jedoch zu wehren wissen, was wiederum den Unmut der Niedergelassenen heraufbeschwören und eine Dissonanz innerhalb der Ärzte hervorrufen wird.

Man will doch immer die Geschlossenheit der Ärzteschaft, und auch ich stehe für die Geschlossenheit aller 30 000 Ärzte in Österreich ein. Ich bin nicht für eine eigene Gruppe, die die Interessen der Angestellten vertritt, und dann gibt es innerhalb der Angestellten eine Gruppe, die die Oberärzte und die Fachärzte vertritt, eine andere wiederum vertritt die Turnusärzte, und bei den niedergelassenen ist es genauso. – Das führt zu einem derartigen Kompetenzwirrwarr, daß wir mit aller Kraft dagegen auftreten.

Wir haben auch versucht, diese Mehrkosten für die Zwangsmitglieder in den Griff zu bekommen, indem wir im Ausschuß eine Ausschußfeststellung durchsetzen wollten, die da lautete, daß kein Mitglied der Ärztekammer für die anfallenden Mehrkosten dadurch bestraft werden dürfe, daß es höhere Umlagen bezahlen muß. Diese Garantie in einer für die Kammer verbindlichen Ausschußfeststellung wurde nicht gegeben, wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien abgelehnt, und daher haben wir überhaupt keine Veranlassung, diesem Ärztegesetz unsere Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zusätzlich nimmt man Wohnsitzärzten, die schon Bezieher aus dem Wohlfahrtsfonds sind, aber noch ärztliche Tätigkeit verrichten, das Wahlrecht. Man erkennt ihnen die ordentliche Kammermitgliedschaft ab, auch wenn sie, weil sie noch eine ärztliche Tätigkeit ausüben, bereit sind, die Kammerumlage zu entrichten. Ein ganzes Berufsleben lang waren sie dazu vergattert, Zwangsmitglied in der Ärztekammer zu sein. Nun wollen sie weiterhin Mitglied bleiben, weil sie noch Ärzte sind und ärztlich tätig sind. Aber jetzt wirft man sie aus der Kammer hinaus, man nimmt ihnen das Wahlrecht, weil man offensichtlich bestehende Mehrheiten einzementieren will und Ihnen die Senioren unter den Ärzten, die Mitglieder bleiben wollen, ein Dorn im Auge sind.

Wir haben daher zu diesen Punkten einen Antrag vorbereitet, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil und Kollegen zur Regierungsvorlage 1386 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird 1400 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die im Titel genannte Regierungsvorlage 1386 der Beilagen wird wie folgt geändert:

1. Im 1. Abschnitt des 1. Hauptstücks entfällt § 4 Abs. 7."

Da geht es um die Asylanten, die bei uns den Arztberuf ausüben können.

"2. Im 3. Abschnitt des 1. Hauptstücks wird § 31 um folgenden Abs. 6 ergänzt:

‚(6) Zur selbständigen Berufsausübung berechtigte freiberuflich tätige Ärzte für Allgemeinmedizin, Fachärzte und Zahnärzte sind außerdem berechtigt, im Rahmen eines Dienstverhältnisses ebensolche zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Ärzte zu beschäftigen.‘"

Da geht es um das Anstellungsrecht von Ärzten bei Ärzten. Das ist ein langgehegter Wunsch, um die Ärztearbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen und das Serviceangebot für die Patienten zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

"3. Im 2. Abschnitt des 2. Hauptstücks lautet Abs. 1 des § 68:

‚§ 68. (1) Anspruch auf ordentliche Kammerangehörigkeit bei einer Ärztekammer hat jeder Arzt, der

1. in die von der Österreichischen Ärztekammer geführte Ärzteliste gemäß den §§ 4, 5, 18 oder 19 eingetragen worden ist,

2. seinen Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausübt und

3. keine alters- oder ständige Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds bezieht.

Bezieher einer Versorgung aus dem Wohlfahrtsfonds haben dann Anspruch auf ordentliche Kammerangehörigkeit, wenn sie eine Kammerumlage entrichten.‘"

Dabei geht es um die Pensionisten.

*****

Nun noch zum Wegfall der Anzeigepflicht: Wenn ein Arzt in seiner Ordination während seiner ärztlichen Tätigkeit den Verdacht hatte, daß Kindesmißbrauch, sexueller Mißbrauch oder Kinderschändung vorliegen könnte, so war bisher für den Arzt die absolute Anzeigepflicht gegeben. Nun ist man darangegangen, diese Anzeigepflicht abzusetzen. Es ist zum Beispiel den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 3. Oktober 1998 zu entnehmen, daß – gegenüber 141 im Vorjahr – im ersten Halbjahr 1998 bereits 497 Fälle von Unzucht, Vergewaltigung und Mißbrauchsversuchen aufgedeckt und aktenkundig wurden. Von diesen 497 Fällen sind vier Fünftel an Jugendlichen und Kindern geschehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Chef der oberöstereichischen Sicherheitsdirektion sagt dazu einzig und allein: Ein Wahnsinn! – Er sagt: Anzeigen sind wichtig, weil Sextäter Wiederholungstäter sind. – Daher sind wir für eine Beibehaltung der Anzeigepflicht bei Kinderschändung (Beifall bei den Freiheitlichen), bei sexuellem Mißbrauch und bei Kindesmißhandlung, wenn ein Arzt den Verdacht erhebt. Wir lassen nicht zu, daß der Täterschutz vor den Opferschutz gestellt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat schreibt in ihrer gestrigen Presseaussendung: "Eltern, die ihre Kinder mißhandeln, suchen oft unterschiedliche Spitäler auf, damit die Ärzte keinen Verdacht schöpfen oder gar Anzeige erstatten." – Auch sie ist überzeugt davon, daß die Anzeige wichtig ist.

Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung nimmt zum § 54 Ärztegesetz folgendermaßen Stellung:

"Die Regelung der Meldepflicht des Arztes dahin gehend, daß unter anderem im Fall der Mißhandlung von Minderjährigen nur mehr dann eine Meldung zwingend ist, wenn dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Wohles der betroffenen Person erforderlich ist, kann in dieser Form nicht akzeptiert werden. ... Eine derartige Lockerung der Meldepflicht würde in vielen Fällen ein angemessenes Handeln der zuständigen Stellen verhindern."

Dieser Stellungnahme des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung schließen wir Freiheitlichen uns an. Ich richte den Appell an die Regierungsparteien, nicht immer nur Lippenbekenntnisse gegen Kindesmißbrauch und Kinderschändung und zur Verstärkung des Schutzes unserer Kinder abzugeben, sondern die Anzeigepflicht beim heutigen Beschluß über dieses Ärztegesetz aufrechtzuerhalten. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, den Herr Kollege Kurzmann einbringen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, den Herr Abgeordneter Dr. Pumberger eingebracht hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

10.18

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ganz besonders herzlich möchte ich den Herrn Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer begrüßen, der vom Balkon aus an der Plenarsitzung teilnimmt, um zu hören, welche Diskussion über dieses Gesetz stattfindet.

Es hätte mich gewundert, wenn Herr Pumberger einmal mit etwas einverstanden gewesen wäre. Frei nach Goethe kann man sagen: Der, der stets verneint. – Denn Geist finde ich bei Ihnen nur sehr wenig, daher kann ich Sie nicht "den Geist, der stets verneint", nennen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben beklagt, daß nicht alle gefragt wurden. Aufgrund der hohen Zahl der Kammermitglieder ist es dem Ministerium leider nicht möglich gewesen, 30 000 Kammermitglieder zu fragen. Wohl aber hat es sehr eingehend mit der Vertretung der Ärzte, der Österreichischen Ärztekammer, verhandelt, und diese repräsentiert die Ärzte. Es gibt auch da eine repräsentative Demokratie. Es steht Ihnen, Herr Kollege Pumberger, frei, sich den Wahlen zu stellen und vielleicht der nächste österreichische Ärztekammerpräsident zu werden, wenn Sie die erforderliche Anzahl von Stimmen bekommen. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Nein! Nein! Nein!) Dann können Sie die Verhandlungen führen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das hätten sich die Ärzte nicht verdient!) – Nein, das finde ich auch, da bin ich völlig mit Ihnen einer Meinung, daß wir uns das nicht verdient haben. Ich hoffe, und ich bin auch sicher, es wird nie eintreten, aber das ist die Möglichkeit. Dann kann er alle Verhandlungen führen, aber er soll nicht mangelnde Demokratie beklagen, wo sehr demokratisch gehandelt wurde.

Und da heute beklagt wurde, daß sich die Gruppen untereinander nach der Strukturreform nicht gut vertragen werden, kann man nur sagen: Auch jetzt gab es Uneinigkeit.

Ich bin mit dieser Regierungsvorlage sehr wohl zufrieden und danke für das Zustandekommen dieser Regierungsvorlage in erster Linie unserer Frau Bundesministerin, die sich immer wieder auch persönlich eingeschaltet hat, sowie den Beamten des Ministeriums – in erster Linie Herrn Ministerialrat Dr. Aigner, Dr. Kierein und Frau Dr. Schopper, die dieses Gesetz in einfach verständlicher und gut lesbarer Form abgefaßt haben.

Mein weiterer Dank gilt aber auch den Herren Dr. Schwarz und Mag. Pazourek, die mit viel Geduld immer um Einvernehmlichkeit bemüht waren. Danken möchte ich auch dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, der unmittelbar nach seiner Genesung sofort wieder aktiv verhandelt hat und somit am Zustandekommen dieser Regierungsvorlage mitbeteiligt war.

Zur Geschichte dieser Reform: 1979 wurde erstmals in der Ärztekammer über eine Strukturreform der Ärztekammer nachgedacht. Seit rund zehn Jahren gab es diesbezügliche Vorarbeiten. Durch den EU-Beitritt waren neue berufsrechtliche Regelungen für die Zahnärzte zu schaffen, das Disziplinarrecht war neu zu gestalten, die Verschwiegenheits- und Anzeigepflicht zu adaptieren und die Kammerreform erwünscht. Die logische Folge: ein neues Ärztegesetz.

Die wichtigsten Neuerungen dieses Gesetzes: Die Kurien für niedergelassene und angestellte Ärzte und Zahnärzte ermöglichen eine bessere Vertretung der Ärzte. Die Angestellten fühlten sich bis jetzt durch die Kammer wenig vertreten. Durch Mißwirtschaft früherer Kammerführungen in Wien müssen sie sehr hohe Zahlungen an den Wohlfahrtsfonds leisten. Verantwortlich dafür sind jene Funktionäre, die lautstark und mit unsachlichen Argumenten gegen das neue Ärztegesetz protestieren. Die Kurien haben jetzt klar umrissene Aufgaben, und je nach Menge der Aufgaben muß man die Kammerumlagen festlegen.

Einer der schwierigsten Punkte bei den Verhandlungen war das Kollektivvertragsrecht. Meine Fraktion ließ nie Zweifel daran, daß dieses der Gewerkschaft vorbehalten ist. Nur so können Interessenkollisionen zwischen den Angestellten und den Niedergelassenen ausgeschlossen werden.

Sollten für Angestellte nur Partikularinteressen vertreten werden, hat der Dienstgeber die Trumpfkarte. Selbst die ÖAAB-Fraktion in der Bundesarbeitskammer stellte den Antrag, der Ärztekammer keine Kompetenz bei den Kollektivvertragsverhandlungen zu gewähren. Die sozialdemokratisch geführten Gewerkschaften konnten sich wesentlich rascher mit der Ärztekammer einigen. Bis zur letzten Minute mußte Präsident Dr. Neumann mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst um eine Einigung ringen.

Zu offenen Wünschen und Tatsachen des Gesetzes: Mein Wunsch wäre, den Ausbildungsassistenten zwingend vorzuschreiben und keine Priorität der Ausbildungsstätte Universitätsklinik in bezug auf Ausbildungsstellen. Die Demonstration komplementär- oder alternativmedizinischer Heilverfahren hätte ich, wie vorgesehen auf vier Wochen beschränkt, ausschließlich den Universitäten vorbehalten, die dies nicht aus Gewinnstreben tun.

Der Dienstgeber muß Jungärzte auf ihre Anmeldung bei der Ärztekammer hinweisen; manche wußten um die Meldepflicht nicht und hatten dadurch Schaden.

Eine wichtige Regelung betrifft die Auskunftserteilung und die Dokumentationspflicht sowie die EDV-mäßige Aufbewahrung der Patientendokumente, die lange aufzubewahren sind. Die automationsunterstützte Übermittlung von Patientendaten wird jetzt gesetzlich abgesichert.

Wenn Ordinationsinhaber sterben oder Ordinationen aufgeben, muß sichergestellt sein, daß die Patientenkarteien, die unwiederbringliche Daten enthalten, für viele Jahre mißbrauchssicher aufbewahrt werden.

Die von den Länder-Ärztekammern schon früher wahrgenommene Erstellung von Honorarrichtlinien für privatärztliche Tätigkeiten erfahren jetzt eine gesetzliche Deckung.

Nun zu den umstrittenen Pensionisten: Sie dürfen weiterhin im Familienverband und als Gutachter ärztlich tätig sein. Bei regelmäßiger Berufsausübung und Bezahlung der Kammerumlage und des Wohlfahrtsfondsbeitrages sind sie ordentliche Kammermitglieder. Dies entspricht den Usancen der anderen Kammern.

Erst 1989 wurde der Wohnsitzarzt eingeführt. Da man früher den Ärzten den Ärzteausweis entzog und sie nicht einmal mehr im Familienkreise behandeln durften, erhielten sie durch die Schaffung des Wohnsitzarztes die ordentliche Mitgliedschaft, was aber an sich nicht beabsichtigt war. Beabsichtigt war, den Pensionisten zu ermöglichen, auch weiterhin Ärzte zu sein und den Ärzteausweis nicht mehr abgeben zu müssen.

Die Höchstzahl der Kammerräte ist der gestiegenen Ärztezahl entsprechend bei Bedarf auf 100 aufzustocken, ebenso wird der Vorstand auf 25 aufzustocken sein. Der Wunsch, Mandate nach Maßgabe der Wahlbeteiligung zuzuordnen – von kleinen Gruppen, die sehr starken Gruppendruck ausüben, gefordert –, wurde als verfassungsrechtlich bedenklich nicht in die Regierungsvorlage aufgenommen.

Die Todesfallbeihilfe ist nicht mehr ausschließlich Witwen und Waisen vorbehalten, sondern auch den gesetzlichen Erben zuzugestehen.

Die Österreichische Ärztekammer erhält als neue Aufgabe die Begutachtung von Gesetzen und Verordnungen. Ein Wunsch der Wiener Ärztekammer war es, ihrer Stärke entsprechend in der Österreichischen Ärztekammer vertreten zu sein. Die Österreichische Ärztekammer als Verhandlungspartner des Ministeriums stimmte dem nicht zu.

Zukunftsweisend ist der zwingend vorgeschriebene Bildungsausschuß in der Österreichischen Ärztekammer für die ärztliche Aus- und Fortbildung. In kurzer Zeit beginnen wir mit Prüfungen für Allgemeinärzte und Fachärzte.

Zur umstrittenen Anzeigepflicht: Während meines Studiums hat man weder in Kinderheilkunde, Gynäkologie, Psychiatrie oder Gerichtsmedizin über sexuellen Mißbrauch oder Gewalt an Kindern je gehört oder gelernt. Das was ein absolutes Tabu. Veranstaltungen 1994 und 1995 in Wien waren mäßig besucht beziehungsweise scheiterten an mangelndem Interesse.

Bei der diagnostischen Unsicherheit und zum Wohle und Schutz der Familien ist es wesentlich zielführender, die Jugendwohlfahrt zu benachrichtigen, als aus Angst, Unschuldige zu denunzieren, nichts zu unternehmen. Die Anzeigemöglichkeit ist den Ärzten nie genommen worden. Sie haben die Möglichkeit, sie haben nur nicht mehr die unabdingbare Verpflichtung. Bei Behinderten oder Dementen ist der Verdacht auf Vernachlässigung oder Mißhandlung dem Pflegschaftsgericht zu melden.

Die Funktionsperiode der Ärztekammer endet mit Jahresfrist, die Reform des Wohlfahrtsfonds erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit daher zu einem späteren Zeitpunkt. Ich bin überzeugt davon, daß dies mit den bewährten Teams in kurzer Zeit gelingt.

Oppositionspolitiker lehnen dieses Gesetz ab, da sie stets gegen alles sein müssen, was in einer Regierungsvorlage enthalten ist. Ich habe Ihnen aber hier aufgezeigt, wieviel Positives und wieviel Neuerungen dieses Gesetz bringt. Ich bekenne mich zu diesem Gesetz, das wesentliche Verbesserungen enthält, die ich Ihnen jetzt nur bruchstückweise, ansatzweise dargelegt habe.

Ich danke noch einmal allen, die an dieser Regierungsvorlage vorbildlich mitgewirkt haben, und bin sehr froh, daß wir heute endlich die von sehr vielen Ärzten erwünschte und ersehnte und sehr notwendige Ärztereform, das Ärztegesetz 1998, beschließen werden! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

10.28

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Ärztegesetz ist wahrlich ein Anliegen der Ärzteschaft gewesen. Nur bleibt es in vielerlei Hinsicht eigentlich mit vielen Begehrlichkeiten, die artikuliert worden sind, im Hintertreffen.

Das erste ist die Pflichtmitgliedschaft. Die Pflichtmitgliedschaft ist in mancherlei Hinsicht notwendig. Es ist notwendig, daß in einer Berufsgruppe ein Disziplinierungsinstrumentarium geschaffen wird, das anwendbar und lebbar ist. Es ist notwendig, daß eine Ärzteliste zu führen ist, in der man, wenn man den Beruf ausübt, registriert sein muß. Es ist wichtig, daß es eine Organisation gibt, die Stellungnahmen zu neuen Gesetzen abgibt, die diese Ärztegruppe betreffen, und diese sozusagen ausformuliert.

Aber es ist nicht wichtig, daß Wirtschaftsunternehmungen beziehungsweise Wirtschaftseinrichtungen, so wie dies im § 66 vorgesehen ist, betrieben werden. Es ist nicht notwendig, daß Parkgaragen betrieben werden. Es ist nicht notwendig, daß eine Münzsammlung akkumuliert worden ist. Es ist nicht notwendig, daß Hotelbeteiligungen getätigt werden. Es ist nicht notwendig, sich an Immobilienspekulationen zu beteiligen. – All das ist für mich etwas, was die Kammer nicht tun sollte! Die Kammer hat die Aufgabe, ein sehr schlanker Apparat zu sein, um die auf sie zugespitzten Aufgaben zu erledigen, aber nicht, eine Krake zu sein, die sich ununterbrochen ausweitet. (Beifall bei dem Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir werden in Hinkunft möglicherweise sogar Börsenspekulanten in New York und in Tokio einsetzen, weil die Lukrierung von Mitteln für diese Berufsgruppe bei einem erhöhten Risiko wesentlich schneller und besser möglich ist, als wenn man auf die üblichen Spekulationen mit Immobilien zurückgreifen muß. Aber das ist nicht das, was dem Parlament wünschenswert erscheint, das ist nicht einmal das, was die Ärzteschaft in globaler Sicht wünscht.

Da möchte ich nun auf den Wohlfahrtsfonds zu sprechen kommen, der der schmerzhafte Punkt ist, den vor allen Dingen junge Kolleginnen und Kollegen nicht mehr akzeptieren. In den Wohlfahrtsfonds muß man Beiträge einzahlen, um jene Gruppe der Ärztinnen und Ärzte abzusichern, die sich vor längerer Zeit goldene Beschlüsse ausgedacht haben, um ihren Lebensabend zu versüßen.

Ich habe nichts dagegen, Solidarität gegenüber der älteren Generation zu üben, aber ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich mein Lebensalter absichere. Es ist meine Aufgabe, das selbst zu tun. Daher würde ich mir wünschen, daß wir aus dem Wohlfahrtsfonds – im Medizinerjargon – "ausschleichen", und zwar über eine lange Periode; das kann durchaus 40 Jahre sein – egal, wie lange. Ich meine, es ist nicht Aufgabe per se, die finanzielle Absicherung des Lebensabends einer Berufsgruppe aufzubürden. Wenn wir das Ausschleichen über eine lange Periode machen, dann ist es kein schmerzhafter Prozeß. Wir zahlen ohnehin so viel ein und bekommen nur einen Bruchteil heraus. (Abg. Dr. Rasinger: Wer zahlt das? – Abg. Dr. Leiner: Wer zahlt das?)

Noch eines, was im Gesetz verankert und eigentlich eine Schweinerei ist: Wenn man aus dem Wohlfahrtsfonds austritt – wenn man überhaupt die Möglichkeit dazu hat; die haben ganz wenige, nur die Pragmatisierten haben sie –, ist im Gesetz vorgesehen, daß mindestens die Hälfte der eingezahlten Beiträge zu leisten ist. Ich bin schon einmal aus einem Pensionssystem ausgetreten, und zwar aus jenem des Europäischen Parlaments. Sie haben mir 100 Prozent meiner Einzahlungen rückerstattet – plus 3 Prozent Zinsen. Das ist die Vorgabe, daß zumindest 100 Prozent der bezahlten Beiträge an den Einzahler rückerstattet werden. Das ist das mindeste, was man fordern könnte. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist im Gesetz nicht erledigt, das finde ich schade, und es ist eigentlich sehr unfair gegenüber der Ärzteschaft, die betroffen ist.

In diesem Zusammenhang noch etwas: Wenn man schon Beiträge abzuführen hat, dann wäre es doch tatsächlich ein Denkansatz, zu sagen: Jeder Arzt, jede Ärztin soll selbst alle Beiträge, die notwendig sind, um den Apparat zu erhalten, selbst abführen. Es soll nicht vom Arbeitgeber einbehalten werden, sondern man soll das selbst abführen. Es soll auch, was ich mir in bezug auf Transparenz wünschen würde, eine Veröffentlichung der Sitzungsgelder und Diäten geben. Als Mitglied der Ärztekammer bin ich nicht in der Lage, zu wissen, was auf der Bundesebene ausbezahlt wird.

Herr Rasinger! Sie drehen sich auf Ihrem Stuhl! Sagen Sie doch, wieviel Sie letztes und vorletztes Jahr als Kammerfunktionär bezogen haben! Ich lade Sie dazu ein! Ich habe nicht die Möglichkeit, zu erfahren, wieviel auf Bundesebene ausbezahlt wird; nur auf Landesebene könnte ich das mit großer Mühe herausfinden. Ich halte es eigentlich für notwendig, da eine Transparenz einzuführen. Als normales Mitglied hätte ich das Recht dazu. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Weiters ist eine Aufblähung der Anzahl der Kammerfunktionärinnen und -funktionäre vorgesehen. Es ist schon so, daß die Ärzteschaft natürlich ein wachsendes Potential ist und zum Glück immer mehr Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stehen, um die Sicherung des Gesundheitssystems zu gewährleisten, aber eine Erhöhung von 60 auf 100 ist meiner Meinung nach nicht sehr zielführend. Die Probleme der Ärzteschaft haben sich nicht vervielfacht, die Probleme der Ärzteschaft sind etwa gleichgeblieben. Ich finde es daher nicht korrekt, daß man jetzt nahezu eine Verdoppelung der Funktionäre ermöglicht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger.)

Herr Kollege Rasinger! Nun komme ich zu einem Punkt der bis jetzt geführten Diskussion, der mir wirklich weh tut. Warum ist eine Anstellung von Ärztinnen und Ärzten durch Ärzte nicht möglich? – Wir haben so viele junge Leute, die auf der Straße stehen; wir haben so viele junge Menschen, die eine Ausbildung genossen haben, die aber jetzt in anderen Berufen untergekommen sind und ihre ärztliche Qualität verlieren, und zwar deswegen, weil sie nicht mehr die Routine haben. Wir haben als Gesellschaft so viel in ihre Ausbildung investiert, und jetzt sagen wir: Nein, diese Möglichkeit eröffnen wir nicht!, aber gleichzeitig fordern wir, daß die Praxen länger geöffnet sind. Wenn die Praxen länger geöffnet werden sollten, dann muß man eine Flexibilität in der Betriebsführung der Ärzte ermöglichen. Dieses Gesetz ermöglicht das nicht, das ist ein großes Versäumnis.

Deshalb erlaube ich mir auch, in diesem Zusammenhang unseren Abänderungsantrag einzubringen, der so umfassend ist, daß er nicht mehr verlesen werden kann und daher zur Verteilung gelangt. Ich verlange im § 32 die Streichung der Worte "in Krankenanstalten" für ausländische Ärztinnen und Ärzte, die in Österreich einige Jahre tätig werden sollen – natürlich mit dem Hintergedanken, daß es eine Ungleichbehandlung wäre, ausländischen Ärztinnen und Ärzten die Arbeit in niedergelassenen Praxen zu ermöglichen und inländischen nicht. Das ist sozusagen der Versuch, in dieser Richtung weiterzukommen.

Ebenfalls fordere ich ein, daß selbstverständlich in Gremien wie dem Verwaltungsausschuß und sonstigen Ausschüssen jede Kurie vertreten ist. Das ist gar nicht vorgesehen. Das heißt, eine zahlenmäßig kleinere Kurie kann ununterbrochen überstimmt werden und in Schlüsselausschüssen nicht einmal mehr präsent sein.

Auf die Punkte, die die Behinderten betreffen, beziehungsweise auf die anderen Punkte, etwa die, die bezüglich der Werbung bei Ärzten vorgeschlagen worden sind, wird meine Kollegin Motter ohnehin noch eingehen.

Ich glaube, daß dieses Gesetz einerseits einige Verbesserungen gebracht hat – das will ich nicht abstreiten –, andererseits aber viele Sorgen der jungen Kolleginnen und Kollegen unberücksichtigt läßt. Ich würde mir daher wünschen, daß wir in diesem Bereich weiterkommen, wobei ich keine Möglichkeiten dafür in dieser Legislaturperiode sehe. Ich hoffe, daß wir in der nächsten weiterkommen werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

10.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag liegt vor, ist ausreichend unterfertigt, wurde verteilt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Klara Motter, Maria Schaffenrath und PartnerInnen, mit dem die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird, geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Titel lautet wie folgt:

"Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärztinnen und Ärzte (ÄrztInnengesetz 1998 – ÄrztInnenG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird"

Die Regierungsvorlage wird in Artikel I wie folgt geändert:

1. In § 32 entfallen im Abs. 1 die Worte "in Krankenanstalten"; in Abs. 2 wird nach dem Ausdruck "der Österreichischen Ärztekammer" das Wort "oder" durch "und" ersetzt.

2. In § 42 wird der Abs. 2 gestrichen. Vor Abs. 1 entfällt die Bezeichnung "(1)".

3. § 53 Abs. 1 lautet:

"§ 53. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen oder unwahren Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten."

In § 56 Abs. 1 Z 1 wird das Wort "und" durch einen Beistrich ersetzt, die nachfolgende Z 2 erhält die Bezeichnung "3." und Z 2 lautet nunmehr neu wie folgt:

"2. für behinderte Menschen zugänglich zu machen, soferne dies ohne große Schwierigkeiten und unverhältnismäßig hohe Kosten möglich ist, und"

In § 66 entfallen die Abs. 5 bis 7.

In § 77 Abs. 1 Z 2 wird die Wortfolge "Staatsangehörige der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum" ersetzt durch "Angehörige anderer Staaten".

In § 91 wird der Abs. 5 gestrichen; in Abs. 6 erster Satz entfällt die Wortfolge "bei Kammerangehörigen, die den ärztlichen Beruf ausschließlich im Dienstverhältnis ausüben, vom Dienstgeber einzubehalten und". Die Abs. 6 bis 10 (alt) erhalten nunmehr die Bezeichnungen 5 bis 9.

§ 109 Abs. 5 lautet:

"(5) Die Beitragsordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Wohlfahrtsfondsbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen, vorzusehen."

§ 113 Abs. 2 erster Satz lautet:

"(2) Der Verwaltungsausschuß besteht aus dem Präsidenten, dem Finanzreferenten (stellvertretenden Finanzreferenten) sowie aus mindestens zwei weiteren Kammerräten, wobei aus jeder Kurie jedenfalls ein Vertreter vorzusehen ist."

In § 115 Abs. 1 erster Satz wird die Wortfolge "ein Betrag in der Höhe von mindestens 70 vH" durch "der gesamte Betrag" ersetzt; im dritten Satz wird der Ausdruck "in Höhe von mindestens 50 vH" gestrichen.

In § 118 Abs. 2 Z 15 entfällt die Wortfolge "und über die Wahrung des Standesansehens".

In § 122 werden am Ende der Z 5 die Worte "und deren Veröffentlichung im jeweiligen offiziellen Presseorgan der Österreichischen Ärztekammer," angefügt.

In § 134 Abs. 2 wird dem zweiten Satz, in Abs. 3 dem dritten Satz die Wortfolge " , wobei aus jeder Kurie jedenfalls ein Vertreter vorzusehen ist." angefügt.

Dem § 143 wird folgender Satz angefügt:

"Sämtliche von der Vollversammlung festgesetzten Aufwandsentschädigungen oder Gebühren sind im jeweiligen offiziellen Presseorgan der Österreichischen Ärztekammer zu veröffentlichen."

Dem § 184 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

"Sämtliche von der Vollversammlung festgesetzten Aufwandsentschädigungen oder Gebühren sind im jeweiligen offiziellen Presseorgan der Österreichischen Ärztekammer zu veröffentlichen."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

10.37

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Heute beenden wir im positiven Sinn eine zehnjährige Diskussion rund um die sogenannte Kammerreform. (Abg. Dr. Pumberger: Und beginnen den größten Streit zwischen den Ärzten!) Sie ist die größte Reform, die sich die Ärzteschaft seit 40 Jahren mehr oder weniger selbst verordnet hat. Ich lege Wert auf die Feststellung: Sie wurde nicht von den Politikern ausgedacht und auch nicht von den Politikern in irgendeiner Weise verordnet, sondern sie wurde von den Ärzten selbst gemacht. Das ist wesentlich. Sie wurde auch von allen Landeskammern begrüßt.

Im Gegensatz zu Herrn Abgeordneten Pumberger, der uns heute wieder eine Märchenstunde geliefert hat, habe ich ein anderes Demokratieverständnis. Ich meine, es wird nicht im stillen Kämmerlein entschieden. Jawohl, es sollen viele mitmachen, jawohl, es müssen dann mehr mitmachen, aber es ist besser, es machen mehr mit und unterziehen sich einer komplizierten Diskussion, anstatt daß einer oder ein Gremium allein im stillen Kämmerlein autoritär entscheidet. Das ist mein Demokratieverständnis. Das mag mühsam sein, ergibt aber letztendlich bessere Ergebnisse. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Gesetz war sehr umfangreich, und ich möchte auch den Beamten – Frau Dr. Pittermann hat es schon gemacht – sehr danken dafür. Ich möchte noch einmal Herrn Pazourek, Dr. Schwarz, Herrn Dr. Aigner und Dr. Kierein stellvertretend für viele andere danken und auch das gute Zusammenarbeitsklima, das bei diesem Gesetzwerdungsprozeß geherrscht hat, hervorheben.

Der wesentliche Kernpunkt dieses Gesetzes ist die Schaffung von drei Kurien. Das heißt, die Ärzte teilen sich in drei Gruppen auf, die in ihrem Bereich autonom arbeiten können; das ist wesentlich. Man versucht damit, etwas, was sonst auseinandergedriftet wäre, zusammenzuhalten. Die Gruppe der niedergelassenen Ärzte kann sich bei größeren Kammern auch unterteilen: in praktische Ärzte, in Fachärzte, die Angestellten in Turnusärzte und solche, die mit ihrer Ausbildung fertig sind. Außerdem haben wir – anders als in anderen EU-Staaten – die Zahnärzte weiterhin in der Ärztekammer, sie bilden keine eigene Kammer.

Ich glaube, das ist vernünftig, weil auf der einen Seite die Kurien ihre eigenen Aufgaben haben, auf der anderen Seite gemeinsame Aufgaben wie Fortbildung, Gesundheitsökonomie, Öffentlichkeitsarbeit et cetera bei der Kammer bleiben.

Außerdem möchte ich, da Kollege Pumberger und auch Frau Dr. Gredler die Aufblähung kritisiert haben, auf folgendes hinweisen: Gerade dadurch, daß wir die Möglichkeit eröffnet haben, daß mehr Ärzte teilnehmen können, indem auch mehr gewählt werden können, können Kleinfraktionen überhaupt erst teilnehmen. Ich halte auch das für einen sehr demokratischen Zug.

Nun zum Argument Aufblähung der Gremien und zum weiteren Argument, man füttere unzählige Funktionäre durch, man blähe den Verwaltungsapparat auf.

Herr Pumberger! (Abg. Dr. Pumberger: Doktor!) Seien Sie einmal ehrlich! Sie suchen ein Haar in der Suppe, Sie versuchen verzweifelt, es zu finden. (Abg. Dr. Pumberger: Doktor!) Sie sagen Ihren üblichen Spruch: "Ich bin dagegen." Seien Sie ehrlich, sagen Sie auch hier: Ich bin dagegen! Das wäre einfacher, als irgendwelche Märchen zu erzählen, die kein anderer versteht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Hat er eh gesagt! Er hat auch die Gründe angeführt, Herr Kollege Rasinger!)

Ich glaube, in Österreich haben die Ärzte das Recht, für sich zu sprechen, etwa der Internist oder der Chirurg. Sie wissen genau, daß es zum Beispiel allein bei den Internisten Kardiologen, Nephrologen, Gastroenterologen et cetera gibt. Warum soll dann immer nur einer für alle reden können? Warum soll immer nur eine Berufsgruppe für andere reden können? Warum sollen zum Beispiel Vorarlberger für die Wiener reden müssen und können? Die haben ganz unterschiedliche Bedingungen. Warum wollen Sie so eine Kleinkammer verordnen? Wo ist da die Logik, wo ist da die Demokratie, von der Sie ständig reden? (Abg. Dr. Pumberger: Aber nicht 30 Kleinkammern mit 30 Kurien!)

Die ganze Kammerreform bewegt sich ja nicht im luftleeren Raum. Ich glaube, entscheidend für die Kammerreform ist, daß wir die großen Probleme – und dazu brauchen wir die Ärzte – besser in den Griff kriegen. Weltweit ist es ein großes Thema, wie wir den Menschen eine hochqualitative Gesundheitsversorgung angedeihen lassen können. Die Menschen werden immer älter, die medizinischen Leistungen immer besser, die juristischen Anforderungen immer größer. Das ist ein Problem. Wir sind da in Österreich vielleicht auf einer Insel der Seligen. Ich glaube es nicht ganz. Diese Insel der Seligen könnte bald ins Wanken kommen. Deshalb brauchen wir hochmotivierte Ärzte, die gemeinsam mit der Politik versuchen, für uns das hochstehende Niveau zu halten. Ich glaube, es kann nur gemeinsam gehen.

Deshalb kritisiere ich zum Beispiel, daß wir in der Gesundheitspolitik sehr oft mit Schlagworten argumentieren, zum Beispiel mit einem Begriff wie "Spitalsdefizit". Das ist ein völliger Unsinn! Kein Mensch redet vom Schul- und Bundesheerdefizit. Wir fragen oft subtil: Wozu brauchen wir das eigentlich? – Das ist der Hochmut derer, die gesund sind – von Kranken habe ich so etwas noch nie gehört.

Wir reden auch gerne davon, daß man effizienter werden muß. Wenn Sie alleine in einem Jahr 15 Prozent mehr herzchirurgische Eingriffe vornehmen – wie wollen Sie da effizient sein? Wollen Sie dann in kürzerer Zeit operieren, oder wollen Sie die Patienten vielleicht kürzer auf die Intensivstation legen?

Ich glaube, daß es nicht das Ziel einer Gesundheitspolitik sein kann, daß man – wie in Amerika – mit tropfender Brustkrebswunde heimgeschickt wird. Das will ich bitte nicht, und das will auch die ÖVP nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was ich aber auch nicht will, ist, daß man ins Blitzblaue hinein irgendwelche Ärzte ausbildet, die kein Mensch braucht, sie schlecht ausbildet und ihnen dann sagt: Pech gehabt!

Ich habe jetzt von einem Spitzengewerkschafter gehört, daß auch Elektriker arbeitslos sind. Damit macht man es sich zu einfach, denn bei den Medizinern gibt es eine dreimal so hohe Arbeitslosigkeit wie die durchschnittliche Arbeitslosigkeit. Allein das sollte ein Argument sein. Aber was macht es für einen Sinn, Ärzte nach dem Studium mindestens drei Jahre warten zu lassen? Ist das für den Patienten gut? Wir alle werden möglicherweise einmal Patienten sein. Macht es einen Sinn, daß Ärzte, nachdem sie mit ihrer Ausbildung fertig sind, zehn Jahre und länger auf irgendeine Anstellung warten müssen? Ich glaube, wir müssen die Arbeit besser aufteilen. Meiner Meinung nach sind weniger Ärzte wahrscheinlich besser für das ganze System.

Diesen Dialog mit den Ärzten – und dieses Ärztegesetz bietet uns die Chance, daß wir den Dialog mit den Ärzten, da sich diese nun besser organisieren können und besser demokratisch aufeinander einstellen können, führen können – müssen wir in gutem Stil führen, weil es letztendlich um gute Lösungen für die Patienten geht. Dieses Ärztegesetz wird viele Ärzte motivieren, mitzumachen und sich nicht in Emigration zu begeben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Guggenberger.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Pumberger zu Wort gemeldet. Ich mache ihn auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte.

10.44

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Kollege Rasinger! Sie haben behauptet, dieses Ärztegesetz sei von Ärzten gemacht und werde von allen Kammern begrüßt.

Ich stelle tatsächlich richtig, daß die Ärztekammer von Niederösterreich dieses Gesetz nur teilweise begrüßt. (Abg. Schwarzenberger: Wie geht "teilweise begrüßen"?) In einem Schreiben vom 23. September 1998 teilt sie uns das mit und bittet um Kenntnisnahme. Betreffend die Ärztesenioren, die aus der Kammer hinausgeworfen werden, schreibt sie uns: "Ferner erlauben wir uns, entsprechend dem Beschluß der Vollversammlung der Ärztekammer für Niederösterreich den Wunsch vorzutragen, daß Leistungsbezieher des Wohlfahrtsfonds, Ärztepensionisten, auch künftighin ohne einschränkende Bestimmungen ordentliche Mitglieder der Ärztekammer bleiben können."

Ich habe das somit richtiggestellt und verweise darauf, daß nicht alle Ärztekammern und nicht alle Ärzte inhaltlich mit allen Punkten dieses Gesetzes einverstanden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. – Bitte.

10.46

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Ausflug in die allgemeine Gesundheitspolitik meines Vorredners darf ich wieder konkret auf dieses Gesetz zu sprechen kommen und dabei konkret auch auf die Behauptung eingehen, daß damit der Schlußstein für eine zehn Jahre dauernde Diskussion über die Kammerreform gelegt worden sei, die von den Ärzten selbst beendet worden ist und dann in Form dieses Gesetzes positiv abgeschlossen wurde.

Wie erklären Sie sich, Herr Kollege Rasinger, daß wir vom Grünen Klub dann von Kollegen oder Kolleginnen von Ihnen, solche Ausdrucke bekommen (die Rednerin hält mehrere Blätter in die Höhe), die sehr bildhaft darstellen, wohin diese Kammerreform durch die Aufblähung der Ärztekammern insgesamt führt, nämlich von einer klaren Strukturierung hin zu einer Aufgliederung in eine Vielzahl von Untergruppen, die relativ unübersichtlich sind?

Wie können Sie sich erklären, daß Kolleginnen und Kollegen von Ihnen uns dann auch diese Ausdrucke senden (die Rednerin hält weitere Schriftstücke in die Höhe), aus denen hervorgeht, daß aus 60 Gremien der Ärztekammern 160 werden? Diese neue Kammeraufblähung ist auch Kritikpunkt von vielen jungen Ärzten und Ärztinnen, die sich dann an die Opposition wenden, weil sie mit dem, was die Kammerfunktionäre ausgehandelt haben, nicht zufrieden sind.

Sie haben darauf hingewiesen, daß diese Aufblähung oder Differenzierung, wie Sie es vielleicht formulieren würden, unbedingt notwendig ist (Abg. Dr. Rasinger: Warum nicht?), weil mehr Ansprüche an die Kammer herangetragen werden, weil juristisch mehr zu bearbeiten sei und weil insgesamt mehr Teilbereiche im Gesundheitssektor zu behandeln sind.

Meiner Meinung nach läßt sich das sehr wohl auch projektorientiert und projektgruppenartig durchführen, nicht unbedingt durch eine falsch verstandene – ich nenne es jetzt einmal so – Kameralistik, die insgesamt zu einer Aufblähung führt (Abg. Dr. Rasinger: Ist es schlecht, wenn man miteinander redet?) und die das Ende einer Politik darstellt, die in erster Linie von Kammerfunktionären betrieben wird. – Das nur als Anknüpfungspunkt und als Aufgreifen von Beschwerden, die uns auch treffen und deutlich zeigen, daß nicht die gesamte Ärzteschaft hinter diesem Ärztegesetz steht.

Es gibt noch ein paar andere Punkte, die zu Kritik Anlaß geben, zum Beispiel die Tatsache, daß die Verschwiegenheitspflicht – ein sehr wesentlicher Faktor des ärztlichen Berufes – doch weitgehend dadurch aufgehoben wird, daß die Ärzte jetzt Gesundheitsdaten an die Sozialversicherung und auch an Privatversicherungen weitergeben können und müssen. Das sind Gesundheitsdaten, die nicht nur Krankheiten umfassen, sondern auch Ergebnisse von Gesundenuntersuchungen betreffen.

Diese Weitergabe der Daten widerspricht unseres Erachtens doch einer Datenschutzpolitik, die auch im Gesundheitsbereich weiterverfolgt werden müßte, sie widerspricht vor allem einer Regelung, die uns auch die EU in Kürze – ich glaube, es wird der 24. Oktober sein – vorschreiben wird. Es ist die EU-Richtlinie 95/46/EG. Diese stellt in Artikel 8 den Datenschutz noch gesondert voran und besagt, daß Daten betreffend die Gesundheit und dergleichen nicht weiterzugeben sind. Höchstens dürfen sie unter ärztlichem Personal ausgetauscht werden. Sie dürfen aber nicht an Sozialversicherungen weitergegeben werden, vor allem auch nicht an Privatversicherungen, bei denen man ja nicht sicher sein kann, wozu diese Daten dann letztendlich verwendet werden. – Soweit ein zweiter Kritikpunkt.

Zum dritten: Wir haben – da darf ich jetzt in Vertretung von Frau Kollegin Haidlmayr sprechen – keinerlei Verpflichtung im Ärztegesetz, daß die Praxen barrierefrei für Behinderte oder für gebrechliche Patienten zugänglich zu sein haben. Wahrscheinlich und hoffentlich ist jeder Arzt so kundenorientiert, daß er auch auf diese Kleingruppe Rücksicht nimmt. Es wäre aber auch ein Zeichen für die Humanisierung des Gesetzes gewesen, wenn man das von vornherein miteinbezogen hätte.

Der vierte Kritikpunkt betrifft die Tatsache, daß die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen im Ärztegesetz nicht explizit formuliert, sondern nur indirekt angedeutet wird. Dieses Gesetz nennt sich Ärztegesetz und ist sehr, sehr ärzteorientiert. Damit hat man aber die Chance versäumt, sozusagen den Netzcharakter einer Gesundheitspolitik auch in diesem Gesetz auszudrücken. Es wäre möglich gewesen, eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesem Gesetz festzuschreiben.

Nächster Kritikpunkt: Es gibt keine Regelung hinsichtlich der Gruppenpraxen.

Weiters ist nicht gewährleistet, daß Turnusärzte in ihrer Ausbildungszeit von einem verantwortlichen Facharzt begleitet werden. Viele Turnusärzte hängen praktisch wieder in der Luft, sind oft auf sich selbst gestellt und müssen mit dem theoretischen Wissen der Universitätsausbildung sofort in der Praxis am Krankenbett auf sich allein gestellt agieren. Sie tragen dann eine hohe Verantwortung und haben praktisch niemanden außer der Nachtschwester, der ihnen mit Rat und Tat aus der Praxis zur Seite stehen kann. – Sie hätten hier praxisorientierter und vor allem mehr an den Interessen der Jungkollegen orientiert entscheiden können.

Ein zweiter Aspekt im Hinblick auf die Jungkollegenorientiertheit ist sicherlich noch die Teilzeitbeschäftigung. Für Turnusärzte ist sie nur gewährleistet, wenn die Pflege eines Kindes notwendig ist. Aus anderen Gründen darf ein Turnusarzt nicht auf Teilzeit gehen. Wir finden das unsozial und vor allem auch nicht familiengerecht, gerade von seiten einer Fraktion, die immer wieder die Familie in den Mittelpunkt stellt. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Weiters fehlt uns die Berücksichtigung der Geriatrie bei der praktischen Ausbildung der Ärzte und Ärztinnen. Damit komme ich gleich noch zu einem weiteren Defizit dieses Gesetzes: Es verwendet ausschließlich die männlichen Berufsbezeichnungen. Es gibt aber schon einen großen Anteil an Ärztinnen, die jedoch in der Terminologie dieses Gesetzes gar nicht aufscheinen. Das sollte am Ende des ausgehenden zweiten Jahrtausends nicht mehr vorkommen! Das Ärztegesetz muß auch geschlechtsspezifisch zukunftsorientiert sein und sollte zumindest registrieren, daß es auch Ärztinnen gibt.

Zurück zur Geriatrie: Dieser Ausbildungsbereich sollte auch in den Akutspitälern verankert sein, weil sich die Tätigkeit vieler Jungärzte später auf die Betreuung der alten Leute konzentrieren wird. Da fehlt uns eine entsprechende Schwerpunktsetzung.

Das gilt genauso für die Berücksichtigung des Bereichs der Ganzheitmedizin. Da fehlt die Integration komplementärmedizinischer Methoden.

Das Gesetz stellt sicherlich einen gewissen Fortschritt dar, insgesamt ist es aber sehr kammerlastig und weist doch sehr wesentliche Kritikpunkte auf, über die wir nicht hinweggehen können. Deshalb gestatten Sie mir einen Abänderungsantrag, den ich hiermit einbringen möchte:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und FreundInnen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird (1386 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes 1400 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die eingangs genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird im Artikel I wie folgt geändert:"

Die folgende Änderung beantragen wir deshalb, weil Teilzeit für Turnusärzte, wie ich bereits angemerkt habe, nur auf die Pflege des Kindes beschränkt ist. Unser Abänderungsantrag lautet deshalb:

"1. Im § 9 Abs. 7, § 10 Abs. 8 sowie § 11 Abs. 7 entfällt jeweils im ersten Satz die Wortfolge ‚zur Pflege eines Kindes‘."

Der zweite Punkt in unserem Abänderungsantrag betrifft den Umstand, daß es nicht sinnvoll ist, alternativmedizinische Heilverfahren auf 6 Monate zu beschränken. Er lautet:

"2. In § 42 wird Abs. 2 ersatzlos gestrichen. Vor Abs. 1 entfällt die Bezeichnung ‚(1)‘."

Ein dritter Punkt, der geändert werden sollte, betrifft das Hilfspersonal. Und zwar soll es nicht berufsmäßig nur in Einzelfällen herangezogen werden. Deshalb beantragen wir:

"3. In § 49 wird in Abs. 2 der zweite Satz wie folgt geändert:

‚Zur Mithilfe kann er sich jedoch im Einzelfall Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln.‘"

Eine weitere Abänderung, nämlich eine vierte, zielt darauf, daß praktisch die Aufzeichnungen über Wahrnehmungen, die auf einen Verdacht auf Kindesmißhandlungen oder sexuellen Mißbrauch begründet sind, jetzt den Jugendwohlfahrtsbehörden übermittelt werden sollen, und zwar nicht erst auf deren Anforderungen, sondern gleich von vornherein, damit nicht wertvolle Zeit verstreicht. Deshalb lautet unsere Formulierung:

"4. In § 51 Abs. 1 lautet der letzte Satz wie folgt:

‚Den gemäß § 54 Abs. 5 oder 6 verständigten Behörden oder öffentlichen Dienststellen sind diese Aufzeichnungen umgehend zu übermitteln.‘"

Der nächste Punkt umfaßt gleich drei Bereiche. In einem Großteil der Arztpraxen ist für behinderte Menschen und auch für ältere Menschen keine bauliche Vorsorge getroffen. Daher folgende Änderungen.

"5. Im § 56 Abs. 1 lautet die Z 2 wie folgt:

‚2. barrierefrei zugänglich sein oder gemacht werden (gemäß ÖNORM B 1600) und‘. Die derzeitige Z 2 wird zur Z 3.

6. In § 56 Abs. 2 lauten der zweite und der dritte Satz wie folgt:

‚Der Überprüfung ist ein Vertreter der Ärztekammer und ein Bausachverständiger beizuziehen. Entspricht die Ordinationsstätte nicht den hygienischen und baulichen Anforderungen, ist dem Arzt die Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen.‘

7. § 56 Abs. 3 wird geändert und lautet wie folgt:

‚(3) Kommt bei der Überprüfung zutage, daß Mißstände vorliegen, die für das Leben und die Gesundheit von Patienten eine Gefahr mit sich bringen können oder die geeignet sind, aufgrund baulicher und technischer Barrieren Patienten den Arztbesuch unmöglich zu machen, ist die Sperre der Ordinationsstätte bis zur Behebung dieser Mißstände von der Bezirksverwaltungsbehörde zu verfügen.‘"

*****

Ich ersuche Sie gerade im Hinblick darauf, daß Kollegin Haidlmayr verhindert ist und wir auch das Ärztegesetz behindertengerecht gestalten sollten, um Annahme dieses Abänderungsantrages. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Minister.

10.57

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Guggenberger! Wir konnten uns vorher nicht absprechen. Wenn ich gewußt hätte, daß du schon in der Startposition bist, hätte ich mich natürlich erst nachher zu Wort gemeldet. (Abg. Mag. Guggenberger: Ich lasse dir gerne den Vortritt!)

Ich möchte wirklich meiner besonderen Freude Ausdruck verleihen, daß heute dem Hohen Haus das Ärztegesetz 1998 zur Diskussion vorliegt und ich davon ausgehen kann, daß es auch in der vorgelegten Form beschlossen werden wird.

Ich möchte mich auch bei Frau Abgeordneter Dr. Pittermann und Herrn Abgeordneten Dr. Rasinger bedanken, die die gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Ressort lobend herausgestrichen haben. Ich glaube, man kann guten Gewissens sagen, daß wir dieses Gesetz gemeinsam erarbeitet und auch erkämpft haben und daß sehr viele Verhandlungsrunden dadurch gekennzeichnet waren, daß der jeweilige Verhandlungsstand immer wieder in den jeweiligen Gremien diskutiert, beraten und reflektiert wurde und damit ein umfassender, demokratischer Meinungsbildungsprozeß bis zu dieser Neutextierung erfolgte. Meiner Meinung nach zeichnet es ein Gesetz aus, wenn auf breitester Ebene versucht wird, alle Betroffenen in die Entscheidungsfindung und Meinungsbildung miteinzubinden, und ich glaube, daß man das bei diesem Gesetz mit guten Gewissen behaupten kann.

Erlauben Sie mir, da schon in der Debatte schwerpunktartig zwei Punkte dieses Ärztegesetzes angesprochen wurden, auch auf diese besonders einzugehen, und zwar einerseits auf das neue Kammerrecht, andererseits aber auch auf die Frage der Weiterentwicklung der ärztlichen Anzeige- und Meldepflicht. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Seitens der Ärztekammer besteht ja seit einigen Jahren zu Recht der Wunsch und auch der Bedarf nach einer umfassenden Neustrukturierung der Kammerorganisation, die besser als die bisherigen Kammerstrukturen den Bedürfnissen der Angestellten und auch jenen der niedergelassenen Ärzte sowie auch der Zahnärzte gerecht werden soll. Und diese Neustrukturierung haben wir jetzt in einer zeitgemäßen und demokratischen Form vorliegen.

Ich glaube, daß es ganz wichtig war, daß versucht wurde, einen breiten Konsens der einzelnen Gruppen zustande zu bringen, weil es – ich denke, daß Sie mir da recht geben – entscheidend ist, daß Gesetze, aber auch entsprechende Organisationsstrukturen in der Praxis funktionieren. Das tun sie dann, wenn sie auf Akzeptanz bei den Beteiligten stoßen und auch von diesen gemeinsam erarbeitet wurden.

Wenn hier von Herrn Abgeordneten Pumberger gesagt wurde, die Kammern hätten quasi keine Akzeptanz, die Mitglieder der Kammern würden diese sehr stark kritisieren und mit ihnen unzufrieden sein, so kann ich ihm nur sagen: Natürlich gibt es immer Wünsche von Kammermitgliedern an ihre Kammern, aber ich darf Sie schon daran erinnern, daß es nicht sehr lange her ist, daß sich die Kammern einer Befragung bei ihren Mitgliedern unterzogen haben. (Abg. Dr. Pumberger: Suggestivfragen!) Die Akzeptanz, die bei dieser Mitgliederbefragung mit dem Bekenntnis zur Pflichtmitgliedschaft erzielt worden ist, ist in einer Form zutage getreten, wie es die Kritiker wahrscheinlich in keiner Weise erwartet haben. (Abg. Gaugg: Wie bei Breschnew! Bis zuletzt 99,9 Prozent!) Ich bin sehr stolz auf dieses Bekenntnis zur Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern, die es in Österreich gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Kern der Kammerreform besteht darin, die Ärzteschaft primär nicht – wie dies derzeit der Fall ist – je nach der Qualifikation als Allgemeinmediziner, Facharzt oder Turnusarzt in Sektionen zu gliedern, sondern entsprechend den spezifischen beruflichen Interessen als angestellter Arzt beziehungsweise angestellte Ärztin, niedergelassener Arzt oder Zahnarzt in drei Kurien zu einzuteilen, wobei diese Kurien weitgehend autonome Befugnisse haben und damit auch einem Demokratieprinzip Rechnung getragen wurde.

Es ist damit gelungen, sowohl die zunehmende Bedeutung der Spitalsärzte in der Kammerorganisation abzubilden als auch den Bestrebungen der Zahnärzte nach mehr Autonomie in der Wahrnehmung ihrer spezifischen Interessen Rechnung zu tragen.

Ein wichtiges Ziel der Kammerreform – ich bin überzeugt davon, daß dieses erreicht wurde – ist die Stärkung der demokratischen Willensbildung innerhalb der Kammerorganisation, und ich denke, es ist ungerechtfertigt, wenn die Stärkung des demokratischen Elements mit einem pauschalen Bürokratievorwurf diffamiert wird.

Nach den neuen Bestimmungen kann die Vollversammlung der Ärztekammer nun bis zu 100 Mitglieder umfassen. Bisher durften es nur 60 sein. Dies wurde kritisiert. Dadurch wird aber sichergestellt, sehr geschätzte Damen und Herren, daß auch kleinere wahlwerbende Gruppierungen innerhalb der Ärzteschaft die Möglichkeit zur Mitsprache in diesem wichtigsten Gremium der Kammer erhalten. Daher sage ich sehr offen: Es überrascht mich besonders die Kritik der kleineren Fraktionen, die das als Mangel sehen. Ich dachte eigentlich, es sei dies eine Reflexion, mit der auch den demokratischen Bedürfnissen kleinerer Gruppierungen Rechnung getragen wird. Vielleicht ist es aber doch möglich, in einem detaillierten Gespräch diese politische Motivation den kleineren Fraktionen näherzubringen und damit auch die Akzeptanz dieser zu erreichen.

Die bisherige Höchstzahl von 60 Kammerräten gilt seit Ende der vierziger Jahre, sehr geschätzte Damen und Herren – ich betone: seit Ende der vierziger Jahre! –, und jetzt haben wir das Jahr 1998. Seit den vierziger Jahren hat sich die Zahl der Ärzte in Österreich verdreifacht. Ich erachte es daher als legitim, daß das zentrale Vertretungsgremium der Ärzteschaft hinsichtlich seiner Größe den heutigen Gegebenheiten moderat angepaßt wird, sodaß es entsprechend zeitgemäß ist. Ich würde wirklich bitten, diese Argumente zu berücksichtigen.

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, daß die Vertretungsrechte der verschiedenen Kurien im Einvernehmen zwischen Ärztekammer und Gewerkschaften ausverhandelt wurden. Es ist daher kein Zufall, daß nicht nur die Repräsentanten der Ärztekammer Ihrer Debatte hier beiwohnen, sondern auch die Vertreter der Gewerkschaft. Ich denke, es ist auch ein Symbol, daß wir darauf verweisen können, daß wir trotz manchmal sehr unterschiedlicher Positionen letztlich wieder eine gute Zusammenarbeit sichergestellt haben und diese auch für die Zukunft zu erwarten ist.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir aber, noch auf den zweiten, mir sehr wichtigen Punkt in diesem neuen Gesetz zu verweisen. Ich meine den Bereich der ärztlichen Verschwiegenheits- und Anzeigepflicht.

Das neue Ärztegesetz sieht – wie schon angesprochen – vor, daß Ärzte bei Verletzungen mit Verdacht eines Fremdverschuldens nicht sofort Anzeige bei der Sicherheitsbehörde erstatten müssen. (Abg. Dr. Pumberger: Aber sie sind haftpflichtig!) Ich glaube, all jene, die sich mit diesem großen Problem, das hier angesprochen wird, zu befassen haben, sind zu der Erkenntnis gekommen, daß die Strafverfolgung des Täters keine Gewähr dafür bietet, dem Opfer zu helfen. Ich glaube, es muß aber unser Anliegen sein, primär das Schicksal des Opfers vor Augen zu haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Wozu dann noch jemanden einsperren?)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Ärzte haben aufgrund dieses Gesetzes nun bei Verdacht auf Mißhandlung oder Mißbrauch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu verständigen. Ich glaube, daß das der einzig richtige Weg ist, um dem Opfer mehr zu helfen und ihm nicht mehr zu schaden, als ohnehin schon Schaden angerichtet wurde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Den meisten Schaden erleiden die Opfer durch Ihre Politik!)

Die Umwandlung der ärztlichen Anzeigepflicht in eine Meldepflicht ermöglicht ein besseres und wirkungsvolleres Vorgehen gegen Gewalt in der Familie und stellt den Opferschutz betroffener Kinder in den Vordergrund. (Abg. Gaugg: Das ist ja abenteuerlich! Es ist Zeit, daß Sie einmal abgewählt werden!) Das ist ein absolut vorrangiges Ziel. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Und die Täter lassen wir laufen!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Reden Sie bitte mit jenen, die leider täglich in der Praxis mit derartigen Schicksalen konfrontiert sind! Reden Sie mit den österreichischen Kinderärzten, reden Sie mit den Kinderchirurgen, reden Sie mit den Jugendwohlfahrtsbehörden, reden Sie mit jenen, die damit leider täglich konfrontiert sind! (Abg. Gaugg: Nur Sie sind betroffen! Nur Sie, Frau Minister, wissen Bescheid! Das ist ja unglaublich!) Diese Personen sprechen sich vehement und nicht nur uns gegenüber, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit – das spiegelt sich in den Medienberichten der letzten Tage wider – für diesen Reformschritt aus. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Wozu die Mörder noch einsperren? – Abg. Koppler: Zuhören! Paß nur auf, daß du nicht zu nahe beim Mentil sitzt, sonst wirst du ausgeschlossen! – Abg. Gaugg: Ha, ha, ha!)

Sehr geschätzte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Es zeigt sich eine gewisse Gesinnung, die Sie immer wieder zum Ausdruck bringen, wenn Sie gerade in diesem Bereich solch eine Diskussion führen. (Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, daß hier demaskiert wird, daß für Sie nicht die Opfer im Zentrum stehen, sondern daß Sie andere Anliegen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, sehr geschätzte Damen und Herren, daß die Argumente für die Reform gut und zahlreich sind, und ich möchte auch Sie auffordern, darüber nachzudenken, ob unsere Argumente nicht besser sind als Ihre. (Abg. Madl: Und was sind die Ergebnisse? Was ist die Bilanz Ihrer Gesundheitspolitik?)

Durch die Meldepflicht haben die Betroffenen einen besseren Zugang zu therapeutischen Maßnahmen als durch den Weg über die Exekutive und das Strafverfahren. Durch das rechtzeitige Einbeziehen der Spezialisten von den Jugendwohlfahrtsträgern kann ein besserer und wirkungsvollerer Beitrag zur Gewaltprävention in der Familie geleistet werden als bisher. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Entlarvend! Das ist entlarvend, was Sie da sagen!)

Durch die neue Meldepflicht erreichen wir weiters eine Herabsetzung der "Hemmschwelle" – ich setze das unter Anführungszeichen – der Ärzte, auch in unsicheren Verdachtsfällen Maßnahmen einzuleiten. Und mit der Neuregelung schaffen wir auch mehr Rechtssicherheit für die Ärzte. Bei der derzeitigen Rechtslage besteht bei vielen Ärzten eine große Unsicherheit darüber, welche Fälle anzuzeigen sind und welche nicht. (Abg. Dr. Pumberger: Die Ärzte werden zur Verantwortung gezogen, aber Kinderschänder nicht!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die Äußerung, die vor wenigen Tagen in einer Zeitung zu lesen war, das werde gemacht, damit sich die Ärzte lästigen Verwaltungskram ersparen, ist eine absolut unzulässige Unterstellung. Das ist eine Diffamierung der großen Verantwortung, die die Ärzte wahrnehmen, und ich möchte mich gegen eine solche Unterstellung wirklich verwahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch einen Aspekt und ein Beispiel in Erinnerung rufen, warum ich glaube, daß es so wichtig war, das Gesetz in dieser Form zu ändern. Ein ganz wesentliches Argument für die Einführung der Meldepflicht an den Jugendwohlfahrtsträger ist die Erschwerung des sogenannten Ambulanztourismus. Durch das Aufsuchen verschiedener Spitalsambulanzen wurde und wird von Eltern oftmals versucht, häufige und immer wiederkehrende Mißhandlungen von Kindern zu verschleiern. (Abg. Dr. Pumberger: Sie wollen doch nur die Statistik verschönern!)

Ich darf Sie an den sehr tragischen Tod des kleinen Melvin erinnern, der letztlich seinen schweren Verbrennungen, die ihm sein Vater zugefügt hat, erlegen ist. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, daß der Vater den kleinen Melvin auch schon davor mißhandelt hatte. (Abg. Dr. Pumberger: Weil er ein Wiederholungstäter war!) Aber aus Furcht vor einer Anzeige ließ die Mutter das Kind jeweils in einem anderen Krankenhaus behandeln. Dadurch schöpfte niemand vorher Verdacht.

Aufgrund der Meldepflicht, sehr geschätzte Damen und Herren, kann nun die Jugendwohlfahrtsbehörde besser als die Exekutive und besser als das Gericht eine Häufung von Verdachtsmomenten erkennen und auch rechtzeitig einschreiten. (Abg. Dr. Pumberger: Da wird also die Jugendwohlfahrt zum Exekutivorgan!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, wir haben mit diesem Gesetz und mit dieser Maßnahme einen wichtigen Beitrag für die Kinder, für die Opfer geleistet. Ich bitte daher um eine Beschlußfassung in dem vorgelegten Sinne. (Beifall bei der SPÖ.)

11.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich halte noch fest: Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser hat in ihrem Debattenbeitrag einen Abänderungsantrag vorgetragen, der geschäftsordnungsgemäß überreicht wurde und in die Verhandlungen mit einbezogen wird.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordnete Mag. Guggenberger. – Herr Abgeordneter, Sie kommen mit einer Redezeit von 5 Minuten aus? – Gut. – Bitte.

11.10

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! "Ladies first!" – In diesem Sinne habe ich dir sehr gerne den Vortritt gelassen. Das ist selbstverständlich, würde ich meinen. (Abg. Gaugg: Mein Gott! – Abg. Dr. Pumberger: Bauchpinsler!) "Doctors first!" – Mit diesen Worten könnte man die heutige Debatte umschreiben. Es ist ja kein Zufall und durchaus berechtigt, daß die Erstredner aller Fraktionen Ärztinnen und Ärzte sind, soweit die Fraktionen über solche verfügen. Das ist ein im wesentlichen berufsständisches, standespolitisches Gesetz, und ein standespolitischer Outsider, wie ich es in diesem Fall bin, ist gut beraten, sich kluge Beschränkung aufzuerlegen. (Abg. Leikam: Jetzt spricht das erstemal ein Patient!)

Da Frau Kollegin Pittermann vorhin den Debattenbeitrag des Kollegen Pumberger literarisch bewertet hat, indem sie meinte, er sei "der Geist, der stets verneint", möchte ich ihr auch literarisch nachfolgen und würde sagen, man kann dieses Regelungswerk mit dem Titel überschreiben: "Was lange währt, wird endlich gut." Es ist wahrhaftig jahrelang mit allen Betroffenen verhandelt und beraten worden. Das zeichnet gerade unsere Sozial- und Gesundheitsministerin aus, und es ist auch gute österreichische Tradition, daß man derartige Gesetzeswerke mit den unmittelbar Betroffenen aushandelt: mit der Ärztekammer, mit den Gewerkschaften. So ist das Ergebnis auch ein gutes, zu dem fast alle in diesem Haus – aber nicht nur hier – stehen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Rasinger.)

Ich kann es mir schenken, auf die Eckpunkte dieses Regelungswerkes einzugehen, denn das haben die Damen und Herren vor mir in überaus kompetenter Weise getan. Der politische Knackpunkt war wohl – das ist jetzt wieder bei der Wortmeldung der Frau Bundesministerin sehr deutlich geworden – die frühere Anzeigeverpflichtung der Ärzte, die jetzt abgeändert werden soll. Meine Kollegin Reitsamer will sich noch in ganz besonderer Weise diesem Thema widmen. (Abg. Gaugg: Haben Sie irgend etwas zu sagen?) Es wäre von mir unsolidarisch, ihr da etwas vorwegzunehmen.

Ich darf daher schon schließen. Kurzum: Wir stimmen diesem Gesetzeswerk sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Die SPÖ wird zum Verteidiger der Kinderschänder! – Abg. Koppler: Du, paß auf! Du bist der nächste, der ausgeschlossen wird, weil du nichts zusammenbringst mit deiner Gewerkschaft! – Abg. Gaugg: Koppler, reg dich nicht so auf! – Abg. Koppler: Ich reg’ mich überhaupt nicht auf!)

11.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil zu Wort gemeldet. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.13

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Das Ärztegesetz, das wir heute diskutieren, ist eine durchaus große Gesetzesschwarte. Ich freue mich, daß so viele Jugendliche anwesend sind (Abg. Reitsamer: Wo denn?) – ganz oben auf den Rängen, Sie sehen sie vielleicht nicht –, und ich freue mich auch darüber, daß man gerade vor diesen Jugendlichen die Thematik, die die Frau Bundesminister angeschnitten hat, nämlich die Verlagerung der Anzeigepflicht zu den Jugendwohlfahrtsämtern, erklären, diskutieren und argumentieren kann.

Ich möchte Ihnen auch sagen, was ich normalerweise mache, wenn ich ein so großes, umfangreiches Gesetzeswerk in die Hand bekomme: Ich überlege mir ganz einfach einmal, wie denn so ein Gesetz, das da entworfen wird, sein soll. Ich denke mir, daß es verständlich sein soll. (Abg. Dr. Rasinger: Ja!) Frau Bundesminister, mein Kompliment, es ist verständlich – auch für einen Arzt. (Abg. Koppler: Verstehen es alle Abgeordneten auch? – Heiterkeit des Abg. Dr. Rasinger.) Nicht alle Abgeordneten sind Juristen. Es soll auch impulsgebend sein. Was meine ich denn damit? – Das heißt, es soll die Rahmenbedingungen für ein wirklich zukunftsorientiertes Handeln bieten. Und es soll – das ist mir ganz wichtig – umsetzbar sein.

Ich bin ein ganz überzeugter Befürworter eines vernetzten Gesundheitsdatensystems. Wichtig ist mir dabei einerseits die umfassende Datenvermittlung und andererseits eine gezielte, aber auch sichere Zugänglichkeit zu diesen Daten. In diesem Ärztegesetz ist es absolut bedenklich, daß eine Verpflichtung für den Arzt besteht, eine umfassende Datenübermittlung sowohl an die Sozialversicherungsträger als auch an die Krankenfürsorgeanstalten durchzuführen. Es wird eine verpflichtende, umfassende Datenvermittlung vom Arzt gefordert.

Sie wissen, daß Gesundheitsdaten nach einer EU-Richtlinie besonders schutzwürdig sind. In dieser neuen Dokumentationspflicht fehlen jedoch klare Aussagen, unter welchen Voraussetzungen die Übermittlung von Daten der Arztdokumentation an die Sozialversicherungsträger und an die Krankenfürsorgeanstalten wirklich zulässig sein soll. Klare Aussagen sind aber unerläßlich, denn ohne diese ist eine Übermittlung von Daten im Lichte des Grundrechts auf Datenschutz einfach nicht möglich und nicht gerechtfertigt. Gesundheitsdaten dürfen von Ärzten nur an solche Personen übermittelt werden, die der gleichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Sogar das Bundeskanzleramt, Frau Minister, sagt, daß eine Einschränkung der vorgesehenen Datenübermittlung an die Sozialversicherungsträger und an die Krankenfürsorgeanstalten unbedingt erforderlich ist.

Es gibt ein Buch, das Ihnen allen bekannt ist, nämlich das Buch "Der Datenjäger", worin sehr klar argumentiert wird, daß der Zentralrechner der Sozialversicherungsanstalten an parteinahe oder auch andere Organisationen angeschlossen ist. Ich überlasse es Ihrer Phantasie und der Phantasie der Bürgers, sich zu überlegen, was mit diesen Daten im Sinne des Großen Bruders geschehen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nun zu einem zweiten sehr wichtigen Thema: der Umsetzbarkeit eines Gesetzes. Dabei richte ich nun meine Rede ganz besonders an die anwesenden Jugendlichen. Die Frau Minister hat gesagt, man solle doch mit jemandem reden, der etwas von der Sache verstünde. Bitte, ich bin Ärztin in einer Kinderklinik, es ist mein tägliches Brot, mit Kindesmißhanldung zu tun zu haben. Es ist wirklich etwas, womit ich immer wieder konfrontiert bin. (Abg. Mag. Guggenberger: Das geht aber jeden an!)

Was bewirkt nun diese Gesetzesänderung? – Bis jetzt mußte der Arzt der Sicherheitsbehörde beziehungsweise der Staatsanwaltschaft Meldung erstatten, wenn ein Kind mißhandelt wurde. Die Staatsanwaltschaft ist in einem solchen Fall eingeschritten. Das neue Gesetz besagt, daß der Arzt dies nun dem Jugendamt melden soll. Was heißt das? – Es ist die Verlagerung von einer Behörde an eine andere. Es ist schon richtig, daß viele Ärzte Probleme mit der Anzeigepflicht hatten, aber es kann doch nicht der richtige Ansatz sein, die Staatsanwaltschaft auszuschalten und das Jugendwohlfahrtsamt als Behörde einzusetzen, anstatt die Staatsanwaltschaft so zu reformieren, daß die Anzeige einer strafrechtlichen Handlung, wie Mißhandlung ganz einfach eine ist, weiter an die Staatsanwaltschaft erfolgen kann. (Abg. Mag. Barmüller: Aber die Ärzte beurteilen nicht die Strafwürdigkeit einer Handlung! Das gilt auch für Kindesmißbrauch!) – Wir können uns nachher darüber unterhalten.

Aber das ist nur ein Teil meiner Argumentation. Ein weiteres und wichtiges Argument ist folgendes: Was würden Sie machen, wenn es durch ein neues Gesetz eine neue Behörde gäbe, an die sich nun die zuständigen Ärzte wenden sollen? Ich frage einmal diese neue Behörde, ich frage das Jugendwohlfahrtsamt, ob es diese Aufgaben überhaupt übernehmen kann. (Abg. Mag. Barmüller: Was Sie jetzt erklären, ist leider falsch! Aber wenn es falsch ist, dann erklären Sie es nicht vor den Jugendlichen! Ein bißchen Sachkundigkeit wäre angebracht!) Wissen Sie, was dieses Jugendwohlfahrtsamt zu mir gesagt hat: Nein, es geht nicht, wir sind mit dieser Aufgabenstellung absolut überfordert! (Abg. Mag. Barmüller: Das mag schon stimmen, aber inhaltlich ist das ein Blödsinn!) Wir haben nicht das Personal, nicht die erforderliche Anzahl des Personals und nicht die dafür notwendige Qualität des Personals! Wir sehen uns da ja gar nicht hinaus! (Abg. Mag. Barmüller: Das merkt man! Sie sind der schlagende Beweis dafür, daß Sie sich nicht hinaussehen!)

Aber nicht nur das Jugendwohlfahrtsamt selbst hat diese Aussage gemacht, sondern auch – ich habe mir auch noch Stellungnahmen der einzelnen Landesregierungen zu diesem Gesetzestext angeschaut – folgende Landesregierungen haben sich gegen diese neue gesetzliche Bestimmung gewandt: die Landesregierung in Salzburg, die Landesregierung in Niederösterreich und die Landesregierung in Vorarlberg – mit genau derselben Argumentation: Es ist undurchführbar. Sie haben zuwenig Personal, sie können das nicht machen.

Was ist denn wirklich der Grund? – Ich kann doch nicht bei einer Kindesmißhandlung so wie bei einer Mandeloperation so lange auf einen Termin warten, bis das Kind vom Jugendwohlfahrtsamt angeschaut wird (Abg. Steibl: Wozu sind Sie dann Ärztin? Sie sind doch Ärztin, bitte!), sondern es muß zum gegebenen Zeitpunkt zur Stelle sein, es muß rund um die Uhr zur Stelle sein und es muß über das notwendige Personal verfügen. Das ist einfach nicht gegeben. Somit wird ein Gesetz geschaffen, das nicht umsetzbar ist, meine Damen und Herren und Jugendliche, die mir zuhören. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dagegen wenden wir uns, nicht gegen eine Verschlechterung der Situation der Jungen, nicht gegen eine strafrechtliche Verfolgung von Ärzten, sondern dagegen, daß das Gesetz ganz einfach nicht umsetzbar ist. Wissen Sie, was mit diesem Gesetz passiert ist – wie mit so vielen Gesetzen hier herinnen im Parlament? Es wurde schnell gemacht, um eines medialen Effekts willen, damit Sie sagen können: Wir haben das Ärztegesetz durchgebracht! – Aber es bietet keinerlei Impulse, es ist nicht umsetzbar, und entgegen aller – entgegen wirklich aller! – ständigen Argumentationen der Regierungsparteien, etwas für unsere Kinder zu tun, wird es wieder einmal auf dem Rücken dieser unserer Kinder ausgetragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Leiner das Wort. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.20

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident der Ärztekammer! Meine Damen und Herren! Das Wesen der Demokratie ist eigentlich die Meinungsfreiheit und bei Beschlüssen das Prinzip der Mehrheit, und ich weiß nicht, warum immer von dieser Seite (in Richtung der Freiheitlichen) dieses Mehrheitsprinzip einfach angezweifelt oder verneint wird. Es ist ganz klar, daß es auch andere Meinungen gibt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Auch unter den Ärzten gibt es unterschiedliche Meinungen, selbstverständlich. Oder gibt es bei euch keine anderen Meinungen? Gibt es bei euch das Einheitsprinzip, das Führerprinzip? (Abg. Dr. Rasinger: Die werden ausgeschlossen! – Abg. Schwarzenberger: Wenn einer eine andere Meinung hat, wird er von der Partei ausgeschlossen!) – Eben.

Anläßlich dieser Gesetzesänderung und Beschlußfassung des Ärztegesetzes 1998 möchte ich doch einige Worte über die Kammer als solche verlieren, denn es wird die Kammer immer wieder in Frage gestellt. (Abg. Meisinger: Nicht die Kammer, die Zwangsmitgliedschaft!) Es wird die Pflichtmitgliedschaft immer wieder in Frage gestellt. Ich möchte doch einige Gedanken – und vielleicht hören Sie jetzt ein wenig zu, dann bekommen Sie ein bißchen Nachhilfeunterricht! – hier zur Überlegung vorbringen. Ich bringe sie nur zur Überlegung, und wenn Sie dann noch Einwände haben, dann sagen Sie es mir.

Erstens: Man hat den Eindruck, daß auch heute mitunter Demokratie nur im Antagonismus von Individualitäten und dem Staat gesehen wird. Insbesondere sogenannte freiheitliche Ideologien lassen sich oft auf den vereinbarten Nenner zurückführen: hier der Bürger und dort der Staat. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit! Die ganze Wahrheit ist – und das wissen wir –, daß es zwischen den einzelnen Bürgern als Individualitäten und der Summe der Bürger als einheitlicher Staatswille noch etwas anderes gibt und letztlich im Interesse der Freiheit der Bürger auch geben muß. Wir können einfach nicht leugnen, daß es auch legitime Teilinteressen gibt, deren Verfolgung und Integration eine Staatsaufgabe ist. Die Gesellschaft kann nicht nur vom Staat her, sie muß auch nach ihrer Interessengliederung verstanden und repräsentiert werden.

Wir wissen seit langem – die grundlegenden Forschungen eines Lorenz von Stein stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts –, daß das Interesse ein Strukturelement der Gesellschaft ist. Interessengegensätze sind der modernen Gesellschaft wesenseigen, sie zählen zu den stärksten Antriebskräften des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts – eine Einsicht, die wir sowohl von Theoretikern der Sozialdemokratie als auch von solchen der katholischen Soziallehre formuliert finden. Es gibt nicht ein Volksinteresse, sondern unterschiedliche Interessen in der Gesellschaft, auch wenn das von bestimmten Ideologien her nur sehr schwer verständlich sein mag.

Zweitens: Sie wissen, daß wir in Österreich neben den privatrechtlich organisierten Verbänden zur Interessenvertretung auch gesetzliche Interessenvertretungen kennen, die als Selbstverwaltungskörper eingerichtet sind. Das bedeutet, daß sie vom Staat durch Hoheitsakt eingerichtet sind, daß man ihnen ex lege angehört, daß ihre Organe aus der Mitte der Selbstverwaltungsangehörigen bestellt werden, daß sie im Prinzip aus Mitteln der Selbstverwaltungsangehörigen finanziert werden, daß sie eine Kompetenz zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben übertragen haben und Hoheitsgewalt besitzen, daß sie relativ unabhängig sind, weisungsfrei gegenüber dem Staat, aber an die staatliche Aufsicht gebunden.

Man muß sich der Unterschiedlichkeit gegenüber den Interessenverbänden durch private Verbände bewußt sein: Private Verbände beruhen auf der Vereinsfreiheit, Selbstverwaltungskörper beruhen auf der Organisationsgewalt des Staates. Private Verbände sind eine freie Schöpfung der Bürger, Selbstverwaltungskörper sind eine Schöpfung des Staates.

Die berufliche und wirtschaftliche Selbstverwaltung dient also einerseits der Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben und andererseits der umfassenden Interessenvertretung, dem Interessenausgleich unter Einbeziehung möglichst aller relevanten Einzelinteressen. (Abg. Gaugg: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?) Damit erfüllt sie die Aufgabe und die Realisierung des Gemeinwohls in einer pluralistisch interessenmäßig gegliederten Gesellschaft. Selbstverwaltung aber bedarf – das ist an sich eine Selbstverständlichkeit – auch der Pflichtmitgliedschaft. Die spezifischen Funktionen von Gemeinden, Kammern und anderen Selbstverwaltungseinrichtungen sind durch Verbände, die auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhen, nicht zu leisten. Auch das ist natürlich denkbar, daß man hier ... (Abg. Gaugg: Demokratie ist nicht durchführbar ...!)

Sie verstehen es noch immer nicht! Sie verstehen noch immer nicht, daß freiwillige Vereine das nicht leisten können. Das wäre unsolidarisch! Man kann darüber diskutieren, aber es wäre unsolidarisch und ist auch nicht sinnvoll. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Man müßte eine entsprechende Verfassungsänderung durchführen, möchte man das. Natürlich kann man darüber diskutieren, das ist gar keine Frage.

Drittens: Nur wenn staatliche Macht auf verschiedene Organe aufgeteilt wird – und eben auch auf die Interessenvertretungen, auf die Selbstverwaltungskörper –, kann man von Freiheit und auch entsprechender Individualität sprechen.

Viertens: All das, was ich bisher gesagt habe, beruht natürlich nur auf dem Idealtypus. Ich weiß schon, daß im System der wirtschaftlichen und beruflichen Selbstverwaltung manches korrekturbedürftig und vieles verbesserungsfähig wäre. Worum es mir hier geht, ist, einmal darauf hinzuweisen, daß diese Strukturen in unserem Staat unbedingt notwendig sind, damit mehr Freiheit vom Staat und auch eine entsprechende Gewaltentrennung vorhanden sind. Im System aber sind Verbesserungen sinnvoll und sogar notwendig. Bei diesem Gesetz wurden Verbesserungen und Korrekturen durchgeführt. Lassen Sie mich aber trotzdem beispielhaft einige mir wichtig erscheinende Aspekte nennen, um deren Verbesserung es gehen müßte.

Erstens: Die Transparenz der Willensbildung im Prozeß des Interessenausgleiches ist gewiß verbesserungsfähig.

Zweitens: Die demokratische Rückkoppelung der Organe an die Basis – Stichwort: Direktwahl der Spitzenfunktionäre, Abberufungsmöglichkeiten – könnte sicher ausgebaut werden.

Drittens: Auch vermisse ich Kontrollmöglichkeiten innerhalb der Selbstverwaltung gegenüber den Spitzenorganen, also etwa der Vollversammlung oder von ihr eingesetzten Ausschüssen gegenüber dem Vorstand oder dem Präsidium.

Ich bin aber davon überzeugt, daß diese Kammerreform bestens gelungen ist. Es wurden viele Aspekte berücksichtigt. So wurde eine klare Definition der wichtigsten Aufgaben hinsichtlich des Verbandszweckes vorgenommen, die Tätigkeiten hinsichtlich ihrer Funktionalität überprüft, nicht mehr zeitgemäße und funktionale Tätigkeitsfelder, die überholt waren, wurden abgegeben und damit überdehnte Strukturen entlastet. Ich bin überzeugt davon , daß dieses Gesetz sehr gut ist.

Abschließend möchte ich noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Dr. Ilse Mertel, Dr. Günther Leiner, Mag. Walter Guggenberger und Kollegen betreffend Überprüfung von Meldungen gemäß § 54 Ärztegesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie wird ersucht, in Gesprächen mit den Jugendwohlfahrtsträgern darauf hinzuwirken, daß zur Feststellung des Zustandekommens der von einem Arzt im Sinne des § 54 Abs. 4 Ärztegesetz angezeigten Verletzungen konkrete Überprüfungen vorgenommen werden, um den Sachverhalt zu verifizieren und um die Frage zu klären, ob im Interesse des Kindes eine Anzeige zu erstatten ist.

*****

(Beifall bei der ÖVP.)

11.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß überreicht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

11.30

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Leiner! Darf ich Sie ganz kurz stören? (Abg. Dr. Leiner spricht mit Abg. Gaugg.) Herr Kollege Dr. Leiner! Ich würde nämlich ganz gerne auf Ihre Äußerungen eingehen, die Sie zu Beginn Ihrer Rede gemacht haben. Ich gestehe Ihnen zu, daß das Mehrheitsprinzip in einer Demokratie das Sagen hat, aber ich glaube, auch Meinungsfreiheit ist gestattet. Ich glaube auch, daß Sie hier mit mir – wie in vielen Dingen – konform gehen. Das wollte ich Ihnen nur zu Beginn meiner Ausführungen sagen, denn es kam so heraus: Die Mehrheit hat es so beschlossen, und die übrigen haben das zu "essen". – Ich meine, so sollte man eine gute Rede, wie Sie sie gehalten haben, nicht beginnen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nochmals im Detail auf den Abänderungsantrag, den meine Kollegin Dr. Gredler eingebracht hat, eingehen. Wie bekannt, bekam mein Antrag, der das Werbeverbot für Ärzte und Ärztinnen zum Gegenstand hatte, im Ausschuß leider keine Mehrheit. Ebendiesen Antrag haben wir heute in unserem Paket der Änderungen wieder eingebracht, und ich möchte ihn erneut zur Debatte stellen. Wir sind nämlich der Meinung, daß Schutzbestimmungen, die eine Werbung ausschließen, veraltet sind, denn diese Schutzbestimmungen verhindern einerseits, daß Patienten über Ausbildung und Zusatzqualifikationen der Ärzte informiert werden können, die für eine bewußte Entscheidung der Patienten notwendig sind. Das heißt im Klartext: Patienten werden durch die Tatsache, daß Ärzte nicht informieren dürfen, entmündigt. Wir haben heute die Gelegenheit, auch wenn es sich um ein Ärztegesetz handelt – und ich stehe dazu, daß die Ärzte Gesetze brauchen –, daß auch die Patienten in irgendeiner Weise zur Sprache kommen und berücksichtigt werden.

