Stenographisches Protokoll

146. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 5. November 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

146. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 5. November 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 5. November 1998: 9.01 – 23.15 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und

über den Antrag 877/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die unentgeltliche Übereignung von beweglichem Bundesvermögen

2. Punkt: Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus

3. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

4. Punkt: Bericht über das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema "Einführung des Minderheitsvotums am Verfassungsgerichtshof"

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden

6. Punkt: Bericht über den Antrag 448/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Sparkassengesetzes

7. Punkt: Bericht über den Antrag 447/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Schaffung eines Privatisierungsgesetzes im Bankenbereich

8. Punkt: Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA)

9. Punkt: Bericht über den Antrag 907/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

11. Punkt: Bericht über den Antrag 784/A (E) der Abgeordneten Peter Schieder, Werner Amon, Dr. Martin Graf, Dr. Martina Gredler, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Menschenrechtsjahr 1998

12. Punkt: Bericht über den Antrag 253/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Menschenrechtssituation in Tibet

13. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

14. Punkt: Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation

15. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark

16. Punkt: Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken

17. Punkt: Bericht über den Antrag 719/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend gründliche Vorbereitung der EU-Erweiterung

18. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes Wiener Neustadt (40E Vr 1101/98, Hv 200/98) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 14

Angelobung des Abgeordneten Harald Fischl 14

Personalien

Verhinderungen 14

Ordnungsruf 72

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4484/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 34

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 141

Redner:

Herbert Scheibner 141

Anton Gaál 144

Dr. Karl Maitz 145

Wolfgang Jung 146

Hans Helmut Moser 147

Andreas Wabl 148

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 149

Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 4484/AB – Ablehnung 143, 151

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über die Petition Nr. 48 betreffend rechtliche Verankerung von Partner- und Partnerinnenschaften gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 19. Jänner 1999 zu setzen – Ablehnung 34, 221

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschußberichte 1473 und 1474 d. B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung 34

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung 35

Unterbrechung der Sitzung 36

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Verteilaktionen im Plenum des Nationalrates 36

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorgänge um das Gebäude der Salzburger Musikhochschule "Mozarteum", insbesonders zur Klärung der Frage, zu welchem Zeitpunkt Organe der Verwaltung des Bundes erstmals von den erhöhten Schadstoffkonzentrationen erfahren haben und warum Gegenmaßnahmen unterlassen wurden, und zur Klärung der Frage, ob vergleichbare Schadstoffkonzentrationen und damit Gesundheitsgefährdungen auch in anderen Bundesgebäuden gegeben sind, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 213

Bekanntgabe 111

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 112

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 214

Mag. Johann Maier 216

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 216

Hermann Böhacker 217

Dr. Volker Kier 219

Karl Öllinger 220

Ablehnung des Antrages 221

Ersuchen des Abgeordneten Herbert Scheibner um Erarbeitung von Richtlinien betreffend Wortmeldungen von Regierungsmitgliedern in der Debatte über eine Anfragebeantwortung in der Präsidialkonferenz 151

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser zum Ersuchen des Abgeordneten Herbert Scheibner 151

Fragestunde (31.)

Wissenschaft und Verkehr 14

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (214/M); Dr. Gertrude Brinek, Dr. Gabriela Moser, Dr. Martina Gredler, Dr. Johann Stippel, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl

Ing. Walter Meischberger (216/M); Dr. Gertrude Brinek, Dr. Gabriela Moser, Dr. Martina Gredler, Franz Hums

Arbeit, Gesundheit und Soziales 23

Edith Haller (232/M); Rosemarie Bauer, Karl Öllinger, Klara Motter, Heidrun Silhavy

Dr. Gottfried Feurstein (227/M); Karl Öllinger, Mag. Helmut Peter, Helmut Dietachmayr, Sigisbert Dolinschek

Dr. Volker Kier (234/M); Mag. Herbert Haupt, Edeltraud Gatterer, Karl Öllinger

Ausschüsse

Zuweisungen 33

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bankenaufsicht und Riegerbank (5129/J) 103

Begründung: Mag. Gilbert Trattner 107

Bundesminister Rudolf Edlinger 112

Debatte:

Mag. Reinhard Firlinger 117

Dr. Ewald Nowotny 119

Hermann Böhacker (tatsächliche Berichtigung) 122

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 122

Dr. Ewald Nowotny (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 124

Mag. Helmut Peter 124

Dr. Alexander Van der Bellen 126

Dr. Michael Krüger 128

Mag. Johann Maier 131

Georg Wurmitzer 133

Reinhart Gaugg 134

Mag. Herbert Kaufmann 135

Dkfm. DDr. Friedrich König 137

Mag. Reinhard Firlinger (tatsächliche Berichtigung) 139

Mag. Johann Ewald Stadler 139

Georg Wurmitzer (tatsächliche Berichtigung) 141

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1390 d. B.): Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und

über den Antrag 877/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die unentgeltliche Übereignung von beweglichem Bundesvermögen (1464 d. B.) 35

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1429 d. B.): Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus (1465 d. B.) 35

3. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (1469 d. B.) 35

Redner:

Dr. Andreas Khol 35, 36

Dr. Josef Cap 39

Dr. Michael Krüger 42

Mag. Dr. Heide Schmidt 46

Mag. Terezija Stoisits 49

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 53

Dr. Gertrude Brinek 55

Dr. Elisabeth Pittermann 57

Dr. Harald Ofner 59

Dr. Volker Kier 62

Franz Morak 66

Herbert Scheibner 67

Karl Smolle 69

Dr. Martin Graf 72

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 74

Mag. Dr. Josef Höchtl 77

Annahme der Gesetzentwürfe in 1464, 1465 und 1469 d. B. 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier und Genossen betreffend die Absicherung der finanziellen Dotation des Nationalfonds der Republik Österreich im Hinblick auf die ausstehende Entschädigung von Zwangsarbeitern in der NS-Zeit – Ablehnung 66, 80

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten der NS-Opfer – Ablehnung 72, 79

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema "Einführung des Minderheitsvotums am Verfassungsgerichtshof" (III-151/1473 d. B.) 80

Redner:

Dr. Michael Krüger 80

Dr. Peter Kostelka 83

Wolfgang Jung 85

Mag. Cordula Frieser 86

Dr. Volker Kier 87

Mag. Terezija Stoisits 88

Dr. Johannes Jarolim 90

Dr. Gottfried Feurstein 92

Kenntnisnahme des Stenographischen Protokolls 93

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1392 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (1443 d. B.) 93

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 448/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Sparkassengesetzes (1444 d. B.) 94

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 447/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Schaffung eines Privatisierungsgesetzes im Bankenbereich (1445 d. B.) 94

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1383 d. B.): Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA (1446 d. B.) 94

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 907/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden (1447 d. B.) 94

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1412 d. B.): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1448 d. B.) 94

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 94

Anna Huber 96

Mag. Helmut Peter 97

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 100

Dr. Alexander Van der Bellen 101, 152

Manfred Lackner 153

Mag. Gilbert Trattner 154

Mag. Dr. Josef Höchtl 155

Ing. Wolfgang Nußbaumer 156

Dr. Alfred Gusenbauer 157

Reinhart Gaugg 158

Franz Stampler 159

Hermann Böhacker 160

Peter Marizzi 161

Jakob Auer 162

Karl Gerfried Müller 162

Mag. Cordula Frieser 163

Annahme der Gesetzentwürfe in 1443, 1446, 1447 und 1448 d. B. 164

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1444 und 1445 d. B. 164

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 784/A (E) der Abgeordneten Peter Schieder, Werner Amon, Dr. Martin Graf, Dr. Martina Gredler, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Menschenrechtsjahr 1998 (1434 d. B.) 165

Berichterstatter: Mag. Dr. Josef Höchtl (Druckfehlerberichtigung) 181

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 253/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Menschenrechtssituation in Tibet (1435 d. B.) 165

Berichterstatter: Mag. Dr. Josef Höchtl (Druckfehlerberichtigung) 181

Redner:

Dr. Martin Graf 165

Dr. Michael Spindelegger 167

Dr. Martina Gredler 169

Peter Schieder 171

Dr. Harald Ofner 172

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 173

Dr. Gerhard Kurzmann 175

Werner Amon 176

Mag. Walter Posch 177

Mag. Karl Schweitzer 179

Mag. Dr. Josef Höchtl 179

Herbert Scheibner 181

Inge Jäger 182

Mag. Johann Ewald Stadler 184

Dkfm. DDr. Friedrich König 185

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 186

Dr. Harald Ofner 188

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1435 d. B. 189

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1434 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Menschenrechtsjahr 1998 (E 144) 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Michael Spindelegger, Dr. Harald Ofner, Dr. Martina Gredler, Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Katastrophenhilfe für Nicaragua und Honduras – Annahme ( E 145) 183, 189

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1190 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1436 d. B.) 189

14. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1387 d. B.): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (1437 d. B.) 189

15. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1382 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark (1438 d. B.) 189

16. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1144 d. B.): Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken (1439 d. B.) 189

Redner:

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 190

Dr. Karl Maitz 191

Wolfgang Jung 192

Dr. Helga Konrad 193

Herbert Scheibner 194

Dr. Martina Gredler 195

Mag. Doris Kammerlander 196

Günther Platter 198

Dr. Irmtraut Karlsson 199

Hans Helmut Moser 200

Dr. Gabriela Moser 201

Genehmigung der Staatsverträge in 1436, 1437, 1438 und 1439 d. B. 202

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Irmtraut Karlsson, Günther Platter, Dr. Martina Gredler, Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend die Überprüfung der Politik in Bereich der gemeinsamen Sichtvermerksregelung im Rahmen des Schengener Exekutivausschusses – Annahme (E 146) 199, 202

17. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 719/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend gründliche Vorbereitung der EU-Erweiterung (1440 d. B.) 202

Redner:

Ing. Wolfgang Nußbaumer 202

Dr. Alois Mock 204

Dr. Martina Gredler 205

Dr. Josef Cap 206

Karl Smolle 207

Mag. Doris Kammerlander 209

Mag. Reinhard Firlinger 210

Dkfm. DDr. Friedrich König 210

Dr. Alfred Gusenbauer 211

Karl Smolle (tatsächliche Berichtigung) 212

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1440 d. B. 213

18. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes Wiener Neustadt (40E Vr 1101/98, Hv 200/98) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider (1474 d. B.) 213

Annahme des Ausschußantrages 213

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 32

1463: Übereinkommen (Nr. 176) über den Arbeitsschutz in Bergwerken; Empfehlung (Nr. 183) betreffend den Arbeitsschutz in Bergwerken

1466: Finanzreformgesetz 1998

1467: Bundesgesetz, mit dem das Richterdienstgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Nebengebührenzulagengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert werden

1472: Bundesgesetz, mit dem das Verbrechensopfergesetz geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Dr. Martin Graf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der jungen Generation (Bundesjugendförderungsgesetz) (925/A)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Heimfahrtbeihilfe für Schüler und Lehrlinge (926/A) (E)

Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Lizenzgebühren für die Übertragung sportlicher, kultureller und ähnlicher Ereignisse (927/A) (E)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Mautpflicht bei Fahrzeugen mit Probe- und Überstellungskennzeichen (928/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Änderung des Datenschutzgesetzes (929/A) (E)

Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bundesministeriengesetz 1986, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundesfinanzgesetz 1999 (5. BFG-Novelle 1999), das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Vertragsbedienstetenreformgesetz – VBRG) (930/A)

Mag. Walter Posch, Werner Amon und Genossen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der genitalen Verstümmelung von Frauen (931/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Struktur- und Finanzierungsreform des öffentlichen Verkehrs (932/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend rasche Einführung des Punkteführerscheins (933/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Hebung der Verkehrssicherheit für FußgängerInnen (934/A) (E)

Elfriede Madl und Genossen betreffend praxisgerechte Begrenzung von Nebeneinkommen beim Karenzgeldbezug (935/A) (E)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (936/A)

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (937/A)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Gesundheitssicherheit durch Ausnahmenbeseitigung im Bazillenausscheidergesetz (938/A) (E)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung geändert wird (939/A)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend die Durchführung einer Sonderprüfung durch den Rechnungshof gemäß § 99 GOG-NR hinsichtlich des Verkaufs der AMAG (940/A)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bundesministeriengesetz 1986, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955 und das Bundesfinanzgesetz 1999 (5. BFG-Novelle 1999) geändert werden (Vertragsbedienstetenreformgesetz – VBRG) (941/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bankenaufsicht und Riegerbank (5129/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Förderung der Gemeinden (5130/J)

Franz Kampichler und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die gesundheitliche Gefährdung wegen unzumutbarer Belastung durch Fliegen in Wiener Neustadt und Katzelsdorf (5131/J)

Mag. Gisela Wurm und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Einhausung von Bundesstraßen und Autobahnen (5132/J)

Mag. Gisela Wurm und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Autobahnzubringer Innsbruck-Mitte und Hauptmautstelle Radfeld (5133/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5134/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5135/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5136/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5137/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5138/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5139/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5140/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5141/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5142/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5143/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5144/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5145/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Umgang und Behandlung von Akten in Bundesministerien (5146/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend strategische Entscheidung über Öffnung und Schließung österreichischer Botschaften (5147/J)

Günter Kiermaier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Gleichstellung von "Neuen Selbständigen" und Selbständigen mit Gewerbeschein (5148/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Uniformierung des Bundessicherheitsinspizierenden der Justizanstalten (5149/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend die hohen Lebensmittelpreise (5150/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Sportförderung in Österreich (5151/J)

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend EU-Fördermittel für die österreichische Imkerei (5152/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend überhöhte Geldwechselgebühren der Banken in Vorgriff auf den Euro (5153/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Überforderung der Jugend- und Sozialämter (5154/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Wasserüberwachung und Landwirtschaft (5155/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kostenersatz für Schülerbeförderung im Gelegenheitsverkehr (5156/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Kostenersatz für Schülerbeförderung im Gelegenheitsverkehr (5157/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Post-Infrastruktur in Kärnten (5158/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend "Kältetherapie bei apoplektischen Insulten" (5159/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Aufnahme von "unerwünschten Hormonen" (5160/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Anstieg der Kriminalität in Österreich!" (5161/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einwanderungspolitik der Regierung (5162/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Sozialversicherungsbeiträge von ausländischen Mitbürgern (5163/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Musikhochschule "Mozarteum" – ein furchtbar "krankes" Haus (5164/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Musikhochschule "Mozarteum" – ein furchtbar "krankes" Haus (5165/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Auflösung von Studienangeboten (5166/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Kunstuniversität "Mozarteum" in Salzburg (5167/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Kunstuniversität "Mozarteum" in Salzburg (5168/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend behindertenfeindliche Tendenzen in der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter im Zusammenhang mit den Anträgen auf Invaliditätspension (5169/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Autobahnabfahrt Innsbruck-Mitte (5170/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Nichtgewährung der Presseförderung an die Wochenzeitung "Wörgler und Kufsteiner Rundschau" (5171/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Mitfinanzierung der Sondernotstandshilfe durch die Gemeinden (5172/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Mietkosten für Zollämter (5173/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Grenzsicherung (5174/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Alteisen und Metallschrott im Abfallwirtschaftsgesetz (5175/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Hilfseinsatz von Hubschraubern in Kroatien (5176/J)

Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend politische Propaganda in Zügen der ÖBB (5177/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Spanplattenverordnung (5178/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Organspendeaufkommen und Transplantation (5179/J)

Kurt Eder und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Zinssätze bei Wohnbaudarlehen (5180/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Gen-Kennzeichnungpflicht (5181/J)

Karlheinz Kopf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend den Förderungsbericht 1996 der Bundesregierung (5182/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die steuerliche Begünstigung von Bioenergie (5183/J)

Dr. Erwin Rasinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeiamtsärzte (5184/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundeskanzler betreffend dessen Deklamation, wonach die SPÖ auf dem Boden der geltenden Verfassung stehe (5185/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (4542/AB zu 4872/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4543/AB zu 4902/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4544/AB zu 4901/J)

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 146. Sitzung des Nationalrates.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Da wir eine Angelobung vorzunehmen haben, bitte ich alle, die Plätze einzunehmen, Frau Kollegin Moser. (Abg. Dr. Gabriela Moser verteilt aus Anlaß der 20. Wiederkehr des Tages der Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf als symbolische Geste frische Sonnenblumen an alle Abgeordneten. – Unruhe im Saal. – Abg. Dr. Gabriela Moser setzt mit der Verteilung der Sonnenblumen fort.) – Frau Abgeordnete Moser! Wir wollen in Kürze eine Angelobung vornehmen.

Ich gebe bekannt, daß für den heutigen Sitzungstag die Abgeordneten Haidlmayr, Tichy-Schreder, Dr. Schwimmer und Parnigoni als verhindert gemeldet sind.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, daß Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn auf sein Mandat verzichtet hat und an seine Stelle Herr Harald Fischl in den Nationalrat berufen wurde.

Da der Wahlschein bereits vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführerin, Frau Kollegin Rosemarie Bauer, um die Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Rosemarie Bauer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Harald Fischl (Freiheitliche): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun – um 9.03 Uhr – zur Fragestunde

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen mit den Anfragen an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Die 1. Anfrage kommt von Herrn Abgeordneten Meischberger. Ich bitte um Formulierung der Frage. (Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Dr. Petrovic nehmen die Verteilung der Sonnenblumen wieder auf. – Unruhe im Saal.)  Der Anfragesteller ist nicht anwesend, daher entfällt diese Frage.

Die 2. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Lukesch, sie ist ebenfalls an den Herrn Verkehrsminister gerichtet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

214/M

Wie beurteilen Sie den Fortschritt der Studienplanreform, die durch das seit mehr als einem Jahr in Geltung befindliche Universitäts-Studiengesetz unter anderem und insbesondere zur Kürzung der überlangen Studienzeiten eingeleitet wurde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter! Das neue Universitäts-Studiengesetz, das mit 1. August des vorigen Jahres in Kraft getreten ist, sieht vor, daß bis zum 1. Oktober 2002 alle Studienordnungen und alle Studienpläne neu zu überarbeiten sind. (Die Verteilung der Sonnenblumen erzeugt weiterhin Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Die Universitäten haben meinem Eindruck nach dieses Gesetz sehr gut angenommen, und die Arbeiten der Studienkommissionen machen ausgezeichnete Fortschritte. Mit 1. Oktober des heurigen Jahres ist es schon möglich gewesen, 19 neue Studienpläne nicht zu untersagen, das heißt, ihnen die formelle Zustimmung durch Nichtuntersagung zukommen zu lassen. Sie sind bereits in Kraft getreten und bestimmen daher das studentische Leben und die Lehre ab sofort.

Überwiegend, so muß man sagen, sind die Universitäten dabei einen durchaus phantasievollen und auch sehr kompetenten Weg gegangen. Die bisher vorgelegten Studienpläne zeigen, daß die Universitäten erkannt haben, daß erstens die Studien kürzer werden müssen, daß sie zweitens universeller werden müssen und drittens letztlich auch eine bessere Vorbereitung für die nachfolgende berufliche Praxis bieten müssen. Das Universelle geht eher in Richtung Verbreiterung des Bildungsangebotes. Das Praxisorientierte geht eher in Richtung Aufnahme von Anregungen, die aus dem gesellschaftlichen Umfeld an die Universitäten gekommen sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Ich hoffe, daß sich angesichts des derzeitigen Geräuschpegels Herr Abgeordneter Dr. Lukesch mit seiner Zusatzfrage verständlich machen kann. Ich bezweifle allerdings, ob wir der Fragestunde einen guten Dienst tun, wenn hier Aktionen gesetzt werden, die von der Aufmerksamkeit während der Fragestunde ablenken. (Abg. Dr. Marizzi: Das wollen die ja! – Abg. Dr. Petrovic setzt mit der Verteilung der Sonnenblumen fort.)

Ich bitte Sie, Frau Dr. Petrovic und Kolleginnen, während der Fragestunde das Verteilen von Blumen, so lieb das sicherlich gemeint ist, einzustellen. Wir müssen uns doch auf unsere parlamentarische Arbeit konzentrieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Lukesch mit einer Zusatzfrage.

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Danke, Herr Präsident. Es geht mir hier nämlich um das Wohl der Studierenden und der Universitäten und nicht um irgendwelche Reminiszenzen.

Herr Bundesminister! Welche grundsätzlichen Strategien und Vorgaben verfolgen Sie in der derzeit durch die Sorbonne-Erklärung relevierten Diskussion um die Einführung eines Bakkalaureats in Österreich, und wie können Sie verhindern, daß diese Diskussion zu einer Verzögerung der Studienplanreform in den noch ausstehenden Studienrichtungen führt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Lassen Sie mich die Beantwortung Ihrer Frage mit einer Vorbemerkung einleiten. Die Erklärung, die vier europäische Wissenschaftsminister anläßlich des 800. Geburtstages der Pariser Universität Sorbonne am 25. Mai des heurigen Jahres unterzeichnet haben, hat sozusagen zwei Aspekte.

Der eine Aspekt ist ein europapolitischer, und dieser ist nicht besonders erfreulich. Wenn nämlich die Wissenschaftsminister der vier größten Staaten einen guten Gedanken haben, diesen sogleich in die Tat umsetzen und erst dann die übrigen Wissenschaftsminister einladen und sagen, daß sie in dieses Boot ja auch einsteigen könnten, dann ist eine solche Haltung nicht gerade von einem besonders kooperativen Geist im Sinne der Europäischen Union und ihrer Bürger und Bürgerinnen gekennzeichnet. Wir haben daher in dieser Hinsicht auch unser Befremden – gemeinsam mit anderen Staaten, die nicht eingeladen waren, von Haus aus daran teilzunehmen – zum Ausdruck gebracht.

Zweiter Aspekt: Wissenschafts- und universitätspolitisch gesehen gehen wir andererseits davon aus, daß die in der Sorbonne-Erklärung eingeschlagene Richtung sinnvoll und nützlich ist. Sinnvoll und nützlich ist sie deshalb, weil es darum geht, nunmehr auch etwas zu schaffen, was man eine europäische Universität nennen könnte: mit vergleichbaren oder gleichen Abschlüssen und mit geradezu geplanten Schnittstellen, die es den Studierenden erlauben, während des Studiums nicht nur die Universität, sondern auch das Land zu wechseln, ohne dabei Zeit zu verlieren. Das liegt insoweit auch voll in unseren Intentionen.

Es ist außerdem so, daß standardisierte Abschlüsse, gemeinsame, vereinheitlichte Formen von Abschlüssen, selbstverständlich auch einen Beitrag dazu leisten, daß die Absolventen eines Universitätsstudiums an einer der europäischen Universitäten – aber auch etwa an den amerikanischen Universitäten – vergleichbare Voraussetzungen vorfinden, um dann Arbeit in Europa zu finden, und zwar in allen Mitgliedsländern. Auch das ist voll in unserer Absicht mit eingeschlossen.

Was werden wir daher tun? – Auch ich sehe das Risiko, das entsteht, wenn man auf eine gerade laufende und mit großem Engagement von den Universitäten vorangetriebene Reform, nämlich die Umsetzung des Universitäts-Studiengesetzes, eine zweite Reform aufsetzt. Da besteht das Risiko, daß sich alle zurücklehnen und sagen: Jetzt schauen wir einmal, was wirklich kommt.

Ich habe daher schon frühzeitig, schon vor Beginn des Wintersemesters, mit dem Präsidium der Rektorenkonferenz ein erstes ausführliches Gespräch darüber geführt und vereinbart, daß wir umgehend eine Arbeitsgruppe einsetzen, deren Ziel im wesentlichen ein zweifaches ist. Das erste Ziel ist es, festzustellen – und zwar so rasch wie möglich indikativ festzustellen –, in welchen Bereichen aus der Sicht der Universitäten die Umsetzung eines dreistufigen Studienmodells mit dem Bakkalaureat als erster Stufe sinnvoll, zweckmäßig und rasch möglich erscheint.

Das zweite Ziel ist es, auch zu klären, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen.

Es wird darüber hinaus – drittens – notwendig sein, auch eine sehr solide Abschätzung der Arbeitsmarktchancen für einen Bakkalaureat-Abschluß vorzunehmen, weil unser Interesse zweifellos nicht dahin geht, einen Zwischenabschluß zu schaffen, der letztlich zu einer Verlängerung des Studiums führt. Wenn, dann sollte schon ein Abschluß geschaffen werden, der auch zur Berufstätigkeit qualifiziert und von der Wirtschaft oder sonstigen Arbeitgebern angenommen wird, weil wir sonst den Studierenden einen Bärendienst erweisen würden.

Wir haben diese Frage zuletzt in der Rektorenkonferenz ausführlich diskutiert und ersucht, die Studienplanumsetzung in der vom Gesetz vorgesehenen Weise voranzutreiben. Wir haben auch ersucht, in den Bereichen, in denen jetzt schon ein dringendes Bedürfnis nach Dreigliedrigkeit besteht, diesem Bedürfnis zu folgen und das mit folgenden Maßnahmen parallel zu begleiten: mit einer entsprechenden Vorbereitungsarbeit, einer Evaluierung der Arbeitsmarktchancen und der Schaffung der Voraussetzungen für einen Gesetzesvorschlag, der dem Hohen Haus sobald wie möglich zugeleitet werden sollte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Bundesminister. – Eine Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Brinek.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Bundesminister! Sie haben in den letzten Tagen davon gesprochen, daß aus dem Verkauf der vierten GSM-Lizenz Forschungsmittel resultieren würden. Wann rechnen Sie mit diesem Verkauf beziehungsweise mit der Übertragung des Erlöses an die jeweiligen Forschungseinrichtungen, die diese Mittel dringend benötigen würden, vor allem nach der vorgeschriebenen Bindung von 5 Prozent?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich habe nicht erst in den letzten Tagen davon gesprochen, sondern ich erinnere mich auch daran, hier im Hohen Haus auf eine diesbezügliche Kritik des Liberalen Forums, wonach ich "schon wieder eine Lizenz versteigere, statt sie herzuschenken", geantwortet zu haben, daß ich sehr an diesen Einnahmen interessiert bin, weil ich die Absicht habe, diese erzielbaren Einnahmen im wesentlichen für Wissenschaft und Forschung einzusetzen. – Diese Absicht besteht nach wie vor.

Sie fragen nach dem Zeitpunkt. Der Zeitpunkt wird im wesentlichen durch den Ablauf der Ausschreibung bestimmt. Die Telekom Control GesmbH hat angekündigt, im Laufe des Dezember die Ausschreibung vorzunehmen. Es wird dann eine gewisse Periode für das Einlangen von Interessentenangeboten zu verstreichen haben. Ich rechne damit, daß die Entscheidung etwa im Februar, März fallen kann. Das ist durchaus rechtzeitig, um für das Budgetjahr 1999 eine Verstärkung der Forschungsmittel zu erlauben. Und das ist auch ins Auge gefaßt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser, bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Bundesminister! Vor 20 Jahren hat sich die Bevölkerung in Österreich gegen die Atomkraft entschieden. Derzeit überweist die österreichische Bundesregierung nach wie vor Millionenbeträge für Forschungsprogramme auf europäischer Ebene, die zum Ziel haben, die Erzeugung von Atomstrom zu verlängern, zu verstärken und aufrechtzuerhalten.

Meine Frage lautet: Wie groß ist die Summe an überwiesenen Milliarden, die Österreich zum Beispiel für die dritten und vierten Rahmenprogramme für die Atomforschung nach wie vor spendet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Es tut mir leid, aber ich kann wirklich den in der Geschäftsordnung zwingend verlangten Zusammenhang mit dem Fortschritt der Studienplanreform nicht erkennen. Das müssen Sie einsehen! Auch wenn das Thema aktuell ist, kann ich diese Zusatzfrage nicht zulassen.

Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Gredler mit einer Zusatzfrage.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Ich muß sagen, diesen Zusammenhang konnte ich auch nicht bei der Frage von Frau Kollegin Brinek erkennen.

Aber ich möchte mich wirklich auf die Studienplanreform konzentrieren. Sie haben gesagt, Herr Bundesminister, daß Studienkommissionen diese Abschlüsse nicht definieren können. Vertreter der Studienkommissionen haben aber selbst gemeint, daß sie sehr wohl in der Lage wären, diese Kurzstudien zu definieren und den Inhalt dieser Kurzstudien sozusagen zu präsentieren. Wie stellen Sie sich dieser Diskrepanz?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich bin ein wenig überrascht, daß Sie da eine Diskrepanz sehen und mich in einer Weise zitieren, daß ich annehmen muß, es gibt noch einen anderen Einem.

Ich habe zu dieser Frage, die Sie eingangs als Hypothese formuliert haben, gar nichts gesagt. Gesagt habe ich allerdings, daß es notwendig sein wird, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um das Bakkalaureat an Österreichs Universitäten einführen zu können. Ziel ist, daß die Studienkommissionen von sich aus sagen, wo sie das für sinnvoll und zweckmäßig halten, und daß sie auch entsprechende Studienpläne entwickeln. – Das habe ich gesagt, wenn auch mit anderen Worten.

Ziel ist weiters, daß wir die gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Studienabschluß schaffen. Diese sind heute nicht gegeben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Hums, bitte. (Abg. Hums: Meine Frage kommt erst beim Kompetenzbereich!) – Gut.

Herr Abgeordneter Dr. Stippel, bitte.

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Bundesminister! Unabhängig davon, wie die Diskussion über die Einführung des dreistufigen Modells weitergeführt wird und was dann am Ende als Ergebnis herauskommen wird, möchte ich Sie fragen: Wie schätzen Sie das bisherige Zusammenwirken von kollegialen Organen, monokratischen Organen und Ihrem Ministerium nach dem UOG 1993 ein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Im großen und ganzen schätze ich die Entwicklung, die mit dem UOG 1993 eingeschlagen wurde – auch was die institutionelle Reform und die veränderte Form der Kooperation zwischen den Universitäten, ihren Organen und dem Ministerium anlangt –, als sehr positiv ein.

Es ist allerdings so, daß das neue Modell da und dort kommunikative Anforderungen an die Beteiligten – insbesondere innerhalb der Universität – stellt, die mitunter tatsächlich Mühe machen. Aber ich denke, daß nach anfänglichen Mißerfolgen in manchen Universitäten hinsichtlich der Kommunikation zwischen dem sogenannten operativen Leitungsorgan und dem sogenannten strategischen Leitungsorgan nunmehr eine durchaus gute Basis geschaffen worden ist, um die Universitäten modern und im Interesse sowohl der Studierenden als auch der Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Meine Damen und Herren! Ich sehe gerade, ich habe einen Fehler gemacht. (Abg. Dr. Khol: Das gibt es nicht, Herr Präsident!) Ich habe Frau Dr. Petrovic nicht aufgerufen, sondern Frau Dr. Brinek aufgerufen, die zu diesem Gegenstand gar nicht gemeldet war. (Abg. Mag. Peter: Sie hat gut improvisiert!) – Jetzt muß ich entscheiden, ob ich ausnahmsweise noch eine Zusatzfrage von Frau Dr. Petrovic zulasse. (Abg. Dr. Khol: Ja, natürlich! – Ja-Rufe von Abgeordneten aller Fraktionen.)

Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Jenseits der notwendigen Bestrebungen zur Verkürzung der Studiendauer durch Studienplanreformen ergeben sich derzeit für einige Studierende außerplanmäßige Studienzeitverlängerungen, etwa weil die Gebäudebedingungen ähnlich im argen liegen wie beim Salzburger Mozarteum. – Was werden Sie tun, damit aus dieser außerplanmäßigen Verlängerung von Studien, zum Beispiel weil ein Gebäude geschlossen ist, für die Studierenden keinesfalls ein Nachteil erwächst?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Eine Verlängerung der Studiendauer auch für die Studierenden am Mozarteum ist derzeit keineswegs ins Auge gefaßt oder eine notwendige Folge der problematischen Bauzustände des nicht mehr ganz neuen Baus aus den siebziger Jahren.

Es ist vielmehr mit vereinten Kräften des Wissenschaftsministeriums, des Amtes der Salzburger Landesregierung und anderer – nicht zuletzt auch etwa der Festspiele in Salzburg und des Mozarteums selbst – gelungen, den Studienbetrieb so aus jenem Gebäude auszulagern, in dem derzeit ein Studienbetrieb nicht stattfinden kann, daß er in diesen Tagen wieder in vollem Umfang aufgenommen werden kann, allerdings unter erschwerten Bedingungen.

Es besteht nunmehr die Absicht, die erforderlichen Arbeiten zur abschließenden Untersuchung der Gesundheitsgefährdung, ihres Grades und ihrer Ursachen so rasch wie möglich und trotzdem so profund wie möglich fortzuführen, um möglichst rasch zu einer definitiven Entscheidung zu kommen. Aber wir werden alle Möglichkeiten der Flexibilität nützen und ausschöpfen, die notwendig sind, um für die Studierenden und Lehrenden am Mozarteum Bedingungen zu schaffen, die nicht zu einer Studienverlängerung und vor allem zu keiner weiteren allfälligen Gesundheitsbeeinträchtigung führen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Schöggl, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! "Evaluation" war eines der meistgebrauchten Schlagworte im Zusammenhang mit der Studienreform, und diese Studienreform ist sicher eines der wichtigsten Vorhaben im wissenschaftlichen Bereich, die derzeit laufen.

Meine Frage ist: Welche Evaluierungsergebnisse liegen nach Ihrem Kenntnisstand vor, und wie ist gewährleistet, daß die Evaluierungsergebnisse, insbesondere die aus dem studentischen Bereich, in die Studienpläne eingebaut und entsprechend berücksichtigt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Sie wissen zweifellos, daß die Evaluierung, die wir mit einer entsprechenden Verordnung vom 8. August vorigen Jahres eingeführt haben, im wesentlichen eine Evaluierung innerhalb der Universitäten und mit universitärer Verantwortung für die Umsetzung der dort allenfalls erkennbaren Ergebnisse ist.

Sie ist daher keine Evaluierung, die primär an das Ministerium oder überhaupt an das Ministerium zu liefern ist.

Ich habe gleichwohl von manchen Universitäten Evaluierungsergebnisse erhalten, die deutlich erkennen lassen, daß – soweit diese Universitäten nicht erst voriges Jahr damit begonnen haben, sondern auch schon in früheren Jahren entsprechende Evaluierungsschritte gesetzt haben – Verbesserungen in manchen Dimensionen schon vorhanden sind.

Das heißt, jene Universitäten, denen bewußt ist, daß Qualität für sie zunehmend zu einem Etikett werden wird, das sowohl den Wert der Abschlüsse ihrer Studierenden als auch das Interesse zusätzlicher Studierender am Studienbeginn oder an der Fortsetzung des Studiums an der jeweiligen Universität bestimmt, jene Universitäten, die das bereits erkannt haben, machen überhaupt kein Geheimnis sowohl aus ihren Schwächen als auch aus ihren Stärken.

Ich habe gerade in den letzten Tagen mit großem Vergnügen zum Beispiel die Evaluierung einer Fakultät der Universität Innsbruck gelesen. Dort haben sie in die Evaluierung auch Absolventen mit einbezogen, und ich muß sagen, das halte ich für außerordentlich gescheit.

Im großen und ganzen sind die Universitäten also dabei, sich ihrer Verantwortung dafür bewußt zu werden und zu sehen, welchen Wert es für die qualitative Weiterentwicklung der jeweiligen Universitäten und ihre Standorte hat, die Evaluierung durchzuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Bundesminister.

Herr Abgeordneter Parnigoni ist heute entschuldigt, daher entfällt seine Frage.

Ohne Präjudiz rufe ich jetzt Herrn Abgeordneten Meischberger zur Formulierung der 1. Anfrage auf, weil er mir nachgewiesen hat, daß in der ursprünglichen Liste vom letzten Mal seine Anfrage nach der des Abgeordneten Parnigoni gereiht war. – Bitte, Herr Abgeordneter Meischberger.

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

216/M

Wie beurteilen Sie die Zweckmäßigkeit der Kombinationen Ihrer Zuständigkeiten im Hinblick auf die Aussage Ihres Parteifreundes und Koalitionsverhandlers Nationalratspräsident Heinz Fischer, die Zusammenlegung des Wissenschafts- mit dem Verkehrsressort sei "ein Fehler" gewesen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Herr Präsident! Hohes Haus! Nichts zwingt mich, in allen Punkten mit dem sonst von mir außerordentlich geschätzten Präsidenten des österreichischen Nationalrates übereinzustimmen.

Ich halte die gewählte Zusammensetzung des Ressorts durchaus für zweckmäßig und begründbar. Dies wird umso deutlicher, wenn man nicht nur die Titel "Wissenschaft" und "Verkehr" aneinanderreiht, sondern sich darüber bewußt wird, daß dieses Ressort für Wissenschaft, Forschung, Technologie, Telekommunikation und, wenn Sie so wollen, sonstige technische Infrastruktur zuständig ist.

Ab diesem Moment wird deutlich, daß es sich um ein Ministerium handelt, das die geistige und technische Infrastruktur für Österreichs Entwicklung zu betreiben hat, und das halte ich im Prinzip für eine durchaus sinnvolle Kombination.

Das zeigt sich nicht zuletzt auch jetzt, wo wir gerade mitten in den Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über die Umsetzung des fünften Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung in Europa stehen. Dabei zeigt sich, daß in einigen der dort vorgesehenen Forschungsvorhaben sehr unmittelbare Zusammenhänge gerade zwischen Wissenschaft und Forschung einerseits und der Bewältigung moderner Herausforderungen der Zeit andererseits bestehen. Für diese Kommunikationsherausforderungen sowohl technisch-körperlicher Art – sprich Flugverkehr, Eisenbahn, Auto und ähnliches – als auch der technischeren Art wie Telekommunikation sind von den ins Auge gefaßten etwas mehr als 14 Milliarden ECU grob gesprochen knapp 6 Milliarden ECU vorgesehen.

Die Kombination erweist sich also in der Sache als durchaus fruchtbringend. Der Titel "Wissenschaft und Verkehr" löst allerdings bei dem unbefangenen Betrachter auf den ersten Blick Überraschung aus.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie selbst haben aber gestern oder vorgestern in einer Aussage im Zusammenhang mit der Betrachtung über das Zusammenwachsen des Telekombereichs mit der Medienpolitik gesagt, daß es ein Auseinanderdriften vor allem im Bereich der Regulierungen gibt und daß sich andererseits die traditionelle Trennung dieser beiden Bereiche Telekom und Medienpolitik irgendwie überlebt hat.

Dazu meine klare Frage: Sind Sie dafür, daß es für den Bereich Telekom, Telekommunikation und Medien ein eigenes Ministerium geben sollte?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich habe nicht von einem zunehmenden Auseinanderdriften gesprochen, aber wir sind uns europaweit und darüber hinaus in der Welt relativ einig, daß durch den technischen Vorgang der Konvergenz von Telekommunikation und Medien, dadurch, daß dieselben technischen Grundvoraussetzungen genutzt werden, ein engeres Zusammenführen der Regulierung für elektronische Medien und für andere Kommunikationsdienste, einschließlich des Internet, zweifellos sinnvoll ist.

Das heißt nicht notwendigerweise, daß die Ministerien zusammengeführt werden müssen. Das heißt auch nicht notwendigerweise, daß es sofort eine Regulierungseinheit geben muß. Aber sicher ist, daß wir ab sofort – in Wahrheit schon seit geraumer Zeit – darauf Bedacht zu nehmen haben, daß die Marktzutrittschancen, die Inhaltskontrolle und ähnliche Fragen nach gleichen Gesichtspunkten beurteilt werden sollen.

Ich persönlich glaube, daß etwa ein Modell, wie es in den USA mit der integrierten Telekommunikations- und Medienregulierungsbehörde gewählt worden ist, durchaus sinnvoll erscheint.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Ich habe jetzt vier Zusatzfragen vorliegen, und zwar von den Abgeordneten Brinek, Moser, Gredler und Hums. Ich glaube, diesmal stimmt es. Ich bitte um kurze Fragen und kurze Antworten.

Frau Abgeordnete Dr. Brinek, bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Bundesminister! Aus Anlaß des Tausches der Zusatzfragen gestatte ich mir, noch eine weitere Zusatzfrage zu stellen, die durchaus ursächlich im Zusammenhang mit der ersten steht, nämlich im Zusammenhang mit Wissenschaft und Forschung.

Im Bereich der Wissenschaft haben Sie als einen Punkt des Arbeitsprogramms die Einsetzung einer Schwerpunktfindungs- und Schwerpunktsetzungskommission vorgesehen. Diese hat auch schon getagt und im Bereich der naturwissenschaftlichen Fakultäten Empfehlungen ausgesprochen.

Meine Frage: Erstens: Wann werden sie umgesetzt? Zweitens: Wo ist der nächste Bereich der Fakultäten, also welche Schwerpunktsuchfelder werden die nächsten sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Die Vorschläge, die jetzt von seiten der Kommission zur Schwerpunktsetzung vorliegen, sind primär zunächst innerhalb der Universitäten und zwischen den Universitäten zu diskutieren und gegebenenfalls zu einem Abschluß zu führen.

Das heißt, wenn sich die Universitäten in einem Aushandlungsprozeß miteinander zu einem gemeinsamen Ergebnis finden – die Weichenstellungen und die Rahmenbedingungen sind so gewählt –, dann ist das Problem bereits gelöst. Die Universitäten können es autonom entscheiden.

Nur für den Fall, daß die Universitäten in Fragen der Schwerpunktbildung nicht zu einer gemeinsamen Lösung kommen, haben wir voriges Jahr im Mai anläßlich des Beginns dieser Arbeiten vereinbart, daß dann ein Entscheidungsträger angerufen werden kann, der die Rolle des Schwarzen Peters zu übernehmen hat. Das wäre in diesem Fall ich. Ich habe mich ohne Umstände zu dieser Rolle bereit erklärt und werde sie tragen können.