Diese Schutzbestimmungen verhindern weiters, daß Ärzte – und vor allem die ohnehin durch gesetzliche Bestimmungen massiv benachteiligten Wahlärzte – auf ihre Befähigung, ihre Ausbildung, ihre Erfahrung und unter Umständen auch auf patientenfreundlichere Ordinationszeiten nicht hinweisen können. Ich erinnere mich, daß die Frau Ministerin in ihren letzten Aussagen in der Öffentlichkeit ganz klar darauf hingewiesen hat, daß sich auch die Ärzte überlegen sollten, ob sie nicht ihre Ordinationszeiten einer moderneren Zeit anpassen sollten.

Was für mich auch nicht einsehbar ist, ist die Tatsache, daß die sogenannten Gesundheitsberater wie Veranstalter diverser Seminare, Parapsychologen und so weiter ohne weiteres für ihre Serviceleistungen werben dürfen. Das heißt, Nichtärzte in medizinischen Berufen unterliegen keinem Werbeverbot, Psychologen und Psychotherapeuten – ebenfalls äußerst sensible Bereiche – dürfen selbstverständlich weder unsachlich noch unwahr werben, und der Passus "das Standesansehen beeinträchtigend" ist im jeweiligen Gesetzestext wie bei den Ärzten nicht vorgesehen. Meine Schlußfolgerung daraus ist, daß das Argument der sensiblen Berufsgruppe, im Zusammenhang mit dem Werbeverbot für Ärzte gerne vorgebracht, nicht haltbar ist.

Ebenso ist es ein Faktum, daß ein kürzlich ergangenes OGH-Erkenntnis unsere Forderung unterstützt, das in eine Änderung der bestehenden Gesetzeslage münden sollte. Wenn nämlich ein Fall bis zum Obersten Gerichtshof ausgefochten wird und dieser zu dem Erkenntnis gelangt, daß – Zitat – "Hinweise auf Behandlungsmethoden genauso wie medizinische Ratschläge unbedenklich sind" – Zitatende –, aber auch die Nennung des Namens der Ärzte und deren Abbildung wie auch die Anführung der Öffnungszeiten unbedenklich sind, dann bin ich weiterhin der Auffassung, daß der Gesetzgeber dieser Entwicklung und dem Informationsbedürfnis der Patienten Rechnung zu tragen hätte.

Meine Damen und Herren! Heute wird ein neues Ärztegesetz beschlossen, das von vielen Vorrednern der Koalitionsregierung als modernes und gutes Gesetz beschrieben wird. Wenn Sie dies wirklich ernst meinen, dann ändern Sie heute noch im § 53 die Ziffern 3 und 11 und stimmen Sie unserer Änderung des Werbeverbots für Ärzte zu! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine weitere Abänderung im § 56 Abs. 1 Z 1 halten wir für sinnvoll. Wir haben erst kürzlich hier im Hohen Haus – ich glaube, es ist Ihnen allen noch in Erinnerung – in unserer Bundesverfassung eine wesentliche und sinnvolle Ergänzung im Artikel 7 vorgenommen. Ich zitiere:

"Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie den Passus "in allen Bereichen des täglichen Lebens" ernst nehmen, dann frage ich Sie, warum das im vorliegenden Ärztegesetz nicht umgesetzt wird. Es fehlt nämlich im § 56 Abs. 1 die Verpflichtung, die Ordination so zu gestalten, daß sie für behinderte Personen zugänglich ist, soferne dies ohne große Schwierigkeiten und verhältnismäßig hohe Kosten möglich ist.

Eine weitere Änderung in diesem so großen, guten Gesetz sei mir auch noch anzuregen erlaubt. Warum wird nur vom Ärztegesetz geredet? – Ich bin der Meinung, daß im Sinne der legistischen Richtlinien des Bundeskanzleramtes Formulierungen so gewählt sein sollten, daß sie Frauen und Männer gleichermaßen betreffen, was im § 201 des vorliegenden Gesetzentwurfes nicht verwirklicht wurde. Wir fordern daher eine Titeländerung, wie sie aus den Abänderungen im Antrag der Liberalen ersichtlich ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Abschließend möchte ich noch festhalten, daß ich die Entscheidung, daß nicht die sofortige Anzeigepflicht für Ärztinnen und Ärzte besteht, begrüße. Wir wissen, daß die bisherigen Anzeigen an die Strafverfolgungsbehörde oft ein folgenschwerer Schritt waren, vor dem die Ärzte oftmals zurückschreckten. Wir wissen aber auch, daß Eltern, weil sie eine Anzeige fürchteten, schwer mißhandelte Kinder oft nicht zum Arzt oder in das Spital brachten. Davon ausgeschlossen – und das möchte ich ganz klar betonen – sei der sexuelle Mißbrauch, bei dem es ohnehin zur Anzeige kommen muß. Frau Kollegin Povysil – sie ist jetzt nicht da –, ich kann Sie nicht verstehen, denn daß in diesem Fall zuerst die Jugendwohlfahrt informiert werden kann, halte ich für durchaus sinnvoll. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Maier.)

Mit der Melde- statt der Anzeigepflicht werden wir in Zukunft, so glaube ich, den Horror Kindesmißhandlung mehr als bisher verfolgen können. Ich glaube auch, daß die Lawine der behördlichen Tätigkeiten, von der mißhandelte Kinder bisher überrollt wurden, dadurch hintangehalten werden kann. Und ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, daß wir damit die Krisen, die in den Familien durch die Mißhandlung gegeben sind, in Zukunft besser bewältigen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.39

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich vorerst ganz kurz auf die Argumente der Opposition eingehe. Zur Kollegin Motter: Man kann zum Werbeverbot stehen, wie man will, man kann dafür oder dagegen sein. Ich persönlich halte die Zeit noch nicht für reif, dieses Werbeverbot, wie es derzeit normiert ist, aufzugeben. Ich sehe als Konsumentenschützer Probleme bei den Patienten und bei den Verbrauchern.

Ganz kurz vielleicht auch noch zu den Kolleginnen und Kollegen der FPÖ: Es ist schon klar, und es stellt sich immer deutlicher heraus, daß die Freiheitliche Partei keiner Vorlage mehr zustimmen wird. Daher hat es mich gar nicht gewundert, daß Kollege Pumberger erklärt hat, es gebe dafür keine Zustimmung. Es hat mich auch nicht verwundert, daß er die Pflichtmitgliedschaft angegriffen und von der Aufblähung der Kammern gesprochen hat.

Kollege Pumberger! Eines sei hier mit aller Deutlichkeit vermerkt: Wir bekennen uns zur Pflichtmitgliedschaft, und ich kann von unserer Warte aus, der Warte eines Arbeiterkämmerers, sagen: Wir werden anerkannt! Das ist eine bewiesene Tatsache, denn über 80 Prozent der Pflichtmitglieder bekennen sich in Österreich zur Mitgliedschaft in den Arbeiterkammern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: ... Zwang!)

Nun auch ein paar Worte an die Adresse der Kollegin Povysil – sie ist im Moment leider nicht hier –, die unter anderem auch das Datenschutzproblem angesprochen hat. Die alte Regelung war mißinterpretierbar, und daher ist der Datenschutzrat an das Ministerium herangetreten und hat ersucht, da für eine Neuregelung zu sorgen.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch folgendes klar und deutlich sagen: Wir, die sozialdemokratische Fraktion, sind im Gegensatz zu den Freiheitlichen nicht dafür, daß medizinische Daten auf einer Chip-Card aufscheinen. Wir sehen da die Gefahr gegeben, daß es dadurch zu einem sogenannten gläsernen Patienten kommen könnte. Daher gibt es dazu eine sehr klare datenschutzrechtliche Regelung auf Empfehlung des Datenschutzrates.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Durch dieses Gesetz wird neues Standesrecht geschaffen, werden die standesrechtlichen Bestimmungen neu strukturiert, und dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Es gibt natürlich, je nach dem, von welcher Seite man es sieht, Grund zur Kritik. Sicherlich hätte man sich einige Dinge auch anders geregelt vorstellen können. Gestatten Sie, daß ich dafür einige Beispiele anführe.

So wundert es mich, daß der Kammeramtsdirektor einen weiteren Beruf ausüben darf. Des wieteren vermisse ich eine Pflichtversicherung für niedergelassene Ärzte, die beispielsweise auch ärztliche Zeugnisse ausstellen. Gerade gestern haben wir hier in diesem Hohen Haus das Sachverständigengesetz beschlossen, das eine Pflichtversicherung für Sachverständige vorsieht. Eine Pflichtversicherung ist insbesondere bei der freiberuflichen Tätigkeit vorgesehen. Sie findet sich im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz genauso wie im Rechtsanwaltsberufsrechtsänderungsgesetz. Daher glaube ich, daß diese Frage gerade von den Standesvertretern aktiv diskutiert werden sollte.

Ich sehe aber auch in diesem Gesetz Aufgaben für die Standesvertretung, und zwar darin, in mehreren Bereichen für eine Klarstellung zu sorgen.

Ich darf Sie daran erinnern, daß es Ausbildungskommissionen für die Ausbildung von Ärzten gibt. Mir gegenüber sagten junge Ärzte, daß zum Beispiel die theoretische Ausbildung in den Krankenanstalten überhaupt nicht funktioniert. Ich erwarte mir von der Ärztekammer, daß gerade in diesem Bereich entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Ein besonderes Problem sehe ich als Konsumentenschützer in dem großen Markt der Komplementärmedizin. Es ist in Österreich ein Markt für Nichtmedizin vorhanden, und erlauben Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang kurz auf einige Probleme eingehe.

Es gibt beispielsweise Einschaltungen in den Medien, in denen ein Facharzt mit einer diplomierten Kosmetikerin wirbt. Jeder Konsument nimmt nun an, daß diese Tätigkeit vom Facharzt vorgenommen wird. Aber man wird eines Besseren belehrt: Diese ärztliche Tätigkeit wird nicht von einem Facharzt, sondern von einer Kosmetikerin vorgenommen. Dazu vermisse ich eine klare Position der Ärztekammer.

Ich lese Ihnen nun den Brief einer betroffenen Konsumentin vor. Zitat: Ich bin von der Frau x dreimal nach der gleichen Methode behandelt worden, wobei sie mich jedesmal zigmal mit einer Nadel gestochen hat, die Einstichstellen zu bluten begannen und die Blutkrusten jedesmal zirka zehn Tage benötigt hatten, um abzuheilen. Außerdem wurde ich weder vor der Behandlung noch nach der Behandlung desinfiziert. – Zitatende.

Es ging bei dieser Behandlung um die Verödung von Besenreisern. Das ist eindeutig eine ärztliche Tätigkeit. Nun frage ich mich, warum es dazu von der Ärztekammer keine Klarstellung gibt.

Ein weiteres Beispiel: Problembereich Komplementärmedizin, wo Leistungen angeboten werden, die teilweise jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Ich meine da beispielsweise die Bioresonanzmethode oder den Verkauf von Edelsteinketten durch Ärzte zu einem Preis von 10 000 bis 15 000 S. Auch dazu erwarte ich mir eine Klarstellung von seiten der Ärztekammer!

Ich darf in diesem Zusammenhang noch auf einen Punkt hinweisen: Es wurden Vorbehaltsrechte für medizinische Tätigkeiten im § 1 Abs. 4 Ärztegesetz klar normiert, aber dennoch werden solche medizinischen Tätigkeiten auch von Nichtmedizinern ausgeübt. Ich verweise da zum Beispiel nur auf das Piercing. Auch dazu gibt es keine klare Haltung von seiten der Ärztekammer!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Dieses Gesetz schafft modernes Standesrecht, allerdings glauben wir, daß die Diskussion auch zu den von mir angerissenen Problemfällen weitergehen muß.

Abschließend darf ich Sie, meine Damen und Herren, einladen, dieser Regierungsvorlage zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Pumberger! Sie haben sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, und stellen Sie diesem dann Ihre Version gegenüber! – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.45

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Ich mußte mich leider schon wieder zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort melden. – Es hat Herr Kollege Maier gerade behauptet, daß die Freiheitlichen für die Eintragung medizinischer Daten auf der Chip-Card eintreten. – Das ist unrichtig! (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller.)

Ich stelle tatsächlich richtig, Herr Kollege Barmüller, daß sich die Freiheitlichen immer mit aller Vehemenz für den Datenschutz eingesetzt (Zwischenrufe bei der SPÖ) und niemals gefordert haben, medizinische Daten in die bevorstehende Chip-Card aufzunehmen. Vielmehr haben die Freiheitlichen gefordert, erstens die Chip-Card rein als Identitätsnachweis zu verwenden, und zwar als Nachweis dafür, ob ein Patient eine Krankenversicherung hat, weil ja 99,9 Prozent der Bevölkerung ohnehin versichert sind (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), und zweitens Abrechnungsmöglichkeiten mit der Sozialversicherung in die Chip-Card aufzunehmen, aber niemals medizinische Daten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.47

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer die bisherige Diskussion aufmerksam verfolgt hat, konnte unschwer erkennen, daß dabei nicht nur notwendige Novellierungen und Anpassungen bei der Ausbildung und bei der Ausübung des ärztlichen Berufes im Vordergrund stehen. Dieses Gesetz wurde auch als Spielwiese standespolitischer, aber auch allgemeinpolitischer und ideologischer Interessen verwendet. Das wird besonders deutlich im mehrfach erwähnten § 54, in dem es um die Verschwiegenheitsanzeige und Meldepflicht geht. Durch den Wegfall der Anzeigepflicht werden in Zukunft Kindesmißhandlung und Kindesmißbrauch vielfach ungeahndet bleiben.

Herr Kollege Leiner! Daran ändert auch der sehr "weiche" Abänderungsantrag, den du hier eingebracht hast, nichts, denn der Arzt kommt in ein Spannungsfeld zwischen Verschwiegenheitspflicht einerseits und der Meldung andererseits (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner), und selbst dann, wenn er Meldung erstattet, Herr Kollege Leiner, und auch auf die Gefahr hin, daß er deshalb dann womöglich gerichtlich oder rechtlich belangt wird und sich rechtfertigen muß, ist meist das zuständige Jugendwohlfahrtsamt personell und auch fachlich überlastet. (Abg. Dr. Leiner: Er muß das selber machen!) Ich habe in den Bezirkshauptmannschaften nachgefragt und die Auskunft erhalten, daß dafür meistens nur eine einzige Person zuständig ist, und man hat mir mitgeteilt, daß diese bereits jetzt überlastet ist.

Frau Bundesministerin! Das ist die Realität!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Folge davon wird sein, daß vielfach Anzeigen unterbleiben und Kindesmißhandlung sowie Kindesmißbrauch ungeahndet bleiben werden.

Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht die Haltung der ÖVP: Die Frau Generalsekretärin meldete sich vor wenigen Tagen zu Wort und forderte erhöhte Strafen bei Kindesmißbrauch, während die ÖVP hier im Parlament dem Wegfall der Anzeigepflicht zustimmt. Auf Grund dessen werden Mißhandlungen in Zukunft vielfach unentdeckt und ungeahndet bleiben. (Abg. Dr. Leiner: Das glaube ich nicht!)

Herr Kollege Leiner! Ich möchte das hier an einem Beispiel darlegen: Es ist derzeit so, daß dann, wenn ein kleiner Hund einen großen Mann in die Wade zwickt, Anzeigepflicht besteht, aber dann, wenn dieser große Mann ein Kind mißhandelt, keine Anzeigepflicht besteht. Dafür geben Sie sich her! Sie sollten sich schämen, Herr Kollege Leiner! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Sie wissen, daß das nicht stimmt!)

Das stimmt ganz genau, das ist korrekt! Widersprüchlichkeiten zwischen dem Reden und dem Handeln werden immer mehr zum Markenzeichen der ÖVP. Das ist im Bereich des Tierschutzes ebenso der Fall. Ich möchte auch dafür ein Beispiel nennen.

Es hat vor wenigen Tagen wieder die Frau Generalsekretärin in einer Presseaussendung erklärt, die Vorwürfe der Freiheitlichen, die ÖVP stehe einer bundesweit einheitlichen Regelung im Bereich des Tierschutzes im Wege, gingen ins Leere. Die Landeshauptleute, sagte sie weiters, hätten eine beschlußfertige bundesweit einheitliche Regelung beim Tierschutz vorbereitet.

Dieselbe ÖVP verhindert seit fast drei Jahren ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz und verhindert jetzt sogar Termine im Unterausschuß. (Widerspruch bei der ÖVP.) Termine im Unterausschuß werden blockiert, werden vertagt. Da gibt es schon wieder eine Diskrepanz zwischen dem Reden und dem Handeln bei der ÖVP.

Ich will auf das Verhalten der ÖVP in der Frage der Getränkesteuer gar nicht näher eingehen, sondern nur so viel sagen: Draußen sammelt sie Unterschriften zur Abschaffung der Getränkesteuer und hier im Parlament stimmt sie gegen deren Abschaffung. So sieht die Haltung der ÖVP aus! Sie fällt selbst im Liegen noch um. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rauch-Kallat: Sie begreifen es leider nicht! Das ist Ihr Problem!)

Auch Ihre ablehnende Haltung zur Abtreibungspille, meine Damen und Herren von der ÖVP, gehört einmal genau untersucht. Ich will da auf Details gar nicht eingehen. Fest steht auf jeden Fall, daß Sie die Novellierung beziehungsweise die EU-Anpassung des Arzneimittelgesetzes mitbeschlossen haben, obwohl Sie genau wußten, daß diese Pille dann, wenn sie in einem anderen EU-Land – durch Ihre Zustimmung ist es nun möglich – zugelassen wird, auch in Österreich zuzulassen ist. Diese Haltung ist Heuchelei in Reinkultur, Frau Generalsekretärin! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rauch-Kallat: Vorausgesetzt, daß die Firmen einen Antrag stellen!)

Ich möchte nur noch einige wenige Bemerkungen machen, da meine Redezeit fast erschränkt ist, erschöpft ist. (Abg. Schwarzenberger: Beschränkt!) Ich weiß, "erschränkt" habe ich gesagt, "erschöpft" wollte ich sagen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, ja, ich weiß, das würde Ihnen so passen! Sie sind halt immer dann wehleidig, wenn diese Diskrepanz zwischen Tun und Handeln aufgezeigt wird. (Abg. Rauch-Kallat: Aber nein!)

Gestatten Sie mir noch einige Worte zur sogenannten Kammerreform. Auch da haben sich die Kämmerer durchgesetzt. Es wird das Zwangskammernsystem beibehalten, und unter dem Druck der Ärzteschaft kam es zu einigen geringfügigen Novellierungen, die nichts zum Besseren wenden, sondern durch welche die Zahl der Funktionäre erhöht, ja fast verdreifacht wird.

Ich kann mich noch daran erinnern, daß im Jahre 1994 vor der Nationalratswahl Jörg Haider das Bestehen von Privilegien in den Kammern aufgezeigt hat. Damals rangierte der Ärztekammerpräsident Neumann mit 181 000 S monatlicher Kammergage und einer Zusatzgage von 151 000 S hinter Herrn Zacharias auf dem zweiten Platz. Es wurde auch erklärt, wie sich das alles zusammensetzt. Dann hat es geheißen – ich zitiere –: Bereits ein Fünftel aller Einnahmen – weist eine interne Wiener Kammerbilanz auf – wird für die Finanzierung der Funktionäre verbraucht. Immer mehr verärgerte Äskulapjünger verweigern inzwischen einfach die Zahlung der Kammerumlage. Viele verweisen zornig auf andere Standesvertretungen. – Zum Beispiel wird da angeführt, daß sie bei Architekten oder Rechtsanwälten und auch bei Tierärzten ehrenamtlich erfolgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum ist es gegangen, und dieses marode System verteidigen Sie hier, das wollen Sie in Zukunft beibehalten – auf Kosten der vielen zwangsverpflichteten Ärzte, die in Hinkunft noch höhere Kammerumlagen werden bezahlen müssen. Wir werden daher dieser Regierungsvorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.54

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede zu den Ausführungen des Kollegen Pumberger kurz Stellung nehmen, im speziellen zu seiner nicht sehr qualifizierten Äußerung in bezug auf das Thema Flüchtlinge und die Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit.

Herr Dr. Pumberger ging hier heraus und behauptete dreist – sagen wir es einmal so –, die Flüchtlinge würden sozusagen Österreich überschwemmen und könnten mehr oder weniger ohne Nachweis einer Ausbildung die ärztliche Tätigkeit aufnehmen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger.)

Herr Dr. Pumberger! Natürlich weiß ich, wovon ich spreche. Ganz sicher ist es nicht so, weil es ja bereits im jetzigen Ärztegesetz geltendes Recht ist. Außerdem stimmt es keinesfalls, daß ein Flüchtling in Österreich mehr oder weniger ohne Nachweis eine ärztliche Tätigkeit aufnehmen kann. Es heißt im Gesetz folgendermaßen: Er muß zumindest den Nachweis einer im Ausland absolvierten ärztlichen Aus- und Weiterbildung glaubhaft machen. (Abg. Dr. Pumberger: Glaubhaft machen!) Ich glaube, das sagt eigentlich alles, und da das ja nicht beim Salzamt und auch nicht bei Ihnen ausgestellt wird, nehme ich an, daß das auch mit der nötigen Sorgfalt geschehen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wozu das Ganze, als ob wir nicht selbst genügend ausgebildete Ärzte hätten?!)

Schauen Sie, Frau Abgeordnete, wir wollen ja die Flüchtlinge gemäß dem Asylrecht behandeln und ihnen zumindest diese Tätigkeit nicht verwehren. Ich kenne ja Ihre Einstellung dazu, Frau Dr. Partik-Pablé, aber wie auch immer, ich werde Sie in dieser Angelegenheit sicher nicht bekehren können. Deswegen werde ich mich auf diesem Gebiet auch nicht weiter auslassen.

Geschätzte Damen und Herren! In der hier vorliegenden Novelle zum Ärztegesetz, die wir heute beschließen werden, sind vier Punkte von besonderer Bedeutung. Sie sind heute schon ausgiebig diskutiert worden, sodaß ich mich nur auf das Wesentliche beschränken werde.

Erstens: Die umfassende Neustrukturierung der Kammerorganisation wird besser als die bisherigen Kammerstrukturen den Bedürfnissen der angestellten und niedergelassenen Ärzte und der Zahnärzte gerecht. Die vorliegende Novelle beziehungsweise der vorliegende Gesetzentwurf schafft durch die Einführung von Kurien die Voraussetzungen für die angestellten Ärzte, die niedergelassenen Ärzte und die Zahnärzte, denen weitreichende Aufgaben bei der Wahrnehmung der Interessen der jeweiligen Berufsgruppe in Hinkunft zukommen werden.

Zweitens: Durch das Universitätsstudiengesetz 1997 wurde in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben die Studienrichtung Zahnmedizin eingeführt. Anliegen dieser Novelle ist es, die berufsrechtlichen Grundlagen zur Berufsausübung zu schaffen.

Drittens: Weiters greift das Gesetzesvorhaben einen Änderungsbedarf im Bereich des ärztlichen Berufsrechtes auf. Hervorzuheben ist dabei die Neugestaltung der ärztlichen Verschwiegenheits- und Anzeigepflicht.

Viertens: Es werden im Bereich des ärztlichen Disziplinarverfahrenrechts bestehende Unzulänglichkeiten durch die Schaffung spezifischer Verfahrensregeln beseitigt.

Details anzuführen möchte ich mir sparen, denn das hat meine Kollegin Pittermann schon ausreichend und kompetent getan.

Lassen Sie mich abschließend noch zu einer Ausschußfeststellung, die der Gesundheitsausschuß gefaßt hat, kurz ein paar Worte sagen. Sie betrifft den Wegfall des bisherigen § 105 Absatz 1 Ärztegesetz. Da heißt es: Aus kompetenzrechtlichen Gründen stellt der Gesundheitsausschuß ausdrücklich fest, daß davon ausgegangen wird, daß bei der Beschäftigung von Turnusärzten jedenfalls ein angemessenes Entgelt zu bezahlen ist. – Ich hoffe, daß diese Kunde auch bis zu den Ländern durchdringt.

Ich habe hier einen Vorschlag aus Vorarlberg, der sich in etwa so anhört: Den Turnusärzten ist nach freier Vereinbarung ein angemessenes Entgelt zu reichen. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so gebührt im ersten Dienstjahr ein Monatsentgelt in der Höhe von 90 vom Hundert, im zweiten und dritten Dienstjahr ein Monatsentgelt in der Höhe von 100 Prozent des Monatsgehaltes eines Gemeindeangestellten des höheren Dienstes samt Teuerungszuschlägen und so weiter. – Ich glaube, mit dieser Regelung wäre gewährleistet, daß das Wort "angemessen" auch mit Zahlen geschmückt ist. In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.59

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf für meine Fraktion folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Dr. Kurzmann zur Regierungsvorlage betreffend das Ärztegesetz 1998

Der Nationalrat wolle beschließen:

Im dritten Abschnitt des ersten Hauptstückes wird § 54 Abs. 5 geändert und lautet:

"(5) Jeder Arzt ist verpflichtet, wenn er in Ausübung seines Berufes Anzeichen dafür feststellt, daß durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder die schwere Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt worden ist oder daß durch Mißhandlung, Quälen, Vernachlässigen oder sexuellen Mißbrauch ein Unmündiger, Jugendlicher oder Wehrloser am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt worden ist, unverzüglich der Sicherheitsbehörde die Anzeige dafür zu erstatten.

Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn der Tod oder die schwere Körperverletzung im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit eines anderen Arztes herbeigeführt worden ist."

*****

Ich brauche das nicht mehr lange zu erläutern, denn Kollegin Povysil und Kollege Pumberger haben es bereits ausgeführt. Die Regierungsvorlage sieht vor, daß sogar bei schwerer Körperverletzung eine Anzeigepflicht entfallen kann, nämlich dann, wenn dadurch eine therapeutische Tätigkeit beim Täter oder beim Opfer – das ist in der Regierungsvorlage nicht ganz klar erkennbar – beeinträchtigt werden könnte.

Unser Abänderungsantrag geht auf die bisherige Formulierung des § 27 Ärztegesetz 1984 zurück, und zwar mit der Ergänzung um die Anzeigepflicht bei sexuellem Kindesmißbrauch beziehungsweise Mißbrauch von Unmündigen und Wehrlosen. Die in der Regierungsvorlage neu eingeführte Anzeigepflicht bei schwerer Körperverletzung infolge ärztlicher Kunstfehler bleibt erhalten und wird logischerweise auf den Tod des Patienten ausgeweitet.

Frau Bundesminister! Im Gesundheitsausschuß haben wir uns Ihre Argumente und vor allem auch jene Ihrer Mitarbeiter sehr genau angehört. Für uns Freiheitliche war es aber eine Frage der Güterabwägung. Was ist wichtiger: der Schutz der Kinder und der Jugendlichen, der unserer Meinung nach nur durch die Anzeigepflicht gewährleistet werden kann, oder eine weitere Liberalisierung des Ärztegesetzes? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das höherwertige Gut ist für uns in jedem Fall der Schutz der Kinder und der Jugendlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann soeben vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit zur Verhandlung.

Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Steibl. Frau Abgeordnete. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.02

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Und viele Frauen aus meinem Wahlkreis begrüße ich auf der Galerie! (Zwischenrufe bei der SPÖ, bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.) Ich nehme mir das heraus, nachdem Frau Kollegin Povysil hier vor kurzem eine Gruppe von Jugendlichen begrüßt hat.

Vorweg möchte ich feststellen, daß auch für die ÖVP an erster Stelle der Opferschutz und der Schutz wehrloser Kinder steht und wir in dieser Richtung schon sehr viel getan haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Feststellen möchte ich auch, daß Kollegin Povysil, Herr Salzl und Herr Kurzmann anscheinend die Vorlage nicht genau gelesen haben. Es steht sehr wohl drinnen – wenn es um den Punkt geht: Anzeigepflicht der Ärzte abschaffen: ja oder nein? –, daß die Ärzte verpflichtet sind, Körperverletzung an die Jugendwohlfahrt zu melden. Wir haben das im Jahre 1994 für die Jugendwohlfahrt novelliert.

Ich möchte Ihnen eingangs auch erklären, warum wir das getan haben und warum auch die Volkspartei in dieser Richtung mitgeht. Wenn ein Minderjähriger mißhandelt oder sexuell mißbraucht wird, so muß der Arzt das sehr wohl der Behörde melden. Das ist nämlich auch unter dem therapeutischen Gesichtspunkt zu sehen. Therapeutische Tätigkeit einzuschränken, wäre gerade in Zeiten wie diesen nicht klug. Es würde eher zu einer Beeinträchtigung führen und die gewünschte Wirkung nicht erzielen.

Weiters soll mit dieser Novellierung auch vorgesehen werden, daß einmalige Gewalthandlungen nicht sofort strafrechtlich verfolgt werden, um zusammen mit dem Kind und mit dem betroffenen Umfeld Lösungen zu erzielen. Eine sofortige Meldung wäre kontraproduktiv.

Vor allem bei Gewaltdelikten an Kindern und Jugendlichen hat sich – wie ich schon erwähnt habe – die Anzeigepflicht nicht immer als produktiv und schon gar nicht als hilfreich erwiesen. Es gibt Fälle, in denen Kinder mißhandelt wurden und die Eltern aus Angst vor einer Anzeige oft den Arzt gewechselt haben. Die verschiedenen Unfälle wurden so verschiedenen Ärzten bekannt, und die Gewalttat wurde dadurch vertuscht. Die geplante Änderung im Ärztegesetz sieht nun vor, daß es nicht mehr automatisch zu einer Anzeige kommt, sondern eine automatische Verpflichtung gegenüber der Jugendwohlfahrt besteht.

Ich denke, daß der Entschließungsantrag von Maria Rauch-Kallat eine Ergänzung dazu ist. In diesem Antrag wird festgehalten, daß in dieser Richtung noch mehr getan werden muß. Die Jugendwohlfahrtsbehörde kann dann entscheiden, ob eine Anzeige erfolgen soll oder nicht. Die Erfahrungen der letzten vier Jahre haben gezeigt, daß das ein positiver und auch ein therapeutisch besserer Weg für diese Krisenfälle war.

Man muß meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang aber auch ansprechen, daß sich nicht nur der Arzt der betroffenen Person an den Jugendwohlfahrtsbereich wenden muß, sondern daß auch wir vermehrt Augenmerk auf den Opferschutz legen müssen. Opferschutzeinrichtungen sind dazu da, daß sie in weiterer Folge – nach der Jugendwohlfahrt und in Zusammenarbeit mit dieser Einrichtung – ihre therapeutische Arbeit aufnehmen. Die Opferschutzeinrichtungen sind Einrichtungen, die auf der Basis des Sicherheitspolizeigesetzes vom Gewaltpräventionsbeirat im Innenministerium anerkannt wurden. Ob das Gewaltopfer diese Information annimmt und in der Folge die fachliche Hilfestellung in Anspruch nimmt, ist aber eine andere Frage.

Ich möchte an dieser Stelle auch aufzeigen, daß es in diesem Bereich noch große Defizite gibt. Meiner Ansicht nach bestehen zum einen noch zuwenig Opferschutzeinrichtungen, und zum anderen sind die existierenden Einrichtungen dieser Art nicht mit der speziellen Thematik von Gewalt an Kindern und Jugendlichen vertraut. So gibt es österreichweit nur sechs – Sie hören richtig: sechs Stück an der Zahl – anerkannte Opferschutzeinrichtungen. Drei davon befinden sich in Wien, jeweils eine in Graz, Linz und Innsbruck. In den übrigen Bundesländern existieren keine solchen anerkannten Einrichtungen. Ich denke, daß der Innenminister daher aufgerufen ist, zum Wohle der betroffenen Personen – speziell zum Wohle der Kinder – den Ausbau der Opferschutzeinrichtungen zu forcieren. (Beifall bei der ÖVP.) Das heißt, es müssen mehr Einrichtungen, die bisher schon mit Gewaltopfern gearbeitet haben, wie zum Beispiel Kinderschutzzentren, die exzellente Arbeit leisten, oder auch private psychologische und psychotherapeutische Institute als Opferschutzeinrichtungen anerkannt werden, und zwar österreichweit.

Ich möchte darauf hinweisen, daß die Novellierung des Ärztegesetzes auch einen Anlaß bieten kann, wiederum – und wir haben es schon sehr oft getan – über dieses Thema nachzudenken: das Thema Gewalt in der Familie, Gewalt an jungen Menschen. Das Ärztegesetz kann mit seiner Neuerung bezüglich der Melde- und Anzeigepflicht hoffentlich auch einen weiteren Schritt in Richtung Priorität für den Opferschutz setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Mittelpunkt aller Überlegungen muß das Wohl des Opfers stehen! – Wir stimmen dem Gesetz mit unserem ergänzenden Entschließungsantrag zu. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Salzl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen, und stellen Sie diesem aber nur Ihre Version der Berichtigung gegenüber. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Vorrednerin, Frau Abgeordnete Steibl, hat behauptet, daß, falls eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft nicht erfolgt oder nicht gemacht wird, auf alle Fälle eine Pflicht zur Anzeige bei der Jugendwohlfahrt besteht. – Das ist unrichtig!

Ich berichtige tatsächlich und zitiere hierzu den Text:

"Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, daß 1. durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt oder 2. ein Minderjähriger oder sonst eine Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, mißhandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell mißbraucht worden ist, so ist er ermächtigt, hierüber persönlich Betroffenen oder Behörden oder öffentlichen Dienststellen Mitteilung zu machen, sofern das Interesse an dieser Meldung das Geheimhaltungsinteresse überwiegt."

Das heißt, er ist dazu ermächtigt, aber er muß es nicht tun. (Abg. Dr. Mertel: Ist das eine tatsächliche Berichtigung?)

Weiters wird ausgeführt, daß der Arzt im Fall eines persönlichen Vertrauensverhältnisses "die betroffene Person über bestehende anerkannte Opferschutzeinrichtungen zu informieren" hat.

Dann heißt es unter 6: "In den Fällen des Abs. 4 Z 2 hat der Arzt, sofern dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Wohls der betroffenen Person erforderlich ist, Meldung zu erstatten".

Das heißt, er hat nur dann Meldung zu erstatten – auch dem Jugendwohlfahrtsamt oder den Wohlfahrtsträgern –, wenn dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Wohls der betroffenen Person erforderlich ist (Abg. Dr. Mertel: "Typische" tatsächliche Berichtigung!), und nicht generell in jedem Fall, wie hier behauptet wurde. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.11

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich nur mit diesem Punkt im Ärztegesetz beschäftigen, nämlich mit der Neuregelung der ärztlichen Verschwiegenheits- und Anzeigepflicht. Diese Neuregelung trägt einerseits der aktuellen, auf medizinischer wie auf juristischer Ebene geführten Diskussion Rechnung, wonach bei Verdacht der Mißhandlung dem Wohl betroffener Kinder und Jugendlicher durch Verständigung des zuständigen Wohlfahrtsträgers oftmals besser gedient ist als durch Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden.

Was hat denn das bedeutet? – Ein Abschieben der Verantwortung und oft eine Beschwichtigung des eigenen schlechten Gewissens, zumal die Jugendwohlfahrtsträger anschließend Anzeige erstatten können, sofern eine solche Anzeige nicht den erforderlichen therapeutischen und psychosozialen Maßnahmen zuwiderläuft. Meine Damen und Herren! Dadurch erwarten wir uns ein wirksameres Vorgehen gegen jede Form von Gewalt in der Familie.

Zu dem Vorwurf der "F", wir würden wieder einmal die Täter schützen: Die Erfahrungen zeigen etwas ganz anderes. Im Gegenteil, das Netz wird dichter geknüpft! Es ist ja bekannt, daß 1993 der § 84 der Strafprozeßordnung neu geregelt wurde. Meine Damen und Herren, ich darf das in Erinnerung rufen: Amtliche Tätigkeiten, die auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis beruhen – das betrifft Jugendämter, Sozial-, Familien-, Suchtgiftberatungsstellen, Bewährungshilfe, Lehrtätigkeit –, entbinden den Sachbearbeiter und seinen Vorgesetzten von der Anzeigepflicht. Damit soll auch dem Opferschutz – etwa dem Schutz eines sexuell mißbrauchten Kindes – gedient werden. Davon unberührt bleibt das diesem Personenbereich ebenso wie jedermann zustehende Anzeigerecht. Den betreffenden Organen obliegt damit die schwierige Abwägung zwischen den Interessen ihrer Klienten einerseits, dem allgemeinen Bedürfnis nach rechtlicher Sanktionierung verbotenen Tuns andererseits.

Meine Damen und Herren! Man hat hier jedenfalls erkannt, daß jede effektive Beratungs- und Betreuungstätigkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, und dieses Vertrauensverhältnis hat man quasi geschützt. Es ging und geht dabei um wichtige Einrichtungen des psychosozialen Feldes. Nicht zuletzt hat das Bundesministerium für Justiz in seiner Stellungnahme – und diese ist auf fünf Jahre Erfahrung gegründet – ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß Interventionen und auch Anzeigen mehr an fachlich-therapeutischen denn an juristischen Kriterien zu messen sind. Man hat also fünfjährige Erfahrung zum Anlaß genommen, um im Ärztegesetz notwendigerweise entsprechend zu reagieren. Sie von den Freiheitlichen wollen das nicht wahrhaben und werfen uns immer wieder vor, die Täter statt die Opfer zu schützen. (Abg. Meisinger: Zu Recht!)

Sie behaupten auch immer wieder, und Sie tun den Jugendlichen gegenüber immer wieder so – das war heute ja besonders "seriös" –, als ob die Ärzte nicht mehr anzeigen dürften. Ich weiß schon, daß niemand froh ist, wenn er eine derartige Verantwortung übernehmen muß, aber wir haben nun einmal die Pflicht, Kindern und Jugendlichen sowie Personen, die nicht selbst für ihre Rechte eintreten können, den bestmöglichen Schutz angedeihen zu lassen. Nur "Haltet den Dieb!" zu brüllen, wird zuwenig sein. Die Täter sind einer gerechten Strafe zuzuführen, aber das setzt eine gesicherte Beweislage voraus. Die Frau Ministerin hat ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, wie das in der Vergangenheit mit dem Ambulanz-Tourismus gewesen ist. (Abg. Aumayr: Eine Anzeige setzt das voraus!) – Frau Kollegin Aumayr! Wer brüllt, hat selten die besseren Argumente! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Alles andere ist meiner Ansicht nach eine zusätzliche Belastung für die ohnehin bedauernswerten Opfer.

Ich darf hier noch einmal auf den gemeinsamen Entschließungsantrag der beiden Regierungsparteien verweisen. Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls für einen wirksamen und gleichermaßen behutsamen Opferschutz. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Sehr behutsam!)

12.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung ein. – Bitte.

12.15

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ebenfalls – wie meine VorrednerInnen – mit dem § 54 beschäftigen, mit der Anzeigepflicht und deren Neuregelung. Ich denke, daß sie in dieser Novelle jetzt besser als früher geregelt ist, und möchte all die Ausführungen meiner Vorrednerin Kollegin Reitsamer nur unterstreichen.

Weiters möchte ich ausführen, daß in den Stellungnahmen der Bundesländer von manchen die finanziellen Auswirkungen für die Länder befürchtet werden. Ich denke, daß diese Befürchtungen nicht begründet sind, denn laut Angabe in der Statistik der Jugendwohlfahrt wurden im Jahre 1996 27 231 Jugendwohlfahrtsmaßnahmen angeordnet, davon 2 503 wegen körperlicher oder sexueller Mißhandlung. Es ist nicht anzunehmen, daß aufgrund der jetzigen Neuregelung der ärztlichen Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht ein nachhaltiger Anstieg dieser Zahlen zu erwarten ist.

Auch jetzt schon werden aufgrund der geltenden Bestimmungen selbstverständlich die Jugendwohlfahrtsträger und daher die Länder in den Fällen körperlicher oder sexueller Gewalt gegen Minderjährige befaßt. Aufgrund der neuen Regelung ist zu erwarten, daß die Verständigung der Jugendwohlfahrtsträger unverzüglich und direkt erfolgt, nicht erst nach vorangehender Anzeige an die Sicherheitsbehörde. Das führt zu einer begrüßenswerten Beschleunigung der Einleitung der gebotenen Schritte. Die Neuregelung bedeutet damit aber keine Zunahme der Aufgaben der Jugendwohlfahrtsträger, sondern bloß, daß die im Jugendwohlfahrtsgesetz normierten Aufgaben besser – das heißt schneller – wahrgenommen werden können.

Schließlich ist noch zu bedenken, daß in der erwähnten Zahl von 2 503 Maßnahmen im Jahr 1996 wegen körperlichen und sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen nur ein statistisch nicht ausgewiesener Teil auf ärztliche Intervention zurückgeht. Bei einer Verteilung der Fälle auf etwa 130 Jugendwohlfahrtsträger steht daher nur eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von Aufgaben zur Diskussion.

Erwähnt werden muß auch, daß sich Österreichs Kinderärzte und Kinderchirurgen vehement für die neue Ärztegesetz-Novelle aussprechen. Sie begrüßen die neu geregelte Verschwiegenheitspflicht für Ärzte, die die Hilfe für die Kinder in den Vordergrund rückt. Auch die österreichischen Fachgesellschaften für Kinderheilkunde und Kinderchirurgie stehen hinter diesen neuen Regelungen. Dozent Fasching und Professor Stögmann stellten gegenüber der APA erst dieser Tage fest, daß aufgrund der derzeitigen Rechtslage bei vielen Ärzten große Unsicherheit darüber besteht, in welchen Fällen anzuzeigen ist und in welchen Fällen nicht. Diese Rechtsunsicherheit kann nunmehr beseitigt werden.

Mit der Novellierung des Strafgesetzbuches von 1994 wurde es möglich, von einer Anzeige nach dem Strafgesetz abzusehen, wenn das dem Schutz des Vertrauensverhältnisses dient. Heute soll das Ärztegesetz dieser Regelung angepaßt werden. Das kann auch den Familien insgesamt helfen, denn eine Anzeige und ein Strafverfahren gefährden eine in einem Krisenzustand befindliche Familie noch weiter. Man muß davon ausgehen, daß jemand, der ein Kind mißhandelt, selbst Probleme hat, krank ist und daher selbst Hilfe und Behandlung braucht. Die obligatorische Anzeige senkt aber die Bereitschaft des Täters, sich einer Behandlung zu unterziehen, und Hilfsmaßnahmen für die Familien würden so unterbleiben. Es reicht nicht, eine Behandlung zu verordnen, sondern auch die Bereitschaft dazu ist zweifellos eine Voraussetzung für den Erfolg.

Faktum ist, daß sich der überwiegende Teil der Fälle von Kindesmißhandlungen in der Familie abspielt. Durch die bisher vorgeschriebene Anzeigepflicht waren die mißhandelten Kinder durch eine Reihe von behördlichen Tätigkeiten, die sie weiter in einer Opferrolle verbleiben ließen, belastet. Dort wird die Neuregelung eingreifen können und dem Interesse der Opfer an unmittelbarer Hilfe, an Behandlung körperlicher und seelischer Verletzung und an Schutz vor weiteren Schäden in vielen Fällen besser entsprechen.

Wir begnügen uns nicht mit dem Einsperren der Täter, sondern wir wollen helfen. Ich glaube, daß diese Novelle dazu einen Beitrag leisten kann. Wir werden dieser Novelle daher gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es ist jetzt noch Herr Abgeordneter Dr. Ofner zu Wort gemeldet. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.21

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es ist in der gegenständlichen Regierungsvorlage vorgesehen, die Anzeigepflicht der Ärzte durch ein Anzeigerecht, durch eine Anzeigemöglichkeit zu ersetzen. Das führt nicht nur zu Schlupflöchern für die Täter, sondern bringt auch die Ärzte in eine nicht zu unterschätzende Malaise.

Mit der Anzeigepflicht war es bisher so – wie man als Anwalt, der seit 40 Jahren mit diesen Dingen zu tun hat, weiß –, daß dann, wenn etwas im dörflichen oder kleinstädtischen Bereich, wo einer den anderen kennt, passierte, die Angehörigen des Täters dem Arzt die Tür einrannten und sagten: Du kannst doch unseren Buben nicht anzeigen! Das liegt ja nur bei dir, und das mußt du ja nicht tun! – Und dieser sagte dann: O ja, ich setze mich doch nicht selber hinein. Ich bin dazu verpflichtet, und ich habe ihn anzuzeigen!

In Zukunft wird der Arzt häufig diesem Druck erliegen beziehungsweise sogar erliegen müssen, wenn dieser von mächtigen Clans, von mächtigen Familien ausgeübt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Bis jetzt hatte der Arzt das Gesetz auf seiner Seite. Der Arzt mußte Anzeige erstatten, sonst wäre er selbst straffällig geworden, und er konnte allen Intervenienten – und die gibt es in diesen Dingen häufig – gegenüber auf diesen Umstand hinweisen. In Zukunft hat er keine Rückendeckung mehr. Das wird dazu führen, daß auch Ärzte den Weg des geringeren Widerstands zu gehen beginnen und auf Anzeigen verzichten werden.

Daß sich auch die Autoren dieser Regelung der Schwächen bewußt sind, zeigt ja der Entschließungsantrag. Dieser geht von hinten durch die Brust ins Auge. Da wird bereits davon ausgegangen, daß das alles in Wirklichkeit ohnehin nicht funktionieren wird. Da heißt es, daß der Bundesminister für Jugend und Familie ersucht wird, in Gesprächen mit den Jugendwohlfahrtsträgern darauf hinzuwirken, daß zur Feststellung des Zustandekommens der vom Arzt angezeigten Verletzungen konkrete Überprüfungen vorgenommen werden. – Also weicher geht es wirklich nicht mehr! (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer.) Das hat mit Rechtsstaat und mit Vollziehung aufgrund der Gesetze überhaupt nichts mehr zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Ärzte werden euch das nicht danken, denn ihr bringt die Ärzte mit dieser dilettantischen Vorgehensweise in die Malaise. Nichts ist ärger als Leute, die, ohne sich auszukennen, human sein wollen. Human kann man sein, wenn man sich auskennt, aber human zu sein ins Blaue hinein, bringt nur Unglück, Frau Kollegin Bauer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Ein Schlußwort seitens des Berichterstatters wird nicht begehrt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir haben jetzt eine Reihe von Abstimmungen durchzuführen. (Abg. Smolle – in Richtung des Abg. Dr. Ofner –: Völlig falsch! – Abg. Dr. Ofner – in Richtung des Abg. Smolle –: Du mußt es ja wissen! Dolmetscher wissen immer Bescheid! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Smolle und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Ich würde vorschlagen, Herr Abgeordneter Smolle, daß wir die Abstimmung ohne Zwischenrufe durchführen. (Abg. Dr. Mertel: Ist das verboten?)

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zunächst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1400 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen haben gleichfalls einen Abänderungsantrag eingebracht.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben Zusatz- und Abänderungsanträge eingebracht.

Schließlich liegt ein Verlangen der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen beziehungsweise vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung von § 4 Abs. 7 vorsieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 9 Abs. 7, 10 Abs. 8 sowie 11 Abs. 7 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen sogleich über diese Teile in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil des Gesetzentwurfes ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Anfügung eines Abs. 6 in § 31 vorsieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 32 Abs. 1 und 2 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag hat keine Zustimmung erfahren.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben je einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung von § 42 Abs. 2 sowie den entsprechenden Entfall der Ziffernbezeichnung in Abs. 1 vorsieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Diese Anträge sind abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 49 Abs. 2 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 51 Abs. 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil des Gesetzentwurfes ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 53 Abs. 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 54 Abs. 5 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag hat keine Annahme erfahren.

Ich lasse jetzt über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil des Gesetzentwurfes ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur getrennten Abstimmung hinsichtlich § 54 Absätze 4 und 6 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend ... (Rufe: Gabriela Moser!)

Wir stimmen jetzt ab über einen Abänderungsantrag, den Frau Dr. Gabriela Moser eingebracht hat. (Rufe: "Moser" haben Sie nicht gesagt!) – Habe ich Gredler gesagt? (Abg. Schieder: Nur "Gabriela"!) Ach so! Bitte, Frau Abgeordnete, das war nicht fehlender Respekt.

Ich stelle noch einmal klar: Wir stimmen jetzt ab über einen Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend § 56 Abs. 1 eingebracht haben.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag betreffend § 56 Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 56 Absätze 2 und 3 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Streichung der Absätze 5 bis 7 in § 66 eingebracht.

Wer für diesen Antrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 68 Abs. 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, der gebe ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 77 Abs. 1, 91 Absätze 5 bis 10, 109 Abs. 5, 113 Abs. 2, 115 Abs. 1, 118 Abs. 2, 122 Z 5, 134 Absätze 2 und 3, 143 und 184 Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Die erwähnten Teile des Gesetzentwurfes sind in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den Titel des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über den Titel des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Der Titel in der Fassung des Ausschußberichtes ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir noch zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Teile sind mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entwurf in dritter Lesung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rauch-Kallat, Dr. Mertel und Genossen betreffend Überprüfung von Meldungen gemäß § 54 Ärztegesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entschließungsantrag ist mehrheitlich angenommen. (E 143.)

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1401 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes sind, um eine entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Damit sind die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung erledigt.

3. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Justiz im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen jetzt zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Im Anschluß an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung, entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten, eine Debatte stattfinden.

Ich erteile zunächst dem Herrn Bundesminister für Justiz das Wort. – Bitte, Herr Minister.

12.38

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Einem Ersuchen der Präsidialkonferenz des Nationalrates nachkommend, habe ich mich bereit erklärt, das Plenum des Nationalrats heute über das bisher von der Staatsanwaltschaft Leoben im Zusammenhang mit dem Grubenunglück von Lassing Veranlaßte zu unterrichten.

Ich ersuche Sie aber schon jetzt um Verständnis dafür, daß ich inhaltlich keine Details bekanntgeben, keine Wertungen der bisherigen Ergebnisse vornehmen oder gar vorschnelle Schlußfolgerungen ziehen werde. Im Hinblick nämlich auf die Nichtöffentlichkeit des strafprozessualen Vorverfahrens, auf kriminaltaktische Überlegungen und auf Belange des Datenschutzes sind dem Bundesminister für Justiz als Verwaltungsorgan bei öffentlichen Erklärungen zu anhängigen Strafverfahren enge Grenzen gesetzt, und ich habe mir dabei jene Zurückhaltung aufzuerlegen, die ich mir auch von den mir unterstellten Behörden erwarte.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Grubenunglück von Lassing ermittelt die Staatsanwaltschaft Leoben zurzeit gegen unbekannte Täter wegen des Verdachtes der fahrlässigen Gemeingefährdung nach § 177 Absätze 1 und 2 Strafgesetzbuch.

Den Gegenstand der Ermittlungen bildeten bislang zwei Themenschwerpunkte:

Erstens: die Frage nach der Ursache des Grubeneinsturzes am 17. Juli 1998 und die Feststellung der hiefür allenfalls strafrechtlich Verantwortlichen,

zweitens: der Komplex Bergevorgang einschließlich der Frage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit dafür, daß die später verschütteten zehn Menschen in der gegebenen Gefahrensituation am Abend des 17. Juli 1998 in das Bergwerk einfahren oder dort verweilen durften.

Die Staatsanwaltschaft Leoben war von Anfang an bemüht, umgehend die für eine möglichst rasche und umfassende Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Untersuchungen einzuleiten. Sie hat noch am Samstag, den 18. Juli 1998, vormittags die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark ersucht, sofort die für die Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen vor Ort aufzunehmen. Zugleich wurde beim Landesgericht Leoben beantragt, im Rahmen gerichtlicher Vorerhebungen einen Sachverständigen aus dem Fach des Bergschadenwesens beizuziehen und mit der ungesäumten Befundaufnahme und anschließenden Gutachtenserstattung zu beauftragen.

Vom Gericht wurde zunächst noch am selben Tag, dem 18. Juli 1998, Univ.-Prof. Dr. E. C. zum Sachverständigen bestellt. Nachdem dieser am 21. Juli 1998 Umstände aufzeigte, denen die Eignung zukommen könnte, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, wurde an seiner Stelle der deutsche Univ.-Prof. Dr. Hollmann zum Sachverständigen bestellt. In weiterer Folge wurde zusätzlich der deutsche Geologe Dipl.-Ing. Dr. Meissner zur Beurteilung boden-, gebirgs- und hydromechanischer Fragestellungen zum Sachverständigen bestellt.

Am 22. Juli 1998 wurde das Landesgendarmeriekommando mit der Beschaffung von Unterlagen bei der Firma Naintsch Mineralwerke GmbH beauftragt. Am 23. Juli 1998 nachmittags fand ein Ortsaugenschein in Lassing statt, an dem die Untersuchungsrichterin, der Sachverständige, Beamte des Landesgendarmeriekommandos und der Staatsanwalt teilnahmen. Der Lokalaugenschein wurde auch zu kurzen informativen Gesprächen mit dem Betriebsleiter und dem Einsatzleiter sowie – durchaus im Einvernehmen mit der Betriebs- und Einsatzleitung – zur Beischaffung von Unterlagen, vorwiegend Plänen, genützt. Nach der nächtlichen Herstellung von Kopien durch das Landesgendarmeriekommando wurden die Originale in der Früh des nächsten Tages vereinbarungsgemäß zurückgestellt.

In der Folge wurden die Ermittlungen vor allem von der von der Staatsanwaltschaft beauftragten Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos unter Mitwirkung der beiden vom Gericht bestellten Sachverständigen durchgeführt.

Zwischen den Leobener Justizbehörden und der ermittelnden Sicherheitsdienststelle fanden und finden laufend Kontaktgespräche über den aktuellen Stand der Untersuchungen statt. Dabei wird, auch unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen sukzessive mitgeteilten Befundergebnisse, das weitere erforderliche und zielgerechte Vorgehen besprochen.

Nachdem die Justiz sehr rasch in den Besitz der entsprechenden Pläne und Unterlagen gelangen konnte, war der Sachverständige Dr. Hollmann schon bald zur Erkenntnis gelangt, daß die Überschreitung des Abbauhorizontes mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest mitursächlich für das Grubenunglück gewesen sein dürfte. Die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Sicherheitsbehörden beruhen auch auf der Basis dieser Erkenntnis. Auch kann es als gesichert gelten, daß in diesem Bereich über erteilte Genehmigungen hinaus abgebaut wurde. Die strafrechtlichen Kausalitätsfragen sind allerdings noch nicht restlos geklärt. Eine endgültige Beurteilung der Einsturzursache kann erst nach Vorliegen der schriftlichen Gutachten erfolgen. Allenfalls könnten hiefür aber noch Probebohrungen erforderlich sein. Dem Vernehmen nach sind die Sachverständigen zuversichtlich, ein Gutachten noch in diesem Jahr fertigstellen zu können.

Die näheren Umstände im Zusammenhang mit der Verschüttung von weiteren zehn Menschen und den Versuchen ihrer Bergung werden noch aufgearbeitet. Wenn sich verläßlich herausgestellt haben wird, wie die Verantwortungsbereiche gelagert sind, wer zu welchem Zeitpunkt welches Wissen hatte und dergleichen mehr, werden sich die jeweils Tatverdächtigen konkretisieren lassen.

Das sicherheitsbehördliche Ermittlungsverfahren ist derzeit bereits so weit fortgeschritten, daß ein Bericht in Form einer zusammenfassenden Sachverhaltsdarstellung voraussichtlich noch im Oktober 1998 zu erwarten ist. Anschließend werden gegen jene Personen, gegen die sich nach den Ermittlungsergebnissen ein konkreter Tatverdacht ergeben hat, die untersuchungsrichterlichen Erhebungsschritte beginnen können. Erst dann, wenn feststeht, welche Personen als Verdächtige zu vernehmen sind und welchen eine Zeugenrolle zukommt, ist eine präzise Abgrenzung der Wahrheitspflichten möglich, wie sie für das weitere Strafverfahren erforderlich ist.

Meine Damen und Herren! Die Justiz konnte bisher unbehindert und unbeeinträchtigt von äußeren Einflüssen an die Aufarbeitung dieses Unglücksgeschehens herangehen. Laut Bericht der Staatsanwaltschaft Leoben gab es bei ihr in Belangen der Sachbearbeitung weder Eingriffe oder Interventionen von vorgesetzten Dienststellen noch seitens anderer Behörden oder Ministerien. Die von Bundesminister Dr. Farnleitner in einem Zeitungsinterview erwähnte Intervention beim Justizminister betraf die am 24. Juli vormittags telefonisch an mich gestellte Frage, ob es im Hinblick auf möglichst unbehinderte Rettungsbemühungen sinnvoll sei, den Betriebsleiter zum damaligen Zeitpunkt zum Zweck einer voraussichtlich mehrstündigen Vernehmung von seiner Mitwirkung an den Bergungsversuchen abzuziehen. Ich habe diese Frage im wesentlichen dahin gehend beantwortet, daß der Zeitpunkt der Vernehmung doch auch aus kriminaltaktischer Sicht zu beurteilen sei, wozu ich mich außerstande sähe, da dies im Augenblick nur durch die mit den Ermittlungen beauftragte und auch die Vernehmungen durchführende Sicherheitsbehörde erfolgen könne. Wie Sie wissen, hat die Vernehmung mit Rücksicht auf die laufenden Versuche, die Verunglückten zu retten, tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden.

Meine Damen und Herren! Die Staatsanwaltschaft Leoben hat weiters mitgeteilt, daß keinerlei Hinweise dafür vorliegen, daß seitens der Bergbehörde oder der Werksleitung irgendwelche Versuche unternommen worden seien, Beweismaterial oder Unterlagen zu beseitigen oder zu unterdrücken. Vielmehr sei es innerhalb kürzester Zeit gelungen, alle vom Sachverständigen für die Untersuchung als relevant bezeichneten Unterlagen zu erhalten und zu sichten. Für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen bestand daher bislang kein Erfordernis. Es gäbe derzeit keine Hinweise, wonach Verdunkelungshandlungen gesetzt worden wären. Haftgründe gäbe es bei keiner Person, die zum hypothetischen Verdächtigenkreis zählt. Sohin läßt der Umstand, daß derzeit noch gegen unbekannte Täter ermittelt wird, keinerlei Beeinträchtigung des Strafverfahrens befürchten.

Derzeit gäbe es auch keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Straftat von Personen, deren Entscheidungen mit der Katastrophe in Lassing in Zusammenhang gebracht werden könnten. Die Subsumtion unter § 177 Strafgesetzbuch ist im übrigen nur eine erste rechtliche Beurteilung aufgrund des bisherigen Erkenntnisstandes und engt in keiner Weise die weiteren Erhebungen zur Frage des Verschuldensgrades ein.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen versichern, daß die Justiz auch weiterhin objektiv, zielgerichtet und ohne Verzögerungen arbeiten wird, und es kann davon ausgegangen werden, daß es zu einer Klärung der für das Strafverfahren erheblichen Umstände dieses so schrecklichen und menschlich tragischen Unglücksfalles kommen wird. – Soweit meine Unterrichtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Liberalen Forums.)

12.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke dem Herrn Bundesminister für Justiz für seine Ausführungen.

Es liegen zwei Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vor. Die erste kommt von Frau Abgeordneter Dr. Schmidt. – Bitte.

12.50

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wie bekannt ist, haben die Liberalen für die heutige Debatte auch eine Erklärung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten gefordert. Der Bundesminister war dazu nicht bereit. Er hat allerdings, über den Wunsch der Liberalen und von Klubobmann Khol weitergetragen, in Aussicht gestellt, wenigstens auf der Regierungsbank Platz zu nehmen.

Ich darf in diesem Zusammenhang aus dem Präsidialprotokoll zitieren:

"Der Klubobmann der ÖVP erklärt sich bereit, dieses Anliegen dem Wirtschaftsminister mitzuteilen, und berichtet dem Präsidenten des Nationalrates nach Schluß der Präsidialsitzung, daß der Wirtschaftsminister bei der Abgabe der Erklärung des Justizministers voraussichtlich auf der Regierungsbank anwesend sein wird und sich dadurch gegebenenfalls in die parlamentarische Debatte einschalten kann."

Ich stelle fest: Der Herr Bundesminister hält es nicht für notwendig, bei dieser Debatte anwesend zu sein, und ich stelle daher namens meiner Fraktion den Antrag, das Hohe Haus möge beschließen, daß er sich hier einzufinden habe.

12.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke. Es steht jetzt der Antrag, über den im Anschluß abzustimmen sein wird.

Als nächste hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.51

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte den Antrag der Frau Abgeordneten Schmidt ebenfalls unterstützen, und ich halte das über das Präsidialprotokoll hinausgehend auch deswegen für notwendig, weil die Erklärung, die Minister Michalek soeben hier abgegeben hat, teilweise im Widerspruch zu dem steht, was Minister Farnleitner in der Öffentlichkeit bisher stets behauptet hat. Aufgrund der Tatsache, daß bislang ein Untersuchungsausschuß verweigert wurde, gäbe es zumindest jetzt die Möglichkeit, mit den beiden Ministern diese Widersprüche aufzuklären.

12.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Abgeordnete.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

12.52

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Im Augenblick ist noch eine Sitzung der Bundesregierung im Gange, bei der Herr Minister Farnleitner das neue Berggesetz, das nun ein Mineralrohstoffgesetz sein wird, vertritt. Sobald die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung beendet ist – und damit das schon so lang gewünschte, neu reformierte Gesetz über die Gewinnung der mineralischen Rohstoffe ins Parlament gelangen wird –, wird Herr Minister Farnleitner auch auf der Regierungsbank anwesend sein. Herr Minister Michalek ist vorzeitig von der Regierungssitzung weggegangen, so wie auch Herr Klubobmann Kostelka und ich.

12.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Es liegen noch folgende Wortmeldungen – in der Reihenfolge der Meldung – vor: Herr Abgeordneter Dr. Ofner, Frau Abgeordnete Dr. Petrovic und Frau Abgeordnete Dr. Schmidt.

Herr Abgeordneter Dr. Ofner, bitte.

12.53

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Von den faktischen und rechtlichen Möglichkeiten her erscheint mir der Bundesminister für Justiz nicht in der Lage, hier tatsächlich Auskunft zu erteilen. Er kann als Justizminister einfach nicht das zum besten geben, was sich Abgeordnete in diesem Haus erwarten.

So gesehen wäre es, unabhängig davon, was die Präsidiale allenfalls beschlossen hat oder welche Meinungen dort geäußert worden sind – das weiß ich nicht –, sinnvoll, wenn Minister Farnleitner anwesend wäre, da er wahrscheinlich mehr und deutlicher Auskunft geben könnte, als es Minister Michalek vom Wissen und von den rechtlichen Möglichkeiten her kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Abgeordneter.

Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

12.54

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Minister Michalek kann meiner Ansicht nach in diesem Haus an sich sehr wohl zur Tätigkeit der Staatsanwaltschaft und vorgelagerter Ermittlungsbehörden Auskunft geben, ich finde das auch sehr informativ. Aber es wird, wie Sie, Herr Klubobmann Khol, vorhin sagten, parallel dazu das Berggesetz im Ministerrat behandelt, und ich denke, da all das – wir reden mittlerweile über einen Kriminalfall – ... (Widerspruch bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Offenbar können Sie dem Bericht des Ministers nicht folgen, denn § 177 StGB ist ein gerichtliches Strafdelikt, und es wäre wohl nicht unerheblich, die Umstände, die organisatorisch zu diesem Kriminalfall beigetragen haben, auch bei der Textierung eines neuen und besseren Berggesetzes zu berücksichtigen.

Falls die Anwesenheit des Ministers Farnleitner im Ministerrat weiterhin erforderlich ist, rege ich an, diese Sitzung jetzt zu unterbrechen und bis zum Ende des Ministerrates abzuwarten, um diese Debatte danach in Gegenwart beider Minister fortsetzen zu können.

Ich beantrage, über diese meine Wortmeldung eine kurze Debatte durchzuführen, falls der Nationalrat nicht mehrheitlich befindet, daß die Anwesenheit von Minister Farnleitner schon jetzt erforderlich ist.

12.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, bitte.

12.55

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte nur zur Information für den Abgeordneten Ofner sagen: Die Präsidiale konnte leider eine Erklärung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht beschließen, weil es Sache des Ministers ist, ob er das tut oder nicht.

Das heißt, der Druck der Opposition war leider nicht stark genug, er kam nämlich nur von zwei Oppositionsparteien, nämlich von den Grünen und den Liberalen. Vielleicht hätte es was gebracht, wenn auch seine Fraktion das unterstützt hätte. (Abg. Dr. Ofner: Das habe ich in meiner Wortmeldung eingeräumt!)

Kollegin Petrovic hat die Anregung gemacht, die Sitzung zu unterbrechen. Ich möchte das zum Antrag erheben und namens meiner Fraktion den Antrag stellen, die Sitzung so lange zu unterbrechen, bis die Anwesenheit des Ministers für wirtschaftliche Angelegenheiten möglich ist.

Ich bitte, darüber nicht nur eine Debatte abzuführen, sondern auch abstimmen zu lassen. – Danke.

12.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, eine Abstimmung über einen Unterbrechungsantrag ist nicht möglich, weil das nach der Geschäftsordnung der Disposition des den Vorsitz führenden Präsidenten obliegt.

Bleibt Ihr Antrag auf Anwesenheit des Ministers Farnleitner aufrecht, Frau Dr. Schmidt? (Abg. Dr. Schmidt nickt.) – Gut.

Dann stimmen wir zunächst ab über den Antrag von Frau Dr. Schmidt, der lautet, daß Bundesminister Dr. Farnleitner im Plenum des Nationalrates bei dieser Debatte ab sofort anwesend sein soll.

Wer für diesen Antrag auf Anwesenheit ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wünscht noch jemand zur Geschäftsordnung das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Mag. Dr. Grollitsch als erstem Redner das Wort. (Abg. Dr. Petrovic: Es ist noch ein Antrag offen! Antrag auf Debatte über meine Wortmeldung betreffend Sitzungsunterbrechung!)

Frau Dr. Petrovic, wie lautet Ihr Antrag?

12.57

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte, daß über die Anregung, eine Unterbrechung durchzuführen, eine Kurzdebatte stattfindet. Darüber möge der Nationalrat befinden.

12.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag von Frau Dr. Petrovic gehört.

Es liegt der Antrag vor, daß der Nationalrat über ihre Wortmeldung, die eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung ist, eine Debatte durchführt. Dieser Antrag ist möglich im Sinne des § 59 der Geschäftsordnung.

Wer stimmt dem Antrag von Frau Dr. Petrovic zu, über ihre Wortmeldung eine Debatte durchzuführen? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

*****

Wir gehen nun unwiderruflich in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Mag. Dr. Grollitsch das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.58

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß wir Freiheitliche uns jetzt mehrheitlich nicht für eine Debatte zu dieser Wortmeldung entschlossen haben, hat damit zu tun, daß einerseits ausreichend Gelegenheit besteht, sich im Zuge der nun folgenden Debatte zu diesem Bericht zu Wort zu melden, daß wir aber andererseits wie die Antragstellerin der Ansicht sind, daß es nur eine amputierte Debatte sein kann, wenn der ressortzuständige Minister fehlt.

Herr Bundesminister! Wir anerkennen Ihre Bemühungen. Sie haben über die Diskretion, die es bei diesem Thema aus Ihrem Blickwinkel zu geben hat, gewacht und sehr vorsichtig nur zwei Dinge angerissen, nämlich die Überschreitung des Abbauhorizontes und das Überschreiten erteilter Genehmigungen. Das sind wohl die einzigen greifbaren Fakten außer jener Tatsache, daß gegen Unbekannt ermittelt wird. – Ich frage mich, ob die Ermittlungen die Schuldfrage des Einsturzereignisses selbst betreffen und/oder auch das schuldhafte Verhalten im Zusammenhang mit den Rettungs- respektive Bergungsmaßnahmen gemeint ist.

Wir sind nämlich der Ansicht, daß es wegen des Kompetenzwirrwarrs im Umfeld der Rettungsarbeiten in der Folge nicht nur politische Versäumnisse gegeben hat – diese durften wir gestern diskutieren –, sondern daß es insbesondere seitens des Wirtschaftsministers, vor allem aber auch seitens des Bundeskanzlers in seiner Eigenschaft als Chef des Katastrophendienstes, notwendig gewesen wäre, zu klären, inwieweit schuldhaftes Verhalten vorliegt. Wird hinsichtlich eines schuldhaften Verhaltens untersucht? – Ich bitte Sie um eine ergänzende Antwort auf diese Frage. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Über die Bestellung von Sachverständigen mußten wir aus den Medien erfahren. Nichtsdestoweniger möchte ich festhalten, daß der als "E.C." titulierte, ursprünglich vorgesehene Sachverständige, ein Fachmann in diesem Bereich, unter anderem deshalb abberufen wurde, weil ihm persönliche Bekanntschaften mit oder im Umfeld von Betriebszugehörigen nachgesagt wurden. Ich möchte festhalten, daß Herr Dr. Hollmann, der nunmehr erster Sachverständiger ist, in einem durchaus vergleichbaren Verhältnis zu den dort tätigen Personen steht. Es soll damit aber nicht gesagt werden, daß seine Kompetenz oder die des E.C. in Frage gestellt wird.

Herr Bundesminister! Das Geplänkel rund um dieses traurige Ereignis steht unter zwei Prämissen: Prämisse eins lautet: "Das Berggesetz muß endlich weg." – Prämisse zwei: "Der Herr Bundesminister muß bleiben."

Daß diese beiden Prämissen in Ihren Bericht keinen Einzug finden konnten, verstehen wir sehr wohl. Aber ich selbst habe Recherchen im Zusammenhang mit dem sogenannten Schwarzabbau begonnen, und zwar habe ich in Richtung Gutachten, in Richtung Behörden und in Richtung jener Aussagen recherchiert, die auch von den nunmehrigen Sachverständigen diesbezüglich bereits – zumindest im persönlichen Gespräch – gemacht wurden. Und so rundherum macht man sich dabei sein persönliches Bild. Dieses Bild sieht so aus, daß der sogenannte Schwarzabbau eigentlich der Rettungsanker für den Minister zu sein scheint, aber auch jenen nützt, die das Berggesetz unter allen Umständen zu Fall bringen wollen.

Ich habe am 17. Juli in der Zeitung folgendes gelesen – ich habe Ihnen das gestern gezeigt (der Redner hält eine Zeitschrift in die Höhe): Das Berggesetz ist ausverhandelt, es wurde im Ministerrat vorgestellt. 200 Paragraphen des alten Bergrechtes wurden geändert. Aber es gibt keinen einzigen Paragraphen, der die Bergsicherheit betrifft, keinen einzigen Paragraphen, der im Katastrophenfall oder im Falle eines Schadensereignisses neue Kompetenzen regelt! Da hat das Bergrecht nicht eingegriffen. Ich finde, es hat zum Schaden dieses Ereignisses und möglicher späterer Ereignisse nicht eingegriffen.

Ich frage mich: Was hat den Horizont der handelnden Personen, insbesondere den des Ministers, zwischen dem 17. Juli und dem heutigen Tag – wir haben erfahren, im Ministerrat wird das neue Bergrecht in aller Eile beschlossen – so entscheidend erweitert? – Erweitert haben ihn vielleicht die beiden bereits erwähnten Prämissen, nämlich erstens: das Berggesetz muß weg, zweitens: der Herr Bundesminister muß bleiben. (Heiterkeit des Abg. Dkfm. Holger Bauer.)

Die Bemühung, dies zu abstrahieren und das dramatische Ereignis von einer sachlichen Debatte um ein natürlich reformbedürftiges Bergrecht zu trennen, gelingt nicht. Natürlich muß dieses Bergrecht darauf Bezug nehmen, daß der Untertagabbau in unserem Land deutlich zurückgeht und der Bergbau ganz andere Richtungen einschlägt. Das tut das Bergrecht aber nicht. Und jene, die vorlaut nach der Abschaffung des Berggesetzes – ich habe es hier – brüllen, kennen es wahrscheinlich gar nicht!

Frau Petrovic & Co! Darauf verwette ich meine Haut: Sie kennen keine einzige Zeile dieses Berggesetzes! Sie haben sich nie der Mühe unterzogen, es zu studieren. Das gilt auch für alle anderen, die es abschaffen wollen, auch für Herrn Barmüller, Frau Langthaler und für jene, die so aggressiv darauf hingewiesen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese Herrschaften kennen das nicht! (Der Redner hält ein Exemplar des Berggesetzes in die Höhe.) Sie haben sich nie damit befaßt! Es ist auch ein sehr umfassendes Werk, es handelt sich um eine sehr komplexe Materie.

Sie kennen es nicht. Es hat sich bei Ihnen nur eines festgesetzt – ich zitiere aus der Zeitschrift "Fact.um" –: "Das Berggesetz muß ersatzlos gestrichen werden." – Wir meinen: Es darf nicht ersatzlos gestrichen werden! Ich hoffe, die hohen Herren, die ja unsere Vorschläge, die Vorschläge der Freiheitlichen, als konstruktive Beiträge erhalten haben, lassen diese nun endlich zum Anlaß dieses furchtbaren Unglücks in das Berggesetz einfließen.

Unsere Hoffnung ist, daß dieses Bergrecht in einer zeitgemäßen Weise reformiert wird. Daß Sie, Herr Bundesminister Dr. Michalek, dazu keinen Beitrag leisten konnten, nehmen wir Ihnen nicht übel. Wir hätten uns für diese Debatte den Ressortzuständigen, um dessen Haut es im Zusammenhang mit dieser Debatte in erster Linie geht, gewünscht. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.06

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vor Erteilung der nächsten Wortmeldung gebe ich folgendes bekannt:

Es haben die Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und zwar zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren.

Dazu liegt das von fünf Abgeordneten nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Gemäß dieser Bestimmung ist dieser Antrag durchzuführen, und zwar wird die Debatte sowie die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung stattfinden.

*****

Ich erteile nun dem nächsten Redner das Wort. Es ist dies Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.07

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wir haben uns wiederholt in diesem Haus mit dieser Thematik beschäftigt – zum zweiten Mal in dieser Woche –, und diese Debatten und Diskussionen waren nicht immer ausschließlich von dem Wunsch getragen, diese tragischen Vorfälle aufzuklären, sondern auch von dem Bestreben, möglichst rasch einen Schuldigen, vor allem einen politisch Schuldigen, für diese tragische Verkettung der Vorfälle zu finden. (Abg. Mag. Peter: Jetzt brauchen Sie nur noch von "Zufällen" zu sprechen! Jetzt brauchen Sie nur noch "Zufälle" sagen!) Kein Wort von Zufällen! Ich habe von tragischen Vorfällen gesprochen, und es waren solche tragischen Vorfälle! Herr Kollege, polemisieren Sie nicht, bevor ich gesprochen habe, sondern hören Sie zuerst einmal ordentlich zu! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Peter: Das hat mit Vorfällen nichts zu tun! Das ist die Unwahrheit! Sie sind ein unerträglicher Schönredner! – Abg. Wabl: Er ist ein unerträglicher Schiachredner!)

Dieser Stil der Verdächtigungen ist in einem solchen Fall bedauerlicherweise üblich geworden. Das trägt zwar nicht zur Verbesserung der politischen Kultur und zum Ansehen der Politik bei, aber das ist nun einmal leider, Herr Kollege Wabl, zum Stil der Opposition geworden. Diesen Stil nehmen wir zur Kenntnis, aber wir werden ihn nicht widerspruchslos hinnehmen! Das muß ich Ihnen auch klar und deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen den Grünen und der ÖVP. – Abg. Wabl: Wieso reden Sie immer von Dingen, warum nennen Sie keine Abgeordneten hier?!)

Der heutige Bericht des Justizministers (Abg. Wabl: Österreich zittert!) ist für uns jedenfalls ein Beweis dafür, daß die Verdächtigungen, die Mutmaßungen, die Unterstellungen, die bisher kolportiert wurden, nicht gerechtfertigt waren. Der Bericht stellt klar: Auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse dürfen erstens keine vorschnellen Schlußfolgerungen gezogen werden und darf keine Wertung der bisherigen Ergebnisse vorgenommen werden. Der Justizminister tut dies jedenfalls nicht, und ich würde der Opposition raten, hier seinem Beispiel zu folgen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Konsulentenvertrag abgelehnt!)

Zweitens: Die Staatsanwaltschaft Leoben ermittelt umfassend vor Ort, hat entsprechende Gutachter beigezogen, und – Herr Kollege Wabl, passen Sie auf! – alle Unterlagen wurden im Einvernehmen mit der Betriebs- und Einsatzleitung von der Berghauptmannschaft freiwillig und ohne Vorbehalte übergeben. – Kein Wort von hinhaltendem Widerstand, kein Wort von Verzögerung oder Vertuschung, Behinderung oder "Verhaberung" im Zusammenhang mit diesen Untersuchungen. – Meine Damen und Herren! Wer so etwas weiter behauptet, wer das weiter unterstellt, trägt weiter zum schlechten Stil in dieser Debatte bei! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Man sollte Ihnen den Redner-Führerschein entziehen!)

Im Gegenteil: Der Justizminister stellt in seinem Bericht klar, daß keinerlei Hinweise darauf vorliegen, daß Bergbehörde oder Werksleitung irgendwelche Versuche unternommen haben, Beweismaterial oder Unterlagen zu beseitigen, zu unterdrücken oder Verdunkelungshandlungen zu setzen. Für diese Klarstellung sind wir dankbar. Sie entzieht so mancher Verdächtigung und Unterstellung den Boden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Überschreitung des Abbauhorizonts gilt als wahrscheinliche Einsturzursache. Aber der Justizminister hat auch festgehalten, daß die Untersuchungen darüber noch nicht abgeschlossen sind. Das endgültige schriftliche Gutachten steht noch aus.

Ein voraussichtlicher Endbericht der Sicherheitsbehörden in Form einer Sachverhaltsdarstellung wird für Ende Oktober erwartet (Zwischenruf des Abg. Wabl), und erst dann, Herr Kollege Wabl, können konkrete untersuchungsrichterliche Schritte gegen Personen eingeleitet werden.

Damit unterstreicht der Bericht des Justizministers genau das, was wir immer gesagt haben: Zuerst müssen die Gutachten und Untersuchungsberichte der zuständigen Behörden, der eingesetzten Untersuchungskommission, des Staatsanwaltes und des Untersuchungsrichters abgewartet werden, bevor man sich ein endgültiges Urteil erlauben kann. (Abg. Wabl: Seit zehn Jahren sprechen Sie schon davon!)

Als Kronzeugen möchte ich hiezu den suspendierten Werksleiter von Lassing anführen, der "NEWS" gegenüber – nachzulesen in der neuesten Ausgabe – gesagt hat: "Ich gelte als der große Schuldige. Ich verstehe nur nicht ganz, warum keiner warten kann, bis ein Abschlußbericht vorliegt." – Meine Damen und Herren! Darum geht es. So wie Hermann Schmidt das Recht hat, nicht vorverurteilt zu werden, so haben dieses Recht auch alle anderen Betroffenen und selbstverständlich auch der zuständige Minister! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Geben Sie Ihren D-Führerschein ab!)

Wir werden uns jedenfalls von der vorgesehenen Vorgangsweise nicht abhalten lassen. Alles andere, Herr Kollege Wabl, wäre Politjustiz, und das wird von uns entschieden abgelehnt! Dagegen werden wir uns auch zu wehren wissen.

Aber selbstverständlich wird nochmals abschließend, Herr Kollege Wabl, auch über politische Verantwortung geredet werden müssen (Abg. Wabl: Wann?! Nach der nächsten Wahl?! Wenn er in Pension ist?!), auch über jene von Herrn Minister Farnleitner, und darüber, wie er mit dieser Verantwortung umgegangen ist. Aber erst dann, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, die Berichte der EU-Untersuchungskommission und auch die Berichte der zuständigen Behörden und des Untersuchungsrichters vorliegen.

Alle diese Berichte müssen dem Parlament vorgelegt werden, und dann ist der Zeitpunkt gekommen, zu entscheiden, ob ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß eingesetzt werden soll und ob Minister Farnleitner seiner Verantwortung gerecht geworden ist. Dann ist der Zeitpunkt dafür gekommen, aber nicht vorher. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine andere Vorgangsweise würde nur – und wir sind in Wahrheit schon mitten drin – zu einem heillosen parteipolitischen Kleinkrieg führen (Abg. Wabl: Die andere Vorgangsweise haben wir schon gepflegt, bei den Kurden-Morden, beim Praschak und so weiter! Die vollziehen Sie schon seit zehn Jahren!), weil die Oppositionsparteien, Herr Kollege Wabl, nicht primär an der Aufklärung der Fakten interessiert sind, sondern nur an ihren parteipolitischen Vorteil im Rahmen eines solchen Untersuchungsausschusses denken. (Abg. Wabl: Geben Sie Ihren Kontroll-Führerschein zurück!)

Wir haben auch Beispiele dafür, und Sie waren dabei federführend. Ich denke etwa an den Pyhrn-Ausschuß – da haben wir solche Erfahrungen auch mit Ihnen gemacht –, bei dem es eine Reihe von Vorverurteilungen gegeben hat, wo die Landeshauptleute Krainer "angeschüttet" wurden, wo der damalige Landesbaurat Pühringer im Ausschuß vorgeführt wurde – zumindest wurde es versucht –, wo es Vorwürfe gegen eine Reihe von Beamten gehagelt hat! Aber am Ende der gerichtlichen Untersuchungen hat sich das alles in Luft aufgelöst! Und Sie haben kein Wort der Entschuldigung für Ihre ungerechten Vorurteile, Urteile und Verurteilungen gefunden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Es hat Verurteilungen gegeben!) 

All das wollen wir in diesem Fall nicht wieder erleben. Daher, meine Damen und Herren, nehmen wir das ernst, was schon gestern Frau Kollegin Tichy-Schreder (Abg. Wabl: Unverschämt! Der lügt da unten wie gedruckt! – Abg. Schwarzenberger: Herr Präsident!) unter Hinweis auf ein Zitat von Peter Turrini gesagt hat: "Leisten wir als handelnde Personen der Politik nicht weiter Vorschub für die immer stärker werdende Verdachtsgesellschaft, in der jeder Politiker sanktionslos verdächtigt werden kann, die Unwahrheit gesagt oder Unrecht getan zu haben, weil in der Geschwindigkeit und in dem Tempo, in dem diese Berichte, Behauptungen und Unterstellungen erscheinen und dann gleich darauf wieder verschwinden, Wahrheit und Unwahrheit, Behauptung und Entkräftung dieser Behauptung, Tatsachen und Entstellungen nicht mehr voneinander zu trennen sind!" (Beifall bei der ÖVP.)

Jeder kann verdächtigt werden und an jedem kann etwas hängen bleiben. Und das ist wohl auch die Absicht. Dahinter steckt Methode. Diesen bösartigen Kreislauf der politischen Unkultur, der uns allen, dem gesamten politischen System und vor allem dem Parlamentarismus immens schadet, diesen Kreislauf der politischen Unkultur zu unterbrechen, ist uns jedenfalls ein Anliegen, deshalb verweigern wir uns einem vorzeitigen Untersuchungsausschuß.

Meine Damen und Herren! Warten wir ab, bis die erwähnten Erhebungsergebnisse und Untersuchungsberichte vorliegen! Konzentrieren wir uns vor allem auf die Maßnahmen, die dazu beitragen können, daß solche Katastrophen nicht mehr vorkommen können! Unterstützen wir den Minister bei den Maßnahmen, die nun dagegen eingeleitet werden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)

13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wabl zu Wort gemeldet, das heißt: zu einer Berichtigung von Tatsachen.

Bitte zuerst die Tatsache zu referieren und dann – wie gestern erwähnt – emotionslos die Gegendarstellung. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

13.17

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Helmut Kukacka, Abgeordneter der ÖVP, hat hier im Zusammenhang mit dem Pyhrn-Straßenbauskandal die wahrheitswidrige Behauptung aufgestellt – ich zitiere wortwörtlich –: "Alles hat sich in Luft aufgelöst." (Abg. Kukacka: Nein! – Weitere Zwischenrufe und lebhafter Widerspruch bei der ÖVP. – Unruhe im Saal.)