Was sind die weiteren Schritte? – Es ist von Haus aus ins Auge gefaßt gewesen, daß als nächster Schritt die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften durchleuchtet werden. Es ist weiters von den Universitäten angeregt worden, daß bei gleicher Gelegenheit auch schon mit Vorarbeiten in Richtung Durchleuchtung der geisteswissenschaftlichen Studien begonnen wird.

Wir haben wohlweislich nicht schon voriges Jahr mit den Geisteswissenschaften begonnen, weil wir einen ganz bestimmten Eindruck vermeiden wollten. In der sehr lebhaften vorangegangenen Diskussion wurde mitunter der Eindruck vermittelt, es ginge nur mehr um Technologie. Ich betone: Uns ist an den Geisteswissenschaften, an den Sozialwissenschaften ebensosehr gelegen wie an den Naturwissenschaften. Aber es werden alle Bereiche erfaßt und durchleuchtet werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Dr. Moser. Bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Bundesminister! Diese Kombination von Verkehr und Wissenschaft ermöglicht eine besondere Flexibilität und Durchschlagskraft Ihrerseits. Gerade im Bereich der Wissenschaftsforschung auf EU-Ebene wäre es jetzt im Zusammenhang mit dem fünften Rahmenprogramm sehr wichtig, die Atomforschung zu minimieren. In welcher Richtung agieren Sie da?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete, daß ich kurz lachen mußte, weil ich mich an den Witz mit den Regenwürmern und den Elefanten erinnert habe. Ich bin natürlich gerne bereit, diese Frage in vollem Umfang zu beantworten.

Die österreichische Bundesregierung vertritt einheitlich eine Grundlinie, die darauf abzielt, den Umfang der Mittel, die in die traditionelle Atomforschung investiert werden, zurückzunehmen und zu reduzieren. Wir haben auf europäischer Ebene sehr klar das Ziel verfolgt – und zwar auch in Übereinstimmung mit den entsprechenden Entscheidungen des Hauptausschusses des Nationalrates –, den Anteil jener Mittel im fünften Rahmenprogramm, die für die Zwecke der klassischen Atomforschung aufgewendet werden, zurückzunehmen. Das wird aller Voraussicht nach auch gelingen. Wie Sie wissen, befinden wir uns in einem Kodezisionsverfahren mit dem Europäischen Parlament. Aber in diesem Punkt bin ich zuversichtlich, daß es gelingen wird, den bisherigen Anteil, der 9,9 Prozent für Atomforschung beträgt, zurückzunehmen. Er wird künftig um 10 Prozent weniger, nämlich 9 Prozent, betragen.

Jenen, die das kritisch betrachten, mag dieser Wert immer noch zu hoch sein, aber es ist nicht nur das Volumen beziehungsweise der Anteil reduziert worden, sondern es ist auch der Schwerpunkt insgesamt verändert worden. Künftig soll der Schwerpunkt der europäischen Atomforschung auf Sicherheitsaspekten liegen und auch auf der Frage der sicheren Möglichkeiten der Abtragung und Abwrackung von Atomkraftwerken, und ich denke, in diesem Punkt wird es vielleicht auch Übereinstimmung zwischen Ihrer Fraktion und den Intentionen der Bundesregierung geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, Sie haben das Guthaben von vorhin mit dieser Zusatzfrage gleich wieder konsumiert.

Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler zu Wort.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich möchte mich auf die Erstantwort beziehen, die Sie gegeben haben. Offensichtlich ist es Ihr Wunsch, die gesamte Technologiekompetenz zu erhalten, um diese Pattstellung, in der wir uns befinden, zu beenden.

Meine Frage lautet daher: Ist das ein Vorhaben, das in der Regierung schon akkordiert ist, oder ist das Ihr persönlicher Wunsch?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Sie überraschen mich immer wieder aufs neue, aber das ist das Schöne am politischen Leben. (Abg. Dr. Gredler: Gerne!) Ich habe, wie mir scheint, weder einen solchen Wunsch gehegt noch einen solchen gar ausgedrückt. Im übrigen ist es so, daß während der engagierten Wahrnehmung einer Regierungsfunktion Überlegungen darüber, was man gern hätte, wenn die Situation anders wäre, weitgehend in den Hintergrund treten müssen. (Abg. Dr. Khol: Philosophie auf der Ministerbank!) Das ist auch sinnvoll, weil derartige Überlegungen nur ablenken und nicht wirklich zu einem besseren Ergebnis führen. (Beifall des Abg. Dr. Khol.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Herr Abgeordneter Hums, bitte.

Abgeordneter Franz Hums (SPÖ): Meine Zusatzfrage muß sich strikt auf den Kompetenzbereich beziehen. Daher frage ich Sie, Herr Bundesminister, ob Sie Ihre Kompetenzen für ausreichend halten (Abg. Dr. Khol: Nein!), um die Unternehmensleitung der ÖBB zu veranlassen, das meiner Meinung nach äußerst frauenverachtende Plakat der ÖBB, das Frauen mit der Überschrift "Heiße Fracht" darstellt, sofort wieder abnehmen zu lassen und analoge Werbeeinschaltungen zu unterlassen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, beim Liberalem Forum sowie bei den Grünen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Hohes Haus! Erstens möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen, daß ich Ihre Einschätzung teile. Auch ich halte dieses Plakat für ausgesprochen peinlich und verfehlt und bin daher etwas davon betroffen, daß die ÖBB diese Werbelinie akzeptiert und finanziert haben. Andererseits besteht kein formeller Anknüpfungspunkt dafür, daß der Eigentümervertreter der ÖBB der Geschäftsführung der ÖBB diesbezüglich eine Weisung geben könnte, aber ich gehe davon aus, daß es genügend tatsächliche Möglichkeiten gibt, die Geschäftsführung dahin gehend zu bestimmen, diese Werbelinie zumindest mit diesem Plakat und mit diesem Sujet zurückzuziehen, weil ich es in jedem Fall für unangebracht halte, für menschliche Akzeptanz der Bahn zu werben und dabei die Mehrheitsbevölkerung zu diskreditieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, beim Liberalem Forum sowie bei den Grünen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Minister. Damit sind die an Sie gerichteten Anfragen beantwortet. (Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Dr. Petrovic überreichen dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Einem je eine Sonnenblume.)

Für die weiteren Anfragen steht die Frau Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales zur Verfügung.

Frau Abgeordnete Haller formuliert nun ihre Anfrage.

Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

232/M

In welcher Form werden Sie den vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie gemachten Vorschlag eines Karenzgeldes für alle unterstützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Abgeordnete! Meiner Überzeugung nach hat das Karenzurlaubsgeld insofern eine ganz besondere Bedeutung, als bereits an der Bezeichnung erkennbar ist, daß der Zustand einer Erwerbstätigkeit oder eine besondere Situation vorangegangen sein muß, um in Karenz gehen zu können, und daß nach dieser Karenzzeit der vorige Zustand wieder fortgesetzt wird.

Daher wäre es meiner Meinung nach verfehlt, Karenzgeld nach dem Gießkannenprinzip an alle – auch an jene, die unter diesen Bedingungen derzeit keinen Anspruch darauf haben – zu verteilen. Außerdem wäre es meiner Ansicht nach wichtig zu hinterfragen, wie die Mittel aufgebracht werden, und auch die Frage nach der Verteilungswirkung zu stellen, wenn undifferenziert Ausgaben getätigt werden.

Erlauben Sie mir aber doch, festzuhalten, wo meiner Meinung nach besonderer Handlungsbedarf besteht, um karenzierten Frauen die Beschäftigung beziehungsweise den Wiedereintritt in ein Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen: Das ist der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, das ist die bessere Transparenz zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit, und das ist auch der weitere Ausbau einseitiger Rechtsansprüche für Eltern zur Inanspruchnahme von Karenzierungen. Daher denke ich, daß in diesem Bereich der Schwerpunkt gelegt werden soll. (Beifall des Abg. Verzetnitsch.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Das Karenzgeld für alle stellt eine langjährige Forderung der Freiheitlichen als erste Stufe der Umsetzung des Kinderbetreuungsschecks dar. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Natürlich! Natürlich, das ist nachweisbar. (Abg. Dr. Khol: Sie lacht ja selber! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Laut der nun vorliegenden Studie des ÖIF zum Kinderbetreuungsscheck würde dieser einerseits eine Entlastung bei der Situation arbeitsloser Frauen und andererseits neue Arbeitsplätze im Bereich der Kinderbetreuung bringen. Wie stehen Sie als Arbeitsministerin dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Abgeordnete! Ich glaube, daß es zulässig ist, die Auswirkungen eines Kinderbetreuungsschecks auch in anderer Form zu interpretieren. Jene Vorteile, die Sie hier formuliert haben, sehe ich nicht. Meiner Meinung nach sind die Auswirkungen eines Kinderbetreuungsschecks zu untersuchen, bevor eine derartige politische Forderung umgesetzt wird. Man muß nämlich wissen, daß mit diesem Kinderbetreuungsscheck alle anderen Transferleistungen subsumiert werden, und ich sehe hier keinen Vorteil im Hinblick auf die Reintegration von Frauen – im Gegenteil –, ich sehe hier sogar die Gefahr, daß Frauen aus dem Arbeits- und Erwerbsleben hinausgedrängt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. – Bitte.

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Frau Bundesminister! Zurückkommend auf den Vorschlag "Karenzgeld für alle" des Bundesministers Bartenstein verweise ich auf die Tatsache, daß 7 Prozent mehr anspruchsberechtigte Frauen die Möglichkeit erhielten, Karenzgeld zu bekommen.

In Ihrer Beantwortung sehe ich in jedem Fall auch eine Diskriminierung verschiedener Gruppen von Frauen. Ich glaube, man müßte auch Zugang zu der Problematik finden, daß heute Gruppen von Frauen ausgeschlossen sind, die sehr wohl in einem Dienstverhältnis stehen – ich denke hier nur an die geringfügig Beschäftigten –, und ich bin der Ansicht, daß diese Personengruppe gerade in der Kinderphase auch tatsächlich Einzahler in dieses System wird.

Meine Frage, Frau Bundesminister: Ist Ihnen bekannt, daß auch heute schon Frauen, die aufgrund einer Versicherungsleistung für ihr erstes Kind in Karenz gehen, aber bei weiteren Kindern keinen Anspruch darauf haben, aus dem System herausfallen, wenn sie nicht in irgendeiner Form – und das ist manchmal sehr strapaziös – ein Beschäftigungsverhältnis suchen, nur um einen weiteren Anspruch zu erwerben?

Ich halte das frauenpolitisch für nicht unbedingt erfreulich, und ich glaube, daß dies auch nicht sozial gerecht ist. Wie sehen Sie diese Situation?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Abgeordnete! Ich denke, daß die derzeitigen Karenzurlaubsregelungen für verschiedene Betroffenheiten eine finanzielle Absicherung, eine Überbrückungslösung darstellen, ich halte es aber für sehr wichtig, bei jeder Erweiterung von Ansprüchen genau zu sehen, wie die Verteilungswirkungen sind, von wem die Mittel aufgebracht werden und wohin die Leistungen gehen.

Wenn ein erweiterter Personenkreis in Geldleistungen einbezogen werden soll, ist auch zu beachten, wie die zusätzlichen Geldmittel aufgebracht werden. Meiner Ansicht nach ist es doch sehr wichtig, die Treffsicherheit von Zahlungen im Sozialsystem immer wieder zu hinterfragen. Ich stimme mit Ihnen überein, wenn es sich darum handelt, die bedarfsorientierte Sicherung für Betroffene immer wieder auszuweiten, aber es ist auch dafür Sorge zu tragen, daß die entsprechende Bedeckung verteilungspolitisch richtig ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Ministerin. – Herr Abgeordneter Öllinger stellt die nächste Zusatzfrage.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Alleinerziehende Frauen, die den Namen des Kindesvaters nicht nennen können oder wollen, erhalten nach wie vor kein erhöhtes Karenzgeld, obwohl alle Fraktionen dieses Hauses – mit Ausnahme einiger weniger ÖVP-Männer – dafür sind. Familienminister Bartenstein ist auch für diesen Vorschlag.

Ich frage Sie als zuständige Ministerin: Wann kommt endlich dieses erhöhte Karenzgeld für Alleinerziehende?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich teile Ihre Ansicht, daß die Situation für Alleinerziehende derzeit nicht befriedigend ist, und werde daher Bemühungen in diese Richtung, die sowohl von der Frauenministerin als auch von den ÖGB-Frauen und anderen Frauengruppen immer wieder formuliert werden, unterstützen. Ich hoffe, daß wir in diesen Beratungen auch in nächster Zeit zu Ergebnissen kommen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. – Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Klara Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie die Treffsicherheit bereits angesprochen haben, aber ich habe trotzdem folgende Frage:

Habe ich Ihre erste Fragebeantwortung richtig verstanden, daß Sie dem Modell Bartenstein "Karenzgeld für alle" eigentlich sehr wenig abgewinnen können? Ganz konkret: Wie wollen Sie diesen Konflikt baldmöglichst bereinigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, daß es in einem demokratischen politischen System absolut legitim ist, verschiedene Ansätze zu haben, verschiedene politische Überlegungen, aber auch verschiedene gesellschaftspolitische Überlegungen anzustellen. Ich sage, daß ich mich für ein Gießkannensystem mit der aus meiner Sicht nicht verteilungsgerechten Wirkung nicht einsetzen werde, sondern die Grundsätze der Verteilungsgerechtigkeit immer wieder zu beachten versuche. Aber ich hoffe, daß wir doch in Zukunft immer dort, wo wir Lücken im Sozialsystem erkennen, sodaß Betroffene nicht ausreichend versorgt sind, entsprechende verteilungsgerechte Lösungen finden werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Silhavy stellt die nächste Frage.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Bundesministerin! Da der Familienlastenausgleichsfonds Überschüsse aufweist, frage ich Sie: Wie könnten Ihrer Ansicht nach diese Mittel vor allem unter dem Aspekt einer besseren Förderung der Beschäftigung von Frauen verwendet und eingesetzt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Abgeordnete! Ich konnte zuerst schon darauf verweisen, daß die Situation für Alleinerziehende meiner Meinung nach nicht befriedigend ist. Daher glaube ich, daß diese Gruppe spezifisch zu unterstützen ist, falls wir Spielräume im Rahmen des Familienlastenausgleiches haben sollten. Da darüber hinaus das Karenzurlaubsgeld seit einiger Zeit nicht erhöht werden konnte, sollte man meiner Ansicht nach einer Erhöhung des bestehenden Karenzurlaubsgeldes absolute Priorität einräumen, wenn solche Spielräume entstehen.

Ich möchte aber auf der anderen Seite auch darauf verweisen, daß gerade für die Frauenbeschäftigung die Frage der Lohnnebenkosten eine nicht unwesentliche Frage ist und der Familienlastenausgleich eine nicht unwesentliche Belastung bei den Lohnnebenkosten darstellt. Ich glaube daher, daß es sinnvoll ist, daß im Rahmen der Steuerreformdiskussion diesem Aspekt besondere Bedeutung beigemessen wird und dies auch in Betracht gezogen wird.

Darüber hinaus darf ich Sie davon informieren, daß die Regierung im vergangenen Jahr in Aussicht genommen hat, im Jahr 2000 die Bemessungsgrundlage für die Berücksichtigung der Ersatzzeiten in der Pension für die Karenzzeiten anzuheben. Hiezu sind aber auch zusätzliche Mittel erforderlich. Ich glaube, daß dem die absolute Priorität einzuräumen ist, weil damit auch sichergestellt ist, daß Frauen in Zukunft eine bessere Chance haben, die erhebliche Lücke in den Pensionsansprüchen zwischen den Männern und den Frauen etwas zu verringern. (Beifall der Abg. Binder.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Die nächste Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Feurstein.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Frau Bundesministerin! Ich möchte Sie folgendes fragen:

227/M

Sind Sie für eine Weiterentwicklung der Abfertigungsregelungen in Richtung mehr Vorsorge für die Arbeitnehmer?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich glaube, daß es recht wichtig war, daß die Frage der Abfertigung wieder einmal thematisiert wurde. Für mich hat die Abfertigung mehrere Funktionen: Zum einen ist sie ein praktisch aufgeschobenes Entgelt, die Abfertigung hat eine Kündigungsschutzfunktion, sie hat auch die Funktion, als Überbrückung zu gelten, wenn jemand aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wird. Zum anderen hat sie aber auch die Funktion einer zusätzlichen persönlichen Pensions- und Altersvorsorge, wenn jemand die entsprechende Entscheidung für sich trifft.

Die Abfertigung weist aus meiner Sicht derzeit aber auch einige Mängel auf. Ich sehe die Mängel darin, daß kein Abfertigungsanspruch bei Selbstkündigung besteht, daß kein lineares Anwachsen gegeben ist und daß insbesondere saisonale Beschäftigungen de facto nicht berücksichtigt werden.

Ich glaube daher, daß es sinnvoll ist, das Abfertigungsrecht zu überarbeiten, daß es aber wichtig ist, es der autonomen persönlichen Entscheidung zu überlassen, inwieweit die Abfertigung auch für eine Pensionsvorsorge verwendet wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Feurstein.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Frau Ministerin! Sie wissen, daß die ÖVP einen Vorschlag unterbreitet hat, der einerseits ein lineares Anwachsen der Abfertigung vorsieht, andererseits aber auch gerade diese Altersvorsorge ganz stark betont, so wie dies in anderen Staaten bereits der Fall ist. Ich erinnere daran, daß es EU-Staaten gibt, in denen 60 bis 70 Prozent der Arbeitnehmer einen eigenen Anspruch auf eine Betriebspension haben. In der Schweiz sind dies bereits 90 Prozent, bei uns in Österreich 10 Prozent.

Wir glauben daher aus unserer Sicht (Ruf: Frage! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – ja, ich komme schon zur Frage –, daß das eine neue Alternative wäre. Sind Sie bereit, mit uns über diese neue Alternative, die wir bereits vorgestellt haben, auch entsprechende Gespräche zu führen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich glaube, Sie kennen mich lang genug, um zu wissen, daß wir immer wieder bei jedem Thema gesprächsbereit waren und letztlich auch immer wieder versucht haben, zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Ich möchte in der Frage der Pensionen jedoch betonen, daß für mich die staatliche Versorgung, die erste Säule unseres Pensionssystems, absolute Priorität hat. Aber ich war recht stolz, hier in diesem Parlament gewesen zu sein, als wir auch das Pensionskassenmodell verabschiedet haben, das Betriebspensionsgesetz diskutiert und gemeinsam beschlossen haben, und ich sehe daher eine sinnvolle Ergänzung in diesen Systemen. Ich glaube aber, daß zu betonen ist, daß eine Erweiterung in diesem Bereich nie zu Lasten der ersten Säule gehen darf.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Die Grünen sind für eine Abfertigungsneuregelung, die Mobilität und Entscheidungsfreiheit fördert. Können Sie sich vorstellen, Frau Bundesministerin, daß die Abfertigung in Zukunft auch so konzipiert wird, daß sie nicht nur eine Überbrückungsfunktion beim endgültigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben hat, sondern auch beim vorübergehenden Ausscheiden, also etwa bei Erziehungs- oder Bildungskarenz?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich glaube, daß man alle diese Varianten in die Diskussion mit aufnehmen sollte, und ich kann auch einem sogenannten Rucksackprinzip, also daß man die Abfertigung immer mitnimmt, viel abgewinnen. Meiner Meinung nach wäre es sicher sinnvoll, in der Abfertigungsdiskussion Lösungen anzustreben, wie sie zum Beispiel hinsichtlich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bestehen.

So kämpfen wir derzeit darum, für den Bereich des Tourismus eine ähnliche oder möglichst gleichwertige Lösung zu finden, weil gerade dort die Beschäftigten nie in den Anspruch einer Abfertigung kommen. Ich bedauere es sehr, daß die Kollektivvertragsverhandlungen trotz Unterstützung auch der öffentlichen Hand keine Fortschritte erzielen, und ich sehe – wenn ich vielleicht noch auf die jetzige Diskussion zu sprechen kommen kann – in dem ÖVP-Vorschlag einen Mangel darin, daß bei kurzfristigen Arbeitsverhältnissen, also gerade bei saisonaler Beschäftigung, dezidiert ausgenommen ist, daß dieser Anspruch entstehen soll.

Ich glaube, hier gilt es, eine umfassende Diskussion zu führen und dafür zu sorgen, daß gerade jene, die bisher nicht von den Ansprüchen profitieren konnten, weil sie keine durchgängigen langen Arbeitsverhältnisse haben, gleichermaßen in einen Abfertigungsanspruch hineinwachsen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Halten Sie Abfertigungen für Lohnnebenkosten, und welche Auswirkungen hat eine Steigerung der Lohnnebenkosten auf Beschäftigung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich konnte in der Beantwortung einer vorangegangenen Frage die Bedeutung der Lohnnebenkosten auch im Zusammenhang mit der Abfertigung unterstreichen. Ich glaube aber, daß die Abfertigung ein Teil des laufenden Entgeltes ist und somit zum Gesamtanspruch eines Dienstverhältnisses gehört, weshalb es zu keiner Umfunktionierung und damit zu einer Reduzierung von Ansprüchen von Arbeitnehmern kommen darf.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Ministerin. – Herr Abgeordneter Dietachmayr, bitte.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Frau Bundesminister! Ich komme nochmals auf das Problem zu sprechen, das schon diskutiert wurde, und frage Sie: Wie beurteilen Sie das von der ÖVP vorgeschlagene Modell, Abfertigungen durch eine Kassenlösung zu sichern? Sehen Sie in dieser Umgestaltung auch eine Möglichkeit der Altersversorgung als zweite Säule? Ich glaube nämlich, daß da viele Probleme entstehen, speziell bei den kurzfristig Beschäftigten, bei den Saisonbeschäftigten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich sehe in dem Vorschlag, der von seiten der ÖVP in die Diskussion gebracht wurde, sehr sinnvolle Ansätze, wie zum Beispiel das lineare Anwachsen oder die Möglichkeit, daß auch bei Selbstkündigung ein Anspruch entsteht, wenn auch nicht in der optimalen Form, wie ich es gerne hätte. Es ist zumindest einmal eine Basis, darüber reden zu können.

Bedenken habe ich aber doch hinsichtlich des Umstandes, daß keine Freiwilligkeit für die Entscheidung, daß die Abfertigung als Pensionsergänzung herangezogen wird, besteht, daß das nicht in der Trennung erfolgt, wie ich es mir vorstelle und auch glaube, daß es wichtig wäre.

Ich glaube, daß Fondslösungen, Kassenlösungen durchaus sinnvolle Modelle sind, um gleichwertige Ansprüche für alle erarbeiten zu können, wo auch die Möglichkeit gegeben ist, daß Ansprüche nicht verlorengehen. Eine Fondslösung hätte auch den Vorteil, daß zum Beispiel bei Insolvenzen von Unternehmungen aus dem Fonds die Leistungen bezogen werden können. Das könnte auch dazu führen, daß der Insolvenzausgleichsfonds damit wieder entlastet werden könnte, weil ja die Vorsorgen für die Abfertigungsansprüche nicht erfolgen müssen. Ich glaube, daß da sehr viel Phantasie dabei ist. Ich sehe aber aus meiner Sicht auch Grund zur Kritik an diesem ÖVP-Vorschlag.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Letzte Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Sie haben vorhin erwähnt – und da sind wir einer Meinung –, daß das bestehende Abfertigungssystem einige gravierende Nachteile hat. Sie haben ausgeführt, daß dadurch die Mobilität der Arbeitnehmer sehr eingeschränkt ist, daß es Berufsgruppen mit großer Fluktuation größtenteils ausschließt und es auch die Arbeitgeber motiviert, vor dem nächsten Stufensprung die Arbeitnehmer zu kündigen.

Meine Frage an Sie lautet: In welchem Zeitraum ist in dieser Richtung an eine Reform gedacht, und wie stellen Sie sich die Übergangsregelung für bestehende Abfertigungsansprüche, die die Leute heute schon haben, vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich glaube, daß es sehr wichtig war, daß darangegangen wurde, die Frage der Abfertigung und nach Möglichkeit auch die Frage der Beseitigung von Mängeln des jetzigen Systems einer Lösung zuzuführen. Aus der Sicht meines Ressorts ist es oberste Priorität, erfolgreiche Verhandlungen zur Umsetzung der sogenannten "Aktion Fairneß" zu führen. Es ist unsere politische Zielsetzung, daß arbeitsrechtlich nicht sachlich gerechtfertigte Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt werden sollen. Ich habe gestern dieses Gesetz in Begutachtung geschickt, um die Chance zu haben, noch in dieser Legislaturperiode zu einem Ergebnis zu kommen.

Ich glaube, daß es wichtig wäre, diesem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen und sich dann in weiterer Folge mit einer weiteren Ausgestaltung und Neugestaltung des Abfertigungsrechtes auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. – Ich bitte nun Herr Abgeordneten Dr. Kier, noch die von ihm eingebrachte Anfrage vorzulesen, und dann sind kurze Zusatzfragen zu stellen und kurze Antworten darauf zu geben.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

234/M

Welche Erwartungen verbinden Sie mit der Ernennung Dr. Roman Obrovskis zum neuen AMS-Bundesgeschäftsführer sowie Herbert Buchingers zum Wiener Landesgeschäftsführer, besonders angesichts des kritischen Zustands des Wiener Arbeitsmarkts und der desaströsen Organisationsstruktur des AMS Wien, nicht zuletzt im Hinblick auf die Vergabe von Psychoscreenings, die von Ihnen nach meinen Informationen bisher leider nur vorläufig gestoppt wurde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Erlauben Sie mir, mit allem Respekt den Begriff "desaströs" zurückzuweisen. Er ist in keiner Weise zutreffend. Die Kolleginnen und Kollegen des Arbeitsmarktservice Wien, aber auch in den anderen Dienststellen arbeiten hervorragend, und auch die Organisationsstruktur hat sich bewährt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nun zu Ihrer konkreten Frage kommen. Zum ersten ist festzuhalten, daß personelle Entscheidungen und auch das operative Geschäft in der Verantwortung der Entscheidungsträger der bestellten oder gewählten Organe liegen, sodaß auch Personalentscheidungen nicht von mir getroffen werden, sondern von den dafür zuständigen Organen.

Ich erachte es aber als richtig und sinnvoll, daß ich in meiner politischen Verantwortung, die ich für diesen ganz wichtigen Bereich, nämlich den österreichischen Arbeitsmarkt, und damit für den Großteil der Bevölkerung habe, auch Vorstellungen entwickle, wie Dinge optimiert werden können.

Daher war meine Überlegung, die Diskussion in den Organen dahin gehend zu führen, daß wir uns spezifisch, schwerpunktartig den besonderen Problemen des Wiener Arbeitsmarktes widmen können. Wien ist ein ganz schwieriger Bereich, weil in einer Großstadt – überhaupt in einer so großen wie Wien – schon allein aufgrund der Struktur, welche besondere arbeitsmarktpolitische Herausforderungen darstellt, Probleme entstehen.

Wenn sich da die Chance, wie ich meine, zeigt, daß der Bundesgeschäftsführer Herbert Buchinger, der über sehr hohe Kompetenz und große Erfahrung verfügt, für eine Funktion in Wien zur Verfügung steht, dann glaube ich, daß es richtig ist, das in die Diskussion zu bringen.

Gleichermaßen bedarf es natürlich auch Überlegungen hinsichtlich der Nachfolge, hinsichtlich der Frage, wer dann Bundesgeschäftsführer im Arbeitsmarktservice werden soll. Da meine ich, daß mit einer möglichen Kandidatur des Herrn Kollegen Obrovski, der in Oberösterreich hervorragend arbeitet, eine gute Wahl getroffen würde, denn wenn Sie sich die Arbeitsmarktentwicklung in Oberösterreich ansehen, dann können Sie feststellen, daß sowohl auf dem Lehrlingsmarkt als auch bei der Lösung des Problems der Langzeitarbeitslosen große Erfolge erzielt werden. Ich werde daher, sollte ein Vorschlag zur Besetzung der Bundesgeschäftsführerstelle durch die Person Obrovskis auf den Tisch kommen, einen solchen von außen her unterstützen, ohne mich aber in die autonome Entscheidung des Arbeitsmarktservice und seiner Organe einzumischen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Ich habe Verständnis dafür, daß Sie den Ausdruck "desaströs" zurückweisen. Fest steht aber, daß beim Arbeitsmarktservice Wien eine vorzeitige Ablöse der derzeitigen Leitung vorgesehen ist. Fest steht auch, daß sich die Arbeitslosigkeit in Wien katastrophal entwickelt und daß es der AMS-Bundesgeschäftsführer, der jetzt das AMS Wien übernehmen soll, offenbar bisher verabsäumt hat, das AMS Wien und das AMS Niederösterreich zu harmonisieren.

In diesem Zusammenhang stelle ich folgende Zusatzfrage: Wie wird bei der bis 15. November dieses Jahres auszuarbeitenden Konzeption für Lehrlinge in den Lehrlingsstiftungen vorgegangen? Wird da das AMS Wien eingebunden sein, oder wird das AMS Wien mit diesen Dingen nichts zu tun haben, zumal es offenbar derzeit führungslos ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich weise den Vorwurf, daß das AMS Wien "führungslos" ist, absolut zurück. Das AMS Wien arbeitet hervorragend, und auch der Landesgeschäftsführer, Klaus Werner, erbringt eine sehr gute Leistung. Die ganze Neuordnung der Wiener Organisation mit den Job-Centern, mit mehr Versichertennähe, mit besseren Angeboten ist dem Einsatz des Kollegen Klaus Werner zu verdanken. Auch viele Maßnahmenerfolge, nicht zuletzt der Abschluß eines territorialen Beschäftigungspaktes in Wien mit der Wiener Politik, sind auch auf seine Initiative und sein Bemühen zurückzuführen. Daher sage ich mit aller Deutlichkeit: Die Leistungen des Landesgeschäftsführers im AMS Wien, Klaus Werner, lasse ich nicht madig machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Haupt, bitte.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Das größte Problem ist, glaube ich, die schlechte Einkommenssituation, die die Frauen in Österreich nach wie vor haben, obwohl die Bemühungen in diesem Zusammenhang darauf gerichtet sind, in entsprechender Form die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau zu beseitigen. Wichtig wären Beschäftigungsprogramme, die auf das Beenden des Bezugs der Notstandshilfe und die Rückkehr in den Arbeitsprozeß abzielen. Die Frage ist nur, wie sie am sinnvollsten umzusetzen sind.

Ich habe in letzter Zeit festgestellt, daß es in Ihrer eigenen Fraktion erhebliche Unterschiede – und zwar zwischen Ihnen und dem Landeshauptmannstellvertreter Schachner-Blazizek aus der Steiermark – in bezug auf die Erarbeitung von Konzepten gibt. Ich will Sie daher fragen: In welcher Form gedenken Sie die Lücke in der Einkommenssituation zu schließen und mehr Beschäftigung für Frauen herzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich muß jetzt bei Ihnen genauso streng sein wie vorhin bei der Kollegin vom Klub der Grünen, bei deren Frage ich den inhaltlichen Zusammenhang auch nicht erkennen konnte. Es geht in dieser Frage um das Arbeitsmarktservice.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Ich darf nun präzisieren, Herr Präsident. Sehr geehrte Frau Bundesminister! Im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktservice ist auffallend, daß im Bereich des Arbeitsmarktservice für Frauenförderungen überproportional Mittel aufzuwenden sind und sich trotzdem die Schere zwischen den Einkommen der Männer und jenen der Frauen in Österreich weiterhin öffnet.

Ich stelle, wenn ich mir die ausgearbeiteten Konzepte ansehe, erhebliche Unterschiede zwischen den Aussagen des Arbeitskreises, den Schachner-Blazizek in der Steiermark leitet, und Ihren diesbezüglichen Aussagen fest.

Frau Bundesministerin! Ich möchte daher wissen, was Sie zu unternehmen gedenken, um im Bereich des Arbeitsmarktservice in der Frage der Frauennachschulung beziehungsweise Betreuung von arbeitssuchenden Frauen effizienter zu werden, damit die Lücke bei den Einkommen geschlossen werden kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich weiß jetzt nicht, welche Differenzen, welche inhaltlichen Unterschiede des von Ihnen genannten Arbeitskreises zu meinen Positionen Sie meinen. Ich glaube, daß es legitim ist, in den Arbeitskreisen unterschiedliche Überlegungen zu haben, die dann einer politischen Diskussion unterworfen werden, aber ich kann jetzt zu diesem Punkt nicht konkret Stellung nehmen, weil mir nicht bekannt ist, worauf Sie konkret Bezug nehmen.

Zu der Frage der Leistungen des Arbeitsmarktservice gerade in Richtung Unterstützung von Frauen möchte ich darauf verweisen, daß in den verschiedenen Förderungsprogrammen für Wiedereinsteigerinnen, für Qualifizierungsmaßnahmen ein überproportionaler Anteil an Förderfällen in Relation zu den arbeitslosen Frauen und auch in Relation zu den erwerbstätigen Frauen gegeben ist. Das heißt, daß die Landesgeschäftsstellen meinen politischen Auftrag, durch das arbeitsmarktpolitische Programm den Frauen einen besonderen Stellenwert beizumessen, übererfüllen.

Weil Sie die Einkommensunterschiede ansprechen, sehr geschätzter Herr Abgeordneter, darf ich darauf verweisen, daß diese viele Ursachen haben und daher auf vielen Ebenen anzusetzen ist. Das betrifft die verschiedenen Formen der Arbeitszeit. Es ist da auch die Partnerschaft, die Verteilung von Familienpflichten, die nicht wirklich funktioniert, als Beispiel zu erwähnen. Es ist auch die Frage angesprochen, wie familienergänzende Einrichtungen geschaffen werden. Es gibt eine Fülle von auch gesellschaftspolitischen Themen, die Einfluß auf unterschiedliche Einkommenssituationen haben.

Mein Bestreben ist es, überall dort, wo diese Unterschiede sachlich nicht gerechtfertigt sind, mich insbesondere mit den Sozialpartnern dafür einzusetzen, daß diese beseitigt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Ministerin. – Vorletzte Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Gatterer. Bitte.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Im Dezember 1997 gab es in Österreich 81 494 Notstandshilfebezieher. Davon gab es in Wien 33 057 Fälle, also einen überproportional hohen Anteil. Das sind 40 Prozent aller Notstandshilfebezieher, wenn man die Bevölkerung Wiens – das sind 20 Prozent – zur Gesamtbevölkerung Österreichs in Relation setzt. Meinen Sie nicht auch, daß das AMS Wien da eine eigene Praxis entwickelt hat, da in Wien bei einem sehr großen Arbeitsmarkt ein so hoher Prozentsatz von Notstandshilfebeziehern gegeben ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Abgeordnete! Kurz verweisend darauf, was ich vorhin gesagt habe, nämlich daß der Wiener Arbeitsmarkt für Männer und Frauen ein besonders schwieriger Arbeitsmarkt ist, weil da viele strukturelle Probleme zusammenfallen – es gibt eine hohe Zahl von Einpendlern, weil große Institutionen wie Sozialversicherung, Banken, Versicherungen, der öffentliche Dienst in Wien konzentriert sind, welche aber in der Beschäftigungspolitik sehr restriktiv vorgehen –, möchte ich sagen, daß es daher besonders schwer ist, Zugang zur Beschäftigung zu finden, was dementsprechend auch für Frauen gilt.

Das Arbeitsmarktservice Wien ist sehr bemüht, jeden, der vorgemerkt ist, zu vermitteln, aber es bedarf auch des entsprechenden Angebotes an Arbeitsplätzen aus der Wirtschaft, damit eine Beschäftigung auch angenommen werden kann. Ich hoffe, daß die weitere Entwicklung doch Chancen bringt, daß wir auch in Wien noch mehr Menschen in Beschäftigung bringen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Sie haben sich, als die Aktion des Roten Kreuzes mit dem Psychofragebogen bekannt wurde, gegen eine Fortsetzung dieser Aktion ausgesprochen, also meiner Ansicht nach richtig gehandelt. Ist Ihnen bekannt, daß in anderen Bundesländern ähnliche Fragebogenaktionen über das AMS laufen, die teilweise ähnliche beziehungsweise offensichtlich noch wildere Fragestellungen enthalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Sie verweisen zu Recht auf die Initiative, die ich in Wien gestoppt habe und hinsichtlich welcher ich vom Landesgeschäftsführer des AMS Wien am 28. August ein entsprechendes Schreiben erhalten habe. Mir sind aus anderen Bundesländern diesbezüglich keine Detailinformationen bekannt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Damit ist die Fragestunde beendet; ich danke für die Beantwortung der Anfragen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 4542/AB bis 4544/A.

2. Regierungsvorlagen:

Finanzreformgesetz 1998 (1466 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Richterdienstgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Nebengebührenzulagengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert werden (1467 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Verbrechensopfergesetz geändert wird (1472 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Übereinkommen (Nr. 176) über den Arbeitsschutz in Bergwerken; Empfehlung (Nr. 183) betreffend den Arbeitsschutz in Bergwerken (1463 der Beilagen);

Außenpolitischer Ausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (1431 der Beilagen);

Budgetausschuß:

2. Budgetüberschreitungsgesetz 1998 – 2. BÜG 1998 (1 450 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (3. BFG-Novelle 1998) (1451 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (3. BFG-Novelle 1999) (1452 der Beilagen);

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Erhöhung der Quote Österreichs beim Internationalen Währungsfonds (1432 der Beilagen);

Gleichbehandlungsausschuß:

Antrag 920/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend geschlechtergerechten Sprachgebrauch in Verordnungen;

Justizausschuß:

Antrag 924/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Johannes Jarolim und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht geändert wird;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 923/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Reform des Dienst- und Besoldungsrechts für Lehrer;

Wirtschaftsausschuß:

Antrag 921/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Sicherung der Aufgabenerfüllung durch die Außenwirtschaftsabteilung (-organisation) durch nachhaltige Strukturreformen, Effizienzsteigerungen und Einsparungen in allen Bereichen der Kammern der gewerblichen Wirtschaft,

Antrag 922/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit der Anrechenbarkeit von Mitgliedsbeiträgen zu freiwilligen Interessenvertretungen auf die Kammerumlagen;

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz, mit dem das Studentenheimgesetz geändert wird (1441 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 5129/J der Abgeordneten Trattner an den Herrn Bundesminister für Finanzen betreffend Bankenaufsicht und Riegerbank dringlich zu behandeln.

Diese Dringliche Anfrage wird um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4484/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß gemäß § 92 der Geschäftsordnung das Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 4484/AB zur Anfrage 4823/A der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend die angespannte Situation bei den Hubschrauberstaffeln des Fliegerdienstes und der Fliegerdivision durch den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung abzuhalten.

Da bereits, wie soeben bekanntgegeben wurde, um 15 Uhr die Verhandlung einer Dringlichen Anfrage stattfindet, wird diese Debatte im Anschluß daran zur Durchführung gelangen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Frau Abgeordnete Dr. Heide Schmidt beantragt hat, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über die Petition Nr. 48 betreffend rechtliche Verankerung von Partner- und Partnerinnenschaften, überreicht von den Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Kier und Dr. Karlsson, eine Frist bis 19. Jänner 1999 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Um die Punkte 4 und 18 der Tagesordnung der heutigen Sitzung in Verhandlung nehmen zu können, ist nach § 44 der Geschäftsordnung erforderlich, mit Zweidrittelmehrheit von der 24stündigen Aufliegefrist des Ausschußberichtes Abstand zu nehmen, weil die entsprechenden Ausschußberichte erst seit gestern nachmittag vorliegen.

Es handelt sich dabei um den Bericht des Verfassungsausschusses über das Stenographische Protokoll betreffend die parlamentarische Enquete zum Thema "Einführung des Minderheitsvotums am Verfassungsgerichtshof" und um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes Wiener Neustadt um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Herrn Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider in 1474 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese beiden Ausschußberichte ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit, und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, beschlossen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 3, 5 bis 10, 11 und 12 sowie 13 bis 16 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es wurde eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? Er bedarf der Zustimmung des Hohen Hauses. – Es gibt keine Einwendungen. Damit ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1390 der Beilagen): Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und

über den Antrag 877/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die unentgeltliche Übereignung von beweglichem Bundesvermögen (1464 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1429 der Beilagen): Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus (1465 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (1469 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nun können wir die Verhandlung der Punkte 1 bis 3 der heutigen Tagesordnung in Angriff nehmen.

Berichterstatter zu allen Punkten ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Eine Berichterstattung wird aber offenbar nicht gewünscht.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.11

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Heute beschäftigen wir uns mit zwei Gesetzen, die zur Linderung des Unrechtes bestimmt sind, das an Opfern des nationalsozialistischen Terrorregimes begangen wurde. Jeder Generation in diesem Land ist die Auseinandersetzung mit den Folgen des Holocaust ständig aufgetragen, und je deutlicher das Unrecht, das Verbrechen wird, umso wichtiger wird auch unsere Verantwortung, und das ist positiv, meine Damen und Herren. Als Ergebnis der historischen Forschung, als Ergebnis von Bildung und Ausbildung steigt das Unrechtsbewußtsein in Österreich und steigt die Bereitschaft, Verantwortung wahrzunehmen.

Was unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern von Nationalsozialisten angetan wurde, können wir nicht wiedergutmachen. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, und wir müssen das tun, was wir können, um die Folgen dieses Unrechtes zu tilgen, um die Folgen dieses Unrechtes zu lindern. (Beifall bei der ÖVP. – Abgeordnete von den Grünen verteilen das Buch "Die Auslöschung. Der Fall Thorsch" von Hubertus Czernin an alle Abgeordneten.)

Meine Damen und Herren von der grünen Fraktion! Frau Moser, Frau Stoisits und Herr Öllinger! Es geht jetzt um ein sehr ernstes Thema, und ich stelle fest, daß Ihr Aktionismus offensichtlich der Ernsthaftigkeit dieses Themas nicht angemessen ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Ganz im Gegenteil! Das ist eine Lektüre, die einem Abgeordneten guttun wird, sie zu lesen! – Die angesprochenen Abgeordneten setzen mit der Verteilung des genannten Buches fort. – Empörung bei der ÖVP. – Abg. Dr. Höchtl: Das ist unerhört! Das ist eine Frechheit!) Darf ich in meiner Rede fortsetzen. Vor allem und für alle ...

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche jetzt die Sitzung für fünf Minuten, denn ich will Herrn Abgeordneten Dr. Khol nicht zumuten, seine Rede zu diesem wichtigen Thema zu halten, während etwas verteilt wird. Ich anerkenne andererseits eine ehrliche Absicht der grünen Fraktion. Ich kenne das Buch, das hier verteilt wird.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 10.14 Uhr unterbrochen und um 10.19 Uhr wiederaufgenommen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir haben eine kurze Aussprache gehabt. Es ist unbestritten, daß in den vergangenen Jahren hin und wieder toleriert wurde, daß etwas verteilt wurde, es ist aber jetzt innerhalb einer Stunde zweimal erfolgt. Es ist ein sehr ernstes Thema, das wir jetzt hier verhandeln. Der Erstredner hat sich gestört gefühlt, und ich verstehe das (Abg. Kiss: Zu Recht, Herr Präsident! Es war eine reine Provokation, da Pakete auszupacken!), und wir haben daher vereinbart, daß vom Präsidium solche Verteilaktionen bis auf weiteres nicht akzeptiert werden. Das ist von allen, die an der Besprechung hier teilgenommen haben, für richtig befunden worden.

Wir werden uns in der Präsidialkonferenz noch gründlich damit auseinandersetzen, damit irgendwelche netten Gesten nicht unterbunden werden, aber alles unterbunden wird, was als eine Störung der Sitzung oder als eine Störung des Redners empfunden werden muß oder zumindest empfunden werden kann. Ich bitte um Verständnis dafür.

Herr Abgeordneter Dr. Khol wird jetzt noch einmal mit seiner Rede beginnen, und ich hoffe, daß gerade diese Debatte in einer Form über die Bühne gehen wird  –  und davon bin ich überzeugt –, mit der sich alle Mitglieder dieses Hohen Hauses identifizieren können. Danke vielmals.

Herr Abgeordneter Dr. Khol, Sie haben das Wort. – Bitte.

10.20

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich beginne meine Rede zu diesem wichtigen Thema noch einmal. Wir beschäftigen uns heute mit zwei Gesetzen, die das Unrecht lindern sollen, das während des nationalsozialistischen Terrors und danach an Opfern des nationalsozialistischen Regimes begangen wurde.

Meine Damen und Herren! Ich betone: Jeder Generation, auch der unsrigen, ist die Auseinandersetzung mit den Folgen des Holocaust ständig aufgetragen, ist die Auseinandersetzung mit den Folgen des Nationalsozialismus ständig aufgetragen. Und je deutlicher das Unrecht, das Verbrechen wird, umso deutlicher wird auch die Verantwortung. Durch die historische Forschung, durch die Ausbildung und Bildung, die die Menschen an unseren Schulen und unseren hohen Schulen erhalten, steigt das Unrechtsbewußtsein, weil die Verbrechen immer deutlicher zutage treten. Wenn wir heute diese Gesetze beschließen, die gleichsam zwei kleine Schritte sind, werden wir diesem gesteigerten Verantwortungsbewußtsein gerecht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern von Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten angetan wurde, können wir nicht wiedergutmachen, aber wir müssen uns damit auseinandersetzen und das tun, was wir tun können, um Unrecht als Unrecht zu brandmarken und um Folgen des Unrechtes zu lindern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vor allem und für alle gilt: Unrecht kann nicht durch Zeitablauf zu Recht werden. Das gilt nicht nur für die Opfer der Shoa, nicht nur für die anderen Opfer des Nationalsozialismus, sondern das gilt für alle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden in der Zeit des Nationalsozialismus an Leib und Leben verletzt und beraubt. Aber auch nach dem Ende des NS-Terrors wurden in der jungen Zweiten Republik Fehler gemacht, aus welchen Gründen immer und von wem immer, und auch das müssen wir heute als Abgeordnete einer älter gewordenen Zweiten Republik anerkennen.

Heute kommen wir erneut unserer Verantwortung nach und setzen – ich habe es schon gesagt – zwei kleine Schritte. Der erste Schritt ist, daß wir den Gegenwert für Gold, das uns rechtens zusteht, in Höhe von 100 Millionen Schilling für Härtefälle von Opfern des Nationalsozialismus bereitstellen, Härtefälle, die durch die Maschen des Gesetzes fielen. Das ist der eine Schritt.

Der andere Schritt ist folgendes: Wir geben Kunstobjekte Menschen, die vom Nationalsozialismus beraubt wurden, zurück, Kunstobjekte, die zwar nach dem Krieg diesen Menschen zurückgestellt wurden, wovon aber Teile in der Republik verblieben und zum Eigentum der Republik gemacht wurden. Man hat den Opfern dieses Raubes ihre rückgestellten Kunstobjekte zwar gegeben, aber um sie ins Ausland exportieren zu können, mußten sie Teile der Republik schenken. Dieses damals gesetzmäßige, aber nach unserem heutigen Verständnis unrechtmäßige Vorgehen wollen wir nun korrigieren.

Es soll festgehalten werden, daß wir alle unsere Galerien und Museen, alles, was im Eigentum der Republik steht, dahin gehend durchforsten, ob es Kunstobjekte gibt, die zweifelhafter Herkunft sind, die abgepreßt wurden, die geraubt wurden oder die durch Ausnützung eben dieses sogenannten Ausfuhrverbotsgesetzes im Lande blieben, damit die rechtmäßigen Eigentümer andere Kunstobjekte ins Ausland ausführen durften. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Frau Bundesministerin Gehrer hat die sogenannte Provenienzforschung angeordnet, ohne von irgend jemandem gedrängt worden zu sein, sie hat, ihrer Ministerverantwortlichkeit und ihrem Unrechtsbewußtsein folgend, eine Provenienzforschung angeordnet, die alle in ihrer Verwaltung stehenden, aber auch die in der Verwaltung von anderen Ministerien stehenden Kunstsammlungen betrifft, um deren Herkunft zu klären und um dann, wenn unser Gesetz heute angenommen wird, diese unrechtmäßig erworbenen Kunstobjekte den Eigentümern oder ihren Erben schnell und unbürokratisch zurückzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich danke Frau Ministerin Gehrer und Herrn Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger, die gemeinsam mit den Klubs und mit dem Nationalrat sehr schnell diese Gesetze ausgearbeitet haben und das an sich schwerfällige Verfahren zur Rückgabe beziehungsweise zur Hingabe von Bundesvermögen, wo es an sich jedesmal, für jeden einzelnen Gegenstand eines eigenen Gesetzes bedürfte, mit uns gemeinsam beraten und dieses Gesetz ermöglicht haben, das unter Wahrung rechtsstaatlicher Kriterien eine schnelle Ausforschung und eine schnelle Rückgabe dieses unrechtmäßigen Gutes ermöglicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedanke mich auch bei allen Fraktionen, denn diese Gesetze werden einstimmig beschlossen, einer Tradition folgend, die wir begründet haben, als wir den Nationalfonds der Republik eingesetzt haben, und wo alle Fraktionen, obwohl viele anderer Meinung gewesen wären, grundsätzlich dieser Regelung zugestimmt haben.

Was geschieht genau, meine Damen und Herren, was ist das Gold, das Raubgold? – Das Raubgold ist nicht Gold, das unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern geraubt wurde, sondern das ist Gold, das 1938 aus den Beständen der Oesterreichischen Nationalbank geraubt wurde. 1946 wurden im Washingtoner Abkommen zehn Länder bestimmt, die das Raubgold der Nazis anspruchsberechtigt zurückerhalten können. Wir haben eine erste Tranche unseres Goldes sehr schnell nach dem Zweiten Weltkrieg bekommen, und jetzt eine weitere Tranche, die Endabrechnung sozusagen, und es ist Gold im Werte von 102 Millionen Schilling an die Oesterreichische Nationalbank gegangen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir haben, einer Initiative aus Großbritannien und den USA folgend, dieses Gold einem internationalen Fonds zur Verfügung gestellt, der den Opfern der Shoa den Erlös dieses Goldes zukommen lassen soll. Wir waren die ersten, die das gemacht haben. Der internationale Fonds ist begründet. Er wird dieses Gold wiederum unserem Nationalfonds zur Verfügung stellen, und wir werden diese Mittel über die Mittel hinaus, die wir aus dem Bundesbudget für die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in Österreich vorgesehen haben, an besonders Bedürftige und an Härtefälle verteilen.

Das ist ein sehr gutes Gesetz, und ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Fall ist die Initiative, die Frau Ministerin Gehrer, unterstützt von Minister Edlinger, ergriffen hat. Auch diesbezüglich muß man sagen, daß man da gegen manche Instinkte gehandelt hat, denn es hat sich bei vielen Österreicherinnen und Österreichern ein gewisses Unbehagen entwickelt, als zwei Bilder der Sammlung Richard des großen Malers Egon Schiele aus Tulln in den Vereinigten Staaten ausgestellt worden waren und dann von Opfern des Nationalsozialismus in Anspruch genommen wurden. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Viele in der Bevölkerung hätten aus dem Instinkt heraus reagiert und gesagt: Die Bilder sind rechtmäßig erworben, es handelt sich hier nicht um unrechtmäßige Dinge, man haut hier auf die Pauke! Wir haben nicht dementsprechend gehandelt, und es war Frau Minister Gehrer, die mit Klugheit, Vorsicht und Gelassenheit reagiert hat, die, vertrauend auf die amerikanische Justiz, richtig reagiert hat. Die Bilder werden sicherlich nach Österreich zurückkommen, weil wir Vertrauen in die Justiz in Amerika haben und darauf vertrauen, daß die Dinge geklärt werden. Auf diese Weise wurden Emotionen nicht angesprochen, und ich möchte mich bei Liesl Gehrer für ihr Vorgehen in dieser Angelegenheit bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie hat aber weiter reagiert und hat in allen Museen die Provenienzforschung angeordnet. Es sind im wesentlichen zwei Kategorien von Kunstobjekten aufgetaucht: zum ersten herrenloses Gut, das heißt, von den Nationalsozialisten zusammengeraubt, zusammengestohlen, irgendwo gelagert, man weiß nicht, wem es gehört.

Die zweite Kategorie sind jene Kunstobjekte, die man zwar den Eigentümern, beispielsweise der Baronin Rothschild, zurückgegeben hat, aber als sie sie ausführen wollte, hat man gesagt: Von den 600 Objekten können Sie 550 ausführen, aber 50 schenken Sie der Republik. – Das war damals gesetzmäßig und ist bis vor kurzem auch noch gesetzmäßig gewesen. Ich erinnere zum Beispiel daran, daß der amerikanische Botschafter Lauder ein wertvolles Bild von Schiele ausführen durfte. Als Gegenleistung hat er das Wiener "Krauthappl", also die Kuppel der Secession, vergolden lassen. Bei dieser Kunstschenkung hat man gesagt: Das ist die Gegenleistung, dafür darfst du einen österreichischen Schiele ausführen. – Das war bis vor wenigen Jahren Rechtens, ist aber inzwischen geändert worden. Im übrigen kannten alle Länder derartige Gesetze.

Natürlich sind diese Dinge – und das zeigen die Akten – nicht freiwillig erfolgt, sondern das war eine gesetzliche Zwangslage. Es war das damals zwar gesetzmäßig, aber wir empfinden das heute in diesen Fällen nicht mehr als rechtmäßig, und daher werden diese Kunstobjekte zurückgegeben – nach einem Gutachten einer Kommission, die mit Experten und unabhängigen Wissenschaftern bestückt ist, unter der Ministerverantwortlichkeit und durch Beschluß der Bundesregierung. Ich hoffe, daß wir dieses Gut – unrecht Gut gedeihet nicht! – so schnell wie möglich an die rechtmäßigen Besitzer zurückgeben können.

Damit Sie wissen: Es handelt sich – und wir haben ja riesige Kunstschätze – nur um ein Zehntelprozent eines Prozentes der Objekte, also um eine Menge, die einfach eine Quantité négligeable, eine vernachlässigbare Größe ist. Wir werden dadurch nicht ärmer, sondern wir werden dadurch letztlich reicher.

Ich freue mich auch, daß wir dieses Gesetz im Ausschuß durch die Zusammenarbeit aller Fraktionen so beschließen konnten, daß wir zu einem Zeitpunkt, der jetzt bald naht, mit diesem Gesetz und mit dieser Rückgabe dieser Bilder als Muster in der Welt dastehen, denn, meine Damen und Herren, es sind ja nicht nur Österreicher betroffen, nicht nur österreichische Kunstgalerien und Museen und die Republik Österreich, sondern Raubgut gibt es in ganz Europa. Am 30. November findet in Washington eine internationale Konferenz statt, bei der zwei Tage lang unter dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit die Fragen des herrenlosen Gutes, des Raubgutes diskutiert werden. Elisabeth Gehrer ist dort eingeladen, aber nicht, um sich anzuhören, was andere uns sagen, sondern um dort das Modell, das wir gefunden haben, vorzustellen. Das ist gut für die Republik! (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird immer wieder die Frage gestellt: Ja gibt es denn immer neue Objekte? – Ja, es gibt immer neue Objekte, die gefunden werden. Wir haben in den Ausschußberatungen von Frau Minister Gehrer gehört, daß erst 30 Prozent der Bestände unserer Kunstsammlungen gesichtet und darauf geprüft wurden, ob sie rechtes Gut für uns sind oder unrechtes Gut. Daher wird diese Kommission, wird dieses Verfahren – so nehme ich an – in nächster Zeit immer wieder Dinge hervorbringen, und es wird dem Nationalrat darüber berichtet werden.

Meine Damen und Herren! Gerechtigkeit ist universell. Gerechtigkeit ist gerade auch diesem Hohen Haus eine besondere Aufgabe. Es gibt immer wieder Menschen, die sagen: Ist denn nie ein Ende? Wann ist denn endlich ein Ende mit diesen Sachen? – Ich sage Ihnen das, was ich Ihnen schon zu Beginn gesagt habe: Jeder Generation ist die Auseinandersetzung mit den Folgen des Holocaust erneut und immer wieder aufgetragen, und es wird aus meiner Sicht nie ein Ende geben, diesem unglaublichen und einmaligen Verbrechen gerecht zu werden.

Ich sage aber am Schluß ein Weiteres: Auch anderen ist Unrecht geschehen nach dem Zweiten Weltkrieg  – in der Folge des NS-Terrors, aber auch in der Folge des kommunistischen Terrors –, es gab Vertriebene, Enteignete, Beraubte, unabhängig von persönlicher Schuld, unabhängig von persönlicher Verantwortung. Auch da muß Recht Recht bleiben, kann Unrecht durch Zeitablauf nicht zu Recht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

10.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte.

10.36

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Hohes Haus! Herr Präsident! Ich stimme meinem Vorredner natürlich grundsätzlich zu in seinen Aussagen, die er hier zu diesem so heiklen und sensiblen, aber auch sehr wichtigen Thema getätigt hat. Ich denke aber, wir sollten das alles nicht zu ahistorisch in einem bestimmten Punkt betrachten. Bei aller Freude über diese Gesetzesvorlage, darüber, daß es hier ein einheitliches Auftreten gibt, daß es eine einheitliche Initiative gibt, daß das hier auf breiten Konsens gestoßen ist und daß wir hier wirklich versuchen wollen, über die Grenzen des Landes hinaus ein Symbol zu setzen und einen wichtigen Schritt zu tätigen, muß man doch die Frage stellen: Warum das alles erst nach mehr als 50 Jahren?

Es ist eine wichtige Frage, die natürlich im Zusammenhang steht mit der Aufarbeitung dessen, was es damals alles an Unrecht gab, was es damals an Schicksalen, an Opfern, an Unterdrückung, an Vernichtung gegeben hat. Es wird ein Thema sein, das noch Generationen beschäftigt, aber es muß auch uns beschäftigen und die Generationen danach, warum es in der Zeit nach 1945, knapp nach 1945, so schwer war, Schritte zu setzen, die es erst ermöglicht haben, Jahrzehnte später etwas zu tun. Das ist etwas, mit dem wir uns meiner Auffassung nach auseinandersetzen sollten.

Es ist dies heute eine wichtige Initiative. Die Frau Ministerin wird quasi ermächtigt, etwas zurückzugeben, was noch vorhanden ist. Ich glaube, daß das ein entscheidendes Symbol ist, und ich meine, man sollte sowohl der Frau Ministerin Gehrer als auch dem Herrn Minister Edlinger danken dafür, daß sie mit diesem Thema so sensibel umgegangen sind und daß sie es wirklich geschafft haben, die Diskussion, die es darüber gegeben hat, in einer sehr sinnvollen und würdigen Weise zu bestehen.

Wir sollten, wenn wir dieses Thema heute hier zu diskutieren haben, auch hinzufügen, daß wir mit der Einrichtung des Nationalfonds einen ganz, ganz wesentlichen Schritt gesetzt haben, daß es hier wirklich gelungen ist, bei den Opfern durch diese Einrichtung so etwas wie Vertrauen zu bewirken, daß dieser Nationalfonds eine gute Arbeit geleistet hat, sehr verantwortungsvoll agiert hat und die nötige Sensibilität gehabt hat, um diese schwierige Aufgabe zu bewältigen. Daher ist er auch die richtige Einrichtung, um weitere Aufgaben im Zuge dieser gesetzlichen Initiativen, die wir heute zu setzen haben, zu übernehmen. Man sollte aber Mißverständnissen vorbeugen, daß es hier nicht darum geht, sich irgendwelche Budgetmittel zu ersparen, wenn man aus diesen Erlösen, die dem Nationalfonds zufließen sollen und die er dann einem erweiterten Opferkreis weiterzugeben hat, sondern das sind neue Bereiche, das wird getrennt vom bisherigen Budget zu bedienen sein. Es ist wichtig, auch das einmal in aller Deutlichkeit hier auszusprechen.

Was die Aufarbeitung dessen, was damals passiert ist, angeht, gilt besonderer Dank auch Herrn Bundeskanzler Vranitzky, der eigentlich einer der ersten war, die deutliche Worte zur Rolle von Österreichern in der Zeit des Nationalsozialismus gefunden haben.

Auch wenn es 50 Jahre später ist, es ist heute ein wichtiger Tag, ein historisch bedeutender Tag, daß wir diese gesetzliche Initiative hier gemeinsam einbringen. Man sollte jedoch den jetzigen Generationen, den jetzigen jungen Menschen nach wie vor bewußtmachen, was damals geschehen ist und wie man damals damit umgegangen ist.

Es wird immer der Begriff "Arisierung" in diese Diskussion beziehungsweise in die Aufarbeitung der Ereignisse von damals eingebracht. – In Wirklichkeit war das eine brutale Enteignung aus rassistischen und politischen Überlegungen und Gründen. Dieser Begriff ist ein wenig verharmlosend, weil er ein technokratischer Fachbegriff ist: Aha, "Arisierung"; na, es wird schon seinen Grund haben, wenn man da eben "arisiert" hat, wenn man da jemanden enteignet oder jemandem sein Eigentum abgepreßt hat.

Ich denke, daß es ganz wichtig ist, wenn immer wieder neu in die Diskussionen einfließt und immer wieder neu dargestellt wird, was der Hintergrund war, um zu immunisieren, wenn es wieder politische Strömungen und politische Auffassungen gibt, die als Grundlage ihrer Politik den Rassismus haben, die als Grundlage ihrer Politik die Minderheitenfeindlichkeit, die Gewalt bei der Ausweitung sogenannter Lebensräume, wie das damals geheißen hat, haben, die als Grundlage ihrer Politik damals den Angriffskrieg gewählt haben, die Unterdrückung, die Abschaffung der Demokratie, die Einrichtung von Konzentrationslagern, bis hin – ich sage das auch hier – zur Zwangsarbeit.

Das alles sind Elemente, die Bestandteil eines ganzen Systems, eines geschlossenen, ganzheitlichen Denkgebäudes sind, wofür eben der Nationalsozialismus gestanden ist. Und da hat es nach 1945 natürlich oft Überlegungen gegeben, aus einer Art innerem Opportunismus, innenpolitischem Opportunismus heraus: Wie geht man mit den ehemaligen Nationalsozialisten um, wie stellt man sich ihnen? Sie waren ja natürlich nicht wenige, und natürlich waren sie auch ein Faktor im Zusammenhang mit Wahlentscheidungen und Wahlauseinandersetzungen. Deshalb hat es nach 1945 den ungustiösen Konkurrenzkampf auch um diese Wählergruppen gegeben. Die Stimmungen und dieses Nichtaufarbeiten und Nichtverarbeiten dessen, was es noch an nationalsozialistischem Gedankengut in den Köpfen der Menschen damals gegeben hat, waren vielleicht mit ein Grund dafür, daß man einfach keine Lösungen gefunden hat, Lösungen, die man jetzt erst, nach Jahrzehnten, nach mehr als 50 Jahren, zu finden bereit ist. Aber das sollte man aufarbeiten, und ich finde, daß das ein ganz wesentlicher Aspekt ist.

Ich darf die Gelegenheit wahrnehmen und noch ein kleines Stückchen weitergehen und auch noch den Aspekt der Entschädigungsdebatte insgesamt berühren, die ja jetzt durch Initiativen amerikanischer Anwälte – teilweise zweifelhafter amerikanischer Anwälte, aber in der Sache selbst ist das natürlich eine durchaus berechtigte Initiative – aufgeflammt ist. Diesbezüglich hat es durchaus unterschiedliche Meinungen gegeben. Ja muß denn das jetzt sein?, hat es da geheißen, oder: Zahlt sich das überhaupt noch aus? – Letzteres ist ja eine besonders perfide Argumentation. Zuerst läßt man fünf Jahrzehnte verstreichen, viele der Opfer sind schon gestorben, und jetzt sagt man, das zahle sich eigentlich gar nicht mehr aus, weil ohnehin nicht mehr viele leben. – Dahinter steckt ein ungeheurer Zynismus.

Folgendes Argument ist auch besonders perfid: Könnte das dem Antisemitismus in Wirklichkeit nicht neue Nahrung geben? Sollte man nicht von dieser Debatte eher ablassen? – Ich meine, da helfen nur klare Worte, da hilft nur klare Aufarbeitung. Das wird man allein durch Erlöse, durch die Möglichkeit, daß man Kunstgegenstände, die einem abgepreßt, abgenommen wurden, die man damals aus dieser Geisteshaltung heraus nicht ausführen durfte, zurückbekommt, nicht aufarbeiten können. Und es war ja nicht nur eine gesetzliche Grundlage, die es nach 1945 dafür gab, es war ja auch eine gewisse geistige Haltung, die da dahinter gestanden ist. Man hätte das ja auch ändern können.

Es ist meiner Meinung nach notwendig, das nach wie vor deutlich auszusprechen und nicht wieder irgendwelche Erwägungen hier einzubeziehen, um das nicht zu diskutieren. Ich erinnere mich an verschiedene Äußerungen in diesem Zusammenhang, etwa an eine Äußerung des Herrn Treichl, der gemeint hat, der Herr Fagan soll lieber die Indianer und die Neger verteidigen. – Ich würde sagen: Das war der falsche Mann zur falschen Zeit, aber das richtige Thema! Es ist dies nämlich ein umspannenderes Thema, das durchaus auch diese Minderheiten und durchaus auch diese historische Schuld mit einbezieht und das man durchaus weiter fassen sollte. Aber man sollte dieses Thema auch als eine Gelegenheit wahrnehmen, um die Diskussion weiterzutreiben. Wir Demokraten verstehen uns ja nicht nur als eine Strömung der Geschichte, sondern wir verstehen Demokratie als einen Wert, als ein Prinzip, als etwas, das über den Tag hinaus Gültigkeit haben soll, das die Basis des zivilisierten Zusammenlebens darstellen soll. Man muß natürlich jetzt schon darüber nachdenken, wie man widerstandsfähig wird und wie man wirklich dem auch entgegenwirken kann.

Daher ist, meine ich, all das eine günstige Gelegenheit, die wir aufgrund dieser Initiative, aufgrund dieser heute zu beschließenden Gesetze haben, daß wir die Diskussion weiträumiger ansetzen und daß wir da auch selbstkritisch sind. Wiewohl ich den Worten des Abgeordneten Khol natürlich in den wesentlichsten Grundzügen zustimme – da gibt es Grundkonsens –, soll man sich noch zusätzlich darüber Gedanken machen: Warum erst jetzt? Was war da eigentlich in der Zeit nach 1945, und was kann man daraus lernen? – Nicht nur, damit das alles nicht wieder passiert, sondern: Was können wir daraus lernen, damit es auch nicht schleichend, in neuen Formen, zu einer anderen Zeit und vielleicht mit noch gefährlicheren Auswirkungen zurückkehren kann.

Es ist heute ein wichtiger Tag, der Tag, der diesen Anstoß geben soll, und die Frau Ministerin wird sicherlich ihren Beitrag dazu leisten, daß das noch stärker Eingang in die Schulen findet und daß diese Aufarbeitung auch anhand dieses Themas, wenn es nicht ohnehin schon Teil der Aufarbeitung und des Unterrichtes ist, noch intensiver erfolgt. Mein Geschichtsunterricht hat seinerzeit vor dem Ersten Weltkrieg geendet. Ich hatte einen alten Geschichtsprofessor, der schon Angst vor dem Ersten Weltkrieg gehabt hat, geschweige denn vor der Zwischenkriegszeit – und die Zeit des Nationalsozialismus hat er überhaupt nicht berührt. Das ist leider lange her, weil ich auch schon ein älteres Semester bin, aber so war der Geschichtsunterricht damals. Ich hätte mir gewünscht, es wäre auch die Zeit des Nationalsozialismus aufgearbeitet worden und die Zwischenkriegszeit und der Erste Weltkrieg und der Zweite Weltkrieg aufgearbeitet worden, die Angriffe, all das, was damit zusammenhängt. Das wäre wichtig gewesen, und vielleicht hätte sich so mancher aus meiner Klasse dann anders entwickelt.

Ich halte diese Aufarbeitung für wichtig, und ich denke, Frau Bundesminister, daß Sie da als Unterrichtsministerin eine hohe Verantwortung haben. Aufgrund der Tatsache aber, wie Sie diese Fragen "gehandlet" haben, habe ich tiefstes Vertrauen, daß Sie das sicherlich auch in die Wege leiten werden.

Ich möchte zum Abschluß nur noch folgenden Antrag verlesen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Dr. Krüger, Dr. Kier, Mag. Stoisits und Genossen betreffend den Gesetzesantrag im Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Nach § 2a Abs. 2 wird folgender Abs. 3 eingefügt:

"(3) Der Fonds kann von Rechtsträgern, die Beiträge an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus (§ 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. I Nr. xxx/1998) leisten, Zuwendungen zur Unterstützung von Projekten gemäß Abs. 2 und zur Gewährung von Leistungen an Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung entgegennehmen und zu diesem Zweck einen Vertrag abschließen, in dem insbesondere die Art der Leistungen und Projekte zu regeln sind."

2. Der bisherige Abs. 3 erhält die Bezeichnung Absatz "(4)".

*****

Ich bin froh darüber, daß wir heute diese Gesetze beschließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Fünf-Parteien-Abänderungsantrag, der soeben referiert wurde, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

10.49

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 1998 ist ein Jahr voller Jubiläen und Gedenktage. Der wohl traurigste Gedenktag wird erst in einigen Tagen stattfinden, am 9. November 1998, an welchem des 9. November des Jahres 1938 gedacht wird. Damals gingen als österreichischer Beitrag zum Holocaust die Synagogen in Wien, in Linz und in anderen Städten Österreichs in Flammen auf.

Heute hat uns letztlich, auch aufgrund der Beschlußfassung, aufgrund der einhelligen Beschlußfassung des Nationalrates der anstehenden Gesetzesmaterien, gewissermaßen die Vergangenheit wieder eingeholt. Ich pflichte meinem Vorredner bei, wenn er jene Frage stellt, die wohl auch für unsere Generation von solch großer Bedeutung ist: Wie konnte es passieren, daß erst so viele Jahre – über 50 Jahre! – nach dem Krieg eine Aufarbeitung von Unrechtsgesetzen stattfindet? – Ich gebe meinem Vorredner in der Analyse grundsätzlich recht, ich darf Ihnen aber eines sagen: Ich hätte mir gerade von Klubobmann Khol ganz klare Worte des Bekenntnisses und der Mitschuld seiner Fraktion, aber auch der anderen Regierungspartei in den Jahren der Besatzungszeit erwartet, nämlich ein Bekenntnis dahin gehend, wieso es zu diesem In-die-Länge-Ziehen dieser wichtigen Gesetzesmaterien kommen konnte.

Herr Klubobmann Khol! Salbungsvolle Worte allein in dieser Frage sind zuwenig. Man kann nicht die Geschichte Ihrer Partei nach 1945 und die der SPÖ mit einem Halbsatz streifen und sagen, daß damals möglicherweise Unrecht geschehen ist. Es ist eine Anforderung an unsere Generation und an die Abgeordneten dieses Hauses und umso mehr an die Klubobleute, hier ein klares Bekenntnis und eine klare Analyse darüber abzugeben, wo denn die Fehler nach 1945 gemacht wurden. Das wäre sehr wichtig gewesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht in dieser Debatte nicht etwa um eine politische Verwertung dieses Themas, darum, politisches Kleingeld zu schlagen, aber es ist sehr wichtig, daß wir uns die Ereignisse nach dem Jahr 1945 vor Augen halten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verkenne nicht, daß sich die jetzigen Regierungsparteien um die Wiedererrichtung der souveränen Republik Österreich und der Demokratie große Verdienste erworben haben, aber diese Verdienste sind auch im Zusammenhang mit den damaligen Handlungen von ÖVP und SPÖ zu sehen, mit denen sie sich ehemals arisiertes Vermögen in ihre Parteikasse einverleibt haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da sind klare Worte des Bekenntnisses der Regierungsparteien gefragt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Cap hat zu Recht eine – ich zitiere wörtlich – klare Aufarbeitung dieser Ereignisse eingefordert, und ich möchte dazu gerne einen Beitrag leisten. Ich zitiere aus dem Protokoll der 52. Ministerratssitzung vom 14. Jänner 1947, bei der Bundesminister Dr. Gruber eine Information aus Amerika zur Sprache gebracht hat, derzufolge für das Leben der Juden in Österreich nach dem Abzug der Besatzungsmächte infolge der antisemitischen Stimmung im Land keinerlei Garantie bestehe.

Da sagte Herr Bundesminister Helmer – Herr Präsident, erlauben Sie mir doch, daß ich meine Verwunderung ausdrücke, wenn ich kürzlich in einem "profil"-Interview lesen mußte, daß Sie den Namen Helmer in einem Atemzug mit wirklich verdienstvollen Politikern der Nachkriegsära genannt haben –, jener berüchtigte Helmer, der sich insbesondere deshalb in das Geschichtsbuch eingetragen hat, weil er gesagt hat: Ich bin dafür, die Frage der Rückstellung und der Entschädigung "in die Länge zu ziehen"!, folgendes: Aus Ungarn, Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei werden die Juden ausgewiesen. Hier in Österreich werden sie durchgeschleust und aufgenommen und machen als Dank dafür Propaganda, daß in Österreich zuwenig gegen den Antisemitismus unternommen werde. – Zitatende.

Bundeskanzler Figl sagte dazu: Die Juden möchten halt rasch reiche Leute werden, und so hat in Bad Gastein ein Jude dem Bürgermeister erklärt, er habe bereits 120 000 S in kürzester Zeit erwirtschaftet – das österreichische Volk sei nicht geschäftstüchtig.

Ich zitiere weiters aus der 5. Kabinettssitzung, unmittelbar nach Kriegsende, vom 10. Mai 1945: Da bringt Staatssekretär Helmer im Zusammenhang mit dem Entwurf bezüglich Vermögensrückstellungen die Frage der Wiedergutmachung in die Debatte ein, nämlich der Wiedergutmachung und auch der Rückstellung zugunsten der Parteien SPÖ und ÖVP. Dazu sagte Staatskanzler Dr. Renner – ich zitiere –:

Ich nehme es als selbstverständlich an, daß ein solches Gesetz gemacht werden muß – nämlich zugunsten der SPÖ und der ÖVP. Es wäre doch ganz unverständlich, daß man jeden kleinen jüdischen Kaufmann oder Hausierer für seinen Verlust entschädigt, daß man aber einer Bewegung – gemeint ist die sozialdemokratische Bewegung –, der 47 Prozent der Bevölkerung angehört haben, straflos und ohne Ersatz das Ergebnis ihrer emsigen Sammlungstätigkeit und ihrer Organisationsarbeit glatt wegnehmen kann. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von einer emsigen Sammeltätigkeit der SPÖ zugunsten ihrer Parteikassen war die Rede!

Worin hat diese Sammeltätigkeit bestanden? – In der Erstausgabe der Zeitschrift "Format" steht zu lesen: SPÖ und auch ÖVP, also beide Parteien, haben eine Fülle von ehemals arisiertem Vermögen in ihre Parteikasse, in ihr Parteivermögen gebracht. Die SPÖ und die ÖVP haben sich nicht damit begnügt – ich habe auf die historischen Verdienste hingewiesen; ich bin diesbezüglich nicht einäugig, das können Sie mir glauben –, Österreich in zwei Hälften aufzuteilen, nämlich in eine sozialistische und in eine schwarze Hälfte, und sich etwa die Nationalbank angeeignet und dergleichen, sondern sie haben sich auch ehemals arisiertes Vermögen, das zurückzuerstatten gewesen wäre, unter den Nagel gerissen.

Das ist die Wahrheit! Die SPÖ hat etwa den "Vorwärts"-Verlag genommen; nach 50 Jahren, so höre ich, prüft die Partei nun endlich die Verdachtsmomente – und die ÖVP die Vorgänge rund um das Springer Schlößl, wo ihre Akademie untergebracht ist. Eine Entschädigung für die zerstörten Anwesen wurde verweigert.

Es gibt eine Vielzahl von Vermögen, das sich diese Parteien, SPÖ und ÖVP, einverleibt haben, und sie denken bis heute nicht daran, irgendeine Entschädigung zu leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Da war nichts davon in der Rede von Herrn Khol!) – Davon war nichts in der Rede!

Es ist wirklich kein Wunder, wenn dann in einer österreichischen Zeitschrift, nämlich in der zitierten Erstausgabe des "Format" folgende Karikatur erscheint: Zwei mit Zylindern versehene schwarze SPÖ- und ÖVP-Gestalten, bepackt mit einem Rucksack, schleichen sich als Diebe davon und eignen sich jüdisches Vermögen an.

Herr Kollege Cap! Ich hätte mir auch kritische Worte von Ihnen erwartet und nicht nur, daß Sie sagen, wir sollten das Ganze untersuchen, es sei unverständlich. Sie wissen aufgrund Ihres Bildungsstandes genau, welche Gründe damals dafür ausschlaggebend waren, daß keine rasche Rückstellung stattgefunden hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich befasse mich jetzt spezifisch mit dem Gesetz, insbesondere mit dem Kunstgegenstände-Rückstellungsgesetz. Ich habe bereits im Ausschuß auf zwei Bereiche verwiesen, die meines Erachtens verfassungsrechtlich bedenklich sind; ein Bereich ist moralisch in jedem Fall bedenklich. Und ich habe mich schon über die Haltung von SPÖ und ÖVP in dieser Frage gewundert.

Im Kunstgegenstände-Rückstellungsgesetz ist essentieller Bestandteil und Anspruchsvoraussetzung für die Rückgabe der Kunstgegenstände und der Bilder deren Existenz. Das ist auch logisch, denn nur das, was vorhanden ist, kann zurückgegeben werden. Es stellt sich aber die Frage: Was ist mit jenen Kunstgegenständen – es sind erst 30 Prozent erfaßt, und ich garantiere Ihnen, es wird eine Vielzahl von Kunstgegenständen geben –, die nicht mehr vorhanden sind, die beispielsweise verkauft, vertauscht oder sonst abhanden gekommen beziehungsweise, wie es in der unschönen Behördensprache heißt, in Verstoß geraten sind? – Für diese ehemaligen Eigentümer gibt es nichts, die sollen leer ausgehen.

Ich verstehe nicht, daß man sagt: Ihr könnt eure Bilder haben, wir haben ohnedies so viele im Kunsthistorischen Museum, wir haben ohnedies eine stolze Sammlung von Bildern von Rembrandt, Hals und so weiter, wir haben die Sammlung der Holländer, ihr könnt zurückhaben, was da ist, aber zahlen wollen wir jenen, deren Bilder nicht mehr vorhanden sind, nichts! – Das ist eine Haltung, meine sehr geehrten Damen und Herren, die ich nicht nachvollziehen kann.

Ein anderer Punkt betrifft die Außerkraftsetzung der Anwendung des Ausfuhrverbotsgesetzes. Es wurde zu Recht davon gesprochen, daß es bei diesem Gesetz um keine Wiedergutmachung geht, denn es gibt leider Gottes Dinge, die nicht mehr wiedergutzumachen sind. Es geht also um eine schadenersatzrechtliche Restitution, die aber jetzt natürlich nur pro futuro wirkt. Wir schreiben jetzt das Jahr 1998. Es soll das Ausfuhrverbotsgesetz außer Kraft gesetzt werden, damit die Bilder nicht nur in Österreich zurückgegeben werden, sondern von den Betroffenen dann auch ausgeführt werden können.

Ich habe bereits im Ausschuß die Auffassung vertreten, daß es da eine Ungleichbehandlung geben könnte, und ich hätte mir erwartet, daß man eine gerechte Lösung findet, die mit der Gesetzeslage kompatibel ist. Diese Kompatibilität wäre erst dann zustande gekommen, wenn man das Ausfuhrverbotsgesetz novelliert hätte, das dann gleichermaßen auch für Österreicher und hier für zu Entschädigende zur Anwendung gekommen wäre. Es besteht nämlich jetzt schon die Gefahr, daß viele sagen, damit werde neues Unrecht geschaffen, wenn etwa Familien der österreichischen Altaristokratie, die ihre Schlösser nicht mehr erhalten können, nicht in der Lage sind, ihre Bildersammlungen zu verkaufen, und die Frage stellen, wieso sie dies nicht dürfen. Da besteht schon ein historischer Unterschied, das ist überhaupt keine Frage; aber wir schreiben jetzt das Jahr 1998. Eine Gleichheit, eine verfassungsrechtliche Gleichheit, die allen Genüge getan hätte oder Genüge tun würde, wäre im Zusammenhang mit einer Änderung des Ausfuhrverbotsgesetzes möglich gewesen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich pflichte meinen Vorrednern bei. Auch ich freue mich, daß es in den Ausschußberatungen einhellige oder sehr ähnliche Bekenntnisse und Stellungnahmen gegeben hat. Meine Partei wird die wesentlichen Kernpunkte, nämlich die Gedanken, die dahinter stehen, mittragen. Wir bringen allerdings auch einen Abänderungsantrag ein, der in der zweiten Lesung zur Abstimmung kommen wird, betreffend die beiden möglichen Verfassungswidrigkeiten und Ungleichheiten, die ich aufgezeigt habe. Der Abänderungsantrag ist zur Verteilung gekommen, daher kann ich mir dessen Verlesung ersparen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Krüger, Sie haben jetzt am Schluß auf einen Abänderungsantrag Bezug genommen, der, wie Sie richtig erwähnt haben, aufgrund seines großen Umfanges schriftlich verteilt wurde.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Krüger, Mag. Stadler, Dipl.-Ing. Schöggl und Kollegen zur RV 1390 d. B. betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen in der Fassung des Ausschußberichtes 1464 d. B.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage wird wie folgt geändert:

1. Nach § 2 wird folgender § 2a eingefügt:

(1) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und der Bundesminister für Landesverteidigung werden ermächtigt, die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen bezüglich jener Kunstgegenstände gemäß § 1, die sich nicht mehr im Eigentum des Bundes befinden, jedoch als Gegenstand von Rechtsgeschäften (z.B. Verkauf, Tausch) zu einem geldwerten Vorteil für den Bund geführt haben, festzustellen.

(2) Die genannten Bundesminister werden ermächtigt, die festgestellten Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen mit dem geldwerten Vorteil, den der Bund für die genannten Kunstgegenstände erzielt hat, zu entschädigen. Der erzielte geldwerte Vorteil ist entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex zu valorisieren.

(3) Die genannten Bundesminister haben vor der Auszahlung der Entschädigung den nach § 3 eingerichteten Beirat anzuhören. Durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes wird kein Anspruch auf Entschädigung begründet.

(4) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten hat den Nationalrat über die erfolgten Entschädigungen in einem Bericht jährlich zu informieren.

2. § 3 Abs. 1 lautet:

§ 3 (1) Beim Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ein Beirat eingerichtet, der die in § 2 und 3 genannten Bundesminister bei der Feststellung jener Personen, denen Kunstgegenstände zu übereignen sind, oder die zu entschädigen sind, zu beraten hat.

3. § 4 lautet:

§ 4 Die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes BGBl. Nr. 533/1923, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 473/1990, über die freiwillige Veräußerung von Denkmalen, die sich im alleinigen Eigentum des Bundes befinden, finden auf die Übereignung sowie die Ausfuhr von Gegenständen, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ausgefolgt werden, auf die Dauer von 25 Jahren nach Inkrafttreten diese Bundesgesetzes keine Anwendung.

4. § 6 Z 2 lautet:

§ 6 Z 2

hinsichtlich der §§ 2, 2a und 3 der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und der Bundesminister für Landesverteidigung, soweit ihr Wirkungsbereich betroffen ist.

Begründung

Nach dem vorliegenden Entwurf sollen nur jene Kunstgegenstände im Sinne des § 1 an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen unentgeltlich übereignet werden, welche sich noch im Eigentum des Bundes befinden.