Ich habe dazu eine Bemerkung gemacht, wie man vulgär zu einer Unwahrheit sagt. Es wurden Beamte gerichtlich verurteilt, und es wurde der Chef der Straßenbaugesellschaft, der Ihnen von der ÖVP nahesteht, gerichtlich verurteilt. Und Ihren Landeshauptmann haben Sie bis zum Schluß in Schutz genommen und in wesentlichen Bereichen verhindert, daß er aussagt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Kollege Wabl! Sie haben zuerst das Wort "Lüge" gebraucht. Sie haben das jetzt selbst als vulgär – wie man vulgär zu einer Unwahrheit sagt – qualifiziert. Aus diesem Grund erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf sozusagen in der ständigen Rechtssprechung. (Abg. Wabl: Ich hatte recht! Das hat sich ja jetzt herausgestellt!) – Ja, aber trotzdem, das Wort "Lüge" ist mit der Würde des Hohen Hauses unvereinbar, und daher habe ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf erteilt, Herr Kollege Wabl, der von Ihnen auch nicht weiters zu diskutieren ist. (Abg. Wabl: Der Begriff der politischen Korrektheit! Man darf es nicht sagen! Man darf zwar lügen, aber man darf nicht sagen, daß gelogen wird!)

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Grünen. – Abg. Wabl – in Richtung des Abg. Mag. Kukacka –: Sie sind ein großes Arschloch!)

13.19

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es war ja zu erwarten, daß Herr Abgeordneter Kukacka jedes Mittel ergreifen wird, um kein Licht in die Sache zu bringen. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Grünen und bei der ÖVP.)

Ich bin froh darüber, daß Herr Bundesminister Farnleitner mittlerweile gekommen ist, möchte mich aber dennoch zuerst dem Bericht des Herrn Bundesministers für Justiz zuwenden. Denn, meine Damen und Herren, was aus diesem Bericht nicht hervorgeht und was durchaus die Vorerhebungen, die nicht öffentlich sind, nicht stören würde, ist die Frage: Seit wann, Herr Abgeordneter Wabl, ist eigentlich die Causa Lassing berichtspflichtig? Das ist eine der entscheidenden Fragen!

Der Herr Bundesminister für Justiz hat die Causa Lassing zur berichtspflichtigen Causa gemacht. Und er hat heute in seiner Erklärung gegenüber dem Hohen Haus gesagt, daß man schon sehr früh gewußt hätte, daß es einen nicht genehmigten Abbau gegeben hat. Wenn ich mir die Datumszusammenstellung ansehe, dann meine ich, es müßte eigentlich bereits um den 23. Juli gewesen sein, also in der Woche nach dem Unglück, daß durch das Kopieren der Pläne herausgekommen ist, daß es einen nicht genehmigten Abbau gab.

Und jetzt frage ich mich: Wie kann es sein, daß es fast zwei ganze Monate braucht, bis der jetzt ebenfalls auf der Regierungsbank anwesende Herr Bundesminister Farnleitner von diesem illegalen Abbau erfährt? – Noch dazu, meine Damen und Herren, hat es ja am 20. August gegenüber dem Ministerrat einen ersten Bericht über dieses Unglück gegeben. Und in diesem ersten Bericht vom 20. August hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten noch keinen Bezug auf diesen nicht genehmigten Abbau genommen.

Daher ist zu hinterfragen – und ich bitte Sie, Herr Justizminister, das dem Hohen Haus auch zu erklären –, warum innerhalb der Bundesregierung der Kommunikationsfluß dermaßen schlecht ist, daß vom 17. oder vom 20. oder vielleicht vom 23. Juli bis zum 20. August Herr Bundesminister Farnleitner offenbar nicht informiert werden kann und dieser dann noch bis zum 17. September braucht, um gegenüber der Öffentlichkeit klarzulegen, daß er, wie er sagte, soeben unmittelbar vor der beginnenden "ZiB 1" erfahren hat, daß es einen nicht genehmigten Abbau gegeben hat. Wie kann es sein, daß ein Bundesminister, der allein zuständig ist für diesen Bereich, als allerletzter in der Republik erfährt, daß in seinem Bereich etwas schiefläuft? Das ist doch nicht glaubwürdig! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Die Staatsanwaltschaft ist nicht dem Wirtschaftsminister unterstellt! Das sollten Sie wissen!)

Die Staatsanwaltschaft, Herr Abgeordneter, ist nicht dem Wirtschaftsminister unterstellt, das stimmt, aber die Bergbehörden in unmittelbarer Verantwortung sehr wohl. Der Herr Bundesminister für Justiz hat heute hier ausgeführt, daß es niemals auch nur den Ansatz eines Versuchs gegeben hat, etwas zu verdunkeln, etwas zu verheimlichen, Pläne nicht herauszurücken, sondern das ist bereits am 23. Juli unmittelbar vor Ort geschehen. Nur Herr Bundesminister Farnleitner, der, bevor er zum A1-Ring gefahren ist, in Lassing einen Zwischenstopp gemacht hat, hat davon nichts erfahren. Und das ist deshalb wichtig, weil immer noch klar die Frage im Raum steht: Wann hat denn der Herr Bundesminister nun wirklich von dem illegalen Abbau auf der Sohle 1A in Lassing erfahren? Der Herr Justizminister hat es zwei Monate vor ihm gewußt. Zwei Monate vor ihm hat er es offenbar schon gewußt, nicht? (Abg. Schwarzenberger: Nein, der schüttelt den Kopf! Also Sie sagen nicht die Wahrheit!)

Ich habe den Herrn Bundesminister gefragt. Seine vier Seiten lange Erklärung vor dem Hohen Haus gibt keine Auskunft darüber. Er sagt nur klar, daß er schon von Anfang an über diese Maßnahmen und über dieses Vorgehen Bescheid gewußt hat. Und ich wiederhole hier noch einmal: Es ist der Herr Bundesminister Farnleitner, der nichts gewußt hat oder zumindest behauptet, nichts gewußt zu haben (Abg. Tichy-Schreder: Sie werden einmal ein guter Ankläger werden!), denn hätte er etwas gewußt, müßte er sich vehementer, auch von seiner eigenen Fraktion, die jetzt die Situation schönredet, die Frage gefallen lassen, warum er nichts getan habe und warum er die Öffentlichkeit im Glauben gelassen habe, noch dazu in einem Telefoninterview im Rahmen der "ZiB1", daß er gerade eben unmittelbar, 15 Minuten vor der "ZiB1", von diesen Dingen erfahren habe. (Ruf bei der ÖVP: Das ist wahr!)

Das ist nachweislich falsch gewesen. Das wissen Sie heute auch. Und der Herr Bundesminister kann sich zwar hierher setzen, aber er kann nicht mehr leugnen, daß er die Öffentlichkeit in dieser Sache falsch informiert hat. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Der Minister ist so anständig und ...!)

Aber, meine Damen und Herren von der ÖVP, es geht Ihnen ja in so hohem Maße um die Aufklärung dieser dramatischen Umstände, die überhaupt dazu führen konnten, daß dieses Unglück geschehen ist. Darum geht es Ihnen, und ich wundere mich daher, daß sich Herr Abgeordneter Khol, den ich jetzt im Plenum nicht mehr erblicke, so vehement an der De-facto-Ausschaltung des Parlaments als Kontrollorgan für die politische Verantwortung beteiligt. Es ist in Wirklichkeit jene Fraktion, die bis vor kurzem noch unbedingt ein Dollfuß-Bild in ihrem Klub hängen haben mußte, die sich heute hierher stellt und behauptet, daß die Klärung der politischen Verantwortung den Experten überlassen werden müsse und nicht dem Hohen Haus anvertraut werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Und jetzt lese ich Ihnen vor, was Herr Eggehard Rother gemeint hat, worin er die Aufgabe der Expertenkommission sieht. Er sagt, seine Aufgabe bestehe nicht darin, die politische Verantwortung zu klären – seine Aufgabe bestehe nicht darin, die politische Verantwortung zu klären! –, sondern es gehe um die sachliche und fachliche Beantwortung der Fragen, die unter den Nägeln brennen. Er führt aus: Das trauen wir uns zu.

Die Liberalen teilen die Auffassung, daß die Expertenkommission nur Fach- und Sachfragen klären kann. Sie kann die politische Verantwortung nicht klären. Und der Herr Bundesminister für Justiz und die ermittelnden Justizbehörden können nur die strafrechtlich relevanten Aspekte klären. Sie können nicht die politische Verantwortung klären. Das kann ganz allein dieses Haus. Und deshalb bedarf es eines Untersuchungsausschusses in dieser Sache, und zwar besser heute als morgen, Herr Abgeordneter. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Zuerst die Fakten auf den Tisch! – Abg. Schwarzenberger: Ein Minister kann im Gegensatz zur Opposition nicht mit Verdächtigungen an die Öffentlichkeit gehen!)

Wenn der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten – ich nehme an, diesen meinen Sie jetzt – nicht mit Verdächtigungen und nicht mit Gerüchten an die Öffentlichkeit gehen kann, dann frage ich mich, warum es dann Herr Bundesminister Farnleitner war, der gleich als erstes, und zwar live in die Kamera, gesagt hat: Die Natur hat dieses Bergwerk geschlossen. Der Herr Bundesminister für Justiz hat heute gesagt, es habe nie ein Zweifel darüber bestanden, daß alle Unterlagen sofort vorgelegt worden sind, also, so nehme ich an, auch dem Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten. (Ruf bei der ÖVP: So naiv kann man doch nicht sein!) Aber dieser stellt sich vor die Kamera und sagt: Die Natur hat dieses Bergwerk geschlossen. – Heute wissen wir, daß das falsch ist. Das war die Unwahrheit – wie in vielen anderen Fällen in der Folge auch. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Nun komme ich zum zentralen Punkt der heutigen Debatte, was die Expertenkommission angeht, und zwar zu einem Entschließungsantrag, den Sie auch in Händen halten, denn wir sehen es einfach als indiskutabel an, daß der Herr Bundesminister bis an die Grenzen gehend unter Ausnützung des EU-Rechts sagt, er möchte eine Expertenkommission. Er bekommt seine Expertenkommission, aber bis heute liegt der Auftrag, nach dem diese Expertenkommission vorzugehen hat, nicht vor. Und Herr Eggehard Rother, welcher der Leiter dieser Kommission ist, hat auf Journalistenanfragen gesagt, er hätte diesen Auftrag auch nur mündlich bekommen, er könne daher keine genauen Auskünfte darüber geben. Aber wir – und Sie ja offenbar auch – halten das für den entscheidenden Punkt. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Barmüller und weiterer Abgeordneter betreffend Offenlegung des an die internationale Expertenkommission ergangenen Prüfungsauftrags zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, eine abschließende Beurteilung der politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing dadurch sicherzustellen, daß die möglichst umfassende Sachverhaltsdarstellung der eingesetzten Expertenkommission jedenfalls Auskunft gibt hinsichtlich:

1. des Niveaus der Sicherheitsstandards in österreichischen Bergwerken sowie eines Vergleichs mit dem Stand der Technik in anderen EU- und OECD-Ländern;

2. einer Darstellung aller geologisch und bergmännisch relevanten Umstände, die zum ersten Wasser- und Schlammeinbruch am 17. Juli 1998 um 11.45 Uhr und zur Verschüttung des Bergmannes Georg Hainzl geführt oder auch nur dazu beigetragen haben, sowie eine Aufzählung und Beschreibung aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, die diesen Wasser- und Schlammeinbruch vorhersehbar, begrenzbar oder verhinderbar machen hätten können;

3. einer Darstellung aller geologisch und bergmännisch relevanten Umstände, die zur Verschüttung von zehn weiteren Bergleuten am 17. Juli 1998 um ca. 22 Uhr geführt haben, sowie eine Aufzählung und Beschreibung aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, die diesen Wasser- und Schlammeinbruch vorhersehbar, begrenzbar oder verhinderbar machen hätten können, sowie einer Aufzählung und Beschreibung aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, die zur Erhöhung der Sicherheit der eingesetzten Bergleute ergriffen werden hätten können und jener, die ergriffen werden hätten müssen;

4. einer Überprüfung aller organisatorischen, logistischen und kommunikativen Maßnahmen im Zusammenhang mit den Rettungs- und Bergungsversuchen ab dem Schlamm- und Wassereinbruch am 17. Juli 1998 um ca. 22 Uhr, sowie einer Aufzählung und Beschreibung aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, die zur Erhöhung der Sicherheit der verschütteten Bergleute ergriffen werden hätten können und jener, die ergriffen werden hätten müssen."

*****

Das, meine Damen und Herren, ist nach Ansicht der Liberalen der Mindeststandard eines schriftlich zu formulierenden Auftrages an diese Expertenkommission, der in diesem Hause beschlossen werden muß. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wenn Sie von einer Beschlußfassung eines solchen Auftrages absehen, dann erweist sich das, was Herr Abgeordneter Kukacka hier gesagt hat, als ein abzulehnendes und zu verurteilendes Spiel, bei dem man Pietät in diesen Fragen vorgibt (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka), um in Wahrheit politische Verantwortlichkeiten, die mittlerweile auch zu rechtlichen Verantwortlichkeiten geworden sind, nicht aufklären zu müssen. Das ist in Wirklichkeit Ihr Ziel, und das ist der Grund, warum Sie permanent versuchen, die Opposition daran zu hindern, im Rahmen eines Untersuchungsausschusses die Verantwortlichkeit, die primär Herrn Bundesminister Farnleitner trifft, zu klären. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Zuerst müssen die Fakten auf den Tisch!)

Herr Abgeordneter! Wenn Sie sagen, daß die Fakten auf den Tisch müssen, so werden Sie mir doch zugestehen, daß das, was ich Ihnen soeben hier vorgelesen habe, Fakten sind. Können Sie hier erklären, daß das jene Fakten sind, die aufzuklären der Herr Bundesminister Farnleitner der Expertenkommission mitgegeben hat? – Nein! (Abg. Mag. Kukacka: ... Bericht vorlegt!) – Hören Sie auf, nach dem Übervater Europäische Union zu rufen! Das wird nichts helfen. Wir werden wohl auf die Eigenverantwortung auch dieses Hauses zurückgreifen müssen (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich dulde nicht, Herr Abgeordneter, daß Ihr Klubobmann in dieser Frage so tut, als sei das österreichische Parlament unfähig, als sei es unfähig, die Verantwortung in dieser Sache auszuleuchten, als müßten wir uns – blamabel genug! – an die Europäische Union wenden, um herauszufinden, was in Österreich falsch läuft. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Tichy-Schreder: Sind Sie ein Fachmann im Bergbau?) – Frau Abgeordnete! Ich habe mich kundig genug gemacht. (Abg. Dr. Petrovic – zu Abg. Tichy-Schreder –: In Sachen der politischen Verantwortung sind die Parlamentarier Fachleute! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Grünen und der ÖVP.)

Frau Abgeordnete! Ich werde offenbar anders vorgehen müssen, weil Sie hier nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß die sesselklebende Mentalität des Herrn Bundesministers Farnleitner nichts zu tun hat mit politischer Verantwortung. Es ist Verantwortungsflucht, die ihm in diesem Zusammenhang vorzuwerfen ist. Und ich sage Ihnen noch etwas – und das ist ein Vorwurf, kein Vorhalt, das ist ein Vorwurf in Richtung des Herrn Bundesministers Farnleitner –: Er hat hier nicht ... (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Grünen und der ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigung! Wenn das akute Bedürfnis nach Zwiegesprächen besteht, so bitte ich Sie, sich dieses Bedürfnisses draußen zu entledigen. – Danke.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (fortsetzend): Er hat nicht nur eine politische Sesselklebermentalität, sondern auch eine politische Radfahrermentalität: Nach oben buckeln, nach unten treten! Und wissen Sie warum? – Weil er, als es nicht mehr opportun war, das Berggesetz einfach mit ministerieller Weisung außer Kraft setzen wollte und seine Beamten angewiesen hat, rechtswidrig, gesetzwidrig angewiesen hat, Verfahren nicht zu Ende zu führen. Das ist eine klar gesetzwidrige Weisung gewesen. Und Sie stellen sich heute an dieses Rednerpult und sagen: Na ja, guter Minister, da kann man nichts machen, es wird ja wohl jeder verstehen, daß er, wenn er unter Druck kommt, seine Beamten rechtswidrig anweist!

Man mag ihm noch zugestehen, daß er das nicht habe wissen können, was an sich schon verquer ist, denn ein Minister muß wissen, was gegen das Gesetz in seinem eigenen Verantwortungsbereich ist, aber daß er dann auch noch jenen Beamten, die seiner gesetzwidrigen Weisung nicht Folge geleistet haben, Herr Abgeordneter, ein Disziplinarverfahren an den Hals hängt – ein Disziplinarverfahren! –, das schlägt doch dem Faß den Boden aus! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: Was hat das mit dem Unglück zu tun? Was hat das mit der juristischen Betrachtung des Unglücks zu tun? Reden Sie nicht über andere Dinge!)

Die politische Verantwortung des Herrn Bundesministers Farnleitner ist folgende:

Erstens: Es gibt ein Kontrollversagen der Bergbehörden. – Das ist unbestritten.

Zweitens: Es gibt eine Aufsichtspflichtverletzung des Herrn Bundesministers Farnleitner gegenüber den Bergbehörden, bei dem es um die Kontrolle der einzelnen Bergwerke gegangen ist.

Drittens: Es fällt in die Verantwortung des Herrn Bundesministers Farnleitner, daß auf der Ebene der Berghauptmannschaften keine Geologen tätig sind. Und eines ist mittlerweile klar: Das Unglück in Lassing wurde natürlich durch den Abbau verursacht. Das ist überhaupt keine Frage. Hätte es dort keinen Abbau gegeben, hätte nichts einstürzen können. Aber der eigentliche Grund war vor allem die geologisch falsche Einschätzung der Situation. Das wissen Sie! Und daher ist es ein strukturelles Versäumnis, daß auf der Ebene der Berghauptmannschaften keine Geologen vorhanden sind. Diese gibt es nur in der Obersten Bergbehörde, im Ministerium. Aber dort war man zum kritischen Zeitpunkt woanders; man hat offenbar über Reisediäten geredet, aber nicht über die Kontrolle der Bergwerke. – Das ist seine politische Verantwortung! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es gibt den Vorhalt, erhoben vom stellvertretenden Leiter der Berghauptmannschaft in Leoben, daß es die Kürzungen der finanziellen Mittelzuteilungen innerhalb des Ministeriums waren, welche die Kontrollaufgaben nicht dem Gesetz gemäß wahrnehmbar gemacht haben. Das ist doch wohl ein strukturelles Versäumnis, das dem Herrn Bundesminister Farnleitner zuzurechnen ist und niemandem anderen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Gleichzeitig reden Sie von Verschwendung in der öffentlichen Verwaltung!)

Meine Damen und Herren! Ich rede überhaupt nicht davon, daß es immer wieder Halbwahrheiten und Falschheiten in der öffentlichen Kommunikation, ausgehend von Herrn Bundesminister Farnleitner, gegeben hat und daß dies wohl ebenfalls zu dessen politischer Verantwortung zu zählen ist. (Abg. Mag. Kukacka: Permanente Unterstellungen!) Nein, hier wird überhaupt nichts unterstellt. Wahr ist, daß Herr Bundesminister Farnleitner nicht nur das Berggesetz nicht vollzogen hat, so wie es dem Sinn und Zweck des Berggesetzes entspricht, sondern dann auch noch das Rechtsstaatlichkeitsprinzip durch das Opportunitätsprinzip ersetzt hat.

Als die Wellen der Empörung über das Unglück in Lassing so hochgeschwappt sind, daß die Kritik am Berggesetz auch hörbar geworden ist und nicht mehr nur hier im Hohen Haus anläßlich der Novellen zum Berggesetz diskutiert und von der Opposition vorgetragen worden ist, hat er sich gleich dahin geflüchtet, eine gesetzwidrige Weisung zu geben. Das wissen Sie, und das liegt mittlerweile auf dem Tisch. Auch in der "Pressestunde" hat der Herr Minister schon zugeben müssen, daß das eine "problematische Weisung" war. Hier im Hohen Haus hat er noch erklärt, er hätte diese Weisung vor Zeugen gegeben. Wir werden sehr neugierig sein, wie das dann zu beurteilen ist.

Meine Damen und Herren! Das fällt nicht nur in den Bereich der politischen Verantwortung, das ist auch eine schuldhafte Gesetzesverletzung durch den Herrn Bundesminister. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Und schuldhafte Gesetzesverletzungen werden in dieser Republik – lesen Sie nach in Artikel 76 und in Artikel 142 B-VG! – immer noch anders geahndet, als Sie hier das offenbar wollen. Denn Sie wollen zudecken und nicht darüber reden. Aber das werden wir mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern wissen! Das sage ich Ihnen heute schon. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Was Sie betreiben, sind Menschenrechtsverletzungen!) – Ich betreibe keine Menschenrechtsverletzung.

Ich komme zur nächsten Dimension, die neu hinzugekommen ist, und das ist die rechtliche Verantwortung des Herr Bundesministers Farnleitner. Diesbezüglich kann ich Herrn Abgeordnetem Grollitsch nur sagen, er möge sich auch einmal § 205 und § 206 des Berggesetzes anschauen. Er soll das Berggesetz nicht nur mit sich herumtragen, sondern er soll es auch lesen, und zwar nicht nur die ersten Paragraphen, sondern auch die hinteren. Dann wird er hinsichtlich der Sicherheitsstandards sehen, daß es die Aufgabe des Herrn Bundesministers Farnleitner ist, per Verordnung – und das ist ein schneller Weg – die neuesten Sicherheitsstandards in den Bergwerken vorzuschreiben. Es ist seine Aufgabe, seine Ermächtigung nach dem Berggesetz, mit Verordnung vorzugehen. Er hat das nicht getan!

Es gibt Studien – diese liegen Ihnen vor und sie liegen uns vor –, die klar besagen: Das, was in österreichischen Bergwerken installiert worden ist, und zwar sowohl noch unter Herrn Bundesminister Schüssel als auch dann in der Folge unter Herrn Bundesminister Farnleitner, ist, was Sicherheitsfragen betrifft, international gesehen Substandard. Und wenn diese Studien richtig sind und es wirklich Substandard ist, dann können Sie doch nicht einfach mit ruhigem Gewissen hier sitzen und in dieser Sache nichts tun! (Abg. Dr. Puttinger: Sie sind jetzt draufgekommen?)

Der Herr Bundesminister hat ja seit Lassing auch in dieser Frage nichts weiter unternommen. Oder haben Sie gehört, daß er irgendwann einmal zu seinen Beamten gesagt hätte: Jetzt werden alle Bergwerke genauestens kontrolliert, sonst gibt es ein Disziplinarverfahren!? Er hat gesagt: Wenn jetzt noch einer redet, dann gibt es ein Disziplinarverfahren! Und wenn jemand meine rechtswidrigen Weisungen nicht befolgt, dann gibt es ein Disziplinarverfahren! – So hat er reagiert und nicht anders! Und das ist eine rechtliche Verantwortung in dieser Frage, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es kommt noch etwas hinzu: Sie wissen, daß das Übereinkommen "Arbeitsschutz in Bergwerken" von der Internationalen Arbeitsorganisation im Jahre 1995 in Genf beschlossen worden ist. Sie wissen, daß es zwei Jahre später im Ministerrat behandelt worden ist und daß Sie im Ministerrat, nachdem man von seiten der Regierung und auch der Regierungsfraktionen hier im Hause gegen eine Ratifizierung aufgetreten ist, weil das Berggesetz den hohen Sicherheitsanforderungen dieses Übereinkommens nicht entspricht, für eine Nichtratifizierung plädiert haben. Denn hätten wir es ratifiziert, hätte man das Berggesetz angleichen müssen.

Der Herr Bundesminister hat, weil er in der entsprechenden Ministerratssitzung aufgefordert worden ist, dieses Übereinkommen mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln umzusetzen, seit über einem Jahr gewußt, daß er etwas tun muß. Er hat aber über ein Jahr lang nichts in dieser Sache getan, er war über ein Jahr lang säumig! (Abg. Dr. Puttinger: Warum sagen Sie das jetzt und nicht vorher?) Er war säumig bei der Erlassung von Verordnungen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Bergleuten. Und wenn Sie das mit Gleichgültigkeit betrachten, dann sage ich Ihnen: In dieser Sache ist Mäßigung schon ein Fehler, aber Gleichgültigkeit, wie Sie sie an den Tag legen, ist ein politisches Verbrechen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: Wissen Sie, was ein "politisches Verbrechen" ist? – Daß Sie hier im Nationalrat jemanden eines "politischen Verbrechens" beschuldigen! Warum sagen Sie das jetzt und nicht früher? Wie glauben Sie, daß Sie umgehen können mit allen, die hier sitzen? Ich lasse mich so nicht nennen!)

Meine Damen und Herren! Wenn es Ihnen in dieser Sache darum geht, die Fakten auf den Tisch zu bringen, Herr Abgeordneter Kukacka, dann reden Sie hier nicht schön, dann mauern Sie nicht für einen Minister, der es nicht mehr verdient. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß der Expertenauftrag bisher unterschiedlich formuliert worden ist, und zwar von Herrn Bundeskanzler Klima anders als von Herrn Wirtschaftsminister Farnleitner! Ich sage Ihnen: Sie werden nicht umhinkommen, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. Sie sind herzlich dazu eingeladen!

Wenn Sie, Herr Abgeordneter, hier durch lautstarkes Argumentieren (Abg. Tichy-Schreder: Das sind Sie, Herr Abgeordneter Barmüller!) nicht auf den Punkt kommen wollen, so ist das Ihr Problem. Ich sage Ihnen: Dieser hinter mir auf der Regierungsbank sitzende Mann ist politisch und rechtlich mitverantwortlich für das Ausmaß des Unglücks von Lassing! Und das muß aufgeklärt werden! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Sie wissen genau, daß Sie das nur sagen dürfen, weil Sie Immunität besitzen! – Abg. Mag. Barmüller – das Rednerpult verlassend –: Ich habe ihm keinen strafrechtlich relevanten Vorwurf gemacht! – Abg. Schwarzenberger: Sie mißbrauchen die Immunität! – Abg. Mag. Barmüller: Ich mißbrauche die Immunität gar nicht! – Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. – Abg. Mag. Barmüller: Dann soll er doch klagen!)

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht. (Weitere Rufe und Gegenrufe.)

Ich bitte, diese Zwischenrufe und diese Diskussionen hier einzustellen! (Ruf bei der SPÖ: "Politisches Verbrechen" verdient einen Ordnungsruf!) "Politisches Verbrechen" verdient keinen Ordnungsruf. Das ist eine politische Wertung.

Im übrigen stelle ich jetzt noch einmal fest, daß der eben verlesene Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht wurde, entsprechend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch gemeldet. – Bitte.

13.38

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Barmüller hat in seiner eben gehaltenen Rede behauptet, der Justizminister habe zwei Monate vor dem Wirtschaftsminister vom Schwarzabbau gewußt.

Tatsache ist, daß der Herr Wirtschaftsminister am 16. September um 19.20 Uhr behauptete, vom sogenannten Schwarzabbau, dessen Unfallkausalität nirgends feststeht, erfahren zu haben. Da dem Herrn Justizminister die hellseherischen Fähigkeiten des Herrn Barmüller fehlen, ist es denkunmöglich, daß er zwei Monate vor diesem Termin davon Kenntnis hatte.

Wahr ist vielmehr – und das deckt sich mit meinen penibel gemachten Recherchen –, daß der Herr Wirtschaftsminister in der ersten Augustwoche über den erweiterten Abbau auf Sohle 1A Bescheid wußte. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.39

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich mache die Mitteilung, daß die Abgeordneten Dr. Grollitsch und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und zwar zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing.

Die Durchführung einer Debatte hierüber wurde nicht verlangt.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

13.39

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine Damen und Herren! Das letzte, was sich die Bevölkerung von einer Debatte zu Lassing hier im Hohen Haus erwartet, sind Kraftausdrücke, Polemik, Parteienzank und Ordnungsrufe. Ich glaube, diesbezüglich können wir einen gemeinsamen Nenner finden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte eingangs dem Herrn Bundesminister für Justiz ein Kompliment machen. Er hat hier eine Erklärung der Besonnenheit und der Kompetenz abgegeben. Er ist nicht auf inhaltliche Details eingegangen, er hat keine Wertungen vorgenommen, er hat keine Schlußfolgerungen gezogen und daher ganz wichtigen Prinzipien entsprochen: dem Prinzip der Nichtöffentlichkeit des Vorverfahrens und damit insgesamt der Unabhängigkeit der Justiz.

Herr Bundesminister! Sie haben einmal mehr dem Amt und der Sache einen guten Dienst erwiesen.

Meine Damen und Herren! Die schreckliche Tragödie von Lassing, die ja nicht der "Herrgott entschieden" hat, wie Frau Klasnic in einem fundamentalen Irrtum, ja in wirklich grenzenloser Naivität gemeint hat (Abg. Zweytick: Na bitte, das ist aber auch eine naive Aussage von Ihnen!), sondern zu der es durch menschliche Profitgier gekommen ist, wird auf vier Ebenen untersucht: Zum einen untersucht die Justiz, zum anderen eine Expertenkommission, drittens in einem bestimmten Umfang das Parlament – ich komme darauf zurück –, und de facto untersuchen auch die Medien.

Die Justiz prüft also die Ursache des Grubeneinsturzes und den Bergevorgang im Zusammenhang mit strafrechtlicher Verantwortung. – Kollege Barmüller! Für mich ist klar, was diese Expertenkommission unter Vorsitz von Herrn Rother macht, ich brauche dazu keine wissenschaftliche Arbeit. Sie untersucht fachlich, technisch und organisatorisch die Ursache dieser Bergbaukatastrophe und ob die Maßnahmen zur Rettung und Bergung richtig waren. (Abg. Wabl: Wo ist dieser Auftrag festgeschrieben?) Das liegt auf der Hand für mich, und ich denke ... (Abg. Wabl: Auf welcher Hand? Auf deiner Hand?) Kollege Wabl, wenn immer wieder auf Tempo gemacht wird von den Oppositionsparteien, sollte man meiner festen Überzeugung nach eine Kommission, die die Arbeit bereits aufgenommen hat, nicht wieder "einbremsen". (Abg. Dr. Schmidt: Was heißt hier "einbremsen"? Wovon reden Sie?)

Auf der parlamentarischen Ebene – und das ist der dritte Punkt ... (Abg. Wabl: Herr Kräuter! Wir wissen noch nicht einmal genau, wie der Auftrag lautet!) Seit gestern untersucht diese Kommission, und für mich ist der Auftrag klar, das habe ich soeben ausgeführt. (Abg. Wabl: Ja, für Sie, aber Sie sind ja nicht in der Expertenkommission! Können Sie uns das erzählen? – Abg. Dr. Petrovic: Dürfen wir ihn wissen?) Ja, für mich! Ich darf ja eine eigene Meinung im Parlament äußern, Kollege Wabl, darauf lege ich schon Wert.

Aber nun zur parlamentarischen Ebene: Hier wird ja auch in einem gewissen Umfang untersucht. Es gibt Erklärungen von Mitgliedern der Bundesregierung, heute auch des Ministers für Justiz und des Ministers für wirtschaftliche Angelegenheiten. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit einer Aktuellen Stunde, es gibt die Möglichkeit parlamentarischer Anfragen, die übrigens ja nicht nur von der Opposition eingebracht werden, sondern etwa auch von der sozialdemokratischen Fraktion.

Und auch die Medien haben eine gewisse Rolle, die ich zwar einerseits als problematisch ansehe ... (Abg. Ing. Langthaler: Ja, diese Pressefreiheit ...!) – Es ist schon problematisch, wenn streng vertrauliche Protokolle in Magazinen abgedruckt erscheinen. Andererseits haben die Medien aber auch bestimmte Verdienste, denn sie sorgen für eine gewisse Dynamik, für ein gewisses Tempo bei den Untersuchungen.

Aber nun zur Frage der politischen Verantwortung, und bitte jetzt aufzupassen, Herr Kollege Wabl: Ich bezweifle, daß die Justiz, daß die Expertenkommission, daß parlamentarische Anfragen oder Medien politische Verantwortung klären können. (Beifall des Abg. Dr. Kier. – Abg. Wabl: Ja, ja, seit zehn Jahren erzählen Sie uns das! – Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler.)

Frau Langthaler! Ich bin ganz bei Ihnen, wie Sie es gestern formuliert haben: Das klassische Instrument der Feststellung politischer Verantwortung ist der parlamentarische Untersuchungsausschuß. (Rufe bei den Grünen: Ja! Ja!) Das ist gar keine Frage. Und ich bin auch nicht bereit, einen Untersuchungsausschuß von vornherein als Scherbengericht abzuqualifizieren, wie es gestern geschehen ist. Nur, einen politisch kapitalen Fehler hat die Opposition gemacht, und dieser Fehler erleichtert das Abqualifizieren. (Abg. Wabl: Bitte um Beratung!) Es war ein grober Fehler, einen Untersuchungsausschuß und gleichzeitig den Rücktritt von Minister Farnleitner zu verlangen, denn damit setzt man sich schon dem Vorwurf der Parlamentsjustiz aus; dieser ist nicht ganz unberechtigt. (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler.)

Frau Kollegin Langthaler! Wenn Vorerhebungen der Justiz stattfinden und zugleich ein Untersuchungsausschuß untersucht und den Schuldigen schon gefunden hat, hat das inquisitorischen Charakter, darüber kann man nicht hinwegtäuschen. Und die Grünen und das Liberale Forum (Abg. Mag. Barmüller: Das sind doch verschiedene Ebenen!) – Herr Kollege Barmüller, ich komme gleich zu Ihnen –, die ja sonst mit Rechtsgrundsätzen ... (Abg. Wabl: Herr Kräuter! Sie erzählen uns ja, nach der Wahl müssen wir untersuchen! Was glauben Sie, wann das Gerichtsverfahren zu Ende ist?) Nein, nein, Kollege Wabl, nicht nach der Wahl! (Weitere Zwischenrufe.)

Kollege Barmüller, Kollege Wabl, die Liberalen und die Grünen gehen an sich recht sorgfältig und verantwortungsbewußt mit Rechtsgrundsätzen um. Ich bitte, einmal nachzudenken: Soll man wirklich Grundsätze, wie Artikel 6 Menschenrechtskonvention, "fair trial" und so weiter, am Altar des Oppositionseifers opfern? Besonders der Jurist Barmüller ist hier gefährdet. Rechte im Strafverfahren – ich zitiere jetzt aus der Rechtswissenschaft (Abg. Wabl: Herr Kräuter, Herr Kräuter! In welcher Partei sind Sie?) –, Rechte im Strafverfahren können durch vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen gemachte Aussagen illusorisch gemacht werden. – Rechte im Strafverfahren können illusorisch gemacht werden!

Meine Damen und Herren! Eine Entscheidung über einen Untersuchungsausschuß ist jedenfalls eine rechtliche und rechtspolitische Güterabwägung.

Und jetzt zur Frage: vor der Wahl, nach der Wahl, Untersuchungsausschüsse: Noch heuer wird die Justiz die Vorerhebungen abschließen, wird die Expertenkommission einen Bericht vorlegen, und dann ist der Zeitpunkt gekommen, die Entscheidung über einen Untersuchungsausschuß zu treffen. Und für mich wird die Kernfrage bei dieser Entscheidung sein: Sind Umstände der politischen Verantwortung offengeblieben?

Übrigens: Es gibt auch noch einen ganz pragmatischen Grund, einen Bericht einer Expertenkommission abzuwarten. Wie beginnt denn beispielsweise ein Unterausschuß des Rechnungshofes oder ein Untersuchungsausschuß im Parlament zu arbeiten? – Natürlich mit einer Ausgangsexpertise, die ja dann die Basis für weitere Untersuchungen ist. Und niemand kann bestreiten, daß sich der Bericht der Expertenkommission als Grundlage für den Untersuchungsausschuß eignen würde.

Meine Damen und Herren! Für mich als steirischen Politiker, der ich doch etwas näher am Geschehen bin, sind natürlich Fragen der politischen Verantwortung von Minister Farnleitner, aber auch von Landeshauptfrau Klasnic von Interesse. Im Zusammenhang mit Landeshauptfrau Klasnic ist sicher auch einiges aufklärungsbedürftig, was diesen ganzen Prozeß der Rettung und Bergung betrifft. (Abg. Zweytick: Weil sie römisch-katholisch ist? Sie hat das Recht, daß sie glaubt!) Keine Nervosität, ich werde das gleich ausführen! Ich verurteile jetzt nicht, Kollege Zweytick, ich bleibe ganz sachlich.

Die Frage ist: Wann hat Klasnic welche Zuständigkeit gehabt? Wann hat sie welche Zuständigkeit überschritten? Wann hat sie welche Handlungen gesetzt? Wann muß sie Unterlassungen verantworten? Ich verurteile überhaupt nichts, sondern es geht um vollständige Aufklärung, wie sie auch immer lauthals der ÖVP-Klubobmann im Steiermärkischen Landtag verlangt.

Angesichts von APA-Meldungen, wonach sich zum Beispiel am 18. Juli der Bundespräsident angesichts des furchtbaren Grubenunglücks telefonisch mit Landeshauptfrau Klasnic als Leiterin des Krisenstabs in Verbindung gesetzt hat, muß man schon auch hinterfragen, in welcher Form und wie das geschehen ist.

Oder: Im Zusammenhang mit der Bergung Georg Hainzls war Klasnic nach Angaben ihres Büros – nach Angaben ihres Büros! – maßgeblich daran beteiligt, daß nicht erst noch eine Besprechung der Einsatzleitung abgehalten wurde, sondern sofort mit der Bergung begonnen wurde.

Oder: Im "Kurier" vom 14. August heißt es: Genaugenommen hat meine Kompetenz vor der Absperrung in Lassing geendet, sagt Waltraud Klasnic. Die Landeshauptfrau der Steiermark war dennoch nicht zu bremsen. Sie ordnete in Überschreitung ihrer Zuständigkeit weitere Bohrungen an und nahm ungebeten an Krisensitzungen teil. – Es ist ja wohl klar, daß, wenn man alle Vorgänge und Umstände berät, die mit der Rettung und Bergung zusammenhängen, diese auch mit der Landeshauptfrau besprochen werden müssen. Meiner Ansicht nach ist eine Klärung der Frage der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Problemkreis Rettung und Bergung nur mit der Frau Landeshauptfrau Klasnic möglich.

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Lassen wir Justiz und Expertenkommission zwei, drei Monate in Ruhe arbeiten und entscheiden wir dann auf Basis dieser Berichte die Frage des Untersuchungsausschusses. (Abg. Zweytick: Warum beschuldigst du dann die Klasnic?) Wenn – und ich komme zum Schluß – nach dem Bericht der Expertenkommission, nach der Sachverhaltsdarstellung der Justiz Fragen der politischen Verantwortung offenbleiben, dann ist eine Diskussion über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Pflicht des Hohen Hauses, dann ist eine Diskussion über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch ein Recht der Verunglückten, der Familien und der Öffentlichkeit. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Barmüller: Was ist die Fragestellung, die die Expertenkommission aufzuklären hat?)

13.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.50

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Abgeordneten Kukacka und Kräuter haben sich gegen Vorverurteilungen, gegen Politjustiz ausgesprochen. Ich habe niemanden gehört, auch nicht von der SPÖ, der dieselben klaren Worte in Richtung des Konzerns, also gegenüber Luzenac und Rio Tinto, verwendet hat, die ganz massiv zu Vorverurteilungen greifen, Menschen unter Druck setzen, die die Angehörigen der Verunglückten mit ziemlich unverhohlenen Drohungen zu bewegen versuchen, sich nicht anwaltlich vertreten zu lassen.

Ich zitiere Ihnen wörtlich, Herr Abgeordneter Kräuter, aus jener Besprechung mit den Angehörigen, die in Graz am 17. September stattgefunden hat, bei der Herr Talmon – von Luzenac – wörtlich gesagt hat, alleinverantwortlich sei der Betriebsleiter Schmidt. Dieser habe ihn seit drei Jahren angelogen, das Motiv könne er – Talmon – sich nicht erklären. Und Talmon weiter: Schmidt hat das allein gemacht, er hat das vor uns versteckt. Und Talmon läßt dann über den Rechtsanwalt des Unternehmens, über Herrn Dr. Lansky, auch berichten, daß jene zehn Leute, die verschüttet worden sind, keinen Arbeitsauftrag gehabt hätten, das Unternehmen hätte damit nichts zu tun, es sei nicht um die Rettung der Grube gegangen – so Talmon. – Keinen Arbeitsauftrag!

Und die Frage, was sie denn dort hätten tun sollen, warum die zehn denn dort "spazierengegangen" sind, wird wieder mit dem Hinweis auf die Familie, in der man sich doch nicht so üble Sachen nachsagen solle, beantwortet. – Ganz unverhohlene Drohungen!

Wo sind Sie da, Herr Abgeordneter Kräuter, wo ist da die SPÖ? Sind das nicht viel massivere Vorverurteilungen, sollten Sie nicht gerade dagegen klare Worte finden? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Hier geht es überhaupt nicht um Vorverurteilungen, und hier geht es auch überhaupt nicht um das Strafrecht. Niemand nimmt an, daß der Herr Bundesminister irgendeinen Auftrag gegeben hat, Unterlagen verschwinden zu lassen oder zu ändern oder sonst etwas. Niemand nimmt an, daß er strafrechtlich verantwortlich ist, aber politisch trägt er eine massive Verantwortung, und diese aufzuklären, dazu ist dieses Hohe Haus nach der Verfassung berufen. Wenn Sie verhindern, daß über Jahre irgendein derartiger Auftrag von diesem Hohen Haus wahrgenommen werden kann, dann bewegen Sie von den Regierungsfraktionen sich hart an der Grenze der Verfassung. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe aber ein paar sehr konkrete Fragen an den Herrn Justizminister. – Herr Bundesminister für Justiz! Sie sprechen davon, daß der Schwarzabbau, der nicht genehmigte Abbau frühzeitig bekannt gewesen sei, und daß es zumindest eine Mitkausalität für den Einsturz geben dürfte. – Meine Frage lautet: Wann haben Sie das dem Wirtschaftsminister, den Rettungsbehörden, den Bergeteams mitgeteilt?

Das ist erheblich, Herr Bundesminister, denn es hat auch Herr Abraham sehr deutlich gesagt: Die Rettungsteams hatten am Anfang keine korrekten Pläne. Die Rettungsteams – auch Abraham, und das hat er mehrfach medial mitgeteilt – hatten Pläne aus dem Jahre 1994, in denen das Scheibensystem 1 A, 1, 2, 3 nicht eingezeichnet war. Damit befanden sich aber die Rettungsteams, die Helfer der Freiwilligen Feuerwehren, die Vermesser, das Team rund um Herrn Dipl.-Ing. Pilsinger in akuter Lebensgefahr, und die war dann, als man diese Pläne zwar teilweise hatte, sie aber nicht hergegeben hat, vorsätzlich verursacht und nicht mehr fahrlässig. Es ist ganz klar, daß einige frühzeitig von den nicht genehmigten Abbauten wußten, es ist aber ebenso klar und evident, daß die im Bereich der Pinge tätigen Rettungsteams dies nicht wußten und sich damit in akuter Lebensgefahr befanden.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie um Aufklärung, denn es war ein Verbrechen, das noch nicht abgeschlossen war, im Gange, es waren immer wieder neue Menschen in Gefahr, und daher meine Frage an Sie: Wann genau haben Sie davon erfahren, wann haben Sie es weitergeleitet, und inwieferne haben Sie sichergestellt, daß sich die Rettungsteams nicht in einer permanenten Gemeingefährdung befanden?

Meine zweite Frage an Sie, Herr Bundesminister: Wer hat das Kommando geführt? Denn das wird wohl sehr erheblich sein auch bei der Beurteilung der Frage, gegen wen sich ein Tatverdacht zuspitzt, und wenn Sie noch im Oktober hier antworten wollen, scheint es diesbezüglich Vermutungen zu geben. Auch die Frage einer möglichen Flucht- und Verdunkelungsgefahr kann nur so beurteilt werden.

Sie schreiben auf Seite 3 Ihrer Ausführungen: Wenn sich verläßlich herausgestellt haben wird, wie die Verantwortungsbereiche gelagert sind, werden sich die jeweils Tatverdächtigen konkretisieren lassen. So wie ich den § 203 Berggesetz lese, sind die Verantwortungsbereiche sehr eindeutig: Sie lagen nämlich bei der Bergbehörde, nur wurden sie nicht wahrgenommen.

Herr Bundesminister! Ich denke, diese Form der Konkretisierung, daß Sie auf Basis des geltenden Rechtes uns auch mitteilen, wer denn das Kommando geführt hat, wer denn zur Verantwortung zu ziehen sein wird, ist durchaus möglich. Ich glaube, das können Sie ohne irgendeine Gefährdung der laufenden Ermittlungen tun, denn das liegt alles in der Vergangenheit.

Herr Bundesminister! Ich habe eine dritte Frage an Sie. Es gibt massive Widersprüche zwischen den Ausführungen von Minister Farnleitner und den Ihren. Sie haben das zwar heute im Rahmen Ihres Referats ein wenig zu erklären versucht, nämlich in der Form, daß Farnleitner sich zwar bei Ihnen gemeldet habe, daß das aber sehr wohl dazu geführt hat, daß der Betriebsleiter Schmidt erst später vernommen worden sei.

Herr Bundesminister! Wenn es so ist, daß, jedenfalls was die nicht genehmigten Abbautätigkeiten betrifft, eine strafrechtliche Verantwortung im Bereich des Naintsch-Werkes, bei den dort verantwortlichen Personen, zu prüfen sein wird: Haben Sie es dann nicht auch mit begünstigt, daß eine Person, die zumindest zum Kreis der Tatverdächtigen gehört, weiter bei Handlungen beschäftigt ist, die auch der Beweissicherung dienen können? Ist es denn nicht sehr ungewöhnlich, tatverdächtige Personen mit der Beweissicherung zu beauftragen, ohne vorher sicherzustellen, daß ein nachträgliches Verändern, eine andere Darstellung nicht mehr möglich ist?

Und noch eine Frage habe ich, und ich spreche hier von der Phase der Rettungsarbeiten unmittelbar nach dem 17. Juli, als noch die große Hoffnung bestand, nicht nur den Georg Hainzl, sondern vielleicht auch andere retten zu können: Wieso dauerte es drei Tage, vom 18. Juli bis zum 21. Juli, bis man feststellte, daß Herr Czubik befangen ist? Ich denke mir, es läßt sich doch in Minuten klären, daß er mit in dieser Leobener "Partie" involviert ist. Warum dauert das drei Tage, drei Tage, in denen Menschen, insbesondere Georg Hainzl, auf Rettung warteten?

Wieso nimmt man auch mittlerweile noch immer nicht jene Hinweise ernst, die wir x-fach in der Öffentlichkeit dargestellt haben, denen zufolge auch weitere Personen, die dort tätig sind, etwa Prof. Golser, befangen sind? Ich rede gar nicht von seiner Mitgliedschaft in schlagenden Verbindungen, zusammen mit Leuten aus der Berghauptmannschaft, sondern ich rede ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich weiß, daß Ihnen das weh tut, denn mit diesem Kreis sind Sie intensiv "verhabert", und das wird auch aufzuklären sein! (Beifall bei den Grünen.)

Ich rede nicht nur von den schlagenden Leobener Männerbünden, ich rede vor allem von Golsers Tätigkeit im Auftrag der Naintscher Werke nach dem ersten Unglücksfall, der im Jahre 1977 eingetreten ist. Golser hat im Auftrag des Unternehmens jenes Magerbetonverfüllungsverfahren entwickelt, das möglicherweise, so sagen Experten, für einen scheibenhaften Abbau ungeeignet ist. Halten Sie es wirklich für weise, daß jemand, der dort im Auftrag des Unternehmens tätig war und Verfahren entwickelt hat, jetzt im Rahmen der Ausarbeitung von Bergungsvarianten beschäftigt ist?

Ich halte das für eine klassische Unvereinbarkeit. Daher brauchen wir gar nicht bis zu den schlagenden Verbindungen, die übrigens ein bezeichnendes Licht auf dieses ganze Umfeld werfen, zurückzugreifen. (Abg. Dr. Ofner: ... den Grünen!) Ja, offenbar haben sich Ihre Auffassungen ja auch sehr deutlich geändert (Abg. Dr. Ofner: ... aber das paßt nicht hinein!) – wir kennen ja Ihre Auffassung von politischer Verantwortung –, je nachdem, wen Sie stützen wollen.

Aber in bezug auf die Rolle der FPÖ hat sogar Minister Farnleitner klare Worte gefunden. Am Anfang, am 24. Juli, sagte er – Farnleitner – noch, hier seien hervorragende Experten am Werk. In der "Pressestunde" vom 27. September klingt das schon ein bißchen anders. Farnleitner sagte damals im O-Ton in der "Pressestunde": Das ist eine Berghauptmannschaft, in der drei Leute wissen, was offenbar passiert ist – seit jenem Dienstag, seit diesem Gespräch. Der eine geht zu "NEWS" und berichtet, was da gelaufen ist. Der zweite fährt in den FPÖ-Klub und informiert offenbar seine Abgeordnetenkollegen (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), und der dritte findet es nicht einmal der Mühe wert zu informieren – das ist nämlich der Berghauptmann.

Herr Bundesminister! Wissen Sie auch, wer in den FPÖ-Klub gefahren worden ist und ob das vielleicht auch mit den Leobener schlagenden Verbindungen etwas zu tun hat? (Zwischenrufe der Abgeordneten Rosemarie Bauer, Ing. Langthaler und Dipl.-Ing. Schöggl.) Das ließe natürlich die etwas merkwürdige Haltung der FPÖ, die sonst immer so auf Aufklärung erpicht ist, in einem sehr bezeichnenden Licht erscheinen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ich komme zu einem vierten Punkt, der beide Bundesminister als Mitglieder der Bundesregierung betrifft. Wie gesagt, ich hoffe, es können meine drei zunächst gestellten Fragen beantwortet werden: Wann wurde informiert? Wer hat das Kommando geführt? Wer hätte es nach dem Gesetz führen müssen? Und wie war denn das mit den Interventionen und mit den Unvereinbarkeiten und mit den Plänen und den Plankopien? Darauf würde ich mir schon eine Antwort erwarten. Ich habe aber noch eine Frage, nämlich in bezug auf das Gesetz.

Zum einen ist es schon sehr bezeichnend, daß nicht einmal jetzt, nicht einmal dann, wenn etwas passiert ist, seitens der Regierungsfraktionen die Bereitschaft besteht, dieses Gesetz mit allen Fraktionen zu diskutieren. Warum ist denn jetzt im Zuge eines Verbrechens, im Zuge einer Katastrophe sogar die Gesetzwerdung zu einem geheimen Verfahren, zu einem Kryptoverfahren gemacht worden? Warum dürfen wir denn das nicht wissen? Wir stellen seit dem Jahre 1992 kontinuierlich Anträge zur Änderung des Bergrechts: Anträge auf Einbindung der Gemeinden, auf Parteienstellung der Anrainerinnen und Anrainer, auf Demokratisierung dieser Rechtsmaterie.

Was wir jetzt hören, in den Gazetten lesen, das gibt uns sehr zu denken, nämlich daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten – dieser Bundesminister, der das Parlament falsch informiert hat (Abg. Zweytick: Das ist eine Unterstellung!), der nicht in der Lage war, seine Behörden zu koordinieren (Abg. Zweytick: Das ist eine Unterstellung!), der beklagt, daß sie eher zum FPÖ-Klub rennen als zu ihm – bei den klassischen Bergwerken erste und letzte Instanz in Zukunft sein soll. – Das halte ich für keine kluge Lösung, wenn das jetzt noch so in der Gesetzesvorlage steht, ich weiß es ja nicht.

Ich habe diesbezüglich auch eine Frage an den Justizminister. Ein Problem oder wahrscheinlich das Sicherheitsproblem in Lassing schlechthin war, daß das Werk, die Werksleitung und die Bergbehörde dem immer massiveren ökonomischen Druck von Rio Tinto und Luzenac nachgegeben haben. Wo man gespart hat, das war bei der Sicherheit: Es gab keinen Markscheider im Werk. Der Markscheider ist jene Person, die für das Bergkartenwerk verantwortlich zeichnen sollte. Das Gesetz widmet dem Markscheider einen eigenen Abschnitt, und es ist im Gesetz völlig eindeutig erkennbar, daß die Funktion des Betriebsleiters und die Funktion des Markscheiders unvereinbar sind. Das ist der klare Wille und Auftrag des Gesetzgebers. Nur, es gab in Lassing seit 1994 keinen Markscheider. Das hat Ihre Behörde gewußt, Herr Bundesminister, denn sie hat die Ablehnung ausgesprochen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das ist unglaublich!) Meine Frage ist jetzt: Steht das jetzt auch noch im Gesetz drinnen, daß der Markscheider in Hinkunft nicht einmal mehr von der Behörde bestellt werden soll, das heißt, daß völlig freie Bahn für die Konzerne à la Rio Tinto herrscht? Das hielte ich ja für eine geradezu wahnwitzige Lösung, wenn Sie das wirklich so im Gesetz stehen haben. Im Gesetzentwurf der Regierung vom Sommer war es so vorgesehen.

Darf ich Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, wie Sie geschrien haben, als ich in den Medien sagte, das sei ein Bergbau im Blindflug. Damals sprachen Sie auch von Vorverurteilung. Durch die Aussagen des Betriebsleiters, die er gegenüber "NEWS" getätigt hat, wird meine Behauptung voll und ganz bestätigt. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer). Jetzt haben Sie es schwarz auf weiß, Frau Abgeordnete Bauer (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer), aus dem Mund des Betriebsleiters: "Das klingt zwar jetzt unglaubhaft, aber wir haben nie gemessen, wie hoch wir sind. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie groß oder klein der Abstand zwischen Sohle 1A und der Erdoberfläche war. Wir haben nie in absoluten Höhen gerechnet, wir haben immer nur die Höhen zwischen den Sohlen berechnet."

Herr Bundesminister! Es war Ihre Aufgabe – Ihre Aufgabe! –, dafür Sorge zu tragen, daß die verantwortlichen Funktionen nach dem Bergrecht besetzt sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Zweytick und Wurmitzer.) Meine Frage an Sie: Wie sind Sie Ihrer Verantwortung nachgekommen? Und vor allem: Lassing ist jetzt ein Kriminalfall, Lassing wird untersucht, und ich garantiere Ihnen, Lassing wird auch im Hinblick auf die politische Verantwortung in diesem Haus untersucht werden. Das werden Sie nicht aussitzen, das werden Sie nicht verhindern können! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Frage an beide Minister, insbesondere an den Justizminister, lautet aber: Sind nicht alle österreichischen Bergleute und die Nachbarn von Bergwerken in der Situation einer fortgesetzten Gemeingefahr? Wer hat seit dem 17. Juli überprüft, ob die verantwortlichen Funktionen nach dem Bergrecht, insbesondere die Funktion des Markscheiders, in jedem Bergwerk korrekt und dem Gesetz entsprechend besetzt ist? Wer hat überprüft, ob es ein Bergkartenwerk im Sinne der Markscheideverordnung auf Millimeter genau vermessen gibt? Oder ist es überall so wie in Lassing, daß keine Messungen durchgeführt werden?

Ich kann mich gut daran erinnern, als damals die Wiener Reichsbrücke einstürzte, gab es nicht nur einen SPÖ-Stadtrat, der damals die politische Verantwortung übernommen hat – Stadtrat Hoffmann – und sofort zurückgetreten ist. Er, der dieses Unglück sicherlich auch zutiefst bedauert hat, hat gehandelt. (Abg. Rosemarie Bauer: Die Leute haben jahrzehntelang darüber gelacht!) Es ist aber noch etwas passiert: Man hat am Tage nach diesem Unglücksfall damit begonnen, alle österreichischen Brücken zu überprüfen – und das sind ein bißchen mehr als die Bergwerke, die wir in Österreich haben. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer.) Man hat am Tag nach diesem Unglück überprüft, ob nicht weitere Gefährdungen bestehen. Das scheint Sie von der ÖVP natürlich wenig zu interessieren. Sie haben ja die Sicherheit in Österreichs Bergwerken immer sabotiert und behindert. (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum. – Abg. Zweytick: Das ist eine Unterstellung! – Abg. Rosemarie Bauer: Das sind nur Unterstellungen!) Ich frage Sie jetzt in aller Form: Was ist seit dem 17. Juli passiert?

Es wird von der Vergangenheit her die politische Verantwortung aufzuklären sein. Aber ich frage Sie auch, Herr Bundesminister Michalek: Können Sie hier und heute garantieren, daß nicht wie im Lavanttal und wie in Lassing auch in anderen Bergwerken eine fortdauernde Gemeingefährdung aufrechterhalten wird und Menschen in permanenter Lebensgefahr sind, weil die Behörden schlafen und weil es einen Minister gibt, der seine Verantwortung nicht wahrnimmt (Abg. Zweytick: Das ist nicht wahr!) und nicht mehr in der Lage ist, dieses Ressort zu führen? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Zweytick: Das ist nicht wahr! Dieser Minister nimmt seine Verantwortung wahr, Frau Petrovic!)

14.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.09

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! So wie den Verlauf dieser Debatte stelle ich mir die Vorgangsweise in Zeiten der Inquisition vor. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rosemarie Bauer: Ja! – Abg. Schwarzenberger: Ja, genau so! – Abg. Wabl: Frau Abgeordnete! Frau Abgeordnete!) Herr Kollege Wabl! Selbst Abgeordneter Kräuter hat in einem luziden Augenblick erkannt, daß Ihr Begehren einen schweren Dissens beinhaltet. (Abg. Wabl: Selbst Herr Kräuter hat es erkannt!) Selbst er hat erkannt, daß Sie Ankläger, Richter und Berufungsinstanz in einer Person darstellen wollen. (Beifall bei der ÖVP.) Selbst Kräuter hat das erkannt. Und das heißt schon etwas. (Abg. Mag. Barmüller: Frau Abgeordnete, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

Herr Kollege Barmüller! Selbst Abgeordneter Kräuter hat erkannt, daß Ihr Begehren nach einem Untersuchungsausschuß insofern keinen Sinn macht, als man für einen Untersuchungsausschuß die Berichte der Kommission benötigt. (Abg. Wabl: Hat Kräuter den Intelligenztest nicht bestanden?) Denn selbst Abgeordneter Kräuter hat erkannt, daß er weder Geologe noch Hobbyexperte ist, und selbst er ist sich darüber im klaren, daß wir die Expertenberichte brauchen würden, sollten wir zur Erkenntnis kommen, daß wir einen Untersuchungsausschuß benötigen. Selbst er hat das erkannt. (Abg. Mag. Barmüller: Welche Fragen soll denn die Kommission stellen? Kennen Sie den Auftrag, Frau Abgeordnete? Wie lautet der Auftrag der Expertenkommission? – Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.) Danke, Kollege Kukacka, für den Beistand!

Herr Kollege Barmüller, glauben Sie (Abg. Wabl: Diese Arroganz verstehe ich nicht mehr!), daß Sie den Sicherheitsstandard als Abgeordneter überprüfen werden können? (Abg. Mag. Barmüller: Das ist doch die Mindestbeurteilung!) Oder glauben Sie nicht vielleicht doch, daß Sie die Berichte der Experten benötigen? (Abg. Dr. Petrovic: Das Gesetz können wir lesen! Und der Herr Bundesminister hat das Gesetz verletzt!) Oder glauben Sie, daß Sie beurteilen können, ob die Maßnahmen zur Bergung in dieser Form, wie sie geleistet wurden, gerechtfertigt waren, ob das Wie und Wo und Wann gerechtfertigt waren? Oder glauben Sie vielleicht nicht doch, daß Sie das Know-how der Experten benötigen werden? (Abg. Dr. Petrovic: Das Gesetz können wir lesen, und das ist verletzt worden! – Abg. Mag. Barmüller: Das ist derselbe Maßstab! – Abg. Schwarzenberger: Lesen schon, aber nicht verstehen!) Wie auch immer, es findet hier eine Politjustiz statt, der wir niemals werden beipflichten können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen aus Ihrem Heimatblatt, der zweitgrößten Tageszeitung Österreichs, der "Kleinen Zeitung", zitieren, es ist nur ganz kurz ... (Abg. Wabl: Wir sind hier nicht auf einer Bauernbundversammlung!) 

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Wabl und auch andere Abgeordnete! Unterlassen Sie bitte während der Rede eines Abgeordneten Ihre Debatten. Das Wort "Debatte" kommt zwar in der Geschäftsordnung vor, ist aber ganz anders gemeint, als Sie das jetzt offenbar im Auge haben. (Abg. Wabl: Danke für die Rüge, Herr Präsident!) – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (fortsetzend): Herr Kollege Barmüller! Sie werden dieses Zitat in der "Kleinen Zeitung" vielleicht noch in Erinnerung haben. Es betrifft Ihre Person und wirft ein Licht auf die gesamte liberale Fraktion. Ich zitiere: Es ist schon ziemlich originell, wenn ein liberaler Politiker öffentlich nach der Untersuchungshaft ruft. Bekanntlich ist für das Liberale Forum die persönliche Freiheit eines Menschen unantastbar. – Zitatende.

Ich erinnere an Ihre Argumentation beim Lauschangriff, ich erinnere an Ihre Argumentation beim Kruzifix und, und, und. Aber auch hier wird einmal mehr dokumentiert und bewiesen, daß Ihnen die persönliche Freiheit, die Unschuldsvermutung und der Schutz vor Vorverurteilungen nur in Sonntagsreden ein Anliegen sind. (Abg. Mag. Barmüller: Die Frau Abgeordnete weiß, daß das die Unwahrheit ist! Sie zitiert einen Kommentar ...! Daß Sie das noch verbreiten, wirft ein Licht auf Sie!)

Meine Damen und Herren! Zur Beurteilung der Katastrophe von Lassing und vor allem der daraus zu ziehenden richtigen Konsequenzen brauchen wir sachliche, lückenlose, vollständige und umfassende Aufklärung (Abg. Dr. Petrovic: Wenn es um Menschenleben geht, hört es sich auf ...!) und nicht, Frau Abgeordnete Petrovic, Verdächtigungen und unbewiesene Schuldzuweisungen. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist im Gesetz, bitte! Wenn Sie das Gesetz einmal lesen! – Abg. Dr. Schwimmer: Es kommt auf die richtige Interpretation an!) Da ist mein Vertrauen in die internationale Expertenkommission und in die Justiz größer als in Privatdetektive der Marke Wabl oder in Hobbygeologen der Marke Barmüller oder in eine selbsternannte Expertin wie Frau Dr. Petrovic. (Abg. Wabl: Sie verstehen davon gar nichts, leider!)

Nein, ich verstehe immer noch mehr als Sie, denn Sie hätten zum Beispiel wissen müssen (Abg. Wabl: Sie haben wenig Respekt vor der Verfassung, Frau Frieser!), da Sie doch auch Mitglied der Präsidiale sind, daß der Bundesminister für Justiz, dem ich herzlich für seinen Bericht danke, nicht über ein laufendes Verfahren berichten darf. (Abg. Wabl: Die Verfassung ist Ihnen fremd! Sie können nur die Steuergesetze lesen!) Sie haben diesen Antrag auf Berichterstattung lediglich aus dem Grund gestellt, um einmal mehr auf Kosten der Opfer von Lassing einen Showdown zu inszenieren. Dafür werden Sie uns nicht gewinnen! (Beifall bei der ÖVP.) Und all das betreiben Sie im Gewande der Immunität. (Abg. Wabl: Der Herrgott möge Ihnen verzeihen! Oder der Khol! Der Khol möge Ihnen die Absolution erteilen!)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen eine Rechtsprechung und keine Polit- und Lynchjustiz. Es geht, wie gesagt, um die richtigen Konsequenzen, und hier ist die Politik gefordert, und zwar auf allen Ebenen: auf Bundesebene, auf Landesebene und auf Gemeindeebene (Abg. Mag. Barmüller: Das sind schöne Worte, Frau Abgeordnete! Aber wo bleiben die Taten?)

Lassen Sie mich kurz auf die Landesebene zu sprechen kommen und meine Landeshauptfrau Waltraud Klasnic nochmals in Erinnerung rufen. Herr Kollege Kräuter, ich würde Ihnen dringend empfehlen, lassen Sie sich von Ihrem Klubobmann Fleckner einmal die Stenographischen Protokolle des Landtages geben. Vielleicht werden Sie dann besser informiert sein, beziehungsweise hoffe ich dies, wenn Sie sich damit befassen. Jedenfalls macht mich die inkompetente und ahnungslose Art, in der Sie sich zu den Ereignissen innerhalb der Steiermärkischen Landesregierung geäußert haben, regelrecht betroffen. Sie sollten wissen, daß am 20. Juli in einer Sondersitzung alle Probleme rund um Lassing nicht nur ausdiskutiert wurden, sondern daß unter der Federführung der Frau Landeshauptmann auch Soforthilfemaßnahmen beschlossen wurden – auf ihre Initiative! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Gott sei Dank ist Lassing passiert! Da hat sich die Frau Landeshauptmann profilieren können!) Es wurde den Betroffenen ein Rechtsschutz beigestellt, es wurden Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung beschlossen und ein Wiederaufbauprogramm für die Infrastruktur und den Wohnbau in Angriff genommen.

Sollten Sie es noch immer nicht wissen: Es geschah auf Initiative und Antrag der Frau Landeshauptmann. Sie können der Frau Landeshauptmann nicht zum Vorwurf machen, daß ihre Fraktion zum Zeitpunkt des Unglücks in Lassing einfach nicht existent war. – Danke. (Abg. Zweytick – in Richtung des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl –: "Gott sei Dank ist Lassing passiert!")

14.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.17

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Nach dem Lob für die Frau Landeshauptmann, die sich ja dort sehr profilieren konnte, möchte ich auf den Bericht des Herrn Justizministers eingehen. (Abg. Rosemarie Bauer: Also, seien Sie mir nicht böse! Seien Sie mir nicht böse! Wenn Sie sagen, das sei eine Profilierung gewesen: Sie hat mehr gemacht als ...!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aufgabe des Gerichtes wird es sein, die Verantwortlichen zu finden und über die Schuldigen, die so gefunden werden, die entsprechenden Urteile zu fällen.

Herr Minister! Es wird trotz hoher Ermittlungskosten der einfachere Teil sein, zu klären, ob technische Fehlentscheidungen gefällt wurden, ob die Vorarbeiten, die Prospektion umfassend genug waren (Abg. Zweytick: Was du sagst, ist einfach ein Witz! – Abg. Rosemarie Bauer: Ein schäbiges Spiel!), ob die Gewinnungsmethoden in Ordnung waren und ob die dort arbeitenden Personen, wie gesagt, nach dem Stand der Technik und nach ihrem Informationsstand richtig entschieden haben.

Der wesentlich schwierigere Teil, Herr Minister, wird darin bestehen, die Genehmigungsabläufe und verwaltungstechnischen Abläufe zu klären und nachzuschauen, ob es tatsächlich so ist, daß die Behörde – in diesem Fall die Bergbehörde, aber auch andere Behörden arbeiten so – nachträglich Genehmigungen ausspricht, nachträglich Pläne genehmigt, nachträglich irgendwelche bereits vorgefallenen und bereits ausgeführten Arbeiten sanktioniert. Das wäre ausgesprochen bedenklich.

Schließlich sollte man untersuchen, wie die Genehmigungen in der Bergbehörde zustande gekommen sind. Eine ausbeutungswürdige Lagerstätte stellt ja auch einen erheblichen materiellen Wert dar. So würde sich zum Beispiel der Wert eines Grundstücks, das vorher vielleicht Grünland war, vervielfachen. Es besteht auch die Gefahr von Spekulationen und Insider-Geschäften. Aber auch diese Schwierigkeiten, Herr Minister, werden zu klären sein.

Die Grenzen der gerichtlichen Untersuchungen werden sich allerdings bei der Frage nach der politischen Verantwortlichkeit auftun und werden sehr bald erreicht sein.

Herr Minister! Ich würde Sie ersuchen, diesem Haus Ihre persönliche Einschätzung und Beurteilung nach Ihrem Rechtsverständnis und nach Ihrem Gerechtigkeitsgefühl mitzuteilen, wie Sie mit dieser Frage und vor allem mit der Frage, einen Untersuchungsausschuß einsetzen zu müssen, umgehen würden.

Wenn wir hören – und ich habe gestern darauf hingewiesen –, daß es einen Ministerratsbeschluß betreffend die Einrichtung eines Krisenmanagements gibt, dann stellt sich schon die Frage: Inwieweit hat es der Herr Bundeskanzler als Zuständiger verabsäumt, das entsprechende Krisenmanagement einzusetzen? Denn ihm obliegt es – und ich habe gestern schon aus diesem Ministerratsvortrag vom 30. Oktober 1986 zitiert –, das Krisenmanagement einzusetzen. Und es ist genau in diesem Ministerratsvortrag definiert, was eigentlich eine Krise oder eine Katastrophe ist, was als solche anzusehen ist und welche Maßnahmen in so einem Fall zu treffen sind. Das ist nicht passiert.

Es ist zweitens die Frage zu stellen: Haben der Bundeskanzler und der zuständige Ressortminister wirklich alles in ihrer Macht Stehende getan, um nach Eintritt der Katastrophe die notwendigen Rettungs-, Bergungs- und Sofortmaßnahmen einzuleiten und zu koordinieren? Oder war nicht vielmehr die mediale Präsenz beim Megaevent Lassing, wie Minister Farnleitner es einmal genannt hat, wichtig, um sich ins rechte Licht zu rücken? Es sind doch alle mit dem Hubschrauber angereist, haben dort ihre Wortspenden abgegeben und sind dann wieder "entfleucht". (Abg. Dr. Lukesch: Nein, nein! Sie haben Maßnahmen gesetzt! – Abg. Schwarzenberger: Das ist nur bei Haider so, daß er mit dem Hubschrauber kommt ...!)

Herr Minister! Welche Überlegungen strategischer Natur werden oder wurden bereits vor dem Unglück von Lassing im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten hinsichtlich Umstrukturierungen und Umbau der Bergbehörde angestellt, die schließlich auch zu Einsparungen und zur Zurücknahme von sicherheitstechnischen Kontrollen geführt haben? Es pfeifen doch die Spatzen vom Dach, daß der Herr Minister anstelle der Bergbausektion lieber eine Tourismussektion hätte. Vielleicht ist dies jetzt in gewisser Weise auch ein willkommener Anlaß, die Bergsektion aufzulösen und durch eine Tourismussektion zu ersetzen.

Vierte Frage: Wie sieht die Genehmigungs- und Kontrolltätigkeit der Bergbehörden aus? Was ist an den kolportierten Korruptionsvorwürfen dran?

Fünftens, Herr Minister Michalek – und dieser Punkt ist für mich der entscheidende –: Wie wird in diesem Haus mit der Wahrheit umgegangen? Wie wird das Parlament über den Ablauf, und zwar den minutiösen Ablauf, von Ereignissen informiert? Wer hat zu welchem Zeitpunkt über welche Informationen verfügt? Es besteht nämlich der Verdacht, daß Herr Minister Farnleitner einen äußerst lockeren Umgang mit dieser Informations- und Wahrheitspflicht gepflegt hat.

Es gibt in diesem Bericht jede Menge Ungereimtheiten. Wenn man betrachtet, wie in anderen Staaten um Wahrheit gerungen wird und welche Konsequenzen es hat, wenn jemand mit der Wahrheit und seiner Informationspflicht gegenüber dem Parlament etwas locker umgeht, dann muß man sagen, es ist zumindest die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mehr als berechtigt.

Sehr geehrter Herr Minister! Ich bin überzeugt davon, daß Sie die Wichtigkeit dieser Fragen so ähnlich beurteilen wie wir. Die Begründung für die Einsetzung des äußerst notwendigen Untersuchungsausschusses liefert ja Herr Minister Farnleitner in seinem Bericht selbst, indem er betont, daß die schonungslose und lückenlose Aufklärung aller Zusammenhänge eine Schuldigkeit der Bundesregierung an die Bevölkerung und an die Opfer von Lassing ist. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.23

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß der Erklärung des Herrn Bundesministers für Justiz aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen ist, und vor allem auch, daß die Aussagen, die er in den ersten Sätzen seiner Rede gemacht hat, für uns alle gelten sollten, nämlich daß man sich bei aller Dramatik und bei aller Schwierigkeit der Situation nach wie vor zurückhalten soll, Vorverurteilungen zu treffen.

Ich verstehe natürlich auch die Situation der Oppositionsparteien, daß sie hier sehr auf Aufklärung drängen. Doch Sie können mir glauben, es ist auch in meiner Fraktion der Wunsch um nichts geringer, diese Fragen ans Tageslicht zu bringen, sie aufzuklären und sowohl Verantwortung und Verantwortliche im rechtlichen Bereich zu suchen und zu finden als auch, sollte es aufgrund dieser Verantwortung dann notwendig sein, im politischen Bereich zu reagieren. Aber ich glaube, es ist heute – bevor noch jene Fakten auf dem Tisch liegen, die wir eigentlich benötigen, um das wirklich beurteilen zu können – nicht die Zeit dazu, Vorverurteilungen zu treffen oder voreilig einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, da wir noch nicht die Grundlagen und die Unterlagen haben, um entsprechend zu agieren. (Abg. Wabl: Seit zehn Jahren belästigen Sie uns auf diese Art!)

Erlauben Sie mir, eine Aussage, die Kollege Grollitsch gemacht hat, zu wiederholen. Er war der Meinung, das Berggesetz müsse weg. Ich kann das nur unterstreichen und dahin gehend ergänzen – und das habe ich schon das letzte Mal gesagt –, daß nicht nur das Berggesetz weg muß, sondern auch die Berghauptmannschaften und die Bergbehörde, wie sie bisher geführt wurde, gleichfalls aufgelöst gehören.

Ich kann dazu nur sagen, daß heute vor einigen Stunden im Ministerrat ein neuer Gesetzentwurf eingebracht wurde, nämlich ein Mineralrohstoffgesetz, in dem diese Forderungen, die hier von Herrn Kollegen Grollitsch gestellt wurden, Beachtung gefunden haben, aber es wurden auch darüber hinausgehende Regelungen nunmehr neu getroffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Man muß schon auch sehr emotionslos und den Tatsachen entsprechend eines festhalten: daß selten nach einem Unglück oder nach einer Katastrophe innerhalb kürzester Zeit ganze Behördenstrukturen verändert werden, innerhalb kürzester Zeit Gesetze außer Kraft gesetzt und völlig neu beschlossen werden. Ich glaube, man sollte sich jetzt einmal die neue Situation anschauen, wie nunmehr das neue Gesetz aussieht, was es beinhaltet und was es bringt.

Wenn jemand meint – und ich teile diese Meinung sogar –, daß jene Erkenntnisse, die bei Lassing aufgrund der Untersuchungen vor allem im Untertag-Bergbaubereich gewonnen werden, auch in dieses Gesetz eingebaut werden sollen, dann muß ich sagen, ich bin sehr dafür, daß man das tut.

Dieses Mineralrohstoffgesetz beinhaltet aber einen zweiten wichtigen Teil, nämlich jenen Bereich des Bergbaues, den wir salopp als Lockergesteinsabbau bezeichnen, also es geht um Sand, Schotter, Kies, vor allem um die Steinbrüche. Ich darf hier darauf aufmerksam machen, daß allein bei den derzeitigen Noch-Bergbehörden Wien, Niederösterreich und Burgenland 200 Gewinnungsbewilligungsverfahren und Gewinnungsbetriebsverfahren aufgrund von Gewinnungsbewilligungsverfahren anhängig sind. Das heißt, die jeweiligen Abbaustätten müßten eigentlich bald in Betrieb gehen, und zwar genau in Gegenden, wo es die Gemeinden nicht wollen, weil sie nicht mitsprechen können, wo es die Bevölkerung nicht will, weil sie nicht mitsprechen kann, wo es Länder nicht wollen, weil sie nicht mitsprechen können. Ich halte es daher für äußerst notwendig und dringend, daß dieses neue Mineralrohstoffgesetz jetzt sehr rasch beschlossen wird, daß es, wie geplant, mit 1. Jänner 1999 in Kraft treten soll und durch dieses Gesetz die Bevölkerung und die Gemeinden in eine völlig neue Rechtssituation kommen.

Die Bevölkerung und die Gemeinden kommen deshalb in eine neue Rechtssituation, weil in diesem Gesetz vorgesehen sein wird – und das haben wir sehr vehement verlangt –, daß bei solchen Verfahren eine umfassende Parteienstellung der Gemeinden, der Anrainer und Grundeigner und auch der Länder gegeben sein muß. Darüber hinaus ist es auch wichtig – und das ist ja das Hauptproblem der Bevölkerung bei diesen Abbauten –, daß sie beim Abtransport ebenfalls mitreden kann, und zwar in der Form, daß die Gemeinde mit den jeweiligen Unternehmen Verkehrskonzepte abzustimmen hat und genau festzulegen ist, wie der Abtransport von grundeigenen Mineralstoffen – wie zum Beispiel Sand, Kies oder auch das in Steinbrüchen abgebaute Material – zu erfolgen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unabhängig davon und darüber hinaus haben wir auch überlegt, eine Schutzzone von rund 300 Metern um Wohngebiete, um Gemeindegebiete zu ziehen, aber in einer Form, die sowohl der wohnenden Bevölkerung als auch der Wirtschaft entgegenkommt. Es soll nicht so sein, daß Betriebe, die derzeit innerhalb dieser Gebiete bereits bestehen, aufgrund der neuen Bestimmungen nicht weiterarbeiten dürfen – das dürfen sie sehr wohl –, aber sie sollen sich nicht weiter hin zu Wohngebieten entwickeln. Das alles muß man gemeinsam sehen. Vor allem soll es so sein, daß die Betriebe, die sich weiterentwickeln wollen, sich entweder nur parallel zu den Wohngebieten oder weg von den Wohngebieten entwickeln können.

Es wird auch bei den Bewilligungsverfahren eine wesentliche Vereinfachung insofern geben, als es nicht mehr zwei Verfahren gibt, sondern nur mehr ein Gewinnungsbewilligungsverfahren, und bei diesem Verfahren sind dann alle Beteiligten dabei und haben Parteienstellung.

Ähnliches gilt im Bereich der Arbeitssicherheit. Die diesbezüglichen Verhandlungen sind mittlerweile so weit, daß alles, was den Arbeitnehmerschutz in bezug auf den Obertagabbau, den Lockergesteinsabbau und die Steinbrüche betrifft, nunmehr auch von den Arbeitsinspektoraten geprüft und überwacht werden soll. Ich halte das für sehr positiv. Was aber natürlich noch wesentlich wichtiger und wirkungsvoller wäre, ist, daß die Arbeitsinspektorate den gesamten Arbeitnehmerschutz, also auch für jene Bereiche, die jetzt noch nicht hier betroffen sind, also auch für den Untertagbau, übernehmen sollten, sodaß eine einhellige und klare Prüfung möglich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu kommt noch, daß nicht jene Behörden, die die Bescheide erteilen, sich auch gleichzeitig selbst wieder prüfen sollten. Es wäre vernünftiger, wenn eine Behörde Bescheide erteilen und eine andere Behörde die Prüfungen vornehmen würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben auch einen weiteren sehr wichtigen Punkt in diesem Gesetz behandelt, der all jene Wohnhäuser betrifft, für die in Bergbaugebieten Genehmigungen, Baubewilligungen seitens der Baubehörde, seitens der Gemeinde, jedoch nicht seitens der Bergbaubehörde erteilt wurden. Wie wir jetzt bei Lassing leider erleben mußten, ist es so, daß für die Häuser in Wirklichkeit keine Baubewilligung seitens der Bergbaubehörde erteilt wurde. Das heißt also, in Wirklichkeit hätten diese Häuser nicht errichtet werden dürfen. In Lassing jedoch gab es diese Bewilligungen, aber es gibt viele Gebäude, viele Wohneinheiten und Häuser, bei denen das nicht der Fall ist und dann der Grubeneigentümer nicht verantwortlich wäre. Es ist daher wichtig, daß wir diesen Punkt mit diesem Gesetz saniert haben, sodaß auch in jenen Bereichen, in denen die Gemeinde und die Baupolizei Genehmigungen erteilt haben, die Bergbehörde aber nicht, im Falle eines Unfalles sehr wohl auch der Bergbaubetrieb mit zur Verantwortung gezogen werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich in einer Presseaussendung der Wirtschaftskammer von großer Aufregung über diese 300-Meter-Schutzzone, die angeblich Tausende Arbeitsplätze kosten soll, weil man dort nicht abbauen kann, lese, dann muß ich sagen, das ist schlichtweg falsch. Ich kann nur all jenen, die das behaupten, empfehlen, den Gesetzentwurf, der heute von der Regierung beschlossen wurde, zu lesen, denn diese 300 Meter sind keine absolute Abbauverbotszone, sondern eine Schutzzone, die für die Menschen errichtet wird. Wenn sich aber die Gemeinde mittels Flächenwidmung dafür ausspricht, daß abgebaut werden darf, dann ist das möglich. Wenn die dort befindlichen Grundeigentümer und die Gemeinde gemeinsam beschließen, daß auch ohne Flächenwidmung auf Grünland abgebaut werden darf, dann soll das auch so sein. Man sieht also schon allein anhand dieses Beispieles, daß man sich zuerst einmal dieses gesamte Gesetz genau anschauen und erst danach beurteilen sollte, wie es wirken wird.

Ich bin der Meinung, daß dieses Gesetz sowohl für die Gemeinden als auch für die Bevölkerung sehr positive Auswirkungen haben wird, aber auch der Wirtschaft einen geordneten Abbau in diesem Bereich erlauben wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.34

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Die Debatte ist aufschlußreich. Es war auch der Bericht des Herrn Bundesministers für Justiz im angemessenen Rahmen eines Vorverfahrens informativ, aber es sind sehr viele Fragen offengeblieben. Ich bin zum Beispiel vom Kollegen Kräuter schwer enttäuscht, der noch vor wenigen Wochen der Meinung war, wie man der "Kleinen Zeitung" entnehmen konnte, daß eine parlamentarische Untersuchung in solchen Fragen sinnvoll sein kann, aber heute mit Vehemenz dagegen argumentiert hat. Er hat sogar Artikel 6 der Menschenrechtskonvention zitiert, in dem das faire Verfahren aufgezählt ist.

Ich stelle daher folgende Frage an Kollegen Kräuter und an die sozialdemokratische Fraktion, aber auch an das ganze Haus: Ist die Tatsache, daß man etwas untersucht wissen will, kein fairer Ansatz? (Abg. Dr. Kräuter: Sie haben mir nicht richtig zugehört!) Ist es unfair, wenn man eine Untersuchung verlangt? Wenn etwas nicht einmal mehr untersucht werden darf – unter dem Schutz des vom Herrn Kräuter zitierten Artikels 6 der Menschenrechtskonvention –, dann stellen wir auch das Vorverfahren der Justizbehörden ein (Abg. Dr. Kräuter: Sie haben nicht zugehört!), denn auch diese untersuchen, aber offenbar in diesem Fall nicht politisch, sondern nur strafrechtlich. Beim Strafverfahren gilt offenbar die Kräuter-Philosophie nicht, bei der politischen Verantwortung schon. – Dieser Widerspruch ist eklatant und eigentlich für jemanden, der menschenrechtlich argumentieren will, unwürdig. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Aber Kollege Kräuter ist von Kollegin Frieser von der ÖVP noch bedeutend übertroffen worden. Sie hat nämlich die fachmännischen Qualitäten der Untersucher an die Spitze gestellt, so wie sie überhaupt der Meinung ist, man müsse die fachfraulichen und fachmännischen Qualitäten an die Spitze stellen. Das hat in vielen Bereichen schon manchmal etwas für sich, aber es ist das Gegenteil des demokratischen Prinzips, daß man keine fachlichen Voraussetzungen daran knüpft, daß man mitwirken darf.

Großjährig, wahlberechtigt und Staatsbürger dieses Landes muß man sein, wenn man den Nationalrat aktiv wählen und wenn man sich passiv wählen lassen will. Es wird kein sonstiges Merkmal verlangt. Es entspricht dem demokratischen Prinzip, daß jeder mitreden darf. Das äußert sich dann gelegentlich auch in Bürgerbeteiligungen oder in Anrainerrechten oder dergleichen. Dies in Frage zu stellen, ist wirklich mutig, aber aufschlußreich, weil es das Bekenntnis dazu ist, daß man lieber die Herrschaft der Fachleute hätte als eine wirklich funktionierende Demokratie. Und das lehnen wir ab! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das heißt nicht, daß gewählte Abgeordnete nicht wohl beraten sind, sich der Beratung von fachspezifischen Experten zu bedienen, das heißt das nicht, aber den Abgeordneten zu unterstellen, daß sie nicht in der Lage seien, fachmännische Auskünfte selbst zu beurteilen und zu übernehmen, das ist ein bißchen "steil". Und mehr will man nicht, wenn man einen Untersuchungsausschuß fordert, als daß etwas – selbstverständlich unter Zuziehung von Experten – bis ins Detail untersucht werden kann, um dann daraus die möglichen Schlußfolgerungen zu ziehen. Der Nationalrat ist halt einmal ein oberstes Organ dieser Republik und kann daher nicht noch weiter darüber hinaus nach dem Verständnis der Kollegin Frieser kontrolliert werden, wenngleich manchmal die Klubobleute der Regierungsfraktionen genau diese Funktion übernehmen, indem sie den Nationalrat dadurch entmündigen, daß sie den Klubzwang wider besseres Wissen und Gewissen umsetzen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich bin mir dessen ganz sicher: Wenn in diesem Haus über einen Untersuchungsausschuß frei abgestimmt werden dürfte, alle nach ihrem Gewissen abstimmen könnten, dann hätte die Forderung nach einem solchen Ausschuß die Mehrheit. Da bin ich mir ganz sicher. Aber das sind Aspekte, die uns neben dem Kernproblem, das uns hier zusammengeführt hat, um über den Bericht des Herrn Bundesministers für Justiz zu debattieren, beschäftigen. Ich komme daher zum Kern der Sache.