Der Umstand, ob sich ein Kunstwerk noch im Eigentum des Bundes befindet, ist jedoch in vielen Fällen allein vom Zufall abhängig. Gerade im Bereich der Kunst findet zwischen den einzelnen Museen und anderen Sammlern ständig ein reger Verkehr von Objekten statt, sei es im Wege von Veräußerungen oder im Tauschwege. Die ursprünglichen Eigentümer der Kunstgegenstände bzw. deren Rechtsnachfolger von Todes wegen, die sich deshalb nicht mehr im Eigentum des Bundes befinden, würden dadurch benachteiligt, da diese Kunstgegenstände naturgemäß nicht mehr zurückgestellt werden können. Diese Benachteiligung ist jedoch äußerst bedenklich. Durch den eingefügten § 2a soll die Möglichkeit geschaffen werden, daß diese Personen dann entschädigt werden, wenn der Bund durch Rechtsgeschäfte mit diesen, nicht mehr in seinem Eigentum befindlichen Kunstgegenständen, einen geldwerten Vorteil erzielt hat. Dadurch soll jede Bereicherung des Bundes, die aufgrund der den Gegenstand dieses Gesetzes bildenden Kunstgegenstände erfolgt ist, im Interesse einer schonungslosen Bereinigung rückgängig gemacht werden.

Im § 4 der Vorlage werden die übereigneten Gegenstände ausdrücklich von der Anwendung des Denkmalschutzgesetzes sowie des Ausfuhrverbotsgesetzes ausgenommen. Die Ausnahme von der Anwendung des Ausfuhrverbotsgesetzes ist sachlich nicht gerechtfertigt. Es wird dadurch nämlich eine Gruppe von Eigentümern begünstigt, während alle anderen an die strengen Ausfuhrbeschränkungen für Gegenstände geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung gebunden bleiben. Für eine derartige Begünstigung besteht jedoch kein Anlaß, da für die Eigentümer eine allfällige Nutzung bzw. Verwertung der gegenständlichen Objekte auch in Österreich in Betracht kommt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nach der Geschäftsordnung müssen aber die Kernpunkte die-ses Antrages zumindest in zwei, drei Sätzen erörtert werden. (Abg. Dr. Krüger: Ich habe sie erläutert!) – Ich habe jetzt gerade den Vorsitz übernommen, also gehe ich davon aus, daß in Ihren Ausführungen diese Erläuterung stattgefunden hat.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.04

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ein Wort zu den Ausführungen des Abgeordneten Krüger: Er hat hier offensichtlich nach dem Sprichwort "Angriff ist die beste Verteidigung" seine Rede gehalten, denn das, was er gesagt hat, aus dem Munde jenes Abgeordneten zu hören, der von diesem Rednerpult aus verteidigt hat, daß der Begriff "Straflager" für Konzentrationslager zulässig sei, hat schon eine besondere Frivolität. (Beifall beim Liberalen Forum, bei SPÖ und ÖVP.)

Ich will mich damit gar nicht näher auseinandersetzen, weil jene, die hier sind, wissen, wovon ich rede, und ich hoffe, auch über dieses Haus hinaus weiß man, wovon ich spreche. (Abg. Dr. Graf: Das war doch Kostelka in der "ZiB 3"!)

Ich glaube, daß die drei Vorlagen, die jetzt behandelt werden, ein Beitrag zur Aufarbeitung eines blinden Flecks unserer Geschichte sind. Franz Rauscher hat es als "Schandfleck unserer Geschichte" bezeichnet. Ich meine damit nicht die Vorkommnisse oder die Tatsache, daß es Österreicherinnen und Österreicher zugelassen haben und aktiv daran beteiligt waren, daß sich ein verbrecherisches Regime festsetzen konnte – ein verbrecherisches Regime, zu dessen Zielen es auch gehört hat, Menschen systematisch umzubringen. Ich finde dafür auch gar nicht das richtige Wort. Ich glaube, daß unsere Sprache nicht ausreicht und daß all die Worte, die dafür gefunden werden, nur Hilfsworte sind.

Ich denke doch, daß sich die Mehrheit darüber einig ist und daß von diesem Pult aus keine neuerlichen Bekenntnisse abgelegt werden müssen. Diese sind ein Selbstverständnis. Als "blinden Fleck" oder auch "Schandfleck" bezeichne ich jenen Umstand, wie Österreich mit moralisch verwerflichen Dingen umgegangen ist, die durchaus zugegebenermaßen von einer Mehrheit erst im nachhinein als verwerflich erkannt wurden, aber auch jenen Umstand, wie Österreich mit jenen Dingen umgeht, deren Verwerflichkeit schon zum Zeitpunkt des Setzens der Tat ersichtlich war, und – das ist ein wesentlicher Punkt – in welchem Maß Österreich bereit ist, sich all diesen Fragen zu stellen, und mit welcher Offenheit und mit welcher Großzügigkeit dies passiert. Das ist für mich der Gegenstand dieser drei Punkte, die wir heute beraten und beschließen werden.

Ich anerkenne diese drei Vorlagen als einen wichtigen Schritt. Ich gebe auch Klubobmann Khol durchaus recht, wenn er meint, daß das Unrechtsbewußtsein gestiegen ist, aber in einem gebe ich Ihnen nicht recht: Ich habe nämlich durchaus den Eindruck, daß das, was wir heute beschließen, sehr wohl durch Druck in die Wege geleitet wurde – ich werde darauf zurückkommen, was ich darunter verstehe –, daß es zu spät – darin werden wir uns einig sein – in die Wege geleitet wurde und daß diese Schritte – darüber werden wir uns vielleicht nicht einig sein – meiner Meinung nach zu verkrampft und zu ängstlich sind.

Die achtziger Jahre können, sagen wir es einmal so, als "Waldheim-Jahre" bezeichnet werden, und ich hoffe doch, daß jedenfalls die politisch Verantwortlichen überwiegend daraus gelernt haben. Die neunziger Jahre, die als die Bedenkjahre bezeichnet werden können, sollten jene Jahre sein, in denen auch die Schlußfolgerungen gezogen werden. Der Nationalfonds ist ein richtiger, positiver, auch wirksamer erster Schritt – auch dazu, wie dieses Gesetz gehandhabt wird. Ich halte ihn für richtig, und daran gibt es auch aus oppositioneller Sicht nichts zu kritisieren.

Der zweite Schritt ist jener, den wir heute beraten, bei dem es auch um die Restitution geht. Der dritte Schritt, der auch notwendig wäre, ist noch völlig offen, nämlich wie wir damit umgehen, daß sich Österreicherinnen und Österreicher an der Zwangsarbeit bereichert haben. Es ist zu wenig, dieses Problem nur als Überschrift in den Raum zu stellen. Und ich habe noch nicht erkannt, welche konkreten Ansätze von den Regierungsfraktionen – wir sind bereit, daran mitzuarbeiten – dazu gefunden wurden. Da haben wir noch einen blinden Fleck, einen Schandfleck vor uns, für den die Problemlösung für mich noch nicht absehbar ist.

Was den Kunstraub betrifft, so stimme ich Abgeordnetem Khol nicht zu, wenn er sagt, Sie, Frau Bundesministerin, hätten – ich anerkenne auch alles Positive von Ihnen, aber dies ist einfach zu viel des Lobes für Sie –, ohne von jemandem gedrängt worden zu sein, aus eigenem Bewußtsein heraus diese Schritte gesetzt. Das ist bitte schlicht und einfach nicht objektivierbar. Das mag eine Sicht der ÖVP sein, und das verstehe ich durchaus, aber ich möchte es von diesem Rednerpult aus doch klarstellen. Ich weiß es unter anderem auch deswegen, weil wir in einer parlamentarischen Anfrage darauf reagiert haben, nämlich konkret auf einen Artikel im "Standard" von Thomas Trenkler vom 14. Feber, in dem er sich mit einem Jubiläumsband des Kunsthistorischen Museums auseinandergesetzt hat. – Das Kunsthistorische Museum ist manchmal in mehrerlei Hinsicht ein Sorgenkind von uns.

Das Kunsthistorischen Museum hat im Jahr 1991 – 1991, Frau Ministerin! – einen Jubiläumsband über die 100jährige Geschichte herausgegeben. Darin wurde ein Thema nur kursorisch behandelt. Ich zitiere dazu aus dem "Standard":

"Die Baronesse Clarisse de Rothschild widmete dem Museum 1947/48 eine Anzahl bedeutender Gemälde zum Gedächtnis an ihren verstorbenen Gatten Alphonse. "Warum, wird nur klar", so schreibt er, "wer die Akten kennt." Und jetzt kommt der Punkt: "Und diese gelangen erst jetzt, auf Betreiben des STANDARD, an die Öffentlichkeit – gegen den Willen von Generaldirektor Wilfried Seipel ..."

Ich möchte dazu mehr sagen: Man hätte auch aufgrund der Aufarbeitung anläßlich eines Jubiläumsbandes, wenn es diese politische Verantwortlichkeit und das Bewußtsein gegeben hätte, früher der Sache nachgehen können – sowieso schon früher. In diesem Zusammenhang hätte es konkrete Aufhänger gegeben. Doch wie ist man dann damit umgegangen, als ein engagierter Journalist recherchiert hat? – Man hat dann immer noch versucht, die Mauer zu machen. Ich gebe zu, daß dann jemand aus Ihrem Ressort – wir haben es auch in unserer Anfrage vom 25. Februar, die wir kurz darauf an Sie gestellt haben, erwähnt, weil man durchaus auch das Positive erwähnen sollte –, nämlich Sektionsleiter Wran, die Unterlagen auf den Tisch gelegt und gesagt hat: Wir haben nichts zu vertuschen!

Es ist aber trotzdem etwas anderes, wenn Sie in der Anfragebeantwortung die Vorgehensweise dieses Direktors, der nicht dazu beigetragen hat, daß etwas aufgedeckt wird, sondern offensichtlich versucht hat, noch eine Mauer aufrechtzuerhalten, solange es geht, verteidigen. Sie haben das getan, und das halte ich für negativ. Sie waren durch diesen Artikel in der Öffentlichkeit gedrängt, daher war dies keine freiwillige Aktion, die Kollege Khol hier belobigt hat.

Aber – jetzt komme ich zu meiner durchaus positiven Bewertung Ihrer Vorgehensweise – Sie haben dann aufgrund des Artikels reagiert. Das hätten Sie in dieser Form nicht so schnell machen müssen, wir sind von Regierungsfunktionären anderes gewohnt, und insofern bewerte ich das positiv. Sie haben daraufhin eine Kommission eingesetzt, die den Provenienzen des Kulturgutes nachgehen sollte. Sie haben das allerdings auch wiederum in einer Weise getan, von der ich meine, daß sie etwas zu ängstlich, zu zögerlich und zu verkrampft im Hinblick auf all diese Bereiche ist. Sie haben die Museen, damit halt alles unter sich bleibt, damit beauftragt, jeweils jemanden zu benennen. Uns wäre es lieber gewesen, Sie hätten auch unbefangene, nämlich ausländische, Kulturschaffende oder sonst jemanden einbezogen, um den Anschein der Befangenheit und des Eigeninteresses nicht einmal aufkommen zu lassen. Aber es soll so sein. – Sie haben reagiert, das ist positiv, und das möchte ich durchaus anerkennen. Es ist auf diese Weise etwas in die Wege geleitet worden.

Obwohl jetzt ein Beirat ins Leben gerufen wird, hat man immer noch das Gefühl – das meine ich mit zwar anwachsendem, aber immer noch nicht ausreichendem Bewußtsein –, daß alles bei uns unter den Fittichen bleiben muß, wir es kontrollieren können müssen. Das heißt, wir haben es wenigstens durchsetzen können, obwohl es mühsam genug war, daß nicht nur Sie, Frau Ministerin, das Nominierungsrecht haben, sondern daß auch die Rektorenkonferenz ein solches Nominierungsrecht hat. Auf diese Weise können also wissenschaftliche Personen mit einbezogen werden, nämlich jene, die von einer unabhängigen Institution benannt werden und nicht nur von der politischen Verantwortung, wie es eben im Bereich eines Ministeriums der Fall ist.

Eines wiederum konnten wir nicht durchsetzen, nämlich daß ausländische Beteiligte mit einbezogen werden. Es gibt also immer noch dieses Mauern: Wir sind zwar bereit, ein bissel etwas zu tun, aber nur soviel, daß wir es überblicken können. Das muß man anmerken, auch wenn das Ganze positiv ist. Wir müssen uns jetzt nicht belobigen, wie wunderbar doch alles ist, wir sollten auch den Blick für die Defizite nicht verlieren, also für das, wo die Haltung noch nicht offen sichtbar und spürbar wird.

Aufgrund dieser Tatsache und aufgrund dessen, daß wir das auch im Februar so gesehen haben, haben wir bereits im Juli einen Antrag eingebracht, der die gesetzliche Grundlage für die Restitution liefern sollte. Wir haben das deswegen getan, weil wir aufgrund der Erkenntnisse und Erfahrungen, die wir bislang gesammelt haben, die Befürchtung hatten, daß das wieder auf die lange Bank geschoben wird. Glücklicherweise haben wir mit unseren Erfahrungen oder mit unseren Befürchtungen, sage ich jetzt einmal, nicht recht behalten. Vielleicht war dieser Antrag der Liberalen jene Trägerrakete, die Druck gemacht hat. Wir mußten ihn allerdings im September noch einmal einbringen. – Ich sage das für jene dazu, die ausnahmsweise einmal auch den Ausschußbericht gelesen haben, weil dort der Antrag der Liberalen erwähnt ist, der mit dieser Vorlage mit erledigt ist. Bei diesem Antrag scheint das Datum 18. September auf, was dadurch zustande kommt, daß unser erster Antrag vom Juli dem Kulturausschuß zugewiesen wurde, wir uns aber darauf verständigt haben, die Materie im Verfassungsausschuß zu behandeln. Um diesen Antrag auch im Verfassungsausschuß behandelbar zu machen, mußten wir einen neuen Antrag einbringen. Ich sage das nur deshalb dazu, damit man weiß, warum das Datum September draufsteht. Dieser Antrag, der jedenfalls schon im Juli seine Wirkung entfaltet hat, so glaube ich jedenfalls, hat durchaus dazu geführt, daß dann etwas zustande gekommen ist, was heute auch mit den Stimmen der Liberalen beschlossen werden wird.

Ich sage aber trotzdem noch etwas dazu: Die innere Erleichterung, die man in einer solchen Situation durchaus empfinden kann, wenn man das Gefühl hat, daß etwas auf die richtige Schiene kommt, die innere Erleichterung, die man trotz allem Unbehagen, trotz schlechtem Gewissen, trotz aller unangenehmen Gefühle, die man nie loswerden wird, verspürt, ist enorm. Auch als Nachgeborene – ich bin Jahrgang 1948 – empfinde ich eine Verantwortung für das, was in der Zeit vor 1948 passiert ist. Also bei all diesem Unbehagen hat man im Regelfall doch ein gutes Gefühl, wenn man meint, jetzt sei es am richtigen Weg. Ich würde es für zu früh halten, wenn sich dieses gute Gefühl bereits jetzt, also mit Beschlußfassung dieser drei Vorlagen, einstellte.

Ich würde es deswegen für verfrüht halten, weil es davon abhängt, wie nun diese Gesetze vollzogen werden. Das, was ich vorher gesagt habe, die Offenheit, die Großzügigkeit, der Mut und die Kraft zur Einsicht und auch zur Wiedergutmachung in jenem Sinne, wie es aufgrund dieser Vorlagen möglich ist, diese Einstellung also ist die Voraussetzung dafür, wie die Konklusionen aus den Bedenkjahren tatsächlich zu bewerten sind und wie sie gezogen werden.

Alle fünf Fraktionen in diesem Haus werden zwar heute diese drei Vorlagen beschließen, aber die Bewertung dessen, was beschlossen wird, liegt noch vor uns, und dessen, Frau Ministerin, sollten sich die politisch Verantwortlichen bewußt sein. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

11.18

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich gehöre einer Generation an, die vom Krieg und vom Holocaust nur erfahren und zum Teil auch etwas darüber gelernt hat. Es ist nicht ganz aus den Geschichtsbüchern und aus dem Unterricht ausgelöscht gewesen. Natürlich war das, was ich gehört habe, sehr subjektiv gefärbt. Und es mag sein, daß es etwas einfacher ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wenn man der betroffenen Generation nicht angehört hat, wie etwa manche Zeitzeugen, manche Widerstandskämpfer, manche Täter, manche Mitläufer, aber vor allem auch die Opfer.

Wir haben vor nicht allzu langer Zeit in einem ganz anderen Zusammenhang miterlebt, wie schwierig es ist, sich unbefangen mit dieser Zeit – mit unbefangen meine ich jetzt nicht sorglos – zu beschäftigen. Erinnern Sie sich nur an die heftigen Diskussionen rund um die Wehrmachtsausstellung, die vor zwei Jahren stattgefunden hat. Wie schwer fällt es manchen immer noch, der Geschichte und damit der Wahrheit ins Auge zu blicken! Das "Privileg", später geboren zu sein und das nicht selbst erfahren, sondern nur gelernt zu haben, das "Privileg", in einer bestimmten Zeit aufgewachsen zu sein, stellt für mich eine ganz besondere Verpflichtung dar. Es ist die Verpflichtung, sich mit diesem Teil unserer Geschichte und letztlich auch meiner Geschichte zu beschäftigen. Es ist die Verpflichtung, sich mit den Folgen dieser Zeit, mit den Spuren, die diese Zeit hinterlassen hat, die heute noch deutlich, spürbar und greifbar immer präsent sind, zu beschäftigen.

Auch wenn man erst eineinhalb Jahrzehnte nach diesem monumentalsten Verbrechen der Geschichte geboren wurde und dadurch anders dazu steht – das Wort "Unbefangenheit" sehe ich diesbezüglich nicht unkritisch –, wenn man in seinem Freundeskreis beispielsweise nicht eigentlich und direkt betroffene Opfer hat, sondern vor allem Betroffene der zweiten und dritten Generation, wenn man die Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Thema also sozusagen aus dieser Sicht erlebt, muß man trotzdem sagen, daß es die Opfer viel Kraft kostet, da es immer wieder Enttäuschungen gab und gibt.

Leute wie ich kennen aus ihrer Erfahrungswelt nicht direktes Leid und direkte Betroffenheit als physische Person, sondern nur durch ihre Familien. Darum scheinen mir als Politikerin die Gesetze heute eine ganz wesentliche Aufgabe zu sein – nicht deshalb, weil ich einer Partei angehöre, die, weil sie erst in den achtziger Jahren entstanden ist, nicht in diesen Diskussionsprozeß einbezogen werden kann, was Herr Kollege Krüger gesagt hat. Er hat vieles gesagt, was wahr ist, er hat aber, was ihm eigen ist, immer nur einen einseitigen Blick gehabt – eine sehr subjektiv gefärbte Sicht der Geschichte. In solchen Reden sind die Weglassungen das Wesentliche und nicht das, was gesagt wird, auch wenn es richtig ist.

Ich habe das Privileg, einer Partei anzugehören, die diese Geschichte nicht hat. Würde ich einer Partei angehören, die eine längere Geschichte hätte, dann hätten wir Grünen sicherlich auch in diesen Fragen eine Geschichte. Darum habe ich die spezielle Verpflichtung, jetzt ein besonderes Augenmerk auf diese Dinge zu legen. Daher kann über die Politik Österreichs im Zusammenhang mit den Opfern des NS-Regimes in den letzten Jahrzehnten nicht genug geredet und geforscht werden, und es wird, wie wir sehen, auch nie zu spät sein. Aber die Zeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, läuft uns davon, und sie läuft im wahrsten Sinn des Wortes davon – nicht mir, nicht Ihnen, aber den Opfern, die auf Gesten warten.

Wir haben im Rahmen der Diskussion bei der Einrichtung des Nationalfonds gesehen, wie die Zeit läuft und wie sehr das Motto "Wer schnell hilft, hilft am besten, und wer sofort handelt, handelt am besten!" in der Politik auf diesem Feld gilt, wiewohl es auch in anderen Feldern gelten sollte.

Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin auch ich, so wie Frau Dr. Schmidt vorher ausgeführt hat, froh, daß heute drei Gesetze geändert werden. Die Grünen geben ihre Zustimmung – selbstverständlich, so würde ich fast sagen –, und zwar der Tatsache, daß sich der Nationalrat damit beschäftigt, wiewohl ich natürlich manche Dinge ein wenig anders einschätze, unter anderem, warum der Nationalrat jetzt handelt. Wenn Herr Dr. Khol in seinen Ausführungen davon gesprochen hat, daß die Frau Bundesministerin ganz ohne Druck und ganz auf ihre eigene Initiative hin die Provenienzforschung begonnen hat, dann, so muß ich sagen, ist das eine subjektive Wahrnehmung seinerseits. Denn es ist sicherlich kein Zufall, daß Anfang Jänner dieses Jahres wertvolle Bilder in New York beschlagnahmt wurden. Es war fraglich, wann sie wieder nach Österreich zurückkommen werden; und kurze Zeit später begann die Provenienzforschung in Österreich. Frau Bundesministerin! Sicherlich ist kein persönlicher Druck auf Sie ausgeübt worden, aber es kann doch wohl kein Zufall sein, daß man genau in diesem Moment begann, etwas an die Öffentlichkeit zu bringen – ich schätze die Arbeit, die getan wurde, ganz ohne Zweifel –, als im Ausland die Diskussion begonnen hat.

Diese Art der Vorgangsweise zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Restitutions-, Entschädigungs- und Wiedergutmachungsfrage in Österreich. Ich habe jetzt wieder das Privileg, in einer Zeit im Nationalrat Abgeordnete zu sein, in der tatsächlich etwas passiert ist. Erinnern Sie sich an die Rede von Bundeskanzler Vranitzky 1991, die ein einschneidendes Ereignis in bezug auf das Einbekennen der Mitverantwortung betreffend Verbrechen zur Zeit des NS-Regimes in Österreich gewesen ist. Wir im Nationalrat haben seinerzeit diesen Worten von Dr. Vranitzky weit weniger Bedeutung beigemessen, weil es dabei um eine ganz andere Diskussion gegangen ist. Ich glaube, es ging damals um Jugoslawien, als er mitten in einer Rede einige Passagen diesbezüglich gesagt hat. Heute stellt sich das Gewicht dieser Worte in seiner Dimension als viel wesentlicher und größer dar, als es damals wahrnehmbar war.

Ich bin grundsätzlich – darum bin ich auch Oppositionspolitikerin – skeptisch und meine, daß es angebracht gewesen wäre, das auch ins Zentrum von Ausführungen zu stellen. Nichtsdestotrotz ist wichtig, was gesagt und wie gehandelt wird. Es gibt Damen und Herren des Nationalrats, die maßgeblich am Zustandekommen des Nationalfonds beteiligt waren und mitgewirkt haben. Präsident Fischer und Präsident Neisser waren sozusagen Frontmänner dieser Initiative und sind jetzt durch den Vorsitz im Kuratorium und durch ihre Arbeit im Komitee des Nationalfonds dafür direkt verantwortlich, daß das, was dort geleistet wird, als ein positiver Beitrag zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und zur Aufarbeitung der Vergangenheit gesehen wird.

Deshalb ist auch die heutige Gesetzesänderung nicht unwesentlich, wiewohl ich aber die Ansicht, die auch vertreten wurde, nicht zur Gänze teile, nämlich daß wir betreffend die 102 Millionen Schilling aus dem internationalen Goldgeld ein bißchen Lob bekommen sollten, weil es etwas ist, was uns – uns, das heißt der Republik Österreich – gehört, und wir widmen es jetzt Opfern. In meinem eigenen Ausschußbericht wird festgestellt, daß es nicht ganz klar ist, ob es ausschließlich Währungsreserven waren, sondern daß es Goldbestandteile – es sind die Höhe und der Umfang nicht zur Gänze geklärt – sind, die geraubt wurden, und zwar Opfern des Nationalsozialismus. Darum ist für mich die einzig vorstellbare Möglichkeit, diese Summe aus dem Internationalen Fonds wieder Opfern des Nationalsozialismus zurückzugeben.

Wenn ein Weg gefunden wurde – das ist gar nicht der Weg, den wir gefunden haben, sondern das ist auch etwas, was der Internationale Fonds uns, Österreich, vorschreibt –, das vor allem jenen Opfern zugute kommen zu lassen, die bisher gar keine oder sehr wenig "Gesten" von seiten Österreichs gesehen haben, dann ist das meiner Ansicht nach der einzig richtige, weil der einzig mögliche Weg. Darum sind wir selbstverständlich – wie alle anderen Parteien auch – dafür, daß dieses Gesetz so beschlossen wird.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn schon neue Bestimmungen in das Nationalfondsgesetz aufgenommen werden, dann bleibt eine Frage offen, die heute von Frau Dr. Schmidt angesprochen, aber bisher noch nicht erwähnt wurde, nämlich betreffend jene Opfergruppe, die bisher von seiten der Republik Österreich oder des offiziellen Österreichs noch gänzlich unerwähnt blieb, und zwar jene zivilen Ausländer und Ausländerinnen, die in der damaligen Ostmark Fremdarbeiter waren, jene Kriegsgefangenen, deren Arbeitskraft ausgebeutet wurde, und jene KZ-Häftlinge, die nicht nur KZ-Häftlinge waren, sondern deren physisches Zugrundegehen auch maßgeblich davon bestimmt war, daß ihre Arbeitskraft bis zu ihrer Vernichtung ausgebeutet wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Opfergruppe ist eine sehr große Gruppe von Betroffenen. Es sind ohne Kriegsgefangene und ohne KZ-Häftlinge, die auch Zwangsarbeit leisten mußten, damals 580 000 Personen gewesen, die betroffen waren. Die Wissenschafter, die sich schon seit Jahren damit beschäftigen, schätzen, daß 10 bis 12 Prozent dieser Betroffenen heute noch leben. Also man könnte sagen, heute sind es zwischen 50 000 und maximal 60 000 Menschen, die noch leben.

Das sind natürlich Menschen, die alle über 70 Jahre alt sind. Jemand, der Zwangsarbeiter war, ist damals zumindest 10, 12, 15, 17 Jahre alt gewesen. Das sind keine jungen Menschen, aber sie leben noch. Diese haben seitens der Republik Österreich noch keine Geste erhalten.

Darum habe ich mich gemeinsam mit Dr. Kier auch im Ausschuß massiv dafür eingesetzt, daß wir diese Gelegenheit der Änderung des Nationalfondsgesetzes auch dafür benutzen, um auf diese Opfergruppe aufmerksam zu machen, indem wir sie als eine Gruppe, die aus dem Nationalfonds Leistungen bekommen kann, ausdrücklich im Gesetz festhalten. Dieses unser Ansinnen wurde im Ausschuß mit den Worten: "Man muß erst objektiv aufarbeiten, bis man weiß, worum es geht!" abgetan.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn man in der Schule nie Geschichte gelernt hat, so weiß man doch – und es ist nichts mindestens so präsent in Österreich wie diese Tatsache –, daß es in Österreich Zwangsarbeiter gegeben hat. Es muß nur jeder an seine eigene Familiengeschichte denken oder sich in seiner Umgebung umblicken. 35 Prozent dieser fast 600 000 Menschen, nämlich 180 000 Menschen, waren in Österreich in der Landwirtschaft, in der Gärtnerei und in der Tierzucht beschäftigt. Das sind nicht die großen Betriebe, die jetzt auch in Diskussion stehen, bei denen die Drohung von Sammelklagen im Raum steht. Das waren Leute, die bei Bauern, bei kleinen Betrieben, bei Gärtnereien oder in der Landwirtschaft beschäftigt waren, und diese sind nicht organisiert und können keine Sammelklagen einbringen.

Mir geht es in der ganzen Überlegung, in deren Rahmen wir uns mit dieser Opfergruppe beschäftigen, auch um diese Opfer, darum, daß diese eine Möglichkeit bekommen, diese "Geste" zu empfangen. Denn die Republik hat diese Mitverantwortung einbekannt. Die Zeit ist nun hoffentlich vorbei, in der es in Österreich üblich oder Praxis war, sich auf die Moskauer Deklaration zu beziehen, laut der Österreich erstes Opfer war, und in der man natürlich immer – ich sage jetzt: absichtlich – unterlassen hat, zu sagen, daß Österreich zwar ein – nach der Moskauer Deklaration – erstes Opfer war, aber dort selbstverständlich genauso festgelegt ist, daß Österreich auch Mitverantwortung hatte. Das wurde aber jahrzehntelang weggelassen.

An wen sollen sich – jetzt komme ich auf das Thema Zwangsarbeiter zurück – diese Menschen, die heute noch leben, wenden, wenn nicht an die Verantwortlichen dieser Republik? – Darum sind die Abänderungsanträge, die Dr. Kier und ich gemeinsam heute einbringen, auch in erster Linie diesen Opfergruppen sozusagen gewidmet, um die Möglichkeit zu schaffen, diese "Geste" in Empfang zu nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, daß man auf Leistungen aus dem Nationalfonds keinen Rechtsanspruch hat, daß diese Leistung eine Geste gegenüber den Opfern darstellt, und genau um diese Geste dieser Opfergruppe gegenüber geht es. Deshalb bringe ich Ihnen einen kurzen Text zur Verlesung, mit dem man diese Möglichkeit schaffen könnte:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Kier, Freundinnen und Freunde

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995, wird wie folgt geändert:

Nach § 2 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

"Abs. 1a

Der Fonds erbringt Leistungen an Personen, die vom nationalsozialistischen Regime zur Zwangsarbeit auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich angehalten wurden."

*****

Mit dieser Einfügung bestünde die Möglichkeit, Zwangsarbeiter als Opfer anzuerkennen. Das ist überhaupt noch kein Präjudiz dafür, wieviel sie bekommen. Wir wußten auch damals, als das Gesetz für den Nationalfonds beschlossen wurde, noch nicht, wie hoch die einzelnen Leistungen sein werden. Da plädiere ich massiv dafür, daß man diesen Weg des Konsenses beibehält. Aber dafür braucht man diese Möglichkeit.

Jetzt komme ich zum zweiten Teil dieser Überlegungen, zu den aktuellen Diskussionen. Sie wissen selbstverständlich, daß Sammelklagen gegenüber Banken und Unternehmungen aus dem Ausland im Raum stehen. Ich vermeide das Wort "Androhung" von Sammelklagen von Zwangsarbeitern gegenüber Firmen und Unternehmen in Österreich. Die Idee, die wir damit verfolgen, ist, Rechtsträgern – Rechtsträger ist eine Umschreibung von Unternehmen, Firmen, aber auch Einzelpersonen – die Möglichkeit zu geben, durch Spenden oder Zuwendungen, die sie an den Nationalfonds erbringen, ähnlich wie jetzt der Internationale Fonds, kleine Entschädigungsleistungen zu erbringen. Deshalb sollte der notwendige zweite Teil im Nationalfondsgesetz folgendes vorsehen – unsere Formulierung weicht nur in einem Punkt von jener ab, die wir heute schon als Fünf-Parteien-Antrag gehört haben –:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Kier, Freundinnen und Freunde

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995, wird wie folgt geändert:

1. Im neu einzuführenden § 2a wird nach Abs. 2 folgender Abs. 3 eingefügt:

"(3) Der Nationalfonds kann von jedem Rechtsträger Zuwendungen zur Unterstützung von Projekten gem. Abs. 2 und zur Gewährung von Leistungen an die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung entgegennehmen und zu diesem Zweck einen Vertrag abschließen, in dem insbesondere die Art der Leistungen und Projekte zu regeln sind."

2. Aus dem bisherigen Abs. 3 wird Abs. 4.

*****

Jeder Rechtsträger heißt: Jeder, der will, kann dem Fonds einen Beitrag widmen. Der Fonds, der sich als ein exzellentes Instrument dieser Handhabung erwiesen hat, könnte diese Geste setzen. Ich bitte Sie, diesen Aspekt bei der heutigen Novelle noch zu überdenken und zu berücksichtigen.

Ich habe erst vor kurzer Zeit in einer Diskussion bei der P.S.K. erlebt, wie notwendig diese Möglichkeit wäre. Die P.S.K. hat aus eigener Initiative einen Historiker beauftragt, endlich diesbezüglich zu forschen: Was ist mit den ruhenden Konten bei der P.S.K.? – Professor Rathkolb hat diese Forschung durchgeführt und ist draufgekommen, daß es 7 000 Konten mit Einlagen gibt, die heute umgerechnet einen Gegenwert in der Höhe von 2,4 Millionen Schilling darstellen würden. Jetzt könnte man den Schluß ziehen, die heutige P.S.K. hat die Verantwortung, 2,4 Millionen Schilling an Opfernachkommen auszuzahlen, und damit hat es sich. Die P.S.K. geht diesen Weg nicht. Der Generaldirektor der Postsparkasse hat schon vehement zum Ausdruck gebracht, daß seine Bereitschaft weit darüber hinausgeht. Der Weg über den Nationalfonds wäre das geeignete Instrument, diese Möglichkeit zu bieten und auch Firmen die Möglichkeit zu bieten, Vergleichen mit etwaigen Klägern in Form von Sammelklagen zu entgehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das möchten wir Ihnen heute noch als Anregung geben, und ich bitte, diesen Schritt bei der Änderung des Fondsgesetzes zu bedenken. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

11.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Mag. Stoisits hat zwei Abänderungsanträge vorgetragen, die ausreichend unterstützt sind. Sie werden in die Verhandlungen mit einbezogen.

Frau Bundesministerin Gehrer hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.39

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir beschließen heute hier im Parlament ein Gesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen. Wie ich sehe, wird das Gesetz von allen Fraktionen unterstützt. Ich meine, dieses Gesetz ist ein sehr wichtiger Schritt am Ende dieses geschichtlich belasteten Jahrhunderts.

Wie ist es nun zu diesem Gesetz gekommen? – In den neunziger Jahren gab es bereits eine Aufarbeitung des Archivmaterials zum Thema "Raub und Restitution von Kunst- und Kulturgegenständen". Ein konkreter Anlaßfall war dann die Zurückbehaltung der Schiele-Bilder aus der "Sammlung Leopold" im Jänner 1998. Ich habe dann im Jänner 1998 verfügt, daß alle Archive der Bundesmuseen und Sammlungen und des Bundesdenkmalamtes für eine systematische Aufarbeitung zu öffnen sind. Ich habe bereits im Jänner die Direktoren all dieser Einrichtungen zu mir eingeladen und mit ihnen die Vorgangsweise besprochen.

Ich bin aber sehr dankbar für die öffentliche Berichterstattung, die dann erfolgt ist, und für alle Fachartikel, die in weiterer Folge geschrieben wurden, denn sie haben sehr viel zu einer positiven Meinungsbildung für dieses Gesetz beigetragen.

Im März 1998 habe ich die Kommission eingesetzt, die die Provenienzenforschung an allen Bundesmuseen und Sammlungen koordiniert, und den Vorsitzenden Professor Ernst Bacher beauftragt, die gesamte Archivalienarbeit, die gesamte Aufarbeitung zu koordinieren. Gleichzeitig wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Erarbeitung dieses Gesetzes in Angriff genommen hat. Ich möchte auch erwähnen, daß der Bundesverfassungsdienst in dieser Arbeitsgruppe sehr konkret und sehr positiv mitgearbeitet hat, daß dort natürlich auch die Fragen der Verfassung diskutiert wurden und uns auch von dieser Seite bestätigt wurde, daß unser Gesetz verfassungskonform ist.

Die wichtigen Eckpunkte dieses Gesetzes sind: Es gibt drei Kategorien. Die erste Kategorie sind Kunstgegenstände, die während des Krieges geraubt, nach dem Krieg restituiert, aufgrund des Ausfuhrverbotsgesetzes aber zurückbehalten wurden.

Die zweite Kategorie sind Kunstgegenstände, die zwar rechtmäßig in das Eigentum des Bundes gelangt sind, jedoch zuvor Gegenstand eines Rechtsgeschäftes gemäß dem Nichtigkeitsgesetz waren.

Die dritte Kategorie sind Kunst- und Kulturgegenstände, die trotz der Durchführung von Rückstellungsverfahren nicht zurückgegeben werden konnten und als herrenloses Gut in das Eigentum des Bundes übergegangen sind.

Das heißt also: Wenn Ansprüche oder vermeintliche Ansprüche vorhanden sind, die nicht unter diese drei Kategorien fallen, dann müssen sie auf dem ganz normalen Rechtsweg eingeklagt und auch abgehandelt werden.

Das Gesetz hat weiters den Eckpunkt, daß ein Beirat – bestehend aus Vertretern der Bundesministerien für Justiz, Wirtschaft, Unterricht und kulturelle Angelegenheiten und Landesverteidigung, aus einem Vertreter der Finanzprokuratur und aus einem Experten auf dem Gebiet der Geschichte sowie der Kunstgeschichte – die Aufarbeitung überprüft und dann Empfehlungen für die Rückgabe ausarbeitet.

Die Experten auf dem Gebiet der Geschichte sowie der Kunstgeschichte werden von der Rektorenkonferenz benannt. Ich werde dem Parlament auch jährlich einen Bericht über die Vollziehung dieses Gesetzes übermitteln.

Die Rückgaben sind auch von allen Beschränkungen des Ausfuhrverbotsgesetzes und von allen Abgaben befreit. Ich halte es für besonders wichtig, einmal klar festzuhalten: Wir haben diese Gegenstände unentgeltlich und ohne Bewertung erhalten, wir werden sie unentgeltlich und ohne Bewertung zurückgeben.

Wenn dieses Gesetz heute im Parlament beschlossen ist, werde ich sofort alle Institutionen schriftlich auffordern, Vertreter für den Beirat zu nominieren. Es ist mir ein ganz besonderes Anliegen, daß dieser Beirat bereits in den nächsten Wochen zu arbeiten beginnt und daß wir noch im heurigen Jahr die ersten Rückgaben durchführen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin nicht stolz, daß wir 50 Jahre für dieses Gesetz gebraucht haben, aber ich bin froh, daß es nun einen breiten Konsens für eine gesetzliche Grundlage zur Rückgabe von Kunstgütern gibt, auf welche die Besitzer einen moralischen Anspruch haben. Es ist keine Wiedergutmachung, aber es ist ein Stück mehr Gerechtigkeit, die wir mit diesem Gesetz zeigen wollen. Wir werden die Kunstwerke ihren Eigentümern oder Erben zurückgeben. Österreich setzt damit für sich selbst, aber auch über seine Grenzen hinaus ein Signal zu einem neuen Bewußtsein in der Aufarbeitung eines unrühmlichen Teils seiner Geschichte.

Ich danke allen, die in den letzten Monaten mit großer Intensität ihren Beitrag zur Erforschung der Provenienzen in den Bundesmuseen und Sammlungen geleistet haben, und ich danke allen, die zur Erarbeitung dieses Gesetzes beigetragen haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.45

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Gestatten Sie mir zum vorliegenden "Reparaturgesetz" eine Anmerkung zu den Ausführungen der Vorrednerin Schmidt.

Es ist schon zu überlegen und in das Wissen miteinzubeziehen, daß das Kunsthistorische Museum seit 1945 Aufarbeitungen tätigt – allerdings unter den jeweiligen Bedingungen betreffend personelle Besetzung, unter den besonderen Bedingungen der Nachkriegszeit; dann gab es den großen Sprung, der etwa mit der Teilrechtsfähigkeit einsetzte. Und es ist Direktor Seipel zu verdanken, daß er im wesentlichen aus diesen Mitteln den Jubiläumsband 1991 erstellen ließ und in diesem sehr offen und ehrlich die Lücken der Aufarbeitung dargestellt hat.

Ich meine, es muß auch in Rechnung gestellt werden, unter welchen Bedingungen Aufarbeitung in den Bundesmuseen, in den Sammlungen insgesamt stattgefunden hat – nicht zureichend, das soll keine Beschönigung sein. Aber um der Gerechtigkeit die Ehre zu erweisen, sollte man doch sagen, wie dieser Prozeß in Gang gekommen ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt.)

Zur Dynamik der Frau Ministerin: Sie haben in öffentlichen Stellungnahmen lesen können, daß man ihr für die Dynamik, für das Tempo und für das Engagement gedankt hat. Das soll von denselben Leuten zitiert werden, die sie im Zusammenhang damit gemeint haben, daß die Republik nicht das nötige Tempo an den Tag gelegt hätte.

Ich meine, daß das auch gesagt sein soll, wenn es darum geht, eine Stellungnahme zu dem abzugeben, was wir heute tun. Heute geht es ganz sicher um ein Reparaturgesetz, das noch nicht die Zwangsarbeiter miteinbezieht. Diese Zwangsarbeiter-Anerkennung wird aber hoffentlich in einer nächsten Maßnahme, nämlich in einer differenzierten Aufgabenerweiterung des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus, in gewisser Weise möglich gemacht werden. Aber eines nach dem anderen.

Es gibt zwei Dinge, die mir in diesem Zusammenhang wichtig sind, vor allem in der Konfrontation und in der Gegenüberstellung mit der Jugend. Was ist es, was wir hier tun? – Spät, aber doch verhelfen wir Leuten zu ihrem Eigentum. Wenn wir am Ausgang unseres Jahrhunderts, Jahrtausends das Privateigentum und seine Wertschätzung so hochhalten, dann müssen wir diese Anerkennung von Eigentumsrechten als das benennen, was sie eben sind.

Wir haben gesagt, es sei unlauter und nicht in Ordnung, von einer Wiedergutmachung reden zu wollen. Also was ist es? – Es ist ein Versäumnis gutzumachen, das längst hätte gutgemacht werden sollen. Aber es geht jetzt nicht mehr darum, ein Rad zurückzudrehen, sondern darum, aus dieser Einsicht in die Versäumnisse zu lernen.