Wir entnehmen dem Bericht des Herrn Bundesministers für Justiz, daß die Strafverfolgungsbehörden ungehindert und zügig untersuchen konnten, daß sie zu keinem Zeitpunkt gehindert waren, daß nichts verheimlicht wurde, daß daher keine Verdunklungsgefahr gegeben war, daß die Pläne rasch zur Verfügung gestellt wurden, nächtens kopiert werden konnten – wörtliches Zitat aus dem Bericht des Herrn Bundesministers – und daß das Wissen um den illegalen Abbau rasch gewonnen werden konnte. Rasch! Dieses Wissen ist ein abgeleitetes Wissen der Strafbehörden. Die Staatsanwaltschaft, die Gendarmeriebeamten haben das nicht aus eigenem erkannt, sondern sie haben abgeleitetes Wissen gewonnen, indem sie sich die Pläne besorgt und Fragen an die richtigen Leute gestellt haben. Sie haben sich Informationen im Unternehmen und bei der Bergbehörde beschafft – so nehme ich einmal an –, denn nicht vorhandenes Wissen konnten sie dort wohl kaum schöpfen. Alles, was die staatsanwaltschaftlichen Organe an Wissen geschöpft haben, war vorher schon vorhanden, sicher auch bei der Bergbehörde. Nur der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten war von diesem Wissen völlig frei, so sagt er uns. Ich sage von diesem Pult aus: Es mag schon sein, daß er es in der Stunde der Not nicht sofort gewußt hat, aber er hätte es gleich darauf wissen können und auch wissen müssen, wenn er sich seines Amtes besonnen hätte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Er hätte fragen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Bergleute, die der Staatsanwaltschaft alles ausgefolgt haben, obwohl es nicht lustig ist, den Staatsanwälten etwas zu übergeben, ausgerechnet ihrem obersten Chef, dem Ressortführer für Bergangelegenheiten, diese Informationen verheimlicht hätten. Aber er hat offenbar nicht gefragt, oder er hat gefragt und hier die Unwahrheit gesagt. Er kann es sich aussuchen: Entweder er war pflichtwidrig säumig, sich zu informieren, oder er hat sich informiert und uns seinen Informationsstand verschwiegen beziehungsweise ihn falsch wiedergegeben. Das ist dringend untersuchungsbedürftig.

Daher stelle ich jetzt ein paar Fragen, von denen ich hoffe, daß sie in der passenden Reihenfolge von den beiden Herren Bundesministern auf der Regierungsbank noch heute beantwortet werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Dadurch, daß sich Fragen aufdrängen, wollten wir auch, daß der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Haus ist, sodaß wir nicht hinter seinem Rücken diskutieren müssen. Das ist kein Untersuchungsausschuß, das ist auch kein Gericht, das ist Wissensgewinnung. Herr Kollege Lukesch! Sie als Wissenschaftler müßten sich den Wissensgewinnen durchaus verpflichtet fühlen. (Abg. Dr. Lukesch: Warum greifen Sie mich an?)

Frage 1 lautet: Seit wann, Herr Bundesminister Michalek, und aufgrund welcher Motive haben Sie dieses Verfahren berichtspflichtig gemacht in Ihrem Haus? Es ist ja nicht so, daß jedes Verfahren, das nach § 177 StGB läuft, automatisch berichtspflichtig ist. Was hat Sie also dazu bewogen, und wann wurde diese Berichtspflicht verfügt?

Seit wann – datumsmäßig möglichst genau abgegrenzt – hat die Strafverfolgungsbehörde von dem sogenannten Schwarzabbau oder von den illegalen Bauwerken Kenntnis gehabt?

Warum – das ist jetzt die Frage an den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten – haben Sie aus dem Erstentwurf Ihres mündlichen, schriftlich vorgelegten Ministerratsberichtes vom 23. August 1998 im Kapitel "Hauptkritikpunkte der Evaluierungsgruppe" den Satzteil "Beeinträchtigung der Einsatzmannschaft durch die Kriminalpolizei/Staatsanwaltschaft" gestrichen, sodaß er sich im endgültigen mündlichen, schriftlich vorgelegten Bericht an den Ministerrat nicht mehr findet? – War das Gesprächsgegenstand in der Ministerrats-Vorbesprechung? – Diese Frage stelle ich an beide Herren. Hat Sie, Herr Bundesminister Farnleitner, bei diesem klärenden Gespräch Bundesminister Michalek davon überzeugt, daß dieser Satz nicht stimmig ist? Welche Informationen haben Sie bei diesem Gespräch gewonnen? – Haben Sie bei diesem Gespräch vielleicht die Information gewonnen, daß sich die Staatsanwaltschaft voll informiert fühlt? Hat sie diese Informationen deshalb so rasch gewonnen, weil es trotz der kritischen Phase vor Ort keine Behinderung gab? – Unglück, Unsicherheit, was soll bei Bergungsmaßnahmen und so weiter geschehen?

Das ist für mich ein springender Punkt. Es ist mir völlig unplausibel, wieso im ersten Entwurf des Ministerratsvortrages des Wirtschaftsministers zuerst dieser Satz enthalten ist, im zweiten Entwurf, also im endgültigen Text, aber nicht. Dazwischen hat es offenbar eine Ministerrats-Vorbesprechung gegeben, bei der nicht über die Sache selbst gesprochen worden sein soll? – Das schließe ich aus! Daher bitte ich beide Regierungsmitglieder, sich dazu zu äußern.

Weiterer Punkt: Wenn tatsächlich das Wissen, Herr Bundesminister Farnleitner, nicht bei Ihnen war, so wie Sie behaupten, dann frage ich Sie: Wie war es ohne Kenntnis der Pläne, ohne Kenntnis der illegalen Abbauten, ohne Kenntnis der Situation in der Grube möglich, fachmännische Rettungsarbeiten einzuleiten? – Natürlich haben die Leute offensichtlich Kenntnis davon gehabt und es gewußt, sie haben es nur nicht so interpretiert! Ich verstehe schon, daß man, wenn man dort Einsatzleiter ist, sich nicht hinsetzt und den Leuten auch noch sagt: Na ja, wir haben ein kleines Problem, weil es einen nicht genehmigten Abbau gibt! Diese Leute waren froh, daß sie die Situation einigermaßen im Griff hatten, obwohl das auch nicht wirklich der Fall war, weil das österreichische Bergrecht nicht so vorbildlich ist, wie Ihnen das Ihre Beamten einzureden versuchen, Herr Bundesminister Farnleitner. Es ist nicht so vorbildlich, manche Vorredner haben sich schon darauf bezogen. Aber auf diesen Punkt komme ich noch gesondert zu sprechen.

Daher frage ich Sie jetzt nochmals präzise: Seit wann ist dieses Verfahren berichtspflichtig? Seit wann weiß man um den Schwarzabbau und die Pläne? Herr Bundesminister Michalek! Sie haben das zwar klar ausgeführt, aber Sie haben es datumsmäßig nicht abgegrenzt; und das kann kein Gebot der Verschwiegenheit im Vorverfahren sein, sondern es kann nur das Gebot der Höflichkeit gegenüber Ihrem Regierungskollegen Farnleitner gewesen sein, daß Sie das nicht genauer präzisiert haben. Wir bitten Sie daher darum. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich habe Verständnis dafür, daß es nicht angenehm ist, eine solche Frage beantworten zu müssen, aber es muß möglich sein, weil es sich aus den Akten feststellen lassen wird, wann diese Informationen aktenkundig geworden sind. Das wird sich auf Uhrzeit und Tag genau feststellen lassen, weil unsere Staatsanwaltschaften und unsere Erhebungsbeamten in diesem Fall sehr gewissenhaft sind. Gerade bei der Prüfung von strafrechtlichen Verantwortlichkeiten kann es darauf ankommen, genau zu ermitteln, wann wer was gewußt hat. Das kann für Fahrlässigkeit oder für Vorsatz von wesentlicher Bedeutung sein, und daher wird das in den Strafverfahren gründlich festgehalten. Daher sind Sie auch in der Lage, diese Frage zu beantworten. Wenn Sie sie nicht beantworten wollen, dann bitte ich um eine stringente verfahrensrechtliche Begründung dafür, warum Sie das nicht möchten.

Ich komme nun zur Qualität der Sicherheitsstandards des österreichischen Bergrechtes, welche mir aus Gründen der politischen und sonstigen Verantwortlichkeit wichtig sind. Meiner Meinung nach wird es einfach vom Tisch weggewischt, daß im Ministerrat vom 18. Juni 1997 – ein Jahr vor Lassing! – ein Bericht erörtert wurde und dann auch vom Ministerrat beschlossen wurde, aus dem klar und eindeutig und völlig unmißverständlich für jeden, der ein bißchen etwas von der Materie versteht, hervorgeht, daß es einen schweren Dissens zwischen der Obersten Bergbehörde und dem zentralen Arbeitsinspektorat über die Qualität der Sicherheitsstandards in Bergwerken gibt. Die Tatsache, daß dieses ILO-Abkommen nicht ratifizierbar ist im strengen Sinn des Wortes, war der Grund dafür, warum die Bundesregierung einen einstimmigen Beschluß dahin gehend gefaßt hat, dem Nationalrat zu empfehlen, dieses Abkommen nicht zu ratifizieren, sondern bloß den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Daher frage ich Herrn Bundesminister Farnleitner als für diesen Dissens mitverantwortliches Regierungsmitglied: War das kein Anlaß für Sie, sich umfassend über die Sachlage im Zusammenhang mit den Abweichungen zwischen dem internationalen Übereinkommen und dem österreichischen Bergrecht zu informieren, zu evaluieren, warum tatsächlich keine Geologen vor Ort im Einsatz sind, warum ausschließlich Absolventen der montanistischen Hochschulen im Einsatz sind und so weiter und so fort? – Das hätte Sie veranlassen müssen, eine umfassende Revision einzuleiten, und dort liegt bereits die erste Quelle Ihrer politischen Verantwortlichkeit, denn Sie haben das nicht getan.

Als der Sozialausschuß, dem anzugehören ich die Ehre habe, am 1. Oktober 1997 diese Materie behandelt hat, sind wir darauf gestoßen, daß es stringente Gründe gibt, warum dieses Abkommen nicht ratifizierbar ist – jetzt im rechtstechnischen Sinne gesehen; man hätte es natürlich ratifizieren können, wenn man sich unter Zugzwang hätte setzen wollen, aber dagegen waren die Wirtschaftskammer und die ÖVP. Es ist deshalb nicht ratifizierbar, weil noch nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllt sind, wie zum Beispiel, daß sichergestellt ist, daß den Mitarbeitern, den Arbeitnehmern im Bergbau die Anweisungen bezüglich Arbeitsschutzangelegenheiten auf verständliche Weise zur Verfügung gestellt werden. Nicht einmal dieser Mindeststandard ist in Österreich erfüllt!

Herr Bundesminister Farnleitner! Diese Frage wird Ihnen angesichts der wesentlich massiveren Vorwürfe im Zusammenhang mit der Frage, ab wann Sie etwas gewußt haben, wann Sie die Wahrheit gesprochen haben oder nicht oder ab wann Sie etwas hätten wissen können oder müssen, vielleicht gering erscheinen, aber ein Jahr Säumigkeit in bezug auf Ihre Beamtinnen und Beamten, sie zur Pflicht zu rufen im Zusammenhang mit einer Nachbesserung des österreichischen Bergrechtes in diesen Sicherheitsfragen, das ist "steil". Wenn es darum gegangen ist, Begünstigungen für Schottergewinnung vorzusehen, Anrainerrechte auszuschließen, dann waren die Novellen immer sehr schnell in diesem Haus, sehr schnell! Die interessengeleiteten Novellen waren schnell im Haus, aber die arbeitnehmerschutzinteressengeleiteten Novellen haben das Haus gar nicht erreicht.

Wenn Sie sich diese Ausarbeitung anschauen, die im Ministerrat vom 18. Juni 1997 besprochen worden ist, dann werden Sie bemerken, daß jeder Absatz, den Sie dort lesen, ein weitschweifiger Versuch ist, der Bergbehörde zu erklären, daß sowieso alles gut ist. Und das, Herr Bundesminister, hat Ihnen offenbar genügt, die stringenten Mängel, die vom zentralen Arbeitsinspektorat aufgezeigt worden sind, zu ignorieren.

Diese Ministerverantwortlichkeit bleibt bei Ihnen. Es stellt sich die Frage, ob sie nicht auch die Qualität einer rechtlichen Verantwortlichkeit hat und nicht nur einer politischen. Es ist durchaus möglich, daß ein Untersuchungsausschuß Umstände und Tatsachen ans Tageslicht fördern würde, die über die politische Verantwortung hinausgehen – nicht gerade in die strafrechtliche, aber in die rechtliche im engeren Sinn. Und dann wäre ein Verfahren nach Artikel 142 B-VG geboten, aber erst dann!

Herr Kollege Kräuter! Es ist nicht menschenrechtswidrig, wenn man will, daß durch eine Untersuchung geklärt wird, ob es zu einem gerichtlichen Verfahren kommen soll oder nicht. Ich meine daher: Wenn diese Fragen, die ich gestellt habe, von den Bundesministern, so hoffe ich, beantwortet werden, dann sind wir vielleicht auch ohne Untersuchungsausschuß zunächst einmal einen kleinen Schritt weiter. Und dann werden so viele Fakten heute hier in diesem Raum bekannt sein, daß jeder, der gegen den Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses stimmt, nicht mehr verheimlichen kann, daß er bereit ist, zur höheren Ehre von irgendeinem Koalitionspakt zu vertuschen, zu verheimlichen und am Aufrechterhalten von unwahren Behauptungen mitzuwirken. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Ich weise nur darauf hin, daß um 15 Uhr ein Dringlicher Antrag aufzurufen sein wird.

14.50

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich noch einmal mit dem Bericht von Herrn Minister Michalek befassen, nämlich mit den Fragen, die aufgeworfen worden sind, und diese vertiefen. Es gibt eine Frage, die sich nach dem Lesen des Berichtes aufdrängt. Sie zählen chronologisch auf, daß am 22. Juli das Landesgendarmeriekommando mit der Beschaffung der Unterlagen beauftragt wurde und am 23. Juli bereits der erste Ortsaugenschein stattgefunden hat. Weiter unten berichten Sie, daß die Justiz sehr rasch im Besitz der entsprechenden Pläne war, aus denen ganz klar hervorgegangen ist, daß es zu einer Überschreitung des Abbauhorizontes gekommen ist.

Die buchstäblich springende Frage lautet daher: Wie war das, wie rasch war das? Ab wann hat die Justiz das gewußt, nachdem Sie offensichtlich mit Ortsaugenscheinen und mit Bestandsaufnahmen sehr prompt reagiert haben? – Das ist vor allem deswegen sehr wichtig – ich komme dann auch auf die Rolle der ÖVP in diesem Haus zu sprechen –, weil Minister Farnleitner in einem Bericht vom Sommer, vom 20. August, der uns zugegangen ist, kein Wort von Schwarzabbau schreibt – im Gegenteil. In diesem Bericht steht: Ob das allfällige Karsthohlräume, Balkenstörungen oder alte, unbekannte Berghohlräume waren, ob das Wasser oder Schlamm waren oder was immer, das weiß man noch nicht und wird man erst sehen. – Das sind alles natürliche Ursachen, die er hier aufzählt.

Und da sehe ich schon einen Widerspruch: Am 20. August gibt sich Minister Farnleitner hinsichtlich der tatsächlichen Ursachen, die zu diesem Unglück geführt haben, völlig ahnungslos. Sie, Herr Minister Michalek, schreiben aber, daß Sie bereits sehr rasch im Besitz der entsprechenden Unterlagen waren, die belegen, daß es zu dieser Überschreitung des Abbauhorizontes gekommen ist.

Dann stellen Sie von der ÖVP sich heraus – ganz egal, wer von Ihnen rausgeht, wann immer wir über dieses Thema diskutieren – und regen sich ganz fürchterlich darüber auf, daß wir als Opposition es wagen, unsere demokratischen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und Fragen zu stellen, die sich spätestens seit dem Unglück und im Laufe der Bergungsarbeiten und im Laufe der Arbeiten nach der Bergung ergeben haben, und daß wir es wagen zu verlangen, daß diese Fragen beantwortet werden sollen.

Sie stellen sich heraus – wie auch heute wieder – und sagen, selbsternannte Experten wollten das Ganze auf ein sogenanntes Experten- oder Expertinnenwesen zuspitzen. Dabei begreifen Sie überhaupt nicht, daß Sie offensichtlich nur mehr in einem völligen Reflex, in Abwehr, in völliger Panik agieren, weil Sie ständig, fast wöchentlich, von den Ereignissen eingeholt werden. Fast wöchentlich passiert etwas, was genau unsere Befürchtungen bestätigt, wodurch unsere Fragen berechtigt sind. Sie können nur mehr in einer buchstäblichen Abwehrhaltung vor Ihrem Minister stehen, weil Sie offensichtlich gar nicht wissen, was noch alles auf Sie zukommt und auf Sie hereinbricht. – Das ist die Realität, und deswegen gebärden Sie sich auch so eigenartig und fremdartig. (Beifall bei den Grünen.)

Madeleine Petrovic hat im August eine erste Pressekonferenz veranstaltet, in deren Rahmen sie eine Reihe von Fragen aufgelistet hat, die genau in diese Richtung gehen und die jetzt zum Teil von Minister Michalek beantwortet werden. Unsere Klubobfrau hat Anfang September eine Pressekonferenz gegeben und zum ersten Mal vorgelegt, daß es zu Schwarzabbauten gekommen ist, daß es zu Überschreitungen gekommen ist. Sie hat wieder alle Fragen aufgelistet, die es zu beantworten gilt. Was war Ihre Reaktion? – Anstatt zu sagen, das gehört überprüft, hat ein Gejaule und ein Geheule eingesetzt, welche Ungeheuerlichkeit es sei, daß wir es wagen, solche Fragen zu stellen. Das war Ihre Reaktion. Und zehn Tage später muß Ihr Minister im Fernsehen wie ein begossener Pudel zugeben, daß es tatsächlich zu diesen Schwarzabbauten gekommen ist, wovon er angeblich nichts gewußt hat.

Eines kann ich mir nicht vorstellen, nämlich daß ein Justizminister in einer Koalition, in der es vielleicht auch manchmal kriselt oder kracht, nicht einen Wirtschaftsminister davon verständigt und informiert, wenn er im Besitz von Unterlagen, von Beweisen ist, daß es zu diesen Schwarzabbauten gekommen ist. (Beifall bei den Grünen.) Es ist mir völlig unbegreiflich, wenn das passiert ist. Ich kann es mir nicht vorstellen. (Abg. Dr. Khol: Amtsgeheimnis!)

Was ich mir noch weniger vorstellen kann und für mich völlig unbegreiflich ist, ist Ihr eigenartiges Verständnis von politischer Verantwortung. Es ist absurd und kindisch von Ihnen, steirische Abgeordnetenkollegen, wenn Sie glauben, wir verlangen von dem Minister, daß er nachmißt. Aber es ist seine politische Verantwortung, das zu überprüfen, zu überprüfen, ob die Posten entsprechend besetzt sind, zu überprüfen, ob Gerüchte, die vom ersten Tag des Unfalls, des Unglücks an vor Ort entstanden sind, eine Berechtigung haben. Das ist seine verdammte Pflicht! Das ist es, was ich unter politischer Verantwortung verstehe! (Beifall bei den Grünen.)

Ich finde es wirklich absurd und eine eigenartige Auffassung von Demokratie, nur dazusitzen und jene zu beschimpfen, die diese Fragen stellen.

Noch einmal zurück: Wenn Minister Michalek all das sehr rasch gewußt hat, dann bin ich überzeugt davon, daß es auch Wirtschaftsminister Farnleitner sehr rasch gewußt hat. Die Frage ist: Was hat er mit diesem Wissen gemacht? – Wenn ich die beste und harmloseste Variante für ihn annehme, dann sage ich, er war hoffnungslos überfordert – ganz offensichtlich hoffnungslos überfordert mit der Bürde, die ihm das Amt auferlegt. Wenn er dann noch bis zum Vorabend der ersten Parlamentssitzung gebraucht hat, um vor das Fernsehen zu treten und zu sagen: Ja, das ist passiert, und ich habe es eben erst erfahren!, hat er im besten Falle bis dahin wirklich nichts unternommen und nichts getan. Und das ist schlimm genug! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist schlimm genug für einen Wirtschaftsminister, der dafür zuständig ist, daß er mehr als sechs Wochen braucht, um überhaupt draufzukommen: Halt, damit bin ich irgendwie angesprochen, das tangiert mich, am Ende habe ich mit den Dingen etwas zu tun, die da im Laufen sind. – In einem zweiten Bericht an das Parlament versucht er, mit einer Richtigstellung, die wiederum einiges Aufklärungswürdige mit sich bringt, sozusagen gerade noch die Kurve zu kratzen. Einiges wurde erklärt.

Ich muß noch einmal auf den Bericht zurückkommen, Herr Minister Farnleitner. Die Aussage, daß die Arbeiten vom Betrieb aus bereits in eigener Verantwortung erfolgt sind und nicht auf Anordnung der Bergbehörde, offenbart, daß Sie selbst zum Zeitpunkt Anfang September keine Ahnung gehabt haben, was Ihre Verantwortung nach § 203 Berggesetz ist, nämlich daß die Bergbehörde auf der Stelle und sofort einzuschreiten hat, wenn es zu einem Unglück gekommen ist, von dem klar ist, daß es der Betrieb nicht selbst bewerkstelligen kann. Und es war bei einem Betrieb der Größe der Naintscher Werke in Lassing von vornherein klar, daß dieser Betrieb das nicht allein bewerkstelligen kann.

Sie berichten uns dann noch: Das lag nicht in meiner Verantwortung, da kann ich gar nichts dafür. Das hat der Betrieb allein gemacht. – Ihr Kollege im Ministerrat, Justizminister Michalek, ist inzwischen offensichtlich im Besitz von Unterlagen, die all das viel klarer aufzeigen, als Sie uns das zu vermitteln versucht haben. Entweder sprechen Sie nicht miteinander, was ich mir nicht vorstellen kann, denn es ist auch Ihre Pflicht, so denke ich, ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Kollegin Kammerlander, es ist bald 15 Uhr.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (fortsetzend): Ich ersuche, daß Sie meine Rede unterbrechen, damit ich sie nach der Behandlung des Dringlichen Antrages fortsetzen kann, denn ich habe noch einige Fragen, die ich von den beiden Ministern beantwortet haben möchte, und ich bin noch nicht am Ende meiner Rede.

Aber um diesen Satz zu beenden: Es ist meiner Meinung nach natürlich auch die Pflicht eines Justizministers, wenn er im Besitz dieser Unterlagen ist, den Kollegen, den Wirtschaftsminister, davon in Kenntnis zu setzen. Und es ist – und ich muß es noch einmal sagen – Ihre Pflicht, das Parlament, das Kontrollorgan in diesem Land, davon in Kenntnis zu setzen – unverzüglich und direkt und selbst. – Danke inzwischen. (Beifall bei den Grünen.)

15.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete Kammerlander! Sie haben also jetzt Ihre Rede unterbrochen und werden diese nach der Behandlung des Dringlichen Antrages fortsetzen.

Bevor ich die Verhandlungen unterbreche, komme ich einer nicht sehr angenehmen Aufgabe nach; ich mache das wirklich ungern.

Herr Abgeordneter Wabl! Ich erteile Ihnen nochmals einen Ordnungsruf, und zwar wegen eines Zwischenrufs, der im Protokoll festgehalten worden ist, in dem Sie Herrn Abgeordneten Kukacka vor der Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Barmüller mit einer Bemerkung bedacht haben, die absolut nicht der Würde des Hohen Hauses und auch nicht einem Umgang außerhalb des Hohen Hauses entspricht. Ich will nicht, daß dieser Ausdruck sozusagen unkommentiert durch einen Ordnungsruf im Protokoll stehenbleibt.

Jetzt unterbreche ich kurz bis zum Aufruf des Dringlichen Antrages die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wiederaufgenommen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Versäumnisse in der Bildungspolitik, insbesondere beim Gehaltsgesetz 909/A (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrags 909/A (E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch einen Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Das Schulklima an Österreichs Schulen hat einen absoluten Tiefpunkt erreicht: Noch nie waren die LehrerInnen so demotiviert wie heute. Die Eltern wiederum haben immer mehr zusätzliche Belastungen zu tragen, wie zum Beispiel den Selbstbehalt bei Schulbüchern und Schul,frei’fahrten, kostenpflichtige Freigegenstände und Nachmittagsbetreuung. Die Leidtragenden dieser Politik wie auch des gegenwärtigen Streites um das Gehaltsrecht sind die SchülerInnen.

Die Stimmung unter den LehrerInnen ist deshalb so schlecht, weil sie seit Monaten auch von der eigenen Ministerin unterschwellig als AbkassiererInnen dargestellt werden, die wenig arbeiten. Etwa wenn Bundesministerin Gehrer den LehrerInnen via APA (30.9.1998) ausrichtet, daß ein Lehrer ‚genauso wie jeder andere Österreicher 1 793 Stunden im Jahr zu arbeiten hat. Davon 700 in der Klasse. Die restliche Zeit ist unterrichtsfrei, aber Dienstzeit. Da fällt vielleicht ein Projekttag, eine Konferenz, die Vor- und Nachbereitung hinein.‘

Viel abwertender kann die Arbeit der LehrerInnen außerhalb des klassischen Unterrichts (‚Da fällt vielleicht ... die Vor- und Nachbereitung hinein.‘) kaum dargestellt werden. Doch selbst in dieser geringschätzigen Darstellung der außerunterrichtlichen LehrerInnenarbeit durch die Ministerin zeigt sich, daß das bestehende Besoldungs- und Arbeitszeitschema von LehrerInnen nur mehr wenig mit ihren tatsächlichen Tätigkeiten, ihrer Arbeitsbelastung und mit der tatsächlichen Schulentwicklung zu tun hat.

Ein weiterer Grund der miserablen Stimmung vor allem unter den interessierten und informierten LehrerInnen liegt in der praktischen Undurchführbarkeit der beziehungsweise in der enormen Verbürokratisierung durch die neuen Abrechnungsbestimmungen. Wie Personalvertretung und Gewerkschaft der Unterrichtsministerin schon im Frühjahr prophezeit haben, funktioniert die vorgesehene Abrechnung der LehrerInnen-Arbeit über direkte Standleitungen mit dem Bundesrechenamt weder hard- noch softwaremäßig. Das ist auch nicht verwunderlich: Für derartige Neuerungen wird in der Wirtschaft mit einer Vorlaufzeit von bis zu zwei Jahren gerechnet. Daher geht es wohl auch im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten nicht in einem halben Jahr. Außerdem ist die jetzt notwendige Stundenzählerei eine völlig unnötige Verbürokratisierung. Es schafft Ärger, wenn jede/r LehrerIn wöchentlich den Stundenplan kopieren und alle gehaltenen und entfallenen Stunden eintragen und durchstreichen muß – aber gleichzeitig alle außerstundenplanmäßige Arbeit als selbstverständlich und nicht zu zählen und nicht zu zahlen bewertet wird. Und es schafft Ärger bei Schulleitungs- und Verwaltungspersonal, wenn mit immer weniger Budget immer mehr zu tun ist.

Die Novellierungen des Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz (BLVG) und des Gehaltsgesetzes (GG) im Herbst 1997 gehen von der Intention aus, vorrangig LehrerInnenleistungen zu entlohnen, die unmittelbar in der Klasse erbracht werden. Arbeiten, die außerhalb der klassischen Unterrichtsarbeit (Unterricht, Vorbereitung, Nachbereitung) anfallen, etwa die Beratung von SchülerInnen und Eltern, die Vorbereitung und Durchführung von pädagogischen Tagen, von Projektunterricht, Schulfesten, Fachbesprechungen, Tätigkeiten zur Qualitätsentwicklung und Evaluation von Schule und Unterricht sind in ihrem arbeitszeitlichen Umfang durch das bestehende Besoldungs- und Arbeitszeitschema mit seinen unterrichtsbezogenen Stundenwertigkeiten nicht erfaßt und in ihrem arbeitszeitlichen Umfang unbestimmt. Gerade diese Tätigkeiten, die im Zuge der Weiterentwicklung von Schule dringend notwendig sind, haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen, ohne daß die traditionelle LehrerInnentätigkeit abgenommen hätte. Im Gegenteil: durch steigende KlassenschülerInnenzahlen, fehlende Werteinheiten beziehungsweise Abbau von Klassenteilungen im Fremdsprachenunterricht wurde nicht nur die Arbeitsintensität erhöht, sondern auch die Unterrichtsqualität vermindert.

Das Besoldungsschema von LehrerInnen mit den Novellierungen des BLVG und GG ist ein bildungspolitischer Rückschritt, weil es Schulqualität und LehrerInnenarbeit in erster Linie an geleisteten Unterrichtsstunden festmacht;

ein extremes Modell deregulierter Arbeitszeit, weil es die auch von der Bundesregierung und der Unterrichtsministerin propagierte Schulentwicklung weitgehend der persönlichen Initiative und dem Engagement von LehrerInnen überantwortet und

deshalb vor allem engagierte LehrerInnen durch Nichtanerkennung ihrer Leistungen bestraft und zu Dienst nach Vorschrift (de-)motiviert.

Diese Politik steht im Kontext von allgemeinen Sparprogrammen im Bildungsbereich. So sinkt trotz seitens der Bundesregierung jährlich propagierter Bildungsoffensiven der Wert von Bildung und Ausbildung:

der Anteil des Unterrichtsbudgets am Gesamtbudget lag Mitte der siebziger Jahre bei 8,6 Prozent und wird im Schuljahr 1998/99 bei 7,2 Prozent liegen

laut OECD sind die öffentlichen Bildungsausgaben in Österreich von 1985, wo sie 5,8 Prozent des BIP ausmachten bis 1994 auf 5,4 Prozent des BIP gesunken,

der Zuwachs im Unterrichtsbudget liegt unter der Inflationsrate,

die SchülerInnen sind dem Staat immer weniger wert: 1993 gab es an den AHS etwa in der Steiermark noch 2,03 Werteinheiten pro SchülerIn, heute nur mehr 1,83. Auch die BHS büßten rund 9 Prozent ein,

die KlassenschülerInnenzahlen nehmen wieder zu: während etwa AHS Unterstufenklassen 1990 durchschnittlich 25,9 SchülerInnen hatten, ist die Klassenschülerdurchschnittszahl im Schuljahr 97/98 wieder auf knapp 27 gestiegen, ähnliches gilt für die BMS und BHS (93/94 22,8 SchülerInnen, 97/98 25 SchülerInnen),

Freigegenstände und unverbindliche Übungen sind stark zurückgegangen beziehungsweise wurden Opfer des ersten Sparpakets,

die in den letzten Jahren durchgeführten Stundenkürzungen für die 11- bis 13jährigen SchülerInnen sowie in den berufsbildenden Schulen verursachten einen beträchtlichen Verlust von Mitteln für die Bildung,

gesetzlich vorgesehene Teilungen für Fremdsprachengruppen können zum Teil nicht mehr erfolgen, weil die nötigen Werteinheiten fehlen,

der sprunghafte Anstieg der EDV-Ausstattung und -Nutzung an den Schulen hat bis heute keine wirklich spürbare Aufstockung der EDV-Kustodiate zur Wartung der Hard- und Software sowie der lokalen Netze und Internetzugänge zur Folge gehabt. Die zugesagten Zulagen stehen in keiner Relation zur tatsächlichen Mehrarbeit.

Gleichzeitig werden neben den LehrerInnen vor allem die Eltern zusätzlich zur Kasse gebeten durch:

Selbstbehalte bei Schulbüchern und Schülerfreifahrten, Bezahlung der Nachmittagsbetreuung durch die Eltern, steigende Kosten für Kopien und andere Unterrichtsmaterialien, Einführung eines kostenpflichtigen Angebotes von Freigegenständen und unverbindlichen Übungen.

Die gegenwärtigen Proteste und der angedrohte Boykott bei Schulveranstaltungen sind die Antwort auf diese politischen Versäumnisse. Statt etwa ein zeitgemäßes Arbeitszeitmodell zu entwickeln, das die geänderten Bedingungen an den Schulen reflektiert, orientiert sich die Bezahlung der LehrerInnen, wie erwähnt, nach wie vor am Unterricht, obwohl der Unterricht und dessen Vor- und Nachbereitung nur mehr ein – wenn auch wichtiges – Element der Tätigkeit von LehrerInnen darstellt. Das System der Zulagen und Zusatzabgeltungen entspricht dem Denkansatz kleinkarierter Bürokraten, hat aber mit den tatsächlichen Leistungen und Arbeitszeiten nur wenig zu tun. Dafür hat die Unterrichtsministerin mit mindestens 260 000 Schilling ein LehrerInnenleitbild (,Lehrer sein erfordert mehr‘) mitfinanziert, das außer Worthülsen nichts bietet, jedenfalls keine Antwort auf die geänderten Bedingungen an den Schulen.

Schule ist aber mehr als Unterricht. Es muß daher ein Arbeitszeitmodell entwickelt werden, das den realen Anforderungen der LehrerInnenarbeit gerecht wird, der zunehmenden Autonomisierung der Schulen Rechnung trägt und daher auf mehr Flexibilität und Eigengestaltung in den einzelnen Schulen setzt.

Notwendig ist ein leistungsgerechtes, transparentes und an den tatsächlichen Arbeitszeiten orientiertes Arbeitszeit- und Gehaltsgesetz, das von der durchschnittlichen Arbeitszeit im öffentlichen Dienst ausgeht.

Die Tätigkeit der LehrerInnen sollte dabei in drei Gruppen eingeteilt werden:

a) Tätigkeiten mit den SchülerInnen,

Unterricht im weitesten Sinn,

Schulveranstaltungen, Betreuung, Beratung, Aufsicht;

b) dazugehörige vorbereitende, nachbereitende und begleitende Tätigkeiten,

Planung und Auswertung von Unterricht und Schulveranstaltungen,

Kooperation mit Lehrkräften,

Kommunikation mit Eltern und externen Institutionen sowie

c) Tätigkeiten zur Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Organisation der Schule,

Management und Organisation der Schule,

Evaluation und Innovation der Schule,

Fort- und Weiterbildung,

Kooperation und Kommunikation nach innen und außen.

Die Verteilung auf diese drei Bereiche kann, entsprechend den Personalressourcen und dem Profil der einzelnen Schulen, unterschiedlich sein, wobei bestimmte Bandbreiten nicht unter- beziehungsweise überschritten werden dürfen, damit der Auftrag der Schule gegenüber allen Beteiligten erfüllt werden kann.

Ein neues Arbeitszeit- und Gehaltsmodell dürfte nicht mehr von einer auf Unterrichtsstunden und Stundenwertigkeiten fixierten Lehrverpflichtung ausgehen, sondern es müßte ermöglichen, daß der von den LehrerInnen zu erteilende Unterricht flexibel an den einzelnen Schulen entsprechend den vorhandenen Personalressourcen und den zu erfüllenden Aufgaben festgelegt wird. Wie der Unterricht zeitlich, formal und inhaltlich gestaltet wird, kann in Selbstverantwortung der einzelnen Schule organisiert werden.

Aus pädagogischen Gründen wie auch zum Schutz der LehrerInnen müßten Mindeststandards beziehungsweise Schutzvorschriften beachtet werden. So sollte etwa jede Lehrkraft Unterricht maximal bis zu einer definierten Obergrenze erteilen dürfen/müssen, jede Lehrkraft sollte aktiven Anteil am pädagogischen Leben der Schule nehmen, wer SchülerInnen unterrichtet, sollte sie auch beraten müssen. Die Fort- und Weiterbildung von LehrerInnen sollte ebenso wie die Beteiligung an der Schulorganisation verankert werden.

Ein derartiges Arbeitszeitmodell könnte nicht nur eine Antwort auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Gehaltsregelungen der LehrerInnen und den Boykott von Schulveranstaltungen sein, sondern es würde erst die pädagogischen Reformen und Vorsätze, die durch die derzeitigen starren Regelungen verhindert werden, ermöglichen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Unterrichtsministerin wird aufgefordert,

1. unverzüglich Beratungen über ein leistungsgerechtes und transparentes Arbeitszeit- und Gehaltsmodell für LehrerInnen aufzunehmen und dem Parlament bis zum Sommer 1999 zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen, das vom tatsächlichen Leistungsumfang und den Anforderungen einer kooperativen, an Schulgemeinschaft und Autonomie orientierten Schule ausgeht. Dieses Modell soll im Gegensatz zum bisherigen – ausschließlich an Unterrichtsstunden orientierten – mindestens folgende Tätigkeitsgruppen von LehrerInnen enthalten:

a) Tätigkeiten mit den SchülerInnen,

Unterricht im weitesten Sinn, Schulveranstaltungen, Betreuung, Beratung, Aufsicht;

b) dazugehörige vorbereitende, nachbereitende und begleitende Tätigkeiten,

Planung und Auswertung von Unterricht und Schulveranstaltungen, Kooperation mit Lehrkräften, Kommunikation mit Eltern und externen Institutionen sowie

c) Tätigkeiten zur Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Organisation der Schule,

Management und Organisation der Schule, Evaluation und Innovation der Schule, Fort- und Weiterbildung, Kooperation und Kommunikation nach innen und außen.

2. Weiters wird die Unterrichtsministerin aufgefordert, unverzüglich eine Gesetzesvorlage vorzubereiten, die bis zur Beschlußfassung eines neuen Gehaltsgesetzes die Regelungen des § des Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetzes und des § 61 Gehaltsgesetz in der novellierten Fassung für LehrerInnen außer Kraft setzt.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses Antrages unter Verweis auf § 93 Abs 2 GOG verlangt."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Beratung des Dringlichen Antrages ein.

Zur Begründung des Dringlichen Antrages erhält der Erstantragssteller, Herr Abgeordneter Öllinger, gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung für maximal 20 Minuten das Wort. – Bitte.

15.02

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 5. Oktober wird – wie so oft im Jahr – ein Tag gefeiert, bei dem jemandem oder etwas besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden sollte. Der 5. Oktober wurde als Tag des Lehrers und der Lehrerin begangen, und die Frau Bundesministerin hat gemeinsam mit Herrn Staatsschulratspräsidenten Scholz ein Plakat verfaßt oder zumindest unterzeichnet, auf dem zu lesen ist: "95 Prozent aller Eltern sind mit der Schule zufrieden. IFES-Studie 98. Wir danken unseren Lehrerinnen und Lehrern." (Der Redner hält ein Plakat in die Höhe.)

Dieses Plakat, meine Damen und Herren, kontrastiert eigentümlich mit dem, was wir in der Anfrage zum Ausdruck bringen wollen. Es kontrastiert vor allem mit dem, Frau Bundesministerin, wodurch Sie sich als Ressortverantwortliche in den letzten Wochen und Monaten ausgezeichnet haben, nämlich durch doppeldeutige Botschaften, die auch einen gewissen Zynismus nicht verbergen können.

Frau Bundesministerin! Wenn etwa in der Zeitschrift "NEWS" von heute zu lesen ist, daß laut Schätzung des Unterrichtsministeriums mehr als 100 der bestbezahlten Lehrer auf mehr als 100 000 S an Monatsgage kommen, dann stelle ich die Frage an Sie, Frau Bundesministerin: Was haben Sie dagegen unternommen? – Wenn in derselben Zeitschrift zu lesen ist, Frau Bundesministerin, daß einer Ihrer Amtsvorgänger, Herr Busek, sagte, gerade unter den Lehrern herrsche – Nachhilfeunterricht bis hin zu Jobs wie Fremdenführer – wahrscheinlich die höchste Nebenerwerbsquote aller Berufe, und dann detailliert aufgezählt wird, wozu Lehrer neben ihrer Berufstätigkeit offensichtlich imstande sind – einige Lehrer, so würde ich meinen –, dann frage ich Sie, Frau Bundesministerin: Was haben Sie in den letzten Jahren unternommen, damit diese Nebentätigkeiten, sofern sie tatsächlich geschehen – ich zweifle nicht daran, daß es einige dieser Exemplare geben wird –, tatsächlich unterbunden oder so reguliert werden, daß Lehrer – ich gehe davon aus, daß dieser Satz, den Sie hier schreiben, tatsächlich auf die überwiegende Zahl der Lehrer zutrifft – ihrer Haupttätigkeit nachkommen?

Für mich steht außer Streit, daß die meisten Lehrer tatsächlich versuchen, in der Schule das zu tun, wofür sie bezahlt werden, darüber hinaus aber auch Tätigkeiten in ausreichendem Ausmaß, in engagiertem Ausmaß betreiben, die mit Schule zu tun haben, die aber – das ist das Thema beziehungsweise einer der Punkte unserer Anfrage – von Ihnen in keiner Weise berücksichtigt werden. Sie schreiben etwa, Frau Bundesministerin – über die APA war diese Meldung zu hören –, daß Lehrer genauso wie jeder andere Österreicher 1 793 Stunden im Jahr zu arbeiten hätten, davon rund 700 in der Klasse, die restliche Zeit unterrichtsfrei, aber Dienstzeit sei, und da fielen vielleicht ein Projekttag, eine Konferenz, die Vor- und Nachbereitung hinein.

Wenn Sie das schreiben, Frau Bundesministerin, dann ist Ihnen offensichtlich nicht bewußt, daß Unterrichten nur ein Teil der Tätigkeit von Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen ist und daß die vielen zahlreichen anderen Tätigkeiten, die Lehrerinnen und Lehrer heute in einer Schule, die sich gewandelt hat, erbringen müssen, von dem, was die Lehrer derzeit in dieser Debatte um die Gehaltspolitik, um die Vorstellungen dazu bewegt, überhaupt nicht berührt sind.

Damit bin ich beim Thema, Frau Bundesministerin. Das, was Sie erreicht haben – da mache ich nicht nur Sie persönlich dafür verantwortlich –, das, was die Bundesregierung mit ihrer Bildungspolitik in den letzten Jahren erreicht hat, ist die Zerstörung eines Schulklimas, das nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer betrifft, sondern mindestens ebenso die Eltern und vor allem die Schülerinnen und Schüler. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich so etwas wie ein Scherbenhaufen, vor dem wir jetzt angesichts dieser Debatte um die Gehaltspolitik stehen. Schülerinnen und Schüler haben – Gott sei Dank! – heute für eine bessere Bildungspolitik demonstriert. Eltern bringen sich ebenso in die Debatte ein – nicht nur bezüglich anderer Ferienordnungen, sondern selbstverständlich auch in die aktuelle Debatte – und bringen zur Kenntnis, daß es mit dieser Politik, mit dieser Bildungspolitik nicht so weitergehen kann, da die Belastungen für Eltern durch Nebengebühren – nicht nur durch die Gebühren im Rahmen der Schulbuchaktion, der Schulfreifahrten, sondern vor allem für Nachmittagsbetreuung und ähnliche Aktionen – immer weiter steigen, da die Aufwände, die Eltern erbringen müssen, damit ihre Kinder die Schule besuchen und sich weiterbilden können, immer weiter steigen.

Gleichzeitig, Frau Bundesministerin, sind die Schülerinnen und Schüler diejenigen, die unter den Resultaten dieser Politik, die Sie und die Bundesregierung in diesen letzten Wochen mitproduziert haben, am meisten leiden werden.

Ich wage eine Prognose, Frau Bundesministerin: Irgendeine Einigung werden Sie mit der Gewerkschaft erzielen können, nur wird es keine gute Einigung sein. Wenn Sie die vielen Stimmen in den letzten Wochen gehört hätten, wenn Sie aufmerksam zugehört hätten, worum es den LehrerInnen geht, wüßten Sie, es sind nicht nur ein feuchter Dank und eine Anerkennung auf einem Plakat, sondern sie wollen in ihrer Besorgnis um die Gestaltung der Unterrichtsqualität und um die Gestaltung der Schulqualität ernst genommen werden. Es geht den meisten Lehrerinnen und Lehrern nicht darum, daß sie 200, 300 oder 500 S mehr bekommen, sondern es geht ihnen darum, daß mit dieser Entwicklung in bezug auf das Gehaltsgesetz eine völlig falsche Orientierung eingeleitet und weiterverfolgt wurde, die vorsieht, daß nur der tatsächlich geleistete Unterricht in der Schule durch Bezahlung anerkannt wird.

Diese Politik, Frau Bundesministerin, haben Sie unterstützt mit Wortmeldungen wie dieser, die ich Ihnen vorgelesen habe, in der Sie all das, was außerhalb des Unterrichtes stattfindet, sofern es nicht Vor- und Nachbereitung ist, einfach als minderwertige Tätigkeiten, die vielleicht Anerkennung und Berücksichtigung finden sollten, qualifizieren. Das, Frau Bundesministerin, ist der härteste Vorwurf, den man Ihnen konkret machen kann! (Beifall bei den Grünen.)

Der darüber hinausgehende Vorwurf, Frau Bundesministerin, betrifft nicht nur Sie, sondern die Politik der Bundesregierung und der Koalitionsparteien und damit den Zustand der Bildungspolitik im allgemeinen.

Wir haben in unserer Anfrage auch einige Zahlen darüber angeführt. Der Anteil des Unterrichtsbudgets, der in den siebziger Jahren noch bei 8,6 Prozent vom Gesamtbudget lag, liegt jetzt bei 7,2 Prozent.

Frau Bundesministerin! Sie treten immer als diejenige auf, die sagt: Das Bildungsbudget gemessen am allgemeinen Budget, gemessen am Bruttoinlandsprodukt wächst. Auch dazu liegen Zahlen in der Anfrage vor, die beweisen, daß es nicht wächst, sondern sinkt. Das ist auch in der Qualität des Unterrichts und der Schule heutzutage erkennbar. Sie propagieren etwa, wie auch einer Ihrer Vorgänger, Herr Busek, eine Fremdsprachenoffensive, gleichzeitig – nicht nur durch die Stundentafeln – aber erfolgt die Kürzung bei den Fremdsprachen und kommt es auch zu sonstigen Einschränkungen. (Zwischenruf des Abg. DDr. Niederwieser.)

Kollege Niederwieser, du weißt genau, wovon ich spreche! Durch die Verschärfung bei den Eröffnungszahlen und durch die Einschränkungen bei den Teilungszahlen haben wir einen Sprachunterricht in einer Qualität, wie sie vor 20 Jahren üblich war, nämlich mit großen Sprachgruppen. Aber das Erlernen der Sprache kann eigentlich nur dialogisch stattfinden, und zwar in kleineren Gruppen, und nicht im Frontalunterricht.

Wenn das die Konsequenz dieser Bildungspolitik ist – diese ist in den Schulen erlebbar, nicht nur in den Mittelschulen, aber vor allem dort –, dann ist schon erkennbar, daß sich in diesem konkreten Fall die Qualität der Schule nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren entwickelt hat.

Gleichzeitig gibt es auch in anderen Bereichen Stundenkürzungen, und zwar bei den Freistunden und bei den unverbindlichen Übungen. Das, Frau Bundesministerin, kennzeichnet die Bildungspolitik, die von dieser Bundesregierung vertreten wird, für die letzten Jahre leider nur allzu deutlich.

Ich komme jetzt zu einem Punkt, der mir besonders wichtig ist, weil da der Konnex von der Bildungspolitik zum Schulklima liegt. Alle – alle! – einschlägigen Experten betonen immer wieder, die wichtigste Voraussetzung für die Umsetzung jeder Reform im Bildungsbereich sei, daß das Schulklima stimmt. Wenn das Schulklima nicht stimmt – Frau Bundesministerin, das wissen Sie genausogut wie ich; unter Schulklima ist nicht nur zu verstehen, daß die Lehrer gut bezahlt werden; unter Schulklima ist zu verstehen, daß die Lehrer verstehen, welche Politik verfolgt wird, daß die Eltern verstehen, welche Politik verfolgt wird, welche Ziele es gibt, daß die Schüler verstehen, daß sie in den Schulen gut kooperieren; das macht das Schulklima aus –, wenn dieses Schulklima nicht funktioniert, dann können Sie noch so gut gemeinte Vorschläge präsentieren, Frau Bundesministerin, aber Sie werden nicht zu dem gewünschten Resultat kommen.

Genau in diesem Zustand, Frau Bundesministerin, befinden wir uns derzeit mit Ihrer Bildungspolitik und mit dem aktuellen Anlaß in bezug auf das Gehaltsgesetz.

Ich habe Ihnen schon vorhin gesagt, ich prophezeie Ihnen, es wird eine Einigung geben, bei der beide Seiten – die Gewerkschaft und Sie als Unterrichtsministerin – vorweisen können, etwas erreicht zu haben: 200 S, 300 S. Ich prophezeie Ihnen gleichzeitig, daß das nicht das gewünschte Resultat bringen wird.

Ich habe die Debatten aufmerksam verfolgt und auch die Briefe, die an Sie und genauso an mich und an alle Bildungspolitiker, Bildungssprecher der anderen Fraktionen geschickt worden sind, gelesen. Der Tenor der Briefe und das, was von den Lehrerinnen und Lehrern ausgedrückt wurde, heißt nicht: Gebt uns mehr Geld!, sondern er heißt: Das, was wir in der Schule leisten, das, was wir für die Qualität dieser Schule leisten, findet in keiner Weise Anerkennung durch dieses Gehaltsgesetz, durch das Arbeitszeitgesetz, das für die Schulen gilt, wir wollen eine andere Bewertung der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern, die in der Schule geleistet wird! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Bundesministerin! Wenn Sie die Lehrerinnen und Lehrer als AbkassiererInnen darstellen, dann ist das die falsche Antwort darauf. Ich weiß schon, nicht nur Sie machen die Musik, auch einige Medien machen da fleißig mit. Aber es kommt vor allem darauf an, welche Orientierung, welche Unterstützung nicht nur den Lehrerinnen und Lehrern, sondern auch den Eltern und den Schülern mitgegeben wird. Diesbezüglich meine ich, daß Sie vor allem in den letzten Wochen komplett versagt haben. Das war Zynismus, was Sie geboten haben, nämlich die Botschaft war: Auf der einen Seite anerkennt man, daß gute Arbeit geleistet wurde – wir danken! –, und auf der anderen Seite gibt man klar zu erkennen: So wie ihr euch das vorstellt, mit den Forderungen, die ihr habt – das sind von seiten der Lehrer nicht die Gehaltsforderungen –, kann es nicht gehen.

Frau Bundesministerin! Ich glaube, daß Sie – wir haben das schon mehrmals gefordert – den aktuellen Stand der Dinge nur für eine Sache nützen können, und das ist auch interessanterweise – trotz einiger negativer Begleitbemerkungen – in dem Beitrag der Zeitschrift "NEWS" zu lesen. Sie könnten die Debatte dazu nutzen, eine völlige Neuorganisation dessen, was Schule, Schulqualität heißt, was Lehrerarbeit in der Schule heißt, zu beginnen und sich einmal mit den Lehrern, mit den Gewerkschaften und mit allen Interessierten gemeinsam Gedanken zu machen, und Sie sollten versuchen, zu bewerten. Schule ist nicht nur Unterricht und dessen Vorbereitung und Nachbereitung. Schule ist nicht nur das, was vor allem der ÖVP so wichtig ist, nämlich die Zeugnisnoten. Schule ist wesentlich mehr – und deshalb auch die Arbeit, die in den Schulen geleistet wird.

Dabei geht es auch um Betreuung, um Beratung. Da geht es auch um so banale Dinge wie die Aufsicht. Da geht es um die Kooperation zwischen den Lehrkräften. Da geht es um die Kommunikation mit Eltern und anderen Institutionen außerhalb der Schule. Da geht es auch um Management und Organisation der Schule, um Evaluation, was Ihnen auch sehr wichtig ist, und Innovation in der Schule. Da geht es um Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften. Da geht es um Kooperation und Kommunikation nach innen und außen.

Für all das ist viel Zeit erforderlich – Zeit, die in dem Gehaltsschema, das Sie den Lehrern vorgeben, keine entsprechende Anerkennung findet, keine Entsprechung findet. Was die Lehrerinnen und Lehrer verlangen, ist ja nicht, daß sie für jede dieser Tätigkeiten eine Zulage erhalten, sondern daß diese Tätigkeit einen entsprechenden Ausdruck und die entsprechende Anerkennung findet.

Frau Bundesministerin! Derzeit lebt die Schule vor allem davon, daß viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer all das freiwillig – das heißt ohne jegliche Bezahlung – leisten. Nehmen Sie nur das her, was derzeit auch an den Schulen diskutiert und was auch verhandelt wird, nämlich die Arbeit der EDV-Kustodiate. Derzeit sind die EDV-Kustodiate in allen Schulen mit Tätigkeiten überlastet, die im Zuge der Neuorganisation der Datenverarbeitung und der Datenübermittlung an den Schulen notwendig sind.

Nehmen Sie nur die Tätigkeit eines Stundenplanmachers oder einer Stundenplanmacherin her. Glauben Sie, daß das irgendwo Anerkennung findet (Abg. Mag. Mühlbachler: Oh doch! Sie haben keine Ahnung!), die Dutzenden Stunden, die Hunderten Stunden, die in den Schulen von Stundenplanmachern geleistet werden, die Hunderten Stunden, die teilweise verbracht werden, um einen Stundenplan auszutüfteln? Glauben Sie, daß das Anerkennung findet? Glauben Sie, daß das Anerkennung findet, was engagierte Kolleginnen und Kollegen für einen pädagogischen Tag an Vorbereitungsarbeiten leisten? Glauben Sie, daß all das seine Entsprechung findet? – Da können Sie noch soviel Zulagen geben, das bringt das nicht zum Ausdruck. Das ist Teil und Inhalt des Schulsystems und muß entsprechende Bewertung finden, aber nicht durch Zulagen! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren von der ÖVP, daß die Politik der Gewerkschaft – beispielsweise der Pflichtschullehrergewerkschaft – ein Lehrerleitbild schafft, bei dem man nur jammern kann. Frau Bundesministerin! Sie haben dieses Leitbild finanziell unterstützt, und die Gewerkschaft ist sehr zufrieden mit diesem System, bei welchem sie sich selbst reproduzieren kann, indem sie den Lehrern immer wieder ihre Zustimmung abringt, wenn sie sagt: Wir haben eine Zulage für euch erkämpft. – Das ist aber nicht Gegenstand der Debatte, die in der Bildungspolitik und in der Schulpolitik von heute notwendig ist, Frau Bundesministerin!

Die Kürzungen, die derzeit in der Schule vorgenommen werden beziehungsweise in den letzten Jahren vorgenommen wurden, können nicht von den Lehrern und Lehrerinnen aufgefangen werden, sie können auch nicht von den Eltern aufgefangen werden, und sie können schon gar nicht von den Leidtragenden dieser Entwicklung, den Schülerinnen und Schülern – nicht nur im konkreten Anlaßfall, bei welchem es beispielsweise um die Schikurse geht –, verantwortet werden. Das haben Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, zu verantworten!

Und das ist das tatsächliche Problem: Bezahlt wird nur der tatsächlich geleistete Unterricht, der Dienst nach Vorschrift. Soll das die Perspektive der Schulpolitik und der Schulentwicklung in den nächsten Jahren sein, Frau Bundesministerin, daß Sie den Weg in die Klasse zurückgehen, statt die Schule nach außen zu orientieren? Wollen Sie den Weg gehen, daß Sie diese neuen Tätigkeiten, die alle zur Schulentwicklung notwendig sind, nicht entsprechend bewerten und anerkennen? Wollen Sie die Lehrerinnen und Lehrer bei ihrer Arbeit nicht motivieren? Wollen Sie die Eltern und die Schülerinnen und Schüler bei der Arbeit in den Schulgemeinschaftsausschüssen nicht motivieren, einer Arbeit, welche bislang keine Entsprechung in einem demokratischen Prozeß der Schulentwicklung findet, weil Eltern und SchülerInnen trotz allem im Rahmen der Schulgemeinschaftsausschüsse leider nach wie vor zuwenig demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten haben? – Wenn Sie all das nicht honorieren und weiterentwickeln, dann wird sich das Schulklima weiterhin verschlechtern.

Meine Damen und Herren! Deshalb glauben wir, daß es nicht nur um die aktuelle Auseinandersetzung geht, bei der wir fordern, daß diese beiden Paragraphen zurückgenommen werden, die Kerngegenstand der Auseinandersetzung sind, sondern daß es auch um die Bildungspolitik der letzten Jahre geht, die mitverantwortlich für das jetzige Klima an Österreichs Schulen ist. Unsere Sicherheit und unsere Zukunft für die Schulen besteht nicht in mehr Panzern und Abfangjägern, sondern in sozialer Sicherheit, in mehr Sicherheit und mehr Ausgaben in der Bildung – und nicht Kürzungen! (Beifall bei den Grünen.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema des Dringlichen Antrages hat sich die Frau Bundesministerin gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

15.23

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich begrüße es immer, wenn in diesem Hohen Haus der Bildungsbereich diskutiert wird, denn ich halte Bildung für die ganz wesentliche Grundlage für eine gute Weiterentwicklung unseres Landes.

Allerdings muß eine Bildungsdiskussion geleitet sein von Hausverstand (Beifall bei der ÖVP) und von guten, grundlegenden Kenntnissen über das Bildungswesen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Das ist aber eine massive Kritik an der ÖVP!)

Ich möchte zuerst einmal einige Dinge ins rechte Licht rücken. – Erstens: Die Lehrer und Lehrerinnen werden gesamthaft bezahlt für die gesamthafte Jahresarbeitszeit. Daher bitte ich, endlich einmal die falsche Aussage, daß Lehrer und Lehrerinnen nur für den gehaltenen Unterricht bezahlt werden, ad acta zu legen! Deswegen ist es mir so wichtig, immer wieder zu sagen: Jeder Lehrer und jede Lehrerin arbeitet Vollzeit, genauso wie jeder andere Österreicher auch, nämlich 1 793 Stunden im Jahr. Und ich weise es aufs schärfste zurück, wenn hier behauptet worden ist, daß ich Lehrer und Lehrerinnen als Abkassierer bezeichne. Sie erbringen volle Leistung und verdienen daher ihr volles Gehalt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens zur falschen Aussage, daß es immer weniger Budget und immer mehr zu tun gibt. – Jeder, der hier sitzt und die Budgetdiskussionen offenen Ohres verfolgt, hat gesehen, daß das Unterrichtsbudget in zwei Jahren um 5,5 Milliarden Schilling erhöht wurde. (Abg. Öllinger: Was ist mit den Klassenschülerzahlen?) Meine Damen und Herren! Ich stelle ganz klar fest: Es gibt derzeit keine Kürzungen an den Schulen. Es gibt Verbesserungen, und zwar nicht ganz unwesentliche Verbesserungen. Und ich stelle weiters ganz klar fest, daß sogar das Budget für die Sachausgaben gesteigert wurde. Wir haben die höchsten Steigerungsraten aller Ressorts. Und wenn dauernd gejammert wird, daß wir zuwenig Dienstposten und zuwenig Werteinheiten haben: Ich darf Ihnen mitteilen, daß von 1995 bis 1999 um 1 000 Dienstposten mehr geschaffen wurden, selbstverständlich für mehr Schüler, die wir nunmehr haben. (Abg. Öllinger: Teilzeitposten!) Hiebei handelt es sich um 1 000 Vollzeitdienstposten; ich rechne nicht in Köpfen, sondern ich rechne in Vollzeitdienstposten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß wir die Diskussion über Bildung in Ruhe und ohne gegenseitige Beschuldigungen führen sollten. Meine Intention ist es, als Ministerin gute Rahmenbedingungen für die Lehrer und für die Jugend zu schaffen. Daher frage ich mich: Wieso kann dann jemand hier sagen, daß das Schulklima überall schlecht ist? – Wir haben 80 000 Landeslehrer und Landeslehrerinnen, die in den Volksschulen und Hauptschulen, in den Sonderschulen, in den polytechnischen Schulen und in den Berufsschulen mit Engagement und Freude unterrichten. Und selbstverständlich haben die Schüler und Schülerinnen ein Anrecht auf guten Unterricht.

Es zeigt sich jetzt, daß es aufgrund einer Entwicklung, die ich im folgenden gerne erklären möchte, zu unterschiedlichen Auffassungen und zu Mißverständnissen gekommen ist: Im Jahr 1995 wurde im Rahmen von Strukturmaßnahmen mit der Gewerkschaft vereinbart, daß es während der Projektwoche keine Dauermehrdienstleistungen mehr gibt. Früher war es so geregelt, daß ein Lehrer, der Mehrdienstleistungen hatte, diese auch für die Zeit der Projektwoche bekam, hingegen einer, der keine Mehrdienstleistung hatte, aber auch an der Projektwoche teilnahm, diese zu seinem normalen Lohn absolvierte. Dann wurde vereinbart, daß der Leiter der Projektwoche eine Monatsmehrdienstleistung dazu erhält.

In der Folge haben wir dann im Zuge der neuen Abrechnung eine vollkommen neue Betreuerzulage eingeführt, welche sich mit insgesamt 36,7 Millionen Schilling im Budget zu Buche schlägt. Zum ersten Mal erhalten Betreuer auf Projektwochen über die Pauschalgebühr, über die Nächtigungskosten und über den Reisekostenersatz hinaus eine Betreuerzulage.

Die Regelungen, die wir voriges Jahr hier im Parlament beschlossen haben, wurden aufgrund von Rechnungshofberichten erarbeitet. Der Rechnungshof hat erstens verlangt, daß die Dauermehrdienstleistungen abgeschafft werden und daß jede tatsächlich erbrachte Überstunde bezahlt wird, daß jede Supplierung, die eine Überstunde ist, bezahlt wird; unentgeltliches Supplieren gibt es nicht mehr. Der Rechnungshof hat zweitens verlangt, daß wir das Maturajahr als verkürztes Schuljahr sehen. – Wir haben diese Forderungen des Rechnungshofes mit den Vertretern der Gewerkschaft diskutiert, wir haben Lösungen gefunden, und diese wurden bei einer Endverhandlung am 8. September 1997 zwischen Staatssekretär Ruttenstorfer und der Spitze der Lehrergewerkschaft paktiert. Ich meine, daß es zu einer demokratischen Kultur gehört, daß man Vereinbarungen für den Zeitraum, für den man sie abgeschlossen hat, auch einhält. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist das Gehaltssystem für Lehrer und Lehrerinnen äußerst unübersichtlich. § 61 ist durch viele Novellierungen ... (Rufe bei der ÖVP und Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es wurde ein Dringlicher Antrag gestellt. Es ist erwünscht, daß das Regierungsmitglied dazu Stellung nimmt, und ich glaube, das sollten wir ermöglichen und dann darüber diskutieren. – Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer (fortsetzend): § 61 wurde durch zahlreiche Novellierungen verändert. Natürlich ist es an der Zeit, daß wir zu einem neuen Gehaltsgesetz und zu einem neuen Lehrerdienstrecht kommen.

Im Zuge der Gesamtdiskussion wurden noch weitere Verbesserungen erarbeitet, die hier in diesem Hause am 9. Juli beschlossen wurden, ich erwähne zum Beispiel zusätzliche Arbeitsstunden für EDV. Es stimmt nicht, daß wir für den EDV-Bereich nichts gemacht haben. Es gibt 2 300 zusätzliche Arbeitsstunden für EDV, die sich mit 31 Millionen Schilling zu Buche schlagen. (Abg. Öllinger: Das steht in keiner Relation!) Außerdem haben wir betreffend Schulbibliothekare an den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ein Budget von 21 Millionen Schilling beschlossen, und wir haben auch für Beratungslehrer an polytechnischen Schulen etwas beschlossen.

Die Gespräche wurden dann weitergeführt, weil es natürlich immer wieder einige Druckpunkte gibt, und es wurde mit der Gewerkschaft ganz klar und deutlich vereinbart, daß wir Druckpunkte weiterhin besprechen und kurzfristige Maßnahmen treffen, weil das oft auch gar nicht den finanziellen Bereich betrifft. Man ist übereingekommen, daß die Projektwochen längerfristig neu zu bewerten sind und in einer großen Projektarbeitsgruppe ein neues Gehaltssystem und ein neues Lehrerdienstrecht zu erarbeiten sind.

Meine Damen und Herren! Die Situation, die jetzt eingetreten ist, wird von mir in höchstem Maße bedauert. Daher möchte ich auch einen Appell an die Vertreter der Bundeslehrergewerkschaft richten, mit überzogenen Maßnahmen nicht unser gutes Schulklima zu gefährden! (Beifall bei der ÖVP.)

Weil mir daran liegt, daß wir in weiteren Diskussionen Weiterentwicklungen erarbeiten, habe ich am 25. September die Gewerkschaftsspitzen zu einer Projektarbeitsgruppe eingeladen. Diese Einladung ist von den Gewerkschaftsspitzen angenommen worden, und wir werden zügig weitere Gespräche führen und Überlegungen anstellen, wie Druckpunkte gelöst werden können. Wir werden einen Stufenplan in Richtung Lösung der anstehenden Probleme entwickeln, etwa betreffend Bewertung der Arbeitsleistung der Lehrer bei Projektwochen, generelle Bewertung der Arbeitsleistung der Lehrer in der Gesamtjahresarbeit und Neugestaltung des Lehrer-Dienstrechtes mit dem Gehaltsgesetz. – Das ist die Aufgabe für die Projektgruppe, und ich meine, daß es zu einer guten demokratischen Tradition gehört, daß sich, wenn Gespräche geführt werden und eine Projektgruppe arbeitet, beide Seiten an die Spielregeln halten, daß von seiten der teilnehmenden Gewerkschaft auch die Aktionen eingestellt werden. (Abg. Öllinger: Sie haben sich auch nicht daran gehalten!)

Es ist Sozialpartnertradition, daß bei laufenden Gesprächen keine darüber hinausgehenden Maßnahmen stattfinden. Deshalb werden wir – ich sage das hier ganz klar – das hier im Hohen Haus beschlossene neue Gehaltsgesetz mit dem neuen Abrechnungsschema zügig umsetzen. Die Computerprogramme laufen bereits. Die Lehrer haben bereits ihr Gehalt ausbezahlt bekommen. Die Lehrer werden wie jedes Jahr im November ihre Mehrdienstleistungen bekommen, das war jedes Jahr so.

Wir werden daran festhalten, daß jede gehaltene Überstunde bezahlt wird. Die vereinbarten Weiterentwicklungen, die auch hier im Hohen Haus schon beschlossen wurden, werden zügig umgesetzt. Wir werden an Druckpunkten für Lösungen einstehen, wir werden aber auf längere Sicht daran arbeiten, daß wir ein neues Lehrer-Dienstrecht und ein neues Gehaltsschema erhalten.

Wir alle, die wir hier sind, tragen in ganz besonderem Maße Verantwortung gegenüber der Jugend, und dieser Verantwortung müssen sich alle Beteiligten bewußt sein! (Beifall bei der ÖVP.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. Die Redezeit der weiteren Redner beträgt jeweils 10 Minuten maximal. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Auer: Hoffentlich ist sie besser als Öllinger!)

15.35

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Es hätte sicherlich nicht Ihrer Ausführungen bedurft, um deutlich zu machen, wie dringend unser heutiger Antrag ist. Ihre Ausführungen haben die Dringlichkeit allerdings noch unterstrichen. Daß es eine Arbeitsgruppe gibt, die anstrebt, das Gesamtgehaltsschema der Lehrer zu überarbeiten, zeigt die Dringlichkeit. Gleichzeitig zeigen aber die Schüler auf der Straße, wie saumselig diese Gruppe arbeitet. Und wie weit wir noch vom Ziel entfernt sind, zeigen auch die Atmosphäre an den Schulen und die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen, die in der Frage der neuen Gehaltsregelung nach wie vor hingehalten werden.

Es geht aber nicht nur ums Geld. Viele Kolleginnen und Kollegen sind nicht in erster Linie wegen Gehaltsangelegenheiten, wegen Mehrdienstleistungssummen oder wegen Zulagen für Schulprojektwochen, Skikurse et cetera verstimmt oder demotiviert. Es geht um das gesamte Schulklima, das Sie angesprochen und in sehr, sehr schönen Farben gezeichnet haben. – Dem darf ich einiges entgegenstellen.

Zu Ihrer Bemerkung, daß die Jahresarbeitszeit die Grundlage der Bezahlung sei, möchte ich sagen: Das findet sich nicht im Gesetz. Im Gesetz steht:

"Die Arbeitszeitregelung der Lehrer wird in Bezug zur Unterrichterteilung gestellt. Dies bedeutet, daß als Basis für die Lehrerbeschäftigung die Lehrverpflichtung gilt."

Gesetzlich ist noch immer die gehaltene Stunde die Gehaltseinheit, und das führt natürlich dazu, daß viele Lehrer eine eindeutige Relation herstellen: Auf der einen Seite stehen die gehaltenen Stunden, diesen wird das Gehalt gegenübergestellt, das man dafür bekommt, und alle anderen Tätigkeiten sind sozusagen zusätzliche Leistungen, die ein Lehrer für die Schule, für die Gesellschaft und auch für die Schüler aufgrund seines Engagements erbringt.

Diese Stimmung und Einstellung bei vielen Kollegen ist darauf zurückzuführen, daß die gesetzliche Regelung so formuliert ist. Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß dies geändert werden muß, und ich bin auch Ihrer Meinung, daß die Einstellung von Lehrern und auch von Schülern geändert werden muß. Allerdings müssen diese Änderungen jetzt schnell vor sich gehen! (Beifall bei den Grünen.)

Es muß jetzt rasch zu Änderungen kommen, denn sowohl die Atmosphäre unter den Schülern in Wien, die auf die Straße gehen, als auch die Atmosphäre in den einzelnen Klassenzimmern und in den einzelnen Konferenzzimmern in den Schulen ist schlecht!

Sie haben gesagt, daß es keine Kürzungen, sondern sogar Verbesserungen gab. – In diesem Zusammenhang möchte ich nur ganz kurz und kursorisch auf ein Papier verweisen, in welchem festgehalten ist, wie hoch die KlassenschülerInnen-Zahl pro Klasse in den letzten Jahren war. Beim Studium dieser Unterlage merkt man, daß in den neunziger Jahren eindeutig eine Zunahme der KlassenschülerInnen-Zahlen zu verzeichnen ist. – Sie können natürlich sagen, daß wir noch immer unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Dennoch trägt diese Zunahme der KlassenschülerInnen-Zahlen auch dazu bei, daß die Stimmung unter den Lehrern und auch unter den Schülern schlechter wird. Darunter leidet unter anderem auch die Qualität des Unterrichts. In dieser Untersuchung ist deutlich angeführt, daß sowohl in den Volksschulen als auch in den Hauptschulen und den Sonderschulen, in den AHS – Unterstufe und Oberstufe – und in den berufsbildenden Schulen die KlassenschülerInnen-Zahlen überall steigen.

Das verschärft sozusagen die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Kollegen, und diese Arbeit soll sich nicht nur in der Klasse abspielen, sondern vor allem auch im außerschulischen Bereich, im Bereich zwischen Theorie und Praxis, eben bei Projekten, Exkursionen et cetera. Die Schüler sollen Zugang zu anderen Erfahrungsbereichen haben. Auch dort ist die Arbeit des Lehrers angesiedelt.

Frau Minister! Sie haben behauptet, daß die Zahl der Vollzeitdienstposten zugenommen hat, und haben von einem Plus von 1 000 Vollzeitdienstposten gesprochen. Ich möchte korrigieren: Sehr viele Kolleginnen und Kollegen sind auch auf Teilzeit gegangen, und deshalb war es möglich, diese Zunahme an Vollzeitdienstposten zu verzeichnen.

Sie haben weiters behauptet, daß die Lehrer und die Schüler in der Schule insgesamt sehr, sehr gute Rahmenbedingungen vorfinden. Frau Minister! Im Hinblick darauf möchte ich Ihnen einen Brief zur Kenntnis bringen, den wir von einem Kollegen aus Vorarlberg erhalten haben. Er stellt die Situation an seiner Schule im Schuljahr 1997/98 wie folgt dar:

"Es fehlten Klassenräume für sechs Klassen und mehrere Sonderräume, für die 103 LehrerInnen gibt es lediglich drei Computer, im Konferenzzimmer, das auch als Aufenthaltsraum dienen muß, steht jedem Lehrer ein ‚Arbeitsplatz‘ von maximal 65 mal 65 Zentimeter zur Verfügung." Dieser Kollege hat daraufhin das Arbeitsinspektorat informiert und diese Information auch den Vorarlberger Medien zukommen lassen. So verhält es sich real in manchen Schulen, und es ist vor allem die Situation, wie sich die Arbeitsbedingungen gestalten, worunter viele Lehrer leiden!

Man muß auch bedenken, daß auf der anderen Seite den Lehrern die Möglichkeit geraubt wurde, es steuerlich geltend zu machen, wenn sie ihre privaten Räumlichkeiten zu Hause als Arbeitszimmer verwenden. Man hat also auf der einen Seite den Lehrern eine steuerliche Absetzmöglichkeit geraubt, auf der anderen Seite hat man manchen Lehrern jedoch geradezu eine Hühnerstall-Situation zugemutet! Ich selbst habe einmal fünf Jahre lang in einer Klasse unterrichtet, deren Fensterscheiben mit Meinl-Sackerln zugeklebt waren, in der die Schüler sich selbst die Stühle organisierten und wo ich während einer Stunde ein ganzes Stück Kreide brauchte, weil die Tafel so rauh war, daß sehr, sehr viel Kreidestaub direkt an der Tafel haften geblieben ist.

Das war damals Realität, und diese Situation besteht in Vorarlberg teilweise noch. Das sind die Rahmenbedingungen, die Sie uns hier als gut verkaufen wollen! Das stimmt nicht in dieser generellen Form, und daher muß Abhilfe geschaffen werden!

Sie haben auch gesagt, daß die Gewerkschaften dann keine Mehrdienstleistungen im Zusammenhang mit den Projektwochen mehr gefordert und sehr wohl von ihrer Position Abstand genommen haben, sodaß ein gerechteres System mittels Zulage geschaffen wurde, das jetzt in Geltung ist. – Ich habe allerdings bei meinen KollegInnen beobachtet, daß, seitdem diese Regelung greift, die Begeisterung, auf Projektwoche zu fahren, sehr, sehr stark abgenommen hat.

Natürlich können Sie dahin gehend argumentieren, daß es jetzt gerechter ist, und in mancher Hinsicht gebe ich Ihnen auch recht. Andererseits frage ich Sie: Wer verzichtet schon freiwillig auf ein Einkommen, das er hat, wenn er an Ort und Stelle in der Klasse im Unterricht steht und nicht draußen irgendwo auf der Wiese mit den Schülern Blumen bestimmt oder unterwegs ist und eine Tätigkeit außer Haus verrichten muß, die gefährlicher ist und bei der mehr Aufsicht notwendig ist, wie eben etwa bei einer Projektwoche?

Frau Minister! Sie haben festgestellt, daß wir gegenwärtig ein unübersichtliches Gehaltssystem haben. Sie haben aber auch festgehalten, daß die Arbeitsgruppe bereits Reformen plant. Sie haben unter anderem darauf hingewiesen, daß für Schulbibliotheken und EDV-Kustodiate insgesamt 52 Millionen Schilling aufgewendet wurden. All das ist jedoch sehr, sehr wenig im Vergleich zu dem, was notwendig wäre, damit wir jetzt wirklich zu einem europäischen Standard an österreichischen Schulen kommen!

Sie haben 260 000 S aufgewendet, um Broschüren mit dem schönen Titel "Lehrerleitbild" zu erstellen. Ich selber habe diese Broschüre heute das erste Mal bekommen und freue mich, darin zu lesen: "Schule ist mehr als Unterricht" und "Lehrersein ist mehr als unterrichten". Aber: Sie zahlen tatsächlich für den Unterricht – ich habe Ihnen die Gesetzesstelle am Anfang zitiert –, und das ist im Bewußtsein der Lehrer. Dann wird jedoch ein Lehrerleitbild propagiert, wonach es heißt: "Lehrersein ist mehr als unterrichten." – Das stimmt auch, aber gezahlt wird für den Unterricht. Das ist der Punkt.

Daher besteht die Notwendigkeit einer massiven Reform, und ich möchte Ihre Arbeitsgruppe besonders antreiben. Ich möchte, daß Sie heute diesen Dringlichen Antrag als besonderen Impuls verstehen, endlich wieder Frieden einkehren zu lassen in den Schulen, eine neue Atmosphäre zu konstituieren und eine wirklich zukunftsorientierte und in diesem Sinn konstruktive Arbeit an den Schulen zu ermöglichen! (Beifall bei den Grünen.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.43

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Lassen Sie mich in dieser Angelegenheit mit einigen Fakten beginnen.

Es gibt eine Verordnung der Frau Bundesminister, in der festgehalten wird: "Schulveranstaltungen sind schulautonom vorzubereiten und durchzuführen." Das heißt, sie haben zu erfolgen. Ich sage dazu: Schulveranstaltungen sind meines Erachtens ein wichtiges Aufsuchen von Lernorten außerhalb der Klasse, und Begegnung mit der Realität, Praxisbezug und Motivation gehen automatisch damit einher.

Faktum Nummer zwei: Ich muß mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, daß von rund 50 AHS Resolutionen beziehungsweise Beschlüsse auf meinem Schreibtisch liegen, in welchen mir und auch allen anderen Bildungssprechern hier im Haus mitgeteilt wird, daß im Schuljahr 1998/99 keine Schulveranstaltungen durchgeführt werden.

Faktum Nummer drei: Bis zum heutigen Tag gibt es bedauerlicherweise keine einvernehmlich akzeptierte Lösung zwischen dem Bundesministerium für Unterricht und den Lehrervertretern in der Angelegenheit der Schulveranstaltungen. – Und es wird immer schlimmer.

Faktum Nummer vier: Heute am Vormittag fanden Demonstrationen in der Wiener Innenstadt statt, in denen in Sprechchören gerufen wurde: Schüler und Lehrer gegen Gehrer! – Andere Formulierungen möchte ich hier im Hohen Haus nicht wiederholen, denn sie würden dem guten Anstand widersprechen.

Geschätzte Damen und Herren! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bedauern diese Entwicklung zutiefst und ersuchen Sie dringend, Frau Bundesministerin, die bereits angekündigten Verhandlungen in Angriff zu nehmen und, wenn möglich, einer guten Lösung zuzuführen!

Lassen Sie mich nun doch in aller Deutlichkeit den Standpunkt der SPÖ festhalten: Die Interessen der Schülerinnen und Schüler stehen absolut im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler haben ein Recht darauf, daß alle Schulveranstaltungen, ob Schikurse, Schullandwochen, Sprachkurse oder andere Projekte, auch im heurigen Schuljahr durchgeführt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Wenn Lehrerinnen und Lehrer dazu nicht bereit sind, dann greife ich zurück auf die Vorschläge in meiner Presseaussendung, in welcher ich vorgeschlagen und festgehalten habe, daß auch daran zu denken ist, daß Freizeitpädagogen, Sportlehrerinnen und Sportlehrer sowie arbeitslose Junglehrer heranzuziehen sind, damit solche Schulveranstaltungen durchgeführt werden können. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.) Ich weiß, daß das eine Notmaßnahme ist, aber sie ist allemal berechtigt!

Die entsprechende Bezahlung für derartige Maßnahmen kann aus den Aufwendungen der UT8 finanziert werden, beziehungsweise können Einnahmen der zweckgebundenen Gebarung der Schulen dafür herangezogen werden. Selbstverständlich ist das mit den Institutionen der Schulaufsicht, Bezirksschulräten, Landesschulräten, zu koordinieren. (Abg. Öllinger: Es wäre besser, arbeitslose Lehrer überhaupt einzustellen!) Auch das!

Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen einzelnen Lehrergewerkschaften und dem Unterrichtsressort darf keinesfalls weiter auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausgetragen werden. Man muß sich wirklich in aller Eile bemühen, eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden.

Meine Damen und Herren! Wir reden jetzt über § 61 und § 4, und ich meine, daß die damit in Zusammenhang stehende Aufgabe lösbar ist, wenn guter Wille vorhanden ist. Ich möchte meine Darstellung in Summe aber doch wesentlich breiter anlegen: Meine Damen und Herren! Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unserer Gesellschaft, die Zukunft unseres Staates. Eine gute, solide und umfassende schulische und berufliche Ausbildung ist in Hinkunft nicht nur eine absolute Notwendigkeit, sondern sie wird zunehmend zur Existenzfrage für den einzelnen. Daher müssen wir alle, egal welcher Fraktion wir angehören, geschätzte Damen und Herren, unserer Jugend durch beste Ausbildung Chancen, Hoffnung und Mut geben, daß sie sich in einer sich ständig verändernden Welt zurechtfinden. Und um das zu erreichen, meine Damen und Herren, brauchen wir erstens hochqualifizierte, bestens ausgebildete Lehrer, zweitens ein neues, modernes und flexibles Dienstrecht für alle Lehrer, das den heutigen schulischen Anforderungen entspricht, und drittens ein neues Anforderungsprofil, ein neues Tätigkeitsprofil für Lehrer, ein neues Lehrerleitbild.

Herr Kollege Öllinger! Ich kann den diesbezüglichen Aufzählungen in Ihrem Antrag zu 100 Prozent zustimmen! Es werden damit die wesentlichen drei Bereiche umrissen, die alle zur Tätigkeit im schulischen Feld gehören. Denn das schulische Arbeitsfeld umfaßt nicht nur die Unterrichtsgestaltung. All das muß in einem neuen Lehrerdienstrecht Aufnahme finden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich brauchen Lehrer, die eine überaus verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben, auch eine gute Entlohnung. Ich persönlich begrüße es sehr, daß die Bezüge der österreichischen Lehrer im europäischen Vergleich im Spitzenfeld liegen. Aber wir sollten wirklich gemeinsam und ernsthaft darüber nachdenken, wie wir damit auch die größtmögliche Effizienz für unsere schulische Ausbildung erreichen.

Frau Bundesministerin! Wir haben Ihnen vor einigen Tagen im Rahmen der Koordinierung den Entwurf eines Gesetzes für die Hochschule für Bildungsberufe überreicht. Ich darf Sie von diesem Platz aus einladen, dringend und so rasch wie möglich mit uns Verhandlungen darüber aufzunehmen. Denn ich bin überzeugt davon, daß die mehrgleisige Lehrerausbildung – Pflichtschullehrer in der Pädagogischen Akademie, AHS-Lehrer an den Universitäten, Berufschullehrer und Lehrer für das berufsbildende Schulwesen in berufspädagogischen Akademien, Religionslehrer in religionspädagogischen Akademien – so nicht weiter funktionieren kann. Das ist ein Auslaufmodell.

Unser Konzept sieht die Schaffung von Hochschulen für Bildungsberufe vor. Wir wollen in diesen Schulen nicht nur Lehrer, sondern auch Fachkräfte für andere pädagogische Berufe ausbilden: seien das Kleinkindbetreuer, Erzieher, Freizeitpädagogen oder Pädagogen für den Bereich der Erwachsenenbildung. Natürlich sind dabei Ausbildungsgänge von ganz unterschiedlicher Dauer und Qualifizierung vorgesehen. Meines Erachtens ist ein in diesem Konzept besonders wichtiger Punkt die Verpflichtung zur Forschung, Schulentwicklung und Qualitätssicherung. Weiters ist darin ein permanentes Angebot für Höher- und Weiterqualifizierung enthalten sowie die Verpflichtung zur Bedarfserhebung und Bedarfsplanung. Selbstverständlich handelt es sich dabei auch um ein Konzept, das eine offene flexible Struktur anbietet, die jede qualitative Weiterentwicklung in den Schulen zuläßt.

Wir haben daher versucht – ich weiß, daß wir darüber mit unserem Koalitionspartner noch immer in Verhandlung sind –, heute einen Entschließungsantrag einzubringen, in dem wir auf der einen Seite die Frau Bundesministerin ersuchen, mit uns eine entsprechend höhere vollakademische Ausbildung für alle unsere Lehrer zu entwickeln. Zum anderen ersuchen wir auf der Basis dieses neuen Gesetzes um die Ausarbeitung eines neuen Anforderungsprofils für Lehrer unter Einbeziehung von Schülern und Eltern, und wir laden gleichzeitig dazu ein, ein neues Lehrer-Dienst- und Besoldungsrecht zu erarbeiten. Dies soll natürlich in Absprache mit den betroffenen Institutionen und Interessenvertretern erfolgen. Wenn ein neues Lehrerdienstrecht beschlossen wird, ist es darüber hinaus in den Schulen notwendig, die notwendige Infrastruktur anzubieten, damit der Lehrer in der Tat am Standort Schule seinen Arbeitsplatz hat.