Weiters: Was sagen wir vor allem jungen Leuten gegenüber, warum es denn erst jetzt zu einem zweiten Anlauf gekommen ist? Sie wollen nicht nur wissen, was geschehen ist und was wir heute tun, sondern warum erst jetzt. – In der Zeit nach 1945, in der die Österreicher über sich selbst und ihre eigene Verführbarkeit erschrocken sind, hat so etwas wie eine Paralysierung, eine Lähmung eingesetzt. Mehrheitlich waren Österreicher gefangen und haben diesen offiziellen Verdrängungsweg beschlossen. Stellvertretend – es ist heute schon aus dem Ministerratsprotokoll zitiert worden – sei der Satz genannt: "Ich wäre dafür, daß man die Sache in die Länge zieht!" – Das war ein sehr symptomatischer Satz und der Ausdruck einer großen Hilflosigkeit.

Die handelnden Personen waren nicht einmal zu jenem Pragmatismus fähig, wie ihn Doron Rabinovici etwa sinngemäß zitiert: Man muß wissen, daß ein Gläubiger, dem man seine Schulden nicht zurückzahlt, psychologisch gefährlicher und belastender ist als einer, dem man sie zurückzahlt.

Zu diesem Ins-reine-Kommen war man nicht fähig. Dieses Ins-reine-kommen-Wollen, das zu wenige wollten, hatte auch viele Facetten. Es ist meiner Ansicht nach von einer doppelten Ironie der Verdrängung gezeichnet, nämlich daß Freud ein Österreicher war und als solcher auch wieder nicht anerkannt war und in seinem Ansinnen, als Naturwissenschafter anerkannt zu werden, nicht anerkannt wurde, weil seine Theorie in die Geisteswissenschaften gehörte. Diese mehrfache Ironie ist, so meine ich, auch wieder repräsentativ für unser Schicksal und für unsere Geschichte.

Noch einmal zurück zum "Warum" und "Warum heute": Es ist schon angesprochen worden, daß etwa die Globalisierung eine neue Dimension der internationalen Auseinandersetzung gebracht hat. Daß wir heute weltweit Informationen austauschen können, in einen Diskurs über Menschenrechte treten können, das hat auch mit den technischen Möglichkeiten, die mit dieser Globalisierung zusammenhängen, zu tun. Diese sollten wir nützen und auch die positive Seite dabei sehen.

Ein weiterer wichtiger und mir vor allem sehr wichtiger Punkt liegt in der Dimension der gestiegenen Bildung. Ich bin sehr froh darüber, daß es heute immer weniger der von Josef Cap erwähnten Geschichtslehrer gibt, nämlich jene, deren Unterricht beim Ende der Monarchie aufhört und die somit das kapitalste Unrecht, das die Menschheit zustande gebracht hat, auslassen.

Vor folgendem möchte ich in diesem Zusammenhang warnen: Die gesamthaft politisch-rassistische und pseudoreligiöse Weltvorstellung der Nazis war Ausgangspunkt und Unterfutter für ihr Verbrechen. Es war ein antirationales Konzept.

Ich sehe auch heute wieder so manche Zeitströmung, so manches esoterisch-spiritistische Wertegebäude auftauchen, das der Jugend und den Menschen das Denken abnehmen will, das Rationalität und intellektuelle Aufklärung schmäht und eine dumpfe, archaische, atavistische Schwüle an dessen Stelle setzt. Ich meine, daß eine wesentliche Lehre aus der Geschichte und aus dem, was wir heute verabschieden, ist, sich gegen Anfänge jedweder Geistlosigkeit zu wehren und gegen jede Antirationalität, die in den Schulen auch wieder Eingang zu finden beginnt, aufzutreten. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Smolle.)

Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf das schon Ausgeführte möchte ich mit einem Motto schließen, das ich mir von Václav Havel sozusagen ausgeborgt habe. Er hat sein Leben, sein Dichten und Denken unter das Motto gestellt: Der Versuch, in der Wahrheit zu leben. – Möge dieses Motto über dem Gesetz, das wir heute im Konsens verabschieden, über dem Datum des 9. November sowie über dem des 12. November stehen und möge dafür heute ein guter Tag sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Smolle.)

11.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. 12 Minuten. – Bitte.

11.52

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich begrüße auch die Generalsekretärin des Nationalfonds, Frau Mag. Lessing, die vom Balkon aus diese Debatte mitverfolgt.

In vier Tagen gedenken wir des 60. Jahrestages des 9. November 1938, jener Nacht, in welcher grauenhaft vorgezeigt wurde, was noch wesentlich furchtbarer als je vorausgeahnt eintreffen sollte. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Krüger, von den brennenden Synagogen sprachen, dann sage ich Ihnen: Es brannten nicht nur Synagogen, es wurden auch Menschen getötet. Vergessen Sie das niemals! Es ist bemerkenswert, daß Sie sonst mit keinem Wort auf die Verbrechen zwischen 1938 und 1945 eingegangen sind.

Bei der heutigen Debatte sieht man so besonders die Sympathien für die einen, die mangelnden Anteilnahmen für die anderen.

Obwohl Juden wußten, was sich seit Hitlers Machtergreifung in Deutschland abspielte, obwohl man seit dem Einmarsch deutscher Truppen zunehmend entrechtet wurde, ahnten die österreichischen Juden nicht, daß ihnen die Zukunft den völligen Verlust von Menschenrechten und die Vernichtung bringen wird. Da die österreichischen Juden im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert weitgehend assimiliert und integriert waren und sie daraus Schutz erwarteten, dachten sie nicht rechtzeitig an Flucht. Rasch schnappte die Falle zu, und um ihr nacktes Leben eventuell zu retten, mußten sie alles, was sie besaßen, den Machthabern, ihren Anhängern und Mitläufern abgeben. Zu Spottpreisen erwarben diese jüdisches Vermögen, als "Reichsfluchtsteuer" wurde der Kaufpreis einbehalten.

Die Glücklicheren unter ihnen konnten Österreich verlassen und somit den KZs und Gaskammern entgehen. 65 000 wurden grausam vernichtet, Familien wurden zerstört! Oft blieb nur ein einziger Überlebender großer Familien. Existenzen wurden vernichtet, und für jene, denen die Emigration gelang, begann ein dorniger Weg. Vor allem für die nicht mehr ganz Jungen war es äußerst schwer, sie waren Wiener mit Leib und Seele. Viele der urwienerischen Lieder wie das Fiakerlied, "Sag zum Abschied leise servus" und vieles andere, wie wir vor einigen Jahren bei einer exzellenten Ausstellung sehen konnten, stammten von Wiener Juden. Hermann Leopoldi, eigentlich Hersch Kohn – unter diesem Namen hätte man seine wunderbare Musik damals wohl abgelehnt –, gelang die Emigration. Fritz Grünbaum wurde ermordet. Ungeheuer großes geistiges Potential wurde verjagt und ausgerottet.

Wenn heuer begeistert geschrieben wurde: Endlich erhält wieder ein Österreicher den Nobelpreis!, dann bin ich darüber nur verwundert. 16 Jahre ließ man ihn hier leben, 59 Jahre war er woanders, damit er überleben konnte, lernen konnte, sich bilden konnte. Auch wenn in seinem Herzen, trotz Ermordung seiner Eltern – Todesurkunden gibt es nicht einmal –, Wien einen Platz hat: An diesem Nobelpreis aber hat Österreich keinen Anteil!

Wenn wir hören müssen, warum nur die Juden etwas bekommen sollen, andere hätten durch den Krieg auch Verluste erlitten, bin ich fassungslos. Mit der Shoa ist nichts zu vergleichen!

Es gibt natürlich wieder einen Abänderungsantrag der "F", in dem sie die Shoa relativieren wollen. Ist es denn so unerträglich für Sie, daß man Juden zu ihrem Recht verhelfen will? Berührt Sie deren Schicksal überhaupt nicht? (Abg. Dr. Krüger: Das ist doch eine Unredlichkeit der besonderen Art! Eine Unseriosität!) Verbrechen oder Schuld zu diminuieren ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger.) Es wird von Ihnen mit unzulässigen Vergleichen gearbeitet, und daher lehnen wir Ihren Abänderungsantrag ab! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Mag. Barmüller. – Abg. Dr. Krüger: Sie sind unredlich!) – Natürlich, für Sie sind Juden immer unredlich, das weiß ich! (Abg. Dr. Krüger: Sie sind unredlich!) Ja, sagen Sie mir das nur, das weiß ich von Ihnen, das kann ich gut bewerten! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine Familie ist vernichtet worden!

Der kaltblütige Plan zur Ausrottung von Juden, der mit Elan und Mithilfe vieler Mitmenschen schnell durchgesetzt wurde, findet nirgends Parallelen! Ihr Vermögen erhielten die Juden selten zurück – selbst nach 1945 nicht. Man setzte das Unrecht fort und tat auch wenig, zuwenig für die in bitterer Armut lebenden Emigranten. Diese standen viele Jahre nach der Shoa noch so unter Schock, daß sie aus Angst, man könnte es ihnen übel nehmen und eventuell Antisemitismus erwecken, selten wagten, für ihr Recht zu kämpfen. Die Überlebenden fühlten sich schuldig, überlebt zu haben. Sie konnten den Verlust von Familien und Freunden niemals überwinden und lebten mit maximaler Verdrängung weiter.

Trotz allem liebten sie dieses Österreich. Sie liebten Wien und träumten davon, die geliebte Stadt wiederzusehen. Das war für sie mit unerhörten psychischen Belastungen und auch Zusammenbrüchen verbunden. Wollten sie ihre Wohnungen sehen, ließen sie die Ariseure selten hinein, und wenn es doch geschah, sahen sie dort ihr Eigentum stehen. Viele konnten sich den Traum, Wien wiederzusehen, niemals erfüllen. Sie konnten in ihrer neuen Heimat mit ihren erlernten Berufen schwer Fuß fassen, und die Kosten für eine solche Reise überstiegen ihre Möglichkeiten. Viele Jahre schwiegen und verdrängten die Überlebenden. Manche suchten erst jetzt psychologische Betreuung, sei es bei Esra, sei es bei Amcha oder ähnlichem, auf. Die Kinder wußten oft gar nicht, daß sie Kinder von Juden waren. Sie erhielten erst sehr spät Auskunft über die Shoa und Antworten auf ihre Fragen.

Es wuchs eine neue Generation heran, eine, die sich nicht schuldig fühlte, daß ihre Eltern überlebten, und sie entwickelte ein neues Selbstbewußtsein. Sie wußte aber auch, Antisemitismus kann man durch sogenanntes Wohlverhalten, durch Verzicht auf die Rechte nicht vermeiden, und sie meldete Anspruch auf ihre Rechte an. Es wuchs aber auch eine neue Generation von den Kindern derer, die anders lebten, heran, auch jener, die sich fragten: Wie konnte das geschehen, wieso habt ihr es nicht verhindert? Und so haben wir heute eine neue Zeit, daß wir jetzt endlich diese Gesetze beschließen können. Denn eine Demokratie kann es sich moralisch nicht leisten, das Unrecht einer verbrecherischen Diktatur anzuerkennen und zum Recht zu erklären!

Jene, die die nötige Distanz haben und wissenschaftlich durch namhafte Historiker aufgeklärt sind, fühlen sich verpflichtet, gestohlenes Gut zurückzugeben und auch Arbeitsleistungen zu bezahlen. Eine demokratische Republik kann sich eines Besitzes, der ihr auf so grauenhafte Weise zufiel, nicht erfreuen. Ein Land muß auch zugeben können, welche Verbrechen hier möglich waren, und wenigstens den materiellen Schaden wieder rückerstatten. Selbst die großen christlichen Kirchen Österreichs bekennen sich im 60. Jahr nach dem Anschluß zwar nicht schuldig, aber nicht frei von Schuld an dem, was zur Shoa letztendlich führte, und daran, nichts zur Verhinderung beigetragen zu haben.

Meine Damen und Herren, sagen Sie nicht, es wäre unmöglich gewesen, dies alles zu verhindern! Schauen Sie sich nur das Beispiel Dänemark an: Die dänische Bevölkerung hat ihre Juden gerettet.

Wir wollen unsere Museen niemals mehr mit geraubtem Gut schmücken und nicht Nutznießer geraubten Geldes und Goldes sein. Wir wollen den Eigentümern rückerstatten, was ihnen gehört, und mit der Vergangenheit ins reine kommen. Unrecht fortzusetzen ist für uns kein demokratischer Grundsatz. All jene Güter, die nicht mehr rückerstattbar sind, weil die Eigentümer unauffindbar oder tot sind, sollen dem Nationalfonds übereignet werden.

Wir wollen damit jenen, die arm waren und arm blieben, helfen. Die Übertragung des österreichischen Restanteils am Goldpool auf den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus wird ermöglicht. Dieses Gold ist nicht nur Währungsgold von 1938, wie vorher ausgeführt, sondern laut Regierungsvorlage 1429 auch Gold, das individuellen Opfern geraubt wurde. Man hat ihnen aber nicht nur Bankgold und Schmuck geraubt. Es war viel schlimmer: Die Goldzähne wurden Häftlingen und Vergasten, die einer größtmöglichen "wirtschaftlichen Verwertung" zugeführt wurden, aus dem Mund, die Ringe von den Fingern gerissen. Diese Mittel aus dem Raubgold werden den Opfern zugute kommen.

Im Zusammenhang mit der Shoa zu sagen, ich sei froh darüber, wäre eine Lästerung. Es erfüllt mich als Kind einer entrechteten Jüdin und einzige in Österreich lebende Nachkommin einer großen vernichteten und vertriebenen Familie mit Genugtuung, daß wir wenige Tage vor der 60. Wiederkehr der Novemberpogromnacht in diesem Haus und Hort der Demokratie mit den Stimmen aller fünf Parteien beschließen, die geraubten Kunstschätze und das Gold der Opfer des Nationalsozialismus endlich rückzuerstatten, und daß wir mit Scham und Trauer die Verbrechen eingestehen und uns schwören, niemals wieder solche nicht zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.03

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Eine meiner Vorrednerinnen hat den Terminus von der "Gnade der späten Geburt", wenn auch nicht expressis verbis, gebraucht. Ich halte diesen Begriff für falsch. Es ist nicht eine Gnade, die späte Geburt auf sich beziehen zu können, es ist ein Nachteil, wenn es um die Beurteilung von Dingen geht, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Wenn man länger auf der Welt ist, dann hat das zumindest den Vorteil, daß man nicht auf die selektive Berichterstattung Älterer angewiesen ist, sondern sich selbst ein Bild aus seiner eigenen Wahrnehmung machen kann – aber soviel nur als Einleitung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das verbrecherische Regime des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg haben Abermillionen Opfer gefordert. Hinsichtlich einer bestimmten Anzahl von Opfergruppen trifft Österreich eine besondere Fürsorgepflicht. Dazu gehören die jüdischen Mitbürger, die aus Österreich vertrieben worden sind, die zu einem sehr hohen Prozentsatz umgebracht worden sind. Dazu gehören aber auch die Altösterreicher aus dem Gebiet der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, die aus ihrer Heimat vertrieben worden und auch zu einem hohen Prozentsatz umgebracht worden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Das ist schon wieder genau die Aufrechnung!) – Nein, eine Aufrechnung ist es nicht, es ist ein Anspruch der Gerechtigkeit, Kollege Nowotny. Ich habe nur sechs Minuten Redezeit, wir können dann auf dem Gang über anderes weiterreden. (Abg. Dr. Nowotny: Ich hoffe, Sie haben der Frau Dr. Pittermann zugehört!)

Ich wehre mich dagegen, daß man unter den armen Teufeln Hierarchien einzieht, daß man Rangordnungen macht und sagt: Du bist vertrieben worden, du bist ein gutes Opfer, und du bist vertrieben worden, du bist ein schlechtes Opfer! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Das sagt ja niemand!) Dein Vater ist umgebracht worden, aber du bist ein schlechter Hinterbliebener, und dein Vater ist umgebracht worden, aber du bist ein guter Hinterbliebener. Das steht uns nach 60 Jahren ... (Abg. Dr. Nowotny: Das sagt ja niemand! – Abg. Aumayr: Sie sagen es!) Implizite wird es gesagt! Ihr Zwischenruf sagt das. Opfer ist Opfer! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Sie haben der Frau Dr. Pittermann nicht zugehört!) Ob jemand aus Wien vertrieben worden ist, ob jemand aus Brünn vertrieben worden ist, ob er auf dem Marsch von Brünn nach Wien umgebracht wurde oder auf dem Weg von Wien woandershin, ist für den Betroffenen und seine Hinterbliebenen egal. Opfer ist Opfer in diesem Zusammenhang! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf auf noch einen Umstand hinweisen: Sie sind in Wahrheit alle Opfer des Nationalsozialismus, die einen wie die anderen – die einen direkte und die anderen indirekte. Denn auch die aus Brünn ... (Abg. Dr. Nowotny: Und die Täter kommen auch noch dazu! Die sind auch noch Opfer!) – Das täte Ihnen so passen, Kollege Nowotny! – Aber auch die aus Brünn sind Opfer des Nationalsozialismus. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn hätte es den Nationalsozialismus nicht gegeben, wären diese Menschen beziehungsweise ihre Hinterbliebenen heute noch in Brünn. Daher wehre ich mich dagegen, daß man jetzt eifersüchtig – so wie Sie – hergeht und sagt: Die Opfer, denen ich näherstehe, sind die guten Opfer, und die anderen sind die schlechten Opfer. Dagegen wehre ich mich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Täter gibt es bei Ihnen keine mehr!)

Wir Freiheitlichen treten daher dafür ein, daß die Wiedergutmachung auch allen in entsprechender Weise zugute zu kommen hat. Es geht nicht nur darum, Lücken zu schließen, wo es noch welche zu schließen gibt. Es geht auch darum, daß man in die Richtung denkt und in der Richtung handelt, in der auf diesem Sektor wirklich noch wenig geschehen ist.

Ich darf zum Beispiel in Erinnerung rufen – weil Sie bezweifeln, daß das Opfer sind –, daß ich dieser Tage gelesen habe, daß es einen bemerkenswerten Fall in einer tschechischen Stadt gibt, wo eine alte Frau nun ihre Wohnung verlassen wird müssen. Das Haus, in dem sich ihre Wohnung befindet, ist im Jahre 1945 "tschechisiert" worden. Aus Gründen, die heute nicht mehr nachvollziehbar sind, hat sie aber damals mit ihrer Familie das Haus nicht verlassen müssen. Sie hat es aber weder vor der Wende noch nach der Wende zurückbekommen, was eigentlich selbstverständlich gewesen wäre. Aber jetzt wird dieses Haus an Dritte verkauft. Und die Dritten schmeißen sie aus ihrem Haus hinaus. (Ruf bei den Freiheitlichen: Ungeheuerlich!) Ja, das ist ungeheuerlich!

Wir Freiheitlichen haben daher einen Abänderungsantrag eingebracht, der zum Gegenstand hat – er ist vervielfältigt und verteilt worden –, daß es uns dem Umfange nach, den Betroffenen nach, den Adressaten nach zuwenig ist, was die Regierungsvorlage verlangt. Wir wollen, daß die direkten Opfer und die indirekten Opfer des Nationalsozialismus von diesem Gesetz umfaßt werden. Wir wollen, daß durch dieses Gesetz alle, die durch das verbrecherische Regime des Nationalsozialismus direkt oder indirekt zu Schaden gekommen sind, entsprechende Vorteile, entsprechende Gesten, wenn Sie wollen – ich habe diesen Ausdruck gehört – auch Wiedergutmachung, aus diesem Fonds bekommen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte dieses unser Wollen nicht für Aufrechnung. Aufrechnung ist nicht erlaubt, aber es ist ein Lieblingsausdruck von Leuten, die nicht wollen, daß Gerechtigkeit geschieht. (Abg. Dr. Nowotny: Aber das tun Sie! Das ist es, was Sie machen!) Ja, ich möchte Gerechtigkeit. (Abg. Dr. Nowotny: Das wollen wir auch!) Der Antrag ist daher logisch, er ist konsequent und er ist gerecht. (Abg. Dr. Nowotny: Gerechtigkeit wollen wir auch!) Und weil Sie das wissen und weil Ihnen das nicht paßt, sagen Sie, man darf nicht aufrechnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir wollen, daß alle Opfer des Nationalsozialismus zum Zug kommen – nicht nur die, die Ihnen passen, Herr Kollege! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Was heißt "Ihnen passen"? Das ist unerhört!)

12.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Ofner in seinen Grundzügen vorgetragen hat, ist gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung wegen seines Umfanges im Saal verteilt worden. Er ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ofner, Dr. Graf, Mag. Haupt und Kollegen zum Antrag des Verfassungsausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes (1469 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995, wird wie folgt geändert:

1. Die Überschrift lautet:

Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für direkte und indirekte Opfer des Nationalsozialismus

2. Artikel I § 1 lautet:

§ 1. (1) Beim Nationalrat wird ein Fonds zur Erbringung von Leistungen an direkte und indirekte Opfer des Nationalsozialismus eingerichtet. Er trägt die Bezeichnung "Nationalfonds der Republik Österreich für direkte und indirekte Opfer des Nationalsozialismus".

(2) Der Fonds hat das Ziel, die besondere Verantwortung gegenüber direkten und indirekten Opfern des Nationalsozialismus zum Ausdruck zu bringen.

(3) Der Fonds besitzt eigene Rechtspersönlichkeit und dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. Er ist von allen Abgaben befreit.

3. Artikel I § 2 Abs. 1 lautet:

§ 2. (1) Der Fonds erbringt Leistungen an Personen,

1. die vom nationalsozialistischen Regime direkt oder als Folge des nationalsozialistischen Regimes indirekt aus politischen Gründen, aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität, sexuellen Orientierung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder auf Grund des Vorwurfes der sogenannten Asozialität verfolgt worden oder auf andere Weise Opfer typisch nationalsozialistischen Unrechts geworden sind oder das Land verlassen haben, um einer solchen Verfolgung zu entgehen; oder die als Altösterreicher indirekt als Folge des nationalsozialistischen Regimes aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität, sexuellen Orientierung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder auf Grund des Vorwurfes der sogenannten Asozialität bis einschließlich 1948 aus ihrer angestammten Heimat auf dem Gebiet des ehemaligen Österreich-Ungarn ausgesiedelt oder vertrieben worden sind oder dieses Gebiet verlassen haben, um einer Verfolgung zu entgehen; oder die zum Zwecke der Landbeschaffung für militärische Anlagen der Deutschen Wehrmacht in Österreich zwangsausgesiedelt worden sind; und

2. die

a) am 13. März 1938 die österreichische Bundesbürgerschaft – als Altösterreicher die Staatsbürgerschaft eines zumindest zum Teil auf dem Gebiete des ehemaligen Österreich-Ungarn gelegenen Staates – und einen Wohnsitz in Österreich – als Altösterreicher einen solchen auf dem Gebiete des ehemaligen Österreich-Ungarn – oder

b) bis zum 31. März 1938 durch etwa zehn Jahre hindurch ununterbrochen ihren Wohnsitz in Österreich – als Altösterreicher auf dem Gebiete des ehemaligen Österreich-Ungarn – gehabt haben beziehungsweise in diesem Zeitraum als Kinder von solchen Personen in Österreich geboren worden sind, oder

c) vor dem 13. März 1938 die österreichische Bundesbürgerschaft – als Altösterreicher die Staatsbürgerschaft eines zumindest zum Teil auf dem Gebiete des ehemaligen Österreich-Ungarn gelegenen Staates – oder ihren zumindest zehnjährigen Wohnsitz dort selbst verloren haben, weil sie wegen des unmittelbar bevorstehenden Einmarsches der Deutschen Wehrmacht das Land – als Altösterreicher den betreffenden zumindest zum Teil auf dem Gebiete des ehemaligen Österreich-Ungarn gelegenen Staat – verlassen haben, oder

d) als Kinder von solchen Personen im Konzentrationslager oder unter vergleichbaren Umständen auch in Österreich geboren worden sind;

3. an Altösterreicher aus dem Gebiet des ehemaligen Österreich-Ungarn, ausgenommen das Gebiet der Republik Österreich, jedoch nur, wenn sie am 27. April 1995 österreichische Staatsbürger gewesen sind oder ihren Wohnsitz in Österreich gehabt haben.

4. Artikel I § 2 Abs. 3 lautet:

(3) Der Fonds kann auch Projekte unterstützen, die direkten und indirekten Opfern des Nationalsozialismus zugute kommen, der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals seiner direkten und indirekten Opfer dienen, an das nationalsozialistische Unrecht und an das Unrecht der Entrechtung und Verfolgung von Altösterreichern und ihrer Aussiedlung und Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat als mittelbare Folge des nationalsozialistischen Unrechts erinnern oder das Andenken an alle diese Opfer wahren.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.09

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Materien, die hier zur Verhandlung anstehen, haben eine größere Tiefe, als dies in den Papieren sichtbar wird. Es ist jetzt ein Kapitel aufgeschlagen worden, bei dem wir beginnen, eigene Versäumnisse, eigene Fehler und bestenfalls positivistisch rechtmäßige Verhaltensweisen – aber sicher nicht in einem Verständnis von Anständigkeit – der Zweiten Republik aufzuarbeiten. Wir arbeiten heute nicht so sehr Probleme auf, die wir als Folgen des Nationalsozialismus vorgefunden haben, es handelt sich jetzt vielmehr um ein Kapitel, bei dem wir als Republik Österreich seit 1945 in einer auch selbstverantworteten kontinuierlichen historischen Verbindung stehen, mit – ich sage es einmal vorsichtig – Denkfehlern, die passiert sind.

Man war nämlich zum Beispiel im Jahre 1945 der Meinung, ein Gesetz, das im Jahre 1918, in der Stunde der Gründung dieser Republik, geschaffen wurde, um zu verhindern, daß Kunstgüter im beliebigen Ausmaß davongeschafft werden können, nämlich das Ausfuhrverbotsgesetz, als Mittel anwenden zu sollen, um Schenkungen von Leuten zu erzwingen, die aus dem Territorium dieser Republik gewaltsam vertrieben wurden oder gerade noch entkommen sind und hier einen ganz anderen Anspruch gehabt hätten. Daher meine ich, daß diese aus moralischer Sicht doppelbödige Verhaltensweise der ersten Jahre der Zweiten Republik langsam zu sanieren sein wird – natürlich kausal verursacht durch das Unrecht, die Unrechtstatbestände, die vorgefunden wurden, nachdem die Republik wiederausgerufen war. Aber ich meine, diese Diskussion ist noch nicht ganz zu Ende, sie wird noch gründlicher zu führen sein.

Kollegin Stoisits hat ja schon zwei Anträge eingebracht, die mit der Materie, die wir heute diskutieren, in Zusammenhang stehen. Ich möchte einen weiteren Antrag, den ich mit ihr gemeinsam hier vorlege, einbringen, und zwar einen, der sich damit beschäftigt, wer denn der Personenkreis von Opfern im Zusammenhang mit diesen Problemen ist, die wir hier besprechen – ich komme auf diesen Aspekt später noch zurück –, ob es logisch und konsequent gewesen ist, daß wir bei der Beschlußfassung über das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus eine zehnjährige Aufenthaltsfrist vorgesehen hatten, oder ob uns dabei nicht ein Fehler insofern unterlaufen ist, als wir gedankenloserweise der Meinung waren, daß auch in den Jahren 1933 und 1934 in Österreich die zehnjährige Anspruchsfrist für die Erlangung der Staatsbürgerschaft bestanden hat, so wie wir sie heute haben. – Wir haben einfach übersehen, daß die damalige Rechtslage eine ganz andere war und daß im Bundesgesetzblatt 285/1925 in der Fassung des Bundesgesetzblattes 369/1933 eine vierjährige Frist vorgesehen war.

Daher stellen Kollegin Stoisits und ich folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier, Mag. Stoisits und PartnerInnen betreffend den Bericht des Verfassungsausschusses 1469 der Beilagen, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Änderung des Berichtes des Verfassungsausschusses 1469 der Beilagen, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Berichtes des Verfassungsausschusses 1469 der Beilagen, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995 geändert wird:

Ziffer 1 lautet: § 2 Abs. 1 Z 2 lit. b lautet: "bis zum 13. März 1938 durch etwa vier Jahre hindurch ununterbrochen ihren Wohnsitz in Österreich gehabt haben beziehungsweise in diesem Zeitraum als Kinder von solchen Personen in Österreich geboren wurden oder ..."

Die bisher im Bericht angeführte Änderung des Bundesgesetzes erhält die Ziffer 2.

*****

Der Zusammenhang mit der Materie, die wir hier diskutieren, ist evident. Wenn wir nämlich jetzt diesen Personenkreis nicht in der richtigen Weise erfassen, dann wird das, was wir im Rahmen der Rückerstattung von geraubten und nachher abgepreßten Kunstgütern zurückgeben, nur einen verkürzten Personenkreis treffen. Wir sind der Meinung, daß, wenn wir diesen Schritt setzen, auch der Kreis der Anspruchsberechtigten besser abgegrenzt werden muß.

Aber zurück zum Hauptthema, das uns hier beschäftigt. Die Demokratie des Verschweigens und der Diskussionslosigkeit, die wir im Jahr 1945 begonnen haben, diese Demokratie des Friedensschlusses durch Nichterörterung, diese Quasikonkordanzdemokratie, die wir im Jahr 1945 in die Welt gesetzt haben, müssen wir jetzt aufarbeiten, weil eine Weiterentwicklung des Bewußtseins notwendig ist, und zwar bezüglich des gesamten Problembereiches, der damit zusammenhängt. Und die Zeit arbeitet dabei gegen uns! Daher bin ich der Meinung, je rascher wir das Problem erledigen, je rascher wir diese Diskussion aufnehmen, desto besser ist es – und zwar nicht nur deswegen, weil zunehmend die Opfer gestorben sein werden, an die wir uns zu wenden haben, wenn wir noch Wiedergutmachungen leisten wollen, sondern auch deswegen, weil die Zeitzeugen, die in der ersten Phase der Zweiten Republik am Werke waren, uns auch abhanden kommen werden.

Aber ich bin andererseits nicht der Auffassung des Kollegen Ofner, daß man über Geschichte nur reden darf, wenn man Zeitzeuge war. Ich bin nicht dieser Auffassung. (Abg. Dr. Ofner: Man tut sich nur leichter!) Man tut sich zum Teil leichter, zum Teil aber auch nicht – lieber Harald Ofner, zum Teil aber auch nicht, denn wenn man selber in einer großen unmittelbaren Betroffenheit steht, dann ist es manchmal viel schwerer, sich zu einer objektiven Position durchzuringen, als wenn man sich als unbeteiligter Dritter selbstverständlich auch mit Zeitzeugen zu unterhalten hat, sich aber die gesamten Fakten anschauen kann und es mangels inneren Bebens einfach leichter hat, sich eine Meinung zu bilden, die vielleicht schmerzlich ist, aber eben nicht unbedingt für einen selbst in der direkten Betroffenheit, und das erleichtert es manchmal. Es ist dann aber auch kälter, das gebe ich zu. Geschichtsschreibung und Aufarbeitung sind kälter als die eigene Betroffenheit, aber die eigene Betroffenheit kann auch unter Umständen so stark sein, daß sie das Gesichtsfeld verengt, daß sich das Bewußtsein auf wenige Teilprobleme, die natürlich wichtig sind, beschränkt. Und das ist der Nachteil der persönlichen Betroffenheit.

Wenn ich persönlich mein Geschichtsbild ausschließlich von der persönlichen Betroffenheit meiner physischen Teilnahme an Vertreibungsvorgängen ableiten würde, dann hätte ich ein verqueres Geschichtsbild – einerseits, weil man als Kind manches ganz anders erlebt, und andererseits, weil das ein millimetergroßer Ausschnitt aus einem großen Ablaufszenario wäre, von dem aus ich dann sozusagen vielleicht in einer Art historischer Nabelschau die Welt betrachten würde. Ich bin gelegentlich – und das gebe ich hier von diesem Rednerpult aus zu – ganz froh darüber, mich darauf berufen zu können, daß ich weiß, wovon ich rede, weil ich auch dabei war, aber ich war vier Jahre alt. Und es ist zynisch, so etwas dann zu überziehen. Aber immerhin, in manchen Bereichen ist diese persönliche Betroffenheit vielleicht eine zusätzliche emotionale Legitimation. Mehr ist es nicht – keine Qualifikation. Es ist keine Qualifikation!

Daher tut es mir leid, daß, wenn Harald Ofner von diesem Rednerpult aus ein bestimmtes Thema aufgreift, er das in der falschen Debatte tut. Das tut mir leid, weil die Themenstellung ernst ist, und wir haben sicherlich auch darüber noch zu reden. Auch hier sind von Verantwortungsträgern der Zweiten Republik nach 1945 gelegentlich – vorsichtig formuliert – Fehler gemacht worden. Ich könnte dazu vieles erzählen, was ich nicht unbedingt nur selbst erlebt habe, sondern auch als Kind von Betroffenen ganz genau begriffen habe, aber nicht in dieser Debatte. (Abg. Dr. Ofner: Schäm dich nicht, erzähl!) Ich schäme mich überhaupt nicht, sonst hätte ich das nicht von mir aus hier angeschnitten. Ich bin ja nicht ganz dumm. Wenn ich dem hätte ausweichen wollen, hätte ich in dieser Debatte überhaupt nicht darüber gesprochen. Ich muß dir aber sagen, daß es eben in dieser Debatte nicht zu erörtern ist, nicht deswegen, weil Kollege Nowotny vielleicht dann den Aufrechnungsvorwurf erhebt, der so falsch nicht ist, aber natürlich sehr scharf, wenn er an einen Betroffenen adressiert ist. (Abg. Dr. Ofner: Er ist rechtlich falsch! ...)

Kollege Ofner! Ich bin nicht der Meinung, daß man sich diesen Problemen ausschließlich mit den Werkzeugen des Rechtsanwaltes nähern kann. Das hat eine größere Dimension. Das ist nicht nur Ursache und Wirkung im einfachen Sinn der Kausalitäten eines Bürgerlichen oder eines Strafgesetzbuches. Das hat eine wesentlich größere Dimension. Da sind geschichtsmächtige Abläufe dahinter, und in dem Rahmen der geschichtsmächtigen Abläufe gibt es ganz andere Kausalitätsverantwortlichkeiten: Von welcher Volksstimmung muß jemand getragen sein, wenn er Nürnberger Gesetze beschließen oder durchsetzen kann? Vor welchem Hintergrund muß Politik ablaufen, wenn sie auf keinen nennenswerten Widerstand stößt, wenn sie Menschen zur Zwangsarbeit rekrutiert und in Lager verschickt, und auf deren Meldezetteln "abgemeldet nach Theresienstadt" steht? – Das setzt eine gewisse kollektive Bereitschaft zum Nichtwiderstand voraus. Das heißt nicht, daß die Leute applaudieren. Das heißt auch, daß viele, die gerne Widerstand geleistet hätten, vielleicht nur zu ohnmächtig waren, ihn wirklich auch zur Geltung zu bringen. Das heißt das alles, das ist dann sehr diffizil im Einzelfall zu betrachten. Aber insgesamt kann sich keine staatliche Autorität über eine längere Periode halten, wenn sie nicht in Wirklichkeit doch von ihrer Bevölkerung getragen ist.

Ob das ein demokratischer Staat ist, in dem sich dieses Verhalten in Wahlen sehr deutlich manifestiert – auch nicht immer so deutlich, wie man es als Oppositionspolitiker vielleicht gerne hätte; ich meine jetzt den Widerspruch dabei –, oder ob das ein autoritäres Regime ist, dem applaudiert wird, dem Spalier gestanden wird, dem mit Fahnen zugewunken wird, in einem Land, in dem Menschen an Abstimmungen teilnehmen, von denen sie wissen, daß sie nicht frei sind, durch ihre Teilnahme aber gleichzeitig erwirken, daß man nachher ein Ergebnis von 99,9 Prozent verlautbaren kann, ist nicht die Frage. Die Menschen hätten vielleicht nicht hingehen müssen; das ist auch ein Ansatz.

Das alles sind Elemente, die mit zu bedenken sind; nicht in einem Prozeß in irgendeiner Schadenersatzfrage vor den Gerichten – woher auch immer der Schadenersatzanspruch kommen mag –, sondern in einer gesamthaften Beurteilung, ob eben ein Opfer, das persönlich in jedem Fall genauso betroffen ist – das räume ich ein –, auch in einem anderen Kontext zum Opfer wurde. Daher ist es schlecht, solche Debatten zu vermischen. Aber ich bin völlig der Meinung, daß auch die andere Debatte zu führen ist. Selbstverständlich ist sie zu führen. Man kann ja nicht sagen, es spiele überhaupt keine Rolle, wenn irgendwelche Menschen irgendwo und irgendwann ermordet wurden. Nur stellt sich auch die Frage: Aus welcher Legitimation heraus und in welcher Betroffenheit, nämlich heutiger Betroffenheit, führt man welche Debatte?

Wir haben uns als Republik Österreich und als österreichischer Nationalrat in diesen Themenstellungen in erster Linie um die Fragen zu kümmern, die auch territorial oder personell mit Österreich – auch als es noch Ostmark hieß – verbunden sind. Wir haben hier ohnedies etwas zu leisten, was schwierig ist, denn staatsrechtliche Anknüpfungen gibt es wenige. Die Moskauer Deklaration ist uns sicher eine Hilfe, wenn es um die staatsrechtlichen Anknüpfungen geht. Aber ich brauche nicht in die verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Aspekte hinüberzugleiten, sondern bleibe jetzt bewußt im politischen Raum stehen. Das Bewußtsein in dieser Richtung bezieht sich aber durchaus sehr stark auf Österreich, die Republik Österreich, das Territorium der Republik Österreich. Da mag es spitzfindige Abgrenzungsfragen geben, wenn sich zwischen den Jahren 1938 und 1945 vielleicht die territorialen Außengrenzen der Republik Österreich – damals Ostmark – anders darstellen: Untersteiermark und so weiter. Darüber kann man gerne in Seminaren diskutieren, das ist aber nicht die politische Frage.

Die politische Frage ist folgende: Anerkennen wir in diesem Punkt eine materielle Verantwortungsnachfolge? – Diese haben wir für unser Territorium auszuüben, und das ist durchaus in diesem Sinne. Um diese Fragen geht es im Zusammenhang mit dem Thema, das wir heute hier diskutieren. In jenem Moment, in dem man andere – auch wichtige – Fragen hineinbringt, macht man einen Fehler. Und mir fällt auf, daß dieser Fehler deswegen so schmerzlich ist, weil die anderen Themen darunter leiden. Sie werden nämlich dadurch diskreditiert und es muß zu bedingten Abwehrreflexen kommen – siehe Zwischenruf des Kollegen Nowotny. Ich möchte dieser Passage in meinen Überlegungen nicht zuviel Raum widmen, aber es war mir ganz, ganz wichtig, das hier gesagt zu haben, weil ich es leid bin – ich bin es wirklich leid! –, immer wieder diese Nichtaufrechnungsdebatte führen zu müssen.

Hat sich das denn noch nicht herumgesprochen? – Ich kann es nicht verstehen, daß man diese Debatte in dieser Form nicht führen darf, wenn man tatsächlich jene Anliegen hat, die man damit zu vertreten meint. Ich bitte Sie, noch einmal darüber nachzudenken. Es hilft den sogenannten Heimatvertriebenen nichts, wenn Sie sie – wie auch heute in dieser Debatte – letztlich zu Fußnoten einer Diskussion machen, anstatt sie in den Mittelpunkt einer anderen Diskussion zu stellen. Sie machen sie zu Fußnoten einer Debatte, anstatt sie in den Mittelpunkt einer anderen Debatte zu stellen! (Beifall beim Liberalen Forum.) Und das haben diese Heimatvertriebenen nicht verdient. Das sage ich jetzt mit der Legitimation des Betroffenen: Ich will das für mich nicht! Ich will diese Anwaltschaft für mich nicht!

Ich habe inzwischen mit vielen Leuten in diesem Bereich Gespräche geführt. Ich habe zum Beispiel im Zusammenhang mit dem sogenannten Heimatrecht über die Vertriebenen gesagt: Wenn diese Länder, um die es dabei geht, Mitglieder der Europäischen Union sein werden – und ich hoffe bald, zum Beispiel die Tschechische Republik –, dann wird es die Niederlassungsfreiheit geben und das Heimatrecht wird eine historische Figur geworden sein. Warum diskutieren wir nicht über die Zukunft, um gemeinsam in der Zukunft Versöhnung zu finden, anstatt in der Vergangenheit Aufrechnung stattfinden zu lassen?

Das, was wir heute hier beschließen, sind Versöhnungsgesten an die übriggebliebenen Opfer. Das ist ja keine Wiedergutmachung im eigentlichen Sinn des Wortes. Durch die Rückgabe von Kunstgegenständen gelingt sie vielleicht sogar da und dort zur Gänze. Das ist richtig. Aber im Prinzip, vor dem Hintergrund des Gesamtproblemes, sind das Versöhnungshandlungen, die in die Zukunft gerichtet sind. Daher ist das auch ein Ermächtigungsgesetz und kein Rechtsanspruchsgesetz. Das alles ist weise und erwogen. Deswegen freue ich mich auch, daß es in dieser Materie zu einer Fünf-Parteien-Einigung gekommen ist. Daß wir gerne noch mehr hätten, haben Frau Kollegin Stoisits und ich schon zum Ausdruck gebracht, aber das ändert nichts daran, daß wir mit dem Kern, der hier beschlossen wird, wirklich sehr zufrieden und auch froh darüber sind.