Ich hoffe, daß dieser Appell zumindest ein bißchen dazu nützt, doch noch zu einem Entschließungsantrag zu kommen. Sollte es nicht dazu kommen, weiß ich auch von Ihnen, Frau Bundesministerin, daß Sie Interesse daran haben, in dieser Sache voranzuschreiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. – Abg. Rauch-Kallat – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich muß schnell sein! Stören Sie mich nicht, Herr Abgeordneter Schweitzer! Ich habe nur 7 Minuten Zeit!)

15.53

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab etwas Grundsätzliches sagen. Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause einig darüber, daß Projektwochen, Schikurse, Sprachaufenthalte und EDV-Unterricht Teile eines modernen, zeitgemäßen Unterrichtes sind. Sie tragen nicht nur dazu bei, spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, sondern tragen auch bei zur Teamorientierung und zum sozialen Lernen, insbesondere was gemeinsame mehrtägige Schulveranstaltungen anlangt. Sie tragen bei zur Vertiefung der Kontakte zwischen Lehrern und Schülern und zwischen den Schülern untereinander. Vor allem aber tragen sie bei zum Aufbau einer Vertrauensbasis zwischen Lehrern und Schülern, was insbesondere in einer Zeit, in der aufgrund des zunehmenden Lernstoffes immer zuwenig Zeit für die zwischenmenschliche Beziehung bleibt, besondere Bedeutung hat.

Zehntausende engagierte Lehrer wissen das, schätzen das und setzen sich daher seit Jahren dafür ein. Dafür möchte ich ihnen im Namen aller Schülerinnen und Schüler und auch deren Eltern ganz herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben das getan, obwohl es bisher keine zusätzliche Abgeltung dafür gegeben hat. Erstmals wurde unter Bundesministerin Gehrer im vergangenen Jahr, und zwar im Zuge einer Neuorientierung der Gehaltsregelung für Lehrer, eine zusätzliche Abgeltung für diese Leistung sichergestellt und mit den Lehrergewerkschaftern vereinbart. Dies war eine Vereinbarung, die zwischen den Gewerkschaftern und Herrn Staatssekretär Ruttenstorfer abgeschlossen wurde – daran darf ich Sie erinnern, Herr Kollege Antoni –, und zwar am 28. September 1997, und sie wurde durch eine am 9. Juli 1998 im Parlament beschlossene Novelle noch weiterentwickelt.

Hinsichtlich jener Punkte, die jetzt zu den von der AHS-Lehrergewerkschaft öffentlich ausgetragenen Konflikten geführt haben, wurden weitere Gespräche vereinbart, die immer noch andauern.

Frau Bundesminister Gehrer hat hier ja schon gesagt, daß es zum Prinzip einer demokratischen Kultur gehört, Vereinbarungen für den Zeitraum der Vereinbarung auch von beiden Seiten einzuhalten. Das war bisher in der aufgrund der Sozialpartnerschaft geübten österreichischen Tradition auch immer der Fall.

Als langjährige Lehrerin, als Mutter und als Politikerin appelliere ich daher an die AHS-Lehrer und vor allem an die AHS-Lehrer-Gewerkschaft (Abg. Mag. Schweitzer: Sind Sie Gewerkschaftsmitglied?), den Konflikt nicht auf dem Rücken der Kinder auszutragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege! Ich bin nicht nur Gewerkschaftsmitglied, sondern ich war 16 Jahre lang Lehrerin, und bevor ich ins Parlament kam, war ich während meiner Tätigkeit als Lehrerin auch Gewerkschaftsvertreterin. (Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie einen Vertreter gewählt?) Mit diesem Konflikt werden doch die sozial schwachen Schüler getroffen. (Abg. Dr. Krüger: Waren Ihre Schüler zufrieden – oder nicht?) Es sind nicht die, die es sich leisten können, die darunter zu leiden haben, sondern jene, die sonst keine Möglichkeit haben, auf Schikurse zu fahren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich appelliere auch an das Verantwortungsgefühl der AHS-Lehrer, Schüler nicht für gewerkschaftliche Interessen zu mißbrauchen. Vor allem aber erinnere ich an ihre Verantwortung für die Schüler während der jetzt angesetzten Streikzeiten.

Meine Damen und Herren! Es darf nicht sein, daß Schüler auf der Straße stehen, weil die Gewerkschaften ein – vergleichsweise geringfügiges – Problem öffentlich austragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedauere es sehr, meine Damen und Herren, daß damit ein Imageschaden für Zehntausende engagierte Lehrer entsteht, die diesen keinesfalls verdient haben. Ich bedauere es sehr, daß damit auch ein enormer Schaden für den österreichischen Fremdenverkehr entsteht. Kurzfristig entfallen Millionen von Nächtigungen; allein in Salzburg sind das 2 Millionen Nächtigungen. Dies trifft vor allem kleinere Betriebe, Betriebe, die keine Fünf-Stern-Betriebe sind. Das bedeutet den Verlust von Arbeitsplätzen. Und es entsteht auch ein langfristiger Schaden, meine Damen und Herren, denn jene Kinder, die jetzt auf Schikurs fahren, sind später einmal die Kunden der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft. Jene, die das Schifahren jetzt erlernen, werden dem Winterurlaub in Österreich wahrscheinlich auch später treu bleiben.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe sehr, daß die AHS-Lehrergewerkschaft die ausgestreckte Hand der Frau Ministerin ergreift und daß sie die eingesetzte Arbeitsgruppe auch entsprechend nutzt, um an einer Weiterentwicklung mitzuarbeiten: zum Wohle der Kinder und auch zum Wohle der Lehrer und der Eltern. (Beifall bei der ÖVP.)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte. (Abg. Auer: Jetzt kommt ein Lehrer! – Abg. Dr. Khol: AHS-Lehrer oder BHS-Lehrer? – Abg. Rauch-Kallat: AHS-Lehrer!)

15.59

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es direkt rührend, was Sie gesagt haben, Frau Kollegin Kallat.

Die Frau Minister hat sicher auch Wichtiges und Richtiges in ihren Ausführungen zum Ausdruck gebracht. Eines hat sie allerdings geradezu peinlichst vermieden, nämlich darauf einzugehen, daß es doch die ansonsten so gut funktionierende Sozialpartnerschaft ist, die da komplett versagt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie hat es auch vermieden, darauf einzugehen, daß da schwarz/rote Gewerkschafter – drehen wir das einmal um – mit einem schwarzen Ministerium etwas ausgehandelt haben, woran sich jetzt die schwarz/roten Gewerkschafter, vor allem die schwarzen Gewerkschafter nicht halten: Jantschitsch oder wie er heißt, Helm und Neugebauer. Neugebauer ist bis vor nicht allzu langer Zeit hier herinnen gesessen, bis ihn seine Doppel- und Dreifachverdienste wieder aus dem Haus gebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind doch schwarze Gewerkschafter, die diese Regelung zwar ausgehandelt haben, jetzt aber zu Streikmaßnahmen aufrufen, weil ab sofort – das muß man doch auch einmal klar sagen – nur mehr tatsächlich gehaltene Überstunden bezahlt werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ist das so schlimm, wenn nur mehr tatsächlich gehaltene Überstunden bezahlt werden? Das ist doch völlig in Ordnung, wenn nur tatsächlich geleistete Arbeit auch tatsächlich bezahlt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jene Lehrer und Gewerkschafter, die zu Streikmaßnahmen aufrufen, rufen ja deshalb zu diesen auf, meine Damen und Herren, weil ihnen im Laufe ihrer Tätigkeit in der Schule die bezahlten Überstunden als Gehaltsbestandteil vorgegaukelt wurden, Frau Minister!

Frau Minister! Es ist Tatsache, daß man besonders an die berufsbildenden Schulen Lehrer mit dem Hinweis geholt hat, daß das Grundeinkommen nicht so hoch sei, aber die Überstunden das Ganze dann schon auffetten würden. Ich erinnere daran, daß man speziell die Zivilingenieure genau mit dieser Argumentation als Lehrer an die HTLs geholt hat. Man hat ihnen gesagt, Überstunden seien so etwas wie ein Gehaltsbestandteil. Darauf wollen sie heute natürlich nicht verzichten. Auf diesen Gehaltsbestandteil wollen sie heute nicht verzichten, Frau Bundesminister!

Da man das jetzt der Öffentlichkeit in der Form nicht klarmachen kann, mißbraucht man die Schulveranstaltungen dazu. Es ist besonders perfid, daß Schulveranstaltungen sozusagen als Transportmittel für das Anliegen einiger hochbezahlter Lehrer mißbraucht werden. Natürlich hat die Bevölkerung dafür kein Verständnis, und der Unmut der Bevölkerung schlägt allen Lehrern ins Gesicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Als Druckmittel bedient man sich jetzt der Schulveranstaltungen, um nicht legitime und der Bevölkerung nicht erklärbare Forderungen durchzusetzen.

Es geht aber gar nicht in erster Linie um die Mehrbelastung durch die Schulschikurse, wie man das darzustellen versucht. Lieber Dieter Antoni! Der Turnlehrer und der Begleitlehrer haben das immer gerne gemacht. Sie haben nie gefragt: Wieviel muß ich mehr arbeiten, was bekomme ich dafür bezahlt? Sie haben das – und das weiß ich gut, weil ich selbst mindestens 50 solcher Veranstaltungen organisiert habe – immer gerne gemacht und haben nicht über Mehrarbeit geklagt und gefragt: Wer bezahlt mir das? Die werden jetzt mißbraucht. Die haben nicht jeden Groschen gezählt. Es sind vielmehr – und das wissen wir alle – die Daheimgebliebenen, denen Stunden entfallen und die jetzt sagen: Mir entfallen Stunden, somit bekomme ich weniger Geld. Daß sie dafür nicht arbeiten müssen, fällt unter den Tisch. Deshalb tun mir diese Lehrer in Wirklichkeit nicht leid, und da werden Sie mir wohl recht geben, Kollegin Schaffenrath. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die inszenieren doch dieses Verwirrspiel, das schlußendlich auf dem Rücken der Schüler, auf dem Rücken der Eltern und – man muß das auch sagen – auf dem Rücken jener Lehrer ausgetragen wird, die kein Überstundenprivileg haben. Damit wird ein ganzer Berufsstand, der besonderes Verantwortungsgefühl voraussetzt, der in seiner Ausübung besonders aufreibend, aber für die weitere Entwicklung einer Gesellschaft von besonderer Bedeutung ist, vorsätzlich diskreditiert, und zwar von unfähigen Gewerkschaftern, die in erster Linie aus der ÖVP kommen. Das muß man auch einmal klar und deutlich sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Kiss.)

Frau Minister Gehrer! Sie haben wesentlich zum derzeitigen Dilemma beigetragen. Die Neuregelung der Überstundenverrechnung war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Der 26 Seiten starke, amtsdeutsche Erlaß spricht ja Bände! Der Erlaß ist 26 amtsdeutsche Seiten dick, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Graf: Ausgezeichnete Rede! – Zwischenruf des Abg. Kiss.) Tatsächlich besteht gegenwärtig keine Rechtssicherheit dahin gehend, ob jeder Lehrer das ihm zustehende Geld bekommt oder nicht. Eine solche Rechtssicherheit besteht nicht! Sowohl Lehrer-Dienstrecht als auch Gehaltsgesetz sind nicht mehr zeitgemäß, Frau Minister! Vor allem die letzten Änderungen können mit einem geradezu bürokratischen Amoklauf verglichen werden. Die Ergebnisse sind bekannt, und diese haben zur Verunsicherung der Lehrer geführt (Abg. Kiss: Er steht schon zehn Jahre lang nicht mehr in der Schule! Keine Ahnung! Daher muß er alles herunterlesen!), es gibt eine steigende Unzufriedenheit, der Verwaltungsaufwand hat sich vervielfacht – Frau Direktor Krammer wird das dann ja wohl bestätigen –, und die Schulbehörde steht am Rande des Kollaps.

Frau Bundesminister! Wir Freiheitlichen fordern seit Beginn dieses Dilemmas – nachzulesen in Aussendungen des Vizepräsidenten Rudolph, auch nachzulesen in Aussendungen von mir – ein völlig neues Dienstrecht und ein damit in direktem Zusammenhang stehendes Gehaltsgesetz. Im Mittelpunkt dieses Gesetzes muß eine klare Beschreibung der Lehrerpflichten stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Enthalten müssen auch alle Tätigkeiten sein – das ist wichtig! –, die über das bloße Unterrichten im Klassenraum hinausgehen.

Auch der Antrag der Grünen zielt genau in diese Richtung. Aus diesem Grund werden wir ihn auch unterstützen, weil das ähnliche oder gleiche Forderungen sind. Schule ist mehr als nur der Unterricht in der Klasse. Frau Bundesministerin! Es ist Ihr Versäumnis, daß Sie die Schulautonomie zwar dekretiert haben, ohne aber gleichzeitig ein darauf abgestimmtes Arbeitszeitmodell vorzulegen. Das ist Ihr Versäumnis, und diesen Vorwurf müssen Sie sich heute gefallen lassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses völlig undurchsichtige System, das heute in der Schule herrscht, bei dem es Zulagen und Belohnungen gibt und die Auszahlung von Belohnungen noch dazu davon abhängig ist, ob es des Direktors Wohlgefallen gefunden hat, was man tut, oder nicht – und das hängt wieder sehr davon ab, ob man sein Parteigänger ist oder nicht –, das kann doch nicht mehr zeitgemäß sein, Frau Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.) "Belohnungen" – allein dieses Wort spottet schon jeglicher Beschreibung. Wer sich wohlverhält, der wird belohnt. Der Herr Direktor reicht dann um eine Belohnung ein. Und das im Jahre 1998! Ich glaube, das ist wohl längst überholt.

Meine Damen und Herren! Das geltende Gehaltsgesetz besteht derzeit aus Ausnahmen und Sonderbestimmungen, über die kaum jemand noch den Überblick behalten kann, und das ist mit eine Ursache für die oft völlig falsche, zum Teil bereits gehässige Berichterstattung – darauf ist ja hier schon eingegangen worden – über die "nichts arbeitenden, aber dafür schwer verdienenden Lehrer".

Frau Kollegin Kallat! Wollen Sie das? Wollen Sie eine solche Berichterstattung über unseren Berufsstand, wie sie in den letzten Wochen in allen Medien zu lesen war? Wollen Sie das wirklich? Sie tragen die Verantwortung dafür. Ob Sie das aber gewollt haben, da bin ich anderer Meinung. Ich glaube nicht, daß Sie das gewollt haben, obwohl Sie die Verantwortung dafür tragen. Das ist Ihre Mitverantwortung, und zwar gemeinsam mit den schwarzen und roten Gewerkschaftern, Kollege Kiss, denen du auch angehörst, tragt ihr die Verantwortung für diese prekäre Situation. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Gemeinsam habt ihr diese schiefe Optik erzeugt, in der sich unser Bildungswesen im Moment befindet. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nicht Streikdrohungen, nicht Boykott, sondern eine Neufassung der gesetzlichen Arbeitsgrundlagen für Lehrer sind gefragt. Frau Bundesminister, Sie sind aufgefordert, zu handeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Schaffenrath. – Bitte. (Abg. Dr. Graf: Hervorragend war das! Die Rede vom Schweitzer ist nicht zu übertreffen! – Abg. Schaffenrath – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das weiß ich nicht, ich bin mir da gar nicht so sicher!)

16.08

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Kollege Schweitzer hat gerade gesagt, daß er den Antrag der Grünen unterstützen wird. – Herr Kollege, heißt das, daß du auch für die Aussetzung des § 61 bist? Das heißt, du stärkst der Gewerkschaft den Rücken, denn das ist Teil dieses Antrages. Und das solltest du dir jedenfalls noch einmal gut überlegen.

In einem unterstütze ich jedenfalls den Antrag der Grünen, nämlich ganz einfach in seiner Wichtigkeit, dieses Thema heute hier ins Parlament zu bringen. Ich glaube, das ist viel wichtiger ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Graf und Mag. Schweitzer) In seiner Intention! Herr Kollege, Sie sollten besser zuhören und nicht gleich reflexartig Ihr Gehirn ausschalten. Dann käme es nämlich nicht zu solchen Mißmeldungen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Mir geht es darum, diese Problematik heute hier im Nationalrat zu diskutieren, wie ich überhaupt meine, daß der bereits arbeitende Arbeitskreis die verfahrene und fast blockierte Situation nicht wirklich lösen können wird. Ich könnte mir sehr gut vorstellen – das liegt in der Verantwortung von uns allen –, gemeinsam an der Lösung dieses Problems zu arbeiten. Ich würde mir sehr einen Unterausschuß des Unterrichtsausschusses wünschen, in den wir Experten und Expertinnen einladen, auch seitens des Finanzausschusses, in dem wir doch zu einer gemeinsamen Lösung kommen. – Die parlamentarische Diskussion ist jedenfalls wichtiger als ein medialer Schlagabtausch.

Herr Kollege Öllinger hat schon recht: Es gibt einen Scherbenhaufen. Aber die Briefe der Dienststellenausschüsse hat er, glaube ich, schon in sehr ideologisierter Form gelesen. Natürlich ging es da um mehr Geld! Da ging es sogar um mehr Geld für die Erhaltung von Schiausrüstungen, für Beiträge zur Finanzierung von Schiausrüstungen und vieles andere mehr. Ich gestehe aber zu, daß durchaus auch Briefe dabei waren, in denen es um bessere Arbeitsbedingungen und um ein besseres Klima ging.

Die Gewerkschaft fordert ja nicht nur den Boykott der Schulschiwochen – obwohl ich Frau Kollegin Rauch-Kallat recht gebe, daß das auch wirtschaftliche Probleme mit sich bringt, daß Schulschiwochen nicht nur der sportlichen Betätigung dienen, sondern auch einer Verbesserung der Lehrer-Schüler-Beziehung –, sondern die Gewerkschaft fordert auch einen Boykott aller Schulveranstaltungen, sogar der eintägigen Schulveranstaltungen, die von diesem § 61 nicht einmal betroffen sind.

Und die Schüler und Schülerinnen? – Sie demonstrieren. Sie demonstrieren je nach Informationslage.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß Schüler und Schülerinnen von Lehrern und Lehrerinnen sehr einseitig informiert werden, je nachdem, welcher Gruppe sich diese zugehörig fühlen: den sehr engagierten, denen es um die Kinder geht – oder jenen, denen es um Gewerkschaftsforderungen geht. Ich kann anhand eines konkreten Beispiels sagen: Lehrer und Lehrerinnen scheuen sich nicht, den Kindern zu sagen, sie bekämen, wenn sie auf eine einwöchige Schulveranstaltung fahren, gar nichts bezahlt, nicht einmal ihr Grundgehalt.

Jedenfalls wird diese ganze Diskussion auf dem Rücken von engagierten Lehrerinnen und Lehrern ausgetragen. Sie leiden unter dem Imageverlust. Vor allem werden Schüler und Schülerinnen, also junge Menschen, in Geiselhaft genommen und wertvolle Unterrichtselemente, die gerade dazu beitragen, notwendige Schlüsselqualifikationen zu erwerben, mehr oder weniger gestrichen. Aus der Verantwortung dafür kann man die große Koalition nicht entlassen. Die Abgeordneten der Regierungsparteien haben immer wieder in diesem Hause mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, was genau zu diesen völlig untauglichen Strukturen geführt hat. Es war mangelnder Mut, vielleicht auch mangelnde Fähigkeit zu Reformen, jedenfalls waren es jahrzehntelange politische Versäumnisse. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es gibt derzeit ein leistungsfeindliches Besoldungsschema und ein Dienstrecht, das der Leistung und dem Wettbewerb widerspricht. Die ÖVP hat mit Zähnen und Klauen das Pragmatisierungssystem für Lehrer und Lehrerinnen verteidigt. Nur in einem solchen System kann ein Lehrer eine im Lehrplan vorgeschriebene Exkursion – das ist im Lehrplan nachzulesen – boykottieren, ohne daß ihm daraus irgendein Nachteil erwächst. Wenn das so ist, dann werden in Zukunft einige zehntausend Disziplinarverfahren abzuwickeln sein. Ich hoffe, die Verwaltung schafft das.

Frau Ministerin, ich frage Sie: Was hat es Ihnen eigentlich wirklich gebracht, daß Sie in der Vergangenheit so sehr auf die Forderungen der Gewerkschaft eingegangen sind? Ich erinnere nur daran, daß es die Gewerkschaft war, die einen pädagogischen Fortschritt verhindert hat. Als Beispiel möchte ich das Aufsteigen mit einem "Nichtgenügend" erwähnen. Frau Ministerin, heute – das gestehe ich Ihnen wirklich gerne zu – unterstütze ich Sie bei Ihrem Anliegen, an diesem § 61 festzuhalten. Es ist nämlich nicht leicht, dieser "Anspruchsinflation" der Gewerkschaft entgegenzutreten; einer Gewerkschaft, die in der Vergangenheit all ihre Ansprüche erfüllt bekommen hat: steilere Gehaltskurven, Ansprüche auf Belohnungen, Zulagen und so weiter.

Diese Ansprüche wurden von der Gewerkschaft, von den ohnehin schon sehr gut bezahlten Lehrern und Lehrerinnen gestellt, die noch dazu einiges an Privilegien im gesamten Personalvertretungsbereich haben. Sie haben all ihre Ansprüche durchgesetzt, und das hat zu etwas geführt, was das Traurige an unseren Schulen ist und zu einer Verschlechterung des Klimas an Schulen beiträgt: zu immer größeren Einkommensunterschieden zwischen den Lehrern und Lehrerinnen. Das hat innerhalb der einzelnen Gruppen der Lehrerschaft zu Ungerechtigkeiten geführt. Im Vergleich von Volksschullehrern, Hauptschullehrern, AHS-Lehrern, BHS-Lehrern, vor allem eben auch Berufsschullehrern und -lehrerinnen kann man völlig ungleiche Einkommenschancen, ungleiche Ausbildung für die gleiche Tätigkeit, ungleiche Bezahlung für die gleiche Tätigkeit erkennen. Darin sehe ich das wirkliche Problem.

Vergleichen wir, wie benachteiligt junge Lehrer oder solche ohne Job gegenüber alten sind, Vertragslehrer gegenüber den Pragmatisierten! Diese Ungerechtigkeiten tragen zu einer Verschlechterung des Klimas im Schulbereich bei, und das geht auch zu Lasten der Schüler und Schülerinnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Ministerin! Die Vorgangsweise der Gewerkschafter ist mehr als durchsichtig. Denen geht es gar nicht darum, 1 000 S mehr für einen Schulschikurs zu bekommen. Aus meiner Sicht verfolgen die Gewerkschaftsvertreter eine beinharte Taktik: Sie zeigen Ihnen klar auf, was Sie zu erwarten haben, wenn es wirklich zu jenen Systemänderungen kommt, die Sie angekündigt haben, die ich gerne unterstütze und die wir auch dringend bräuchten.

Herr Kollege Öllinger, noch eine Bemerkung zu deinem Antrag: Ich sage noch einmal, daß das Thema wichtig ist, aber das Argument ist sehr einseitig. Du hast keinen einzigen Punkt angesprochen, der nicht ganz leicht, kuschelweich, konsensual lösbar wäre. All jene Punkte aber, die harte politische Entscheidungen erfordern, hast du ausgelassen. Ich meine etwa die Frage der Pragmatisierung, die Frage der Anwesenheit von Lehrern und Lehrerinnen auf dem Arbeitsplatz (Abg. Öllinger: Anwesenheit löst gar nichts, wir brauchen das Leistungsprinzip!), die Frage der Aufspaltung der Lehrerschaft, die ich kurz angeschnitten habe, die Frage der ungleichen Bezahlung und ungleichen Ausbildung bei gleicher Tätigkeit. (Abg. Öllinger: Da kann man alles hineinpacken!)

Ich glaube, daß sich dieser Antrag vorzüglich dazu eignet, bei einer Gewerkschaftsversammlung präsentiert zu werden, aber der Lösung des Problems dient er nicht wirklich.

Ich gebe Ihnen jedenfalls in einem Punkt recht: In der Umsetzung gibt es grobe Mängel. Die EDV funktioniert nicht, und die Informationslage ist schlecht. Ich stimme Ihnen auch in einem zweiten Punkt zu: Die Einführung einer Arbeitsplatzbeschreibung sind nicht nur Sie, sondern auch Ihre Vorgänger schuldig geblieben. Es stimmt, daß Lehrer für Pauschalleistungen und nicht nach gehaltenen Unterrichtsstunden bezahlt werden. Nur wissen die Lehrer nicht, was zu ihren Leistungen gehört. Jeder von uns hat Briefe bekommen, in denen Lehrer und Lehrerinnen meinen, daß das Vorbereiten von Schularbeiten, Korrigieren, mit Eltern Sprechen eine freiwillig und unbezahlt erbrachte Leistung wären.

Wir brauchen eine Arbeitsplatzbeschreibung, das wäre wichtig. Wir brauchen weiters in einem neuen Besoldungsschema, das ein Arbeitskreis erarbeiten soll, das Prinzip der Leistungsorientierung. Zudem brauchen wir Leistungsanreize für engagierte Kolleginnen und Kollegen. Nichts ist demotivierender, als zu sehen, daß für bessere Arbeit unter Umständen deutlich weniger bezahlt wird.

Ich wünsche mir im Interesse der Schülerinnen und Schüler, daß diese Diskussion bald zu einem guten Ende geführt wird, und ich hoffe, daß wir uns alle hier in diesem Hause unserer gemeinsamen parlamentarischen Verantwortung bewußt werden und uns gemeinsam an solchen politischen Zielvorgaben beteiligen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

16.17

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte zu drei Punkten Stellung nehmen: zum § 61, also zum Gehaltsschema, zur Aussage der Frau Bundesministerin, wonach es keine Kürzungen, sondern Verbesserungen im Bereich der Schulbudgetierung gegeben hätte, und zuletzt zu meinen persönlichen Erfahrungen als Exschülerin und nunmehr als Mutter von schulpflichtigen Töchtern.

Frau Bundesministerin! Sie haben zu Beginn Ihrer Replik auf diesen Dringlichen Antrag gesagt, daß Sie sich von Stellungnahmen einerseits Hausverstand, andererseits Sachkenntnisse erwarten würden. – Ich hoffe, Ihren Beurteilungskriterien gerecht zu werden, und ich habe schon ein paar Anmerkungen dazu.

Ich habe hier den Gesetzestext sowohl in der geltenden Fassung als auch in der vorgeschlagenen Fassung. Ich möchte jetzt den § 61 herausgreifen, wo Sie selbst beklagt haben, daß er in den letzten Jahren in unübersichtlicher Weise verändert worden wäre und daß dies ein unübersichtliches Gehaltsschema bewirkt hätte.

In der alten Fassung – man sieht das sogar optisch (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe) – hat der § 61 Abs. 2 drei Zeilen, in der nunmehr vorgeschlagenen Fassung erheblich mehr. Ich bringe jenen Kolleginnen und Kollegen, die nicht im Ausschuß waren, den Text dieses § 61 Abs. 2 zur Kenntnis, der lautet:

"Die Vergütung beträgt für jede Unterrichtsstunde einer zwanzigstündigen Lehrverpflichtung, mit der das Ausmaß der wöchentlichen Lehrverpflichtung in der betreffenden Kalenderwoche (Montag bis Sonntag) tatsächlich überschritten wird, 1,73 Prozent des Gehaltes des Lehrers. Für die Berechnung dieser Vergütung sind die Ergänzungszulagen, Teuerungszulagen, Dienstalterszulagen und die Dienstzulagen nach § 58 ..." – dann kommt eine lange Aufzählung – "dem Gehalt zuzurechnen. Fällt die betreffende Kalenderwoche in zwei Kalendermonate und stehen für diese Monate das Gehalt oder gemäß Satz 2 zuzurechnende Zulagen in unterschiedlicher Höhe zu, sind die unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen in dem Ausmaß anteilig heranzuziehen, der den Anteilen der auf die beiden Monate entfallenden Teile der Kalenderwoche entspricht."

Es folgt der ebenso "verständliche" Absatz 3 – ich zitiere –:

"Bei Lehrern, für die weder das BLVG noch § 194 des BDG 1979 gilt, ist jede nach Abs. 2 abzugeltende Unterrichtsstunde mit jener Zahl von Unterrichtsstunden einer zwanzigstündigen Lehrverpflichtung anzusetzen, die sich aus der Teilung der Zahl 21 durch die um eins erhöhte Wochenstundenzahl des Höchstausmaßes der betreffenden Lehrverpflichtung ergibt." (Heiterkeit.)

Das klingt nicht sehr motivierend. Ich entnehme aber den Erläuterungen, daß hinter dieser sehr komplizierten Formulierung, die sich wohl einige Insider ausgedacht haben, ein sehr simples Prinzip steckt, nämlich das Prinzip "Wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu". Es wird nämlich bei der Vergütung von Mehrdienstleistungen auf die tatsächlich erfolgte Unterrichtserteilung abgestellt. Das heißt, jene, die viele Unterrichtsstunden haben, bekommen auch sehr viele anteilige – unterstellte – Mehrdienstleistungen.

Ich halte das für falsch und für nicht motivierend, und ich denke, daß man das gerade bei jungen Lehrern oder vor allem auch bei Lehrerinnen, die vielleicht zwar eine geringe Lehrstundenanzahl haben, aber eine hohe Bereitschaft, sich sonst einzubringen, doch auch remunerieren und auch in Geld würdigen sollte. Das sagt mir mein Hausverstand – aber vielleicht sehen das die Spitzengewerkschafter anders; ich weiß es nicht.

Ich finde dies jedenfalls nicht sehr motivierend, und es schaut eher nach einer sehr verklausulierten Bestimmung aus, die in Wirklichkeit heißt: "Wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu." Dieses Prinzip finde ich falsch, nicht motivierend und gegen Junglehrer und Junglehrerinnen gerichtet.

Zweiter Punkt: Frau Bundesministerin, Sie haben gesagt, es hätte keine Kürzungen, sondern Verbesserungen gegeben. Ich gehe davon aus, daß Kollege Öllinger die Zahlen anhand der Budgets korrekt berechnet hat. Wenn es wirklich so ist, daß seit den siebziger Jahren ein Rückgang des Anteils des Unterrichtsbudgets am Gesamtbudget von 8,6 Prozent auf 7,2 Prozent zu verzeichnen ist, dann sagt mir mein Hausverstand (Abg. Dr. Pumberger: Den muß man haben!), daß das keine Verbesserung sein kann. – Ich weiß nicht, vielleicht sind andere "Hausverstände" anders, aber ich denke – vielleicht sehen das auch die Freiheitlichen so, aber das würde mich ja weniger verwundern als bei der Frau Bundesministerin –, daß die Dotierung und damit auch die finanzielle Wertschätzung eines Bereiches natürlich relativ zu anderen Bereichen zu beurteilen ist.

Wenn es stimmt, was Kollege Wabl mir mitgeteilt hat, nämlich daß das Bundesheer für die nächsten zehn Jahre 100 Milliarden Schilling will und daß allein dieses Mechanisierungspaket – das sind die NATO-Panzer – 12 Milliarden Schilling kostet und die Schulbuchaktion für Tausende österreichische Kinder 1,2 Milliarden Schilling, dann sind diese Panzer – das mag vielleicht eine Milchmädchen/männer-Rechnung sein – auch der Sozialdemokratie zehn Mal mehr wert als die Bücher für unsere Kinder. Ich finde das ausgesprochen schlecht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. DDr. Niederwieser: Wenig im Vergleich zu anderen Ländern!)

Es ist immer relativ, ein Budget zu beurteilen, aber wenn der Anteil am Gesamtbudget von 8,6 Prozent auf 7,2 Prozent zurückgegangen ist, sehe ich darin keine Verbesserung. Auch wenn die KlassenschülerInnenzahlen wieder steigen, sehe ich darin keine Verbesserung. Mit Verlaub: Das ist sehr wohl auch etwas, was sich mit Hausverstand und ohne Insiderkenntnisse als LehrerIn beurteilen läßt.

Dritter Punkt: Es entspricht meiner ganz persönlichen Wahrnehmung als Mutter von schulpflichtigen Töchtern, daß von Verbesserungen nichts zu merken ist. Meine Kinder besuchen eine öffentliche Volksschule. Dort gibt es eine wirklich sehr engagierte Schulgemeinschaft, bestehend aus Kindern, Lehrerinnen und Lehrern und der Elternschaft, aber bei allen Versuchen, Schule engagiert, motiviert und lebendig zu gestalten, geht es sozusagen hinten und vorne nicht mehr.

Meine ältere Tochter hat in der vierten Klasse Volksschule kein Deutschbuch mehr. Das geht sich im Rahmen der Schulautonomie – trotz allem Hin- und Herjonglieren – nicht mehr aus. Es geht nicht mehr! Meine kleinere Tochter ist in der zweiten Klasse Volksschule. Die Schüler der vierten Klasse haben nur deswegen noch ein Sachkundebuch, weil jene der zweiten Klasse keines mehr haben. Es wurde einfach umgeschichtet. In der zweiten Klasse gibt es kein Deutschbuch und kein Sachkundebuch mehr.

Vor dem großen sozialdemokratischen Anlauf in der Bildungspolitik sind ausschließlich die Eltern für die Bücher aufgekommen. Das war ungerecht; das hat die finanziell Schwachen und speziell deren Kinder benachteiligt. Jetzt ist es so, daß überhaupt niemand mehr ein Buch hat, weil dies durch die Schulautonomie nicht mehr möglich ist. Die Schule behilft sich jetzt mit photokopierten Zetteln. Eltern photokopieren eifrig, und die Kinder laufen mit einem Stoß von Zettelwerk herum. Ich glaube allerdings nicht, daß dies das ist, was einmal der sozialdemokratischen Bildungspolitik vorschwebte. Und ich finde das schon traurig.

Täglich kommen irgendwelche Erlagscheine, irgendwelche Selbstbehalte. Die Eltern malen mittlerweile die Schulklassen aus, weil auch der Schulerhalter kein Geld mehr hat. Ich finde die Gewichtung falsch. Mir wäre es lieber, wenn man die NATO-Panzer nicht kaufen und dafür die Schulen finanziell ordentlich dotieren würde. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Sie haben keine Ahnung!)

Zu den Sparpaketen: Es ist völlig klar, es sind die verschiedensten Gruppen – angefangen von den Studentinnen und Studenten bis zu den Schülern und den AlleinerzieherInnen – betroffen. Sie alle haben bei diesen Spar- und Belastungspaketen draufgezahlt. Das hat auch zu einem Verteilungskampf in den Schulen geführt und das Schulklima insgesamt vergiftet. Es kann sich jede Gruppe, die dort engagiert ist, ausrechnen: Wenn wir uns nicht wehren, dann sind wir die nächsten, die bei den kommenden Sparpaketen drankommen. – Bei Panzern hingegen wird nie gespart!

Und dieses Klima ist es, was so schlecht ist. Das ist einer Bildungspolitik von morgen abträglich! Es wird immer wieder beschworen, Bildung sei die wichtigste Investition eines Staates. – Dazu kann ich nur sagen: Das ist mit dieser Politik aber ordentlich in die Binsen gegangen! (Beifall bei den Grünen.)

16.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. Ich erteile ihm das Wort.

16.28

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die vielen Dringlichen Anträge und Anfragen, die wir in diesem Haus schon behandelt haben, machen es meiner Ansicht nach notwendig, festzuhalten, daß es diesmal wirklich dringlich ist. Dringlich deswegen, weil es darum geht, einen Konflikt möglichst rasch zu lösen, der eigentlich einen ganzen Berufsstand in der Bevölkerung in Mißkredit bringt. Ich habe kein Verständnis für Maßnahmen – obwohl die Anliegen durchaus berechtigt sein mögen –, mit denen Kinder zu Demonstrationen motiviert werden, indem ihnen angedroht wird, daß die liebsten Veranstaltungen, Winter- oder Sommersportwochen, einfach gestrichen werden sollen.

In vielen Debattenbeiträgen heute wurde ja bereits das Grundproblem aufgezeigt. Es wurde dargestellt, daß es die verschiedensten und undurchschaubare Gehaltsberechnungen gibt. Frau Abgeordnete Petrovic, ich gebe Ihnen hundertprozentig recht: Man muß ein Fachmann sein, um zu durchschauen, wie die Gehälter wirklich berechnet werden. Ich kann mich daher durchaus sinnhafter- und logischerweise den Forderungen des Abgeordneten Antoni anschließen, der von einer gemeinsamen grundlegenden Lehrerinnen- und Lehrerausbildung spricht.

Unser derzeitiges System produziert ja bereits die Ungleichheiten auf dem sogenannten – unter Anführungszeichen – "Lehrermarkt". Es gibt auf der einen Seite Mangel – und auf der anderen Seite Überschuß.

Es gibt einen Mangel an ausgebildeten Sozialpädagogen, aber einen Überschuß beispielsweise an Hauptschullehrern in gewissen Fächern, und es ist nicht schwer zu orten, warum es so ist. Die einen Lehrer haben sehr viel verantwortungsvolle und sehr schwere Arbeit zu verrichten und bekommen relativ wenig dafür bezahlt. Es gibt einen Mangel an Lehrern für die polytechnischen Schulen, in jenem Bereich, in dem die jungen Menschen auf den Berufseinstieg vorbereitet werden sollen, und es gibt einen Überschuß an Lehrern für allgemeinbildende höhere Schulen. Aus dieser gemeinsamen Ausbildung muß logischerweise ein gemeinsames Dienst- und Gehaltsgesetz resultieren.

Es wurde heute schon gesagt, was alles in einem Gesetz festzuschreiben ist, angedeutet, welche Verpflichtungen ein Lehrer in seiner unterrichtlichen Tätigkeit hat. Obwohl ich diesen § 61 nicht generell verurteilen möchte, ihn durchaus auch begrüße, weil er sehr viele gerechte Ansätze beinhaltet, möchte ich doch sagen, daß es meines Erachtens für einige Lehrerinnen und Lehrer, die mehr als nur Unterricht in der Klasse erteilen, zu Benachteiligungen kommt, und ich möchte das anhand von drei Beispielen darstellen.

Es gibt Lehrer, die bei Freiwilligen Feuerwehren sind. Das ist im ländlichen Bereich keine unbeträchtliche Größe und auch durchaus notwendig, weil diese Lehrer vor Ort bei einem Einsatz greifbar sind. Haben sie nun das Pech, Hilfestellung geben und für den Nächsten eintreten zu müssen, ist nach § 61 ein finanzieller Entzug von Dauermehrdienstleistungen oder ein Nachholen der versäumten Unterrichtszeit die Folge.

Ähnliches haben wir beim Jugendrotkreuz. Diese Institution lebt für die Schule und in der Schule. Damit die Lehrer ihre Aufgaben wahrnehmen können, brauchen sie eine entsprechende Ausbildung in Erster Hilfe, im Schwimmunterricht eine Ausbildung für Rettungsschwimmer, und sie müssen diese Fähigkeiten dann auch weitergeben – und tun sie das, haben sie finanzielle Nachteile. – So könnte ich diese Liste fortführen.

Eines scheint mir aber noch wichtig zu erwähnen zu sein: Wir haben aus pädagogischen Überlegungen immer wieder eine standortbezogene Lehrerfortbildung gefordert. Unterziehen die Lehrerinnen und Lehrer sich ihr nun an schulautonomen Tagen, haben sie, bedingt durch die Nachholregelungen, finanzielle Einbußen.

Ich habe Sie, Frau Ministerin, in der Fragestunde im Juni gefragt, ob für diese Lehrerinnen und Lehrer, die im karitativen Bereich tätig sind, Ausnahmeregelungen vorstellbar sind. Sie haben das verneint. Wenn man anerkennen würde, daß dieser zum Wohle der Gesellschaft, der Gemeinschaft erbrachte Dienst einen unterrichtlichen Zusammenhang darstellt, dann würde diesen Lehrerinnen und Lehrern kein Nachteil erwachsen. Überspitzt formuliert beinhaltet dieser § 61 nämlich, daß jene Lehrer, die nur Unterricht vor der Klasse und nichts darüber hinaus, das mit sehr viel Mehrarbeit verbunden ist, leisten, belohnt werden und jene, die sich für die Schüler vorbereiten, Projektwochen, Projekte organisieren oder sich in den Dienst der Allgemeinheit stellen, wie anhand von meinen Beispielen dargestellt wurde, durch finanzielle Abzüge, durch Nachholstunden oder durch das Nicht-Ausbezahlen von Supplierstunden bestraft werden. Wir haben ein System, in dem ich einen pädagogischen Hemmschuh orte, und den, Frau Ministerin, gilt es bald zu beseitigen.

Abschließend möchte ich noch folgendes festhalten: Ich kann mich nicht mit diesen Aussagen identifizieren, die von einigen Wirtschaftstreibenden in der Öffentlichkeit gemacht wurden, nämlich daß Lehrerinnen und Lehrer bei Projektwochen nicht nur das Quartier gratis bekommen, sondern auch noch die Sportausrüstung zur Verfügung gestellt bekommen, darüber hinaus noch die Liftkarte bezahlt bekommen und letztendlich sogar die eigene Familie zum Gratisurlaub mitnehmen. Vor solchen Aussagen mancher Wirtschaftstreibender müssen wir uns hüten, und ich selbst als Lehrer weise diese Anschuldigungen vehement zurück. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

16.35

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich doch auf ein paar Dinge eingehen, die im Zuge dieser Debatte gesagt worden sind. Kollege Öllinger hat uns gerade am Beginn der Debatte durchaus aktionistisch dieses Plakat vorgehalten, daß 95 Prozent der Eltern mit den österreichischen Schulen zufrieden sind. Das ist ja absolut positiv. (Abg. Öllinger: Aber die Frau Bundesministerin nicht, offensichtlich!) Und daher ist es auch besonders wichtig, daß man dieses Klima nicht zerstört, das es bis vor kurzem an den österreichischen Schulen gegeben hat.

Ich möchte hier doch ein paar sehr deutliche Worte finden zu den Dingen, die sich in den letzten Tagen und Wochen abgespielt haben. Und da komme ich auf Kollegen Schweitzer zu sprechen, der hier völlig undifferenziert die gesamte Gewerkschaft und die gesamte Lehrerschaft in einen Topf geworfen hat. Es ist unrichtig, was er gesagt hat, etwa daß sich die Pflichtschullehrergewerkschaft nicht an die Vereinbarungen gehalten hat. Das Gegenteil ist der Fall. Die Pflichtschullehrergewerkschaft hat sich ausdrücklich an die Vereinbarungen gehalten – nicht daran gehalten haben sich die Gewerkschaftsvertreter der AHS und der BHMS.

Während solcher Verhandlungen zwischen dem Dienstgeber auf der einen Seite und der Gewerkschaft auf der anderen Seite – und das werde ich auch nachweisen, daß diese Verhandlungen im Laufen waren – sollte man nicht versuchen, Druck von der Straße zu erzeugen, und keinesfalls sollte man – und das ist wahrscheinlich das Unanständigste – Schüler instrumentalisieren und für seine Zwecke mißbrauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus dem Verhandlungsprotokoll vom 2. Juni geht ganz eindeutig hervor, daß die Verhandlungen in keiner Weise abgeschlossen waren, und es heißt, nachdem eine Reihe von Vereinbarungen getroffen worden ist, im vorletzten Absatz: Deshalb soll es zielorientierte, zügige Verhandlungen zu einer gerechten Weiterentwicklung bei der Abgeltung der Schulveranstaltungen geben. – Und das wurde auch von den Gewerkschaftsvertretern und unserer Frau Bundesministerin unterschrieben. Ich nehme an, daß solche Unterschriften auch einen entsprechenden Wert haben.

Aber das war ja nicht das erste, was in Sachen Verbesserungen für die Lehrerschaft passiert ist. Schon am 8. September des vergangenen Jahres wurden sehr detaillierte Veränderungen und Verbesserungen vereinbart, die ich auch deshalb anführen möchte, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Es wurde ausdrücklich vereinbart – und ich betone, daß das eigentlich eine korrekte Sache ist, und da rennt Herr Kollege Schweitzer bei uns wirklich offene Türen ein –, daß selbstverständlich jene Überstunden, die gehalten werden, auch bezahlt werden, aber nur jene, die gehalten werden, und zwar höher bezahlt werden als bisher! Es kam zur Einführung einer Betreuungszulage für Projektwochen – macht in Summe 36,5 Millionen Schilling. Es kam zu 2 300 zusätzlichen Arbeitsstunden – 31 Millionen Schilling – und zu einer unterrichtsbezogenen Betreuung der Schul-EDV durch Lehrer. Es kam zu einer Abgeltung für Projektwochen, die bereits ab dem vierten Tag und nicht wie vorher erst ab dem sechsten Tag zu greifen beginnt. Es kam zur Neubewertung der Direktoren an den Pflichtschulen, es kam zur Pflegefreistellung bei Krankenständen, was in Summe auch 8 Millionen Schilling ausmacht. Ich führe das nur deshalb an, damit auch klar wird, daß es in diesem Bereich sehr wohl eine Reihe von Verbesserungen gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Und jetzt möchte ich schon noch auf die Frage der Zumutbarkeit der Forderungen eingehen, denn bei allem Verständnis, daß eine Interessenvertretung natürlich für ihre Klientel eintritt und sich für ihre Klientel einsetzt, muß man schon die Kirche, gerade in einer eher angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt, im Dorf lassen. Neben der bestehenden Abgeltung der De-facto-Spesen von 465 S pro Tag wurde diese Betreuungszulage in der Höhe von 209 S eingeführt. Und es gab von seiten der Frau Bundesministerin dann sogar das Angebot, wie in der Aussendung des Herrn Helm heute auch ausdrücklich gesagt wird, diese 209 S noch zu verdoppeln. Aber was wollten die Gewerkschafter? Sie wollten eine Versechsfachung! Und das ist in Wahrheit inakzeptabel, insbesondere dann, wenn 5 000 junge Lehrer auf eine Anstellung hoffen.

Abschließend möchte ich sagen  –  und ich glaube, darauf muß man sich letztlich konzentrieren –: Natürlich muß es immer Reformen in einem Bildungssystem geben, schließlich lebt ein Bildungssystem davon, daß es sich ständig weiterentwickelt, aber die österreichischen Bildungseinrichtungen sind in erster Linie für die Schüler da. Das heißt also auch, die Lehrer sind für die Schüler da und nicht die Schüler für die Lehrer – und daher sind diese nicht zu instrumentalisieren. (Beifall bei der ÖVP.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

16.41

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Dringlicher Antrag beschert es uns, daß wir eine Unterrichtsdebatte führen dürfen, wofür wir dankbar sind. Wir halten auch den Antrag für dringlich, wenngleich wir, was seinen Inhalt betrifft, nicht voll mitgehen können.

Frau Bundesministerin! Sie machen Schlagzeilen, die bedauerlicherweise nicht sehr positiv sind. Als ich Sie vor zwei Jahren und vor einem Jahr davor gewarnt habe, daß die Spar- und Belastungspakete ihre Auswirkungen in erster Linie auf die Schulsportveranstaltungen haben werden, haben Sie mich einen Schwarzseher genannt und als jemanden bezeichnet, der ausschließlich mit Skepsis und nicht mit realem Blick den Dingen entgegensieht. Sie haben mir auch Statistiken gezeigt, wonach die Zahl der Schulsportveranstaltungen im Steigen begriffen sei. Das Gegenteil ist der Fall, die Schlagzeilen der letzten Tage beweisen es, wobei hinzuzufügen ist, daß Kollege Schweitzer recht hat, wenn er sagt, daß der Sport für Forderungen im Schulbereich instrumentalisiert wird, die viel breiter angelegt sind, für Forderungen nach Bezahlung nicht geleisteter Tätigkeiten.

Sie haben ja Erfahrungen in Ihrem Bereich. Was hat uns diese Bezahlung von nicht erbrachten Tätigkeiten etwa vor einem Jahr bei der Politikerbezugsdebatte gebracht, das berühmte Wort des "Höchtelns", das hier durch den Saal und auch durch die Medien gegeistert ist, was hat das an Imageverlust gebracht? Und ich sehe den niedrigen Image-Level der Lehrer auch damit im Zusammenhang stehend. Es werden nicht definierte Tätigkeiten in einem Bereich entgeltlich belohnt, die nicht erbracht werden, und das tut nicht gut. Insofern hat Herr Öllinger in seinem Antrag eine Definition der Leistungen vorgenommen, die uns gefällt. Wir hätten bei diesem Antrag mitgehen können, hätten Sie es nicht mit dem Schlußteil Ihres Antrages geradezu wieder ermöglicht, daß nicht geleistete Tätigkeiten bezahlt würden. Wir hätten also in der Tat diesem Ihrem Antrag zustimmen können. So aber nehmen Sie uns die Möglichkeit dazu.

Thema Werteinheiten. Frau Bundesminister! Es wird gefordert, daß hier eine Objektivierung stattfindet. Es ist nachgewiesen, daß Ihnen jeder Schüler immer weniger wert ist. Hier ist das mit Zahlen belegt. In der Steiermark können wir diesbezüglich ein Lied davon singen. Ich frage mich nur: Warum ist diese Lösung mit den Werteinheiten nicht objektivierbar? Warum müssen hier die politisch besetzten Landesschulräte mitsprechen? Warum müssen sie in diese Verteilungsmechanismen mit ihren politischen Fingern hineintappen?

Wir müßten doch endlich so weit sein, daß die Schulverwaltung zurückgenommen wird, wenn wir die Autonomie in den Schulen ausbauen. Das ist unsere Forderung. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist unsere Forderung: die Schulverwaltung zurücknehmen, entpolitisieren und entbürokratisieren. Was macht das Heer von Fachinspektoren in unseren Landesschulräten? Nichts, sie sind kompetenzlos – die Besetzung erfolgte einzig und allein aus politisch motivierten Gründen.

Wenn Sie die Schulautonomie ernst nehmen, dann schaffen Sie ein neutrales, objektiviertes Zuordnungssystem bezüglich der Werteinheiten, und nehmen Sie die Schulverwaltung und insbesondere die Landesschulinspektoren zurück!

Die Liberalen haben hier eingewendet, sie seien dagegen, daß die Schüler protestieren, daß sie für ihre Schulsportveranstaltungen Proteste veranstalten. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath.) Frau Schaffenrath, so habe ich es zumindest verstanden. (Abg. Schaffenrath: Ich habe gesagt, sie haben falsche Informationen!) Ich wollte Ihnen entgegenhalten, daß Sie es mit Ihrer Schülergewerkschaft waren, die als erste das Streikrecht für die lieben Schüler gefordert hat. Aber okay, wenn sie schlecht informiert sind, dann geht dieser Vorwurf ja auch in die Richtung, die wohl gemeint ist.

Frau Bundesminister! Zum Abschluß möchte ich noch einen Brief eines Lehrers auszugsweise zitieren: Den Lehrern ist es zuwenig, wenn Sie sie einen Tag im Jahr loben und mit einem Plakat ihrer gedenken, wenn sie 364 Tage im Jahr von Ihnen vergessen werden. Es ist die Demotivation in unseren Schulen unter den Lehrern noch nie so groß gewesen wie derzeit. Das läßt sich auch trotz dieser 95-Prozent-Schätzung – wo immer diese Zahl herkommt – nicht leugnen.

Lassen Sie diesen schwierigsten, diesen tatsächlich schwierigsten Beruf dorthin wachsen, wo er hingehört. Er wurde lange genug, auch durch Ihre Mithilfe, in eine Position gerückt, wo die Pädagogik nicht hingehört. Die Schüler sind das Hauptziel, aber die Lehrer dürfen wir dabei nicht vergessen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

16.48

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im "Falter" hat Othmar Pruckner, Chefredakteur des "VISA-Magazins", einen Kommentar zu diesem Thema geschrieben. Er arbeitete vier Jahre lang als Lehrer an einer AHS, das heißt, er ist auch sachkundig, und betitelte seinen Kommentar mit "Mehr Geld für Skifahren?" Aber das ist nicht das Interessante, das Wesentliche ist, daß er schreibt: "Ein absolut neues transparentes Dienstrecht muß den völlig aus den Fugen geratenen Zulagendschungel ersetzen." Das haben heute mehrere vor mir schon gesagt. Aber dann schreibt er weiter: "Die spinnen, die Lehrer!" Das ist auch noch nichts Besonderes, das sagen ja Schüler bald einmal, denn das Verhältnis Schüler und Lehrer ist ja kein ganz friktionsfreies.

"Blöd" wird es dann, um das populär zu sagen, wenn nicht nur die Schüler sagen: Die spinnen, die Lehrer!, sondern auch die Eltern und die Bevölkerung sagen: Die spinnen, die Lehrer!, aber diese Meldung in bezug auf den Adressaten ganz falsch ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist diese heutige Diskussion deshalb sehr interessant gewesen, weil nahezu alle Redner hier gesagt haben, daß das Thema, das jetzt diskutiert wird, sehr dringlich sei. Abgeordneter Dr. Rada hat sogar gesagt, er sei dankbar dafür, daß wir dieses Thema dringlich behandeln, weil es wirklich dringlich ist, und hat angeführt, was alles zu tun wäre. Da drängt sich mir die Frage auf, warum die Sozialdemokratische Partei, wenn sie ein Problem als ein dringlich zu lösendes erkennt, nicht auch einmal das Instrumentarium des Dringlichen Antrages verwendet, um dringlich zu behandelnde Themen in den Nationalrat zu bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Für mich bleibt bei dieser ganzen Diskussion allerdings eine Frage offen, die bisher von keinem der Abgeordneten von den Regierungsfraktionen beantwortet wurde, und zwar die Frage – ich richte diese Frage an die Kolleginnen und Kollegen, die den beiden Fraktionen angehören, die jetzt die große Koalition bilden –, warum die große Koalition, die ja deshalb so groß ist, weil sie so viele große Aufgaben zu erfüllen hat, diese großen Aufgaben, die die Regierungsfraktionen als so groß bezeichnen, nach so vielen Jahren – seit 1986 gibt es schon diese große Koalition – nicht bewältigt hat.

Nun muß ich Ihnen, geschätzte KollegInnen – auch jenen von den Sozialdemokraten –, sagen: Es mutet schon ein bißchen absurd an, wenn ein Teil der Mitglieder der großen Koalition, die für die großen Problemlösungen zuständig ist, hier herunterkommt und zur Frau Bundesministerin sagt: Wir laden Sie ein, mit uns Verhandlungen aufzunehmen! Ja verdammt noch einmal, diese große Koalition hat sich doch deshalb zusammengetan und ist deshalb so zusammengeschmiedet, damit sie die großen Aufgaben unseres Landes löst! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Ich fühle mich jetzt nicht als Schülerin, das bin ich nicht mehr, ich bin auch keine Lehrerin und auch keine Mutter eines schulpflichtigen Kindes (Abg. Dr. Haider: Bald!) – noch nicht! –, ich fühle mich aber wirklich sehr ungut, wenn die große Koalition die großen Probleme nicht löst und die Schüler sagen, daß die Lehrer spinnen, und auch die Bevölkerung sagt, daß die Lehrer spinnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da sitzt eine, die siamesischer Zwilling jener Vereinigung ist, die nach meiner bescheidenen Beurteilung wirklich mit dieser Titulierung am allerbesten bezeichnet wäre, nämlich die Gewerkschaft, weil – und ich spreche jetzt nicht mit meinen Worten, um Gottes willen, sondern mit den Worten von Othmar Pruckner – die spinnen, die Gewerkschafter. Das fehlt in diesem Kommentar, der heute erschienen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Es geschieht das erste Mal, seit ich hier im Nationalrat bin, daß ich gegen eine Interessenvertretung, für die ich an und für sich sozusagen ein großes Herz habe und für die mein Herz ganz generell schlägt, auftrete. Aber wenn jemand eine solche Politik macht wie diese siamesischen Zwillinge, nämlich die Lehrergewerkschaft und die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten – und sie ist auch in diesem Boot drinnen –, so bleibt mir nichts anderes übrig. Es zeigt ja auch ihr betroffenes Gesicht heute, wie betroffen sie diese Situation macht. Das glaube ich nämlich wirklich, denn sie sucht nach einem Ausweg. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich glaube es nicht, denn sie verteidigt das System!) Doch was hört sie von ihrem Partner in der großen Koalition? – Ich lade Sie ein, mit uns die großen Aufgaben anzugehen, sagt dieser.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen noch etwas: Mir fällt, wenn ich an die letzten vier Jahre zurückdenke, außer dem Hausverstand, den mir die Frau Bundesministerin ja hoffentlich konzedieren wird, eigentlich nichts ein, was sie als wesentlichste bildungspolitische Meldung verkündet hätte. Man brauche Hausverstand, meint die Frau Bundesministerin. Man könnte fast fragen: Wenn man Hausverstand hat, wozu braucht man dann Bildungspolitik, Frau Bundesministerin?!

Wenn wir noch länger eine Bundesministerin haben, die nur an den Hausverstand appelliert (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gesunden Hausverstand!), aber die großen Probleme nicht in Angriff nimmt und das Besoldungsrecht nicht endlich reformiert, damit ein Ausspruch wie "Die spinnen, die Lehrer!" nicht mehr notwendig ist, dann ist nämlich, meine sehr geehrten Damen und Herren und Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratische Partei, irgendwann einmal der Tag gekommen, an dem von der großen Bildungsoffensive der siebziger Jahre, von der ich eine Profiteurin bin, nichts mehr übrig ist. (Beifall bei den Grünen.)

Diesen Tag, Kolleginnen und Kollegen, möchte ich nicht erleben! Das ist meiner Meinung nach wirklich ein zu ernstes Problem. Die Schule – und das ist für mich die zentrale Botschaft! – ist nicht für die Lehrergewerkschaft da, die Schule ist auch nicht für die Lehrer da, die Schule ist einzig und allein für die Schülerinnen und Schüler da, sie ist dazu da, um den Schülern Wissen zu vermitteln, aber nicht im engeren Sinn, sondern vor allem im Sinne der Vermittlung von sozialem Wissen und sozialer Kompetenz, und das muß gewährleistet werden. Aktionen wie jene in den letzten Tagen sind bei der Erfüllung dieser Aufgabe nur hinderlich und nie förderlich. Deshalb handeln Sie, Frau Bundesministerin! Sie haben ja noch mindestens bis zum nächsten Jahr in dieser so großen Koalition Zeit. (Beifall bei den Grünen.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

16.56

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Schaut lieber, wo euer Chef ist! (Abg. Dr. Graf: Er ist die ganze Zeit hier gesessen!) Vielleicht ist er gerade nachschauen gegangen, ob in seiner Wohnung irgendwelche Bettgeher sind! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie deutsch sprechen, damit ich Sie auch verstehe? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich merke, daß die Freiheitlichen sofort bereit sind, über die Wohnung ihres Parteivorsitzenden zu diskutieren oder die Diskussion darüber auch abzuwürgen. (Abg. Dr. Graf: Haben Sie keine Wohnung?) Es geht heute hier wirklich nicht darum. Es ist mir nur aufgefallen, daß er bei den Ausführungen meiner Vorrednerin den Saal verlassen hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht beleidigt sein!)

Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Wir sind tatsächlich in tiefer Sorge um die Motivation und das Klima an den Schulen. Es ist sicher ein gemeinsames Anliegen, da zu einer Verbesserung beizutragen. Ich komme viel an Schulen, und ich habe den Eindruck, daß jetzt wirklich mehr als nur eine vorübergehende Verärgerung über eine Maßnahme herrscht. Die Demotivation an den Schulen sitzt recht tief, und damit können wir alle keine Freude haben.

Das ist jetzt keine Kritik am Inhalt der geplanten Maßnahme, aber ich meine, daß in einer solch schwierigen Situation wahrscheinlich den Schulen mit einem Schreiben von Ihnen selber, in welchem Sie den Grund Ihres Vorgehens erklären, mehr geholfen gewesen wäre als mit einem amtlichen Erlaß, der noch dazu nicht ganz verständlich war und in welchem bloß bekanntgegeben wurde, das sei so und so.

Ich meine, daß im Umgang miteinander schon noch einiges verbesserbar wäre. Dann wären auch manche Maßnahmen leichter tragbar.

Eines ist unbestritten – und da möchte ich gar nichts beschönigen –: Wenn wir gravierende Sparpakete im Rahmen der Budgetsanierung machen müssen, dann gibt es auch Maßnahmen, die viele oder vielleicht alle von uns nicht gerade gerne beschließen und von denen auch die Schulen betroffen sind. Aber wir haben uns sehr bemüht, vor allem den Bildungsbereich deutlich weniger in dieses Sparpaket einzubeziehen als viele andere Bereiche.

In Anbetracht dieses Umstandes war es schon ein bißchen unfair, Kollegin Petrovic, daß Sie hier sagten, die Sozialdemokraten würden lieber Panzer um 100 Milliarden Schilling kaufen. Sie wissen genau, daß das Geschäft, das von den Militärs vorgesehen ist, oder die Wünsche, die in diesem Bereich vorgetragen wurden, unsere Zustimmung so sicher nicht finden werden und daß uns die Bildung selbstverständlich wesentlich wichtiger ist als der Ankauf neuer Panzer.

Die Kollegin Stoisits hat hier gemeint, wir hätten die großen Probleme noch nicht gelöst. Ich würde ihr empfehlen, doch das neue Buch von Heinz Fischer zur Hand zu nehmen. Er beschreibt nämlich darin, wie viele Reformen im Laufe eines politischen Lebens angegangen und verwirklicht werden und daß dann die Probleme einfach immer wieder von neuem auftauchen. Das heißt, zu meinen, man mache jetzt eine Dienstrechtsreform und dann sei für die nächsten 20 Jahre im Bereich des Dienstrechts alles erledigt, ist eine sehr mechanistische und falsche Denkweise, die in der Politik, glaube ich, keinen Platz hat.

Kollege Öllinger! Du hast OECD-Daten zitiert, und sie stimmen auch teilweise. Ich bedauere allerdings – vor allem deshalb, weil ich vieles vom Inhalt her an und für sich für durchaus diskutabel und auch richtig halte –, daß sie unvollständig sind. Die OECD selber sagt nämlich folgendes – ich möchte hier nur einen Satz zitieren –:

"Ohne Berücksichtigung dieser strukturellen Unterschiede in den einzelnen Ländern lassen sich der Grad der nationalen Anstrengungen im Bildungswesen und die Effizienz der eingesetzten Ressourcen nicht beurteilen."

Und die OECD beschreibt sehr genau, wo wir unsere Ressourcen einzusetzen und wo wir noch etwas zu verbessern haben. (Abg. Öllinger: Es gibt nicht nur den Vergleich mit anderen Ländern!)

Einfach zu sagen, die OECD assistiere uns und sei auch der Meinung, daß wir wenig Geld für die Bildung ausgeben, finde ich nicht richtig. Die Statistik, und zwar auf Seite 11 – das ist die erste über die Ausgaben für das Bildungswesen –, zeigt, daß Österreich bei den Bildungsausgaben im Spitzenfeld der Länder liegt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger. – Abg. Schaffenrath: Ein bißchen effizienter einsetzen!) Wenn man diese OECD-Statistik schon zitiert, dann wäre es zweckmäßig, dazuzusagen, daß sie durchaus auch bestätigt, daß Österreich beispielsweise bei den naturwissenschaftlichen Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler ganz hervorragende Ergebnisse zu verzeichnen hat. (Abg. Schaffenrath: Und die Mathematik bei den Maturanten?)

Frau Kollegin Schaffenrath, es ist hier im Nationalrat folgende Rollenteilung üblich: Wir sind natürlich in erster Linie bestrebt, das, was gut ist und für diese Regierung spricht, in den Vordergrund zu stellen, denn auf die Fehler weisen schon Sie hin, auf die Fehler brauchen nicht wir selber hinzuweisen. Es ist doch wohl Ihre Aufgabe, das hier zu tun. (Abg. Öllinger: Machen Sie doch ein Rollenspiel mit uns, einen Rollentausch!)

Sie haben uns auch eine Menge Versäumnisse vorgeworfen. Ich darf aber schon darauf hinweisen, daß es, was das Dienstrecht anlangt, kaum einen anderen Bereich im öffentlichen Dienst als den der Schule gibt, der beispielsweise Leitungsfunktionen auf Zeit hat. Damit haben wir beim Dienstrecht im Schulbereich eine Regelung getroffen, die vorbildlich ist, und da gibt es in anderen Bereichen noch einen Nachholbedarf. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Öllinger, da du aus einem Halbsatz der Frau Bundesministerin hier konstruierst, Sie würde die Lehrer beziehungsweise die Arbeit der Lehrer nicht schätzen, so muß ich dir schon sagen: Wir beide kennen sie, glaube ich, doch so gut, daß wir wissen, daß sie die Arbeit der Lehrer sehr wohl schätzt. Da möchte ich dich vielmehr fragen, wie du zu diesem Satz eines Lehrergewerkschafters stehst, den ich der "Kleinen Zeitung" entnommen habe. Dort heißt es – ich zitiere –:

"AHS-Gewerkschafter Georg Czimeg" – er sagte das wörtlich, und ich setze voraus, daß das stimmt; wir wissen zwar, daß nicht immer alles stimmt, aber wenn das stimmt, was hier steht, dann sollte uns das zu denken geben –: "Die Kollegen werden den ganz normalen Unterricht halten und im Falle des Fernbleibens von Schülern Entschuldigungen der Eltern verlangen. Streik als Entschuldigungsgrund gibt es nicht, weil Schüler kein Streikrecht haben."

Und weiters: "Das hält Czimeg auch für gut, denn: ,Streik ist eine Waffe, und Jugendlichen gibt man keine Waffen in die Hand‘."

Ich habe mich wirklich geärgert, aber auch amüsiert über diese Aussage, denn ich finde, daß es das gute Recht der Schüler ist, daß sie für ihre Rechte auf die Straße gehen und auch einmal sagen: Wir möchten, daß unsere Schulkurse durchgeführt werden, wir möchten, daß unsere Schulveranstaltungen stattfinden! Ein Streikrecht bekommt man nirgendwo, das hat auch die Arbeiterschaft nicht durch irgendeine Verordnung zuerkannt erhalten, sondern ein Streikrecht übt man aus. Es ist auch richtig so, daß das in diesem Fall ausgeübt wurde. Dazu stehen wir ganz und gar.

Die Frau Unterrichtsministerin hat darauf hingewiesen, daß die Bestimmung des § 61 auf eine Anregung des Rechnungshofes zurückgeht, nämlich daß die Stunden so abzurechnen sind, wie sie auch gehalten werden. So wie viele in diesem Haus habe auch ich der §-61-Änderung zugestimmt. Aber wir müssen folgenden Umstand doch nach und nach zu überlegen anfangen – und damit komme ich auf das neue Dienstrecht zu sprechen –: Das Denken in Buchhaltungskategorien ist Teil des bestehenden Dienstrechtes. Da gibt es viele Zulagen, da gibt es für die eine oder andere Leistung noch ein paar Schilling drauf, da gibt es eine Bildungszulage und so wieter. Das alles sind Entwicklungen, die, so meinen wir, nicht richtig waren.

Daß dann der Rechnungshof quasi dem noch die Krone aufsetzt, indem er sagt: Wenn es schon dieses buchhalterische Denken im Schulwesen gibt, dann möge man doch bitte wenigstens Stunde für Stunde abrechnen!, halte ich für eine gefährliche Vorgangsweise. Ich meine, daß das Primat der Pädagogik im Schulwesen unbestritten sein muß und daß wir sehr genau darauf achten müssen, daß wir nicht unter dem Titel "mehr Gerechtigkeit für Leistung" die Pädagogik unter die Räder kommen lassen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Wir brauchen sicherlich eine Lösung für aktuell anstehende Probleme. Es sind Gespräche im Gange, und ich glaube, daß auch die Gewerkschaft aus ihrer Verantwortung heraus, mit der sie Abkommen geschlossen hat, zu einer Deeskalierung beitragen wird und daß wir diese Probleme auch wieder in den Griff bekommen werden.

Wir sind uns aber, so meine ich, auch darin einig – jedenfalls mehr oder weniger einig –, daß es nicht die Lösung sein kann, das Dienstrecht immer nur kleinweise zu reformieren. Kollege Rada hat in seiner Rede eine Reihe von Beispielen angeführt, wo es Schwierigkeiten gibt, was den Unterricht und die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer anlangt. Ich glaube, daß diese Erkenntnis auch dazu führen muß – und wir sind sehr massiv dahinter, daß mit unserem Koalitionspartner umzusetzen; ich bedauere, daß keine Entschließung in diese Richtung zustande gekommen ist, heute jedenfalls noch nicht –, dieses neue Dienstrecht auf die Füße zu stellen.

Es wäre geradezu ideal, zugleich mit diesem neuen Dienstrecht, das nicht von heute auf morgen geschaffen werden kann, die Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer, unserer Pädagogen dem europäischen Standard anzupassen. Darum geht es uns: auf der einen Seite eine neue pädagogische Qualität ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, den Schlußsatz bitte!

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (fortsetzend): ... auf der anderen Seite ein neues Dienstrecht. Wir laden alle ein, da mitzumachen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser-Starrach. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.06

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Ich glaube, wir brauchen ein bißchen frische Luft. Vielleicht folgen Sie mir hinaus auf hohe See. Es ist allerdings stürmische Nacht, und Lichter kommen uns entgegen. Unser Maat funkt: Drehen Sie auf 20 Grad West! Antwort: Drehen Sie! Unser erster Offizier funkt: Drehen Sie auf 20 Grad West, wir sind auf Kollisionskurs! Antwort: Drehen Sie! Nun funkt der Kapitän selber: Ich bin der Kapitän dieses Schiffes, drehen Sie sofort auf 20 Grad West! Antwort: Drehen Sie, bevor es zu spät ist, ich bin der Leuchtturm! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie heißt das Schiff bitte?) Dieser Leuchtturm ist unsere Frau Bundesministerin Gehrer. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen, den Grünen sowie beim Liberalen Forum.) Sie scheut nämlich keine Diskussion, sie scheut keine Begegnung mit Abordnungen, sie ist zu allen Verhandlungen bereit und weist mit Recht auf die laufenden Verhandlungen hin. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich spreche heute zu einem Thema, mit dem sich ein Ausschuß befaßt, in welchem ich nur Ersatzmitglied bin, doch bestimmte dieses Thema fast 30 Jahre lang mein Leben. Kinder bis hin zum Erwachsensein zu lehren, bereitete mir viel Freude und Zufriedenheit. Und wodurch entstanden diese satten Gefühle des Glücks? – Sie entstanden durch Projekte. Lassen Sie mich ein paar Streiflichter darauf werfen.

Erstes Beispiel: Förderunterricht. Gemeinsam ein Ziel anzupeilen und endlich zu erreichen und dann die strahlenden Augen und das Lachen von einem Ohr zum anderen mit den Worten "Ich hab’s verstanden!" zu erleben, erzeugten in mir tiefe Zufriedenheit. Wenn die Kinder dann älter wurden, gab es die ersten gemeinsamen Reisen ins Theater, und nach dem ersten Paß wurde ich, schon in Nassereith, gefragt: Ist das schon Innsbruck? Wenn wir dann in tiefer Mitternacht nach Hause gekommen waren und einige Kinder nicht abgeholt wurden und wirklich im Finstern standen, von Gott und der Welt verlassen, habe ich sie selbstverständlich nach Hause gebracht. Der Vater war vor dem Fernseher eingeschlafen.

Zweites Beispiel: Südtirolfahrten. Da gab es schon Wochen vorher fächerübergreifenden Projektunterricht. Dazu kam das Befassen mit Kosten, Geschichte, Topographie, Literatur. Und das Übernachten? – eine Mischung aus Masochismus und viel zuwenig Schlaf. (Heiterkeit.)

Drittes Beispiel: Schilager und Wien-Fahrten. Da standen manchmal Kinder um halb drei Uhr nachts vor meinem Bett und sagten: I hon so Hoamweh!

Aber woran erinnerten sich die Schüler dann bei den Klassentreffen? Glauben Sie, daß jemals im Frontalunterricht Biologie oder in irgendeinem trainingsgerechten Leseunterricht die Erinnerung badete? Nein, es waren immer die Projekte, die mit berühmten Satz "Kannst du dich noch erinnern? die Gedanken – freundlich erwärmt – in die Vergangenheit zurückwandern ließen.

Die Projekte sind es, die eine Klassengemeinschaft zusammenschmieden – mit keinem Durchschnitts-, Durchrechnungs- oder Abgeltungszeitraum zu bewerten! –, und sie sind sozusagen das Manna im Schulalltag. (Abg. Öllinger: Wollen Sie uns damit etwas sagen?)

Die Budgetverhandlungen vom 8. September 1997 sind von Staatssekretär Ruttenstorfer und der Gewerkschaft über die Bühne gegangen und die Vereinbarungen bis 1999 getroffen. (Abg. Wabl: Jetzt weiß ich, was!) Darum noch einmal der Hinweis auf den Leuchtturm. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Es war nicht die Frau Bundesministerin, die das zu verantworten hatte.

Selbstverständlich werden Hiobsbotschaften, Chaos und Höllenqualen dargestellt (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), selbstverständlich zu Recht, denn so konnte es wirklich nicht mehr weitergehen. Schließlich kommen Wahlen, und die Retter müssen sich in Szene setzen: Halbwahrheiten und Halbinformationen gehen über die Bühne. (Abg. Scheibner: Wieso ist die Frau Ministerin ein "Leuchtturm"?) Das Unterrichtsbudget fließt zu 93 Prozent – so lautet, glaube ich, der richtige Prozentsatz – in Gehälter. (Abg. Böhacker: Der "Leuchtturm" leuchtet bereits! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Der Gestaltungsspielraum ist ein äußerst minimaler. Schauen Sie sich aber ehrlichen Herzens um: Es geht uns gut, und mit Solidarität und mit ehrlichem Bemühen in guten, konstruktiven Verhandlungen, die noch im Laufen und noch nicht abgeschlossen sind, ist unsere Bundesministerin zu jedem Gespräch bereit. Sie ist ehrlich bemüht, alle Untiefen zu umschiffen und Ungereimtheiten zu begradigen. (Abg. Dr. Petrovic: Wie ist das immer mit dem "Leuchtturm"? – Weitere Zwischenrufe.)

Geben wir dem Neuen zuerst eine lebensfähige Chance! Was in Zukunft zählt, wird nicht der ehrgeizige Sieg im Konkurrenzkampf aller gegen alle sein, sondern die Fähigkeit zu freundlicher Kooperation. Es hat also keinen Zweck mehr, Haifische zu züchten, sondern was kommt, ist die Zeit der Delphine! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schaffenrath: Wiederholung! – Abg. Wabl: Zugabe! – Heiterkeit.)

17.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinz Anton Marolt. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.12

Abgeordneter Heinz Anton Marolt (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Bei meiner Vorrednerin habe ich bemerkt, daß das Zuhören heute schon ein bißchen schwieriger wird. (Abg. Koppler: Im Gegenteil!) Deswegen werde ich mich fachlich sehr zurückhalten, da ja mein Kollege Schweitzer ohnedies alles perfekt vorgebracht hat, auch die entsprechende Forderungen der Freiheitlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber einige Dinge möchte ich kurz zitieren, nämlich die Highlights, die Sie sehr wohl bewegen sollten, nämlich zum Beispiel die Meldung der "Presse" vom 2. Oktober1998 im Inlandsteil. Da steht, meine sehr geehrten Damen und Herren – das betrifft wirklich auch Sie persönlich –: "Ihren Unmut taten am Donnerstag die SP-nahe Aktion kritischer Schüler vor dem schwarzen Unterrichtsministerium, die VP-nahe Schülerunion vor der Lehrergewerkschaft kund."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Normalerweise dürfte Ihnen da nicht mehr zum Lachen zumute sein. Sie haben bereits Ihre Kinder auf der Straße, und Sie haben Ihre Gewerkschaft auf der Straße. (Abg. Koppler: Sie sind aber nicht ausgeschlossen worden!) Das ist eine Bankrotterklärung unserer Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Mei Bua is daham!)

Meine Damen und Herren! Wenn Kinder – das (der Redner hält einen Zeitungsausschnitt in die Höhe) sieht man hier auch wirklich abgebildet – bereits auf der Straße sind, dann ist für unsere Republik Gefahr im Verzug. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Kinder sind zu schade dafür, in eine solche Schlammschlacht hineingezogen zu werden. Das ist eine Schande für diese Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unsere Kinder haben auch das Recht auf ihren Skikurs. Man bedenke, daß ein Skikurs sowohl einen pädagogischen als auch einen gesellschaftspolitischen Wert hat. Der Kontakt des Kindes mit dem Lehrer, das Lehren und das Lernen des Skifahrens – das gehört einfach zur sportlichen Betätigung, das gehört auch zu einem Teil der Gesundheit selbst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aber nicht nur das Fehlverhalten der Frau Ministerin Gehrer schuld an dem Ist-Zustand, daß die Jugend heute auf die Straße gehen muß. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Maitz.) Es ist auch ein riesiger Schaden für die Wirtschaft, für die Tourismuswirtschaft entstanden, die auch ein Anrecht, eine Existenzberechtigung hat. (Abg. Rosemarie Bauer: Na geh!) Ich zitiere hierzu folgendes:

Millionenverluste fürchtet die heimische Tourismuswirtschaft durch den Boykott der Schulsportwochen. Speziell für die Jugendheime sind die Stornierungen eine Katastrophe. – So Walter Kaltner, Direktor des Österreichischen Jugendferienwerks "Young Austria", in Salzburg am Freitag in einem Gespräch mit der APA. In den 20 Jugendheimen des Ferienwerks hätten von 150 Schülergruppen schon die Hälfte für das heurige Jahr Skikurs oder Sommersportwoche abgesagt.

Auch in Tirol und in der Steiermark befürchten Tourismusexperten schwere finanzielle Einbußen. Dem Tiroler Tourismus könnten durch den Boykott allein in der kommenden Wintersaison 60 Millionen Schilling an Einnahmen verlorengehen, heißt es am Freitag bei der Tirol-Werbung. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht zum Lachen. Auch die Wirtschaft hat eine Existenzberechtigung! (Abg. Heinzl: Wir haben freien Markt!)

Oder da steht in der "Ganzen Woche": Viel Geld könnte der Boykott von Schulveranstaltungen auch die Tourismuswirtschaft kosten. Unseres Wissens sind insgesamt 290 000 Schüler und Schülerinnen von einem Boykott der Schullandwochen oder der Skikurse betroffen. Rechnet man mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von fünf Nächten, wackeln 1,45 Millionen Nächtigungen.

Meine Damen und Herren! Das ist ein volkswirtschaftlicher Beitrag, über den man sich nicht hinwegsetzen kann, Frau Minister! Das bedeutet eine gute Milliarde Schilling an Umsatz – mit Zusatzausgaben wie Liftkarte oder Bus –, die wir verlieren könnten. Davon betroffen sein werden aber nicht nur die Jugendherbergen in unserem Land, sondern auch Gasthäuser und Pensionen, die in der Nebensaison ihre Betten mit Schülern füllen. Kärnten im Sommer und Salzburg im Winter werden die Hauptleidtragenden sein, das ist nun einmal ein Faktum, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich fordere die Frau Minister nochmals auf, Akzente zu setzen, und zwar jetzt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Frau Abgeordnete, Sie wollten eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten. 8 Minuten entfallen noch auf die Fraktion als ganze. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. – Abg. Dr. Brinek: Ja, Frau Aumayr, Sie können auch von mir noch viel lernen!)

17.17

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Zu meinem Vorredner gesprochen: Malen Sie nicht den Teufel an die Wand, was alles passieren kann, wenn ...! Ich halte mich da letztlich an die Vernunft der Lehrer, der Akteure, der handelnden Personen, und hoffe, daß es wieder Skikurse geben wird, daß es Projektwochen und Schulveranstaltungen geben wird.

Wir sollten in diesem Zusammenhang die hier durchwegs gepflegte differenzierte Auseinandersetzung fortsetzen und nicht – wie es manche Medien tun – alle Lehrer in einen Topf werfen, etwa diejenigen, die ihre Sache – und das sind die meisten – großartig machen und die 23 000 S verdienen, und diejenigen, die 114 000 S verdienen. Also: Nicht in einen Topf, und nicht schwarzmalen! Genauso, wie das vielleicht an mancher Stelle mit Politikern und ihren Bezügen passiert ist. Das bringt uns, denke ich, nicht weiter.

Ich möchte gegenüber den Vorrednern auch bezüglich eines Lösungsansatzes, der von Kollegen Antoni vorgeschlagen wurde, eine Abgrenzung treffen. Ich meine nicht, daß sein Vorschlag das Problem lösen wird, nämlich die gemeinsame, pädagogisch-animatorische Ganztagsgesamthochschule, in der die Kindergartenpädagogikausbildung enthalten ist, bis hin zum Neckermann-All-inclusive-Pool-Animateur. Das wird es nicht sein, damit werden wir das Problem auch nicht lösen können. Ich ersehe aus den OECD-Bewertungen auch nicht, daß entsprechender Handlungsbedarf besteht.

Wo ist anzusetzen? – Nicht dort, wo Sie meinen, Herr Kollege Öllinger: bei einer völligen Neuorganisation oder Neugestaltung des Schulwesens. Das erinnert mich ein bißchen an die Nachdenk-Kellerdiskussionen des 68er Jahres, also: Wir werden die Welt neu machen, die Schule neu machen und überhaupt alles neu machen.

Wo beziehungsweise wann hat die Sensibilität der Lehrer begonnen? – Bei der Kritik des Rechnungshofes an der Pauschalabgeltung der Überstunden. Damit ist wieder einmal offenkundig, daß wir in Richtung Jahresarbeitszeitmodell unterwegs sein müssen. Dazu meine ich aus den differenzierten Lehrer-, Schul- und Elternrückmeldungen herauszuhören, daß wir mit dieser Ministerin, mit dieser Reformrichtung, mit diesem Erneuerungstempo gut unterwegs sind. Wir sollten diesen Weg nicht verlassen und durch einen anderen, radikalen ersetzen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich plädiere dafür, daß die schon zitierte Arbeitsgruppe, die erst – für so ein großes Thema gesehen: erst – seit Sommer dieses Jahres tagt, weil das Problem erst da akut geworden ist, tagen und arbeiten kann. Ich denke, daß auf die Schule viele Erneuerungen zukommen, daß diese Erneuerungen auf dem evolutionären Weg gestaltet werden müssen, daß sie auf der einen Seite weiter in Richtung Professionalisierung und Verwissenschaftlichung gehen müssen, daß wir den Lehrplan als dezentralisiertes Profilvehikel benützen müssen, um die Schulerneuerung voranzutreiben, daß die alte Qualitätssicherung, die der Schulinspektor alten Typs betrieben hat, durch ein Schulcontrolling und durch eine Qualitätsevaluation ersetzt werden muß und daß das Lehrerleitbild auch nicht so weit weg ist von dem, was wir brauchen, um zu einer Jahresarbeitszeit zu kommen, wenn wir uns den Lehrplan ansehen.

Da ist mir ein "Kommentar der anderen" in der Tageszeitung "Der Standard" von Karl-Heinz Gruber, den die Insider kennen, in Erinnerung, der sehr genau darauf hingewiesen hat: Wenn man diesen Lehrplan im allgemeinen Teil und in den didaktischen Grundsätzen ernst nimmt, dann weiß man, wie ein Lehrer zu arbeiten hat.

Wir sind also vom angepeilten Ziel, vom angepeilten oder intendierten Tempo nicht so weit weg. Es muß in Ruhe gearbeitet werden. Wir sollen uns auch nicht überfordern, weil tatsächlich paradigmatisch viel zu ändern ist.

Bürokratisierung und Demokratisierung haben einmal zum Vehikel der Modernisierung von Gesellschaft und Staat gehört. Am Ende dieses Jahrtausends sind andere Instrumente zu entwickeln. Es ist aber eine Überforderung, wenn wir es noch bunter und noch schneller treiben wollen als etwa in der Formel 1, wo zumindest zum Wechseln der Reifen ein Boxenstopp eingelegt wird. Wir können nicht bei laufender Fahrt vier oder mehr Reifen wechseln, ohne zum Boxenstopp zu gehen. Das ist unsere Herausforderung. Die Weichen sind gestellt, wir sollten den Weg vernünftig und maßvoll gehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 6 Minuten. – Bitte.

17.22

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Eine meine Vorrednerinnen, Frau Abgeordnete Stoisits, hat anläßlich dieser Diskussion bei der Frau Ministerin Betroffenheit bemerkt. – Ich muß sagen, daß ich diese Betroffenheit bei der Frau Minister eigentlich vermißt habe. (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist ein unterschiedlicher Eindruck!) Ganz im Gegenteil: Die Frau Ministerin hat sich voll hinter das Besoldungssystem gestellt. Sie hat in keiner Weise die Notwendigkeit einer Reform ausgedrückt und hat eben vor allem keine Betroffenheit gezeigt.

Aber gerade in dieser Diskussion werden wieder die Tiefen des staatlichen Besoldungssystems offenbar. Gerade bei den Lehrern ist überhaupt keine Transparenz vorhanden. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, daß wir es mit einem leistungsgerechten und transparenten Gehaltsschema zu tun hätten, sondern da wird mit Zulagen und Pauschalen fortgewurstelt. Da gibt es eine Zulage für Projektgruppen und eine Zulage für die Leitung der Projektgruppen und eine Betreuungszulage. Dann gibt es Belohnungen, die je nach politischer Sympathie verteilt werden. Wenn ein Lehrer "brav" ist, dann wird er für eine solche Belohnung vorgeschlagen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Genau diese Linie im Besoldungssystem zieht sich ja überall durch. (Abg. Dr. Mertel: Und wie ist es bei Ihnen als Richterin?) Bei den Richtern ist das nicht so, aber zum Beispiel bei der Exekutive ist es haargenau so. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Überall dort, wo die Sozialisten oder die ÖVP ein Ministerium besetzen, zieht sich das wie ein roter Faden durch.

Sehr geehrte Frau Minister! Sie reden dann von einem "guten Klima". (Abg. Dr. Mertel: Und was ist bei den Freiheitlichen?) Frau Abgeordnete Mertel! Wenn Sie glauben, daß sich bei einem solchen Zulagensystem ein gutes Klima entwickeln kann, dann haben Sie wahrscheinlich keine Ahnung davon, was sich unter den öffentlich Bediensteten abspielt. (Abg. Dr. Mertel: Ja, bei den Richtern ist es viel "durchsichtiger", viel "transparenter"!) Sehr geehrte Frau Minister! Dieses nicht transparente Besoldungssystem kann ja nur zu einem schlechten Klima führen, das wissen Sie ganz genau. Trotzdem verteidigen Sie aber dieses Besoldungssystem.

Eines möchte ich Ihnen auch sagen: Sie tragen ja nicht die Schuld an diesem Besoldungssystem. Sie könnten die erste sein, die sagt: Ja, ändern wir das Ganze, schauen wir doch, daß wir auf eine für alle durchschaubare Grundlinie kommen! – Denn Sie haben es nicht eingeführt, sondern Ihr Vorgänger, Herr Dr. Busek, war derjenige, der mit Hilfe der SPÖ dieses Besoldungsschema eingeführt hat. Er hat zusammen mit der Gewerkschaft die Weichenstellungen vorgenommen. Das heißt, Sie hätten allen Grund, zu sagen: Distanzieren wir uns davon und machen wir etwas anderes!

Noch etwas möchte ich Ihnen vorhalten, weil Sie eben das gute Klima betont haben. Ob das für ein gutes Klima sorgt, daß beispielsweise ein Lehrer das Geld für Überstunden, die er im Frühjahr 1998 geleistet hat, erst im Jahr 1999 ausbezahlt bekommt? – So ist es tatsächlich. Da frage ich mich wirklich, wieso Sie annehmen, daß da ein gutes Klima vorherrschen soll. Kein privater Dienstgeber dürfte es sich leisten, seine Angestellten monatelang auf Überstundenentgelte warten zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das "gute Klima", das unter den Lehrern und in Ihrem Ressort herrscht, beleuchtet auch folgendes Faktum. Bei allen Lehrern ist die Überstundenabgeltung umgestellt worden. Jetzt müssen die Überstunden einzeln abgerechnet werden, das ist nicht mehr pauschal möglich. Aber eine große Ausnahme wurde gemacht: Bei den Personalvertretern und bei den Gewerkschaftsvertretern wird nach wie vor pauschal abgerechnet, selbst dann, wenn überhaupt keine Dienstverrichtungen geleistet werden. Dafür gibt es kein Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern das beruht auf einem Ministerratsbeschluß aus den siebziger Jahren. – Frau Minister! Es wäre höchste Zeit, daß Sie das ändern, um auch etwas dazu beizutragen, daß sich das Klima wirklich verbessert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So viel Hausverstand kann überhaupt nicht existieren, daß Sie diese Überstundenregelung irgend jemandem plausibel machen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Öllinger hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, für Sie verbleibt noch eine Redezeit von 1 Minute. – Bitte.

17.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Sonja Moser-Starrach, ich denke, mit Ihren dauernden Hinweisen auf den "Leuchtturm" haben Sie der Frau Bundesministerin keinen guten Dienst erwiesen. Denn es ist das Wesen eines Leuchtturms, daß man nicht auf ihn hinweisen muß, sondern daß er andere auf sich hinweist.

Frau Bundesministerin! Das hätten wir in dieser Debatte eigentlich auch von Ihnen erwartet, daß Sie die Initiative ergreifen und sagen: Ja, es ist notwendig, da grundsätzlich etwas zu machen! Manche der Entwicklungen, die im letzten Jahr Platz gegriffen und zu dieser großen Verunsicherung, zu Unruhe und Verärgerung bei den Lehrerinnen und Lehrern geführt haben, waren falsch. (Beifall bei den Grünen.) Also machen wir einen Schritt zurück, setzen wir uns an den Tisch und verhandeln wir das neue Besoldungs- und Arbeitszeitrecht!

Eine Voraussetzung dazu besteht nicht unbedingt darin, daß man der Gewerkschaft auf diesem Weg mit 200 oder 300 S einen Schritt entgegenkommt, sondern die Voraussetzung dazu wäre, daß man die Bestimmungen, wie wir es in diesem Antrag einfordern, in den §§ 4 und 61 zurücknimmt. (Beifall bei den Grünen.)

17.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag, der Gegenstand dieser soeben durchgeführten Debatte war.

Wir stimmen ab über den Selbständigen Antrag 909/A (E) der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Versäumnisse in der Bildungspolitik, insbesondere beim Gehaltsgesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächstes kommen wir zur Durchführung einer kurzen Debatte. Diese kurze Debatte betrifft den Antrag des Abgeordneten Dr. Kier, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 489/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und das Angestelltengesetz 1921 geändert werden, eine Frist bis 4. Dezember 1998 zu setzen.

Die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag wird nach Schluß der Debatte durchgeführt, in die wir jetzt sofort eingehen. Ich rufe in Erinnerung, daß nach der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Redners 5 Minuten nicht übersteigen darf. Der Erstredner hat eine Redezeit von 10 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung sowie von Staatssekretärinnen und Staatssekretären sollen gleichfalls nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich erteile als erstem dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Dr. Kier, das Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

17.30

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Die liberale Fraktion hat im Juni vergangenen Jahres einen Antrag eingebracht, der darauf abzielt, daß hinsichtlich der Abfertigungsrückstellungen eine wesentliche Neuregelung getroffen wird, nämlich dahin gehend, daß die Abfertigungsrücklage zum Bilanzstichtag nicht – so wie bisher – nur zu einem Teil, sondern in voller Höhe der Ansprüche bilanziert werden darf und daß in Kombination damit die Notwendigkeit Platz greift, daß diese Rücklagen in österreichischen Aktien beziehungsweise in geeigneten Wertpapieren – im Sinne der im Antrag gewählten Formulierung – anzulegen sind.

Dabei ist es das Ziel dieses Antrags, einerseits die tatsächliche Belastung, die durch Abfertigungen entsteht, in der Bilanz sichtbar zu machen, andererseits das Vermögen, das tatsächlich für den Abfertigungsfall rückgestellt werden muß, auch im Insolvenzfall zur Verfügung zu haben.

Dieser Antrag des Liberalen Forums hat eine wesentliche Stoßrichtung, nämlich die, auch Lohnnebenkosten dergestalt zu senken, daß durch eine solche Regelung die Inanspruchnahme des Insolvenzentgeltausgleichsfonds nicht mehr in diesem Umfang notwendig wäre, wie das jetzt der Fall ist, und zwar immer dann, wenn Unternehmen insolvent werden, Arbeitnehmer auch um Abfertigungsansprüche sozusagen umfallen und dann der Fonds zahlen muß. Das läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß sämtliche andere Unternehmen in Form ihrer Beiträge in diesen Fonds dafür aufzukommen haben. Das ist eben das Ergebnis mangelnder Rückstellungen, die gesetzlich jetzt nicht anders möglich sind, und einer mangelnder Bildung von Sondervermögen, wie es nun der Fall ist.

Daher meinen wir, daß es hoch an der Zeit wäre, eine solche Regelung im jetzigen System zu beschließen. Wir glauben aber auch deswegen, daß dieser Antrag des Liberalen Forums dringend auf die Tagesordnung des zuständigen Ausschusses gesetzt werden müßte, weil es sinnvoll wäre, einen völlig neuen Zugang zum Thema Abfertigung zu finden (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), nämlich sich bewußt zu machen, daß Abfertigungen de facto eigentlich vorenthaltene Lohnbestandteile sind und daß es wesentlich besser wäre, Ansprüche nicht mehr neu entstehen zu lassen, sondern die bereits entstandenen Ansprüche sauber abzuwickeln und im übrigen das, was sonst als Abfertigungsanspruch mit Löhnen und Gehältern gezahlt würde, den Mitarbeitern unmittelbar zukommen zu lassen.

Die gedachte Funktion von Abfertigungen und Abfertigungsrücklagen, nämlich das sogenannte Sozialkapital zu bilden, hat sich in der Vergangenheit nicht bewährt. Ich konnte darauf schon im Zusammenhang mit dem Aspekt von Insolvenzen hinweisen. Genau in diesem Fall waren nämlich die Rücklagen in aller Regel nicht vorhanden und haben ihre Funktion dahin gehend nicht geleistet, daß Abfertigungen auch dann ausgezahlt werden können, wenn das Unternehmen insolvent ist.

Ich glaube, es ist deswegen noch einmal zu betonen, daß es sinnvoll ist, sich mit diesem Antrag, der, wie gesagt, schon eineinviertel Jahre lang im Hohen Haus liegt, ohne in Behandlung genommen worden zu sein, zu befassen, weil es generell in diesem Lande zu einer Abfertigungsdiskussion gekommen ist, wenn ich das so sagen darf. Man hat unterschiedliche Zurufe gehört, und es wäre jetzt eine hervorragende Möglichkeit, diesen Antrag des Liberalen Forums zum Anlaß zu nehmen, sich im zuständigen parlamentarischen Ausschuß mit diesem Thema zu befassen und innovative Ansätze zu entwickeln, weil das, was derzeit läuft, ja ganz offensichtlich Anachronismus ist.

Einerseits werden Löhne nicht ausgezahlt, sondern in Rückstellungen "geparkt", andererseits ist bei Selbstkündigung kein Anspruch vorhanden, was zum Teil demobilisierend wirkt. Und drittens wird der Mitarbeiter, anstatt, daß er in der Lage ist, anhand seiner laufenden Bezüge selber auch etwas vorzusorgen, sozusagen bevormundet. Das sind alles jene Fälle, bei denen die Abfertigungen zum Stichtag des Übertritts in den Ruhestand ausgezahlt werden, das ist nämlich auch ein Fall, bei dem Abfertigungen ausgezahlt werden, nicht nur bei Kündigung durch den Arbeitgeber.

Ich meine daher, daß, wenn die Damen und Herren, die sich hier wechselseitig unterschiedliche Ideen zur Neuregelung der Abfertigung zugerufen haben, das ernst gemeint haben, was sie gesagt haben, dann sollten sie sich der parlamentarischen Diskussion stellen. Sie sollten den diesbezüglichen Antrag des Liberalen Forums, der, wie gesagt, schon eineinviertel Jahre lang im Haus liegt, ohne behandelt worden zu sein, dankbar aufgreifen und im zuständigen Ausschuß eine entsprechende Beschlußfassung herbeiführen, die auch für Rechtssicherheit sorgt. Denn ich sage Ihnen eines: Nichts ist unangenehmer, als wenn man – auf welcher Seite auch immer stehend – Betroffener ist; entweder man ist derjenige, der Abfertigungsrücklagen für die Mitarbeiter bilden muß oder man ist ein Mitarbeiter des Unternehmens, der sich sozusagen im schwebenden Zustand befindet, ein potentieller Abfertigungsempfänger zu sein, wenn man bemerkt, daß sich etwas ändern wird, aber man weiß nicht, was.

Das ist schlecht, das ist nicht vertrauensbildend. Das ist etwas, was man in einem Unternehmen nicht brauchen kann, denn wichtig ist in jedem Unternehmen, daß es ein Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt, das nicht getrübt ist durch unsichere Randbedingungen, die die Politik zu verantworten hat.

Daher bitte ich Sie herzlich: Stimmen Sie unserer Fristsetzung zu! Sie ist darauf gerichtet, die Diskussion von der Straße ins Parlament zu holen; und das wäre doch etwas, was Ihnen gefallen sollte. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. Herr Abgeordneter, für Sie und alle weiteren Redner gilt eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

17.36

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kier, es geht ja in diesem Antrag des Liberalen Forums nicht um die Abfertigung, sondern um die Besteuerung der Abfertigungsrückstellung. Da besteht offensichtlich ein Unterschied.

Ihre Argumentation ist deswegen eigentlich absurd, denn es ist eigenartig, daß eine Partei, die die Abfertigung abschaffen möchte, die Abfertigungsrückstellung erhöhen will. – Das paßt nicht ganz zusammen.

Der Antrag des Liberalen Forums enthält in Wirklichkeit drei Kernpunkte. Der eine Kernpunkt ist jener, daß die Abfertigungsrückstellung – das haben Sie jetzt in Ihrer Rede, glaube ich, nicht erwähnt, aber es steht im Antrag – von 50 auf 100 Prozent erhöht werden sollte. Diese Erhöhung von 50 auf 100 Prozent würde bedeuten, daß es zu einem Steuerausfall von mindestens 2 Milliarden Schilling käme – wahrscheinlich sogar noch viel mehr, je nachdem, wie weit man die Zeit schätzt, innerhalb der von 50 auf 100 Prozent aufgestockt werden sollte.

Ein zweites Problem, das dabei mit zu beachten ist, ist, daß sich die Frage stellt, ob sich dies nur in der Steuerbilanz oder auch in der Handelsbilanz widerspiegeln sollte. Spiegelt sich das auch in der Handelsbilanz wider – darüber reden Sie in Ihrem Antrag nicht –, so besteht ein Problem mit EU-Normen, weil das möglicherweise eine Überdotierung von Rückstellungen bedeutet. Spiegelt sich das in der Handelsbilanz nicht wider, so klaffen wieder einmal Handelsbilanz und Steuerbilanz um einen Schritt mehr auseinander. Und gerade das wollen Sie nicht; Sie treten ja immer wieder für das Gegenteil ein.

Zweiter Kernpunkt Ihres Antrages ist das Verlangen der Möglichkeit, daß die Abfertigungsrückstellung auch in Aktien veranlagt werden kann. Ich glaube, Sie haben insbesondere übersehen, daß es seit der letzten Novelle zum Einkommensteuergesetz die Möglichkeit gibt, sehr wohl in Aktien in einem bestimmten Sinn zu veranlagen, denn es heißt jetzt im Einkommensteuergesetz, daß diese Abfertigungsrückstellung auch in Anteilscheinen an Kapitalanlagefonds, deren Fondsbestimmungen den Veranschlagungsvorschriften des § 25 Pensionskassagesetz entsprechen, zu veranlagen ist. – Und diese besagen wieder, daß man bis zu 40 Prozent in Aktien veranlagen kann. Das heißt, über den Umweg von Kapitalanlagefonds ist die Einbindung von Aktien sehr wohl möglich.

Erstens steht in Ihrem Antrag davon überhaupt nichts; und zweitens erlauben Sie mir folgende Bemerkung: Wenn wir im Parlament vor einiger Zeit die Möglichkeit eröffnet hätten, daß unmittelbar – ohne das Zwischenschalten von Fondsmanagern et cetera – Firmen in Aktien gehen können, dann wäre es jetzt sicher so gewesen, daß etliche Firmen Bonitätsprobleme hätten, weil ja die Aktienkurse ganz schön eingebrochen sind. Ich meine also, es war sehr gut, daß wir diesem Vorschlag nicht gefolgt sind, sondern nur in jenem Umfang, der ohnehin in der letzten Einkommensteuergesetz-Novelle vorgesehen war, nämlich bis zu 40 Prozent entsprechend den Pensionskassen.

Ihr dritter Forderungspunkt ist jener, daß das Angestelltengesetz in die Richtung geändert wird, daß die Abfertigungsrückstellung als Sondermasse in der Konkursordnung gilt. Dazu möchte ich sagen: Dieser Vorstellung ist einige Sympathie abzugewinnen; das klingt relativ plausibel. Das würde natürlich auch die Ansprüche an den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds entlasten; das würde also diesen Fonds entlasten. Das ist vernünftig. Sie sollten jedoch schon mitberücksichtigen, daß bei all jenen Firmen, die kurz vor dem Konkurs stehen, die in Schwierigkeiten kommen, diese Abfertigungsrückstellung natürlich ohnehin verpfändet ist. Wenn man ihnen dann diese Belehnungsmöglichkeit entzöge, ergäben sich natürlich ordentliche Bonitätsprobleme gerade bei jenen Betrieben, die diese brauchen. Das ist also auch von dieser Warte aus zu sehen. So sympathisch dieser Vorschlag auf den ersten Blick aussieht, so undurchführbar wird er zumindest kurzfristig sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt ist zu sagen: Das Liberale Forum und Teile der Österreichischen Volkspartei verlangen eigentlich die Abschaffung der Abfertigung. Wir Sozialdemokraten hingegen wollen, daß die Abfertigung nicht abgeschafft, sondern sogar ausgedehnt wird auf den Fall der Selbstkündigung. (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist neu!) Ich meine, daß das sozial gerecht wäre; im Sinne des Liberalen Forums würde auch die Mobilität der Arbeitnehmer dadurch mit erhöht werden.

Noch einmal: Es ist relativ absurd, auf der einen Seite die Abschaffung der Abfertigung und auf der anderen Seite eine Erhöhung der Abfertigungsrückstellung zu verlangen. Daher ist dieser Antrag natürlich abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol.)

17.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Feurstein gelangt jetzt zu Wort. – Bitte.

17.41

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kaufmann, ich muß Ihnen ganz entschieden widersprechen, wenn Sie hier die Behauptung aufstellen, die ÖVP sei für die Abschaffung der Abfertigung. – Das ist eine unverschämte Unterstellung, die Sie sich hier erlaubt haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weise das zurück, und ich würde von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, vor allem vom ÖGB – ich weiß: Teile des ÖGB tun es; Teile des ÖGB und der Arbeiterkammer tun es sehr wohl – erwarten, daß Sie mit konstruktiven Überlegungen zu einer Verbesserung der Abfertigung im Hinblick auf eine Pensionsversorgung, Altersversorgung, Arbeitnehmerversorgung aufwarten. Das ist unser Anliegen, Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie wirklich, solche Unterstellungen zu unterlassen, meine Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP), zumal ich Ihnen – und Sie wissen das genau! – einhellige Entschließungen von Arbeiterkammertagen vorlegen kann, die das "Modell Josef Fink" unterstützen. – Ich bitte also darum, nicht Dinge zu sagen, die nicht stimmen!

Meine Damen und Herren vom Liberalen Forum! Ihr Vorschlag bringt keineswegs eine Neugestaltung der Abfertigung. Es würde das neue Privilegien bringen. Da stimme ich Herrn Abgeordneten Kaufmann voll zu: Ich habe noch nie gehört, daß jemand eine Anhebung der Bildung von Abfertigungsrückstellungen von 50 auf 100 Prozent gefordert hat. Es ist nicht notwendig, es ist falsch, und es hätte natürlich eine wesentliche steuerliche Entlastung bei diesen wenigen Betrieben und einen Steuerausfall – vielleicht nicht in der Größenordnung von 2 Milliarden Schilling, wie es Abgeordneter Kaufmann gesagt hat, aber einen ganz massiven Steuerausfall – zur Folge. Darum können wir diesem Antrag schon aus diesem Grunde nicht zustimmen und beitreten. (Abg. Böhacker: Es geht um einen Fristsetzungsantrag!) – Auch nicht einer Fristsetzung! Wenn ich etwas grundsätzlich ablehne, werde ich nicht einer Fristsetzung zustimmen, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Laßt uns diskutieren!)

Nächster Punkt: Sie verlangen eine Ausweitung auf österreichische Aktien. Herr Abgeordneter Kier, wissen Sie, daß es gar nicht möglich ist, eine Ausweitung auf österreichische Aktien zu verlangen, weil das eindeutig EU-widrig wäre? – In diesem Punkt ist der Antrag also sowieso nicht umsetzbar, weil er EU-widrig wäre. (Abg. Dr. Schmidt: Sie wollen im Ausschuß nicht einmal darüber reden! Es geht um die Fristsetzung!)

Frau Abgeordnete Schmidt! Ich komme auf den letzten Punkt zu sprechen. Es ist schön, wenn man verlangt, man sollte die Wertpapiere, die für Rückstellungen verwendet werden, im Konkursverfahren einer Sondermasse zuordnen. (Abg. Dr. Schmidt: Die Debatte gehört im Ausschuß geführt ...!) – Frau Abgeordnete Schmidt! Diesen Punkt habe ich bereits abgehandelt. Darüber reden wir nicht mehr.

Also letzter Punkt, den ich hier noch kurz erwähnen möchte: Zuweisung an eine Sonderkonkursmasse – das hat Herr Abgeordneter Kaufmann richtig gesagt, Herr Abgeordneter Kier –: Wertpapiere, die man irgendwo zuweisen kann, sind zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht mehr vorhanden. (Abg. Dr. Schmidt: Warum wollen Sie dann im Ausschuß nicht darüber reden? Wir sagen, daß es im Ausschuß behandelt gehört! Das ist eine Überheblichkeit, nicht einmal im Ausschuß darüber reden zu wollen!) In diesem Punkt bringt dieser Antrag also auch nichts.

Darum können wir – da dieser Antrag falsch ist, neue Privilegien schafft und auch wesentliche Voraussetzungen nicht anerkennt – einem solchen Fristsetzungsantrag nicht zustimmen! (Beifall bei der ÖVP.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.45

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege Kaufmann, es ist schon verwunderlich, wenn Sie hier meinen, daß es durch diesen Antrag zu einem weiteren Auseinanderdriften zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz kommen könnte – gerade Sie, die Sie bei den letzten Belastungspaketen, beim Strukturanpassungsgesetz massiv ein Auseinanderdriften zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz beschlossen haben: keine Rückstellungsbildungen mehr, eine zwangsweise vorgeschriebene Nutzungsdauer von Kraftfahrzeugen von acht Jahren, keine Rücklagenbildungen! Sie haben ein Auseinanderdriften zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz beschlossen! Und dann gehen Sie hier heraus und lamentieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden diesem Fristsetzungsantrag zustimmen. Na selbstverständlich, und zwar aus demokratiepolitischen Gründen! Es ist bedauerliche Unsitte in diesem Haus geworden, daß Anträge der Opposition, wenn sie den Regierungsparteien nicht in den Kram passen, einfach in einem Ausschuß schubladisiert werden. Dort verschimmeln sie, und wenn die Legislaturperiode vorbei ist, soll dieser Antrag sanft "entschlafen". Ist das gelebte parlamentarische Demokratie? – Ich sehe das ganz anders! Darum werden wir diesem Fristsetzungsantrag sehr wohl zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich appelliere an die Regierungsparteien: Stimmen Sie diesem Fristsetzungsantrag doch bitte zu! Sie brauchen nicht inhaltlich mit diesem Antrag konform zu gehen, aber verweigern Sie nicht die Diskussion über einen Antrag – egal, wie Sie diesen Antrag dann im parlamentarischen Abstimmungsverhalten behandeln werden! Verweigern Sie nicht die Diskussion über Anträge der Oppositionsparteien! Eine solche Vorgangsweise ist entschieden abzulehnen!

Zum Inhaltlichen: Erstens, Herr Kollege Kier, haben Sie immer von Abfertigungsrücklagen gesprochen. – Das ist an sich unrichtig. Es heißt "Rückstellungen" und nicht "Rücklagen". (Abg. Dr. Kier: Stimmt!)

Zweitens: Ich orte da einen Widerspruch. (Abg. Mag. Peter: Du hast recht! Es sind Rückstellungen!) Herr Kollege Peter, gut aufpassen! – Im Antrag wird beantragt, eine Abfertigungsrückstellung von 100 Prozent zu bilden. Gleichzeitig ist aber dem Text des Fristsetzungsantrags zu entnehmen: Die Abfertigung ist als vorenthaltener Gehaltsbestandteil zu betrachten. Und weiters: In einem modernen Entlohnungssystem sind Abfertigungsbestandteile laufend auszuzahlen.

Was bedeutet das? – Sie wollen laufend auszahlen. Wenn Sie laufend auszahlen, brauchen Sie keine Rückstellung mehr, weil ja der Aufwand laufend verbucht wird. Jetzt weiß ich nicht, was ihr wollt: eine Rückstellungsbildung oder laufend auszahlen? – Ein kleine Brücke, Herr Kollege Peter. Man könnte sagen: Alte, noch bestehende Abfertigungsansprüche könnte man unter Umständen einer Rückstellung zuführen.

Nur noch eine Anmerkung dazu: Man darf auch die Belastung für die Unternehmen nicht vergessen. 100 Prozent Abfertigungsrückstellung erfordern eine Verdoppelung der Wertpapierdeckung. Mit dieser Wertpapierdeckung binden Sie liquide Mittel im Betrieb, die sozusagen tot bei Banken herumliegen. Und das kommt von einem Wirtschafter wie dem Helmut Peter! Ich glaube, wenn diese Abfertigungsrückstellung auf 100 Prozent und die Wertpapierdeckung entsprechend erhöht wird, dann wirst du deinen Apfelstrudel noch einmal verteuern müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte. (Abg. Haigermoser – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Peter –: Das mit dem Apfelstrudelpreis ist von mir! Das ist ein Plagiat! Das weißt du eh!)

17.49

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kaufmann und Herr Feurstein! Ich danke Ihnen, daß Sie für die Geschäftsordnung des Nationalrates jetzt erstmals sozusagen den Vorschlag einer Antragsprüfungskommission eingebracht haben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Das heißt also, die Koalitionsparteien werden nur dann Anträge behandeln, wenn sie es für würdig befunden haben, daß diese behandelt werden.

Wissen Sie, Herr Kaufmann: Sie fangen sich mit Ihren eigenen Argumenten. Wir Liberale haben den Antrag im Juni 1997 eingebracht. Da haben wir noch nichts von den Problemen Clintons gewußt, da hat es noch keinen Börsencrash gegeben, da haben wir noch nichts von der Gesetzgebungsmaschinerie dieser Bundesregierung gewußt. Erst später, nach diesem Juni 1997 – so lange haben Sie den Antrag schon liegen lassen! –, wurde beschlossen, daß man auch Aktien aus Fonds bis 40 Prozent zur Abdeckung der Abfertigungsrückstellung verwenden kann. Also werfen Sie uns nicht vor, daß der Antrag veraltet ist, sondern fragen Sie den Herrn Nowotny, warum er ihn im Finanzausschuß nicht behandelt hat! Herr Nowotny sitzt ganz nahe bei Ihnen in derselben Fraktion. Werfen Sie nicht uns das vor! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Prinzipiell: Das Liberale Forum hält die Abfertigung für eines der vielen "Austriaci", die wir haben: "österreichische Lösungen". Und solange es diese "österreichischen Lösungen" gibt – und ich kenne diesen Laden hier: Sie werden noch lange brauchen, bis Sie sich da einigen –, solange es die Abfertigung in dieser Form gibt, haben wir gesagt: Wir müssen versuchen, versicherungsmathematische Rückstellungen, die ja nicht aus dem Finger gezuzelt sind (der Redner macht dazu eine entsprechende Handbewegung), zu machen. Da müssen Sie einen Versicherungsmathematiker haben, der Ihnen ein Gutachten erstellt. Das kostet noch einmal ein paar tausend Schilling, und dieses versicherungsmathematische Gutachten wird ja der Herr Kaufmann wohl nicht in Frage stellen! Sie zwingen mich also als Unternehmer gesetzlich dazu, das, was mir der Versicherungsmathematiker für die Handelsbilanz vorschreibt, steuerbilanzmäßig nicht rückstellen zu können. Das ist der Punkt!

Das heißt, wenn Sie schon bei der Abfertigung bleiben – und bisher ist sie geltendes Recht –, hat dieser Antrag seine Berechtigung, denn er besagt folgendes:

Erstens wollen wir, daß die steuerlichen Rückstellungen eine Höhe von 100 Prozent haben. Zweitens wollen wir – das haben Sie zum Teil mit dem Fonds erfüllt, aber erst, nachdem wir den Antrag eingebracht haben – die Deckung mit Aktien. Die Frage der Fondsgestaltung kann man noch diskutieren, Herr Feurstein. (Abg. Dr. Feurstein: Kein Fonds, Herr Peter! Pensionskassa!) Und drittens – ein ganz wesentlicher Punkt, der müßte Sie freuen, und Sie haben es ja auch gesagt – sagen wir, daß Abfertigungsrückstellungen nicht zur Besicherung von Krediten für Unternehmen dienen.

Damit ist doch nichts anderes passiert, was laufend passiert ist, und zwar daß der Insolvenzentgeltausgleichsfonds über die Maßen belastet wird und damit die gesunden Unternehmen dieses Landes nicht 0,1 oder 0,3 Prozent zum IESG dazuzahlen, sondern 0,7 Prozent, wie der Satz heute steht. Das ist doch der Punkt! Das alles, meine Damen und Herren, sollten wir aber im Ausschuß diskutieren. Das wäre gelebte parlamentarische Demokratie. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Damit mein Freund Dieter Lukesch auch die Position der Liberalen klar versteht, sei sie in aller Deutlichkeit gesagt: Ich halte Abfertigungen in dieser Form für einen Unsinn. Abfertigungen kosten heute ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.) – Jetzt solltest du zuhören. Du wolltest es erklärt haben, also mußt du es auch anhören, lieber Lukesch. Also: 6 bis 7 Prozent an Lohnnebenkostenbestandteilen führen doch unter anderem dazu, daß unsere Mitarbeiter zu viel kosten – und zu wenig verdienen. Das ist das Problem in Österreich! Wir haben die fünfthöchsten Arbeitskosten im OECD-Raum, aber nur die zehnthöchsten Bruttolöhne. Offensichtlich ist es der Vater Staat oder die Mutter Staat, nämlich Sozialdemokratie und Volkspartei, die zu große Anteile der Arbeitskosten staatlich organisiert verteilen und den Mitarbeitern zu wenig in Bruttolöhnen direkt ausbezahlen.

Wir Liberale haben daher vorgeschlagen, daß wir, wenn eine solche Reform Platz greifen soll, hinsichtlich Abfertigung per 1. Jänner 1999 folgendes festschreiben: Alle Ansprüche, die existieren, werden festgeschrieben und nach geltendem Gesetz ausbezahlt. Neue Ansprüche entstehen nicht mehr. Dann können Sie in den Kollektivvertragsverhandlungen branchenweise sagen, wie hoch die Abfertigung in jeder Branche war. Waren es 3 Prozent, 5 Prozent oder 7 Prozent? – Diese schlagen wir dann auf die Bruttolöhne auf, sodaß die Mitarbeiter zu höheren Bruttolöhnen kommen. Das ist der "Witz" dabei. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Sie haben bei der Steuerreform die Möglichkeit, diese Mehrbruttolöhne – auch die Senkung der Progression – einzuberechnen, damit die Mitarbeiter nicht sozusagen von der Lohnsteuer aufgefressen werden. Das ist ein innovativer Vorschlag. Das hätten wir alles im Ausschuß diskutieren können, wenn Sie als Demokraten wirklich das täten, was Sie nach der Geschäftsordnung tun sollten – nämlich Anträge in den Ausschüssen behandeln! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Smolle: Jetzt hat es der Lukesch verstanden!)

17.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Öllinger ist noch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.54

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Böhacker und auch Herr Kollege Peter! Ich teile Ihre Auffassung über die Art und Weise, wie die Regierungsparteien mit parlamentarischen Instrumenten umgehen, die die Funktion haben sollten – und früher einmal einer parlamentarischen Usance entsprochen haben –, Dinge in Ausschüssen zu diskutieren. Die Art und Weise, wie Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, mit diesem Instrument umgehen, wird uns zu folgendem bringen, Herr Kollege Böhacker und Herr Kollege Peter: Wir werden es uns gut überlegen müssen, daß wir in jenen Fragen, bei denen Sie die Demokratie in diesem Haus verweigern, auch andere Saiten aufziehen werden müssen.

Meine Damen und Herren! Das geht an die Adresse des Kollegen Kaufmann: Die Zustimmung zu einer Fristsetzung – das brauche ich dir nicht zu erklären – bedeutet noch nicht, daß man dem Inhalt des Antrages zustimmt. (Abg. Mag. Kaufmann: Richtig!) Das möchte ich ein für allemal festhalten, weil offensichtlich diese Verwirrung nach wie vor gerade und nur bei den Regierungsparteien vorhanden ist. Selbstverständlich haben auch wir Grüne Einwände gegen diesen Antrag der Liberalen. Aber, Kollege Kaufmann, angesichts einer Debatte über Abfertigungen, die nicht in diesem Hohen Haus geführt wird, die draußen zwischen den Sozialpartnern – leider auch nicht so, wie sie geführt werden sollte –, aber jedenfalls in der Öffentlichkeit geführt wird, hier im Nationalrat zu sagen: Das diskutieren wir nicht!, ist doch das Allerletzte. Kollege Kaufmann, das ist das Allerletzte!

Jetzt komme ich zu einem weiteren Thema. Ich habe insoferne ein Problem mit dem Antrag – mit dem Antrag, aber nicht mit der Fristsetzung! –, als der Antrag – Kollege Peter, ich glaube, da steckt auch eine Absicht dahinter – dem Finanzausschuß zugewiesen ist. Jetzt ist natürlich in erster Linie die Frage zu klären: Als was wird die Abfertigung betrachtet? – In erster Linie als wirtschaftspolitisches oder als sozialpolitisches Instrument? (Abg. Dr. Schmidt: Ist das trennbar? Kann man das trennen?) – Ich würde da den Akzent anders setzen. Das weist nur darauf hin, daß die Ausschußordnung im Hohen Haus manchmal nicht gerade dazu geeignet ist, die Sachen dort zu diskutieren, dort diskutieren zu können, kooperativ derart zu diskutieren, daß tatsächlich dem Anliegen Rechnung getragen werden kann, und zwar in dem Sinne, daß all jene, die daran interessiert sind, über das Thema Abfertigung zu diskutieren, mitdiskutieren können. Ich halte also die Zuweisung zum Finanzausschuß, auch wenn in diesem Antrag hauptsächlich fiskal- und wirtschaftspolitisch argumentiert wird, bereits für das erste Problem.

Das zweite Problem – darauf wurde schon hingewiesen – ist folgendes: Es besteht ein gewisser Widerspruch in der Haltung der Liberalen, auch wenn argumentativ versucht wurde, dies zu entkräften. Es wird nämlich die Auflösung der Abfertigung und ihre Zurechnung zum Lohn verlangt, mit all den Problemen, die es beim 13. und 14. Monatsgehalt gibt und die unser Kollege Van der Bellen das letzte Mal vorgerechnet hat. Denn wenn man das tatsächlich in die Steuertarife einrechnet und die Steuertarife reduziert, dann ist das etwas, was nicht nur den Unselbständigen zugute kommt, sondern auch all jenen, die keine Einrechnungsmöglichkeiten haben. (Abg. Mag. Peter: Und strafen die Selbständigen!) – Auch für die Selbständigen. Die Selbständigen erhalten aber keine Abfertigung. Wir diskutieren über vorenthaltene Lohnbestandteile und nicht über das Einkommen der Selbständigen. Es gibt da gewissermaßen ein verteilungspolitisches Problem.

Nächster Punkt: überbetriebliche oder betriebliche Abfertigung. Ich bin für eine überbetriebliche Abfertigung, weil Sie selbst in Ihrem Antrag – darauf wurde auch schon von anderer Seite hingewiesen – auf die Problematik hinweisen. Gerade weil Kollege Peter die Versicherungsmathematik angesprochen hat, frage ich: Warum soll nicht die Versicherungswirtschaft dazu imstande sein, tatsächlich überbetriebliche Abfertigungskassen auch in dem Sinne zu organisieren, wie wir es vorschlagen? – Nicht nur als Möglichkeit zur Rückstellung für Pensionen, sondern auch als Möglichkeit, die bei Erziehungs- und Bildungskarenzen beansprucht werden kann.

Mehr Mobilität, mehr Flexibilität zu ermöglichen, das wäre der Sinn und Zweck, über den wir diskutieren sollten! Das Abfertigungsrecht – diese Intention teile ich mit Ihnen – ist dringend reformbedürftig. Und jede Weigerung seitens der Regierungsparteien, hier im Hohen Haus darüber zu diskutieren, ist eine Unmündigkeitserklärung an das Parlament selbst. (Beifall bei den Grünen.)

17.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 489/A der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und das Angestelltengesetz 1921 geändert werden, eine Frist bis 4. Dezember 1998 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über den 3. Punkt der Tagesordnung, nämlich die Erklärung des Bundesministers für Justiz, wieder auf.

Ich erteile das Wort Frau Abgeordneter Mag. Kammerlander. Es ist dies die Fortsetzung ihrer Wortmeldung vor der Unterbrechung dieses Tagesordnungspunktes. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.00

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) (fortsetzend): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mir scheint, wir haben nur mehr einen Minister bei der fortgesetzten Debatte. (Abg. Jung: Der zweite steht noch draußen! – Bundesminister Dr. Farnleitner nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Ah, beide Herren Minister! Ich begrüße Sie. Wir setzen fort in der Debatte und mit meinen Fragen. Es gibt noch einiges zu fragen, nachdem Sie, Herr Minister Michalek, heute Ihren Bericht vorgelegt haben.

Ich komme noch einmal zurück auf diesen Absatz, in dem Sie berichten, daß die Justiz sehr rasch in den Besitz der entsprechenden Pläne gekommen ist, aus denen hervorgeht, daß es eben nicht nur eine Überschreitung des Abbauhorizontes gegeben hat, sondern dieser Umstand aller Wahrscheinlichkeit nach das Grubenunglück zumindest mitverursacht hat. Ich sehe auch in diesem Punkt wieder einige Diskrepanzen zu jenem Bericht, den uns der Herr Wirtschaftsminister im September gegeben hat.

Damals hat der Herr Wirtschaftsminister nämlich nicht nur gesagt, daß er sozusagen beim besten Willen nicht darüber Auskunft geben könne, welche Ursachen zu diesem Unglück geführt haben – eine Aussage, die ich damals vielleicht noch geneigt war zu glauben, aber jetzt, im Lichte Ihrer Erklärung, Herr Minister Michalek, gar nicht mehr geneigt bin zu glauben, denn die Frage lautet: Was ist "sehr bald"? Wenn "sehr bald" das ist, was es auch umgangssprachlich bedeutet, dann müßte Herr Minister Farnleitner eigentlich am 16. oder 18. September von den Ergebnissen der Untersuchung der Staatsanwaltschaft gewußt haben.

Interessant finde ich, daß Sie, Herr Minister Farnleitner, uns in Ihrem Bericht im September gesagt haben, daß Sie am Tag vorher die Staatsanwaltschaft Leoben per Fax und Brief umgehend von dieser neuen Sachlage, nämlich der Tatsache des Schwarzabbaues, informiert haben. Wie gesagt, das war am 16. September.

Diese Äußerung wirft nun im Lichte des Berichts von Minister Michalek eine völlig neue Frage auf: Worüber haben Sie die Staatsanwaltschaft informiert? Denn: So wie ich das lese, hat sie das am 16. September schon gewußt. Das alles zeigt nur die Ungereimtheiten auf, die sich daraus ergeben, und deswegen ist es vielleicht ganz gut, daß es heute diesen Bericht gab.

Und zur Rolle der ÖVP, die in diesem Haus immer so tut, als wollten wir irgend jemanden anschütten (Abg. Mag. Mühlbachler: Jawohl! Genauso ist es!), obwohl wir ständig von den Ereignissen eingeholt und täglich neu überrollt werden, muß ich in aller Deutlichkeit sagen: Für die Aussage, das sei ein Kriminalfall, haben Sie uns noch vor vier Wochen fast gesteinigt. Heute steht es schwarz auf weiß im Papier von Minister Michalek. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Natürlich ist das so! (Beifall bei den Grünen.)

Daß Sie allerdings bis heute noch nicht zwischen der politischen Verantwortung und der Klärung des Sachverhaltes durch die Staatsanwaltschaft unterscheiden können, wiegt insofern erheblich schwerer, als Ihr Demokratieverständnis offensichtlich weit entfernt ist vom allgemeinen Verständnis von Parlamentarismus.

Ich möchte noch einen Aspekt der politischen Verantwortung erwähnen, der sich heute für mich ebenfalls ganz anders darstellt als im September: Herr Minister Farnleitner sagte, wie ich bereits vor der Pause ausgeführt habe, daß in diesen ersten Tagen des Unglücks alles in Verantwortung des Betriebes erfolgt sei, obwohl eigentlich die Bergbehörde dafür zuständig war und er als Minister politisch dafür verantwortlich ist, daß die Bergbehörde tätig wird. (Beifall bei den Grünen.)

Aber nicht genug damit: Er schrieb damals in seinem Bericht, daß er am 21. Juli erkannt habe, was seine Verantwortung sei. Er beschreibt im Bericht genau, daß das Werk, die Naintscher Werke, nicht in der Lage gewesen wären, die Rettungsarbeiten durchzuführen, und da natürlich er als Minister, als letzte Instanz in der Bergbehörde, dafür verantwortlich sei, habe er Herrn Dipl.-Ing. Maier bestellt. – Das war am 21. Juli, am 17. Juli ist das Unglück passiert. Vier Tage hat also der Minister gebraucht, bis er draufgekommen ist, wofür er verantwortlich ist. Und Sie sagen, wir sollen das nicht überprüfen und hinterfragen! (Beifall bei den Grünen.)

Ihr eigenartiges Verständnis gipfelt in einer Äußerung Ihres Abgeordneten Kukacka, der gemeint hat, in diesem Haus dürfe jeder Abgeordnete sanktionslos einen Minister fragen, wo seine politische Verantwortung sei, und entsprechende Themen aufwerfen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Richtig! Das ist verantwortungsvoll!) – Selbstverständlich darf er das, das muß sogar jeder Abgeordneter, es ist seine Pflicht, auch Ihre als ÖVP-Abgeordnete! Nur scheinen Sie Ihr Pflichtenheft bei Ihrem Klubobmann abgegeben und völlig vergessen zu haben, welchen Eid Sie geleistet haben, als Sie in dieses Haus gekommen sind. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Mühlbachler: Sie wollen ja nur schreien!)

Herr Minister Michalek! Ein Punkt in diesem ganzen Fragenpaket ist meiner Meinung nach noch zu klären: Nach dem Unglück 1977 wurde von der Firma Austromineral, heute Austroplan, ein Gutachten erstellt. Zitate aus diesem Gutachten sind bereits öfters in den Medien erschienen. Sie lassen darauf schließen, daß schon damals festgestellt worden ist, daß das Bergwerk in Lassing für den Scheibenabbau nicht geeignet und dieser Abbau gefährlich ist. – Ich frage Sie nun: Kennen Sie dieses Gutachten? Ist das Gutachten in die Sachverhaltsprüfungen der Staatsanwaltshaft einbezogen? Und warum geben Sie dieses Gutachten nicht auch der Öffentlichkeit bekannt? Warum stellen Sie dieses Gutachten nicht zur Verfügung? Was hindert Sie daran? Was sind die konkreten Gründe dafür, daß Sie das nicht tun?

Sie haben in Ihrem heutigen Vortrag berichtet, daß noch im Oktober mit einer Sachverhaltsdarstellung zu rechnen sein werde, also noch im Oktober wird die Staatsanwaltschaft (Bundesminister Dr. Michalek: Nein! Die Polizei ist das!), wird die Polizei die Sachverhaltsdarstellung abgeschlossen haben. (Bundesminister Dr. Michalek: Fragen Sie den Schlögl!)

Ich komme noch einmal zurück auf die Haltung der ÖVP und ihr eigenartiges Auseinanderklauben der verschiedenen Untersuchungen, die laufen. Sie sagen immer: Nicht vorverurteilen, warten wir ab, bis alles untersucht ist! – Nun haben Sie heute gehört, daß es noch im Oktober erste konkrete Ergebnisse zum Kriminalfall Lassing geben wird. Sobald das geklärt ist, wird es aber um so dringlicher werden, die politische Verantwortung und den politischen Background zu überprüfen und zu hinterfragen. Und Sie werden darum nicht herumkommen, denn Sie werden, wie die Ereignisse der letzten Wochen gezeigt haben – und ich kann es nur immer wieder sagen –, förmlich davon eingeholt werden (Abg. Mag. Mühlbachler: Aber Gott sei Dank nicht von der Frau Kammerlander!) und irgendwann, in gar nicht so langer Zeit, gar nichts anderes mehr tun können, als zuzugeben, daß auch die politische Verantwortung geprüft werden muß. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

Und zu dieser politischen Verantwortung sei abschließend noch folgendes angemerkt: Es ist heute öfters auf die Debatte im steirischen Landtag Bezug genommen worden. Ich fand sie, ehrlich gesagt, nicht besonders gut, ich habe sie mir angehört. Es bleibt für mich eigentlich nur ein Aspekt von dieser Debatte, der sowohl die Rolle der Landeshauptfrau der Steiermark als auch jene des hier zuständigen Wirtschaftsministers in der Frage nach der politischen Verantwortung betrifft. Diese Frage ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie brauchen sich gar nicht zu echauffieren, hören Sie mir zu, Sie wissen ja gar nicht, welche Frage das ist.

Seit Juli, seit dem Unglück, gab es Gerüchte, Behauptungen, Erzählungen von früheren Kumpeln, von noch tätigen Bergleuten, von Angehörigen. Sie haben über ihre Wahrnehmungen und ihr Wissen berichtet. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Herr Präsident! Man hört überhaupt nichts mehr! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Die Frage lautet nun: Wer hat sich vor diese Leute gestellt? Wer hat diese Leute geschützt? Wer hat diesen Leuten gesagt, daß ihre Erzählungen ernst genommen werden? Wer hat das gemacht? Nicht die Frau Landeshauptfrau, nicht Herr Wirtschaftsminister Farnleitner! Nein! (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Aber Kammerlander! Kammerlander!) Diese Leute konnten vor Ihren Augen zwei Monate lang, bis heute, ungehindert unter Druck gesetzt, massiv bedroht und eingeschüchtert werden. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Trinkl: Schämen Sie sich! – Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Das ist die politische Verantwortung, wie Sie sie verstehen. Die Machterhaltung geht Ihnen über alles! (Beifall bei den Grünen.)

18.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich erlaube mir in Anbetracht der sehr kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, entgegen den sonstigen Gewohnheiten bereits jetzt folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Kollegen betreffend Überprüfung von möglichen strafrechtlichen Sachverhalten im Bereich der Obersten Bergbehörde

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, im Rahmen der strafrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit der Obersten Bergbehörde bei den tragischen Ereignissen im Talkum-Werk von Lassing auch weitere mögliche strafrechtlich relevante Sachverhalte im Bereich der Obersten Bergbehörde zu prüfen und bis 15. Jänner 1999 darüber zu berichten.

Dabei wäre insbesondere zu prüfen,

ob die Praxis bei der Vergabe von Bergbauförderungen durch die Sektion VII des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten unter Sektionschef Dr. Wüstrich mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang steht,

weshalb die schwerwiegenden Verdachtsmomente im Zusammenhang mit der ,freihändigen‘ Vergabe von 36 Millionen Schilling Bergbauförderung an Dr. Schabel nicht eingehend geprüft wurden, und

aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft Wels umfassende Ermittlungen gegen Dr. Schabel für entbehrlich gehalten hat."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Bemerkungen zur Bergbauförderung machen. Wofür ist diese Bergbauförderung gedacht? Oder genauer: Was ist die Intention des Bergbaufördergesetzes? – Es geht dabei einerseits um Exploration, das heißt, für aktive Bergbaubetriebe Mittel der Bergbauförderung zur Verfügung zu stellen, und andererseits darum, für Bergbauunternehmen, die stillgelegt werden, Mittel einzusetzen, um für eine Beseitigung der Bergschäden zu sorgen. Ich gehe davon aus beziehungsweise ich hoffe, daß in Lassing Bergbauförderungsmittel nicht unbedingt für die Exploration auf Scheibe 1A verwendet wurden, also jenen Bereich, wo man die Abbaugrenze wahrscheinlich überschritten hat. Bekanntlich liegt die Pinge über dem Zentrum dieser Scheibe 1A.

Die Bergbauförderung beträgt insgesamt rund 175 Millionen Schilling, die, wie viele von Ihnen mittlerweile wissen, sehr freizügig, ja geradezu freihändig vom Chef der Obersten Bergbehörde, dem mittlerweile gut bekannten Sektionschef Dr. Wüstrich, der ebenfalls unter Beschuß geraten ist, vergeben wurden. Diesbezüglich gibt es, wie ich meine, nicht unbegründete Korruptionsverdächtigungen, die auch schon in den Medien zu finden waren. Jener Sektionschef Wüstrich war auch der Koordinator der Bergrechtsnovelle, die als Stein der Weisen angeblich genau am 17. Juli 1998 geboren wurde, also an jenem Tag, als die Katastrophe in Lassing ihren Anfang nahm.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es stellt sich jetzt die Frage, welche Überprüfungen im Zusammenhang mit der Bergbauförderung stattfinden. Wer überprüft die Zweckmäßigkeit der Mittel aus der Bergbauförderung? – In einem Fall aus meiner näheren Heimat, der ehemaligen Wolfsegg-Traunthaler-Kohlenwerks-GmbH, nunmehr WTK, war, wie ich weiß, diese Bergbauförderung bereits im voraus angekündigt, nämlich im Zuge der ursprünglich angesetzten Liquidation. Es wurden 36 Millionen Schilling in Aussicht gestellt.

Es gab eine Subventionsachse von Wien nach – in diesem Fall – Ampflwang, über die die entsprechenden Fördermittel geflossen sind. Über deren rechtmäßige Verwendung hege ich meine Zweifel, ich habe dies auch in einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wels im Oktober des Jahres 1997 festgehalten. Im Wissen, daß die Reparaturen von Bergschäden nicht schlagend werden und vom nunmehrigen Besitzer der WTK, Dr. Schabel, auszusitzen sind – er hat ja schon einen beruflichen Vorspann als Geschäftsführer der WTK –, sind die betroffenen Grundeigentümer, die Bauern und Grundbesitzer dieser Gegend, letztlich die Geschädigten. Sie haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, eine Klage einzubringen, da ein solches Verfahren kostspielig und der Ausgang unsicher ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen auch nicht verheimlichen, daß es in diesem Fall eine Parallele zu Lassing gibt. Das Wort "Pinge" ist ja bereits jedermann quasi im Ohr, jeder kann seit Lassing mit diesem Begriff etwas anfangen. Auch in Ampflwang gab es eine Pinge, nach einem Einbruch kam Oberflächenwasser in diese Pinge. In einem Naturschutz- beziehungsweise wasserrechtlichen Verfahren wurde festgestellt, daß der Urzustand wiederhergestellt werden müsse. Das geschah auch durch den nunmehrigen Besitzer der WTK, indem er die Pinge, diesen Teich, der entstanden war, anbohren ließ und damit den Nordfeldstollen flutete – zufälligerweise gerade jener Nordfeldstollen, der sich in einem Gebiet befindet, das unter Denkmalschutz gestellt worden war. Der Stollen stürzte ein – welch "Zufall" aufgrund des Flutens! –, der Denkmalschutz wurde aufgehoben und Herrn Dr. Schabel, dem nunmehrigen Besitzer, ermöglicht, dort seinen Tagbaubetrieb aufzunehmen – eine Nischenproduktion, wie er es einmal bezeichnet hat.

Es gibt im Bereich des Bergbaus meiner Meinung nach sehr, sehr viele aufklärungswürdige Dinge, und ich darf Sie, Herr Bundesminister für Justiz, ersuchen, der Intention meines An-trages entsprechend vorzugehen. Ich würde mich auch freuen, eine schlüssige Antwort darauf zu erhalten, weshalb die Staatsanwaltschaft Wels in einem unüblichen Zeitrahmen meine Sachverhaltsdarstellung letztlich im Sande verlaufen ließ. Im Zuge ihrer Behandlung wurden nur Entlastungszeugen gehört, und auf die in Aussicht gestellten Unterlagen, die Beweise für die die Sachverhaltsdarstellung betreffenden kriminellen Machenschaften geliefert hätten, wurde von der Staatsanwaltschaft kein Wert gelegt. Ich darf Sie höflich darum ersuchen, auch dieser Angelegenheit nachzugehen und dieses Thema nochmals aufzugreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt überreicht worden und steht mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Michalek, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört, und es verschafft einem in gewissem Maße Erleichterung, zu hören – und das war im wesentlichen der Tenor Ihrer Aussagen –, daß die Justizbehörden von Anfang an ermitteln.

Auch wenn ich es nicht für das höchste der Gefühle halte, zu hören, daß die Justizbehörden ermitteln – das halte ich für selbstverständlich –, so haben Sie Ihren Bericht doch in einer Form gelegt, daß ich mir vorstellen kann, daß diese Ermittlungen gut laufen. Trotzdem möchte ich eine Anmerkung dazu machen.

Sie haben sehr genau darüber berichtet, daß es für die Ermittlungen zwei Themen gibt: zum einen die Ursache und zum zweiten der Bergefortgang. Ich habe nun eine sehr konkrete Frage an Sie, Herr Minister, und ich muß sie deshalb an Sie richten, weil Herr Bundesminister Farnleitner bis jetzt alle meine Versuche, darüber Auskunft zu erhalten, scheitern ließ, und sich – im Gegenteil – in den Zynismus geflüchtet hat, mir und uns zu erklären, daß die Arbeitsunfälle ohnehin rückläufig gewesen seien.

Im "Kurier" und in anderen öffentlichen Medien war der Hinweis zu lesen, daß im Bergwerk von Lassing Arbeitsunfälle als Freizeitunfälle deklariert worden seien – im "Kurier" war sogar der deutliche Hinweis zu lesen, daß der Staatsanwaltschaft dieser Vorgang bekannt sei.

Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Ist das Deklarieren von Arbeitsunfällen als Freizeitunfälle, das möglicherweise auch einen strafrechtlichen Tatbestand darstellt, aber nicht Gegenstand der polizeilichen Ermittlungsarbeiten ist, Gegenstand der staatsanwaltschaflichen Ermittlungen? (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic.)

Das ist ein ganz konkrete Frage, da ein ganz konkretes Problem damit verbunden ist. Und damit komme ich wieder zu Ihnen, Herr Bundesminister Farnleitner. Ihre gestrige Erklärung, die Arbeitsunfälle in den Bergwerken, in Lassing, seien rückläufig, ist angesichts der Tatsache, daß diese Praxis – darüber wurde in diesem Hohen Haus schon mehrmals debattiert, Herr Bundesminister, und zwar nicht nur von den Grünen, auch Kollege Nürnberger hat sehr deutlich darauf hingewiesen – offensichtlich nicht nur in Lassing gängig war, sondern daß auch in anderen Gruben Arbeitsunfälle als Freizeitunfälle deklariert wurden, ein Zynismus! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Petrovic: Das ist ein Verbrechen!)

Und ich hätte mir auch erwartet, daß Sie eindeutige Hinweise darauf, von mir, von anderen Abgeordneten, von Kollegen Nürnberger, ernst nehmen und beantworten.

Ich gebe zu, Herr Bundesminister Michalek hat es leichter, denn er braucht uns nur den Eindruck zu vermitteln – und das hat er getan –, daß die Justizbehörden ermitteln. Herr Bundesminister Farnleitner hat es schwerer, aber aus eigener Schuld!

Herr Bundesminister! Hätten Sie uns in den letzten Wochen einmal das Gefühl gegeben, daß Sie das, was von unserer und anderer Seite, von der Öffentlichkeit, als Anregung gekommen ist, als Hinweis darauf, daß es noch etwas zu ermitteln gibt, ernst nehmen und nicht nur darauf gesagt: Ich bin noch nicht dazugekommen, wir werden uns das in den nächsten Wochen anschauen, wir haben alles genau geprüft!, hätten Sie nicht in den ersten Wochen nach diesem sehr bedauerlichen Unfall in Lassing so reagiert, wie es leider für einen Minister üblich ist, nämlich sich vor seine Behörden zu stellen und auch dann noch vor ihnen stehen zu bleiben, wenn schon längst für alle in der Öffentlichkeit klar ist, daß diese Behörden versagt haben, hätten Sie nicht reflexartig reagiert und so lange gesagt, es sei alles in Ordnung mit den Bergbehörden, bis Sie selbst zugeben mußten, daß mit den Bergbehörden nichts in Ordnung ist, daß Sie selbst als Minister von den Bergbehörden nicht ernst genommen wurden, hätten Sie anders reagiert und nicht reflexartig, sondern politisch gehandelt, wie wir es trotz allem von einem Minister erwarten dürfen, auch wenn er bei einer anderen Partei ist, hätten Sie so reagiert, hätten Sie alle diese Anregungen ernst genommen, hätten Sie sich nicht in Zynismen geflüchtet, sowohl in diesen Debatten als auch bei konkreten Fragen, die ich Ihnen gestellt habe und die ich jetzt an Bundesminister Michalek stelle, hätten Sie all das nicht getan, dann wären Sie auch in einer leichteren Situation. Aber alles das haben Sie nicht getan, und daher sind Sie eben in einer schwierigen Situation! (Beifall bei den Grünen.)

Die Argumentation der Regierungsparteien, die der Opposition vorwerfen, sie könne nicht beides tun, nämlich sowohl einen Untersuchungsausschuß verlangen als auch – gleichzeitig – den Rücktritt des Ministers, ist meiner Überzeugung nach nicht zwingend. Wir haben vorher nie den Rücktritt des Ministers verlangt – erst dann, als klar war, daß Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sich jeder Untersuchung verweigern.

Herr Bundesminister! Hätten Sie, in welch bedauerlicher persönlicher Verfassung auch immer Sie das tragen müssen oder wollen, gehandelt und uns das Gefühl gegeben, daß Sie bereit sind, das ernst zu nehmen, dann wären wir nicht in die Situation gekommen, gleichzeitig einen Untersuchungsausschuß und Ihren Rücktritt zu verlangen. Denn diese Situation, daß wir beides verlangen müssen, haben nur Sie von den Regierungsparteien durch Ihre Verweigerung einer Untersuchung geschaffen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es gibt für Sie aber immer noch die Möglichkeit, aus dieser Situation herauszukommen. Wir werden Ihnen heute noch einmal Gelegenheit dazu geben. Verweigern Sie sich nicht einer Untersuchung! Es geht nicht darum, einen Minister politisch abzuschlachten, sondern darum, die notwendige und mit aller Gebühr und allem Respekt erforderliche Untersuchung über die politischen Verhältnisse und das politische Verhalten eines Bundesministers, der lange nicht sehen wollte, zu führen! 

Dieser Aufgabe, Herr Bundesminister, werden Sie sich sicherlich noch stellen müssen, sei es, weil Sie die Regierungsparteien fallenlassen, oder sei es, indem Sie die offene Auseinandersetzung in diesem Hohen Haus auch mit den Oppositionsparteien suchen. (Beifall bei den Grünen.)

18.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. Herr Abgeordneter, das ist Ihre zweite Wortmeldung in dieser Debatte. Nach der Geschäftsordnung haben Sie noch eine Redezeit von exakt 4 Minuten. – Bitte.

18.25

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich jene drei Fragen in Erinnerung bringen wollte, die ich an die beiden Herren Bundesminister gerichtet habe. Ich wiederhole sie, damit sie in frischer Erinnerung sind, falls beide Herren – oder einer der beiden Herren – diese Fragen noch beantworten möchten.

Die Fragen an den Herrn Bundesminister für Justiz lauten: Herr Bundesminister Michalek! Wann haben Sie die Berichtspflicht angeordnet in dieser Sache? (Bundesminister Dr. Michalek: Bitte was?) Die Berichtspflicht!

Die zweite Frage bezieht sich auf Zitate aus Ihrem schriftlich vorgelegten Bericht, und zwar auf den Seiten 2 und 4. Auf Seite 2, in der Mitte, heißt es: "Am 23.7.98 nachmittag fand ein Ortsaugenschein statt."

Im Verlauf dieses Absatzes führen Sie aus, daß die Unterlagen, vornehmlich Pläne, problemlos und sogleich zur Verfügung gestanden sind, auch kopiert werden konnten und am nächsten Tag zurückgestellt wurden. – Ich bitte Sie um die Präzisierung, daß es richtig interpretiert ist, daß daher die Pläne und Unterlagen spätestens am 24. Juli vormittag in Kopie zur Verfügung gestanden sind.

Im Zusammenhang damit haben Sie auch noch ganz unten auf Seite 2 Ihres Berichtes ausgeführt: "Nachdem die Justiz sehr rasch in den Besitz der entsprechenden Pläne und Unterlagen kommen konnte ..." und so weiter, ist man "schon bald zur Erkenntnis gelangt, daß die Überschreitung des Abbauhorizontes mit hoher Wahrscheinlichkeit ..." und so weiter. – Wann genau war das, bezogen auf den 24. Juli, als die Pläne im Besitz der Strafverfolgungsbehörden waren? Und ich wäre Ihnen auch sehr dankbar, wenn Sie sagen könnten, was "sehr rasch" in diesem Fall bedeutet.

Auf Seite 4 heißt es: "Vielmehr ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, alle vom Sachverständigen für die Untersuchung von Relevanz bezeichneten Unterlagen zu erhalten und zu sichten." Kann man das zeitlich abgrenzen? – Das wäre die Fragestellung an den Herrn Bundesminister für Justiz. (Bundesminister Dr. Michalek: Ich verstehe nicht, was Sie sagen!) Aha! Ich gebe Ihnen das Papier, die Frage ist auf Seite 4 rot angestrichen. (Der Redner überreicht Bundesminister Dr. Michalek ein Schriftstück.)

Es würde mich nur interessieren, ob man das zeitlich abgrenzen kann. Wenn Sie, Herr Bundesminister, was ich verstehen würde, nicht unbedingt in der Lage sind, das heute datumsmäßig zu beantworten, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns das anhand der Aktenlage schriftlich zur Verfügung stellen könnten, denn ich gehe davon aus, daß diese Zeitstellungen in den Strafakten enthalten sind.

Weiters habe ich im Zusammenhang mit dem Ministerratsvortrag vom 20. August 1998 eine Frage gestellt. Es gibt zwei Fassungen, einen vorläufigen Ministervortrag und einen revidierten, und meine Frage hatte gelautet, an beide Herren Bundesminister gerichtet: Aus welchem Grund wurde der Halbsatz "Beeinträchtigung der Einsatzmannschaft durch die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft" aus dem vorläufigen Ministerratsvortrag gestrichen? – Dieser Satz findet sich im endgültigen Ministerratsvortrag nicht mehr.

Meine Frage an die beiden Herren Regierungsmitglieder lautet: Wurde er deswegen gestrichen, weil sich beide Herren über die Sache vorher unterhalten haben und daher die Erkenntnis des Herrn Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten dahin gehend gereift ist, daß die Strafverfolgungsbehörden vor Ort nicht hinderlich waren? – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Bundesminister Dr. Michalek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.30

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es wurde im Laufe der Debatte über meinen Bericht eine Reihe von Fragen gestellt. Soweit ich sie trotz der schlechten Akustik mitbekommen habe, werde ich versuchen, auf sie einzugehen.

Zur Frage über den Ermittlungsgegenstand habe ich gesagt, daß es zwei Themenschwerpunkte gibt, daß der zweite Themenschwerpunkt der Komplex des Bergevorgangs ist, Herr Dr. Grollitsch, und die näheren Umstände im Zusammenhang mit der Verschüttung von weiteren zehn Menschen und den Versuchen, diese zu bergen, noch aufgearbeitet werden.

Was die behauptete Tarnung von Arbeitsunfällen als Freizeitunfälle anlangt, kann ich Ihnen, Herr Abgeordneter Öllinger, mitteilen, daß auch dies Gegenstand der laufenden Erhebungen ist.

Ich habe weiters gesagt, daß sich die Justiz sehr rasch im Besitz der Unterlagen befunden hat, aus denen sich die Überschreitung des Abbauhorizonts und der Abbau über erteilte Genehmigungen hinaus ergibt. Es waren das jene Pläne, die, wie ich erwähnt habe, anläßlich des Ortsaugenscheins am 23. Juli im Einvernehmen mit der Einsatz- und Betriebsleitung von der Sicherheitsbehörde zur Kopierung übernommen, danach unverzüglich zurückgestellt wurden und daher vor Ort wieder zur Verfügung standen.

Die kopierten Unterlagen wurden in der Folge dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt. Es hat aber verständlicherweise eine gewisse Zeit gebraucht, bis der Sachverständige daraus in Verbindung mit schrittweisen weiteren Ermittlungsergebnissen die entsprechenden Schlußfolgerungen – fortschreitend sich verfestigende, zuletzt mit hoher Wahrscheinlichkeit behaftete Schlußfolgerungen – ziehen konnte.

Mit dem von der Staatanwaltschaft am 8. September – eingelangt im Wege der Oberstaatsanwaltschaft im Bundesministerium für Justiz am 14. September – erstatteten Bericht wurde auch ein Zwischenbericht der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für die Steiermark vom 24. August vorgelegt, in dem unter anderem unter Bezug auf umfangreiche Erhebungen des Sachverständigen Professor Hollmann folgendes ausgeführt wird – ich zitiere –:

"Soweit das Ergebnis bisher vorliegt, kann angenommen werden, daß im Zuge des Abbaus im Bereich der Abbauscheibe 1A der Sicherheitsabstand zur felsigen Talsohle nicht ausreichend eingehalten wurde und es deshalb zum Felsabbruch und zum Einbruch der Schlammassen in das Grubengebäude kam." – Zitatende.

Beim Ministerrat vom 20. August 1998 lag mir diese Erkenntnis also noch gar nicht vor. Wann immer aber der Staatsanwalt, das Bundesministerium für Justiz oder ich persönlich von Einzelheiten der Ermittlungen des Strafverfahrens Kenntnis erlangt haben, war es uns aus den schon eingangs meiner Erklärung angeführten Gründen versagt, davon die Bergbaubehörde oder deren vorgesetzten Bundesminister zu verständigen. Es hat in diesem Fall eine solche Verständigung auch tatsächlich nicht stattgefunden. Dabei geht es nicht um mangelnde Kommunikation, sondern um gesetzliche Vorgaben.

Was die Frage nach der Sicherheit vor Ort nach dem Unglück anlangt, so hat mir der Staatsanwalt mitgeteilt, daß bei den Kontakten mit dem Sachverständigen Dr. Hollmann mehrfach auch die Frage nach der aktuellen Sicherheitslage releviert wurde und daß, wenn die Unterlagen beziehungsweise die aus diesen gezogenen Erkenntnisse für die Sicherheit vor Ort nach dem Unglück von Bedeutung gewesen wären, solche Informationen selbstverständlich an die zuständigen Stellen weitergeleitet worden wären.

Die Berichtspflicht der Staatsanwaltschaft gründet sich in der vorliegenden Strafsache auf § 8 Abs. 1 Staatsanwaltsgesetz, sodaß es keiner ausdrücklichen Anordnung meinerseits bedurfte. Die Berichterstattung hat auch laufend stattgefunden. Der erste schriftliche Bericht stammt vom 20. Juli 1998.

Was die Passage über die jeweils innerhalb kürzester Zeit erhaltenen Unterlagen, die vom Sachverständigen angefordert wurden, anlangt, so müßte man das im einzelnen ergründen. Tatsache ist, daß der Sachverständige das, was er wollte, ohne Anstand bekommen hat. Das wollte ich damit ausdrücken.

Wer wann das Kommando der Bergung führte und hiefür die Verantwortung trägt, wird von den Beteiligten, zumindest für die Anfangsphase, nicht ganz übereinstimmend gesehen und ist deshalb ebenfalls Gegenstand der Vorerhebungen.

Daß der Betriebsleiter bei den Rettungsversuchen mitgewirkt hat, ist zunächst nicht Sache der Staatsanwaltschaft, sondern der einsatzleitenden Bergbaubehörde. Es ist aber, wie ich meine, nicht unverständlich, weil er doch wohl am besten über die für die Rettungsmaßnahmen relevanten Informationen verfügte.

Informative Befragungen des Betriebsleiters haben mehrfach stattgefunden. Den Zeitpunkt seiner formellen Einvernahme bestimmte die mit den Ermittlungen beauftragte Sicherheitsbehörde.

Die Befangenheit des ursprünglich vorgesehenen Sachverständigen ergab sich, wie ich ausgeführt habe, aus dessen Mitteilungen vom 21. Juli. Gründe für eine Befangenheit der beiden neuen Sachverständigen sind nicht bekannt. Jedenfalls hatten sie, wie die Staatsanwaltschaft in Vorbereitung der Beantwortung der an mich gerichteten parlamentarischen Anfrage der Grünen mitgeteilt hat, im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeiten weder berufliche noch private Kontakte mit dem Personal der Naintscher Mineralwerke GmbH oder den Beamten der Berghauptmannschaft Leoben.

Die Zuziehung von Herrn Professor Golser zur Bergung entzieht sich der Ingerenz der Justiz.

Zur Frage Betriebsleiter/Markscheider darf ich sagen, daß dieser Punkt im Zuge der Ermittlungen geprüft wird, soweit dies für das Verfahren von Relevanz ist.

Was das von Frau Abgeordneter Kammerlander angefragte Gutachten von Professor Golser aus dem Jahr 1977 anlangt, teilt mir die Staatsanwaltschaft mit, daß dieses Gutachten seinerzeit nicht für ein Gericht erstellt worden ist und angeblich einen anderen Teil des Bergwerks betreffen soll. Die Staatsanwaltschaft Leoben wird sich jedoch jedenfalls um die Beischaffung dieses Dokuments kümmern.

Zur Frage des Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Schöggl über meine Haltung zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses möchte ich mich als Regierungsmitglied nicht äußern, weil dies ausschließlich Kompetenz des Hohen Hauses ist. Ich hoffe aber, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen den Eindruck vermitteln konnte, daß die Justiz die ihr zukommende Aufgabe effektiv erfüllt. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister Dr. Michalek.

Es hat sich jetzt Herr Bundesminister Dr. Farnleitner zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.39

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzter Kollege! Zuerst eine Vorbemerkung zu Herrn Abgeordneten Öllinger: Ich bin so erzogen worden, daß ich nicht a priori jedem unterstelle, daß er betrügt, unterschlägt oder irgend etwas böswillig tut. Das ist meine Erziehung. Ich werde sie nicht abgeben, nur weil ich in diesem Haus eine Funktion zu repräsentieren habe! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Daß ich damit auch im vorliegenden Fall sehr schmerzliche Erfahrungen machen mußte, ist wahrscheinlich mein wirkliches Problem. Aber ich werde trotzdem meine Position nicht ändern, denn es gibt in der Bergbehörde solche und solche. Es gibt welche, die vielleicht nicht das richtige politische Gefühl gehabt haben, und andere, die jetzt halt darunter leiden, daß man Konsequenzen ziehen muß. – Das ist der erste Punkt. (Abg. Dr. Petrovic: Aber das Vertrauen dieses Hauses hatten sie nicht!)

Zweiter Punkt. Zu den Fragen Rechnungshof – Bergbauförderung: Ich möchte Herrn Abgeordneten Hofmann darauf hinweisen, daß mir – und auch dem Hohen Haus – gerade jüngst ein Rechnungshofbericht übermittelt wurde, in dem die Jahre 1992 bis 1997 geprüft wurden und keinerlei Mangel festgestellt wurde. Ich halte das nur fest, weil Sie eine eigene Prüfung haben wollen. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: 1992 bis 1996!) – "1992 bis 1997", steht in meinen Unterlagen. Aber soll es um ein Jahr weniger sein; auch in diesem Fall wird keiner gegen eine Prüfung etwas haben. (Abg. Dr. Keppelmüller: Schwere Kritik! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das, was mir besonders am Herzen liegt und was heute hier auch Gegenstand von mehreren Anfragen war, ist die Frage: Wann hat der Wirtschaftsminister wovon gewußt? – Ich halte zunächst noch einmal fest, daß am Beginn – das habe ich selber in meiner letzten Erklärung auch gesagt –, was die rechtliche Situation und die Durchführung anlangt, einigermaßen Chaos herrschte. Der zuständige Berghauptmann hat damals keine Verfügung erlassen, die jetzt den Eindruck gewinnen ließe, die Verantwortung dieser ersten Tage wäre nicht beim Betrieb gelegen.

Nach meinem Besuch vor Ort, meinen eigenen Eindrücken und den Interventionen, die andere Kollegen an mich herangetragen haben, habe ich dann die Oberste Bergbehörde veranlaßt, die Verantwortung zu übernehmen. Das war am 21. Juli. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Oberste Bergbehörde die Verantwortung für alles im Zusammenhang mit Rettung, Bergung und Vermeidung weiterer Schäden.

Man muß sich vorstellen – lassen Sie mich das auch einmal in dieser Weise sagen –, daß die gesamte männliche Belegschaft von Leoben und die Experten der Obersten Bergbehörde bei der Bergung, in der ersten Intensivphase dieser Wochen, pausenlos im Einsatz waren und keine Möglichkeit sahen, sich in dieser Zeit wie eine Staatsanwaltschaft – entschuldigen Sie – und eine Recherchebehörde bei der Klärung der Ursachen zu betätigen. Sie sind daher in dieser Zeit auch Gerüchten nicht nachgegangen, sondern haben ihre gesamte Kraft in die Rettung und Bergung investiert – und das war aufwendig genug! Das alles werden Sie sicherlich nachvollziehen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich habe von der Berghauptmannschaft Leoben selbst keine Information über die ihr vorliegenden Unterlagen erhalten. Nach Anforderung, das heißt aufgrund einer ausdrücklichen Wiesung von Sektionschef Wüstrich, der am 11. September 1998 die Bergbehörde Leoben ausdrücklich aufgefordert hat, sich endlich jene Unterlagen zu besorgen, über die die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits verfügt hat, hat er diese am 15.9.1998 erhalten, aber es nicht der Mühe wert befunden, mich zu informieren. Ich hätte nichts davon erfahren, wenn Herr Dipl.-Ing. Maier nicht vor Ort gewesen wäre und mir am nächsten Tag dann den Bericht gebracht hätte. Und als ich die Unterlagen sah, habe ich mich zu Wort gemeldet.

Es wird mir von der Opposition nach wie vor nicht geglaubt. Ich habe ohnedies in vielen Dingen den Eindruck: Was immer ich sage, die Vorwürfe kommen gebetsmühlenartig wieder. – Gut. Aber ich habe es wenigstens hier vor allen Abgeordneten nochmals gesagt: Dies ist meine Wahrnehmung – warum soll ich hier etwas anderes sagen? –, und Sie werden keine Möglichkeit haben, mir etwas anderes zu beweisen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es wurde heute auch zur Frage der Disziplinaranzeige etwas Unrichtiges in den Raum gestellt. Wir hatten bei den Verhandlungen der beiden Regierungsparteien – also Minister plus Klubvertreter – den Eindruck, daß wir rasch zu einem Einvernehmen kommen. Und im Hinblick auf viele Beschwerden von Bundesländern – vor allem auch von Gemeinden und Non Governmental Organisations – haben wir uns darauf geeinigt, ich solle an die Bergbehörden herantreten und ihnen sagen: Erledigt jetzt bitte keine Fälle, wir stehen vor einem Ende, niemand würde es verstehen, wenn ihr jetzt diese Dinge macht. – Niemand, der gegen diese interne Anweisung von mir verstoßen hat, bekommt ein Disziplinarverfahren! Es hat auch keiner eines bekommen, was das Rundschreiben des Sektionschefs betrifft.

Ein Disziplinarverfahren wurde lediglich gegen den Berghauptmann von Leoben eingeleitet, weil er offensichtlich in seinem Verhalten – was die Vorgänge in den Naintscher Mineralwerken betrifft und vor allem in der Frage der Kenntnisnahme und des weiteren Berichts über die mögliche Ursächlichkeit – seiner Wahrnehmungspflicht nicht nachgekommen ist. Darüber entscheidet die Disziplinarbehörde. – Soviel einmal zur Klarstellung.

Ein weiterer Punkt: Ich habe nicht um eine Prüfung durch die Europäische Kommission gebeten. Wir haben eine Direktion der Europäischen Kommission gebeten, uns eine unabhängige Expertenkommission zusammenzustellen, die vor allem die Frage des Vorgehens bei Rettung und Bergung untersucht, die auch dann, wenn das Gutachten von Professor Hollmann vorliegt, die Frage der Ursächlichkeit bewertet und darüber hinaus auch Erhebungen über allfällige Konsequenzen im europäischen Bereich vornimmt. Diese Kommission hat sich gestern konstituiert. Gestern ist der Prüfungsauftrag formuliert worden. Er wurde heute von mir unterschrieben und wird Ihnen in allen Einzelheiten zur Kenntnis gebracht werden.

Nächster Punkt: ILO-Abkommen. Mehr, als ich gestern dazu dargetan habe, kann ich auch heute nicht sagen. Wir werden unsere Position auch schriftlich dokumentieren, damit es schwarz auf weiß vorliegt. Vielleicht bleibt es dann besser haften.

Noch etwas zu dem Satz in unserem Bericht an die Regierung über die Behinderungen der Rettungarbeiten durch Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft. Ich hatte, nachdem die Retter und Berger mir das auch gesagt haben, subjektiv den Eindruck – das war auch der Inhalt meiner Intervention in den Telefonaten mit dem Herrn Innenminister und dem Herrn Justizminister –, daß sie sich psychisch in ihrer Arbeit dadurch behindert fühlten, daß pausenlos gefilmt wurde und ständig jemand dabeistand. – Erster Punkt.

Nächster Punkt: Es hat einmal die Ankündigung gegeben, daß Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei den bei den Bergungsarbeiten unabkömmlichen Betriebsleiter zu einigen mehrstündigen Einvernahmen abziehen möchte. Das war gerade in der Intensivphase der Bergungsbohrung. Daher habe ich gebeten, davon Abstand zu nehmen, und habe gesagt: Da läuft niemand davon! – Dem wurde auch indirekt Rechnung getragen, und der Bergevorgang wurde dann weiter durchgeführt.

In der Ministerratssitzung wurde mir gesagt, man nimmt die psychologische Befindlichkeit von damals zur Kenntnis, aber es hat durch die Ermittlungen keine Echtzeitbehinderung gegeben. Daher konnte ich diesen Satz im Bericht dann auch fallenlassen. Aber ich wollte jedenfalls meine Kollegen darauf aufmerksam machen, daß es so etwas noch nicht gegeben hat: daß ein Rettungsteam bei jeder seiner Maßnahmen quasi per Film und Observation begleitet wurde. Es war auch die Bitte der Mitarbeiter – sowohl des Bergeteams wie auch anderer –, daß ich das vorbringe.

Weiterer Punkt: Für die Berghauptmannschaft Leoben gab es nur den Markscheider Betriebsleiter Schmidt (Abg. Dr. Petrovic: Das ist ungesetzlich!), weil eine Ersatzmeldung, die – ich glaube, im Jahr 1994 – erfolgte, nicht zur Kenntnis genommen wurde, weil dem Neuen die Qualifikation fehlte. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic.)

Ich berichte hier über einen Zustand und möchte das noch einmal zusammenfassen. Ich bleibe dabei: Es gibt nicht die geringste Ursache, irgend etwas zu vertuschen oder zu verbergen. Und ich füge nochmals hinzu – alle Klubs werden ja in Kürze auch die Reaktionen der Berghauptmannschaften und der angeschlossenen, mit anhängigen Institutionen erhalten –: Wenn man jetzt die Konsequenzen zieht, die ich ziehen mußte oder die wir gemeinsam zu ziehen haben werden, wenn es das neue Mineralrohstoffgesetz gibt, dann ist dies nicht die angenehmere Seite der Sache.

Letzter Punkt. Ich richte an Sie den gleichen Appell wie gestern. Wir haben in vielen Gesprächen – die Vertreter der Klubs wissen das – an der Basis gesagt: Wenn das die Sozialpartnerschaft auf betrieblicher Ebene ist, wie sie uns im Fall Lassing vorgeführt wurde, dann ist sie entbehrlich und verzichtbar, und wir werden viel Reparaturarbeit leisten müssen, damit wir wieder zu einem vernünftigen Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in diesen Bereichen kommen. Wir haben auch festgestellt, daß sich statistische Probleme, wie wir sie jetzt sehen, ergeben. (Abg. Nürnberger: Das ist zuviel, was er da sagt! Das hätte er sich sparen können! – Zwischenruf bei der ÖVP in Richtung Abg. Nürnberger. – Abg. Nürnberger: Dann soll er es gescheit sagen!)

Folgendes möchte ich Ihnen noch von meinem letzten Treffen mit Mitarbeitern und Familien in Lassing berichten. Viele haben gesagt – darüber wurde vor mir gestritten –: Wieso habt ihr das immer nur privat gesagt? Wieso sagt es keiner offiziell irgend jemand anderem weiter? – Diese Frage bleibt im Raum stehen, und damit muß die Bevölkerung in dieser Gegend selbst fertig werden. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Minister.

Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen nun zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Barmüller und Genossen betreffend Offenlegung des an die internationale Expertenkommission ergangenen Prüfungsauftrags zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen betreffend Überprüfung von möglichen strafrechtlichen Sachverhalten im Bereich der Obersten Bergbehörde.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist ebenfalls abgelehnt.

4. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Mautvignette (III-138/1413 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Debattenredner Herrn Abgeordnetem Ing. Meischberger das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.50

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Das Thema Vignette oder Mautpickerl ist Gott sei Dank nicht so dramatisch wie jenes, das soeben behandelt wurde. Es geht dabei nicht um Menschenleben oder menschliches Versagen, durch das Personen ernsthaft Schaden genommen haben, aber es ist trotzdem ein Thema mit einer gewaltigen Breitenwirkung. Wir alle können uns noch gut daran erinnern, welch peinliche Auftritte uns dieses Thema seinerzeit beschert hat.

Jeder weiß, daß die Einführung der Vignette uns zwar teilweise ein gutes Radioprogramm gebracht hat – viele von uns können sich wahrscheinlich noch an den "Vignettenman" erinnern –, aber für ein furchtbar schlechtes Image der Regierung und Österreichs im Ausland gesorgt hat.

Ich meine, daß die Aufarbeitung dieses Themas dringend notwendig wäre. Auch der Imageverlust, der dadurch entstanden ist, ist nicht ins Lächerliche zu ziehen und war keine Kleinigkeit. Wenn ich nur allein daran erinnere, wie der "Vignettenman" in der Sendung "Wetten, daß?" aufgetreten ist und unsere Bundesregierung und ihre unzulängliche Vorgangsweise bei der Einführung der Mautvignette vor 14 Millionen deutschsprachigen Zuschauern lächerlich gemacht hat: Das war peinlich, das muß jeder zugeben. Und daran soll die Bundesregierung von dieser Stelle aus erinnert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abgesehen vom Imageschaden, der damals angerichtet wurde, möchte ich noch einmal betonen, daß die Einführung der Vignette an sich nichts anderes war als ein Raubritterzug durch die Taschen der Steuerzahler. Das ist eine reine Geldbeschaffungsaktion der Bundesregierung, durch die die Menschen in unserem Lande, die Steuerzahler, angehalten werden, noch einmal Maut für Straßen zu bezahlen, für die sie als Steuerzahler schon mehrfach bezahlt haben! – Auch das ist noch einmal zu betonen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie peinlich den Regierungsparteien, der SPÖ und der ÖVP, dieses Thema gewesen ist, hat man auch im Zuge der Beratungen des Rechnungshofausschusses gesehen, als die Opposition einige wichtige Personen laden wollte, die einiges zur Aufklärung verschiedener Fragen beitragen hätten können. Die große Koalition war sich einig, bei der Ladung sehr restriktiv vorzugehen. Man hat zum Beispiel das Aufsichtsratsmitglied der ASAG, Herrn Fleischmann, der gleichzeitig Personalvertreter ist und dem die Vergabepraktiken so aufgestoßen sind, daß er den Rücktritt eines Mitgliedes des eigenen Vorstandes, nämlich des Herrn Unterholzer, gefordert hat, nicht eingeladen, dazu Stellung zu nehmen, was dort bei der Vergabe eigentlich passiert ist.