Genau in diesem Sinne und zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich noch einen Entschließungsantrag vortragen, der aus unserer Sicht deswegen sinnvoll und notwendig, allerdings nur im Zusammenhang mit unseren Abänderungsanträgen zu verstehen ist, weil, wenn auch Zwangsarbeiter in den Personenkreis der Anspruchsberechtigten im Sinne des Nationalfondsgesetzes aufgenommen werden, deren Ansprüche nicht aus den schon vorhandenen Mitteln bezahlt werden können, sondern nur dann, wenn zusätzliche Mittel für diesen Zweck bereitgestellt werden. Ich weiß, daß das noch eine lange Debatte werden wird. Das ist mir bewußt, und daher verlese ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier und Genossen betreffend die Absicherung der finanziellen Dotation des Nationalfonds der Republik Österreich im Hinblick auf die ausstehende Entschädigung von Zwangsarbeitern in der NS-Zeit

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, in der Regierungsvorlage für das nächste Bundesfinanzgesetz sicherzustellen, daß Maßnahmen zur Entschädigung von Zwangsarbeitern gemäß § 2 Abs. 1a Nationalfondsgesetz durch zusätzliche Mittel bedeckt werden, sodaß es zu keiner Schmälerung der Entschädigung von Verfolgten gemäß § 2 Abs. 1 kommt."

*****

Ich habe diese Entschließung damit also pflichtgemäß und wie es der Geschäftsordnung entspricht verlesen. Sie soll aber nicht der Schlußsatz meines Redebeitrages sein.

Ich möchte noch einmal sagen: Die andere Debatte wird auch zu führen sein. Meine wirkliche Bitte ist: Die Trennung von Themen in einem wirklich weitherzigen und vernünftigen historischen Verständnis wird der Versöhnung und auch den Anliegen der Opfer eher gerecht werden als eine Vermischung der Themen. Nicht jede Mischung ist eine gute. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Kier hat einen Abänderungsantrag vorgetragen und jetzt einen Entschließungsantrag verlesen. Die beiden Anträge sind ausreichend unterstützt, überreicht worden und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Morak. 5 Minuten Redezeit haben Sie begehrt. – Bitte.

12.28

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es ist heute vieles gesagt worden, viel Richtiges. Ich möchte auf ein paar Aspekte eingehen, die mir wichtig erscheinen.

Das eine ist folgendes: Es gibt natürlich auch in Österreich noch immer Leute, die fragen – das ist heute auch schon kurz angeklungen; die einen sagen es offen, die anderen sachlich, aber hinter vorgehaltener Hand, weil es nicht der "political correctness" entspricht –: Brauchen wir dieses Gesetz? – All denjenigen möchte ich zurufen: Ich lade euch dazu ein, einmal die Briefe zu lesen, die vom Bundesdenkmalamt, von den Bundesmuseen nach dem Krieg in dieser Sache verfaßt wurden. In diesen Akten steht einiges, bei dem einem speiübel wird, wenn man sieht, wie mit Menschen umgegangen wurde!

Daß im Zuge des nationalsozialistischen, organisierten Massenmordes jüdisches Eigentum geraubt und Menschen umgebracht wurden, ist nicht neu. Doch die Akten über die Rückstellung jüdischen Eigentums, mit deren Folgen wir uns heute befassen, sind nicht nur Zeugnisse einer gigantischen NS-Raubaktion, sondern auch Zeugen des gelegentlich bis zum Zynismus gehenden bürokratischen Spiels unserer Republik mit den heimgekehrten Opfern.

Wer diese Dokumente studiert, ist empört und erschüttert über die Art und Weise, wie die Bürokratie unseres Landes quasi von oben herab mit diesen Opfern umgegangen ist, die keine andere Schuld auf sich geladen hatten, als daß ihnen das Vermögen weggenommen wurde – im günstigsten Fall –, und als Überlebende den verstehbaren, den nachvollziehbaren Wunsch hatten, das Land, in dem ihnen so viel angetan wurde, zu verlassen. Das war ein schikanöses Spiel rund um die Ausfuhrgenehmigung geraubter Kunstwerke beziehungsweise um den "Tausch" – unter Gänsefüßchen – solcher Genehmigungen gegen Schenkung an die Republik. Es war in Wahrkeit eine Kombination aus Gesetzesbruch und sittenwidrigem Geschäft, einer Nötigung durch die Republik.

Im Rückstellungsverfahren artikulierte sich den Opfern gegenüber ein hartes, selbstgerechtes: "Mir san mir!" Und: "Mir ham nix tan!" Über allem schwebt dieser heute schon öfter zitierte Satz von Oskar Helmer "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen." – Diese Worte haben das moralische Klima der Zweiten Republik bis zum heutigen Tag vergiftet.

Ich möchte sagen, daß der Autor Ralph Giordano von einer "zweiten Schuld" gesprochen hat, nämlich jener, daß man nicht auf Auschwitz, auf die Tatsache der Hinrichtung von Juden reagiert hat und daß man das quasi als "zweite Schuld" mit in die Republik geschleppt hat.

Mit dem heute zu beschließenden Gesetz möchte ich die Hoffnung verbinden, daß wir im Angesicht dieses Satzes von Oskar Helmer sagen können: Wir sind am Ende dieser Länge angekommen. – Ich möchte noch hinzufügen, daß es das Verdienst – und das sage ich jetzt ganz bewußt – einer ÖVP-Ministerin war, daß sie 15 Jahre nach Kreisky und vier Jahre nach Scholten dieses Gesetz, das wir heute beschließen, erarbeitet und vorgelegt hat.

Ich möchte damit diese Sache zwar nicht ruhen lassen, aber ich möchte nicht mehr darüber reden. – Aber ich möchte doch noch einiges sagen, und zwar zu den gestrigen Vorfällen:

Kollege Haigermoser hat hier folgendes gesagt – ich zitiere –: "In der Parteiakademie der Österreichischen Volkspartei, das ist jenes Springer Schlößl, das die ÖVP einem jüdischen Vorbesitzer abgestohlen hat ..."

Präsident Dr. Heinz Fischer: "Herr Abgeordneter, bitte, ich ..." – Abgeordneter Dr. Haider: "Das stimmt ja!" – Zitatende.

Ich möchte noch einmal zum Mitschreiben wiederholen: Das Springer Schlößl ist nach 1938 arisiert worden, im Jahre 1947 an den Besitzer, an die Besitzerin rückgestellt worden und im Jahre 1953 zu einem marktgerechten Preis an den "Verein der Wiener Volksheime" verkauft worden. Wenn Dr. Haider und Herr Haigermoser sagen, das wäre erstohlen und gestohlen worden, dann ist das, bitte, eine politische Verleumdung der Sonderklasse, und zwar noch auf Kosten eines Gesetzes, zu dem wir uns angeblich alle hier im Nationalrat bekennen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Bei der Vergangenheit Ihrer Partei sollten Sie sich hier nicht zum Sittenrichter aufspielen! (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ungeheuerlich! Diese Unterstellungen! Ordnungsruf!)

Und noch einmal: Eine Partei, die einen Parteiführer hat, der im Bärental wohnt, sollte nicht mit Springer Schlößln um sich werfen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei den Grünen.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Dr. Krüger  in Richtung ÖVP –: Das habt ihr nicht entgegnet, was im "Format" gestanden ist! ... die zerstörten Anwesen ...!)

12.34

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Debattenbeitrag des Kollegen Morak hat ja gezeigt, daß er sich nicht ganz wohl in seiner Haut fühlt (Beifall bei den Freiheitlichen) – auch die ÖVP nicht, auch die SPÖ nicht, wenn nun eben Dinge zutage treten, die man bis jetzt verschwiegen hat. Ich erinnere etwa an die Sendung "Zur Sache", in der der Historiker Jagschitz ja von einigen anderen Beispielen, wer sich – nämlich nicht nur die damals vorhandenen politischen Parteien, sondern auch Interessenvertretungen und andere staatliche und halbstaatliche Institutionen, Kollege Morak – nach dem Krieg so alles unter den Nagel gerissen hat, berichtet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind doch die Dinge, die wir heute – 50 Jahre nach Kriegsende – einmal aufzeigen und bei denen wir uns überlegen sollten: Was ist damals wirklich mit diesem vorher arisierten Eigentum passiert, was ist wirklich den wahren Eigentümern vorenthalten worden, was ist mit diesen Gütern passiert und wer profitiert vielleicht noch bis heute von diesen Gütern? – Es wäre doch einmal interessant, auch das durch eine Historikerkommission untersuchen zu lassen.

Meine Damen und Herren! Es ist doch interessant, daß wir uns 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, 50 Jahre, nachdem all diese Verbrechen – all diese unglaublichen Verbrechen! – passiert sind, heute hier im Parlament noch immer darüber unterhalten müssen, wie man zumindest finanziell – "Wiedergutmachung" ist wahrscheinlich wirklich das falsche Wort –, dieses Unrecht zumindest in materieller Hinsicht teilweise wiedergutmachen kann.

Da ist doch wirklich die Frage zu stellen: Was ist denn in den letzten 50 Jahren passiert? – Aber, meine Damen und Herren, dieses Gesetz zur Rückstellung der Kunst- und Kulturgüter beispielsweise ist ja kein Problem der unmittelbaren Nachkriegszeit, bei dem man sagen könnte, daß damals vielleicht irgendwelche Fehler gemacht worden seien. – Nein! Dieser Vergleich, diese Problematik, die wir heute zu bereinigen haben, stammt doch aus den fünfziger Jahren!

Eine österreichische Bundesregierung, demokratisch gewählt, eine große Koalition, bestehend aus SPÖ und ÖVP, hat damals mit den Eigentümern dieser Kunstschätze, die diese Kunstschätze in das Ausland transferieren wollten, einen Vergleich geschlossen. Um ihnen die Ausfuhr zu ermöglichen, hat man ihnen nahegelegt, auf einen Teil dieser Kunstschätze zu verzichten, den Rest könnten sie dann ausführen. Die demokratische Republik Österreich, eine in den fünfziger Jahren demokratisch gewählte Regierung in einem Österreich, das von den Besatzungsmächten kontrolliert war, hat diesen Vergleich geschlossen.

Jetzt könnte man fragen: Was ist an diesem Vergleich auszusetzen? Das war ja eine demokratische Regierung, es herrschten doch friedliche Umstände, man kann doch nicht sagen, daß das erzwungen worden sei. – Und trotzdem und zu Recht stehen wir heute hier und müssen das bereinigen. Da muß man doch hinterfragen: Wie demokratisch, wie gerecht war denn die Politik der damaligen Jahre? Wie demokratisch und gerecht war denn eine politische Führung in diesem Staat, die solche Vergleiche abgeschlossen hat? Und warum hat es denn weitere 40 Jahre gedauert, bis wir heute dazu kommen, uns über diese Dinge zu unterhalten?

Wenn man sich etwa Ministerratsprotokolle aus dieser Zeit, aus den vierziger und fünfziger Jahren, ansieht, dann merkt man doch, meine Damen und Herren – auch das sollten wir heute zur Sprache bringen –, daß man gerade in jener Zeit, in der es noch möglich gewesen wäre, eine große Anzahl an überlebenden Geschädigten, an überlebenden Opfern zumindest teilweise zu entschädigen, in der es noch möglich gewesen wäre, die wirklich Betroffenen entsprechend besserzustellen, diesen Geist weitgehend vermissen hat lassen.

In diesen Protokollen ist etwa zu lesen, daß ein Minister Übeleis am 12. November 1946 gesagt hat:

Na ja, die deutschen Reichsbahnen und die Reichspost haben schon eine Anzahl von Privatunternehmen übernommen und auch Autokonzessionen von Privaten erworben, aber das ist doch im öffentlichen Interesse. Das ist damals, im Jahr 1938, abgelöst worden. Da kann man nicht davon sprechen, daß das "arisiert" worden sei, und eine Rückgabe dieser Dinge würde dem öffentlichen Interesse widersprechen. – Zitatende.

Im Jahre 1952 – also in der demokratischen Republik Österreich des Jahres 1952 – hat ein SPÖ-Vizekanzler folgendes gesagt: Wenn wir durch den Staatsvertrag dazu nicht gezwungen sind, so können wir doch kein Präjudiz schaffen. – Es geht dabei um einen Fonds aus erblosem Vermögen, also genau um jene Sache, über die wir heute sprechen. – Aus der Behauptung heraus, es handle sich um herrenloses Gut, können wir uns doch nichts wegnehmen lassen – können wir uns doch nichts wegnehmen lassen!; das sagt der sozialdemokratische Vizekanzler des Jahres 1952! – Ich bin überzeugt – so sagt er weiter, und da wird es sogar noch schlimmer! –, daß in Österreich die Zahl der Juden, die umgekommen sind, verhältnismäßig gering ist. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das war die Geisteshaltung einer österreichischen Regierung aus dem Jahre 1952! Die anderen Kommentare erspare ich mir jetzt, weil meine Redezeit fast schon abgelaufen ist.

Wenn man hier große Worte spricht, dann sollte man sich auch überlegen: Warum hat es 40, 50 Jahre gedauert, bis man solche Gesetze beschließt? Warum, Kollege Nowotny – das sei mir zum Schluß auch noch erlaubt zu fragen –, ist man heute, 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, nicht dazu in der Lage, endlich einmal aufzuhören zu sagen, das sei Aufrechnung, wenn man verlangt, man solle alle Opfer soweit wie möglich entschädigen? (Abg. Dr. Nowotny: Um das geht es doch nicht! Das wissen Sie doch ganz genau!) Es gibt kein gutes oder schlechtes Unrecht, sondern es gibt nur Recht und Unrecht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Überall dort, wo Unrecht passiert ist, muß man es aufzeigen und versuchen, den Geschädigten und den Opfern zu Gerechtigkeit zu verhelfen. Das ist keine Aufrechnung, sondern das ist eine Aufgabe für jeden demokratischen Politiker! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Um das geht es ja gar nicht!)

12.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner: Wer war denn der Vizekanzler? Ich habe es vergessen! – Abg. Schieder: Wir sitzen heute im Parlament, nicht damals! Wir sitzen heute im Parlament, und heute müssen wir es ordentlich machen! – Abg. Dr. Cap: Ich buchstabiere: VDU! – Weitere Zwischenrufe.)

Herr Abgeordneter, Sie können beginnen. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Visoki Dom! Gospod predsednik! Gospa ministrica! Ich glaube, es ist ganz in Ordnung, wenn sich dieser Dialog auch hier entspinnt, und zwar in der vollen Länge. Nehmen Sie das Buch von Alfred Elste zur Hand, auch Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ich bitte Sie, einmal zu prüfen und Gewissenserforschung zu betreiben in bezug auf Kontinuität beziehungsweise Veränderung nach dem Jahre 1945. Dieses Buch – ein Kärntner Historiker hat es geschrieben – weist nach, wie viele Nationalsozialisten vor allem nach dem Jahre 1948 gleich direkt in die Großparteien, und in Kärnten vor allem zur Sozialdemokratie gewandert sind. Das hat ein Historiker geschrieben. Ich kann Ihnen das Buch nur empfehlen.

Ich meine, es geht nicht an, die Frage damit anzugehen, einfach nach links, nach rechts, nach oben oder unten, vor allem aber nie auf sich selber zu zeigen. Die Republik insgesamt ist verantwortlich dafür, daß sie erst heute damit beginnt, die Versäumnisse von 50 Jahren wiedergutzumachen. Zu dieser Republik gehören alle diese Elemente, auch die politischen Elemente, wie sie hier im Hause sitzen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Auch ich, ja. Diese spaßhafte Bemerkung ist ein bißchen unpassend. Das ist ein zu ernstes Thema. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren der Freiheitlichen Partei! Ich möchte Sie in aller Redlichkeit auf einen Fehler aufmerksam machen, den Sie begehen. Sie können Unrecht nicht gegen Recht und Recht nicht gegen Unrecht aufrechnen. (Abg. Dr. Ofner: Tut ja keiner! Das bist du selbst, der das sagt! Opfer ist Opfer! Wir tun nicht aufrechnen!) Erlauben Sie mir, diesen Gedanken auszuführen: Viele Täter sind nach dem Jahre 1945 auch Opfer geworden, aber sie können sozusagen von ihrer Täterschaft nicht das in Abzug bringen, was sie in der Folge als Unbill erlebt haben. Das ist eine zu einfache Art der Moral! (Abg. Dr. Ofner: Davon redet kein Mensch! Wir reden von den Opfern!) Ich habe nicht so eine Art der Moral: Man begeht fünf Sünden, tut drei gute Werke, ergibt nur mehr zwei Sünden. – Herr Kollege Ofner! So einfach geht das nicht. (Abg. Dr. Ofner: Kein Mensch hat das gesagt! Das würde dir so passen!) Man muß sich zu seinen Fehlern bekennen und versuchen, diese zu vermeiden. (Abg. Dr. Ofner: Wir reden von den Opfern!)

Aber die Geschichte der Zweiten Republik wurde ja mit einer Legende begonnen, nämlich mit der Legende, daß Österreich Opfer war. Das war sozusagen die politische Prämisse, unter der gearbeitet wurde, um unsere Partner davon zu überzeugen, daß wir eigentlich ohnehin immer brav gewesen sind. Wir waren ja nie dabei. Irgendwelche Deutschen sind gekommen und haben irgend etwas gemacht. Die Österreicher waren immer brav und anständig. Wir tun sozusagen nie etwas Böses.

Schauen Sie sich die Zahlen und die Namen an, gerade auch im Zusammenhang mit den Verbrechen der Wehrmacht, im Zusammenhang mit dem KZ und im Zusammenhang mit den Aussiedlungen! Sie können daraus ersehen, daß auch Österreicher daran beteiligt waren. Die Listen für das KZ der Kärntner Slowenen, die Listen für die Aussiedlung der Kärntner Slowenen haben Kärntner, haben Österreicher erstellt. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, und zu dieser Wirklichkeit müssen wir uns bekennen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Noch heute stellt sich das österreichische Bundesheer in St. Jakob im Rosental vor einem Denkmal mit NS-Bezug auf, weil darauf geschrieben steht: Für ein deutsches Kärntnerland fanden den Heldentod ... – Wenn man dagegen nicht protestiert und dieses Haus nicht gemeinsam aufsteht und dem Herrn Minister sagt, daß das nicht geht, daß das das falsche Denkmal ist, dann verstehe ich Sie nicht, meine Damen und Herren!

Eines ist ganz klar: Wir haben diese Geschichte aufzuarbeiten. Wir haben diese Geschichte – und das ist eben mein Spezifikum – auch angesichts der Schuld gegenüber den Volksgruppen in Österreich aufzuarbeiten (Abg. Dr. Ofner: Alle!), aber auch die Schuld der Zweiten Republik, lieber Kollege Ofner! (Abg. Dr. Ofner: Ah ja?) Wir haben nach über 15 Jahre lang darum gekämpft, daß wir unsere kleinen Ortsbanken wieder errichten durften, die man zu inkorporieren versucht hat, die in den Jahren 1937/38 schöne Bilanzen gestellt haben, dann aber aufgelöst wurden. (Abg. Dr. Ofner: Wie schaut es jenseits der Grenze aus? Wie schaut es mit der Volksgruppe dort aus?)

Herr Kollege Ofner! Studieren Sie die Geschichte des Verhaltens der deutschen Volksgruppe und einiger Deutscher in Slowenien zur Zeit des NS-Regimes (Abg. Dr. Ofner: Du bist nicht der Kreisky! Mir kannst du nicht sagen, ich soll Geschichte lernen!), und vor allem nach dem Einmarsch der Hitlertruppen in Slowenien. (Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Dr. Petrovic. – Abg. Dr. Ofner: Nur nicht aufrechnen!) – Ich rechne nichts auf, sondern ich wehre mich dagegen, daß man sozusagen nachfolgende Opferschaft gegen die frühere Täterschaft aufrechnet und sagt: Eigentlich ist ja nichts gewesen. (Abg. Dr. Petrovic  in Richtung der Freiheitlichen –: Schämen Sie sich! – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Ich habe niemandem gegenüber eine Aggression.

Meine Damen und Herren! Die Summe betreffend die Liquidation des slowenischen Vermögens, die wir für das Jahr 1937 und dann in Folge ab dem Jahr 1938 erhoben haben, beläuft sich knapp auf unter einer Milliarde zum damaligen Wert. Das ist eine unvorstellbare Summe, welchen diese kleine Volksgruppe im Jahre 1938 als Beitrag an das Deutsche Reich leisten mußte.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen auch ein Beispiel nennen, das Sie sehr betroffen machen wird. Es geht dabei um das Vermögen Ihres Partei- und Klubobmannes Haider. (Zwischenruf des Abg. Gaugg.) Folgendes stammt aus dem Ferlacher Grundbuch (Abg. Gaugg: Konzentriere dich auf die Zukunft!):

Dort wurde Vermögen arisiert. Um aber den Preis für den damaligen Übernehmer möglichst niedrig anzusetzen, hat man ihm zusätzliche politische Aufträge erteilt, Auflagen, die den Kaufpreis entsprechend sinken ließen. – Zitatende. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Weiters: In Punkt 3 des Bescheides des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben in Wien heißt es: Der Käufer hat seinen ständigen Wohnsitz in Feistritz im Rosental und Umgebung zu nehmen, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß er den Besitz nicht nur als Kapitalanlage erwirbt – und nun kommt es! –, sondern ihn auch selbst zu bewirtschaften beabsichtigt, um damit das Deutschtum im gemischtsprachigen Gebiet zu stärken. – Zitatende.

Solche Verträge könnte ich Ihnen reihenweise vorlegen. (Abg. Dr. Ofner: Du darfst das nicht aufrechnen!) All diese Damen und Herren sind auch weiterhin im Besitz dieses Vermögens geblieben, das sie günstig erwerben konnten. (Abg. Dr. Ofner: Das wirfst du mir vor?) Auch das ist ganz reale Geschichte, die bis in die heutige Zeit hineinreicht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich verstehe das nicht. Man kann doch solch ein Problem nicht so lauthals betreiben wie Sie, meine Damen und Herren! Gehen Sie doch lieber in sich, denken Sie darüber nach! Das muß einen doch betroffen machen, wenn man solche Papiere über den eigenen Parteiobmann lesen muß, meine Damen und Herren. Das muß Sie doch betroffen machen! (Abg. Dr. Ofner: Ich bin nicht der Parteiobmann! – Abg. Gaugg: Volksverhetzung ist das, Smolle! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich bitte um einen Ordnungsruf. (Abg. Schieder – in Richtung des Abg. Gaugg –: Ein "schönes" Wort zu dieser Debatte! Genieren Sie sich! Passend ausgesucht: Volksverhetzung! Genieren Sie sich! – Abg. Dr. Fischer: Das ist das "richtige" Vokabular!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Gaugg! Dieser Ausdruck ist wirklich unpassend. Ich bitte jetzt, wenigstens dafür Sorge zu tragen, daß der Schluß dieser Debatte noch in einem angemessenen Rahmen über die Bühne gehen kann.

Bitte, Herr Abgeordneter Smolle, setzen Sie fort!

Abgeordneter Karl Smolle (fortsetzend): Herr Präsident! Ich danke Ihnen dafür, daß Sie sich eingemengt haben. Ich halte es für unerhört, was hier geschehen ist, lasse mich aber nicht provozieren. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir stellen fest, daß die österreichischen Volksgruppen auch in der Zweiten Republik nicht jene Entschädigung erhalten haben, die sie vor allem aufgrund der in der Zeit des Nationalsozialismus erlittenen Schäden, aber auch aufgrund jenes Schadens, der ihnen in den Jahren 1945 bis 1955 und danach zugefügt wurde, bekommen hätten müssen. So haben sich zum Beispiel die slowenischen Genossenschaften darum bemüht, all jene Kreditinstitute, die vor dem Jahre 1937 bestanden haben, wiederzuerrichten. Ich könnte Ihnen ganz Pakete von Materialien vorlegen, die belegen, daß das von seiten des damaligen österreichischen Finanzministers abgelehnt wurde. (Abg. Dr. Ofner: Wie hat er geheißen?) – Das können Sie sich ohne weiteres mit einigen Damen und Herren auf der anderen Seite ausmachen, ich habe das schon am Anfang gesagt.

Die Roma, die vor allem großen persönlichen Schaden erlitten haben, warten heute noch auf eine Entschädigung, ebenso viele Angehörige der tschechischen Volksgruppe. Vor dem Krieg gab es in Wien eine blühende Landschaft von Bibliotheken und Archiven. Vieles davon wurde vernichtet, verbrannt, vieles konnte man nur mehr rudimentär retten. All das harrt noch einer Entschädigung. Diesbezüglich muß ich mit Bedauern feststellen, daß wir – nach mehr als 40 Jahren! – immer noch auf die Erfüllung des Artikels 7, des Versuchs eines Abschlusses dieser schrecklichen Epoche, warten.

Meine Damen und Herren! Nach wie vor warten die burgenländischen Kroaten auf die zweisprachigen Ortstafeln, nach wie vor ist die Sprache der Volksgruppen als Amts- und Gerichtssprache nicht überall durchgesetzt – ich erwähne das ohnehin fast bei jeder meiner Debattenbeiträge! Vor allem aber hat es noch keine finanzielle Entschädigung gegeben. Man hat auch zur Zeit der Besatzung mit Hilfe etwa der Kärntner Landesregierung die Angehörigen der Besatzungsmacht – bei uns waren das die Briten – bewußt vor allem in slowenischen Institutionen untergebracht, sodaß slowenische Institutionen und Häuser lange Zeit sozusagen doppelt besetzt waren, und zwar auf Empfehlung des damaligen – Sie haben recht – sozialistischen Landeshauptmannes, der gemeint hat, sie sollten am besten dorthin gehen. Das hatte zur Folge, daß diese Institutionen über 15 Jahre lang ihre Tätigkeit nicht entfalten konnten! Ich habe selbst noch Engländer in einem Haus erlebt, das später ein Studentenheim wurde.

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ich halte Ihren Antrag, in dem Sie von direkten und indirekten Opfern sprechen, für nicht in Ordnung. Man hat dabei fast das Gefühl, daß dahinter der Gedanke steht, daß es am besten ist, wenn wir uns die Schäden, die wir anderen verursacht haben, gleich wieder selber auszahlen, weil wir ja alle "irgendwie ein bißchen" geschädigt sind aus dieser Zeit. Das ist eine sehr schlampige Vorgangsweise! (Abg. Dr. Ofner: Du polemisierst!)

Wie Sie wissen, wurden über 300 slowenische Familien zur NS-Zeit ausgesiedelt. Viele sind ins KZ gekommen, jene, die zurückgekehrt sind, fanden überwiegend leere, ausgeraubte Höfe vor. Die Slowenen waren aber alle dazu bereit, die Südtiroler, Kanaltaler und sonstigen Volksdeutschen auf ihren Bauernhöfen aufzunehmen! Und ich möchte betonen, daß mir kein einziger Fall bekannt ist, bei dem es anders gewesen wäre! Sie gaben ihnen allen – und es gab viele, auch Familien mit Kindern! – weiterhin Obdach in ihrem eigenen Haus; eine großartige Leistung angesichts des Umstandes, daß sie selbst nichts hatten! (Abg. Dr. Ofner: Und wie ist das Ganze weitergegangen? – Abg. Gaugg: Sagt Ihnen der Name König aus Globasnitz etwas?)

Meine Damen und Herren! Ich kann hier nur auf einzelne Bereiche eingehen. Die Moskauer Deklaration war ein ganz wichtiger Meilenstein auf dem Weg unserer Republik zur Selbständigkeit! Erst vor kurzem haben wir die Ehre gehabt, ein einschlägiges Buch vorgestellt zu bekommen. Gerade dadurch konnten sich Außenminister Gruber und andere auf den Beitrag Österreichs zur eigenen Befreiung berufen. Und es gab nur wenige Gruppierungen, die sich damals klar als Widerstandkämpfer betätigt haben, darunter vor allem Kärntner Slowenen, burgenländische Kroaten und Wiener Tschechen! Daß sich viele Deutschsprachige, etwa in Kärnten, am Widerstand beteiligt haben, will ich aber ebenfalls anerkennen!

Wir müssen jedoch vor allem über jene Fehler diskutieren, für die wir unmittelbar verantwortlich sind: das sind die Fehler und die Unterlassungen der Zweiten Republik!

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne werden sich die österreichischen Volksgruppen bemühen, die Schäden der Jahre 1938 bis 1945, aber auch jene aus der Zeit danach klar zu dokumentieren und vorzulegen. Ich werde mir erlauben, die Ergebnisse von dieser Stelle aus vorzutragen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Gaugg – er ist im Augenblick nicht im Saal –, ich erteile Ihnen für die Formulierung "das ist Volksverhetzung" einen Ordnungsruf.

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt noch zwei Redner in dieser Debatte, und ich bitte Sie, dafür Sorge zu tragen, daß diese Diskussion in einer Atmosphäre beendet wird, die dem Thema gerecht wird.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

12.57

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Die heutige Debatte hat uns aus meiner Sicht wieder einmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie notwendig und wichtig es auch im Zusammenhang mit der von allen immer wieder beschworenen Aufarbeitung ist, daß wir eine in Österreich unabhängige, internationale, mit anerkannten Experten besetzte Historikerkommission einsetzen, damit eine erfolgreiche Aufarbeitung der Versäumnisse auch der Nachkriegszeit bewerkstelligt werden kann.

Aus diesem Grunde bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Krüger und Kollegen betreffend restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten der NS-Opfer

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich die erforderlichen Veranlassungen zur Einsetzung einer wirklich von den österreichischen Parteien unabhängigen, mit internationalen Experten besetzten Historikerkommission zur Aufarbeitung der im Zusammenhang mit dem Schicksal und dem Vermögen der NS-Opfer festzustellenden Versäumnisse der Nachkriegszeit und insbesondere der Rolle der österreichischen Bundesregierung und der damaligen Koalitionsparteien zu treffen.

Dabei ist es unverzichtbar, daß die Funktion des Vorsitzenden der Kommission international ausgeschrieben wird und alle Mitglieder der Kommission im Einvernehmen mit den Organisationen der NS-Opfer und deren Nachkommen bestellt werden.

*****

Aufgrund der Kürze meiner Redezeit möchte ich es dabei belassen, die Diskussion darüber wurde ohnehin bereits geführt. Ich möchte jedoch insbesondere zu zwei Debattenbeiträgen, nämlich jene des Kollegen Smolle und des Kollegen Kier, Stellung nehmen und von dieser Stelle aus noch einmal klar und dezidiert folgendes festhalten:

Herr Kollege Smolle! Wir reden alle von Aufarbeitung, nur Sie reden immer dann, wenn es Ihnen politisch in den Kram paßt, davon, daß die Aufarbeitung, die der andere genauso fordert wie Sie, Aufrechnung bedeutet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist unrichtig: Aufarbeitung aller Schicksale, aller Opfer, aller Vermögensfragen ist angesagt, und nicht der Vorwurf der Aufrechnung, der in jeder Diskussion mehr oder weniger als Totschlagskeule verwendet wird. (Abg. Dr. Nowotny: "Totschlagskeule" ist kein schönes Wort in diesem Zusammenhang! – Abg. Dr. Mertel: Das ist eben die Sprache der Freiheitlichen!) – Es ist eben so! Sie wollen damit die Debatte abwürgen, aber es ist leider Gottes so! (Abg. Dr. Nowotny: Ihre Worte verraten Sie!)

Kollege Kier hat heute von diesem Rednerpult aus gesagt, daß diese Debatte auch im Zusammenhang mit den Sudetendeutschen geführt werden muß, nur nicht hier! – Ich habe in den letzten fünf Jahren in jeder diesbezüglichen Debatte in diesem Hause gesehen und gehört, wie immer wieder mit dem gleichen Argument versucht wurde, die Frage der Sudetendeutschen und der an ihnen verübten Greueltaten von diesem Hohen Haus fernzuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein einziges Mal ist es gelungen, eine echte Debatte über diese Frage zu beginnen, und zwar ab dem Sommer dieses Jahres bis in den Oktober hinein. Das hat letztendlich auch medial seinen Niederschlag gefunden, auch in den Medien wurde über dieses Thema ausreichend und wirklich gut diskutiert, die Leserbriefe dazu zeigen das. – Man kann aber nun seit geraumer Zeit nichts mehr über diese Frage in den Medien lesen, und es wird hier schon wieder versucht, diese Debatte zu beenden. Das ging – aus meiner Sicht, die ich Ihnen aber nicht vorenthalten möchte – Hand in Hand mit einem bestimmten Ereignis, nämlich der Vernaderung und Verleumdung des Altbürgermeisters Zilk! Mit diesem Thema war die Debatte über die Sudetendeutschen tatsächlich beendet.

Nachdem am 9. Oktober auf Seite 2 der "Kronen Zeitung" ein halbseitiger, vollkommen richtiger Artikel zu den Beneš-Dekreten erschienen war und auch alle andere Medien begannen, dieses Thema erstmalig in der Nachkriegsgeschichte öffentlich aufzuarbeiten, hat meiner persönlichen Überzeugung nach der in Tschechien immer noch vorhandene Geheimdienst seine Funktion erfüllt, indem er diese öffentliche Debatte – wie man in Österreich so schön sagt – "abgestochen" hat. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Man hat damit noch etwas anderes erreicht: Durch diese Geschichte wurde auch jemand, der sich immer wieder für die Belange der Sudetendeutschen in Tschechien eingesetzt hat, nämlich Präsident Havel, getroffen. Man hat also den Ombudsmann der "Kronen Zeitung" instrumentalisiert, um diese Debatte zu verhindern. Das ist der eigentliche Skandal in dieser Geschichte, aber einen Aufschrei darüber habe ich hier noch nie gehört, auch heute nicht. Meiner Ansicht nach wäre aber dieses Ereignis in die Aufarbeitung mit einzubeziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wiederhole noch einmal klar und deutlich: Bei der Frage nach den Opfern darf es in Österreich keinen Ruf nach "Schluß der Debatte!" geben – egal, wer diese Opfer sind und woher sie kommen. Das darf nicht passieren, sonst leistet man damit, wie ich schon oft gesagt habe, auch in anderen Fällen einen Beitrag zu weiteren ethnischen Säuberungen in Europa, aber auch auf der ganzen Welt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und es ist kontraproduktiv, wenn, sobald einmal eine ehrliche Aufarbeitung begonnen wird, von der linken Seite immer wieder behauptet wird, das sei eine Aufrechnung. Damit "sticht" man dieses Thema "ab". Uns geht es darum, alle Opfer in ihrem Schicksal gleichzubehandeln und ihnen ihre gerechte Entschädigung, aber auch ihre gerechte moralische Wiedergutmachung zuteil werden zu lassen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny.) – Das lassen wir uns auch von Ihnen, Herr Nowotny, nicht wegdiskutieren. Wir werden uns immer dafür einsetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch an Ihre Adresse sei gesagt: Wir Freiheitlichen in diesem Hause fühlen uns auch permanent dafür verantwortlich und dazu verpflichtet, uns auch für jene Kommunisten und Sozialdemokraten einzusetzen, die bis zum Jahre 1945 in Theresienstadt eingesessen sind und dort beinahe zu Tode gekommen sind, und auch nach dem Jahre 1945 wieder in Theresienstadt gesessen sind, nur weil sie Sudetendeutsche waren. Auch für diese Leute setzen wir uns ein, das ist eine moralische Verpflichtung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Natürlich! Das ist auch richtig!)

Diese Leute sind ebenso in diese Debatte und in die Aufarbeitung miteinzubeziehen, das lassen wir uns von Ihnen nicht wegdiskutieren! (Abg. Dr. Nowotny: Nur Sie dürfen nicht aufrechnen!) Sie sind Opfer, nur weil sie Sudetendeutsche sind! (Abg. Dr. Nowotny: Sie sind Opfer, aber nicht aufrechenbar!)

Auch die Kinder, die Säuglinge, die nach 1945 zu Tode gekommen sind, sind Opfer. Denn unter den 241 000 Toten waren auch sehr viele Kinder, Säuglinge und Greise. Kinder haben keine politische Ausrichtung, Kinder können niemals Täter sein, wie Sie es uns vorwerfen wollen! Daher haben wir die Verpflichtung, in diesem Zusammenhang auch diesen Kindern letztlich Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Dieses Thema gehört hier debattiert, genauso, wie wir es wollen. (Abg. Dr. Nowotny: Darum geht es ja jetzt nicht!)

Sicherlich geht es darum, Herr Kollege Nowotny! Sie haben immer wieder gesagt, daß das, was wir betreiben, Aufrechnung sei. (Abg. Dr. Nowotny: Ja, das ist es auch!) Wir setzen uns aber für die Rechte der Kinder der vertriebenen Sudetendeutschen ein, auch wenn Sie das nicht wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und wir werden uns immer dafür einsetzen, weil wir uns von Ihnen nicht das Wort verbieten lassen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.04

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Seit der Antrag der Freiheitlichen betreffend die direkten und indirekten Opfer eingebracht worden ist, nimmt die Debatte eine traurige, bislang die österreichische Färbung an. Ich hoffe aber, Frau Bundesministerin und meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, daß gleichzeitig mit dem heute vorliegenden Gesetz, das die Grünen gerne mitbeschließen, allerdings nur als einen ersten Schritt sehen, diese bisher in unseren Augen zu verwaschene österreichische Linie durch eine klarere und deutlichere ersetzt wird und dann Anträge dieser Art ganz eindeutig als das zu erkennen sein werden, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich eine Fortsetzung der Verhöhnung der Opfer und eine Vergrößerung des Unrechts.

Man baut auf plausible Argumente wie etwa, daß jeder Krieg Opfer auf allen Seiten schaffe. – Ja! Das stimmt leider, das ist wahr. Niemals werden die Gesetze, die Normen, die Regeln der Humanität in Kriegen eingehalten. Und je länger Kriege dauern und je entsetzlicher die Brutalitäten sind, desto mehr grassiert das Unrecht auf allen Seiten. – Das stimmt!

Aber das Thema, mit dem sich diese Republik heute und in Zukunft zu beschäftigen hat, ist das Unrecht des Nationalsozialismus, das Unrecht, das diesen Opfern zugefügt wurde. (Abg. Dr. Ofner: Direkte und indirekte!) Und das ist eine historische Perfidie sondergleichen, irgendwelche anderen Dinge dazuzuzählen, denn das wird auch diesen anderen Opfern nicht gerecht. Es ist eine Verfälschung der Geschichte, es ist eine Relativierung des Unrechts und es ist, wie bereits gesagt, eine historische Perfidie! – Die Absicht, die dahintersteckt, ist klar, nämlich eine politische Botschaft an die Nachkommen jener Täter, die das Unrecht nicht eingesehen haben, die es nach wie vor vertuschen, verleugnen, verniedlichen und nicht wahrhaben wollen. Das ist die politische Botschaft an eine Gruppe, die es immer noch gibt in diesem Land – sie ist nicht allzu groß –, und es ist auch eine Botschaft an jene, die sich vielleicht nicht ausreichend, nicht tiefgreifend mit der Geschichte beschäftigt haben.

Es ist zulässig, über die Frage der Opfer auf den verschiedenen Seiten zu reden, aber nicht bei dieser Debatte, nicht bei diesem Bundesgesetz und auch nicht in dieser Form. (Abg. Mag. Stadler: Wann dann, Frau Kollegin? Wann ist es denn Zeit?) Dieser Fonds, in dem es um die Frage der gestohlenen, geraubten und abgepreßten Kulturgüter in den Bundesmuseen geht, darf mit nichts anderem verglichen, mit nichts anderem aufgerechnet und in keinen anderen Kontext gebracht werden.

Für das andere Unrecht gibt es eine einzige Art und Weise, sich damit auseinanderzusetzen, sie ist mühsam und langwierig, aber Österreich hat bereits ein Beispiel dafür vorzuweisen, wie dieser Weg gegangen werden kann, nämlich das Modell Südtirol. Ein anderes Modell für diese Fragen sehe ich nicht. (Abg. Mag. Stadler: Mit Südtirol hat das nichts zu tun!) – Ihre Zwischenrufe entlarven Sie immer wieder, aber ich werde mich nicht beirren lassen. Wir werden diese Debatte weiterführen. Es wird an dieser Bundesregierung, an den Regierungsparteien liegen, ob der Weg, der heute richtigerweise beschritten worden ist, nun auch zügig – zwar spät, aber doch – weitergegangen werden kann.

Daß es immer wieder möglich war, diesen historischen Schleier über das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu breiten, liegt natürlich auch an der Art und Weise, wie über 50 Jahre lang damit umgegangen worden ist. Da es immer anschaulicher ist, anhand von konkreten Beispielen über diese Geschehnisse zu reden, möchte ich Ihnen Beispiele dafür bringen, daß das Unrecht nicht nach dem Jahre 1945 aufgehört hat (Abg. Dr. Ofner: Das ist richtig! Die Beneš-Dekrete sind nach 1945!), und zwar jenes Unrecht, das die Opfer des Nationalsozialismus betrifft, und daß der bisherige Umgang der Zweiten Republik mit den Opfern solche "Nebelwerferei" und derartige Anträge beinahe nahegelegt hat.

Es wurde in diesem Hause heute ein Büchlein über den Fall Thorsch verteilt. Ich bitte Sie, die schriftlichen Ausführungen der Republik in Sachen dieser Opfer des Nationalsozialismus wirklich einmal zu lesen. So wird etwa im Zusammenhang mit der Rückgabe von in diesem Fall nicht Kulturgütern, sondern Bankenkonzessionen im Jahre 1971 festgestellt: Im Hinblick auf den Umfang des österreichischen Kreditapparates wurde bei der Verleihung von Bankenkonzessionen eine sehr restriktive Haltung eingenommen. Die Anzahl der zwangsliquidierten Bankunternehmen rechtfertigt es auch weiterhin, restriktiv zu bleiben.

Das bedeutet also, daß den Opfern von Verbrechen und ihren Nachkommen eine bankentechnische Antwort gegeben wurde. Das ist eine Antwort, die nicht angeht, sie ist in sich unrecht und darf nicht so stehen bleiben. Dieselbe Antwort wurde aber noch im heurigen Jahr, im Juni 1998, vom Sekretär des Finanzministers in einer historisch völlig unkritischen Art und Weise wiederholt. Dieser Sekretär des Finanzministers, Herr Holnsteiner, meint, daß Bankenkonzessionen, die man diesen Opfern – widerrechtlich! – weggenommen hat, nicht wieder vergeben werden können. Er argumentiert also im Jahre 1998 mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung und wirtschaftlichen Interessen. Es ist eine neue Ordnung eingekehrt, und diese wird eben verteidigt.