Ebenso war man nicht bereit, einen Vertreter der Firma CMG zu laden, die 18 Millionen Schilling Beratungskosten erhalten und eine unglaubliche Fehleinschätzung bezüglich der Menge der benötigten Vignetten abgegeben hat. Man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen: Man hat die Zahl, welche die Firma CMG nannte, die für 18 Millionen Schilling Honorar die benötigte Menge an Vignetten bekanntgegeben hat, im nachhinein um das Vierfache korrigieren müssen! Allein deshalb schon könnte ein Vertreter dieser Firma wichtigen Aufschluß im Zusammenhang mit der Aufklärung der Sache geben. Seitens der Regierungsparteien wurden dem Ausschuß jedoch Mitglieder dieser Firma als Auskunftsperson verweigert.

Und auch von jener Firma, die auf unerklärliche Weise nicht zum Zug gekommen ist, obwohl sie Bestbieter war, nämlich von der Firma Forster, hat man keine Auskunftsperson zugelassen, obwohl deren Ausscheidung aus der Vergabe medial einigen Staub aufgewirbelt hat.

Hinter dieser Mautvignetten-Aktion steckt wirklich ein handfester Vergabeskandal. Meines Erachtens verhält es sich dabei wie so oft: Die große Koalition leidet wie immer an der Proporzkrankheit. Es gibt eine schwarze Straßenbausondergesellschaft, die ASAG, und es gibt eine rote Straßenbausondergesellschaft, die ÖSAG. Man konnte sich wieder einmal nicht einigen, wer welche Aufträge erfüllt. Daher hat man letztlich die ÖSAG das Ganze rot ausschreiben lassen und hat es dann ASAG-mäßig schwarz vergeben. Daraus ist ein Tohuwabohu entstanden, der, wie so oft in der großen Koalition bei derartigen Anlässen, stark nach Mauschelei riecht.

Nach einigen Reisen nach Chicago hat letztlich eine Firma Swarco den Auftrag erhalten. Interessanterweise arbeitet bei dieser Firma Swarco wiederum ein ehemaliger Mitarbeiter der Brenner Autobahn AG, welche die Vorgängerorganisation der ASAG war, nämlich Herr Simianer, der auch nicht als Auskunftsperson zugelassen wurde. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Der Gipfel in diesem Vergabeskandal war wahrscheinlich, daß eine Firma den Zuschlag erhalten hat, deren Offert in der Sitzung, bei welcher der Auftrag vergeben wurde, gar nicht vorgelesen wurde. Und diese Firma ist noch dazu nur zweitbester Bieter gewesen; sie war um 1,6 Millionen Schilling teurer als die Firma Forster. Man hat dann, laut Medienaussagen und laut Aussagen der Firma Forster selbst, angeblich aufgrund von Auskünften, daß die Firma Forster im Ausland produzieren lasse und die Wertschöpfung nicht in Österreich liege, diese Firma Forster ausgeschieden, obwohl nichts daran wahr gewesen ist! – Ich glaube in diesem Fall ganz eindeutig der Firma Forster, weil jetzt die Firma Forster selbst die zweite Auflage produziert hat und die Wertschöpfungsdebatte keinen Niederschlag mehr gefunden hat.

Dann ist es wie beim "Vignettenman" weitergegangen: "Ohne Furcht und Hirn" hat man die Organisation eingeleitet. Man hatte falsche Schätzmengen und keine Übersicht darüber, wie viele verschiedene Vignetten überhaupt eingeführt werden. Man hat die Übersicht darüber verloren, wo man diese Vignetten überhaupt bekommen kann und wo nicht.

Zudem hat man einen denkbar schlechten Einführungstermin gewählt, denn am 1. Jänner befand man sich mitten in der Urlaubszeit. Es waren viele deutsche Touristen in Österreich, die nicht mehr gewußt haben, ob sie jetzt vignettenpflichtig sind oder nicht, und es waren auch viele Leute im Urlaub, die eigentlich die Umsetzung in Österreich durchführen hätten müssen. Daher hat etwa Dipl.-Ing. Schenz, der Aufsichtsratsvorsitzende der ASAG, diesen Termin im Ausschuß selbst als "Katastrophentermin" bezeichnet.

Aber es hat natürlich wieder – wie es halt österreichisch und großkoalitionär so gehandhabt wird – keine Konsequenzen gegeben; alles ist in bester Ordnung. Das ist typisch österreichisch. Man sagt, daß man aus der Sache gelernt hat, und dann hat man all das vergessen.

Ich möchte zum Abschluß noch auf den Faktor Kompetenzstreit, ausgehend vom Proporzdenken der großen Koalition, hinweisen: Diese Aufteilung zwischen ÖSAG und ASAG hat letztlich zu keiner Einigung zwischen den beiden Gesellschaften geführt, daher ist schließlich aus der ÖSAG und der ASAG eine neue Gesellschaft hervorgegangen, nämlich die ÖMG. Deren Geschäftsführung wurde mit einem ÖSAG- und einem ASAG-Vertreter besetzt, und man hat einen Beirat vorgesetzt, der sich aus zwei Personen aus dem Bundesministerium für wirtschaftlichen Angelegenheiten, zwei Personen aus der ÖSAG und zwei Personen aus der ASAG zusammensetzt. Schließlich hat der Informationsfluß hinten und vorne nicht mehr funktioniert, und man war sich dann nur mehr beim Zudecken von etwaigen Vorkommnissen einig.

Unsere Forderung, die daraus abzuleiten ist, ist eine alte: die freiheitliche Forderung nach einer strukturellen Veränderung der Straßenbausondergesellschaften. Nachdem wir einmal sechs solche Gesellschaften gehabt haben, die kein Mensch mehr braucht, und da nun auch nicht mehr so viel zu bauen ist und wir daher auch nicht zwei brauchen – außer vielleicht wegen des großkoalitionären Proporzdenkens –, fordern wir aufgrund der Erfahrungen aus der Mautvignetteneinführung die Reduktion der Straßenbausondergesellschaften auf eine einzige, um zu bewirken, daß in Zukunft derartige Blamagen für die Bundesregierung und für Österreich im Ausland und ein derartiger Dilettantismus bei der Vergabe von solchen Aufträgen verhindert werden. Diese Forderung ist alt, aber trotzdem modern, und die Umsetzung dieser Forderung ist dringend notwendig! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.58

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Kollege Meischberger hat jetzt seine Sicht der Dinge zur Einführung der Vignette gebracht, aber er hat den Rechnungshofbericht nicht vollständig und auch dem Sinne nach nicht entsprechend zitiert, sondern einseitig und sehr subjektiv. Ich würde sagen, er hat in einem Teil seiner Rede auch extrem gegen die Interessen seines eigenen Herkunftslandes Tirol argumentiert. Dagegen protestiere ich! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Smolle.)

Herr Meischberger! Sie reden von "Farce", von "Imageverlust", vom "Chaos" im Ausschuß. Natürlich: Die Einführung der Vignette ist nicht reibungsfrei vor sich gegangen – auf die Gründe dafür werde ich gleich zurückkommen –, aber ich meine, Herr Kollege, daß Sie sich angesichts der Vorkommnisse in Ihrer Partei eigentlich bei der eigenen Nase nehmen sollten! Ich denke da an die Farce des Herrn Rosenstingl, an den Skandal des Herrn Gratzer und an das Chaos im Zusammenhang mit Herrn Mentil. (Abg. Aumayr: Was hat das mit der Vignette zu tun?) Ich habe noch gut in Erinnerung, wie Herr Mentil von hier aus gesagt hat, daß er uns garantiere, daß er wieder in dieses Haus zurückkomme. (Abg. Ing. Meischberger: Wir reden jetzt über die Vignette!) Ein paar Abgeordnete aus unseren Reihen haben dann scherzhaft gesagt, daß das eine gefährliche Drohung sei. Daß dies für die FPÖ aber so schnell wahr werden wird, daran hat niemand gedacht: Denn bei Ihnen ist jetzt der Rosenstingl weg, und das Mandat ist auch weg! (Beifall bei der ÖVP.)

Wie Sie das bei Ihren Wählern verantworten werden, das werde ich noch sehen, darauf bin ich sehr gespannt. Darüber hinaus werden die ganzen Finanztransaktionen, die damit verbunden sind – "Malversationen" nennt es der Herr stellvertretende Klubobmann –, noch Gegenstand des Rechnungshofprüfungsberichtes über die Parteigelder sein. Und auch darauf bin ich schon sehr gespannt! (Abg. Ing. Meischberger: Das Thema ist die Mautvignette, Herr Kollege!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aber jetzt wieder zurück zur Vignette. Es handelt sich hiebei um die Einführung eines völlig neuen und international ohne Vergleich dastehenden Systems für die Benutzerkontrolle und für die Bezahlung bestimmter Aufwendungen, die der Autofahrer verursacht. Und auch der Rechnungshof stellt fest, daß es im wesentlichen zwei ausschlaggebende Gründe gibt, die zu diesen Problemen bei der Einführung geführt haben.

Erstens ist der Minister unter ungeheurem Zeitdruck gestanden, zweitens mußte es zu einem weitestgehenden Entgegenkommen gegenüber der Nachfrage kommen. Elf verschiedene Vignettentypen mußten geplant und eingeführt werden, und das eigentlich innerhalb nur eines halben Jahres. (Abg. Ing.  Meischberger: Das ist ja der Planungsfehler!)

Ich werde Ihnen gleich sagen, was auf der anderen Seite steht, Herr Meischberger! Auf der anderen Seite stehen selbstverständlich Einnahmen aus diesen Vignettenerlösen, die so früh als möglich zu erzielen waren, um die dringend notwendigen Lückenschlüsse, Umfahrungen in Österreich, zu finanzieren und zu bauen. Das sollten Sie als Tiroler wissen! Wir profitieren davon! Den Baubeginn der Umfahrung Landeck verdanken wir ausschließlich der Einführung dieser Vignette! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Argument des "Abcashens" folgendes: Auch in diesem Punkt appelliere ich an Sie: Sie sind doch Tiroler, Herr Meischberger – habe ich zumindest immer gedacht! (Abg. Ing. Meischberger: Im Gegensatz zu Ihnen!) In unserem Land hat man größtes Verständnis dafür, daß die ausländischen Benutzer unserer Autobahnen, die nur durch unser Land durchfahren, endlich auch einmal einen Beitrag zur Erhaltung der Straße abliefern, und nicht nur die Österreicher, wenn sie nach Italien, in die Schweiz, nach Frankreich, nach Spanien, nach Slowenien und so weiter und so weiter fahren!

Nun zu dem Imageschaden, den Sie erwähnt haben und der sicherlich – so sagt es auch der Herr Rechnungshofpräsident – eingetreten ist, den er aber in der Höhe nicht abschätzen kann, da er sich betragsmäßig nicht festlegen läßt: Ich bin der Meinung, daß dieser Imageschaden mehr oder weniger in gleicher Form auch dann aufgetreten wäre, wenn wir eine längere Planungsperiode gehabt hätten und wenn es keine Probleme bei der Verteilung dieser elf verschiedenen Vignetten auf die diversen Verkaufsstellen gegeben hätte.

Warum meine ich das? Da muß man zuerst die Frage beantworten, von wem die Imagekampagne ausgegangen ist, nämlich zunächst einmal von deutschen Medien und vom deutschen ADAC. Das ist verständlich. Denn diese waren bisher gewohnt, daß man Österreich und insbesondere Tirol frei als Transitstrecke benützen kann. Daher wollten sie unser Land mit einer Imagekampagne und der Drohung, daß keine deutschen Touristen mehr kommen würden, in die Knie zwingen. Aber wir lassen uns nicht in die Knie zwingen, vom Ausland schon gar nicht! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.) Vielleicht erinnern Sie sich noch an jenen "Focus"-Artikel, in welchem zu einem Boykott Tiroler und österreichischer Tourismusziele aufgerufen wurde. Aber so kann es wirklich nicht gehen!

Zweitens ist der Imageverlust auf einen gewissen Hang des Österreichers zum Masochismus zurückzuführen oder – sagen wir es eleganter – auf einen Hang, daß er über sich selbst lachen kann und darf. Ich erwähne in diesem Zusammenhang den Vignetten-Man, und sage Ihnen jetzt meine ganz private Meinung: Wenn es ihn nicht gegeben hätte, dann hätte man ihn erfinden müssen! Denn eine bessere Werbung und Informationskampagne für die Einführung der Vignettenpflicht in Österreich kann man sich gar nicht vorstellen, und die haben wir auch noch kostenlos bekommen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: "Ha, ha, Schurke!" Das war’s!)

Die Sache war übrigens gut gemacht. Wer nämlich ein bißchen Spaß versteht und Humor hat, kann sehr wohl die Ernsthaftigkeit der Argumente richtig abwägen. (Zwischenruf des Abg. Ing. Meischberger.) Letztlich hat das dazu geführt, Herr Meischberger – das wissen Sie auch –, daß 98,5 Prozent aller Österreicher und 90 Prozent der Ausländer bei den PKWs mit der Vignette ausgerüstet sind. Das ist ein durchschlagender Erfolg in der Akzeptanz einer solchen Regelung. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Selbstverständlich ist das ein durchschlagender Erfolg!

Die Einnahmen waren zunächst mit 2,6 Milliarden Schilling budgetiert, und im Endeffekt hat es Einnahmen von 3,2 Milliarden Schilling gegeben. Es hat also Erlöse weit über die Einnahmenprognose hinaus gegeben, die für die schon erwähnten notwendigen Umfahrungen und Lückenschlüsse im österreichischen hochrangigen Straßensystem aufgewendet werden können.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch auf die Angebotseröffnung replizieren: Der Rechnungshof hat richtigerweise festgestellt, daß ein Variantenangebot vorliegt, das im Rahmen der funktionalen Ausschreibung, die richtig gewesen ist, wie der Rechnungshof bestätigt, nicht vorgelesen worden ist. Aber deswegen ist es nicht rechtsungültig oder unbeachtlich, muß selbstverständlich in die Auswahl aufgenommen werden und wurde als Bestangebot auch akzeptiert.

Ich möchte dem Herrn Bundesminister von dieser Stelle aus auch für sein großes Verständnis danken, das er etwa in bezug auf eine flexible Zehntageskarte im Interesse unseres Tourismus gezeigt und umgesetzt hat, womit er unser Problem in Kufstein entschlossen gelöst hat. Ich meine, es wäre auch ein wichtiger Schritt der Weiterentwicklung, wenn bis zur ersten Abfahrt noch Vignettenfreiheit durchgesetzt werden könnte. Das wäre sicherlich auch sehr wichtig.

Ich möchte auch zu überlegen geben, ob die derzeitigen Strafsätze für Touristen, insbesondere ausländische Touristen aus Italien, wirklich so hoch sein müssen, wie sie derzeit sind. Zumindest sollte man aber die Aufklärung über die Vignettenpflicht vor Ort noch verstärken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich hätte manches besser gemacht werden können. Aber es war dies die Einführung eines völlig neuen, international einmaligen Systems. Ähnliche Probleme hatten wir übrigens auch bei der Einführung des elektronischen Ökopunkteabbuchungssystems: Man mußte eineinhalb Jahre Verspätung in Kauf nehmen, weil es technisch noch nicht reif und entwickelt war. – Damit muß man rechnen! Man hätte manches besser machen können, aber im nachhinein ist man immer gescheiter, und das sollte man halt auch, wenn man hier zum Rechnungshofbericht spricht, ins Treffen führen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt insgesamt 16 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.08

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Man wird mir wohl kein Naheverhältnis zur FPÖ unterstellen, wenn ich euch – der FPÖ – in dieser Sache die Absolution erteile: Rosenstingl ist nicht schuld, auch wenn es Abgeordneter Lukesch behauptet! (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Partei, bei der du noch nicht warst!) Soweit ich mich erinnern kann, hat er die Vignetten nicht eingeführt, und er hat auch das Chaos bei der Einführung nicht direkt mitverursacht. (Abg. Wabl: Der Mentil war’s!) Es ist zwar schön, eine Pointe anzubringen, wenn man den Herrn Minister verteidigen muß. – Gospod Minister! Es ist mir eine Ehre, daß auch ich Sie hier ein wenig behandeln darf!

Aber ich erlaube mir auch, etwas klar zu sagen, Herr Minister: Auch ein Herr Minister Farnleitner würde eigentlich einen besseren Verteidiger verdienen als Herrn Abgeordneten Lukesch. Dieser hat sofort den zweiten Täter entdeckt: den deutschen ADAC. Jetzt haben wir also Rosenstingl, der schuld ist, und den ADAC, der schuld ist. Schuld sind nicht die beiden Minister, Minister Ditz und sein Nachfolger, schuld ist nicht das Chaos und der Streit der beiden Gesellschaften. Der ganze Rechnungshofbericht ist ein einziges Hin- und Herschieben der Schuld.

Gott sei Dank findet man dann die Beraterfirma in München, die schließlich halt schuld war. Schuld ist nicht der Minister. Wenn man nämlich von einer Beraterfirma eine Empfehlung bekommt, dann muß man die Augen und Ohren zuhalten, das Hirn ausschalten und sagen: Nicht selber nachdenken. – Und diesen Expertenglauben, meine Damen und Herren, müssen wir bekämpfen!

Das Problem beginnt schon am Anfang, beim Grundsatz, liebe Freunde. Man muß doch noch nachfragen dürfen, ob diese Vignette überhaupt jene Erfindung ist, auf die wir gewartet haben. Oder wäre es nicht besser, doch vielleicht auch den Verkehr ein bißchen zu ökologisieren? (Zwischenrufe der Abgeordneten Edler und Brix.) – Hören Sie mir doch zu! Sie werden viel lernen aus diesen Gedanken! Ich bin erst kurz in diesem Hause, lieber Herr Abgeordneter, aber mich machen dieser Rechnungshofausschuß und seine Unterausschüsse schon so traurig, daß ich gesagt habe: Lieber Freund Barmüller! Das mach΄ lieber selber, denn dort wird man depressiv! Dort kann man nichts machen. In diesen Ausschüssen kann man nichts bewegen.

Meine Damen und Herren! Man kann dort keine Experten, keine Auskunftspersonen laden. Sie sagen zum Beispiel: Herrn Dr. Martinek brauchen wir nicht. Wir laden lieber einen kranken Mann, der uns irgend etwas erzählt, bei dem wir dann nicht wissen, sollen wir es ernst nehmen oder sollen wir seine Aussage – entschuldigen Sie – seiner Krankheit zuschreiben, die ich hier nicht als Vorwand für eine Kritik mißbrauchen möchte.

Meine Damen und Herren! Sie wollen vertuschen, anstatt sich mit den sehr kritischen Äußerungen des Rechnungshofes zu beschäftigen.

Herr Präsident des Rechnungshofes! Sie gehen meiner Ansicht nach hin und wieder etwas zu sanft mit den Damen und Herren von der Regierung um. Sie sind auch in diesem Bericht zu schnell mit Entschuldigungen zur Stelle, um ihn ein bißchen erträglicher zu gestalten. Lassen Sie die Entschuldigungen weg! Sie sehen, es kommt dann schon ein Herr Lukesch, der das besorgt, und auch die Minister können sich verteidigen. Es ist nicht Sache des Rechnungshofes, mit der Kritik sozusagen auch gleich 97 Entschuldigungszettel mitzuliefern. Ich könnte einiges anführen, Herr Präsident, bei dem ich mit der Vorgangsweise nicht ganz einverstanden bin.

Was macht man in Österreich, wenn sich zwei Gesellschaften im Straßenbauwesen nicht einigen können? – Man gründet eine dritte. Sie ist aber dann auch nicht fähig, diese doch relativ harmlose Angelegenheit in die Tat umzusetzen – nein, sie vergrößert noch das Chaos! Wenn früher schon zwischen zweien keine Koordination stattfinden konnte, wie macht man das dann bei drei Gesellschaften? Jetzt haben sich drei beziehungsweise sechs Personen immer wieder koordinieren müssen, und das soll die Lösung sein. Es geht ja vielmehr immer wieder nur darum: Wie versorge ich meine Leute, wie versorge ich deine Leute? Wenn du meine versorgst und ich deine versorge, dann sind wir uns einig. So geht das bei all diesen Baugesellschaften schon seit Jahren. Es gibt kaum einen Straßenbau, der nicht letztlich mit einem Skandal geendet hat. Und das liegt in diesen Straßenbaugesellschaften begründet.

Meine Damen und Herren! Ich möchte hier nur ein kurzes Zitat vorbringen. Es heißt im Bericht des Rechnungshofes ganz klar: Die Verantwortung für die unzulänglichen Mengenschätzungen lag nach Ansicht des Rechnungshofes in erster Linie beim Beratungsunternehmen. – Na, soll sein. Aber daraus müßte doch die Folgerung gezogen werden: einfach deshalb, weil man das, was diese Beratungsfirma erzählt hat, unkritisch hingenommen hat. Aber die Verantwortung lag laut Rechnungshofbericht – ich zitiere – "auch bei der Projektgruppe sowie dem späteren Steuerungsgremium, weil diese fachkundigen Gremien" (Zwischenrufe bei der ÖVP) – jetzt zuhören oder mitlesen! – "eine Verbesserung der Datengrundlagen abgelehnt hatten." – Es steht klar drinnen! Und es ist sehr milde, sympathisch formuliert. Ich verstehe den Herrn Präsidenten hin und wieder, aber da verstehe ich ihn nicht ganz, denn da hätte er die Kritik schon etwas klarer hineinschreiben müssen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend klar sagen: Der Bericht des Rechnungshofausschusses kann von uns in der vorliegenden Form nicht zur Kenntnis genommen werden, denn es findet sich keine einzige Feststellung darin, welche Empfehlungen der Rechnungshofausschuß der Bundesregierung beziehungsweise dem zuständigen Minister gibt, damit sich solche Dinge nicht wiederholen. Es ist klar, man kann sagen: Schwamm drüber, was geschehen ist, ist geschehen! Das wäre eine Methode. Aber wir üben ja auch Prävention in dieser Sache. Deshalb ist es so wichtig, darüber zu diskutieren.

Wir können den Ausschußbericht nicht zur Kenntnis nehmen, auch wenn im Ausschuß mit Stimmenmehrheit beschlossen wurde, man möge den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis nehmen. So geht das nicht! Wir müssen fragen: Was sind die Folgerungen aus Wahrnehmungen des Rechnungshofes? Was sind die Folgerungen aus diesen kritischen Feststellungen des Rechnungshofes?

Meine Damen und Herren! Nur einfach zur Tagesordnung überzugehen unter dem Motto: Was geschehen ist, ist geschehen! – ist eine Vorgangsweise, die wir uns nicht wünschen und die wir auch als Abgeordnete nicht verantworten können. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

19.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brix. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.15

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Grundsätzlich möchte ich festhalten, daß die Einführung der Mautvignette für Autobahnen ein richtiger Schritt in Richtung Kostenwahrheit auf der Straße war und ist. Es wurde uns mit vielen dadurch ermöglichten Lückenschlüssen und Bauvorhaben auf Österreichs Straßen bewiesen, daß das Richtige für die Zukunft getan wurde.

Und der Herr Bundesminister kündigt ja jetzt schon an, daß die Autobahn Nord hinauf in das Weinviertel führen wird. Ich frage nun, wann er deren Bau beabsichtigt, denn mir als Wiener Abgeordnetem, vor allem als Simmeringer Abgeordnetem, wäre es lieber, wenn statt der Autobahn Nord die B 301 bald errichtet werden würde, damit diese einen Teil des Verkehrs von der meistbefahrenen Straße Österreichs, nämlich von der Südosttangente, absaugen könnte. Für die Bewohner des 11., des 3. und des 10. Bezirkes ist es wirklich unerträglich, daß dort täglich Hunderttausende Autos vorbeifahren.

Hohes Haus! Es war dies ein richtiger Einführungsschritt, aber wir wissen auch, daß es damals bei der Einführung – das geht auch aus dem Bericht hervor – zu Zuständen gekommen ist, die wir nicht wollten. Das Kaufverhalten in bezug auf die Vignetten konnte nicht richtig eingeschätzt werden. Die vielen verschiedenen Arten von Vignetten haben zu Schwierigkeiten geführt, und das Beratungsunternehmen, das vom Wirtschaftsministerium herangezogen wurde, konnte anscheinend das Ministerium nicht richtig informieren. – Herr Bundesminister! Ich muß diesbezüglich Ihrem Ministerium schon auch einen Vorwurf machen: Wahrscheinlich hätte man dieses Beratungsunternehmen mehr knebeln müssen, um es zu einer richtigen Feststellung heranziehen zu können. Man muß die Verantwortung dafür übernehmen, wenn man solch eine Sache einbringt.

Und zweitens: Wir wissen alle, das Pickerl hat sich gelöst, das Pickerl ist dann nicht heruntergegangen. Bei der Ausschreibung ist alles auch nicht ganz so gelaufen, wie es vorgesehen war. Ich glaube, man sollte daraus vor allem für die Zukunft lernen, damit so etwas in Zukunft eben nicht wieder vorkommt.

Ich bin nicht der Meinung meines Vorredners. Wenn eine Mehrheit entscheidet, dann hat eben eine Mehrheit entschieden; das ist halt Demokratie. Und ich bin auch der Meinung, daß der Rechnungshof zu diesem Thema einen ausgezeichneten Bericht vorgelegt hat.

Herr Präsident! Von dieser Stelle aus danke ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern und wiederhole noch einmal, was wir Sozialdemokraten wollen: Wenn der Rechnungshof noch mehr Aufgaben bekommt, dann braucht er mehr Beamte, und diese muß man im Prüfdienst pragmatisieren. Das muß auch hier noch einmal gesagt werden.

Aber ich glaube, beim Thema dieser Vignette sollte noch auf eine andere wichtige Angelegenheit aufmerksam gemacht werden. – Hohes Haus! Ich habe gesagt, die Einführung war vor allem im Hinblick auf den Lückenschluß im Straßenbau wichtig, und ich füge hinzu, daß es auch wichtig wäre, noch mehr Kostenwahrheit im Straßenverkehr zu haben. Denn nicht nur die Pkw-Fahrer und die Lenker von Fahrzeugen mit 3,5 bis zu 12 Tonnen sollen zahlen, sondern es sollen auch jene zahlen, die in Wirklichkeit die Straßen viel, viel mehr belasten, und das sind die Lkw-Fahrer. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Lkw-Verkehr macht nämlich in Wirklichkeit die Straßen kaputt, und man muß in bezug auf den Lkw-Verkehr endlich einmal die Wahrheit des Preises auf die Straße bringen. Viele Produkte sind ja nur deswegen so billig und können unter dem echten Preis angeboten werden. Ein Beispiel – wieder lokalbezogen –: Die Simmeringer Gurken sind preislich nicht so günstig wie die Gurken aus Spanien, weil eben der Lkw-Verkehr auf der Straße nichts zu zahlen braucht. Wenn wir beim Lkw-Verkehr nicht nur bis zum Jahre 2001, bis wir das Road-pricing haben, warten, sondern als Zwischenlösung eine Vignette einführen, dann geben wir vor allem dem umweltfreundlichen Bahnverkehr, den Bundesbahnen, dem Schienenverkehr eine Chance, ebenfalls zu einer Kostenwahrheit zu kommen.

Herr Bundesminister! Vieles, was von seiten des Wirtschaftsministeriums damals bei der Einführung der Mautvignette nicht gut gehandhabt wurde, können Sie jetzt wiedergutmachen, indem Sie dem Lkw-Verkehr nahelegen, daß er für die Benützung der Straßen etwas zu zahlen hat und nicht billig über unsere Straßen fahren kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher fordere ich, daß in nächster Zeit eine Vignette für den Lkw ab 12 Tonnen eingeführt wird. Ich glaube, nur dann, wenn alle auf der Straße ihren Beitrag leisten, kann es gelingen, zu erreichen, daß sich der Autofahrer – damit meine ich den Pkw-Fahrer – nicht als der einzige fühlt, der dafür bezahlen muß, denn unsere guten Straßen werden von allen frequentiert. (Beifall bei der SPÖ.)

19.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.21

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Zweifelsohne, Herr Minister, bekommen Sie heute eine doppelte Rechnung serviert: eine aus der jüngeren Vergangenheit mit dem Namen "Lassing", eine aus der älteren Vergangenheit mit dem Namen "Mautvignette". Beide Male sind Sie mehr oder weniger eine Art Don Quijote der österreichischen Innenpolitik. Beide Male verbindet sich stümperhafte Vorgangsweise mit gröberen Verstößen.

Diese Mautvignette, die sich jetzt in einem Abschlußdiskurs anhand des Rechnungshofberichts wieder als Zentrum der Kritik an Ihrer Politik anbietet, war von Anfang an – das muß man klipp und klar sagen, und damit widerspreche ich meinem Vorredner – eine reine Geldbeschaffungsaktion. (Abg. Brix: Wollen Sie nicht, daß der Verkehr den Beitrag auf der Straße leistet? Sind Sie dafür, daß mehr Autos fahren sollen?) Wenn jemals der Autofahrer als Melkkuh diente, dann war er es bei der Vignette – eindeutig! Sie ist verkehrspolitisch völlig unwirksam. Sie hat einen Nulleffekt. Sie liefert dem Finanzminister Erträge, hat aber in keiner Weise eine Eindämmung des Autoverkehrs mit sich gebracht. Das steht außer Streit. Sie ist also eine verkehrspolitische Nullnummer und eine finanzpolitische Halberfolgsstory – wenn ich das so formulieren darf.

Wieso? – Es begann ja schon bei den einzelnen Ausschreibungen. Es begann ja schon damit, daß in einer sehr, sehr kurzen Zeitspanne dieses Projekt auf die Füße gestellt beziehungsweise "auf die Windschutzscheibe" gebracht werden mußte. Es war praktisch nur ein Jahr Zeit, und in diesem einen Jahr haben sich einerseits stümperhafte Mängel und andererseits gröbere Verstöße miteinander vermengt. (Abg. Brix: Am Anfang waren auch stümperhafte Mängel! Das hat man voriges Jahr richtiggestellt!)

Sie können das alles hier nachlesen: Mit einem Gesamtaufwand von einer halben Milliarde Schilling haben Sie erstens sehr unklare Entscheidungsstrukturen vorgegeben, zweitens elf verschiedene Vignettentypen in Auftrag gegeben – die Schweiz hat es sich viel einfacher gemacht –, drittens sich verschätzt und zuwenig bestellt, viertens einerseits bei den Beratungsunternehmen nicht durchgegriffen, andererseits im Bundesministerium selber Fehler begangen, fünftens die Ausschreibungsrichtlinien nicht beachtet. Das ist wahrscheinlich der größte Verstoß.

Sie haben entgegen den üblichen Vergaberichtlinien die Ausschreibung vorgenommen. Dazu möchte ich wortwörtlich aus dem Bericht von Seite 18 zitieren: "Die Einbeziehung der bei der Angebotseröffnung nicht registrierten Alternativangebote in die Angebotsauswahl und der Zuschlag zugunsten eines dieser Angebote widersprachen nach Ansicht des Rechnungshofes den Vergabevorschriften." – Das ist ein sehr neutrales, sachliches Deutsch, hinter dem sich meiner Überzeugung nach ein echter finanzpolitischer Skandal verbirgt. Darauf gehört der Finger gelegt! Da ist die eigentliche Wunde dieses ganzen Mautvignettenskandals. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben außerdem durch diese stümperhafte Vorgangsweise einen Verlust von insgesamt 12,1 Millionen Schilling erwirtschaftet. Das waren praktisch Entgeltminderungen. Sie haben außerdem bei der Verteilung der Vignetten eine Fehlkalkulation gemacht, sodaß die wichtigsten Vignettentypen in den entsprechenden Trafiken und so weiter nicht erhältlich waren. Und Sie haben – das ist der letzte Punkt, er wird im Rechnungshofbericht nur peripher erwähnt – sicherlich dem österreichischen Tourismus teilweise einen Bärendienst erwiesen, da die Information im Ausland zu schlecht und zu gering war.

Kurz und gut: Hier haben wir die Bilanz eines Desasters aus der Vergangenheit, einer einmaligen Melkaktion, die angesichts der Relation – eine halbe Milliarde Investitionskosten und dann das Sechsfache an Ertrag – in sich finanzpolitisch auch höchst zweifelhaft ist.

Aber das, was vergangen ist, zeichnet sich jetzt als vorprogrammiertes Desaster für die Zukunft ab. Denn was planen Sie? – Im Jahr 2002 soll das Road-pricing kommen, ein hochkompliziertes Funkmautsystem auf dem hochrangigen Straßennetz. 3,5 Milliarden Schilling Investition! Sie werden im ersten Jahr mit Müh und Not 3 Milliarden Schilling kassieren, Herr Wirtschaftsminister! Es ist sicherlich in einer nächsten Legislaturperiode herinnen. Aber Sie legen die Schienen, und ich glaube, es ist nicht günstig, wenn Sie sich ein neues Don Quijote-Stück leisten.

Gehen Sie ab von dieser Maut, gehen Sie zur einzigen Methode über, wie man Kostenwahrheit im Verkehr herstellt, nämlich zur leistungsabhängigen Kilometerabgabe, zuerst für den Schwerverkehr, später auch für den Personenverkehr, es ist dies die Möglichkeit, die wir in unserem ökosozialen Steuersystem aufzeigen. Sie ist gerecht, weil sie nicht nur auf Autobahnen, sondern auch auf Bundes-, Gemeinde- und Ortsstraßen gilt, und verteilergerecht ist sie ebenfalls. Vor allem ist sie auch für den Finanzsäckel des Staates sehr günstig, weil sie keines derartig hohen Investitionsvolumens von 3,5 Milliarden Schilling bedarf wie das von Ihnen geplante System des sündteuren Road-pricing, das ja antiquiert ist.

Abschließend: Im Jahre 2002 ist die Einführung geplant. Sie werden ein Jahr vorher, 2001, in der Schweiz sehen, daß es sehr wohl mit leistungsabhängigen Kilometerabgaben beim Schwerverkehr geht. Am 27. September hat in der Schweiz die Abstimmung über dieses zukunftsträchtige Kostenwahrheitssystem stattgefunden. Sie aber gehen im Jahr 2002 mindestens zwei Schritte zurück, nämlich von einem modernen System der Kostenwahrheitsübertragung zu einem altmodischen, antiquierten Funkmautsystem mit hohen Investitionskosten. Ich wette, der Rechnungshofbericht wird im Jahr 2004 genau das gleiche attestieren wie 1998 bei den Mautvignetten. (Beifall bei den Grünen.)

19.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wurmitzer. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.28

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Ich habe ein Problem damit, daß ich hier der Frau Abgeordneten Moser zuhören muß, wie sie von Skandal, von eiternder Wunde, von der Bilanz eines Desasters spricht, und dann feststellen muß, daß diese Dame gar nicht im Ausschuß gewesen ist (Ruf bei der ÖVP: Darum kennt sie sich nicht aus!) und sich mit dieser Materie gar nicht beschäftigt hat. (Abg. Smolle: Kollege Wurmitzer! Sie kann ja lesen!)

Ich kenne mich auch nicht aus, was Frau Abgeordnete Moser eigentlich will. Sie hat von einer leistungsabhängigen Maut, von einem Kostenwahrheitssystem gesprochen. Bitte haben Sie den Mut und sagen Sie: Ich will das Road-pricing für alle Fahrzeuge auf Österreichs Straßen mit einem Mautsatz von 2 S pro Kilometer! Dann wissen wir wenigstens, was Sie wollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: 30 S Benzinpreis!) Oder haben Sie wie die deutschen Grünen den Mut, zu sagen: Wir wollen einen Benzinpreis, der bei 30 S oder 35 S pro Liter liegt! – Aber diesen Mut haben Sie nicht, weil Sie über die politischen Auswirkungen solcher Aussagen sehr wohl Bescheid wissen. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Das ist ein Irrweg!)

Ich möchte hier feststellen, daß heute von diesem Pult aus eine Oppositionspartei, und zwar die Freiheitliche Partei, dem Wirtschaftsminister eigentlich ein Kompliment ausgesprochen hat. Kollege Meischberger hat nämlich wortwörtlich gesagt: Man hat gelernt. – Ich glaube, das ist das Beste, was aus einem Rechnungshofbericht herauskommen kann: daß man im Rahmen von Lernprozessen aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernt! Mehr kann man ja nicht verlangen! (Beifall bei der ÖVP.)

Daß die Einführung der Vignette ein Lernprozeß war, darüber sind wir uns alle einig. Denn der Gesetzgeber hat ja etwas anderes beschlossen: Er hat das Road-pricing beschlossen, und als Übergangsmaßnahme ist dann die Mautvignette herausgekommen. Damit gab es keine internationale Erfahrung. Ich verstehe auch Kollegen Karel Smolle nicht, der meint, jetzt würden wir die Schuld auf das Beratungsunternehmen schieben. Ich gebe doch nicht Millionen Schilling aus, wenn ich selbst über eine Expertise verfüge! Wenn ich sie nicht habe, muß ich sie als Fremdleistung zukaufen. Und natürlich gibt es eine Verantwortung desjenigen, der mir die Expertise liefert! Wenn ich selbst keine habe, dann werde ich wahrscheinlich einen Experten heranziehen. – Also das ist schon ein sehr gewagtes Denkmodell!

Es gab ein Musterbeispiel, und das war die Schweiz. Sie hat nur eine Vignettenart. Österreich hat, um den Kunden gerecht zu werden, elf Typen. Natürlich hat auch der Zeitdruck die Einführung erschwert. Die Folge waren Kinderkrankheiten. Ich möchte gar nicht in Abrede stellen, daß man die Ausschreibung vielleicht etwas besser und vor allem exakter hätte machen können. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch berücksichtigen, daß das Ausland uns keine Rückendeckung gegeben hat, sondern gegen Österreich aufgetreten ist. Ich habe kein Verständnis für die Reaktionen des ADAC, der sehr wohl in Kauf nimmt, daß man für eine Fahrt von der Staatsgrenze, von Arnoldstein, bis Mailand genausoviel zahlt wie für die Jahresvignette in Österreich. Für eine einzige Fahrt! Darüber sollten wir nachdenken, wie andere Staaten mit diesem Problem umgehen. Heute ist diese Phase vorbei.

Lieber Kollege Smolle! Ich möchte auch die Frage, die du hier gestellt hast, beantworten, nämlich: Was sind die Folgen? – Ich darf sie dir nennen: Die Folgen sind, daß die Akzeptanz der Vignette in Österreich 98,5 Prozent beträgt – das kann sich sehen lassen! – und die internationale Akzeptanz, auf ausländischen Fahrzeugen, 90 Prozent ausmacht. Die Folgen sind, daß die Einnahmen, die auf 2,6 Milliarden Schilling geschätzt worden waren, 3,2 Milliarden Schilling betragen.

Wir stehen auch deshalb zur Vignette, weil sie für die Pendler und für die Berufsfahrer besser ist als das direkte Road-pricing; das muß uns klar sein. Wir stehen weiters dazu, daß diese Vignette die Finanzierung für den Ausbau des hochrangigen Straßennetzes bis zum Jahr 2001 sicherstellt, denn ohne diese Einnahmen wäre die Südautobahn in Kärnten mit 2 Milliarden Schilling nicht fertigstellbar. Auch die Umfahrung Landeck mit 2 Milliarden Schilling wäre nicht finanzierbar. Auch der Semmering-Straßentunnel mit 5 Milliarden Schilling, der die Bundesländer Kärnten und Steiermark direkt betrifft, wäre nicht finanzierbar, vom Lainbergtunnel und Selzthaltunnel möchte ich gar nicht reden.

Es hat auch deutliche Verbesserungen bei den Vertriebskosten gegeben. Sie sind von 13 Prozent auf 11 Prozent abgesenkt worden. (Zwischenruf des Abg. Wabl.) Es wurde bei der Einführung der Vignette behauptet, es werde in Österreich einen gigantischen Ausweichverkehr auf die Bundesstraßen geben. Auch das ist nicht eingetreten, dieses Ausweichen bewegt sich um null Prozent.

Die Produktionskosten für die Vignette konnten von 4,70 S auf 2,70 S abgesenkt werden. Das Vertriebsnetz wurde ausgebaut. Es gibt heute 8500 Verkaufsstellen, davon 2000 im Ausland. Es gibt ein 24-Stunden-Service an den Grenzen, es gibt auch bessere Hinweise, und – Herr Kollege Smolle, darüber solltest du dich freuen – es gibt sie auch mehrsprachig.

Ich darf also heute feststellen, daß das Vignettensystem funktioniert. Die Fälschungssicherheit ist deutlich besser als in der Schweiz. In der Schweiz beträgt die Fälschungswahrscheinlichkeit 10 bis 15 Prozent, bei uns hingegen ist sie null. (Abg. Haller: 10 Prozent fahren ohne!)

So ist also heute die Situation. Heute fragen uns andere Staaten nach den Erfahrungen, die wir bei der Einführung dieses Mautsystems gemacht haben. Unsere Nachbarländer interessieren sich heute für unsere Erfahrungen.

Und weil gestern hier von dieser Stelle aus vom Kollegen Wabl ein hysterischer Auftritt geliefert wurde und er uns alle Vorwürfe machte, die man nur machen kann, möchte ich auch dazu Stellung nehmen. – Kollege Wabl, nimm zur Kenntnis: Von den Abgeordneten der Volkspartei wurde im Zuge der gesamten Behandlung dieser Materie im Rechnungshof- und auch im Unterausschuß nie ein Gesetz verletzt. Das ist Nummer eins. Zweitens nimm zur Kenntnis: Es wurde auch die Geschäftsordnung nie verletzt. (Abg. Smolle: Aber Auskunftspersonen verweigert!) Wenn ihr Mehrheitsbeschlüsse als Demokratieverweigerung auslegt, dann werden wir noch öfter eine Demokratieverweigerung erleben in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Smolle: Herr Kollege Wurmitzer, wollen Sie denn nicht wissen, was wirklich gespielt wird?)

Ich muß aber sehr wohl der Wahrheit gerecht werden und hier betonen, daß ich wiederholt genötigt war, Auskunftspersonen vor den Übergriffen des Abgeordneten Wabl in Schutz zu nehmen. Das war eine Katastrophe, muß ich sagen. Es wurden auch sehr "linke" Methoden angewendet, sehr miese Methoden angewendet, um Auskunftspersonen, die der Ausschuß nicht zugelassen hat, doch zu Wort kommen zu lassen. (Abg. Wabl: Eine miese Unterstellung ist das!) Man hat sie zuerst als Auskunftspersonen vorgeschlagen, und nachdem sie vom Ausschuß abgelehnt worden waren, hat man sie als Fraktionsexperten zu Wort kommen lassen. – Diese Methoden, Kollege Wabl, sind es, die eine Zusammenarbeit, eine Kooperation in diesem Ausschuß unmöglich machen. Nimm das auch zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Smolle: Das sieht die Geschäftsordnung ja vor!)

19.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.35

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister ist, das möchte ich einleitend festhalten, Vollzieher eines faulen Kompromisses, eines Kompromisses, der, wie wir sehen und schon mehrfach belegen konnten, das Ergebnis mühseliger Verhandlungen zwischen dem seinerzeitigen Minister Ditz und dem damaligen Finanzminister Klima ist. Es wurde monatelang hin- und hergestritten. Das hat Österreich, soweit ich mich erinnere, drei Monate lang ganz schön auf Trab gehalten, und es kam monatelang auch nichts Rechtes dabei heraus. Das sollte man auch in Erinnerung rufen, wenn heute die Maut insbesondere von ÖVP-Seite als das Allheilmittel zur Lösung der Straßenfinanzierungsprobleme in den Himmel gehoben wird.

Niemand von der ÖVP, niemand von der SPÖ gibt zu, daß bereits ein ausreichendes Instrumentarium vorhanden ist, den Autofahrer zur Kasse zu bitten. Das geschieht seit vielen Jahren in Form der Mineralölsteuer, aber jeder tut, als müßte man den Autofahrer nun nochmals zusätzlich zur Kasse bitten und in einem Jahr noch einmal eine Mauterhöhung vornehmen. Es scheint in Vergessenheit zu geraten, daß das hochrangige Straßenverkehrsnetz schon seit vielen Jahren in erster Linie von den privaten Autofahrern finanziert wird, das ist in den Gehirnen einfach nicht mehr drinnen. Das ist eigentlich eine erschütternde Tatsache, und ich erlaube mir daher an dieser Stelle, das einmal in Erinnerung zu rufen.

Herr Bundesminister! Die Kernpunkte des Rechnungshofberichtes sind ganz eindeutig. Es handelt sich um einen negativen Bericht: Es gab Fehler bei der Beurteilung der Angebote zur Herstellung, unplausible Verhaltensannahmen und fehlerhafte Umrechnungen bei der Bedarfsermittlung – unter Mitverantwortung der im Wirtschaftsministerium eingerichteten begleitenden Gremien. Viertens ist ein unsensibler Umgang mit den Betroffenen im Zusammenhang mit der Bewältigung und Aufarbeitung des Problems festzustellen.

Das sind die vier Kritikpunkte des Rechnungshofberichtes, und die kann man nicht einfach ignorieren. Das möchte ich auch an die Adresse der beiden Beschwichtigungshofräte Professor Lukesch und Kollegen Brix sagen. Ich möchte Ihnen das ins Stammbuch schreiben. Das sind einfach Fakten, meine Herren, die man nicht ignorieren kann. Das sind Fakten, daran gibt es nichts zu deuteln und zu interpretieren, die muß man zur Kenntnis nehmen.

Aber abgesehen von den Fakten, die hier vorliegen, meine Damen und Herren, bleibt natürlich die Frage offen: Wie geht man mit dem Problem um, welche Konsequenzen gibt es daraus?

Ich habe zwar im Ausschuß vernommen, Herr Bundesminister, daß Sie gesagt haben, Sie haben dieses und jenes gemacht, aber die richtigen Konsequenzen vermissen wir eigentlich bis heute. Was haben Sie gemacht? – Sie haben ein paar Kästchen hin- und hergeschoben in Ihrem Ministerium, haben die ÖSG aufgelöst, die Kompetenzen zwischen der ÖSAG und der ASAG neu verteilt. Dann haben Sie in letzter Minute noch eine Änderung bei der ASFINAG herbeigeführt. Aber das eigentliche Problem wurde nicht gelöst. Das eigentliche Problem, daß es sich hier um Managementfehler handelt, und zwar um gravierende Managementfehler, wurde nicht angegangen. Wenn dieses Mautproblem einer wirklich privaten Gesellschaft übertragen worden wäre, die nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu handeln hätte, dann wäre ihr Management nach einer solchen Misere hochkantig hinausgeflogen. Das muß ich auch einmal mit aller Deutlichkeit sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Ihrem Ministerium agieren im geschützten Bereich "Schauspieler", die sich auch noch brüsten, die völlig unangebracht verbale Beruhigungspillen verteilt haben in einer Situation, in der es wirklich nichts mehr zu lachen gegeben hat, in der Zigtausende Urlauber, Hunderttausende Österreicher in der Vignetten-Falle saßen, Herr Bundesminister. Daher kann ich auch nicht verstehen, daß Kollege Lukesch sagt, man habe das vorbildhaft gemacht. "Vorbildhaft" war es eigentlich schon, nämlich als negatives Lehrbeispiel, wie man es nicht machen soll. Von einem durchschlagenden Erfolg, meine Damen und Herren, kann in diesem Zusammenhang wirklich nicht die Rede sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mir bleibt nur zu hoffen, Herr Bundesminister, daß vielleicht doch eines Tages der Wunsch in Erfüllung geht, daß es gelingt, das Problembewußtsein bei der Einführung solch großer Projekte etwas mehr zu schärfen. Denn ich gebe zu, die Einführung eines komplexen Mautsystems ist keine leichte Aufgabe. Eine Konsequenz aus dem Ganzen wäre vielleicht, daß man das nächste Mal ein solches Projekt nicht unter enormem Zeitdruck durchboxt, sodaß dann auch kein Redner von diesem Pult aus sagen muß: Ja, wir waren unter Zeitdruck.

Meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ! Diesen Zeitdruck haben Sie sich selbst zuzuschreiben. Sie brauchen nicht an andere zu appellieren, denn das ist schon auf Ihrem Mist gewachsen. Dabei will ich es auch für heute bewenden lassen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edler. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.41

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Firlinger! Sie verallgemeinern immer, Sie sprechen von Managerfehlern, Sie sprechen Fehler im Bundesdienst an. Aber Fehler werden überall gemacht, auch in der Privatwirtschaft. Wir hätten viel weniger Schwierigkeiten, wenn es dort nicht Konkurse, Ausgleiche und dergleichen gäbe. – Das nur zum Einstieg, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nun zum Rechnungshofbericht Stellung nehmen und vor allem das Positive in den Vordergrund stellen. Ich glaube, heute kann man, nach all den Schwierigkeiten bei der Einführung der Vignette, sagen, daß, wie schon Kollege Wurmitzer gemeint hat, die österreichischen Autofahrer die Vignette annehmen, daß sie sie als ihren persönlichen Beitrag zur Kostenwahrheit im Verkehr betrachten. Sie erwarten aber auch eine faire Behandlung, und sie erwarten, daß diese Mittel – und das sind über 3 Milliarden Schilling – auch entsprechend eingesetzt werden, also für den Lückenschluß im österreichischen hochrangigen Straßennetz. Ich bin der Meinung, daß das auch tatsächlich geschieht.

Meine Damen und Herren! Ich bedauere nur – und es wurde heute bereits erwähnt, besonders vom Kollegen Brix –, daß wir das Road-pricing für den Lkw nicht umgesetzt haben. Es steht zwar im Koalitionsabkommen, wir haben es aber in der Koalitionsregierung leider nicht umsetzen können; das muß man auch selbstkritisch anmerken. Ich glaube aber, eine solche Regelung wäre vertretbar gewesen. Wir haben allen Österreicherinnen und Österreichern im Rahmen der Strukturanpassungsgesetze vieles abverlangt, und wir hätten auch diese Minimalkosten im Bereich des Schwerverkehrs im Sinne einer Kostenwahrheit ohne weiteres zeitgerecht umsetzen können. Leider war das aber nicht möglich. Ich hoffe nur, Herr Bundesminister, daß wir in der Lage sein werden, das 2001 entsprechend umzusetzen, in Abstimmung mit den anderen EU-Ländern, denn wir müssen ja europaweit denken.

Meine Damen und Herren! Nur noch einige kritische Anmerkungen. Meine Äußerung im Ausschuß, daß man im Zusammenhang mit der Einführung der Vignette dilettantisch vorgegangen sei, war vielleicht ein bißchen übertrieben. Aber ich wiederhole, daß meiner Meinung nach jene, die vom Bundesminister oder seinen Beamten beauftragt worden sind, die ASAG und die ÖSAG, die Mauterrichtungsgesellschaft und die Beraterfirmen vermutlich dilettantisch vorgegangen sind, sonst wäre es nicht zu diesem Chaos gekommen. Wenn man sich allein die Mengenerhebung und die Datengrundlagen im Rechnungshofbericht ansieht, stellt man fest, daß in diesem Bereich gravierende Fehler passiert sind, und das ist nicht zu vertreten.

Meine Damen und Herren, zusammengefaßt: Es ist schade, daß Österreich damals – es war gerade Ferienzeit, Weihnachtszeit – in Europa in negativer Weise in aller Munde war. Das hat unserem Ansehen sicherlich geschadet. Wir müssen in Zukunft aufpassen, daß, wenn wir vernünftige Maßnahmen setzen, diese nicht in einer Weise umgesetzt werden, die Anlaß zu so großer Kritik gibt. Trotzdem war die Entscheidung insgesamt richtig.

Für die Zukunft fordere ich, daß, wie ich bereits ausgeführt habe, das Road-pricing ehest – spätestens 2001 – umgesetzt wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.45

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Über die im Rechnungshofbericht aufgezeigten vermeidbaren Fehler, wie beispielsweise die Verwendung ungeeigneter Datenmaterialien, unplausible Verhaltensmaßnahmen, fehlerhafte Umrechnungen oder unklare Vergaben, ist ja bereits genug gesprochen worden. Ich möchte das auch nicht wiederholen. Fehler macht jeder. Aber, Herr Edler, weil ich Sie gerade sehe, die verstaatlichte Industrie ging zugrunde, die private Wirtschaft hingegen existiert noch.

Herr Bundesminister! Wie schon gesagt, jeder macht Fehler. Das ist nicht die Frage. Außerdem haben Sie diese Organisation an sich von Ihrem Vorgänger Dr. Ditz übernommen. Aber ich verurteile die Ignoranz von Informationen, die diese Vignetten-Probleme aufgezeigt haben, und ich verurteile das Festhalten an falschen Maßnahmen zu einem Zeitpunkt, als die Fehler bereits klar waren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es war ja nicht so, daß man das erst nachträglich gemacht hat.

Herr Bundesminister! Mein hauptsächlicher Vorwurf aber zielt auf die fehlenden Begleitmaßnahmen, die die Nachteile der Vignette für Bürger und Wirtschaft mildern würden, ab.

Erstens ignorieren Sie und die Mehrheit des Parlaments die Probleme und Auswirkungen der Mautflüchtlinge. – Ein Beispiel aus Vorarlberg: Auf der Strecke Lochau – Höchst sind etwa 84 Prozent der ausländischen Fahrzeuge auf der niederrangigen Straße beim Einfahren und beim Ausfahren ohne Vignette gezählt worden. Das sind eben Mautflüchtlinge, die eine unzumutbare Belästigung für die Anrainer im Hinblick auf Lärm und Abgase darstellen, und sie mindern auch erheblich die Wohnqualität der dort lebenden Menschen.

Außerdem erleidet die dortige Wirtschaft auch wirtschaftlichen Schaden durch überlange Stauzeiten im Quellverkehr. Sie müssen ja nur die Nachrichten hören – Sie hören das sicher auch auf Ihren Reisen –: Immer wieder Stau auf der Strecke Lochau – Bregenz.

Zweitens ignorieren Sie – oder vielleicht nicht einmal Sie, denn Sie haben ja einige Anläufe genommen – vor allem die Regierung, die grenznahen Tourismusbetriebe, die dann Umsätze verloren haben, wenn sie nur über die Autobahn und damit also mit einem Mautpickerl gut erreichbar sind. Die Veranstalter haben einfach andere Destinationen gewählt.

Drittens, Herr Bundesminister, haben Sie die Wünsche der Bürger über Mautfreistellung zwar verstanden, aber keine Maßnahmen gesetzt oder sich im Ministerrat nicht durchgesetzt, obwohl Sie bereits für das Jahr 1997 Zusagen bezüglich einer Lösung der Probleme gemacht haben. Sie haben lieber in Kauf genommen, daß beispielsweise eine deutsche Wochenendurlauberin auf den 400 Metern zwischen der Zollstelle Hörbranz und der Abfahrt auf das niederrangige Straßennetz erwischt wurde und dann eine Woche im Vorarlberger Arrest verbracht hat. Dieser Imageschaden konnte auch durch eine 14-tägige Einladung des Vorarlberg-Tourismus nicht wettgemacht werden, so umfangreich waren die Schlagzeilen in Deutschland und das Gelächter hiezu.

Und zu den Ausführungen von Professor Lukesch kann ich nur sagen, ich würde ihm empfehlen, seine Darstellung einem Werbeinstitut oder einer Werbeagentur zu verkaufen, vielleicht macht er damit Geld. Für mich war das nicht überzeugend. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Viertens, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, haben Sie alle Anträge, auch mehrfach eingebrachte Entschließungsanträge der Freiheitlichen über die Verhinderung der Doppelmaut, über Mautfreistellung von grenznahen Straßenabschnitten, über Hilfen für die Tourismuswirtschaft oder Regelung für Wechselkennzeichen abgelehnt.

Und vor allem aber an die ÖVP gerichtet: All diese Ablehnungen haben Sie auch noch doppelzüngig begleitet. Wie sonst sollte ich die Ablehnung meines Antrages bezüglich Mautfreistellung durch Abgeordneten Kopf hier im Nationalrat, und zwar am 12. November 1997, interpretieren? – Da sitzt er ja noch. Ich habe geglaubt, du hast schon den Zug nach Vorarlberg genommen. (Abg. Schwarzenberger: Der ist gewissenhafter als Sie!) – Ich kann das nur so interpretieren, denn wenn du hier meinen Antrag ablehnst, aber gleichzeitig der Presse gegenüber von der "skandalösen Behandlung legitimer Interessen" und deiner "bitteren Enttäuschung über die SPÖ-Ablehnung in dieser Causa" sprichst, hättest du auch unserem Antrag hier zustimmen müssen. Das aber, mein lieber Freund, war doppelzüngig. Das ist gegen die Interessen der Bürger, das ist gegen die Interessen auch der Vorarlberger Wirtschaft, das ist überhaupt gar keine Frage, gegen die Interessen der österreichischen Wirtschaft insgesamt.

Daher möchte ich abschließend erneut folgenden Entschließungsantrag einbringen – du kannst dann beweisen, daß du es mit uns hältst und eine Verbesserung der Situation in Vorarlberg wünschst –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Nußbaumer, Haller und Kollegen betreffend die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Mautfreistellung für die Benützung von grenznahen Straßenabschnitten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu setzen, die eine Mautfreistellung für die Benützung grenznaher Straßenabschnitte entsprechend dem Antrag 596/A der Abgeordneten Ing. Nußbaumer, Haller und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird, zum ehestmöglichen Zeitpunkt, spätestens jedoch bis 17. Dezember 1998, ermöglichen."

*****

Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.52

...Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Wallner das Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.52

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren den Rechnungshofbericht über die Einführung der Mautvignette. Ich möchte anfangs noch einmal klarstellen, daß sich die sozialdemokratische Fraktion selbstverständlich zur Einführung der Vignette für Pkw bekennt, trotzdem muß Kritik an den Vorgängen bei der Einführung der Mautvignette geübt werden und auch erlaubt sein.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch aus meiner Sicht festhalten, daß ich die Einführung des Road-pricing für Pkw auch aufgrund der von der Bevölkerung zahlreich unterstützten Aktionen von Autofahrerklubs und eindeutigen Meinungsäußerungen für nicht zielführend erachte, weil ich auch glaube, daß, so wie es ursprünglich beabsichtigt war, das Road-pricing für Pkw nicht sozial ist. Sehr wohl aber bin ich für die Einführung von Road-pricing für Lkw und befürworte ebenso als Zwischenlösung die Einführung der Mautvignette für Lkw, wie es heute bereits die Vorredner meiner Fraktion eindeutig dargelegt haben.

Meine Damen und Herren! Ich finde, daß die Einnahmen aus dem Vignettenverkauf eine positive Seite haben, da sie zur Finanzierung von wichtigen Lückenschlüssen auf dem hochrangigen Straßennetz verwendet werden. Ich kann aus steirischer Sicht sagen, daß es sicherlich positiv ist, daß es zum Bau des Semmering-Straßentunnels kommt, wiewohl ich aber meine Enttäuschung darüber nicht verhehlen möchte, daß der Bau des Bahntunnels durch den Semmering aus Gründen, die ich wirklich nicht mehr nachvollziehen kann, noch immer verzögert wird. Ich denke mir, daß der Bau des Bahntunnels durch den Semmering ein wichtiger Beitrag zur vielzitierten Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene wäre.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch erwähnen, daß man doch nicht außer acht lassen kann, daß es gerade auf steirischer Seite des Semmerings so viele wichtige Industriebetriebe gibt, die wesentlich zur Wirtschaftskraft Österreichs beitragen, und diese möchte man nun ganz einfach von den Hauptverkehrsadern abschneiden. Das ist nicht richtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wie dem Rechnungshofbericht eindeutig zu entnehmen ist, wurden bei der Einführung der Mautvignette grobe Fehler gemacht. Zu diesen Fehlern – ich möchte sie nur stichwortartig aufzählen – ist sicherlich die Gründung einer eigenen Mauterrichtungsgesellschaft zu zählen. Herr Dr. Schenz, der Aufsichtsratspräsident der ÖSAG, hat sinngemäß gesagt, daß man so etwas in der Privatwirtschaft nicht tun würde. Man hat sich also für die zweitbeste Lösung entschieden. Es ist dies eine Konstruktion ohne klare Führungs- und Verantwortungsstruktur gewesen, wie sie im privaten Bereich sicherlich nicht eingerichtet worden wäre. Daher ist die Konsequenz, die der Herr Minister daraus gezogen hat, nämlich diese Mauterrichtungsgesellschaft abzuschaffen, richtig gewesen.

Meine Damen und Herren! Auch bei der Schätzung des Bedarfs an Vignetten kam es zu Fehlkalkulationen. Die Hauptverantwortung liegt sicherlich im Bereich des Beratungsunternehmens in München, aber es ist auch kritisch zu vermerken, daß die begleitenden Steuerungsgremien aus dem Wirtschaftsministerium auch nicht kooperativ waren und sogar die Herausgabe von entscheidendem Datenmaterial verweigert haben. Das ist ein Punkt, der sicherlich sehr zu kritisieren ist.

Bei der anschließenden Auftragsvergabe zur Herstellung der Vignette ist – das möchte ich so formulieren – die Alpenstraßen AG zumindest sehr tolpatschig vorgegangen. Sie hat die Ausschreibungsbestimmungen nur mangelhaft festgelegt, bei der Angebotseröffnung sind nicht registrierte Alternativangebote nicht einbezogen worden, seltsamerweise haben aber dann diese Alternativangebote den Zuschlag bekommen. – Das ist eine Praxis, die sicherlich dem Bundesvergabegesetz 1993 widerspricht. Auch kam es zu einigen Mängeln bei der Produktion und beim Vertrieb der Vignetten.

Meine Damen und Herren! Nun etwas selbstkritisch an uns selbst gerichtet: Der Einführungstermin 1. Jänner 1997 war sicherlich nicht optimal und hat sicherlich auch dazu beigetragen, daß der Start dieses Vignettenverkaufs schlecht war. Man muß bedenken, es war Weihnachtszeit, Jahreswechsel, Ferienzeit bei uns und auch bei unseren wichtigsten Nachbarländern, und die daraus erwachsenden Touristenströme waren vorhersehbar. Das war also sicherlich ein ungünstiger Zeitpunkt für den Start und hat uns auch finanzielle Probleme gebracht und einen Imageschaden im Ausland eingetragen. Ich begrüße, daß die ÖSAG nun bekanntgegeben hat, daß sich die Öffentlichkeitsarbeit verbessern wird. Man wird sich mit den Tourismusverbänden besser koordinieren.

Zum Schluß vielleicht etwas Positives: Der Herr Minister hat uns berichtet – das spricht für die Lernfähigkeit Österreichs –, daß jetzt in unseren Nachbarstaaten Österreicher Seminare über die Einführung der Mautvignette in Österreich abhalten und den benachbarten Staaten zeigen, wie es eigentlich gehen sollte und welche Fehler, die wir selbst begangen haben, in Zukunft vermieden werden sollen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Farnleitner. – Bitte, Herr Bundesminister.

19.58

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich kurz in Erinnerung rufen, daß wir unter großem Druck gestanden sind, diese Vignette einzuführen, weil sehr viele Bauprojekte auf ihren Start warteten und wir damals Arbeitsplatzsicherung groß auf unsere Fahnen geschrieben hatten, zudem waren auch diverse Projekte des Lückenschlusses längst überfällig. Wir können bei jeder dieser Maßnahmen, egal, welchen Tunnel wir momentan eröffnen oder im Bau haben, eine sehr hohe Akzeptanz sowohl der durchfahrenden als auch der anwohnenden Bevölkerung verzeichnen.

Derzeit ist es so, daß wir unsere Experten kaum mehr halten können, weil sie unseren Nachbarländern in dieser Sache Rat geben sollen. Dies zeigt, daß von unserem Beispiel andere sehr viel profitieren werden. Und ich bitte, mir folgendes nicht übelzunehmen: Vielleicht können wir dann, wenn wir das Road-pricing einführen, einige der Damen und Herren, die hier gesprochen haben und alles besser wissen, als Konsulenten verwenden, wenn sie dann in die Wirtschaft als Konsulentenunternehmen gehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ganz schön frech!)

Ich habe damals im Einvernehmen mit dem damaligen Finanzminister die Vignette für einige Wochen sistiert. (Abg. Dr. Kostelka: Ist das lustig?) Wir haben dann die Mautgesellschaft ÖMG sofort aufgelöst, die ASG aus der Verantwortung entbunden, weil die beiden Straßengesellschaften nicht ordentlich miteinander gearbeitet haben. Wir haben – das ist eine wichtige rechtspolitische Frage – es hier mit Aktiengesellschaften zu tun. Die einzige Konsequenz, die der Eigentümer ziehen kann, ist, den Aufsichtsrat auszuwechseln und nicht den Vorstand direkt hinauszuwerfen. Das soll mir rechtlich einmal jemand vormachen, wie das geht, wenn man das Aktienrecht nicht einhalten möchte.

Wir haben alle Maßnahmen aufgrund dieser neuen Umbesetzungen in die Wege geleitet, sodaß wir heute sinkende Produktionskosten und deutlich sinkende Vertriebskosten haben. Das heißt, unser Modell ist in der Zwischenzeit außerordentlich kosteneffizient geworden.

Ein paar Dinge möchte ich schon anmerken. Für den Einleitungsbeginn 2002 sind alle Aufträge in Richtung Road-pricing vergeben. Wir hoffen sehr, daß manche Entwicklungen in den Nachbarländern zu einer Beschleunigung dieser Prozesse führen werden.

Zu Herrn Abgeordneten Nußbaumer möchte ich sagen: Ich habe letztens in Vorarlberg selbst zwei Erfahrungen gemacht. Erstens zahlen dieselben Deutschen, die durch Vorarlberg in die Schweiz einkaufen oder auf einen Kaffee fahren, dort lustig die Jahresvignette und regen sich in Österreich über eine 10 Tages-Vignette auf. Wenn man diese Art von Nachbarschaftskunden hat, dann, muß ich sagen, ist das wirklich ein bißchen pharisäisch.

Zum zweiten: Ich fuhr mit einem mehrere Autos benützenden Vorarlberger in die Schweiz, der vor der Grenze seinen Kofferraumdeckel aufgemacht, die Schweizer Vignette herausgenommen, zungenmäßig befeuchtet, angeklebt hat und in die Schweiz gefahren ist. Und genau dieses System wollten wir in Österreich nicht haben. (Abg. Schieder: Schöne Freunde haben Sie, Herr Minister!) – Ich wurde von jemandem kommerziell dorthin geführt, um das noch deutlicher zu sagen. (Abg. Ing. Nußbaumer: Kommerziell!)

Daher: Die Innovation mancher Vignettennutzer beweist, daß wir in Österreich richtig gehandelt haben. (Abg. Ing. Nußbaumer: Ich habe beide Vignetten, die österreichische und die Schweizerische, und beide bekomme ich nicht von der Scheibe!) – Wenn Sie diese haben, ist es schön. Dann haben Sie keinen ordentlichen, nassen Schwamm. Ich zeige es Ihnen gerne einmal.

Meine Schlußfolgerung, meine Damen und Herren, ist: Es war nicht einfach, dieses Ding einzuführen. Es ist in der Zwischenzeit eine europäische Erfolgsstory geworden. Ich hoffe, daß wir beim Road-pricing für Lkws dadurch, daß wir es gründlich vorbereiten, nicht in Zeitdruck geraten.

Letzter Punkt: Vielleicht sagen wir – es wurde hier auch gesagt, das war damals beschlossen –, daß wir auch für Pkws das System des Road-pricing einführen. Vielleicht sagt irgendwann einmal jemand, das war gescheit, daß wir den Druck weggenommen haben, denn das hätte die österreichische Bevölkerung nicht akzeptiert, während sie die Vignette akzeptiert hat. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht (III-138 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall, daß Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies geschieht mehrheitlich. Der Bericht ist damit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Nußbaumer und Genossen betreffend die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur (Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!) – ich darf es noch fertiglesen – Mautfreistellung für die Benützung von grenznahen Straßenabschnitten.

Wir sind im Abstimmungsverfahren: Eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung ist da nicht möglich. (Abg. Dr. Kostelka: Oja, Herr Präsident!) – Doch? – Ja, Sie haben recht. – Bitte, zur Geschäftsbehandlung Herr Abgeordneter Dr. Kostelka.

20.04

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich bin genau zu diesem Zeitpunkt verpflichtet, meinen Wunsch gemäß § 66 Abs. 3 auf Auszählung der Stimmen anzumelden, wobei ich lediglich auf die Feststellung der Pro-Stimmen Wert lege.

20.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Ihnen zunächst eine falsche Belehrung erteilen wollte. – Es ist also eine Auszählung der Stimmen verlangt worden.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung, und ich bitte dieses Zeichen so zu geben, daß wir auch auszählen können. (Abg. Dr. Krüger hebt beide Hände in die Höhe. – Heiterkeit.) – Herr Abgeordneter Krüger! Falls Sie dem Irrtum unterliegen, daß Sie zwei Stimmen abgeben können, muß ich Sie enttäuschen.

Wir zählen jetzt aus. – Es gab 15 Pro-Stimmen. Der Antrag ist daher in der Minderheit geblieben. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Stippel: So "ernst" nehmen die Freiheitlichen das Parlament!)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 869/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1417 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 876/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1418 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 764/A(E) der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug (1419 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten daher in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.06

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! (Abg. Koppler: Sind Sie jetzt eine von den 15?) – Natürlich, ich bin immer da! (Abg. Koppler: Dann kann ich ja gehen!) Sechs Punkte waren es, die bei der Sitzung des Sozialausschusses am 2. Oktober behandelt wurden. Diese Sitzung fand an einem Freitag nachmittag statt, und damals war die Anwesenheit der Vertreter der Regierungsparteien nicht gerade als gut zu bezeichnen. Die Grünen haben überhaupt gefehlt. Damals waren die Freiheitlichen vollzählig anwesend, Herr Kollege Feurstein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei SPÖ und ÖVP.) – Man muß ein bißchen etwas zurückgeben, das ist ganz klar.

Drei Punkte von diesen sechs Punkten, Herr Kollege Feurstein, stehen heute und jetzt hier zur Behandlung. Wenn man versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, so wie ich das fast immer tue, dann wirft allein diese Tatsache, sogar bei objektivster Betrachtungsweise, ein bezeichnendes Bild auf die Arbeitsweise dieser Regierung.

Fangen wir mit der ÖVP an, Herr Kollege Feurstein! Die ÖVP hat einen Bundesminister – nicht in diesem Ressort, sondern in einem anderen –, der in letzter Zeit immer wieder Anträge und Vorschläge von den Freiheitlichen abkupfert. Es ist dies Minister Bartenstein. – Karenzgeld für alle, Durchrechnungszeiten bei den Zuverdienstmöglichkeiten zum Karenzgeld sind freiheitliche Forderungen.

Die SPÖ wiederum, die in diesem Bereich die Ministerin stellt, also für das Ministerium zuständig ist, entschuldigt sich dafür, daß das Internationale Protokoll über die Arbeitsaufsicht aus dem Jahre 1995 erst im Jahre 1998 behandelt wird, und zwar deswegen, weil man drei Jahre für die Übersetzung und für die Begutachtung gebraucht hat. Man entschuldigt sich weiters dafür, daß es in diesen drei Jahren anscheinend nicht möglich war, die Länder hinsichtlich der Regelung zum Bedienstetenschutz auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen. Deshalb wurde der Antrag vertagt.

Die SPÖ, nein, eigentlich beide Regierungsparteien entschuldigen sich weiterhin, und zwar hinsichtlich des Antrages, den Herr Kollege Kier eingebracht hat, der ein absolut vernünftiger Antrag ist, bei dem es um die Verbesserung der Berichts- und Behebungspraxis in den Ministerien beim Bundesbedienstetenschutz geht. Niemand hat verneint, daß das ein vernünftiger Antrag ist, aber die Regierungparteien wollten diesen Antrag vertagt sehen, weil eine Regierungsvorlage in Ausarbeitung ist. – Wäre es nicht sinnvoll, eine vernünftige Anregung gleich in die Regierungsvorlage mitaufzunehmen und nicht aus parteitaktischen Gründen den Antrag zurückzustellen?

Aber es geht weiter. Letzter Punkt: Reparatur Arbeiterkammergesetz. Erst im Frühsommer dieses Jahres hat es in diesem Bereich eine Novellierung gegeben. Dabei hat man einfach vergessen, einen Paragraphen, der bereits im Ausschuß beschlossen wurde, in den Bericht aufzunehmen. Da ist man erst nachher draufgekommen. Man ist dann noch draufgekommen, daß einige technische Verbesserungen möglich wären, und daher repariert man jetzt wieder die Reparatur.

Dem Abänderungsantrag Kier auf Einführung des passiven Ausländerwahlrechts konnten wir Freiheitlichen natürlich nicht zustimmen. (Abg. Smolle: Warum nicht?) Aber es geht weiter. (Abg. Smolle: Frau Kollegin! Warum nicht?) – Aus Überzeugung, Herr Smolle! (Abg. Smolle: Was heißt "Überzeugung"? Begründen Sie! Können Sie keine Begründung dafür liefern?) – Es geht weiter mit dem Thema Ausländer, Herr Kollege!

Im Juli 1998 hat das Parlament aufgrund einer Entscheidung (Abg. Smolle: Finden Sie es nicht vernünftig, daß die das Wahlrecht haben?) – ich bin jetzt am Wort, Sie können schreien, wie Sie wollen – des Europäischen Menschengerichtshofes (Abg. Smolle: Begründen Sie doch!) eine Regelung der Notstandshilfe im Arbeitslosenversicherungsgesetz geschaffen, die zugunsten der Ausländer ausfällt. Nachträglich ist man draufgekommen, daß diese Regelung auch ausländische Frauen benachteiligen könnte, weil innerhalb dieser erforderlichen Rahmenfrist, das heißt, innerhalb der erforderlichen Tätigkeit von acht Jahren, die Karenzzeiten nicht berücksichtigt wurden.

Viele Frauen können das nicht sein, hat Kollege Kiermaier im Ausschuß gesagt, die davon profitieren können. (Zwischenruf der Abg. Reitsamer.) – Es war einer Ihrer Kollegen, Frau Kollegin Reitsamer! Auf die zweimalige Frage, wie viele Ausländer ... (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Na gut. Entschuldigung, Sie waren es nicht, aber es war einer Ihrer sozialdemokratischen Kollegen, das wurde mir auch bestätigt. Nein! Ihr Nachbar war es, Ihr Nachbar war es. Aber lassen Sie mich bei der Sache bleiben, bitte, ich mache das bei Ihnen ja auch.

Kollege Haupt hat zweimal gefragt, wie viele Frauen von dieser Regelung in Zukunft profitieren werden, wie viele Inländerinnen und wie viele Ausländerinnen das sein könnten. Er hat keine Antwort erhalten (Abg. Dr. Feurstein: Wir haben es beantwortet! Doch, es wurde beantwortet!), und auch der schriftlichen Antwort aus dem Ministerium konnten wir nichts entnehmen.

Ich sage Ihnen eines: Es tut mir schon weh (Abg. Smolle: Aber an der falschen Stelle!), wenn man in dieser Regierung sofort dazu bereit ist, gesetzliche Härten für Ausländerinnen zu beseitigen, aber im Bereich der gesetzlichen Härten für Österreicherinnen gibt es zum Beispiel bis heute noch keine gesetzliche Regelung für Frauen mit Betreuungspflichten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und das ist eine Benachteiligung der österreichischen Frauen, die hier stattfindet! (Abg. Smolle: Machen wir beides, Frau Kollegin!)

Es geht noch weiter. (Abg. Smolle: Machen wir doch beides, Frau Kollegin! – Abg. Dr. Partik-Pablé – zu Abg. Smolle –: So hören Sie doch einmal zu!) Ich möchte ganz kurz auf den Antrag der Freiheitlichen zur Durchrechnung beim Zuverdienst zum Karenzgeldbezug zu sprechen kommen, den wir ja nicht zum ersten Mal gestellt haben. Von seiten der Beamten hat man gesagt, das wäre eine schlechtere Regelung, weil der dadurch entstehende Grenzwert mit 61 000 S zu niedrig angesetzt wäre. Kollege Feurstein hat uns sehr wortreich zu überzeugen versucht, daß die Regelung, die wir haben wollen, nur für die Gutverdienenden wäre. – Das stimmt einfach nicht, Kollege Feurstein. (Abg. Dr. Feurstein: Das stimmt!)

Denn man muß davon ausgehen, daß wir natürlich die derzeitigen gesetzlichen Grundlagen als Basis genommen haben, was den Grenzwert verändern würde. Wir haben uns die Mühe gemacht, Beispiele für Nebeneinkommen auszuarbeiten, und diese beweisen einwandfrei, daß bis zu einer Grenze von zirka 90 000 S unsere Variante unter diversen Modellen die bessere ist und daß erst bei den Hochverdienenden die derzeitige Variante für die Betroffenen günstiger ist. (Abg. Steibl: Das stimmt doch! Weil sie vielleicht um 10 S mehr verdienen ...!)

Folgendes tut mir in diesem Bereich besonders weh, nämlich daß die derzeitige Regelung – und dies ist uns ja allen klar – nicht angenommen wird, weil sie eine Überregulierung darstellt, und daß dadurch die Schwarzarbeit begünstigt wird!

Herr Kollege Feurstein! Das sind Fakten, und dazu stehen Sie anscheinend. Ihr Familienminister Bartenstein hat sich das jetzt anders überlegt, und anscheinend findet er unseren freiheitlichen Vorschlag gut, denn er hat ihn eins zu eins übernommen, wie es gestern in den "Oberösterreichischen Nachrichten" zu lesen war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Smolle: Das war ein sehr dünner Applaus bei der FPÖ! – Ruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

20.13

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Kollegin Haller hat offensichtlich ein Zählproblem. Ich darf Sie daran erinnern, Frau Kollegin Haller, daß beide Regierungsfraktionen im Ausschuß ausreichend vertreten waren – zahlenmäßig ausreichend, wiewohl es Vertretungen gegeben hat. Was Kollegen Öllinger von den Grünen betrifft, so habe ich zu Beginn der Sitzung gesagt, daß er erkrankt ist (Abg. Haller: Er war es ja auch!) und daß am Freitag keine Vertretung mehr gefunden werden konnte. Außerdem – weil Sie den Freitagnachmittag bekritteln –: Es war eine einvernehmliche Einberufung! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben aber auch ein Geschäftsordnungsproblem, Frau Kollegin Haller. Wenn Sie beklagen, daß wir sechs Punkte auf der Ausschußtagesordnung hatten, haben Sie offensichtlich noch nicht mitbekommen, daß man Berichte im Ausschuß enderledigen kann. Das scheint Ihnen auch neu zu sein. So sei es. Aber weil wir eben von den Regierungsfraktionen so dünn besetzt waren, bringen Sie auch die Kollegen schon durcheinander. – Lassen wir das. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Seidinger: Wo ist sie denn? Wo ist sie denn?)

Ich möchte kurz zum Arbeiterkammergesetz Stellung nehmen. Bei dieser Novelle geht es um zwei Punkte: zum einen um die Behebung redaktioneller Versehen, die gerade durch die Anwendung von Computern passieren können. Wichtiger ist mir aber die inhaltliche Ergänzung. Diese ist bedingt durch eine völlig neue Situation, nämlich die unterschiedlichen Wahltermine bei den einzelnen Länder-AKs. Hier geht darum, daß sich das Wahlergebnis und damit der Wählerwille unmittelbar in der Zusammensetzung der Hauptversammlung auswirkt. Das ist sicher eine notwendige und wichtige Anpassung. Nach der Neuwahl einer Vollversammlung hat der Vorstand die von der jeweiligen Kammer in die Bundesarbeiterkammer-Hauptversammlung zu entsendenden Kammerräte neu zu bestellen. – Das in aller Kürze.

Ich komme nun zum Arbeitslosenversicherungsgesetz. Hier gibt es zwei wichtige Änderungen hinsichtlich des Anspruchs auf Notstandshilfe: die Verlängerung des Zeitraums von zehn Jahren, innerhalb dessen acht Jahre Beschäftigung liegen müssen, um Zeiten des Bezuges von Karenzgeld und Teilzeitbeihilfe. Das ist vor allem für Frauen wichtig, bei denen wegen Geburten Karenzgeldbezüge vorliegen. Diese sind kaum in der Lage, diese acht Jahre Beschäftigung in den letzten Jahren zu erfüllen und bekämen keine Notstandshilfe. Diese Härte wurde damit beseitigt.

Das Inkrafttreten dieser Regelung und zugleich der vier neuen Kriterien für den Anspruch auf Notstandshilfe wurde auf den 1. April 1998 vorverlegt. Die vier neuen Kriterien für den Anspruch auf Notstandshilfe – acht Jahre Beschäftigung in zehn Jahren, Erfüllung der Schulpflicht zur Hälfte in Österreich, Geburt in Österreich oder halbe Lebenszeit in Österreich – sollten ursprünglich laut Novelle 1997 erst am 1. Jänner 2000 in Kraft treten. Einschränkungen aufgrund von Staatsbürgerschaftskriterien oder auf Inhaber eines Befreiungsscheines sind laut Verfassungsgerichtshoferkenntnis vom 11. März 1998 verfassungswidrig und daher nicht mehr anzuwenden.

Die vorliegenden Inkrafttretensbestimmungen der neuen Kriterien für alle Fälle ab 1. April 1998 bringen jetzt eine Gleichstellung für die Notstandshilfewerber. Das AMS wurde auch in Kenntnis gesetzt, daß im Hinblick auf die vorliegende Novelle, wie uns die Frau Ministerin berichtet hat, keine Bescheide mehr aufgrund der alten Rechtslage zu erlassen sind. Es ist also zum Wegfall der Diskriminierung aufgrund der Staatsbürgerschaft gekommen, das bescheinigt uns auch Herr Kollege Kier. Er sagt aber in seiner abweichenden Stellungnahme, es gebe nun die Diskriminierung aufgrund des Geburtsprivilegs.

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes bezeichnet diese neuen Kriterien als verfassungsgemäß, nicht gleichheitswidrig und EU-konform. Auch laut Verfassungsgerichtshof kann bei der Notstandshilfe nach sachlichen Kriterien differenziert werden. Ein solches sachliches Kriterium stellt zweifellos die Integration in Österreich dar. Diese Integration in Österreich wird nach der Dauer der Beschäftigung, dem Schulbesuch zur Hälfte in Österreich oder der Aufenthaltsdauer beurteilt. Auch die Geburt stellt ein sachliches Kriterium für die Integration dar. Wenn schon nicht vor den Augen von Kollegen Kier, so wird diese Novelle, so glaube ich, vor dem Verfassungsgerichtshof bestehen.

Noch einige wenige Worte zum Antrag von Kollegin Madl betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug: Es ist offensichtlich spurlos an ihr vorübergegangen, daß bereits eine Verbesserung vorgenommen wurde (Zwischenruf der Abg. Madl), und zwar: Beim Karenzgeld wird das Nettoeinkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit nach Abzug der Geringfügigkeitsgrenze zu 50 Prozent angehoben. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Madl.) Das monatliche Nettoeinkommen aus einer vorübergehenden Beschäftigung ist auf das in dem Kalendermonat gebührende Karenzgeld, soweit es die jeweilige monatliche Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, zur Hälfte anzurechnen. Von diesem verbleibenden Anspruch sind die Tage der Beschäftigung, an denen das Einkommen die tägliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten hat, in Abzug zu bringen.

Sie verlangen einen Durchrechnungszeitraum von 18 Monaten und bringen ein Beispiel von einer Urlaubsvertretung mit einem Einkommen von 30 000 S. Ich halte das erstens für ein bißchen unrealistisch, und zweitens zielt unsere derzeitige und entschieden bessere Regelung darauf ab, durch ein geringeres Beschäftigungsausmaß eine bessere Vereinbarkeit mit der Kinderbetreuung – das ist ja der Zweck des Karenzgeldes – zu erreichen, und auch mehr Kontinuität in der Beschäftigung zu bewirken, was die Wiedereinstiegsmöglichkeiten verbessern dürfte. Hier besteht also unserer Ansicht nach kein Handlungsbedarf. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Madl: ..., aber Handlungsbedarf gibt es keinen! – Abg. Smolle – in Richtung Freiheitliche –: Ihr müßt erst eure Frauen und Männer versammeln, dann rührt euch!)

20.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Restredezeit Ihres Klubs: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.19

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben drei Tagesordnungspunkte unter einem zu verhandeln. Ich darf sie der Reihe nach aus der Sicht der liberalen Fraktion beleuchten.

Zunächst zum Tagesordnungspunkt Arbeiterkammergesetz: Wir räumen ein, daß es sich um einen redaktionellen Fehler gehandelt hat, also eher um einen operativen Abwicklungsfehler in technischer Hinsicht, weil sich ja Textbestandteile am Wege zur endgültigen Berichterstattung verflüchtigt haben. Das ist ein technischer Fehler, und auf dem wollen wir nicht sehr stark herumreiten. Sie müssen allerdings schon zugeben, daß solche technischen Fehler dann leichter passieren, wenn es sich um sogenannte Last-Minute-Gesetze handelt, also dann, wenn man die Kolleginnen und Kollegen der Beamtenschaft, die das dann final ausfertigen müssen, unter so starken Zeitdruck setzt, daß es eben leichter zu solchen Fehlern kommen kann. Denn bisher sind derartige Fehler eigentlich noch nicht passiert. Ich möchte die Beamten daher quasi ausdrücklich in Schutz nehmen und sagen, wenn man unter einem derartigen Zeitterror arbeitet, dann kann bei der EDV schon einmal ein ganzer Textbaustein verschwinden. Es wäre angebracht, daß sich diejenigen, die für diese Last-Minute-Gesetzgebung verantwortlich sind, vielleicht gelegentlich einmal bei den Beamten entschuldigen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn das Arbeiterkammergesetz aber dadurch schon zum Verhandlungsgegenstand geworden ist, benützen wir als liberale Fraktion gerne die Gelegenheit, in der Art eines Ceterum censeo einen Zusatzantrag einzubringen, der sich mit dem aktiven und passiven Wahlrecht beschäftigt und eine Gleichstellung aller Arbeitnehmer – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – zum Ziele hat.

Zusatzantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier und PartnerInnen, mit dem der Ausschußbericht über den Antrag 869/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1417 der Beilagen), geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Z 1 des im Titel genannten Antrags lautet:

1. In § 21 entfällt Z 3; in dessen Z 2 wird das Wort "und" durch einen Punkt ersetzt.

2. Die bisherigen Ziffern 1 bis 6 des Antrags erhalten die Bezeichnung 2 bis 7.

3. Z 7 (6 alt) des Antrags lautet:

7. Nach § 100 Abs. 7 wird folgender Abs. 8 angefügt:

"(8) § 33 Abs. 1 bis 4 und § 61 Abs. 4 und 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/1998 treten mit 1. August 1998 in Kraft. § 21, § 81 Abs. 3 und § 89 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/1998 treten mit 1. Dezember 1998 in Kraft."

 

*****

Ich glaube, ich brauche zur Begründung eigentlich nichts auszuführen. Jeder, der sich mit der Materie beschäftigt, weiß: Es ist einfach gleichheitswidrig, daß Sie das Wahlrecht so geordnet haben, wie Sie es getan haben. Ich kann das nicht nachvollziehen, zumal sich bei all den Sonntagsreden eigentlich eine breite Mehrheit dieses Hauses für ein Wahlrecht unabhängig von der Staatsbürgerschaft in Arbeiterkammerangelegenheiten, so wie es zum Beispiel im Postbetriebsverfassungsgesetz und anderswo längst der Fall ist, finden müßte.

Daher appelliere ich noch einmal: Springen Sie über die Scheinloyalität, in dem Fall der Koalition, zugunsten der Demokratie! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zum Tagesordnungspunkt Arbeitslosenversicherungsgesetz möchte ich das sagen, was im Kern das Wesentliche ist: Es handelt sich hier um eine Reparatur, wenn man es so will auch um eine Rücknahme der absichtlichen Schlechterstellung von Karenzgeldbezieherinnen, die seinerzeit ein Teil eines Ihrer sogenannten Strukturpakete war. Das nehmen Sie jetzt zurück. Ich bringe in Erinnerung, daß sich damals innerhalb der Regierung offenbar die ÖVP mit ihren Horrorzahlen – das koste viele, viele Hunderte Millionen – durchgesetzt hat. Sie hat Schrecken verbreitet, und man hat daher zunächst die Karenzgeldbezieherinnen in Ansehung ihrer Ansprüche auf Notstandshilfe und so weiter schlechter gestellt.

Nun hat sich herausgestellt, daß es tatsächlich, realiter nur 50 Millionen Schilling kostet, bezogen auf das ganz Jahr, für alle betroffenen Frauen. Jetzt wird das zurückgenommen und repariert und als Fortschritt verkauft. Ich muß sagen, etwas, was man zuerst verschlechtert hat, nachher zu reparieren, indem man es wieder zurücknimmt, ist zwar ein Fortschritt, aber ein künstlich herbeigeführter Fortschritt auf dem Rücken derer, die in der Zwischenzeit schlechter gestellt waren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Kollegin Reitsamer hat zu diesem Gesetz ausdrücklich gemeint, es wird zwar weiterhin in meinen Augen kein Wohlgefallen finden, aber der Verfassungsgerichtshof wird das Gesetz jetzt lieben. Frau Kollegin Reitsamer! Ich bin in diesem Fall ungern ein Prophet, aber ich bin bereit, moderate Wetten anzunehmen: Auch das wird der Verfassungsgerichtshof wieder aufheben, denn es steht eindeutig, ganz eindeutig im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention, zwar nicht mehr so plump und vordergründig wie vorher, aber der materielle Regelungsgehalt ist einfach verfassungswidrig. Und der Verfassungsgerichtshof wird sich durch die Beschwörungen der großen Koalition in diesem Fall nicht beeindrucken lassen – er hat Ihnen dies das letzte Mal schon vorgeführt. Wir hoffen das (Beifall beim Liberalen Forum), auch wenn bis dato die Bundesregierung zum Beispiel in der Lage ist, Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes vorzuschlagen, ohne vorher ein Hearing zu machen. (Zwischenruf des Abg. Hums.)

Ich glaube, in diesem Fall wird Ihnen der Verfassungsgerichtshof unbeeindruckt das Gesetz wiederaufheben. Wir haben es Ihnen auch das letzte Mal prognostiziert, und Sie haben mit derselben Standfestigkeit wie heute gesagt: Das stimmt nicht. Aber dann wurde das Gesetz aufgehoben. Sie haben jetzt hier wieder gesagt: Der Verfassungsgerichtshof wird es nicht aufheben. Ich sage Ihnen: er wird! Ich sage es noch einmal: Ich bin bereit, moderate Wetten anzunehmen. Ich könnte dann den Wettgewinn sozialen Zwecken zukommen lassen, das würde mir Freude machen.

Zum Tagesordnungspunkt 7: Zum Antrag von Kollegin Haller meine ich, es wäre hoch an der Zeit, dieses Thema tatsächlich materiell aufzugreifen, indem zum Beispiel das jetzt mögliche Zwischenverdienstmodell maximal forciert wird, damit es viel mehr Möglichkeiten gibt, Betreuungspflichten und Arbeitswelt durch Teilzeitlösungen zu verbinden und einem der Probleme, das wir im Zusammenhang mit der Karenzierungsfrage vorfinden – gleichgültig, wer die Karenzzeit in Anspruch nimmt –, vorzubeugen: der Falle, den Wiedereinstieg nicht zu schaffen. Das müssen Sie durch einen Ausbau der Zwischenverdienstmodelle erreichen, und das müßte propagiert werden. Derzeit ist es so, daß das in den Händen des AMS liegt. Das AMS ist mit sich selbst und mit seinen eigenen Schwierigkeiten offenbar so beschäftigt, daß es nicht auf die Idee kommt, die Zwischenverdienstmöglichkeiten in der Karenzzeit maximal zu propagieren. Das ist ein Versagen des AMS und, wenn Sie es so wollen, in Konsequenz natürlich auch eine Säumnis von Frau Bundesminister Hostasch – sie plaudert –, die hier eingeladen ist, das AMS herzlich aufzufordern, es solle der Propagierung der Zwischenverdienstmöglichkeiten mehr Aufmerksamkeit schenken.

Das ist geradezu ein Steckenpferd des Liberalen Forums, denn – ich erinnere Sie daran – wir haben, seit wir in dieses Hohe Haus eingezogen sind, immer wieder gefordert, daß man neben dem Bezug von Arbeitslosengeld auch arbeiten können soll.

Jetzt haben Sie das endlich eingeführt – zwar nicht ganz so, wie wir es wollten, aber wenigstens grundsätzlich –, aber jetzt propagiert das niemand! Folglich lebt das nicht, und es bleibt Papier. Nur damit es am Papier steht, dazu hätten wir es nicht gebraucht. Wir brauchen es in der Wirklichkeit des Lebens. Gerade im Fall von Karenznehmerinnen ist es besonders wichtig, weil die Wiedereinstiegsfalle nur so vermieden werden kann. Der Antrag von Kollegin Haller ist zwar möglicherweise gut gemeint, aber er dient nicht dem behaupteten Zweck. Er findet daher nicht unsere Zustimmung. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Zusatzantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Steibl vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.27

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte in dieser Debatte auf einen Punkt eingehen, nämlich auf den Antrag von Kollegin Madl bezüglich praxisbezogener Nebeneinkommen bei Karenzgeldbezug.

Frau Kollegin Reitsamer hat die Situation bei der Beschlußfassung schon erwähnt, wie sie jetzt besteht, auch mit der neuen Regelung seit 1. Jänner 1998, daß die Möglichkeit besteht, vorübergehend mehr dazuzuverdienen. (Abg. Madl: Und ein kürzeres Karenzgeld in Kauf zu nehmen!) Nach einem einfachen Berechnungsbeispiel werden pro 1 000 S Mehrverdienst 500 S vom Karenzgeld abgezogen. Dadurch bekommen die Karenzgeldbezieherinnen die Möglichkeit, während dieser Zeit auch einmal eine Urlaubsvertretung über zwei Monate hinaus anzunehmen oder auch während saisonaler Spitzenzeiten im Betrieb auszuhelfen. (Abg. Madl: Um den Verlust des Karenzgeldes auszugleichen!) Genau das ist, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiger Punkt in bezug auf den Wiedereinstieg, den Sie ja so oft genannt haben, aber nicht wirklich ernst nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Madl: Ja, ganz genau das soll es heißen!)

Das fördert nämlich ganz konkret den Wiedereinstieg, ist auch wichtig in bezug auf Neuerungen im Betrieb und natürlich – nicht zu vergessen – für die ganz persönlichen Kontakte. Wenn man Ihren Entschließungsantrag anschaut (Abg. Madl: Lesen, nicht anschauen! Lesen! Anschauen hilft nichts!) und nur einmal ganz einfach nachrechnet, so ist, bitte, sobald eine Frau auch nur um 10 S mehr als 61 280 S verdient, das Karenzgeld weg! Das hätte auch Konsequenzen in bezug auf die Berechnung des Arbeitslosengeldes in diesem Bereich oder auch auf die vorzeitige Alterspension et cetera.

Ich glaube, daß unsere Regelung derzeit die bessere ist. Daß wir noch vieles tun müssen, ist völlig klar – auch in bezug auf den Wiedereinstieg für Frauen. In Zeiten wie diesen ist das notwendig. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß einiges passiert, und man sollte nicht immer nur Kritik anbringen, sondern auch das Positive aufzeigen. Ich denke hier nur daran, was im Zuge des NAP, aber auch, was schon jetzt über das Arbeitsmarktservice an Hilfen angeboten wird: Ich nenne nur Aktivgruppen, Berufsorientierungskurse, Arbeitstraining, Auffrischungs-, Umschulungs- und Weiterbildungskurse, Beratungen zu Unternehmensgründungen und vieles mehr. Auch im öffentlichen Dienst geht man daran, Karenzgeldbezieherinnen während der Karenzzeit einzuladen, sei es jetzt bei Computerkursen oder bei sonstigen der vielen angebotenen Möglichkeiten mitzutun.

An dieser Stelle möchte ich auch noch darauf hinweisen – vielleicht haben Sie kürzlich ein paar Statistiken gelesen –, daß Teilzeitarbeit bei den arbeitenden Frauen zunimmt und in letzter Zeit um 9 Prozent gestiegen ist. Ich möchte auch darauf hinweisen, worauf wir immer wieder vergessen, nämlich daß Teilzeitarbeit ja bis zum vierten Lebensjahr des Kindes möglich wäre, wenn die Karenz geteilt wird. – All das zu diesem einen Punkt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. Frau Kollegin Haller hat gesagt, Herr Bundesminister Bartenstein kupfere bei der FPÖ ab. (Abg. Meisinger: Das ist ja nicht das erste Mal!) Dann hat sie weder davon gehört noch darüber gelesen: Unser Minister hat eine eigene Meinung, und wir in der Regierungspartei haben einen exzellenten Vorschlag gemacht, nämlich Karenzgeld für alle Frauen einzuführen. Uns sind alle Mütter gleich viel wert (Beifall bei der ÖVP), und ich denke, auch die Kinder – denn wenn Frauen Mütter sind, dann haben sie auch Kinder.

Herr Kollege, ich denke, daß nur ein Punkt noch offen ist, und zwar die Erhöhung des Karenzgeldes, und hier ist der Finanzminister gefordert. Wir haben nämlich ein positives Paket in dieser Richtung beschlossen, das heißt Karenzgeld für alle, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch Erhöhung des Karenzgeldes.

In diesem Zusammenhang muß ich in die Richtung der SPÖ etwas anmerken: Es gab vor kurzem – leider ist Kollegin Mertel nicht anwesend – eine Konferenz der Familienreferenten, der politischen wie auch der beamteten, in Kärnten. Dort wurde auch dieses Thema diskutiert. Die SPÖ ist ja sehr stark dagegen – warum, wissen wir nicht, aber vielleicht doch. Da ist mir ein Protokoll in die Hände gekommen, das die Familienreferenten – die politischen – im Jahre 1993 beschlossen haben: "Karenzgeld für alle". Die Familienreferentenkonferenz der Länder ist, wenn sie politisch besetzt ist, zu 60 Prozent mit SPÖ-Familienreferenten besetzt. (Abg. Silhavy: Wo sind die 60 Prozent?) Das ist eine sehr interessante Feststellung: 60 Prozent. 40 Prozent sind Familienreferenten seitens der FPÖ.

Kollegin Silhavy, es geht noch weiter: "Karenzgeld für alle" – Debatte wird schärfer. Kaltenbeck, Stadträtin der Stadt Graz, ist dagegen: Karenzgeld für alle? – Dann kommt eine Presseaussendung: Stadträtin Kaltenbeck, Frauenstadträtin, fordert, daß Mütter in Ausbildung zwei Jahre lang 5 565 S monatlich vom Staat dazubekommen, weil sie meint, daß sie es nicht mehr aushält, daß Schülerinnen und Studentinnen nicht Anspruch auf Karenzgeld haben. (Demonstrativer Beifall des Abg. Amon.) – Soviel Widerspruch habe ich noch nie gehört! Hier ist es schwarz auf weiß! (Beifall bei der ÖVP.) Sie gehört wirklich zur SPÖ!

Ich denke, daß wir gerade mit dem Familienpaket seitens unseres Familienministers gut auf dem Weg sind, daß unsere Regelungen in bezug auf Dazuverdienen ein Meilenstein sind. Daß wir noch weiter an einer Verbesserung arbeiten müssen, wissen wir alle! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.34

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Steibl, was das Abkupfern unserer Anträge und unserer Modelle betrifft, so finde ich, daß die ÖVP viel zuwenig von der FPÖ abkupfert. Das ist in der Frage des Karenzgeldes so (Abg. Kröll: Da habt ihr noch geschlafen!), in der Frage der Überführung der Abfertigung in eine Betriebskasse ebenso. Denn diese Vorschläge, die Sie aus dem Bauch heraus einbringen, stammen aus den fünfziger Jahren! Das ist im Buch Ihres EU-Kommissars Fischler nachzulesen, der meint, daß der ÖAAB Vorschläge hat, die aus den fünfziger Jahren stammen (Beifall bei den Freiheitlichen), und die Wirtschaftskammer nichts anderes ist als ein Krämer- und Gewerbeschutzverein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.) Das wird von Ihrem EU-Kommissar in seinem Buch geschrieben.

Ich will mich jetzt mit der Änderung des Arbeiterkammergesetzes 1992 und mit der Notstandshilfeverordnung befassen.

Im Prinzip sind beides Korrekturen von Versäumnissen bei der letzten Novellierung im Frühsommer, die zwar im Ausschuß behandelt, dort beschlossen, aber im Bericht nicht abgedruckt worden sind und im Plenum dann auch nicht beschlossen werden konnten.

Sehr geehrte Damen und Herren! So etwas kann schon passieren – es sollte zwar nicht passieren, aber es kann passieren. Auf die Ursachen komme ich später noch zu sprechen. Was die Ergänzung betreffend die Funktionsperiode der Hauptversammlung der Arbeiterkammer angeht, so wurde es durch die nunmehr möglichen zeitlich unterschiedlichen Wahltermine der einzelnen Arbeiterkammern jetzt natürlich erforderlich, daß hinsichtlich der Zusammensetzung der Hauptversammlung nach einer Neuwahl einer Vollversammlung die Delegierten für diese Hauptversammlung neu bestellt werden und sich somit das Ergebnis der Arbeiterkammerwahl auch in der Zusammensetzung dieser Hauptversammlung niederschlägt.

Eine Bereinigung beziehungsweise Ergänzung ist in diesen Bereichen zwar technisch sinnvoll – das gebe ich zu –, es ist aber bezeichnend für die Vorgangsweise beziehungsweise für die Gesetzgebungskultur in diesem Haus, daß derartige Korrekturen in wachsender Häufigkeit vorgenommen werden müssen, weil einerseits Gesetzesvorschläge immer öfter nicht durchdacht werden und weil andererseits Gesetze immer kurzfristiger und auch in unausgegorener Form novelliert werden.

Zum Bezug der Notstandshilfe möchte ich folgendes sagen: Auch diese Novelle ist wegen eines Versehens der Koalition bei der erst heuer eilig vorverlegten Novellierung dieser Notstandshilfeverordnung notwendig. Es ist eine Korrektur dieser Korrektur des Frühsommers. Konkrete Zahlen über den Umfang des in Betracht kommenden Kreises von Personen, die mangels eines staatsbürgerschaftsgebundenen Zuganges zur Notstandshilfe im Familienverband weiterversorgt wurden, keine Beschäftigung aufgenommen haben und nunmehr sowohl die neuen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen als sich auch in einer Notlage befinden, liegen nicht vor. Man ist auf Schätzungen angewiesen. Die Rohdaten wurden geschätzt und nicht errechnet.

Unter Beachtung der Erfahrungswerte wurde dann ein Mehraufwand geschätzt und uns im Ausschuß und auch in der schriftlichen Benachrichtigen des Sozialministeriums bekanntgegeben. Diese Kosten belaufen sich im heurigen Jahr auf 35 Millionen Schilling und im nächsten Jahr auf 52 Millionen, wobei dieser Rahmen um 10 Prozent überschritten werden dürfte – so wird angenommen. Es können aber auch keine Angaben darüber gemacht werden, wie das Verhältnis zwischen Ausländern und Inländern, die diese Notstandshilfe beziehen, aussieht, wie viele österreichische Frauen davon profitieren und wie viele ausländische es betrifft. (Abg. Öllinger: Das macht einen Unterschied?) – Ja, da ist schon ein Unterschied!

Ich vermute, es kommt hauptsächlich ausländischen Frauen zugute und kaum oder überhaupt keinen Österreicherinnen – und ich bin eben von Österreicherinnen gewählt und vertrete die Österreicherinnen in diesem Haus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Herr Abgeordneter, die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 10 Minuten. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Kollege Dolinschek! Gott sei Dank bist du nicht von allen Österreicherinnen und Österreichern gewählt worden (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber bald wird das so sein!), denn sonst hätte ich wirklich eine stärkere Gänsehaut bekommen.

Meine Damen und Herren! Ich bin in der seltenen, aber doch glücklichen Lage, daß ich einmal allen Vorschlägen zustimmen kann. (Abg. Koppler: G’scheiter Bursch’!) Das wird einige vielleicht verwundern, aber es ist so. Trotzdem möchte ich auch ein bißchen wider den Stachel löcken und bei dem Thema Arbeiterkammergesetz selbstverständlich darauf hinweisen, daß es das passive Wahlrecht noch immer nicht gibt, und zwar in dem von der EU geforderten Ausmaß. (Abg. Koppler: Leider!)

Meine Damen und Herren! Ich weise Sie noch einmal darauf hin: Glauben Sie nur ja nicht, daß diese Präsidentschaft so vorbeigehen wird, daß wir nicht innerhalb dieser Präsidentschaft gegenüber der EU diese Sache thematisieren werden. Glauben Sie nur ja nicht, daß wir gegenüber der österreichischen Präsidentschaft so devot sind, daß wir das nicht zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte und Erörterung – auch gegenüber der EU-Kommission – machen werden, daß Österreich – und das ist ganz einfach zu demonstrieren; Sie wissen das auch, Kollege Feurstein – ganz bewußt gesetzliche Bestimmungen verletzt. Denn beim Wirtschaftskammergesetz war das möglich – zumindest gegenüber den EU-Bürgern –, was beim Arbeiterkammergesetz nicht einmal gegenüber den EU-Bürgern möglich war. Ich weise nur darauf hin. (Abg. Koppler – in Richtung ÖVP –: Schau in die Richtung!)

Diese Auseinandersetzung werden Sie sich nicht ersparen können, auch nicht die Blamage für die österreichische EU-Präsidentschaft, weil Sie ganz bewußt in eine Präsidentschaft hineingegangen sind und das EU-Vertragsrecht ignorieren – offensichtlich eine "gute" Linie oder Tradition der ÖVP, der das ja sehr wichtig war!

Darum bringe ich Ihnen – auch damit ich nicht darauf vergesse, weil ja immer große Sorge besteht, daß ich vergesse, meine Anträge zu verlesen – folgenden Abänderungsantrag betreffend das Arbeiterkammergesetz 1992 – 1417 der Beilagen – zur Kenntnis.

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1417 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 869/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (in der Fassung des Ausschußberichtes 1417 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. Z 1 des im Titel genannten Antrages lautet:

1. In § 21 entfällt Z 3; in der Z 2 wird das Wort "und" durch einen Punkt ersetzt.

2. Die bisherigen Ziffern 1 bis 6 des Antrages erhalten die Bezeichnung 2 bis 7.

Z 7 (6 alt) des Antrages lautet:

7. Nach § 100 Abs. 7 wird folgender Abs. 8 angefügt:

"(8) § 33 Abs. 1 bis 4 und § 61 Abs. 4 und 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/1998 treten mit 1. August 1998 in Kraft. § 21, § 81 Abs. 3 und § 89 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/1998 treten mit 1. Dezember 1998 in Kraft."

*****

Soviel dazu.

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu nutzen, um ganz kurz zum zweiten Punkt – Arbeitslosenversicherungsgesetz – zu erklären, warum wir in diesem Fall zustimmen. Das wird wahrscheinlich die Experten nicht verwundern, weil es um eine Verbesserung geht. Aber – und da bin ich durchaus wieder beim Kollegen Kier – der Grundsatz, daß wir diese Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsrechtes für verfassungswidrig halten, hat sich auch durch diese Verbesserung für die Frauen nicht verändert. Aber ich erkenne immerhin an: Das ist ein kleiner Punkt, der den Frauen etwas weiterhilft. – Dies dazu.

Den dritten Punkt möchte ich ausführlicher debattieren, weil dazu in den letzten Wochen und Monaten sehr viel an verschiedensten Vorschlägen – teilweise von einer Person, nämlich von Bundesminister Bartenstein – gekommen ist. Ich möchte mich gerne mit der Frage Karenzgeld und Nebeneinkommen bei Karenzgeld kurz beschäftigen.

Es ist zwar schon 40 Jahre her, daß ich meine letzte Lateinstunde hatte. (Abg. Reitsamer: Das geht nicht! Sie sind noch gar nicht 40!) Aber ich glaube mich erinnern zu können, daß "Karenz" etwas mit "carere", "sich enthalten von" zu tun hat. Das heißt – wenn ich den Sinn dieses Wortes ernst nehme –: Es gibt dann Karenz, wenn man sich von Arbeit enthält. Ich würde vorschlagen: nicht nur von Arbeit – da gefällt mir durchaus das, was Kollegin Steibl aus dem Jahre 1993, von einem Vorschlag der SPÖ, vorgelesen hat –, sondern auch von Ausbildung. Denn Ausbildung ist auch eine Form von Arbeit. Ich würde mir wünschen, daß es auch für in Ausbildung befindliche Personen zu dieser Verbesserung kommt – gleichgültig, ob sie in Lehre sind, ein Studium oder sonst irgendeine Ausbildung machen. Sie müssen diese Ausbildung unterbrechen, und sie sollen sie unterbrechen, wenn sie ein Kind bekommen.

Aber – und damit bin ich beim Punkt – wenn Karenz im ursprünglichen Sinn des Wortes sinnvoll sein soll und wenn wir den Begriff beibehalten, dann heißt das "sich enthalten von", und es kann nicht heißen, daß Karenzgeld auch dann gewährt wird, wenn ich voll arbeite. Dann ist nämlich der Sinn dessen, wofür Karenzgeld gegeben wird, nicht mehr gegeben. Dann kann keine Kinderbetreuung mehr ausgeübt werden, sondern dann arbeitet man.

Daher möchte ich vorschlagen: Man sollte sich viel lieber mit dem, was uns in diesem Zusammenhang schon immer sehr wichtig war, einmal auseinandersetzen – obwohl auch das einige Probleme aufwirft, das gebe ich zu –, nämlich daß man nach dem ersten Jahr Karenz – dieses halte ich für unteilbar – eine Karenz auch in Teilen ermöglicht, und zwar deswegen, weil es für Frauen und Männer gerade in bestimmten Phasen des Überganges wichtig ist – zum Beispiel beim Eintritt des Kindes in den Kindergarten oder in eine Kinderkrippe –, daß die Eltern mehr Zeit haben. Das heißt, das zweite Karenzjahr – von dem es für die meisten ohnehin nur ein halbes gibt – soll auch geteilt werden können.

Ich wäre aber dagegen – das muß ich ehrlich sagen –, daß man dieses Jahr sozusagen 14tägig oder monatlich teilt. Es muß also auch eine Begrenzung in der Form geben, daß nicht das passieren kann, was Kollegin Madl offensichtlich erreichen will, nämlich daß der Arbeitgeber während der Karenz anruft und sagt: Bitte ich bräuchte eine Urlaubsvertretung; wenn Sie nicht kommen, dann bricht die Arbeit nieder! – Wenn dann die Frau nicht kommt, weil sie tatsächlich niemanden hat, der auf das Kind aufpaßt, bricht nicht nur die Arbeit, sondern vor allem ihr Arbeitsverhältnis nieder. Denn der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin wird sagen: Wir haben mit Ihnen gerechnet; Sie sind nicht gekommen – die Umstände interessieren uns nicht –, das ist ein Grund, das Arbeitsverhältnis nicht fortzusetzen.

Das ist der Grund dafür, Kollegin Madl, warum ich dem in keiner Weise zustimmen kann! Denn eine ein- oder zweimonatige Unterbrechung der Karenz wäre ja in Ihrem Fall keine Unterbrechung der Karenz. Ich könnte mir das zwar vorstellen, aber nicht ein oder zwei Monate lang. Eine ein- oder zweimonatige eigentliche Unterbrechung der Karenz, in der man die Kinderbetreuung aufgibt und arbeiten geht, heißt, daß das Kind unversorgt ist. Erzählen Sie uns doch einmal, wie Sie das im ersten Jahr machen, wenn die Frau zu Hause ist – oder meinetwegen auch innerhalb von eineinhalb Jahren –: Was soll die Frau machen? – Sie geht arbeiten und arbeitet ganztags. Wer übernimmt für die Frau die Kinderbetreuung? Der Mann? – Na, das schau‘ ich mir an! Schön wär’s! Dafür brauchen wir andere Schritte.

Das heißt, das wird in der Form nicht stattfinden. Die Betroffene und Gehandikapte in dieser Situation bleibt nach wie vor die Frau. Darum wäre ich, wenn die Intention Ihres Antrages diejenige wäre, daß die Frau nicht völlig aussteigen können soll, absolut dafür. Über die Geringfügigkeitsgrenzen und darüber, ob man da nicht noch etwas verbessern soll, könnten wir nachdenken, beispielsweise darüber, einen fließenden Übergang von der Geringfügigkeitsgrenze zur Teilzeitkarenz zu schaffen. Aber was nicht der Fall sein kann, ist, daß die Frau – oder der Mann –, die in Karenz ist, voll arbeiten geht, auch wenn es nur für ein Jahr ist. Das, bitte, hat mit Karenz und mit der Berechtigung zum Karenzgeldbezug nichts zu tun.

Jetzt komme ich auf Minister Bartenstein zu sprechen. Was Sie, Kollegin Madl, vorgeschlagen haben, schlägt Minister Bartenstein nicht nur für zwölf, sondern für 18 Monate vor. Das heißt, die Möglichkeit des Zuverdienstes wäre noch größer. Ursprünglich ist er noch weiter gegangen und hat gesagt: Man muß, wenn man Karenzgeld bezieht, überhaupt nicht mehr Kinderbetreuung machen – also "carere", "sich enthalten" von der Arbeit –, sondern man kann arbeiten, sooft und soviel man will. (Abg. Dr. Feurstein: So hat er das nicht gesagt!) – Herr Kollege Feurstein! Das heißt in der klassischen Terminologie dann nur noch "Kindergeld". Dann sagen Sie es doch: Kindergeld wollen Sie haben! Das heißt, es ist als Voraussetzung nicht mehr notwendig, daß man sich um das Kind kümmert. Das ist sehr nahe an einem Kinderbetreuungsscheck – wenn auch nur für eineinhalb Jahre –, aber das hat mit dem, wozu es Karenzgeld gibt, nichts zu tun.

Also noch einmal kurz die Haltung der Grünen: Ausweitung ja, auch auf Personen, die in Ausbildung befindlich sind, und beispielsweise auch auf Personen, die Sozialhilfe beziehen, also dorthin, wo tatsächliche Einkommensarmut vorhanden ist! Wir hätten dafür ein Modell – wir können gerne darüber diskutieren –, im Rahmen unserer Grundsicherung, worin das enthalten ist. (Abg. Koppler: Wir hätten auch ein Modell!) Auch diese Personen sollen diese Möglichkeit erhalten, auch wenn sie vorher nicht arbeiten gegangen sind. Sie können aber in dieser Zeit nicht arbeiten gehen, auch wenn sie wollten, denn sie haben ein Kind zu betreuen. (Abg. Koppler: Kollege, du weißt genau, daß wir auch ein Modell hätten!)

Diese Vorschläge wären es wert, darüber zu diskutieren. Wir sind bereit, mit allen Parteien darüber zu diskutieren. Aber irgend etwas sollten sie mit dem Zweck von Karenz schon noch zu tun haben. (Ruf bei der ÖVP: Kein Applaus! – Beifall bei den Grünen.)

20.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Madl. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.51

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Öllinger, es ist schön, wenn man auf die Wurzel einer Sprache kommt und dann herausfindet, daß "Karenz" "sich enthalten" heißt.

Herr Kollege Öllinger! Da muß man aber den Frauen und den Familien die Möglichkeit geben – auch die finanzielle Möglichkeit –, sich zu enthalten. Das ist unter dieser Bundesregierung leider Gottes in den letzten Jahren nicht passiert. Denn die Frauen und die Familien haben teilweise überhaupt keine Möglichkeit, sich total zu karenzieren, weil sie einfach ein bißchen Geld neben dem geringen Karenzgeld brauchen, damit die Familie überhaupt überleben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Einverstanden!)

Zu Ihrem Veto gegen meinen Antrag muß ich folgendes sagen. Wenn der Dienstgeber anruft und sagt: Jetzt ist eine Urlaubsvertretung zu machen, kommen Sie; wenn Sie nicht kommen, dann werden Sie Ihren Job verlieren!, ist das absoluter Unsinn, Herr Kollege! (Abg. Öllinger: Nein!) Denn Urlaube sind in jeder Firma schon sehr lange vorprogrammiert. Da kann man ja wohl anfragen – wenn es erlaubt ist –, ob die Vertretung machbar ist oder nicht. Man kann sich drei oder vier Monate vorher einteilen, ob man in der besagten Zeit, in diesen drei Wochen – meistens ist es ja nicht mehr – eine Vertretung für sein Kind hat.

Herr Kollege! Was ist denn mit jenen Frauen, die überhaupt nicht in Karenz gehen können, sondern die gleich nach dem Mutterschutz wieder ihre Berufstätigkeit aufnehmen? (Abg. Aumayr: Gewerbetreibende!) – Diese müssen das – wie zum Beispiel auch Gewerbetreibende, Selbständige, Freischaffende – auch irgendwie unter einen Hut bekommen. Diese haben Sie ja gar nicht angesprochen. (Abg. Öllinger: Da rennen Sie bei mir offene Türen ein!)

Mein Antrag geht dahin, daß einer Frau der Wiedereinstieg möglichst leichtgemacht wird und daß sie in den eineinhalb Jahren ihrer Karenz die Verbindung zu ihrem Betrieb nicht verliert, damit sie die Chance hat, wieder nahtlos einsteigen zu können, wenn sie möchte. Das ist ja kein Zwang. (Abg. Öllinger: Nahtlos?) – Na selbstverständlich, Herr Kollege! Stellen Sie sich vor, Sie sind eineinhalb Jahre aus Ihrem Beruf draußen. Wissen Sie, wie lange es dauert und wie schwierig es auch für die Frau selbst ist, wieder in den Arbeitsprozeß einzusteigen, und zwar so, daß sie für die Firma produktiv ist? – Das ist ganz klar.

Aber es geschehen ja noch Zeichen und Wunder. Selbstverständlich sind es Wunder nur für mich, für andere aber sind es Peinlichkeiten. Das ist so, wenn heute eine Rede wie jene von Kollegin Steibl gehalten wird, die vor drei oder vier Tagen aufgesetzt wurde und heute nicht mehr aktuell ist, was meinen Antrag betrifft. Frau Kollegin Steibl hat wahrscheinlich übersehen, daß Herr Minister Bartenstein meinen Antrag in den "Oberösterreichischen Nachrichten" vollinhaltlich übernommen hat. Denn am ... (Abg. Steibl: Wer weiß, was die Zeitungen schreiben!) – Aha, wer weiß, was die Zeitungen schreiben!

Aber ich befinde mich wirklich in ausgezeichneter Gesellschaft. Denn nicht nur Herr Minister Bartenstein, sondern auch – lese ich da – ÖAAB-Obmann Werner Fasslabend – auch ein Parteikollege von Ihnen, wenn ich mich nicht täusche – und sogar Parteichef Wolfgang Schüssel sind von dieser Idee begeistert. Und wie nennt er es? – Wenn ich den Artikel kurz zitieren darf:

Ursprünglich hatte der Minister einen ganz anderen Plan, und zwar den, eventuell einen Kinderbetreuungsscheck einzuführen. Das ist auch wieder etwas, was schon seit dem Jahr 1992 von den Freiheitlichen ununterbrochen im Parlament beantragt worden ist. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Frau Kollegin Steibl! Wenn Sie sich erinnern können, wissen Sie, daß wir vor der großen Sommerpause im Familienausschuß über den Kinderbetreuungsscheck – weil die Machbarkeitsstudie damals schon auf dem Tisch lag – diskutierten. Da fragte wiederum eine Freiheitliche: Herr Minister, wie viele Personen oder wieviel Prozent der Frauen würden diesen Kinderbetreuungsscheck nicht bekommen? – Darauf antwortete der Minister, daß es 4 Prozent der Frauen wären. Daraufhin sagte die Kollegin: Na, das wäre doch fast ein Karenzgeld für alle! – Das hat der Herr Minister noch während der Ferien sofort übernommen. Er hat das Modell des Kinderbetreuungsschecks hergenommen und ihm nur einen anderen Namen gegeben. Auch das wurde also wieder aus einer freiheitlichen Idee – damals im Familienausschuß – geboren, Frau Kollegin! (Abg. Murauer: Eigenlob! Bescheidenheit unbekannt!)

Das nimmt kein Ende. Genauso wie bei diesem Antrag: Diesen hat der Herr Minister drei Tage später übernommen, und er ist davon begeistert. Es kommt einem Berufsverbot gleich – das sagt er über das jetzige Modell, das Sie verteidigt haben! Sie müssen sich einmal innerparteilich darauf einigen, ob Sie Familienpolitik betreiben wollen oder ob Familienpolitik nur in der Zeitung steht, Frau Kollegin, denn im Parlament sagen Sie ja etwas ganz anderes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundesminister spricht vom Berufsverbot für Frauen, und Sie verteidigen das noch – das ist schon ungeheuerlich! Es ist wirklich gut, daß das ins Protokoll aufgenommen wird, denn Ihre Doppelbödigkeit ist durch nichts mehr zu überbieten, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur SPÖ ist folgendes zu sagen: Frau Kollegin Reitsamer ist nicht mehr da, sie hat das Plenum verlassen – Wortspende abgeben und dann weitergehen! Für sie besteht also kein Handlungsbedarf mehr, hat Frau Kollegin Reitsamer gesagt. (Abg. Parnigoni: Sie selbst sind die ganze Zeit unterwegs und treiben sich irgendwo herum! – Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer.) Bei dieser Chance für die Frauen, nämlich einem Durchrechnungszeitraum von 18 Monaten, bei manchen Spitzen, daß sie, wenn sie arbeiten und arbeiten können, um ihre Nabelschnur – oder ihre Verdienstmöglichkeiten – zu ihrem ursprünglichen Betrieb nicht zu verlieren, da nehmen Sie ihnen das Karenzgeld weg. Das macht Ihnen überhaupt nichts aus! (Abg. Parnigoni: Schauen Sie lieber, daß bei Ihnen alles stimmt! Kümmern Sie sich um Herrn Mentil! Wenn Sie so mit den Leuten in Ihren Reihen umgehen, brauchen Sie sich nicht mit uns zu beschäftigen!) Es wird ein Teil des Karenzgeldes gestrichen, wenn Frauen mehr verdienen, als die Geringfügigkeitsgrenze beträgt. Das ist Ihre Antwort auf das Frauen-Volksbegehren. Mitmarschieren, verbal unterstützen, und wenn man hier herinnen handeln kann, dann sagen Sie: Es besteht kein Handlungsbedarf. – Das ist Sozialpolitik der Sozialdemokraten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen sagen, daß wir den Antrag trotzdem wieder im Ausschuß einbringen werden. Vielleicht hat sich dann die ÖVP inzwischen mit ihrem Herrn Minister Bartenstein geeinigt (Abg. Steibl: Es ist gescheiter, wenn sich die FPÖ einigt!), und vielleicht ist die SPÖ auch unter ihren Frauen derart unter Druck geraten, daß jene berufstätigen Frauen bei den SPÖ-Frauen, die hier das Sagen haben, anklopfen und sagen: Gebt uns die Chance, daß wir zeitweise monatlich mehr verdienen können, als die Geringfügigkeitsgrenze beträgt; das würde uns sehr helfen. – Vielleicht geschehen auch da noch Zeichen und Wunder. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hums. Er hat das Wort.

20.57

Abgeordneter Franz Hums (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Madl, Sie werden die entsprechende aufklärende Antwort von unseren nach mir redenden Kollegen bekommen. Meine Redezeit reicht nicht soweit.

Zunächst zu den Ausführungen des Kollegen Dolinschek: Kollegin Reitsamer hat schon erklärt, daß wir mit dieser Novelle des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wieder eine Verbesserung für Frauen im Notstandshilfebereich in bestimmten Fällen bringen. Es werden nicht übertrieben viele Fälle sein, aber es ist notwendig und möglich, diese Verbesserung durchzuführen. Aber wie Sie darauf kommen, daß das primär Ausländerinnen begünstigt, ist wirklich unvorstellbar und völlig unrichtig!

Zu den Ausführungen des Kollegen Kier: Er hat befürchtet, daß einzelne Bestimmungen im Notstandshilfebereich verfassungswidrig sein könnten. Diese Befürchtungen teile ich keinesfalls, weil ich denke, daß die jetzige Regelung sozial verträglich und auch verfassungsmäßig in Ordnung ist. Wir hatten früher eine andere Regelung. Denn bis zu dem einschlägigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte haben wir die Notstandshilfe primär als Fürsorgeleistung gesehen. Übrigens hat diese Meinung damals auch der Verfassungsgerichtshof geteilt. Erst durch die Änderung in der Judikatur des Gerichtshofes für Menschenrechte mußten wir in diesem Bereich eine Umstellung vornehmen. Dabei haben wir eine neue, auch sozial verträgliche und mehr auf Versicherungscharakter ausgerichtete Regelung getroffen. Ich denke daher, daß diese Regelung halten wird.

Im übrigen haben wir im Sozialbereich in den letzten Jahren aus Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof keine einzige Änderung durch Verfassungsbestimmungen abgesichert – auch wenn das vielleicht manchmal bei der Budgetsanierung durchaus verlockend gewesen wäre. Aus Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof haben wir das nicht getan.

Das Wichtigste im Bereich der Notstandshilfe ist aber nicht nur, daß wir sozial gute Bestimmungen haben. Bei uns ist die Notstandshilfe – im Gegensatz zu anderen Staaten –, wenn sie zuerkannt wird, nach wie vor zeitlich nicht limitiert. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das braucht aber nicht so toll zu sein!) Aber auch das genügt nicht. Denn das Wesentlichste ist, daß wir uns bemühen – und das geschieht vom Sozialministerium, vom Arbeitsmarktservice, mit unserer gesamten Wirtschaftspolitik –, daß wir danach trachten, daß Arbeitslose Beschäftigung finden. Gerade für Langzeitarbeitslose haben wir besondere Programme, die noch weiter auszuarbeiten sind.

Im Jahre 1996 haben wir durch eine Gesetzesänderung damit begonnen, daß Notstandshilfe auch so gegeben werden kann, daß der Arbeitslose, der Anspruch auf Notstandshilfe hat, diese als Lohnzuschuß bekommt und mit dem zusätzlichen Entgelt, das er eventuell von einer gemeinnützigen Einrichtung bekommt, zumindest ein kollektivvertragsmäßiges Einkommen erhält. Gleichzeitig hat er damit selbstverständlich wesentlich bessere Chancen, wieder einen Arbeitsplatz in der Wirtschaft zu finden. Dieser Bereich sollte noch weiter ausgebaut werden, wobei im Arbeitsmarktservice dieser gemeinwirtschaftliche Sektor ein eigenes Geschäftsfeld sein sollte.

Es geht auch darum, daß das Arbeitsmarktservice für diesen Bereich, in dem Geld aus der Notstandshilfe ohne zusätzliche Belastung des Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung steht, noch wesentlich mehr Aufgaben und Interessenten findet, beispielsweise bei den Gemeinden und so weiter. Es gibt eine ganze Menge an Arbeiten, die für die Allgemeinheit wichtig sind, für die aber den jeweiligen Organisationen das gesamte Geld fehlt. Doch mit der Notstandshilfe als Lohnzuschuß kann das umgesetzt werden.

Einer der Bereiche wäre beispielsweise jener, Österreich noch behindertengerechter zu machen, und zwar mit einer eigenen Firmen-Organisation. Auf diese Art könnten wir über Gemeinden und andere interessierte Beteiligte, die Geld haben, aber nicht soviel, daß sie tatsächlich Arbeitsplätze schaffen, zusammen mit der Notstandshilfe Arbeitslosigkeit vermeiden, neue Arbeitsplätze schaffen und damit wirklich einer gesellschaftlichen Aufgabe nachkommen, die respektiert – auch wenn es gesetzlich nicht festschreibbar ist –, daß jeder, der Arbeit will, auch das Recht auf Arbeit und nicht nur auf Notstandshilfe haben soll. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Aumayr. Sie hat das Wort.

21.02

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! In Österreich gibt es eine Bevölkerungsgruppe, welche von Rot und Schwarz nicht zweit-, sondern drittklassig behandelt wird. Diese Menschen sind die Opfer einer völlig verfehlten Agrarpolitik geworden, und ihre Zahl wird täglich größer.

Man muß sich das vorstellen: In Österreich sind bereits zwei Drittel der Bauern im Nebenerwerb. Sie folgen den Empfehlungen des Agrarministers, sich ein zweites Standbein zu suchen, was eigentlich nichts anderes bedeutet, als daß sie doppelt arbeiten müssen, um einmal leben zu können. Sie haben einen Arbeitstag von zwölf bis 14 Stunden, weil sie sich einen Nebenerwerb suchen müssen und außer Haus einem Beruf nachgehen müssen, damit sie ihre Familie ernähren können.

Diese Bevölkerungsgruppe, diese Berufsgruppe zahlt selbstverständlich ihre Sozialversicherungsbeiträge ein wie alle anderen Arbeitnehmer; auch die Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Nur: Wenn diese Menschen dann arbeitslos werden, dann bekommen sie keine Arbeitslosenentschädigung, wenn sie einen Betrieb haben, der einen Einheitswert von 60 000 S hat. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Frau Kollegin Silhavy! Mit einem Einheitswert von 60 000 S kann in Österreich kein Bauer mehr leben, denn sonst würde er nicht in den Nebenerwerb gehen. Das ist wirklich unmöglich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Hums.)

Nein, Herr Kollege Hums! Es ist ein sozialpolitischer Skandal, wenn man eine Bevölkerungs- oder Berufsgruppe zwangsweise Beiträge einzahlen läßt und sie keinen Anspruch daraus erwerben. Wieso läßt man sie einzahlen, und dann bekommen sie nichts? – Das ist wirklich ein Skandal. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich möchte sonst nichts ... (Zwischenruf des Abg. Koppler.) Herr Kollege Koppler! Ich möchte sonst nichts, als daß die Nebenerwerbsbauern den Häftlingen gleichgestellt werden. (Abg. Koppler: Dann fahren wir einmal miteinander!)

Man muß sich vorstellen, Kollege Koppler: Wenn heute in Österreich jemand straffällig wird, ins Gefängnis kommt und dort arbeitet, dann zahlt er selbstverständlich auch Arbeitslosenbeiträge und erwirbt mit seiner Arbeit im Gefängnis Anspruch auf Arbeitslosenentgelt. Nur mit den Bauern macht man das nicht, die Bauern behandelt man wirklich drittklassig! (Abg. Koppler: Fahren wir miteinander!) Entweder läßt man sie nicht einzahlen, oder aber wenn man sie einzahlen läßt, dann muß am Ende selbstverständlich ein Anspruch für sie stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aus diesem Grund bringen wir Freiheitlichen jetzt bereits zum fünften Mal diesen Entschließungsantrag ein. Denn das ist, wie gesagt, wirklich ein sozialpolitischer Skandal ist, der an einer Bevölkerungsgruppe begangen wird.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr, Mag. Haupt zum Antrag der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (876/A), in der Fassung des Ausschußberichtes (1418 der Beilagen) betreffend Leistungen nach dem AlVG für Nebenerwerbsbauern.

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der Leistungen nach dem AlVG für Nebenerwerbsbauern unabhängig vom Einheitswert ihrer Landwirtschaft gewährleistet, wenn Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet wurden."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.06

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte die kleine Novelle zum Arbeiterkammergesetz zum Anlaß nehmen, generell noch einmal kurz über die Arbeiterkammer und die Gewerkschaften zu replizieren. Frau Kollegin Reitsamer hat schon gesagt, daß es nur kleine, marginale Änderungen sind, weniger inhaltlicher, sondern eher redaktioneller Art. Aber ich denke, es ist angebracht, auch hier einmal unsere gut funktionierende Sozialpartnerschaft in Österreich, die uns letztendlich Wohlstand und sozialen Frieden beschert hat, hervorzuheben und besonders zu loben.

Ich möchte diese Änderung zum Anlaß nehmen, um auch eine Lanze für die Sozialpartnerschaft zu brechen, um die Notwendigkeit einer guten gesetzlichen Arbeitnehmervertretung zu betonen und um die Sinnhaftigkeit von überfraktionellen Gewerkschaften zu verteidigen.

Meine Damen und Herren! Die Änderung des Arbeiterkammergesetzes hat mehr Transparenz gebracht, mehr objektive Wählerevidenz – die ja schon immer gefordert worden ist –, ein gerechteres Wahlsystem und einen Ausbau des Briefwahlsystems, auf das wir bei Bundeswahlen leider noch immer warten. (Abg. Murauer: Jawohl! Leider!) Die Akzeptanz der Arbeiterkammern wurde – das wissen wir – durch Abstimmungen überprüft: 80- bis 95prozentige Zustimmung zu einer gesetzlichen Arbeitnehmervertretung!

Meine Damen und Herren! Den Beweis dafür, daß unsere Sozialpartnerschaft klappt, hat heute die Bundeswirtschaftskammer in neuen Zahlen veröffentlicht. Während die Durchschnittseinkommen in Österreich von 1980 bis 1997 um 32 Prozent gestiegen sind, sind sie in den USA im selben Zeitraum bei den sogenannten fraktionierten Gewerkschaften um 7 Prozent gesunken.

Ich komme damit zu einem interessanten Aspekt, nämlich zur Freien Gewerkschaft Österreichs, die ja genau diese Fraktionierung hat und fordert. Dort geht es nicht um eine bessere Arbeitnehmervertretung, sondern ich habe eher den Eindruck, daß es darum geht, das gute Sozialsystem, das gute Sozialpartnersystem zu destabilisieren und den Weg in die Dritte Republik zu öffnen. (Abg. Silhavy: Nein, es geht um eine Arbeitgebervertretung, wie wir gesehen haben!) Wenn – ja wenn das Wörtchen "wenn" nicht wäre, meine Damen und Herren!

Dazu verweise ich auf einen recht interessanten Bericht, der am 28. September 1998 im "profil" erschienen ist. Herr Gaugg ist heute nicht da, sonst könnte er uns über die tatsächlichen Zahlen aufklären. Denn da war zu lesen:

"Freier Fall. FPÖ. Sie hat keine Rechte, kaum Mitglieder und Finanzprobleme: Die im Mai gegründete freiheitliche Gewerkschaft FGÖ floppt."

Dann heißt es weiter: "Die Mitgliederzahlen der FGÖ stagnieren. Die ‚Traummarke‘ von 100 000 Mitgliedern, die der Wegbereiter der FGÖ, der Kärntner FP-Nationalratsabgeordnete Reinhart Gaugg, nannte, erweist sich als reine Utopie. Im Mai traten der blauen Gewerkschaft nur etwas über 1 000 freiheitliche Funktionäre bei."

Die Pikanterie am Rande ist, daß nicht einmal alle freiheitlichen Betriebsräte aus der Gewerkschaft ausgetreten sind, weil sie dort anscheinend die bessere Vertretung und den besseren Einsatz sehen. "Mit der Gründung weiterer Teilgewerkschaften ist die FGÖ jedenfalls vorsichtig geworden. War noch vor Wochen für September eine Lehrlingsgewerkschaft angekündigt worden, soll die nun – wie auch eine Pensionistengewerkschaft – erst ‚im Laufe des Herbstes‘ ... eingerichtet werden. Der Aufbau einer Frauengewerkschaft wurde überhaupt auf unbestimmte Zeit verschoben." – Die freiheitliche Gewerkschaft floppt, sagt der Bericht vom 28. September.

Nun, Herr Gaugg ist leider nicht da. Er könnte uns sagen, wie groß die Anzahl wirklich ist, wie hoch die Begeisterung ist. Man liest nichts mehr davon. Man weiß nur, daß die Nummer 1 der Mitgliedschaft Herr Haider hat. Vielleicht ist die Nummer 2 oder 3 noch frei – ich weiß es nicht. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Herr Gaugg ist ja dadurch berühmt geworden, daß er ein gewisses Wort buchstabiert hat. (Abg. Mag. Stadler: Ob Sie buchstabieren können?) Wahrscheinlich hat ihm das auch den Weg in den Nationalrat geebnet. (Abg. Mag. Stadler: Buchstabieren Sie einmal etwas!) Herr Stadler (Abg. Mag. Stadler: Buchstabieren Sie einmal etwas!), Sie sind ja humanistisch gebildet, wie Sie immer sagen. (Abg. Mag. Stadler: Buchstabieren Sie einmal etwas! – Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Ich sage Ihnen (Abg. Mag. Stadler: Der Versicherungskaufmann!): In der Auswirkung Ihres Verhaltens merkt man es nicht immer, denn Humanismus heißt Menschlichkeit, heißt Hervorheben der Tugenden der Antike. Es gehört natürlich Rhetorik dazu, aber sonst, Herr Stadler, merkt man von Ihrer humanistischen Einstellung nicht viel. (Beifall bei der ÖVP.)

Denn Humanismus bedeutet nicht Menschenhatz, bedeutet nicht Ausspielen, bedeutet nicht Reinschreien. Humanismus bedeutet Zuhören, Humanismus bedeutet, zu überlegen und zu hören und nachzudenken über das, was der andere sagt. Humanismus, Herr Stadler, bedeutet jedenfalls nicht das, was Sie davon halten. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt buchstabieren Sie mal was! Buchstabieren Sie mal was!)

Und jetzt, meine Damen und Herren, möchte ich den "Flop" buchstabieren – damit Herr Gaugg auch noch zu seinem Recht kommt –, wie er im "profil" dargestellt wurde: "FLOP" (Abg. Mag. Stadler: Buchstabieren Sie!) – Freiheitliche Gewerkschaft, lautstark angekündigt, ohne Mitglieder, Pleite perfekt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Pleite perfekt – das ist Ihre Arbeitnehmervertretung, die Sie angekündigt haben und von der Sie jetzt das Ergebnis haben! Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmer sind gescheiter, als Sie geglaubt haben! (Beifall bei der ÖVP.)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.12

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist bereits erwähnt worden, daß diese Arbeiterkammergesetznovelle vor allem deswegen notwendig war, weil bei der letzten Novelle vor dem Sommer hier redaktionell ein Fehler passiert ist. Auch wenn Kollege Dolinschek sagt, daß diese Versäumnisse und diese Korrekturen mit wachsender Häufigkeit und immer öfter vorkommen – ich kann das nicht bestätigen. Ich kann nur sagen, dort, wo gearbeitet wird – und das geschieht eben auch hier im Parlament –, passieren nun einmal Fehler, und daher sind wir eben auch dazu da, diese Fehler so rasch wie möglich auszubessern.

Daher sehe ich kein Problem darin. Es ist vielleicht sogar ganz gut, daß nun zu diesen verlorengegangenen Absätzen, die wir schon vor dem Sommer verhandelt haben, noch zwei dazugekommen sind, vor allem in bezug auf die Konstituierung der Hauptversammlung des Arbeiterkammertages. Aber das ist ja schon erwähnt worden.

Meine Damen und Herren! Es freut mich natürlich, daß gerade mein Vorredner, der der ÖVP angehört, die Sozialpartnerschaft so sehr in den Mittelpunkt gerückt hat. Das veranlaßt mich aber auch, etwas kritisch anzumerken, daß zwischen den Worten und den Taten doch immer wieder Unterschiede auftreten und daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich, glaube ich, sehr froh sind, daß es Gewerkschaften und Arbeiterkammern gibt. Denn sonst hätten nicht allein etwa im Bundesland Oberösterreich im vergangenen Jahr über 234 700 Personen persönlich oder telefonisch Rat und Hilfe gesucht, wobei die Hauptprobleme arbeits- oder sozialrechtliche Fragen waren. Über 83 Prozent aller Auskünfte haben diese zwei Themen betroffen.

Nun, Sozialpartnerschaft, gut und schön, aber leider Gottes muß ich auch sagen, daß die Zahl jener Beratungen und Vertretungen zunimmt, bei denen es darum geht, daß Gelder, die den Arbeitnehmern vorenthalten worden sind, eingeklagt werden müssen oder erst über Interventionswege hereinkommen. Auch hiezu wieder eine Zahl aus Oberösterreich: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden bereits über 50 Millionen Schilling an Geldern erkämpft, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorenthalten wurden. Das ist bereits so viel wie im ganzen vorigen Jahr. Das heißt also, daß die Moral da etwas gesunken ist. Ich hoffe, daß das nicht ein Dauerzustand wird, sondern nur ein Ausnahmefall ist.

Wie sehr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Kammern schätzen, zeigt sich auch in anderen Bereichen, etwa in der Konsumentenberatung oder in der Mietrechtsberatung. Außerdem kamen letztes Jahr allein in Oberösterreich 8 303 Lehrlinge zur Kammer, um Rat und Hilfe zu suchen.

Abschließend möchte ich betonen – und dies ist hier ganz wichtig –, daß die Menschen in unserem Land vor allem sozialen Frieden wollen und sich zum System des Interessenausgleichs in Form der Sozialpartnerschaft bekennen. Mit einem klaren Votum, wie Sie sich erinnern, haben sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Landes positiv für den Weiterbestand der Arbeiterkammern ausgesprochen. Gemeinsame Stärke ist gerade in Zeiten des zunehmenden Drucks auf die Arbeitnehmer besonders wichtig. Daher ist es, glaube ich, auch notwendig, daß wir für den Weiterbestand dieser Einrichtungen eintreten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.16

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Kollege Kier hat, Bezug nehmend auf den Antrag von Frau Abgeordneter Madl, gemeint, daß der Ausbau der Zwischenverdienstmöglichkeiten ein Ansatz wäre, um Berufstätigkeit und Familie besser zu vereinbaren. Ich glaube, daß das nicht der richtige Weg ist. Zuerst müssen wir endlich einmal den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit nach der Karenzzeit bis zum sechsten Lebensjahr der Kinder verwirklichen. Denn es gibt viele Mütter, die gerne teilzeitbeschäftigt wären und die nicht diese Möglichkeit haben, während andere Leute in Teilzeitarbeit gedrängt werden, obwohl sie einen Vollzeitarbeitsplatz zum Leben und für ihre Existenz brauchen würden.

Das wäre der richtige Ansatz, denn nur die Zwischenverdienstmöglichkeiten zu erhöhen, heißt in Wahrheit, der Wirtschaft nach Möglichkeit noch billigere und billigste Arbeitskräfte zur Verfügung stellen zu wollen und damit einerseits Vollzeitarbeitsplätze zum Teil zu vernichten und andererseits natürlich auch Kollektivvertragspolitik unterwandern zu wollen. Das kann nicht der richtige Weg für eine sozialpolitische Erneuerung in unserem Lande sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Steibl, da du angesprochen hast, daß du auch im Land Möglichkeiten siehst, so kann ich dazu nur bemerken: Die Landesgleichbehandlungsbeauftragte der Steiermark hat uns bei einer internationalen Konferenz den Erfolg berichtet, daß jetzt im Land Steiermark eine Juristin, die sich in Karenz befindet, im Rahmen des Geringfügigkeitsausmaßes arbeitet. (Abg. Steibl: Wenn sie es will! Wenn sie es will, dann soll sie doch!) – Ich denke mir, auch das kann kein moderner Weg und kein neuer Weg im Land sein (Abg. Steibl: Wenn sie es will, dann soll sie doch!), wenn im Lande solche Möglichkeiten gewählt und geboten werden, bei denen man versucht, sich selber der Verpflichtung zur Leistung des Sozialversicherungsbeitrags zu entziehen. Das Land und die öffentliche Hand sollten Vorbildwirkung haben, auch im sozialpolitischen Bereich! Das werde ich ja euch nicht zu erzählen brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme zum Thema Karenzgeld für alle – und hier sind wir natürlich wieder beim Thema Nummer eins. Ich denke mir, es geht gar nicht so sehr darum: Karenzgeld für alle oder nicht für alle. Es geht darum, daß wir wissen, aus welchen Töpfen der FLAF finanziert wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Geh!)

Die Unternehmerseite – gerade Ihrer Fraktion – sagt die ganze Zeit, die Lohnnebenkosten gehören gesenkt, und rechnet uns das als Lohnnebenkosten an. Das heißt, der Arbeitnehmer zahlt sich das in Wahrheit wieder selber. (Beifall bei der SPÖ.) Sie wollen das anders verteilen. Es geht gar nicht darum, daß wir das den Leuten nicht gönnen, sondern Sie müssen sagen, wer es finanziert. Es geht nicht an, alles über die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanzieren zu wollen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steibl.)

Darüber hinaus kann ich ja davon ausgehen, daß die Familienpolitikerinnen der ÖVP darüber Bescheid wissen, daß es in der Sozialhilfegesetzgebung Möglichkeiten gibt (Abg. Rosemarie Bauer: Genau das wollten Sie! Genau das wollten Sie!), und es gibt ja auch einige Bereiche, die dort Vorbildwirkung haben. Reden wir also einmal über dieses Thema. Wir könnten ja über alles reden, wenn Sie dafür aufgeschlossen wären. Aber es geht ja momentan offensichtlich um politische Polemik in einem bereits vorgezogenen Wahlkampf. (Beifall bei der SPÖ.)

Ridi, da du ja Stadträtin Kaltenbeck zitiert hast, wirst du genau wissen, daß sie gerade diese Sozialhilfemöglichkeit für Studentinnen angesprochen hat. Dir unterstelle ich ja, daß du weißt, wovon du redest, und daß es dann eventuell mutwillig falsch dargebracht wurde.

Etwas möchte ich schon noch sagen: Wenn man die Tagungen der LandesfamilienreferentInnen und deren Protokolle anspricht, ist schon auch zu hinterfragen, wie denn manche Situationen in manchen Ländern sind. Ich denke, man sollte sich einmal im Land Niederösterreich ansehen, wie dort gewisse Konstellationen im familienpolitischen Bereich aussehen, nämlich Privatfirmen, in Firmen, die vom Familienministerium Aufträge bekommen, die nicht zu gering sind.

Abschließend, Frau Kollegin Aumayr: Auch wenn ich unselbständig erwerbstätig bin und regelmäßig mehr als die Geringfügigkeitsgrenze dazuverdiene, falle ich sozusagen aus dem Arbeitslosengeldbezug heraus. Die 60 000 S Einheitswert – ich möchte ja gar nicht wissen, wie hoch der Verkehrswert hier ist – stellt genau die Analogie zur Geringfügigkeitsgrenze bei den unselbständig Beschäftigten dar. (Abg. Aumayr: Das ist unbeschreiblich! Unbeschreiblich!) Bitte befassen Sie sich einmal mit Sozialpolitik, bevor Sie hier irgendwelche Forderungen aufstellen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

21.21

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Antrag der Kolleginnen von der Freiheitlichen Partei ist folgendes zu sagen: Wir haben eine Neuregelung per 1. Jänner 1998, die praxisbezogen ist. Dazuverdienst ist möglich, KUG – also Karenzurlaubsgeld – bleibt erhalten, der wichtige und geforderte Kontakt zur Wirtschaft oder zur Arbeitswelt bleibt dadurch erhalten.

Ich verstehe daher Ihre Forderung nicht, denn Durchrechnung, so wie Sie sie fordern, vernichtet das KUG. Ich werde Ihnen das anhand des folgenden Beispiels sagen: Ein regelmäßiger Gelegenheitsverdienst von 4 000 S, gerechnet auf die ganze Zeit des Karenzgeldbezuges oder auf ein Jahr des Karenzgeldbezuges, vernichtet – bei 4 000 S, bitte! – den gesamten KUG-Anspruch (Abg. Madl: Er verfällt ja nicht rechtmäßig!), während derselbe Dazuverdienst bei unserem Anrechnungsmodell lediglich 85 S im Monat vom Karenzurlaubsgeld einkürzt und der Rest trotz Dazuverdienst erhalten bleibt. Sie müssen also schon einmal rechnen (Zwischenruf der Abg. Madl) und dürfen den Kolleginnen und Kollegen, die in Karenz sind, bei dieser Möglichkeit das Geld nicht wegnehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Madl: Außerdem werden sie da in den Betrieben keine Arbeit bekommen! Die wollen das nicht! Da ist dann alles besetzt!)

Frau Kollegin Madl, wir brauchen nicht weiterzureden, Sie kriechen von Ihrem Modell nicht herunter. (Heiterkeit des Abg. Koppler.) Es ist nicht anders: Tatsache ist, daß Ihr Modell den Anspruch vernichtet und unser Vorschlag den Anspruch erhält.

Zu den Ausführungen des Kollegen Kier möchte ich noch folgendes sagen: Er wirft dem AMS Versagen vor, und zwar beim Propagieren der Zuverdienstmöglichkeiten. Herr Kollege Kier – er ist gerade nicht da –, ich denke, das ist falsch. Denn erstens wird das Karenzjahr, wie wir es in diesem Haus beschlossen haben, seit 1. Jänner 1996 von der Gebietskrankenkasse ausbezahlt. Das heißt – und das möchte ich auch dazusagen –, auch dort wird über Zuverdienstmöglichkeiten informiert, und das AMS informiert selbstverständlich.

Es kommt mir manchmal so vor, als bräuchte man in der Republik Österreich immer dann, wenn etwas zwar angeboten, aber von der Gesellschaft – und damit meine ich sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer – nicht sofort angenommen wird, ein unbekanntes Wesen, eine Institution, die das dann sozusagen ausbaden muß.

Kollegin Aumayr! Wenn Sie sagen, den Bauern wird etwas weggenommen, ihre Einkommen fallen weg, dann möchte ich Sie auch fragen: Wie sagt Ihr Bundesparteiobmann im Zusammenhang mit dem Flat-Tax-Modell, das er jetzt so propagiert (Abg. Mag. Stadler: Wie heißt das Modell? – Abg. Lafer: Falsch ausgedrückt!), den Bauern, daß damit für sie die gesamten Förderungen wegfallen? Das müssen Sie den Bauern auch erst einmal sagen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

21.24

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Reitsamer hat ja schon auf die notwendigen Änderungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes hingewiesen. Wenn man in einem Betrieb arbeitet, wo eben vorwiegend Frauen beschäftigt sind, dann kann man auch miterleben, wie es einer Frau ergeht, die aus ihrer Karenz zurückkommt, wenn der Betrieb plötzlich zusperrt und sie vor dem Nichts steht. Aufgrund eines Mehrverdiensts des Partners, der gerade ein paar Monate im Außendienst eingesetzt ist und dadurch eben auch mehr verdient, kann sie ja nicht einmal Notstandshilfe beziehen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Durch diese Neuregelung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes haben jene Frauen, die eben wegen eines Karenzgeldbezuges die Voraussetzungen nicht erfüllt haben und daher abgelehnt wurden, jetzt wenigstens die Chance, die Notstandshilfe zu bekommen.

Für die meisten Familien ist es eine Notwendigkeit, daß beide Partner arbeiten, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Mit diesem vorgeschlagenen Antrag ist nun zumindest gewährleistet, daß die Frau in dieser Zeit sozialversichert ist. Das bedeutet einerseits, daß sie Pensionsversicherungszeiten erwirbt, aber andererseits ist sie auch im Falle einer Krankheit abgesichert.

Deshalb möchte ich auch der Frau Bundesministerin mit ihrem Team für die Unterstützung danken, die dazu geführt hat, daß dieses Gesetz nun abgeändert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Bundesministerin.

21.26

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir nur zwei kurze Bemerkungen zum Debattenbeitrag von Frau Abgeordneter Aumayr beziehungsweise Frau Abgeordneter Haller.

Frau Abgeordnete Aumayr! Sie werden sich, weil Sie die Situation der Bäuerinnen angesprochen haben, erinnern, daß bereits vor längerer Zeit in diesem Hohen Haus eine deutliche Erhöhung der Betriebshilfe beschlossen wurde, die die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Bäuerinnen – auch mit Ihrem Beifall – deutlich verbessert hat. Ich glaube, man sollte auch das erwähnen, wenn man Situationen kritisiert.

Ich möchte Sie schon darauf aufmerksam machen, was es heißen würde, wenn Ihrem Antrag auf Wegfallen des Einheitswertes bei der Ermittlung des Anspruchs auf Leistungen stattgegeben würde. Das würde eine extreme Ungleichbehandlung bedeuten und auch eine extreme Ungerechtigkeit gegenüber anderen Versichertengruppen mit sich bringen, weil undifferenziert und unabhängig von der sonstigen Einkommenssituation die Leistungen erbracht werden würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Haller wollte ich – weil sie die Frage bezüglich der Zeiten des Karenzgeldes und auch der Teilzeitbeihilfe angesprochen hat – nur sagen: Diese sind selbstverständlich staatsbürgerschaftsmäßig neutral und stellen nicht auf die Staatsbürgerschaft ab. Ich glaube, es war nur wichtig, das richtigzustellen, weil sonst ein falscher Eindruck von der Gesetzeslage entsteht. (Beifall bei der SPÖ.)

21.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung der Freiheitlichen –: Wo sind die anderen? Nur wenige da!)

21.28

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich gebe Ihnen recht, daß das Wochengeld für Bäuerinnen erhöht worden ist und daß die Freiheitlichen das sehr begrüßt haben. Ich möchte Sie aber schon daran erinnern, Frau Ministerin, daß wir Freiheitlichen diese Forderung vor deren Erfüllung mittels Anträgen bereits mindestens viermal erhoben haben und sie immer wieder abgelehnt worden ist. (Ruf bei der SPÖ: Überhaupt nicht!)

Es ist also schon ein freiheitlicher Erfolg (Widerspruch bei der SPÖ), daß dann – wenn auch mit einiger zeitlicher Verzögerung – selbstverständlich der freiheitliche Antrag angenommen worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Selbstdarstellung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich hoffe, Frau Ministerin, daß es beim Arbeitslosengeld für die Nebenerwerbsbauern genauso sein wird. Denn es ist einfach ein Unrecht, daß man eine Berufsgruppe Beiträge einzahlen läßt, wobei die Einzahlenden von vornherein wissen, daß sie niemals Anspruch daraus erwerben. Das ist unfair, Frau Ministerin! Geben Sie den Bauern wenigstens die Wahlfreiheit, in diesen Topf einzuzahlen oder nicht. Aber sie einzahlen zu lassen und zu sagen, ihr habt aber niemals die Chance, auch nur irgend etwas herauszubekommen, ist schlicht und einfach unfair und eine sozialpolitische Ungerechtigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Fuchs.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. (Widerspruch der Abg. Madl.) – Ich korrigiere: Es steht noch Herr Abgeordneter Robert Wenitsch auf der Rednerliste. – Bitte.

21.30

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin! (Abg. Dr. Stippel: Er erzählt uns jetzt etwas über die niederösterreichischen Freiheitlichen!) Es ist wirklich kein geeigneter Vergleich, wenn man auf der einen Seite auf das Wochengeld, das für die Bäuerinnen erhöht worden ist, verweist und auf der anderen Seite von den Nebenerwerbslandwirten verlangt, daß sie einen Arbeitslosenbeitrag einzahlen, ohne später daraus ein Recht auf Arbeitslosengeld ableiten zu können.

Ihnen, Frau Kollegin Silhavy, möchte ich folgendes sagen: Sie als scheinbar große Sozialexpertin hier im Hohen Haus haben es sich ja gerichtet (Zwischenruf bei der SPÖ), im Gegensatz zu den Bauern. Denn wenn Sie nach Ihrer Arbeit hier im Parlament unfähig sind, einen Beruf zu finden, dann kassieren Sie ein Jahr lang Ihr Gehalt weiter – für nichts! (Ruf bei der SPÖ: Was?) Ohne Leistung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier wird wirklich mit zweierlei Maß gemessen. Ich verlange schon, daß die Bauern, daß die Nebenerwerbslandwirte, wenn sie einen Beitrag einzahlen, auch das Recht haben müssen, daraus Ansprüche abzuleiten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Jawohl!)

21.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr ist die Rednerliste erschöpft. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Wunsch des Berichterstatters nach einem Schlußwort liegt nicht vor.

Wir gelangen daher zu den Abstimmungen.

Als erstes stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1417 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen beziehungsweise Zusatzanträgen betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben, wie gesagt, je einen inhaltlich identischen Zusatzantrag betreffend eine neue Ziffer 1 sowie die entsprechend geänderten Ziffernbezeichnungen eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für die inhaltlich identischen Zusatzanträge Öllinger beziehungsweise Dr. Kier aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben je einen wortidentischen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 6 § 100 Abs. 8 eingebracht.

Jene Abgeordneten, die für die wortidentischen Abänderungsanträge der Abgeordneten Öllinger beziehungsweise Dr. Kier eintreten, darf ich ebenfalls um ein entsprechendes Zeichen ersuchen. – Auch das ist die Minderheit und ist daher abgelehnt.

Daher lasse ich nunmehr über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies mit Mehrheit angenommen wurde.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen der Bejahung. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen ist.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1418 der Beilagen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist in zweiter Lesung mit Mehrheit beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz für Nebenerwerbsbauern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag Aumayr zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, der Antrag ist in der Minderheit geblieben.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1419 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

8. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1414 der Beilagen) (Dritte Lesung)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 8. Tagesordnungspunkt.

Die zweite Lesung dieses Gesetzes ist bereits erfolgt, und wir kommen heute zur dritten Lesung.

Es wird abgestimmt über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1414 der Beilagen in der Fassung des Beschlusses in zweiter Lesung.

Das Geschäftsordnungsgesetz kann nach Artikel 30 Abs. 2 der Bundesverfassung nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten beziehungsweise der abgegebenen Stimmen geändert werden.

Somit stelle ich zunächst fest, daß das erforderliche Quorum der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten gegeben ist.

Wir stimmen nunmehr ab, und ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen wurde.

Damit ist diese Tagesordnung erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und weiterer Abgeordneter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Pflichten in den letzten zehn Jahren.

Der Antrag ist schriftlich verteilt worden und bedarf daher keiner Verlesung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Barmüller und weiterer Abgeordneter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren wird ein Untersuchungsausschuß gemäß § 33 Abs. 1 GOG eingesetzt.

Die Zusammensetzung des Ausschusses lautet: 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

Gegenstand der Untersuchung:

1. Überprüfung des Niveaus der Sicherheitsstandards in österreichischen Bergwerken sowie Vergleich mit dem Stand der Technik in anderen EU- und OECD-Ländern;

2. Klärung aller Umstände, die zum ersten Wasser- und Schlammeinbruch am 17. Juli 1998 um 11:45 Uhr und zur Verschüttung des Bergmannes Georg Hainzl geführt oder auch nur beigetragen haben;

3. Überprüfung aller Umstände, die zur Verschüttung von zehn weiteren Bergleuten am 17. Juli 1998 um zirka 22 Uhr geführt haben;

4. Überprüfung aller Maßnahmen im Zusammenhang mit den Rettungsversuchen ab dem Schlamm- und Wassereinbruch am 17. Juli 1998 um zirka 22 Uhr;

5. Überprüfung aller österreichischen Berghauptmannschaften und der Obersten Bergbehörde im Hinblick auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflichten in den letzten zehn Jahren;

6. Prüfung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten hinsichtlich der Festlegung der neuesten Sicherheitsstandards in österreichischen Bergwerken."

 

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist eine Debatte beantragt worden, und diese wird nunmehr stattfinden.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte.

21.37

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir heute im Anschluß an die Erklärung des Herrn Justizministers auch eine Abstimmung über einen Entschließungsantrag hatten, der sich darauf konzentriert hat, welche Fragen durch das Expertenkomitee, das Herr Bundesminister Farnleitner zur Klärung seiner eigenen Verantwortung einsetzen durfte, zu beantworten sein werden, welchen Auftrag dieses Expertenkomitee also haben wird, und wir diesen von uns formulierten Entschließungsantrag bei Ihnen leider nicht durchbringen konnten, sehen wir uns veranlaßt, wieder einen Untersuchungsausschuß im Hause zu verlangen; heute auch mit Debatte, und zwar deshalb, weil klargelegt werden muß, was Sie als Regierungsfraktionen in dieser Sache letztlich wirklich wollen.

Ich wende mich auf der einen Seite an die Regierungsfraktion der ÖVP, die sagt, sie möchte eine Aufklärung in dieser Frage, die aber nicht einmal darauf bestanden hat, etwa die Liberalen oder auch die Grünen in ihrem Appell an Herrn Bundesminister Farnleitner, der heute hier anwesend war, zu unterstützen, er möge doch wenigstens die Güte haben, zu sagen, welchen Auftrag er der Kommission erteilt hat. Denn er hat zwar gesagt, daß er den Auftrag heute unterschrieben hat, er hat aber auch auf Befragen nicht sagen wollen, welchen Auftrag diese Kommission von ihm bekommen hat.

Wir haben in unserem Entschließungsantrag klargelegt, daß wir die Klärung bestimmter Fragen durch die Experten als notwendig erachten. Die Experten haben klar gesagt, sie wollen nur sachliche Fragen und keine politische Verantwortung klären.

Da Herr Bundesminister Farnleitner aber nicht gewillt ist, zu sagen, welchen Auftrag er dieser Expertenkommission gibt, sehen wir uns genötigt, im Rahmen eines Untersuchungsausschusses noch einmal darauf zu dringen, daß alle Fakten auf den Tisch kommen und daß im Zusammenhang mit diesen Fakten die politische Verantwortung des Herrn Bundesministers geklärt wird. Daher ist dieser Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch sehr nahe an dem, was heute bereits mit dem Entschließungsantrag von uns vorgelegt worden ist. Da er verteilt worden ist, möchte ich darauf verzichten, ihn zu verlesen.

Ich möchte mich abschließend nur an die SPÖ wenden und ihr gegenüber einmal hinterfragen, was denn in dieser Sache etwa vom Herrn Abgeordneten Nürnberger zu tun gedacht wird. Ich erinnere daran, daß es Herr Abgeordneter Nürnberger war, der in der ersten Debatte über Lassing in diesem Haus – angesprochen auf den Gewerkschaftsbericht – noch gesagt hat: Es gibt keinen Gewerkschaftsbericht. Aber tags darauf hat Herr Abgeordneter Nürnberger diesen Gewerkschaftsbericht, von dem er am Vortag noch gesagt hat, es gibt ihn nicht ... (Abg. Nürnberger: Ein persönlicher Brief an mich!) Ich erinnere an die Diskussion über den Gewerkschaftsbericht, die wir hier im Hause hatten und in der Sie, Herr Abgeordneter Nürnberger, in einem Zwischenruf sagten, als ich Sie darauf ansprach, was Sie denn mit dem Gewerkschaftsbericht tun wollten ... (Abg. Nürnberger: Das ist ein persönlicher Brief an mich!) Nein, das ist genau jener Bericht, Herr Abgeordneter – es steht ja auch "Bericht" darüber –, den Sie tags darauf in der "ZiB 1" in die Kamera hielten, weil Sie gewußt haben, daß Sie ihn nicht hinterm Berg halten können.

Aber ich wundere mich über so viel Loyalität des Regierungspartners SPÖ gegenüber der ÖVP, wenn jetzt nicht einmal mehr der Auftrag, den Herr Bundesminister Farnleitner der Expertenkommission gegeben hat, offengelegt wird, und ich frage mich, wie lange Sie noch teilhaben wollen an der Verhinderung der parlamentarischen Kontrolle in diesem Haus.

Daher fordern wir Sie auf, daß Sie, wenn Ihnen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich schon Wurscht sind, dann wenigstens dazu beitragen, daß wir hier zu einer Aufklärung der politischen Verantwortung des Herrn Bundesministers Farnleitner kommen. Wir laden Sie daher sehr herzlich ein, diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen und sich nicht mitschuldig zu machen an dem, wozu Sie Herr Abgeordneter Khol jetzt wieder verdonnern will, nämlich einer Verhinderung der politischen Kontrolle in diesem Haus. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

21.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schöggl. Er hat das Wort.

21.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben heute die Katastrophe von Lassing in verschiedenen Facetten diskutiert, aber wir sind in einem Punkt nicht weitergekommen, und das ist die Klärung der Frage der politischen Verantwortung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Berichte, Aussagen und Erklärungen sind voll von Widersprüchlichkeiten, Fehleinschätzungen und teilweise groben Unterlassungen. Es verdichtet sich der Eindruck, daß das Parlament nicht wahrheitsgemäß informiert wurde. Man sieht, welche Reaktionen in anderen Ländern ausgelöst werden, wenn auf einen Politiker auch nur ein Schatten des Verdachtes fällt, das Parlament nicht richtig und wahrheitsgemäß informiert zu haben: Dann werden dort penibelste und umfangreichste Untersuchungen unter Einschaltung der Öffentlichkeit durchgeführt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dieses Haus ist sich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses selbst schuldig. Stimmen Sie diesem Antrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

21.44

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Bericht des Justizministers steht in zumindest drei Punkten in grobem Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen von Minister Farnleitner beziehungsweise ist in anderen Punkten diplomatisch und sehr offen abgefaßt.

Im Widerspruch steht der Bericht auf jeden Fall in bezug darauf, zu welchem Zeitpunkt Behörden von der Existenz eines nicht genehmigten Abbaus erfuhren und was daraufhin geschah. Ein Widerspruch besteht auch in den Aussagen darüber, wer unmittelbar nach dem Unglück für die damals getroffenen Veranlassungen verantwortlich war.

Die von den Regierungsparteien immer wieder vorgebrachten Appelle, man möge doch niemanden vorverurteilen, gehen ins Leere. Es geht nicht um strafrechtliche Verantwortung. Niemand unterstellt Minister Farnleitner, daß er in irgendeiner Art und Weise die widerrechtlichen Handlungen, die dort passiert sind, angeordnet, gebilligt oder gutgeheißen hätte. Aber er war nicht in der Lage, für geordnete Rettungs- und Bergungsmaßnahmen zu sorgen. Und was noch viel schwerer wiegt: Er ist seither auch nicht in der Lage, einen sicheren Betrieb in Österreichs Bergwerken sicherzustellen.

Die Bergbehörde tut nach wie vor, was sie will. Es herrscht dort ein Wildwuchs – ob das jetzt aus Korruption, aus Unfähigkeit, aus Mutwillen gegenüber dem Minister oder aus welchen Gründen auch immer passiert, ist einerlei. Jedenfalls ist dieser Minister nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Wer dafür die Verantwortung trägt – völlig außerhalb des Strafrechts –, das kann nur im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung geklärt werden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

Meine Damen und Herren! Ihr Verhalten, daß Sie das mit solcher Vehemenz ablehnen, obwohl Sie immer wieder sagen, dieser Minister hat sich nichts zuschulden kommen lassen, dieser Minister hat immer das Beste versucht, ist eigentlich ein schlagender Beweis dafür, daß Sie davon ausgehen, daß Farnleitner sehr wohl etwas zu verbergen hat oder daß er sehr wohl nicht in der Lage ist, diese Behörde zu führen. Wenn Sie der Meinung sind, daß dieser Minister in allen Punkten korrekt gehandelt hat, dann müßten Sie doch ein Interesse daran haben, daß das Parlament alle Unterlagen erhält und daß das Parlament nach einer Überprüfung auch dem Minister diese Ihre Einschätzung bestätigen kann. Aber ganz offenbar haben Sie kein Vertrauen mehr zu Ihrem eigenen Minister, und das spricht eigentlich Bände! (Abg. Mag. Mühlbachler: Ihrer Rede sind wir sowieso schon überdrüssig! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ein Wort noch insbesondere ans Präsidium des Hohen Hauses, denn das wird mein Kollege Andreas Wabl morgen in der Präsidiale thematisieren: Dieses Wirtschaftsressort und vor allem diese Bergbausektion pfeifen sich mittlerweile überhaupt nicht mehr um irgendwelche parlamentarischen Anfragen. Die Qualität von Anfragebeantwortungen ist wirklich unter jeder Kritik. Sektionschef Wüstrich – dem es offensichtlich Spaß oder Freude bereitet, Weisungen des Ministers nicht nur nicht zu befolgen, sondern auch per internem Erlaß das Gegenteil anzuordnen – beliebt mittlerweile auch, parlamentarische Anfragen einfach nicht mehr zu beantworten.

Ich hoffe, daß zumindest die Vertreter in der Präsidiale diese ministerielle Gepflogenheit gebührend "würdigen" werden. Denn ich denke, das nimmt mittlerweile Formen an, die auch Präsidenten Fischer und den anderen Mitgliedern der Präsidiale nicht mehr gleichgültig sein können. Wenn ein Minister offenbar sein Haus nicht mehr in der Hand hat und die Beamten parlamentarische Anfragen überhaupt nicht mehr beantworten, sondern weiße Felder zurückschicken, dann hat das meiner Ansicht nach mittlerweile jedes Maß an Arroganz und Dreistigkeit überschritten.

Es sind dringend Handlungen des Hohen Hauses geboten, denn sonst werden Sie für alles – Sie von den Regierungsparteien –, was jetzt vielleicht noch im Zusammenhang mit Bergwerken, im Zusammenhang mit Tätigkeiten ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): ... im Zusammenhang mit Tätigkeiten der Bergbehörde geschieht, die volle politische Verantwortung zu tragen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

21.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Mag. Barmüller auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu jenem Thema, das ich vorhin genannt habe.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als nächstes zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Grollitsch, Dipl.-Ing. Schöggl auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt. Die Durchführung einer Debatte wurde nicht verlangt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Grollitsch, Dipl.-Ing. Schöggl und Genossen betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit in Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung der Vorgänge sowie der politischen Verantwortlichkeit in Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing wird ein Untersuchungsausschuß, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne besteht, eingesetzt."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Sinne des Antrags Dr. Grollitsch einverstanden sind, ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 909/A bis 919/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4988/J bis 5041/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen dienen wird, berufe ich für heute, 21.52 Uhr – das ist im unmittelbaren Anschluß an diese Sitzung –, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21.51 Uhr