Diese solchermaßen verteidigte Ordnung ermöglicht es, sowohl Opfer als auch Täter und die Nachkommen der Opfer und der Täter in einem einzigen Nebel gleich erscheinen zu lassen. Sie müssen sich diesem Problem stellen. – Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich ersuche Sie wirklich, im Rahmen der Bundesregierung diese Frage aufzuwerfen.

Ich bringe Ihnen ein weiteres Beispiel, das Sie beide auch in Ihrem derzeitigen Ressortbereich betrifft. Erst dieser Tage wurde das letzte Atelier von Gustav Klimt in Wien Unter St. Veit entdeckt. Es ist zwar anhand von Fotos schon lange in ausländischen Kulturzeitschriften als das originale Klimt-Atelier erkannt und entsprechend belegt worden; das wurde aber bei uns in Österreich bis zuletzt bestritten. Dennoch ist es eindeutig das Atelier Klimts, wo sich nach der Jahrhundertwende österreichische – jüdische wie nichtjüdische – Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler getroffen haben, wo Gustav Klimt zu seinem Schaffen inspiriert wurde und bis zu seinem Tode gearbeitet hat. Die Geschichte dieses Objektes und des ganzen Areals ist bis in unsere Zeit, bis heute, die Geschichte eines entsetzlichen Unrechts!

Die Liegenschaft gehörte der Familie Klein, sie waren Weinhändler im Westen von Wien. Zuerst wurde diesen Weinhändlern der Fuhrpark durch Beschlagnahme weggenommen – die Nazis haben ja immer versucht, ihrem Handeln den Schein der Rechtmäßigkeit zu unterlegen –, sodaß sie ihren Auslieferungsverpflichtungen nicht nachkommen konnten und in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Der ganze Betrieb wurde "kassiert", die Eigentümer wurden zur Ausreise gezwungen. Sie konnten nur ihr Leben retten!

Nach dem Krieg sollte Frau Ernestine Klein dieser Grundbesitz aufgrund der Rückstellungsgesetze zurückgegeben werden. Allein diese Liegenschaft ist heute viel mehr wert als der ganze Nationalfonds, nämlich mehr als 100 Millionen Schilling. Diese Liegenschaft wurde von der Republik Österreich nach dem Krieg, in den neunziger Jahren, nicht etwa mit dem Ausdruck des Bedauerns und jeder Entschuldigung, die man nur aussprechen kann, zurückgegeben. – Nein! Man hat Frau Ernestine Klein ihr zurückgegebenes Eigentum durch öffentliche Verfügungen unbrauchbar gemacht: Es wurden mitten durch dieses Areal Straßen projektiert, also eine öffentliche Widmung als Straßenfläche ausgesprochen. Diese Straßen wurden zwar nie gebaut, die Wiese blieb weiterhin unangetastet, aber man mußte der Dame "leider" sagen, daß die Fläche als private Liegenschaft nicht mehr nutzbar und auch nicht als solche zu verkaufen war. Denn wer kauft schon eine Liegenschaft, durch die lauter Straßen führen?

Frau Ernestine Klein ist nichts anderes übrig geblieben als diese wertvolle Liegenschaft um einen Bettel zu verkaufen. Sie hat sie letztlich der Stadt Wien verkauft, diese hat sie wiederum im Jahre 1993 an eine Grundstücksgesellschaft des Herrn Golabi, "Arier", verkauft. Und siehe da, Herrn Golabi ist in kürzester Zeit das gelungen, was den Beraubten, Bestohlenen, Vertriebenen und Geschädigten nicht gelungen ist: Die Stadt Wien, die MA 21 B, der Herr Senatsrat Vokaun, hat diese Flächenwidmung geändert. Die Straßen sind wieder weg, man konnte das Grundstück aufteilen und mit dem vollen Wert von Liegenschaften in Wien Ober St. Veit, also in bester Lage, verkaufen.

Es kamen noch einige Tricks dazu. So wurde der Bezirksvertretung zunächst gesagt, man wolle ein Altersheim errichten. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Nachdem die Umwidmung rechtskräftig geworden ist, will man von einem Altersheim, das in gewisser Weise noch eine soziale Komponente in diese Unrechtsgeschichte gebracht hätte, nichts mehr wissen. Das sind beinharte Liegenschaftsspekulationen! Was den Geschädigten nicht gelungen ist, ist Herrn Golabi mit einem Fingerschnipser gelungen.

Eine Bürgerinitiative hat, wie gesagt, nur durch Zufall entdeckt, daß das ein Klimt-Atelier ist. Der Zufall bestand darin, daß permanent japanische Touristen kamen und nach der Gedenktafel für Gustav Klimt fragten. Die Nachbarn haben gesagt, sie wüßten es nicht. Sie wüßten gar nichts, es gebe keine Gedenkstätte. – Es gibt keine, weder für Gustav Klimt noch für Frau Klein, die man bestohlen und beraubt und auch nach dem Krieg um ihr Eigentum gebracht hat.

Diese historische Zufälligkeit wird meiner Ansicht nach zwar bei dieser Liegenschaft wohl dazu führen, daß man letztendlich doch vielleicht wenigstens des Unrechts gedenken kann, aber wenn es weiter auf Beamtenebene, welcher politischen Gruppierung diese Beamten auch immer nahestehen mögen, möglich ist, solche Unrechtsakte auf diese ganz subtile, bürokratische Art und Weise zu setzen, dann werden wir immer wieder mit Vertuschungs- und Verschleierungsanträgen nach dem Motto "Unrecht hat es ja überall und immer und allerorts gegeben!" konfrontiert werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Auch meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich bitte Sie: Besprechen Sie das Problem dieser bürokratischen Schikanen, dieser fortgesetzten "Die wollen wir da nicht!"-Politik in der Bundesregierung! Es wird meiner Meinung nach nicht in allen Fällen möglich sein, das individuelle Unrecht auch nur finanziell wiedergutzumachen. Die Opfer sind weit weg oder verstorben, ihre Erben oft nur schwer auffindbar, oder sie wollen nichts mehr von Österreich wissen.

Es bedarf neben diesen Ansätzen einer finanziellen, einer materiellen Wiedergutmachung und einer Rückgabe von Kunstgegenständen meiner Ansicht nach vor allem einer lückenlosen und ehrlichen Anerkenntnis dieses Unrechts, das über das Jahr 1945 hinaus angedauert hat. Ich glaube auch, daß es von den Spitzen der Ressorts, von der Leitung der Administrationen in Sachen Finanzen in den Ländern und in den Städten klarer Anordnungen bedarf, damit diese Art des fortgesetzten Unrechts nicht mehr stattfinden kann.

Ich bitte Sie, sich im konkreten Fall darum zu kümmern, daß vielleicht anhand dieses Beispiels in Wien Unter St. Veit ein Exempel für das Eingeständnis dieser Republik statuiert wird, das geschehene Unrecht anzuerkennen, verbunden mit dem Bekenntnis an die Opfer und ihre Nachkommen und an die ganze Welt, daß dieses Österreich dafür Sorge tragen wird, daß sich so etwas nie wieder ereignen darf. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.20

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben nun einige Stunden lang über ein Ereignis diskutiert – und darauf eine österreichische Antwort zu geben versucht –, das in der Geschichte einmalig war. Wir hoffen, daß diese Einmaligkeit für alle Zukunft gegeben sein wird. Es war ein einmaliges Verbrechen an einem Volk in einer Dimension, die wir alle gemeinsam verurteilen, und wir hoffen, daß alles getan wird, damit sich niemals mehr gegen irgendein Volk ein derartiges, ungeheures Schicksal ereignen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben – von verschiedenen Seiten betont – klar zum Ausdruck gebracht, daß Unrecht nicht aufgerechnet werden darf. Es hat im Laufe der Geschichte viele Völker gegeben, denen Unrecht widerfahren ist, nicht nur im kleinen, sondern sogar im großen Rahmen. Wir – alle fünf Parteien – haben uns aber heute dazu entschlossen, mit diesen drei Gesetzen der Einmaligkeit und der Größe des Verbrechens, das gegen das jüdische Volk begangen worden ist, Rechnung zu tragen.

Es ist aber in dieser Diskussion angeschnitten worden, daß auch andere Völker gelitten haben: unter dem Nationalsozialismus, ja unter den Wirkungen des Zweiten Weltkrieges. Ich möchte deshalb am Schluß dieser Debatte folgendes sagen: Es stimmt, daß einige Völker unter dem furchtbaren Morden und unter der Tragik des Zweiten Weltkrieges, unter dessen Wirkungen und unter dessen Brutalität gelitten haben – darunter auch Sudetendeutsche. Wir stellen ohne jeglichen Vorbehalt fest: 3,5 Millionen Sudetendeutsche gewaltsam zu vertreiben und 241 000 von ihnen brutal zu ermorden, ist ein Verbrechen, das auch nicht vergessen werden darf.

Unrecht kann und darf man nicht aufrechnen. Eines aber müssen wir in Zukunft gemeinsam tun: Wir benötigen in Europa eine gemeinsame Kraftanstrengung, um alle Schatten der Vergangenheit und vor allem alle Schatten und Verbrechen des Zweiten Weltkrieges aufzuklären. Denn das ist eine moralische Verpflichtung, der wir uns alle zu verschreiben haben. Ich denke, das ist ein Auftrag, dem wir uns für die Zukunft zu stellen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu diesem Punkt ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlußwort. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt ist kein Zwischenruf mehr notwendig!)

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren, jeweils den Platz einzunehmen, und die Mitarbeiter, die Zwischenräume zwischen den Sitzreihen zu verlassen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen samt Titel und Eingang in 1464 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen des Abgeordneten Dr. Krüger auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde zunächst über die von dem erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag und dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen § 2a vorsieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem beitreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 3 und 6 eingebracht.

Für den Fall Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 4 eingebracht.

Ich ersuche die Mitglieder des Hohen Hauses im Falle ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einhellig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einhellig so der Fall. Ich stelle ausdrücklich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen worden ist.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen betreffend restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten der NS-Opfer.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Dr. Haider – in Richtung des aufgestandenen Abg. Smolle –: Bravo, Smolle! Aber die Sudetendeutsche Schmidt ist beim Abstimmen gar nicht da!)

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus samt Titel und Eingang in 1429 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einhellig der Fall. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie, so Sie dem Entwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht stimmeneinhellig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird, samt Titel und Eingang in 1469 der Beilagen abstimmen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen Zusatzanträge eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Dr. Krüger, Dr. Kier, Mag. Stoisits und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die erwähnten Zusatzanträge und schließlich über den Gesetzentwurf abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der eine Neuregelung der §§ 1 und 2 Abs. 1 und 3 zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Abs. 1a in § 2 vorsieht.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 1 betreffend § 2 Abs. 1 Z 2 lit. b vorsieht.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Abs. 3 in § 2a sowie die entsprechende Änderung der Absatzbezeichnung vorsieht.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Dr. Krüger, Dr. Kier, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der ebenfalls die Einfügung eines neuen Abs. 3 in § 2a sowie die entsprechende Änderung der Absatzbezeichnungen vorsieht.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses wird stimmeneinhellig erteilt. Der Antrag ist angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses Zeichen erfolgt einhellig. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht stimmeneinhellig. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Kier und Genossen betreffend die Absicherung der finanziellen Dotation des Nationalfonds der Republik Österreich im Hinblick auf die ausstehende Entschädigung von Zwangsarbeitern in der NS-Zeit.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema "Einführung des Minderheitsvotums am Verfassungsgerichtshof" (III-151/1473 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun den 4. Punkt der Tagesordnung auf.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erstredner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.31

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! (in Richtung der die Regierungsbank verlassenden Bundesministerin Gehrer:) Ich nehme an, Sie verlassen die Debatte. – Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Hohes Haus! Die Frage der Einführung des Minderheitsvotums bei Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes ist nicht ohne Diskussion über die Besetzungs- und Bestellungsvorgänge für Richter des Verfassungsgerichtshofes zu führen. Warum ist das so? – Der Haupteinwand gegen die Einführung der "dissenting opinion" ist jener der Nachvollziehbarkeit der Willensbildung und der möglichen Intervention für eine abweichende Willensbildung.

Wir kennen die Bestellungsvorgänge, deren Ablauf es im Ergebnis mit sich bringt, aus welchen 14 Mitgliedern sich der Verfassungsgerichtshof zusammensetzt. Die Richter des Verfassungsgerichtshofes werden einerseits von der Bundesregierung, andererseits vom Nationalrat sowie vom Bundesrat entsandt. Im Nationalrat und im Bundesrat haben naturgemäß diejenigen Parteien die Mehrheit, die auch die Regierung bilden. Das heißt, jegliche andere Einflußnahme auf die personelle Besetzung des Verfassungsgerichtshofes ist von vornherein ausgeschlossen. Dieser Bestellungsvorgang, der in der Bundesverfassung geregelt ist, hat dazu geführt, daß die Positionen der Richter des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich politisch besetzt sind.

Sie wissen, daß der Präsident des Verfassungsgerichtshofes nicht stimmberechtigt ist. Nach der politischen Farbenlehre besteht dort die Situation, daß sich die Richter, die der ÖVP nahestehen oder ihr angehören, mit den Richtern, die der SPÖ nahestehen oder ihr angehören, die Waage halten, da der Präsident nicht stimmberechtigt ist.

Es handelt sich um einen sehr sensiblen Besetzungsvorgang. Die heutigen Koalitions- und Regierungsparteien sind darauf bedacht, dort ihre Einflußsphären zu sichern. Das ist überhaupt keine Frage. Daher sollte man nicht so tun, als ob der Verfassungsgerichtshof demokratisch – etwa nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – besetzt würde. Statt dessen hat die große Koalition das Alleinbesetzungsrecht, und sie hat es seit dem Jahre 1945 immer gehabt. Der Verfassungsgerichtshof ist daher nicht nur seiner Aufgabe wegen auch ein politischer Gerichtshof, sondern auch wegen des Bestellungsvorgangs.

Das Hauptargument gegen die Einführung des Minderheitsvotums – des Votum separatum – besteht darin, daß Loyalitäten eingefordert werden. Das hat Professor Barfuß in seinem Redebeitrag in der Enquete meiner Ansicht nach sehr eindrucksvoll dargelegt, als er unter anderem sagte: In Österreich kennt jeder jeden.

Die Verfassungsrichter haben sich nach derzeitiger Gesetzeslage und Übung des Verfassungsgerichtshofes einem Hearing zu unterziehen. Meine Damen und Herren! Wer nun glaubt, daß die bessere Performance im Hearing, die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen oder – wenn ich an die Anwaltschaft denke – die Anzahl von erfolgreich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Rechtsmitteln, daß also insgesamt die höhere fachliche Befähigung ausschlaggebend für die Entscheidung darüber ist, wer Mitglied des Verfassungsgerichtshofes wird – trotz des Hearings –, der ist allerdings naiv. Denn es ist überhaupt keine Frage, daß es Absprachen der beiden Regierungsparteien gibt und daß ganz dezidiert vereinbart beziehungsweise paktiert wird: Dieser Bewerber wird Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. (Abg. Mag. Stadler: Das hat man Barfuß auch kaltschnäuzig ins Gesicht gesagt, als er sich beworben hat!)

Im Grunde ist es eine Frotzelei. Das gehört wirklich einmal öffentlich aufgezeigt, wenngleich ich mir dessen bewußt bin, daß das ein schwieriges Thema ist. Es ist eine Frotzelei! Diese Hearings ... (Abg. Dr. Kostelka: Was hat das mit dissenting opinions zu tun?) – Das versuche ich Ihnen ja zu erklären. (Abg. Dr. Kostelka: Das erzählen Sie uns später!) Aber offensichtlich können Sie diesen einfachen Argumenten nicht folgen. (Abg. Mag. Stadler: Michael, überfordere ihn nicht!) Sie können dem nicht folgen, wahrscheinlich sind Sie damit überfordert.

Es werden also die Loyalitäten eingefordert, wie Professor Barfuß es darlegte. Sie wollen natürlich nachvollziehen, wer welches Votum abgegeben hat. (Abg. Dr. Kostelka: Das weiß eh jeder!) Sie setzen sich für einen Kandidaten ein, schwören den Koalitionspartner darauf ein und fordern dann Loyalität in der Abstimmung. Das wollen Sie kontrollieren, um nichts anderes geht es Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch kein Zufall, daß diese Diskussion gerade jetzt so heftig geführt wird – alles selbstverständlich unter dem Deckmantel einer auf hohem Niveau stattfindenden Diskussion, einer Enquete unter internationaler Teilnahme. Das ist kein Zufall, sondern nichts anderes als der Versuch, damit den Verfassungsgerichtshof, der mitunter für Sie unliebsame Entscheidungen gefällt hat, zu disziplinieren. Um sonst gar nichts geht es Ihnen! (Heiterkeit des Abg. Schieder.) Alle Argumente in Hinblick auf Transparenz oder Nachvollziehbarkeit sind nur vordergründig. (Abg. Dr. Kostelka: Wo ist die Disziplinierung? – Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Dr. Kostelka –: 30 Millionen Schilling!) Tatsächlich sind Ihnen die Verfassungsrichter zu selbständig.

Eines muß ich hinzufügen: In der Praxis hat sich der Verfassungsgerichtshof emanzipiert. Das ist überhaupt keine Frage. Daher gilt den Verfassungsrichtern durchaus meine Hochachtung dafür, daß sie trotz dieses bedenklichen Bestellungsvorganges die Einhaltung der Verfassung im Auge haben und objektiv prüfen, ob Gesetze verfassungskonform sind oder nicht. (Abg. Schieder: Gestatten Sie einen Zwischenruf?) – Von Ihnen immer. (Abg. Schieder: Wenn ich wissen will, wer dagegen stimmt; wenn ich disziplinieren wollte, wie Sie unterstellen, dann wäre es doch nur interessant, zu wissen, wer dagegen war! Das weiß man eh; doch nicht, warum er dagegen war!)

Das ist allerdings bedenklich. Das ist sehr entlarvend, Herr Kollege Schieder, was Sie soeben gesagt haben (Abg. Schieder: Ich folge Ihren ...!): "Man weiß ohnehin, wer dagegen war." – Herr Kollege Schieder, das sind geheime Beratungen! (Abg. Schieder: Die Mehrheit ist nicht geheim!)

Freilich, wenn Sie Ihre Richter dort so besetzen wollen, daß in den Besprechungen vielleicht Fraktionssitzungen stattfinden (Abg. Schieder: Nein, nein, tun sie ja nicht!), wenn Sie es so wie in der Regionalradiobehörde haben wollen, wo Herr Wittmann der Fraktionsführer der ÖVP ist (Abg. Schieder: Warum soll ich nicht wissen, warum er dagegen war?), wenn Sie es so haben wollen (Abg. Schieder: Nein!), daß Sie die Verfassungsrichter am Nasenring zu Entscheidungen, die Ihnen genehm sind, zwingen wollen, dann ist das überhaupt keine Frage! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Die Frage ist, warum, und nicht, ob! – Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Schieder –: Da hat er recht! – Abg. Schieder: Nein, da hat er nicht recht!)

Beim Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in Fragen der Familienbesteuerung gab es eine Diskussion (Abg. Schieder: – in Richtung des Abg. Mag. Stadler –: Nein, die Frage ist doch, warum er anders ...! – Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Schieder –: ... um ihn zu disziplinieren!), da wurde sofort nach Verrätern in Ihren Reihen gesucht. (Abg. Schieder: – in Richtung des Abg. Mag. Stadler –: Wie sollte ich disziplinieren? – Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Schieder –: Bei dem Bestellungsmodus hat das ...!) Das ist überhaupt keine Frage. (Abg. Dr. Kostelka: Er ist ja schon bestellt!)

Es ist – das sage ich Ihnen ganz offen – aus meiner Sicht bedenklich, daß Sie, obwohl der Abstimmungsvorgang geheim stattzufinden hat, in Kenntnis des Ergebnisses des Abstimmungsvorganges sind und offensichtlich genau wissen, wer der Verräter war. (Abg. Schieder: Aber wenn Sie verlieren, interessiert Sie nicht nur die Mehrheit!) Jetzt sagen Sie: Weil wir das durch ein paar Leute, die wir dort sitzen haben, schon wissen, brauchen wir das eh nicht, und es ist das Argument falsch, daß wir kontrollieren wollen, weil wir es ja sowieso wissen, da wir den einen oder anderen Parteigänger, der sich disziplinieren läßt, dort sitzen haben. (Abg. Schieder: Sie sagen, wir verlieren! Dann wissen wir eh, wer die Minderheit war!)

Ja, das ist das Unschöne an Ihren Gedanken! (Abg. Schieder: Sehen Sie: unlogisch!) Sie wollen es aber legalisieren, weil es ja sein könnte, daß sich die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes endgültig emanzipieren und daß es dann nicht mehr dazu kommen kann, Herr Kollege Schieder, daß bekannt wird, wer wie entschieden hat. (Abg. Schieder: Das ist unlogisch!) Darüber sind wir uns ja im klaren, Herr Kollege Kostelka: Sie als Jurist werden mir darin recht geben, daß es Mißbrauch der Amtsgewalt ist, wenn der Inhalt geheimer Beratungen ausgeplaudert wird.

Sie können doch nicht versuchen, einen Sachverhalt, der in die Nähe einer strafrechtlichen Prüfung kommt, dadurch zu legitimieren, daß Sie sagen: Wir muten ihnen nicht zu, daß sie uns das sagen müssen, daher führen wir die "dissenting opinion" ein. Dann wissen wir nämlich, wie entschieden wird. – So kann man doch nicht argumentieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich komme zum Schluß und möchte auch noch den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofes zitieren. Mir ist schon klar, diese Leute sind bis zum 70. Lebensjahr bestellt. (Abg. Mag. Stadler – auf leere Sitzreihen bei SPÖ und ÖVP weisend –: Da sieht man ja, wie die SPÖ/ÖVP die "dissenting opinion" "interessiert"! Kein Mensch ist da! – Abg. Schieder: Dissenting Zuhörer!) – Weil sie offenkundig ohnedies alle in Kenntnis darüber sind, wie diese Willensbildung zustandekommt.

Aber ich möchte zum Schluß kommen und den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofes zitieren, der sagt, daß nicht geleugnet werden soll, daß in Ausnahmefällen der Druck der öffentlichen Meinung wegen der nationalen Bedeutung eines Verfahrens zu einer Bedrohung der Unabhängigkeit des betreffenden Richters führen könnte, wenn die Voten öffentlich wären.

Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur um die öffentliche Meinung, sondern es geht auch um die Einflußnahmen. Und wenn Sie das alles als unglaubwürdig hinstellen, dann muß ich Ihnen sagen: Herr Professor Barfuß ist, wie ich meine, über jeden Verdacht erhaben! Er ist einer der angesehensten Juristen dieses Landes, und es stünde Ihnen gut an, wenn Sie sich diesem Thema mit entsprechender Seriosität zuwenden würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Im Hinblick auf den kleinen Kreis der Zuhörer ist das Präsidium ausnahmsweise großzügiger bei der Zulassung von Zwischenrufen, weil die Debatte fast schon Privatissimum-Charakter hat, es bedauert nur, selbst hiervon ausgeschlossen zu sein.

Zu Wort gelangt nun Herr Klubobmann Dr. Kostelka. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.42

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir können uns ja, wie der Herr Präsident schon gesagt hat, diesen Themen heute wirklich in privatester Atmosphäre – es hören uns ja "nur" der ORF, die APA und sonst noch einige an dieser Sache interessierte Kollegen zu – widmen. Herr Präsident! Ich bitte aber, feststellen zu dürfen, daß meine Zwischenrufe vorhin nur dazu gedient haben, den Vorredner zum Thema zu bringen. Ohne sie hätte er ja kein einziges Mal zum Thema zurückgefunden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Krüger, möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen: Wer österreichische Zeitungen liest und den Zufall nicht so hoch veranschlagt, daß er annimmt, daß, wenn ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes im Vorfeld oder im Nachfeld einer Entscheidung eine wissenschaftliche Veröffentlichung macht, das etwas anderes als eine "dissenting opinion" ist, dem ist klar, daß es "dissenting opinions" in Österreich schon längst gibt. Meine Damen und Herren! Sie erscheinen namentlich gezeichnet in den österreichischen Zeitungen!

Daher ist dies in Wahrheit eine Diskussion, die dem Versuch eines Etikettenschwindels nahekommt. Wir wollen diesen Etikettenschwindel nicht, sondern wollen, daß diese "dissenting opinions" dort erscheinen, wo sie hingehören, nämlich beim Erkenntnis selbst. Und dafür gibt es sehr, sehr gute Gründe.

Wir gehen nicht mehr von der Illusion aus, daß der einheitliche Wille eines Organs entscheidend ist für das Ansehen, das es in der Öffentlichkeit genießt. Das ist meiner Meinung nach ein sehr wesentlicher Punkt, weil dies in meinen Augen selbstverständlich präkonstitutionell ist.

Mit der Öffentlichkeit, mit der Transparenz des Abstimmens und dem Bekennen seiner Meinung haben wir die Kammergerichtsbarkeit, die der Willkür ja nicht nur ausgeliefert war, sondern sie sogar als Instrument verwendet hat, überwunden. Daher war von vornherein eines klar: Wenn es einen Gesetzgeber, der sich aus frei gewählten Repräsentanten zusammensetzt, zu geben hat, dann hat er das öffentlich zu tun.

Es ist überhaupt keine Frage, daß natürlich auch das Stimmverhalten in der Regierung nicht geheim, sondern öffentlich ist. Und ich glaube, daß ähnlich wie in den Vereinigten Staaten vor 150 Jahren und in der Bundesrepublik Deutschland vor 30 Jahren auch in Österreich in diesem Zusammenhang der Schritt in die Öffentlichkeit und hin zur Transparenz gesetzt werden sollte! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist eine Illusion, davon auszugehen, daß ein Gericht bestehend aus 14 Verfassungsgerichtshofmitgliedern nur eine einzige Meinung hat. Das widerspricht schon der menschlichen Erfahrung – und der Erfahrung mit Juristen erst recht. Bekanntlich haben drei Juristen drei Meinungen, manche sagen sogar fünf Meinungen. Warum soll das gerade im Verfassungsgerichtshof anders sein? – 14 Juristen – eine Meinung, das ist eine Illusion und widerspricht jeder menschlichen Erfahrung.

Daher gibt es im wesentlichen zwei Argumente, die gegen die "dissenting opinion" sprechen. Das eine Argument ist der Beratungskomfort des Verfassungsgerichtshofes. Ich gebe schon zu, daß eine "dissenting opinion" unter Umständen in der Administrierbarkeit und auch in der Schlußphase der Beratung ein paar Schwierigkeiten mit sich bringt. Das ist aber letztendlich eine Frage der Ausstattung dieses Gerichtshofes. Ich meine jedenfalls, daß die Kollegialität in diesem Organ – und das ist ein weiteres Argument, das immer wieder genannt worden ist – so stark ist, und ausländische Beispiele bestätigen meine Ansicht, daß eine "dissenting opinion" keine Entscheidungsunfähigkeit nach sich zöge – ganz im Gegenteil.

Die Präsidentin des deutschen Bundesverfassungsgerichtes hat uns ausdrücklich nachgewiesen, daß das in ihrem Land zu keinen Schwierigkeiten, sondern in der Schlußphase eher zu einer Beschleunigung des Entscheidungsprozesses geführt hat.

Daher noch einmal: Öffentlichkeit, Transparenz und demokratische Verantwortung auch der Justiz sind in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit, und ich fordere sie daher mit Nachdruck ein. Ich weiß, daß wir hier und heute keinen endgültigen Beitrag dazu leisten können. Das Haus ist noch nicht so weit. Ich formuliere es bewußt so: Es ist noch nicht so weit, und auch der Verfassungsgerichtshof ist noch nicht so weit. Aber, meine Damen und Herren, schauen Sie in die Verfassungen Europas und analysieren Sie sie! Sie werden feststellen: Der gesamte angelsächsische Raum und der skandinavische Raum kennen diese "dissenting opinion" als Institution. Und in den modernen, neuen Verfassungen und Verfassungsgerichtsbarkeiten, die hinzukommen, werden Sie feststellen: Bei zwei von dreien gibt es diese "dissenting opinions". Es gibt einen Zug in diese Richtung, und ich bin davon überzeugt, daß es daher auch in Österreich nur eine Frage der Zeit ist, bis wir dorthin kommen.

Es ist aber – ich habe das schon bei der Enquete gesagt und bin davon überzeugt – letztendlich auch eine Kulturfrage. Der protestantische Raum, die angelsächsische Rechtskultur, aber auch die skandinavische und die der Schweiz, haben damit keine Probleme. (Abg. Dr. Feurstein: Die Schweiz schon! Die haben große Probleme damit, Herr Klubobmann! – Abg. Mag. Stadler: Der Gottfried hat recht!) Wir haben offensichtlich Probleme damit.

Meine Damen und Herren! Hätte die Enquete, die wir veranstaltet haben, zum Beispiel im amerikanischen Repräsentantenhaus stattgefunden, dann hätte, davon bin ich zutiefst überzeugt, es niemand gewagt – und ich formuliere es bewußt so –, die Möglichkeit für einen Richter, öffentlich zu bekennen, was er in geheimer Verhandlung tatsächlich argumentiert hat, als politischen Druck zu interpretieren! Eine solche Interpretation wäre in Amerika oder auch in anderen freieren Gesellschaften nicht möglich gewesen!

Das ist es, was Sie in Wahrheit verhindern: Sie nehmen einem Mitglied des Verfassungsgerichtshofes das subjektive Recht, in der Öffentlichkeit so zu argumentieren, wie dies im Gerichtshof selbst geschehen ist. Das, meine Damen und Herren, ist per definitionem kein politischer Zwang, sondern letztendlich nichts anderes als der aufrechte Gang von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes. (Abg. Dr. Krüger: Sie wollen das ja gar nicht!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Adresse der ÖVP – Kollege Khol ist ja leider nicht da (Abg. Dr. Krüger: Der schwänzt schon längere Zeit!) – und an alle appellieren, die in diesem Zusammenhang noch Vorbehalte haben: Gewähren Sie Meinungsfreiheit! (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

13.50

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war einer der wenigen Nichtjuristen, die an dieser Enquete teilgenommen haben, und habe in meiner Naivität anfangs gedacht, daß es bei dieser Frage der "dissenting opinion" im wesentlichen um die Möglichkeit geht, einem Höchstrichter die Chance zu geben, seine von der Mehrheitsmeinung abweichende Meinung zu äußern. Ich dachte, daß das eine Frage der Rechtstheorie, vielleicht eine philosophische Frage oder in erster Linie eine Zweckmäßigkeitsfrage ist, habe aber im Laufe der fortschreitenden Debatte erkennen müssen, daß auch dieser Bereich – wie fast alles in Österreich – zwischen zwei Parteien aufgeteilt ist, und daß das eine primär politische Frage ist.

Von der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Frau Dr. Limbach aus Deutschland, wurden durchaus interessante Argumente für die Einführung der "dissenting opinion" aufgezeigt.

Sie konnte auch die Befürchtungen zerstreuen, daß das zu einem zu großen Arbeitsaufwand führen würde. Sie hat die Fälle aus Deutschland aufgezählt: Es sind etwa vier bis sechs Fälle pro Jahr.

Das kann also nicht das Argument sein, um das, was dafür spricht – das soll nicht geleugnet werden –, nämlich die bessere Nachvollziehbarkeit eines solchen Gerichtsentscheides, rundweg abzulehnen. Denn dies ist ein überlegenswertes Argument, zumindest aus der Sicht des betroffenen und rechtsuchenden Bürgers.

Allerdings hat sich die Bestätigung für die – das muß man leider auch sagen – Sinnlosigkeit dieser ganzen Veranstaltung einschließlich der Kosten, aber auch des Einsatzes der durchwegs hochwertigen Experten und Referenten, schon sehr bald, nämlich spätestens zur Halbzeit gezeigt, als die beiden Klubobmänner schon zu Mittag, als die Diskussionen noch voll im Gang waren, ihre vorgeprägten Statements abgegeben haben und dann verschwunden sind. (Abg. Mag. Stadler: Das ist jetzt wieder so! Der Leberkäse zieht sie in die Kantine!) – Ja, es erinnert sehr stark an die gegenwärtige Situation. Man hat anscheinend schon von vornherein gewußt, wie es ausgehen wird. Das Ganze war im Prinzip – und das ist bedauerlich – eine Showveranstaltung unter dem Motto: "Die SPÖ droht dem Verfassungsgerichtshof, und die ÖVP schützt ihren Besitzstand."

Leider muß man in diesem Zusammenhang schon sagen: Sie sehen die Verfassungsrichter mehr oder weniger als Ihren persönlichen Besitzstand und behandeln sie auch danach. Das geht in erster Linie auch aus dem Bestellungsmodus hervor.

Da sehen Sie auch den Unterschied zwischen Ihrer und der Freiheitlichen Partei: Wir erlauben uns, verschiedene Meinungen zu haben und darüber zu diskutieren. (Abg. Schieder: Und Sie dürfen bleiben? – Abg. Dr. Krüger: Er muß!) – Da habe ich keine Sorgen, Herr Kollege Schieder.

Ich verhehle durchaus nicht, daß ich dem Recht der Richter, abweichende Standpunkte zu haben, eine gewisse Sympathie entgegenbringe. Es gibt viele Pluspunkte, die dafür sprechen. Diese Maßnahme ist bereits in vielen europäischen Staaten, wie bereits gesagt wurde, eingeführt worden. Aber Österreich ist noch nicht so weit, hat Kollege Kostelka vorhin gesagt.

Ich kann Ihnen sagen: Österreich ist deswegen noch nicht so weit, weil bei uns der Parteienproporz in einem Ausmaß überhand genommen hat, wie in keinem anderen Land in Europa, und weil leider auch eine gewaltige Einflußnahme auf die Verfassungsrichter besteht. Zum Teil, das muß man auch dazu sagen, ist das in der langjährigen Erziehung dieser Herren im österreichischen Rechtssystem begründet. Es hat sich auch ein vorauseilender Gehorsam entwickelt, das ist ein weiteres Negativum unseres Systems.

Ich sage es noch einmal: Ich stehe an und für sich dem Gedanken der "dissenting opinion" positiv gegenüber. Solange aber aufgrund des vorhandenen Systems dieser eminente Druck auf die Verfassungsrichter möglich ist, lehne ich eine Erweiterung oder eine Änderung der gegenwärtigen Rechtslage ab, da sie nur zu einer Vergrößerung des Parteieneinflusses führen würde, anstatt ihn zu verringern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.54

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! (Abg. Schieder: Sie fordern jetzt einen Intelligenztest!) Bei den Verfassungsrichtern bin ich mir wirklich sicher, daß ein solcher Test nicht notwendig wäre. Abgesehen davon haben sie ja eine so profunde juristische Ausbildung, Herr Kollege Schieder, daß wir ja nur davon träumen können. Leider haben wir sie nicht. Schade, daß Herr Kollege Kostelka jetzt nicht da ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Wissen Sie, Herr Kollege Stadler, einmal – erlauben Sie mir ein Privatissimum – werde ich Gelegenheit dazu haben, Ihre Psyche offenzulegen. Wenn ich mir ab und zu Ihre Reden anhöre, insbesondere, was die Kultur anlangt, dann finde ich, Sie müssen ein wirklich tiefenpsychologisches Problem haben, und ich studiere schon Freud, um endlich einmal einen ähnlichen Fall zitieren zu können. Einmal kommt der Tag, an dem ich das tun werde, und darauf freue ich mich schon! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann natürlich über die Einführung und Veröffentlichung der "dissenting opinion" diskutieren, die in anderen demokratischen Rechtskulturen bereits besteht. Ich bin aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Einführung, und zwar aus einem ganz einfachen Grund.

Es hätte jetzt den üblen Geruch einer Anlaßgesetzgebung, um eine für manche offensichtlich unangenehme Spruchpraxis zu domestizieren und subtile Einschüchterungsversuche vorzunehmen. Denn die Diskussion über die "dissenting opinion" ist in den letzten Jahren immer dann aktualisiert worden, wenn gewissen politischen Kreisen Verfassungsgerichtshoferkenntnisse nicht in den Kram gepaßt haben. Dies zeugt nicht von der in solchen Fragen erforderlichen Sensibilität und dem für die Gewaltenteilung einer funktionierenden rechtsstaatlichen Demokratie notwendigen Respekt vor den obersten Verfassungshütern.

Dieses Verhalten nährt neuerdings den seit Jahrzehnten schwelenden Verdacht, daß bei manchen Akteuren in diesem Haus ein gestörtes Verhältnis zur unabhängigen Justiz vorliegt. Das Wort "Klassenjustiz" ist schon allzu oft verwendet worden und der "Richterstaat" wurde ausgerufen – merkwürdigerweise immer dann, wenn Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof ein mißliebiges Urteil gefällt haben.

Herr Kollege Schieder! Wir können uns noch sehr gut noch an die Weisungspraxis der Justizminister von vor 1986 erinnern. Ich finde, daß es ein großes Verdienst dieser Koalition war, daß seit 1987 Parteiunabhängige mit der Führung des Justizministeriums betraut sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin! "Vor 1983" lasse ich gelten, aber "vor 1986" nicht! Als Ofner Justizminister war, wollte man eine Weisung von ihm haben, aber er hat sie nicht gegeben! – Abg. Schieder: Sie läßt wiederum nicht "vor 70" gelten!) – Wir werden das historisch aufarbeiten.

Apropos Minister Ofner: Ich schätze Ihren Kollegen Ofner sehr, aber wenn Sie jetzt meinen, zu Zeiten des Kollegen Ofner wäre das anders gewesen, dann möchte ich Sie an etwas erinnern. Mir ist nur ein Spruch von ihm im Ohr, und zwar: "Die Suppe ist zu dünn." (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) – Wir werden das noch einmal klären, Herr Kollege Stadler! Es wird mir ein Vergnügen sein. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Das ist beim Kollegen Schieder immer ein Reflex, aber bitte, meine Damen und Herren, ich möchte doch jetzt fortsetzen.

Nochmals: Ein klares Ja zur Gewaltenteilung, aber ein Ja zur "dissenting opinion" nur dann, wenn die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes das auch wollen und wünschen. Ich war die ganze Zeit während der Enquete anwesend und habe eigentlich keinen Verfassungsrichter gehört oder zumindest keinen Debattenbeitrag eines Verfassungsrichters so verstanden, daß er unbedingt die Einführung der "dissenting opinion" wünscht.

Meine Damen und Herren! Wir respektieren die Sprüche des Verfassungsgerichtshofes und auch die Wünsche dieses Höchstgerichtes, wenn diese im Interesse der Stärkung seiner Unabhängigkeit und im Interesse der Gewaltenteilung liegen.

Der Verfassungsgerichtshof genießt in der Bevölkerung glücklicherweise hohes Ansehen und großes Vertrauen. Dies ist besonders wichtig für das notwendige Vertrauen in die demokratischen Institutionen, ohne das eine stabile Demokratie nicht zukunftsfähig ist. Ich bin froh darüber, daß es wenigstens noch ein paar Institutionen gibt, die vertrauensbildend sind, denn in Österreich ist das allgemeine Vertrauen in die Institutionen – nicht zuletzt durch unsere Mitwirkung – ohnehin schon sehr beschädigt. Ich denke dabei besonders auch an das Ansehen dieses Hauses!

Abschließend, meine Damen und Herren, stelle ich fest: Die ÖVP ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Einführung der "dissenting opinion". Wir sind aber gerne bereit, über dieses Thema weiter zu diskutieren. Wir würden uns insbesondere eine profunde Diskussion über die österreichische Bundesverfassung wünschen. Ich finde, daß dieses Gesetz einer dringenden Reform bedarf. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.59

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist schade, daß die Aufmerksamkeit in dieser Debatte (Abg. Dr. Feurstein: Wir passen auf! Das ist eine Unterstellung!) – nein, ich meine jetzt nicht die Anwesenden – so gering ist. Die Enquete war wirklich sehr informativ, und ich möchte gerne von diesem Pult aus wenigstens einen Appell an alle Mitglieder dieses Hauses richten, die Dokumente der Enquete auch tatsächlich zu lesen.

Aber dieser Appell geht ins Leere. Diejenigen, die sich dafür interessieren, sind jetzt ohnehin da, sie waren teilweise auch bei der Enquete, aber diejenigen, die jetzt nicht da sind, waren auch nicht bei der Enquete. Man kann nur hoffen, daß die Unterlagen gelesen werden, weil sie wirklich sehr interessant sind.

Besonders interessant waren für mich die Ausführungen des Präsidenten des Schweizer Bundesgerichtes, weil er uns nämlich dargestellt hat, daß in einer alten und reifen Demokratie so eine Diskussion – darüber, ob Minderheitsvoten beim Verfassungsgerichtshof veröffentlicht werden dürfen beziehungsweise müssen oder nicht – deswegen gar nicht notwendig ist, weil dort die gesamten Beratungen des Gerichtes, in denen natürlich auch Minderheitspositionen vorgetragen werden, öffentlich sind.

In einem Land, in dem die gesamte Beratung öffentlich ist, braucht man natürlich eine "dissenting opinion", nämlich die Veröffentlichung einer untergegangenen Minderheitsmeinung, nicht in dem Ausmaß wie anderswo. Diese Ausführungen waren wirklich erhellend.

Mich haben sie auch deswegen gefreut, weil ich in der Debatte das Gefühl hatte, daß diese Worte des Präsidenten des Schweizer Bundesgerichtes Dr. Alexander Müller Überraschung ausgelöst haben. Viele, die zu dieser Enquete gekommen sind, haben zwar gewußt, daß er sprechen wird, und auch, daß es in der Schweiz keine "dissenting opinion" gibt. Sie waren daher in der frohen Erwartung und Hoffnung hingekommen, der Müller würde ihnen jetzt bestätigen, daß die "dissenting opinion" überflüssig ist und daß man so etwas nicht braucht. In einem gewissen Sinn hat er das zwar getan, aber er hat eben zum Ausdruck gebracht, daß man das nur dann nicht braucht, wenn alles öffentlich ist. (Abg. Mag. Stadler: Über die Öffentlichkeit des Verfahrens kann man reden!) Richtig!

Damit ist an und für sich alles gesagt, und ich kann, ohne jetzt aus dem Protokoll vorlesen zu müssen, fast an meinen eigenen letzten Redebeitrag in der Enquete anknüpfen und sagen: Es wird unsere Aufgabe sein, eine politische Lösung dafür zu finden, wie die Entscheidungsabläufe in den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes so transparent wie möglich sein können.

Die "dissenting opinion" ist ein Ansatz, über den man diskutieren kann, dagegen ist gar nichts zu sagen. Aber es geht eben nicht an, so zu tun, als ob der Verfassungsgerichtshof a priori sakrosankt wäre und womöglich noch darunter leiden würde, wenn die rechtsuchende Bevölkerung erkennen würde, daß es keine von vornherein einheitliche Meinung gibt, die sich dort durchsetzt, sondern daß auch dort eine Meinung erst erarbeitet werden muß.

Das wäre vielleicht ganz günstig. Auch Rechtsanwälte sind der Auffassung, daß ein Urteil transparenter ist, wenn man auch sieht, welche Position zwar erörtert wurde, sich aber nicht durchgesetzt hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Feurstein: Der Rechtsanwalt will es, das ist mir klar!)

14.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.03

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich knüpfe an die Ausführungen des Herrn Dr. Kier an und möchte hier feststellen, daß ich den Eindruck, den die Enquete in ihm hinterlassen hat, nicht teilen kann. Er hat versucht, uns hier das Bild zu vermitteln, das Ergebnis der Enquete wäre gewesen, daß es eine einhellige Ablehnung des Instrumentes der "dissenting opinion" gab.

Ganz im Gegenteil! Es haben sich dort – wenn man das in einer martialischen Sprache ausdrücken will – die Fronten klar gezeigt. Die Rechtswissenschafter haben alle durch die Bank dieses Instrument des Minderheitsvotums begrüßt beziehungsweise seine Einführung gefordert, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Wissenschaft ja auch davon lebt, sich mit "dissenting opinions" auseinandersetzen zu können.

Für mich waren die Ausführungen des Präsidenten des Schweizer Bundesgerichtes eine Unterstützung in der Forderung nach dem Minderheitsvotum. Denn er hat – und das hat Kollege Kier ja schon richtig bemerkt – mit seiner Stellungnahme genau jenen Argumenten recht gegeben, die bisher in Österreich für die Einführung dieses Instrumentes immer wieder in die Diskussion gebracht wurden. Er hat gleichzeitig auch die Bedenken geäußert, die es gibt, und auch die gewichtigen Argumente bei den Sorgen oder bei den Einwänden bestätigt.

Nichtsdestotrotz sind die Schweiz und Österreich nicht vergleichbar. In der Schweiz gibt es halt die Öffentlichkeit bei den Verhandlungen, und bei uns nicht. Daher sind seine Ausführungen in einem ganz anderen Licht zu sehen als etwa jene der Präsidentin des deutschen Bundesverfassungsgerichtes, die uns ja eine Art Erfahrungsbericht gegeben und erzählt hat – es ist rund 20 Jahre her, daß das dort eingeführt wurde, vielleicht sogar ein bißchen mehr, das habe ich jetzt nicht mehr so genau im Kopf –, welche Auswirkungen das in Deutschland hatte.

Sie hat vor allem davon gesprochen, daß es bei Minderheitsvoten für die Mehrheit, die sich durchsetzt, den Zwang gibt, die Überlegungen schärfer zu durchdenken und überzeugender zu begründen. Das ist auch eines meiner wesentlichsten Argumente für die Einführung.

Ich meine, daß es einen qualitativen Sprung in der Rechtsprechung des Höchstgerichtes darstellt, wenn man von der Anonymität zur Transparenz übergeht und wenn es dazu kommt, daß es von diesem amorphen Spruchkörper des Verfassungsgerichtshofes aus auch ein bißchen den Sprung zum Individuum mit der "dissenting opinion" gibt.

Frau Präsidentin Limbach hat auch versucht, den Zuhörern, den anwesenden Experten und Abgeordneten, die Angst zu nehmen. Die österreichischen Verfassungsrichter begründen ihre Ablehnung vor allem damit, daß der Aufwand und die Arbeit allzu groß sein werden. – Selbstverständlich ist es ein Aufwand, eine "dissenting opinion" zu formulieren und sie dann auch schriftlich auszufertigen! Aber was ich immer noch nicht verstehe, ist, warum man sich vor dieser Aufgabe so scheut! Denn was heißt das? – In der Praxis würde das ja heißen, daß jene, die auch sonst in "dissenting opinion" sind, das nicht genau überlegen und begründen wollen. (Die Rednerin dreht sich im Zuge ihrer Ausführungen immer wieder nach hinten, zum vorsitzführenden Präsidenten Dr. Brauneder um.)

Ich spreche immer wieder zum Herrn Präsidenten, weil er ja einer der wenigen ist, die jetzt da sind und auch bei der Enquete anwesend waren. Das Argument, daß der Arbeitsaufwand ein großer ist, ist ja dadurch zu entkräften – und das habe ich ja dort auch den Verfassungsrichtern entgegengeworfen –, daß man fragt: Ja wird denn sonst nicht genau überlegt und juristisch begründet?! – Das ist für mich eine Frage aus der Praxis der Betroffenheit. Die Antwort darauf sind sie mir auch schuldig geblieben.

Frau Kollegin Frieser informiert das noch anwesende Plenum des Nationalrates sehr falsch, wenn sie meint, daß alle Richter des Verfassungsgerichtshofes gegen die "dissenting opinion" gewesen seien. Also bitte! Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes hat in seinen Ausführungen eine eindeutige Stellungnahme für die "dissenting opinion" abgegeben!

Er hat dann natürlich, weil er ja der Präsident ist, seine persönliche Meinung zurückgestellt und sich sozusagen der Mehrheit des Spruchkörpers angeschlossen. Das ist genau das, was wir für die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes einfordern! Das war geradezu ein Musterbeispiel für eine "dissenting opinion"!

Wir fordern, daß jemand, der nicht die Mehrheitsmeinung vertritt, transparent, nachvollziehbar, anschaulich und auch – wir sind ja hier die Volksvertretung! – volksnäher begründet, warum er sich nicht der Meinung der Mehrheit anschließt. Insofern, so muß ich sagen, war diese positive Übung ja ein Beispiel dafür, wie es demnächst im Verfassungsgerichtshof schon sein könnte.

Und was es – sozusagen aus der Sicht der Betroffenen gesprochen – für mich so notwendig macht, dieses Minderheitsvotum einzuführen, ist die Tatsache, daß der Verfassungsgerichtshof diesen Nimbus der Unfehlbarkeit verlieren sollte. Er ist nämlich nicht unfehlbar.

Durch die "dissenting opinion" wird nun die Möglichkeit geschaffen, diesen Nimbus abzubauen, und wird erreicht, daß die Richter sich als das präsentieren, was sie sind, nämlich Menschen auf zwei Beinen mit einem Hirn, die aufgrund der Rechtsordnung bestimmte Entscheidungen zu treffen haben.

Letztendlich ist eine "dissenting opinion" nichts anderes als auszuführen, daß auch anders entschieden hätte werden können, und die Möglichkeit, die wesentlichen Argumente für eine andere Entscheidung, die auch möglich gewesen wäre, nachzuvollziehen.

Ein Letztes noch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich meine, daß auch die Spannbreite der strittigen Meinungen, die es im Verfassungsgerichtshof gibt, und dieses Getuschel dann im nachhinein – wer hat wann, wie und wo; ich meine, es spricht sich ja letztendlich alles herum – vermieden werden könnten, daß damit endlich Schluß sein könnte.

Für mich ist es eine Tatsache, daß die Verfassungsrichter und -richterinnen in Österreich nicht nur so klug, sondern auch so besonnen sind, dieses Instrument nur in wirklich wesentlichen Fragen einzusetzen. Es gibt zum Beispiel in Deutschland ja keinen Zwang zur "dissenting opinion", sondern nur die Möglichkeit, dieses Instrument einzusetzen. Und das wird dort sehr sorgsam getan. Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, verstehe ich – das auch zu Ihnen, Herr Kollege Kier, der Sie bedauert haben, daß niemand da ist –, daß die Kollegen nicht da sind. Ja, wozu sollen sie denn da sein? – Es wird eine qualitativ hochstehende Enquete des Nationalrates veranstaltet, die ein Ergebnis bringt, und dann sagen die Schwarzen zu den Roten: Nein, nicht mit uns, nicht in dieser Legislaturperiode! Und die Roten sagen: Wir würden ja so gern, aber wir sind in den Zwängen der Koalition gefangen! Und dann wird hier ein Schauspiel veranstaltet. Es wird nichts geschehen! Es ist ja schon diese Debatte umsonst.

Aber nichts ist umsonst, meine Damen und Herren! Die wenigen, die anwesend sind, und vor allem die Ewigkeit des Protokolls werden unseren Argumenten recht geben. Und spätestens dann, wenn es diese Koalition nicht mehr gibt, gibt es die "dissenting opinion". (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle.)

14.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Stadler: Das war ein Plädoyer für die "Ampel"! Das war die "Ampel", die da gesprochen hat!)

14.12

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Das ist nett! Herr Kollege Stadler hat immer ein passendes Wort auf den Lippen.

Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! (Abg. Smolle – in Richtung der Freiheitlichen –: Es könnte ja von euch auch jemand reden! Ihr habt ja auch gute Leute! – Abg. Mag. Stadler: Wollen Sie uns ein Koalitionsangebot machen? – Abg. Gaugg – in Richtung Herrn Abg. Smolle –: Bei wieviel Parteien warst du schon überall Mitglied?) Darf ich in dieser kleinen Runde um das Wort bitten? (Heiterkeit. – Abg. Mag. Stadler: Wollen Sie uns ein Koalitionsangebot machen, Smolle? – Abg. Gaugg: In welcher Partei warst du noch nicht, Smolle? – Abg. Mag. Stadler: War das ein Koalitionsangebot? – Zwischenruf des Abg. Smolle. – Abg. Gaugg: In wieviel Parteien du schon warst, das ist ja unglaublich! Bei welcher Partei warst du noch nicht, Smolle? – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Smolle. – Abg. Gaugg: Das ist ja eine gefährliche Drohung!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich habe zuerst eine Bemerkung über dieses Privatissimum gemacht, aber wir wollen das bitte nicht zu einem Massenseminar ausdehnen!

Am Wort ist Herr Kollege Jarolim, und ich bitte Sie, Herr Abgeordneter, machen Sie kräftigst davon Gebrauch.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (fortsetzend): Ich denke nur, daß gruppendynamische Aktionen irgendwie zur Kenntnis genommen werden können. Das muß ja wohl offenbleiben. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Smolle: Wir müßten eine Option vortragen! – Abg. Mag. Stadler: Der Smolle will übertreten!)

Kollegin Stoisits! Ich möchte nur folgendes relativieren: Daß diese Veranstaltung eine meines Erachtens sehr gute und sehr informative Veranstaltung war und letztlich auch viele Dinge auf den Punkt gebracht hat, und zwar in einer, so finde ich, doch sehr offenen Kontroverse, ist außerordentlich positiv zu bemerken. Ich möchte mich allerdings dagegen verwahren, daß es sich hiebei um ein Schauspiel gehandelt hat, daß etwas vorgespielt wurde, daß unterschiedliche Meinungen vorgetragen wurden, die schließlich dann ohnedies zu nichts führen.

Ich meine, diese Veranstaltung hat eines klar gezeigt: daß sich an einem zentralen Punkt die Geister scheiden, und zwar an der Frage, ob es möglich sein soll, daß innerhalb einer Gruppe, nämlich der Richter des Verfassungsgerichtshofes, einer seinen gesonderten Standpunkt darstellen kann und damit unter anderem die übrige Gruppe ein gruppendynamisches Problem bekommt. Auf diesen Punkt hat sich meines Erachtens die Gegenargumentation reduziert.

Ich habe aus der heutigen Diskussion vielfach entnommen, daß sich eigentlich alle, die sich an der Diskussion beteiligten, letztlich mit diesem Sondervotum anfreunden können und es auch als begrüßenswert erachten. Ich denke, es ist auch eine Selbstverständlichkeit, daß Meinungsvielfalt und die Möglichkeit, eine Meinung zu äußern – und es handelt sich ja nur um eine Möglichkeit und nicht um den Zwang, eine Meinung zu äußern –, ganz eindeutig einen demokratiepolitischen, einen rechtspolitischen Fortschritt bedeuten, weil sich daran natürlich auch die Qualität der Argumente mißt.

Wenn damit zu rechnen ist, daß eine offene Diskussion geführt wird, innerhalb der dann der eine oder andere Verfassungsrichter seinen eigenen Standpunkt, den er im Erkenntnis nicht wiederfindet, vielleicht gesondert darstellen möchte, dann denke ich, daß man in der Ausformulierung des Erkenntnisses wahrscheinlich zunächst versuchen wird, auch diesen Standpunkt miteinzubeziehen, wodurch die Argumentationsschärfe sicher erhöht wird. Wenn das Erkenntnis einen derartigen einzelnen Standpunkt nicht wiedergibt, dann hat der Betroffene immer noch das Recht, für sich zu entscheiden: Bestehe ich auf einer gesonderten Stellungnahme, ja oder nein? – Was daran ein Nachteil sein soll, ist schlicht nicht zu erkennen!

Es ist eher unerfreulich, wenn hier von Kollegin Frieser vorgebracht wird, daß die ÖVP einer derartigen Vorgangsweise nicht zustimmt, weil der Eindruck entstehen könnte, daß ein solcher Beschluß anlaßbezogen ist, wiewohl sie gleichzeitig auch konzediert, daß die Diskussion bereits seit Jahren geführt wird. Wenn die Diskussion bereits seit Jahren geführt wird, dann ist es natürlich irgendwie schwierig, gleichzeitig mit dem Argument einer Anlaßdiskussion zu operieren, es sei denn, man geht davon aus, daß jede sachliche Diskussion eine Anlaßdiskussion ist.

Ich darf also herzlich dazu einladen, diese Argumentation, die vom sachlichen Standpunkt aus betrachtet – hier im Haus lustigerweise eigentlich mehr als bei der Enquete – in eine Richtung geht, dann letztlich auch in eine Beschlußfassung münden zu lassen. (Abg. Jung: Was haben Sie sich von der Enquete erhofft, Herr Kollege?)

Was ich mir von der Enquete erhofft habe, war eine wissenschaftliche Auseinandersetzung hinsichtlich der Für und Wider zu dieser Frage, und was ich aus der Auseinandersetzung gelernt habe, war, daß die Argumente gegen die "dissenting opinion" vielfach Argumente sind, die einer wirklich kritischen Betrachtungsweise nicht standhalten, und zwar aus jenen Gründen, die ich vorher hier darzulegen versucht habe.

Es ist auch das Argument der Beeinflußbarkeit und der Beeinflussung von Personen gebracht worden. Nun muß man sich schon eines vor Augen führen: Die Richter des Verfassungsgerichtshofes sind Wissenschafter, sind Personen, die es gewohnt sind, in der öffentlichen Diskussion pointiert ihren Standpunkt einzunehmen. Ich verstehe nicht, warum man sich um diese Gruppe, die noch dazu auf Lebenszeit bestellt ist, Sorgen macht in der Weise, daß der eine oder andere in seiner Persönlichkeit beeinträchtigt werden könnte (Beifall bei der SPÖ) und sich nicht auf jenen Standpunkt stellen würde, den er auch sonst in der Wissenschaft und in der Lehre vertritt.

Das Argument, daß ein Richter ohnedies die Möglichkeit hätte, nach dem Erkenntnis seinen Standpunkt irgendwo zu publizieren, zeigt ja, daß eine Auseinandersetzung zwar möglich sein soll, aber möglichst nicht im Verfassungsgerichtshof. Die Autorität des Verfassungsgerichtshofes manifestiert sich meiner Meinung nach nicht darin, daß es einem einzelnen Mitglied verboten sein soll, seinen Standpunkt zu äußern, und ich gehe auch nicht davon aus – das ist nämlich bedauerlicherweise auch als Argument genannt worden –, daß es sich bei Verfassungsrichtern um Selbstdarsteller handeln könnte. Ich glaube nicht, daß das Persönlichkeiten sind, denen man unterstellen kann, sich selbst präsentieren zu wollen. – Daher ist auch diese Argumentationskette meines Erachtens nicht schlüssig.

Nur noch ein letztes Argument zur Frage der Bestellung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes: Eine der Alternativen zur derzeitigen Bestellungsform, die genannt worden ist, ist die Selbstrekrutierung, also sozusagen die Rekrutierung aus dem Verfassungsgerichtshof. Ich darf dazu sagen: Es gibt ein derartiges Modell – es wird auch nicht wirklich argumentiert, aber es kommt immer wieder, wenn auch nur ansatzweise, in der Diskussion vor – weltweit in keinem Verfassungsgerichtshof! – Das ist der erste Punkt.

Zweiter Punkt: Der Verfassungsgerichtshof trifft in weitesten Bereichen Wertungsentscheidungen. Daher ist es doch wohl legitim, daß die Gruppierungen eines Landes, die, demokratisch legitimiert durch Wahlen und für ihre Werte stehend, dazu berufen sind, zu regieren und sich als Partei zu präsentieren, Vorschlagsrechte haben. Wer sonst soll Vorschlagsrechte haben, meine Damen und Herren? Soll es jene Partei sein, die am wenigsten Akzeptanz in der Bevölkerung hat? – Wenn man die Argumentation immer wieder dahin gehend führt, daß die Bestellungsformen archaisch und sachlich nicht nachvollziehbar wären, würde ich ersuchen, die Situation auch ein bißchen von dieser Warte aus zu sehen. (Abg. Mag. Stadler: Herr Kollege! Wie wäre es mit einem Personalsenat?)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluß. Ich denke, es gibt eine Fülle von zwingenden Argumenten (Abg. Mag. Stadler: Das gibt es ja sonst auch bei Gerichten!), Herr Kollege Stadler, für das Sondervotum "dissenting" und "concurring opinion", und ich appelliere an das Hohe Haus, die Diskussion nicht abzuschließen, sondern weiterzuführen und schließlich zu einem guten Ende zu bringen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Gaugg: Der Arme! Jetzt ist er ganz allein da! – Abg. Dr. Stippel: Wo ist die ÖVP?)

14.19

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte klarstellen, daß meine Fraktion deshalb momentan nicht anwesend ist, weil eine Klubsitzung stattfindet (Abg. Gaugg: Welches Thema?), und ich bitte, das auch so zu werten und nicht durch abfällige Bemerkungen zu kommentieren. (Abg. Gaugg: Welches Thema? – Abg. Mag. Stadler: Vorgezogene Neuwahlen?) Ich glaube, es gibt für jede Fraktion, für jeden Klub immer wieder die Notwendigkeit (Abg. Mag. Stadler: Vorgezogene Neuwahlen!), daß auch während einer Plenarsitzung eine Fraktionssitzung stattfindet. Das haben alle Fraktionen bisher auch schon gemacht. Ich bitte, das auch so zu werten. (Abg. Gaugg: Es fällt nur auf, daß das immer beim Feurstein ist!) Von uns tritt Gott sei Dank niemand aus der Partei aus. Wir sind nicht in einer Situation wie die FPÖ. Gott sei Dank haben wir dieses Problem nicht, Herr Abgeordneter Stadler! (Abg. Mag. Stadler: Dann habt ihr Neuwahlen!)

Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat bereits klargestellt, daß diese Enquete eine ausgezeichnete Veranstaltung war. Ich war während der gesamten Dauer von etwa sieben bis acht Stunden anwesend. Die Teilnehmer – Wissenschafter, Rechtsanwälte und Mitglieder der Gerichtshöfe – haben aus ihrer persönlichen Erfahrung und auch aufgrund ihrer wissenschaftlichen Kenntnisse die Standpunkte erläutert. Den Grünen darf ich sagen, daß es einfach falsch ist, wenn Sie immer wieder behaupten, daß es eine Mehrheit für das Minderheitsvotum im Verfassungsgerichtshof gegeben hätte. Die Mehrheit der Meinungen war eindeutig dahin gehend, daß es Bedenken gegen das Minderheitsvotum gibt.

Ich möchte auch darauf hinweisen, daß eine Reihe von Wissenschaftern diesen Standpunkt vertreten hat. Ich nenne aus der Fülle der Wissenschafter, die sich dort gemeldet haben, nur drei: Universitätsprofessor Mantl hat klar seine Bedenken geäußert, Professor Grabenwarter hat klar diese Bedenken geäußert, und auch Professor Schäffer hat neben vielen anderen Universitätsprofessoren seine Bedenken dargelegt, und zwar mit sehr großem Nachdruck! Die Feststellung der Grünen in diesem Zusammenhang ist einfach unrichtig und falsch, meine Damen und Herren. (Beifall des Abg. Dr. Khol.)

Ich möchte auch noch einmal zu der Frage Stellung nehmen: Bringt es etwas? Nützt es uns? Bringt es Vorteile für den Verfassungsgerichtshof? – Hiezu gibt es eine ganz klare Aussage, die für mich einleuchtend ist, meine Damen und Herren: Die Verfahrensregeln des Verfassungsgerichtshofes sind so gestaltet, daß tatsächlich jeder Richter seine Meinung einbringen kann und seiner Meinung zum Durchbruch verhelfen kann. Und ich erwarte, daß die Richter des Verfassungsgerichtshofes mit ihrer Meinung im Gerichtshof auftreten und versuchen, ihre Rechtsmeinung dann auch im Urteil verankert zu sehen und nicht anderswo. Ich glaube, daß es nicht gut ist, wenn diejenigen, die an einer Urteilsfindung mitwirken und ein Erkenntnis maßgebend bestimmen können, die ersten Kritiker dieses Erkenntnisses sind. Das ist falsch, und das ist für das Urteil und für die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes sicher nicht gut, meine Damen und Herren.

Mich hat auch das sehr überzeugt, was Bundesrichter Dr. Müller gesagt hat, der meinte: Wir brauchen natürlich ein sehr starkes Mitwirkungsrecht der Richter – dieses Mitwirkungsrecht soll unter Umständen sogar öffentlich sein –, aber wir brauchen die Solidarität mit dem Urteil, mit dem Erkenntnis, das einmal gefällt worden ist, und diese Solidarität ist eben nicht gewährleistet, wenn einzelne Richter ausbrechen und sagen können: Ich bin mit dem Urteil, mit dem Erkenntnis nicht einverstanden. Diese Solidarität mit dem Erkenntnis, mit dem Urteil ist aus meiner Sicht ganz wichtig und sollte beibehalten werden. Das ist auch das große Plus, das den Verfassungsgerichtshof heute auszeichnet, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich noch ein letztes Argument vorbringen, das der langjährige österreichische Richter im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Dr. Franz Matscher, geäußert hat. Er meinte nach 22jähriger Erfahrung mit dem Minderheitsvotum, daß die Unabhängigkeit des Richters zumindest gefährdet ist (Abg. Mag. Stadler: Das glaube ich auch! Bei dem Bestellungsmodus schon!), und ich meine, daß das schon aus diesem Grunde auch ein Gesichtspunkt ist, der mitzuberücksichtigen ist.

Entscheidend ist schlußendlich die Autorität eines Urteiles, die Autorität, die wir einem Erkenntnis des höchsten Gerichtshofes beimessen. Anhand dieser Frage – und zwar nur anhand dieser Frage – sollten wir entscheiden und überlegen, ob die Diskussion zu diesem Thema weitergeführt werden soll, und wir sollten auch entscheiden, ob es gut oder schlecht ist, wenn wir das Minderheitsvotum zulassen.

Wir sind zu der Meinung gelangt, daß es der Autorität des Gerichtshofes, der Autorität eines Erkenntnisses schaden würde. Aus diesem Grund können wir dieses Instrument nicht positiv bewerten. (Beifall bei der ÖVP.)

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Wir treten daher sogleich in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar über den Antrag des Verfassungsausschusses, das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema "Einführung des Minderheitsvotums am Verfassungsgerichtshof" III-151 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall Ihrer Kenntnisnahme bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Das Protokoll ist daher einstimmig angenommen.

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1392 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (1443 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 448/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Sparkassengesetzes (1444 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 447/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Schaffung eines Privatisierungsgesetzes im Bankenbereich (1445 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1383 der Beilagen): Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) (1446 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 907/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden (1447 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1412 der Beilagen): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1448 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 5 bis 10 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.28

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Bei der vorliegenden Änderung zum Sparkassengesetz handelt es sich nicht zum ersten Mal, sondern wie schon so oft darum, statt einer Lex generalis eine Lex specialis zu verabschieden. Diese Lex specialis wurde speziell für die Bedürfnisse bestimmter Großbanken zurechtgeschnitten. Für mich handelt es sich um nichts anderes als um die weitere Zementierung des politischen Einflusses: hie AVZ/BA, da Erste Bank/ Sparkassensektor.

Meine Damen und Herren! Es handelt sich dabei nicht um eine dringend notwendige Änderung eines Gesetzes, sondern es handelt sich schlichtweg um eine Änderung eines Koalitionsbedürfnisses beziehungsweise um eine Abänderung eines Koalitionspaktes – ich werde darauf noch weiter eingehen – nach dem Motto: Wechselseitige Geschenke erhalten eine brüchige Freundschaft. Vielleicht – vielleicht aber auch nicht!

Auch wenn die Änderung des Sparkassengesetzes die freiwillige Umwandlung von vermögensverwaltenden Sparkassen in Privatstiftungen vorsieht, so ist das sicher keine verpflichtende Maßnahme. Aber es kann heute schon klar abgesehen werden, welche Folgen dieser Schritt haben wird. Dazu bedarf es wahrlich keiner allzu großen Phantasie.

Worum wird es im Kern gehen?

Erstens: Die Anteilsverwaltung AVZ, die derzeit geringfügig unter 25 Prozent des Aktienanteils an der Bank Austria hält, wird – das ist zu erwarten – in eine Privatstiftung umgewandelt.

Damit ist der Koalitionsvertrag vom 12. Jänner 1997, Herr Kollege Stummvoll, hinfällig, denn im Koalitionspakt, den Sie damals krampfhaft und mit starkem Bauchweh als Lösungsvariante verabschiedet haben und den dann Generaldirektor Randa unterschrieben hat, steht etwas ganz anderes drinnen. Ich werde mir auch erlauben, zu zitieren, was da alles drinsteht und welche Punkte nun verletzt werden.

Zweiter Punkt: Die Sparkasse – das ist jetzt das Gegengeschäft –, der Sparkassensektor erhält ein zwingendes Aufgriffsrecht. Für jede Sparkasse, die auf dem Markt angeboten wird, wird damit ganz sicher gewährleistet, daß niemand anderer als der Sparkassensektor mindestens 50 Prozent hält. Ein Ausscheren aus diesem Sektor ist dann nicht möglich.

Dazu muß ich, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, schon sagen: Wenn der Sparkassensektor nur mehr durch ein Zwangsgesetz zusammengehalten werden kann, dann ist dieser Sektor meiner Meinung nach nicht mehr sehr viel wert. Sie hätten ja jederzeit die Möglichkeit gehabt, auf dem Sparkassensektor – das wurde auch von führenden Sparkassenfunktionären so gesehen – über Syndikatsverträge weiterhin zu arbeiten, aber das war anscheinend einigen Herrschaften, insbesondere solchen von der schwarzen Reichshälfte, zuwenig ausreichend. Die Devise heißt "Fein sein, beinander bleiben!", aber halt mit jener rechtlichen Klammer, die im Sparkassengesetz vorgesehen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Doch das, meine Damen und Herren, kann wohl nicht der Weisheit letzter Schluß sein! Da gibt es große verfassungsrechtliche Bedenken, unter anderem vom Professor Raschauer, der darauf hingewiesen hat, daß diese Bestimmung nicht nur nach österreichischem Recht verfassungswidrig, sondern auch EU-widrig ist.

Die Bedenken, die von Fachleuten, die der ÖVP durchaus nicht abgeneigt sind, geäußert wurden, haben Sie zerstreut. Sie vertreten den Standpunkt: Jetzt machen wir einmal das Gesetz, und dann werden wir schon weitersehen! Sie tun das, weil Sie genau wissen, daß die EU-Mühlen langsam mahlen, daß es ewig dauert, bis da einmal ein Verfahren in Gang kommt. Aber eines Tages kommt dieses Verfahren, und dann wird der Europäische Gerichtshof dieses Gesetz halt als EU-widrig aufheben. Offensichtlich spekulieren Sie damit, daß es noch eine Weile geht.

Dritter Punkt dieses Übereinkommens: Damit der Fall der Fälle nicht eintritt, der "Super-GAU" aus der Sicht der roten AVZ-Funktionäre, nämlich daß die Erste Bank die AVZ-Anteile an der Bank Austria aufgreift, beruft man sich jetzt in der AVZ auf einen Vertrag zwischen der AVZ und der Ersten, wonach das Aufgriffsrecht nur für die AVZ dezidiert ausgeschlossen ist. Das, meine Damen und Herren, ist der dritte Teil dieses politischen Deals, den Sie gemacht haben, dieser Änderung Ihres Koalitionsabkommens.

Herr Kollege Stummvoll! Sie fragten im Ausschuß, was denn daran so schlecht oder so abwegig sei? – Ich darf Ihnen vor Augen führen, was Sie am 12. Jänner 1997 beschlossen haben. Da heißt es unter Punkt 7: Haftungsverzicht oder Haftungsentgelt, ermittelt durch internationale Gutachter für den Vorteil aus der Gemeindehaftung gemäß dem neuen Sparkassengesetz. – Das wird jetzt überhaupt nicht mehr geregelt!

Meine Damen und Herren! Wenn eine Sparkasse in eine Privatstiftung übergeht, dann gibt es plötzlich zwei Arten von Haftungen: eine solche für Verbindlichkeiten, die es vorher gab, und eine solche für jene, die neu sind. Nun gibt es aber keine Haftung mehr, und von einem Haftungsentgelt ist überhaupt keine Rede mehr. Das muß als Bruch dieses Übereinkommens gewertet werden.

Auch in Punkt 13 wird das Übereinkommen gebrochen, denn da heißt es: Novellierung des Sparkassengesetzes hinsichtlich Haftungsverzicht oder Haftungsentgelt.

Aber der größte Bruch Ihres eigenen Übereinkommens, meine Damen und Herren, findet sich hinsichtlich des Paragraphen 1. Da heißt es nämlich: Stimmrechtsanteile von der AVZ werden unter 25 Prozent reduziert. Das ist mit den 24,8 Prozent derzeit wohl eingetreten. Aber dann heißt es weiter: Ab dem sechsten Jahr werden die über 20 Prozent liegenden Anteile der Stimmrechte gleichfalls von den Treuhändern wahrgenommen.

Wer sind denn dann die Treuhänder? Ist der Treuhänder dann eine Privatstiftung? Erachten Sie diese wirklich als einen Treuhänder? Ja, vielleicht als einen Treuhänder von eigenen Gnaden ernannt! Aber Sie werden diese Bestimmung sicher nicht einhalten können. Doch wir von der Opposition sind sicher nicht so dumm, daß wir diesen Zug, diesen Deal, den Sie da gemacht haben, nicht überreißen würden.

Ich halte es für meine Pflicht – auch namens meiner Fraktion –, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, daß da gemauschelt wird, und zwar gehörig gemauschelt wird. An der Politik vorbei haben Sie wieder in diversen Gremien Ihre politische Zukunft nach altbewährter Manier einze-mentiert.

Eine Reform, meine Damen und Herren, ist das keine, selbst wenn ich einräume, daß da und dort einzelne Sparkassen, kleine Sparkassen durchaus von der Stiftung profitieren könnten. Aber Sie haben es für die beiden rot/schwarzen Machtblöcke gemacht, nach dem Motto: "Fein sein, beinander bleiben!" Diese Devise soll für Sie auch weiterhin aufgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Herr Firlinger! Wissen Sie, wie das Lied weitergeht? Gscheit sein, net einitåppen! – Ironische Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

14.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Huber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.36

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! "Fein sein, beinander bleiben!" – Offensichtlich wünscht sich das Herr Kollege Firlinger in seinen Kreisen ganz besonders. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das könnte ein Problem sein.

Herr Kollege Firlinger! Sie haben gemeint, der Sparkassensektor könne nicht mehr viel wert sein. Ich möchte nur die Fakten festhalten: 24 500 Mitarbeiter gibt es dort, und ein Drittel des österreichischen Kreditvolumens wird in den Sparkassen verwaltet. Das ist nicht sehr viel wert?, frage ich Sie.

Die österreichischen Sparkassen können auf eine sehr lange und erfolgreiche Tradition in der heimischen Kredit- und Volkswirtschaft zurückblicken, und ähnlich, wie der Genossenschaftsgedanke in der Landwirtschaft prägend war, sind es die Sparkassen, die der heimischen Kreditwirtschaft ihr Profil geben, und der gemeinnützige Charakter der Sparkassen wurde bereits bei der Gründung im vorigen Jahrhundert im sogenannten Sparkassenregulativ festgelegt.

Nach wie vor steht die regionale Verbundenheit der Sparkassen im Vordergrund, obwohl das ursprünglich verankerte strikte Regionalitätsprinzip, das in Deutschland immer noch gültig ist, mit der Änderung des KWG und des Sparkassengesetzes 1979 eigentlich gefallen ist.

Nach wie vor wird aber der Gewinn in Form von Widmungen für wissenschaftliches, soziales und kulturelles Sponsoring im Einzugsbereich der Sparkassen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Daß schon bei der Gründung stiftungsähnliche Überlegungen maßgeblich waren, wird durch die Betriebsmerkmale Eigentümerlosigkeit und Wirkung für die Allgemeinheit dokumentiert.

Gegründet wurden die Sparkassen seinerzeit von Gemeinden oder von Vereinen, und deshalb gelten auch heute noch Gemeinde- und Vereinssparkassen. Daß sich diese Rechtsform weit über 100 Jahre in den unterschiedlichsten wirtschaftspolitischen, aber auch in unterschiedlichen politischen Systemen erhalten hat, ist eigentlich ein sehr schlagender Beweis für die Zeitlosigkeit und für die Bedeutung der Sparkassen für die Volkswirtschaft.

Als wir im Jahre 1986 die Möglichkeit geschaffen haben, daß eine Sparkasse auch in eine AG eingebracht werden kann, an der sowohl juristische als auch natürliche Personen beteiligt sein können, wurde festgelegt, daß die verbleibende, anteilsverwaltende, also die vermögensverwaltende Sparkasse natürlich, so wie ursprünglich festgelegt, eigentümerlos bleibt.

Vor allem international ist diese Rechtsform weitgehend unbekannt. Mit dem Sparkassenstiftungsgesetz, das uns hier heute vorliegt und das Herr Kollege Firlinger als einen Deal bezeichnet hat (Abg. Mag. Firlinger: Was ist es denn sonst?) – es wurde immerhin nach eineinhalb Jahren Diskussion festgelegt –, soll nun die Möglichkeit einer grundlegenden Änderung der Rechtsformen und der Haftungskonstruktionen im Sparkassensektor geschaffen werden.

Mit dem Privatstiftungsrecht aus dem Jahr 1993 haben wir ein Rechtsinstitut, das eine Anknüpfung an ein modernes Organisationsrecht nach internationalem Vorbild ermöglicht.

Weil diese Stiftungsvariante fakultativ ist – und ich gebe Ihnen recht, wenn Sie meinen, daß es praktische Bedeutung vor allem für große Sparkassen haben wird –, bin ich überzeugt davon, daß man keineswegs behaupten kann, daß es eine "Lex Bank Austria" oder eine "Lex Erste Österreichische" ist, weil die Bank Austria genauso betroffen ist wie die anderen siebzig selbständigen Sparkassen in Österreich.

Wir haben mit diesem Gesetz eine Grundlage geschaffen, die klarlegt, wie sich der gesamte Sparkassensektor in Zukunft entwickeln wird beziehungsweise soll. Das Aufgriffsrecht, das Sie so kritisiert haben, ist eigentlich eine logische Konsequenz des Bemühens, diesen Sektor insgesamt zu erhalten. Ich hoffe sehr, daß damit die Diskussion, die den Sparkassen im besonderen, aber in Wahrheit der gesamten Kreditwirtschaft in Österreich absolut nicht dienlich war, abgeschlossen ist.

Die sozialdemokratische Fraktion wird diesem Gesetz daher gerne ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.41

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sechs Gesetzesmaterien stehen jetzt zur Verhandlung – kurz einige Bemerkungen dazu: Die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen wird aus meiner Sicht und der der Liberalen vom Finanzministerium mit großer Kompetenz und Umsicht vollzogen. Mein Kompliment dazu, Herr Bundesminister! Wir werden dem diesbezüglichen Gesetz zustimmen.

Die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur halten wir ebenfalls für richtig. Wir halten fest, daß Sie unsere Fragen im Ausschuß nach der Kontrolle, nach der Evaluierung der Tätigkeit und nach der österreichischen Mitwirkung positiv beantwortet haben. Das ist uns wichtig! Wir bekennen uns zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit und glauben, daß das der beste Weg ist, Differenzen und Ungleichheiten auszugleichen und vor allem die Zusammenarbeit mit den mittel- und südosteuropäischen Staaten und auch den GUS-Staaten zu forcieren.

Ganz anderer Ansicht, Herr Bundesminister, sind wir beim Tabakmonopolgesetz. Um offen zu sein: Wir halten das wirklich für ein unnotwendiges Übungsspiel. Ich weiß schon, da gibt es die Sache mit dem Monopol. Trotzdem meine ich: Es ist ein unnotwendiges Übungsspiel, das da betrieben wird!

Es geht dabei um das Monopol der Letztverkäufer, der Trafiken. Sie haben dankenswerterweise sehr prompt die Information gegeben, die wir haben wollten. Von 3 204 Trafiken werden nur noch 1 038 von Behinderten geführt, also nur ein Drittel. Was spielt sich aber in Wirklichkeit ab? – Bei der Übergabe von Trafiken – soweit sie nicht im Erbwege übergeben werden – bildet sich schön langsam ein grauer Markt mit der Forderung nach Zahlung von Ablösen, denn es ist eine hochprofitable Angelegenheit, eine Monopolvertriebsstelle von Tabakwaren zu haben. Daher werden die Trafiken nicht nur an die Monopolverwaltung zurückgegeben, die sie dann weitergibt, sondern unserer Information nach ist dort auch ein reger Ablösehandel im Gange.

Wir glauben, daß dieses Monopol nicht aufrechtzuerhalten ist. Die Tatsache, daß Sie im Dezember 1997 die letzte Novelle des Tabakmonopolgesetzes vorgelegt haben und daß Sie jetzt, im November 1998, die nächste Novelle vorlegen, weil Sie die Europäische Kommission darauf aufmerksam gemacht hat, daß das Gesetz nicht den Wettbewerbsregeln der Europäischen Kommission entspricht, sollte Sie meiner Meinung nach dazu veranlassen, prinzipiell über das Tabakmonopol als solches nachzudenken.

Ich meine, daß wir dieses unselige Gesetz aufheben sollten. Meiner Meinung nach sollten wir den Wettbewerb im Handel mit Tabakprodukten selbstverständlich zulassen – unbenommen der Steuern, Herr Finanzminister, die Sie überall aufschlagen können – und Behinderte so fördern, daß wir sagen: Menschen mit einem bestimmten Behinderungsgrad bekommen, wenn sie im Tabakhandel tätig sind, je nach ihrem Behinderungsgrad einen Steuervorteil im Rahmen des Tabaksteuergesetzes, um ihnen so einen Marktvorteil gegenüber anderen Konkurrenten, die ebenfalls Tabakprodukte verkaufen, zu verschaffen.

Die Zustimmung der Liberalen können Sie weder zur Novelle noch zu dem ganzen Gesetz haben. Lösen Sie es auf und finden Sie einen neuen Ansatz! Das ist nicht europakonform. Das ist eines modernen Österreichs unwürdig. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es gibt drei zusammenhängende Materien, die auf der Tagesordnung sind. Ich fange von hinten an: das Privatisierungsgesetz im Bankenbereich, das wir Liberale in Form eines Entschließungsantrages verlangen. Wir sind der Auffassung, meine Damen und Herren, daß der Staat und damit auch die Politik ein für allemal die Finger von den Banken lassen soll. Sie sind schlechte Bankiers! Politischer Einfluß ist eine schlechte Beratung in der Politik der Banken, und es ist der schlechteste Dienst, den man der Wirtschaft erweisen kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich meine, daß sich die Aufgabe des Staates im Bankensektor ausschließlich auf die Kontrolle beschränken soll.

Herr Bundesminister! Wir werden anschließend bei der Behandlung der Dringlichen Anfrage genügend Zeit haben, darüber zu diskutieren, warum diese staatliche Kontrolle – sprich: Bankenaufsicht – nicht funktioniert. Der Staat und damit der Bereich der Parteipolitik soll nicht über Banken verfügen können, sondern soll sich davon lösen. Sie sollten sich wirklich um die Frage der Kontrolle des Bankenapparates kümmern.

Dieser Entschließungsantrag wird von Ihnen wahrscheinlich abgelehnt werden. Wir werden ihn aber trotzdem weiterverfolgen, weil wir der Auffassung sind, daß staatliche und daher politisch beeinflußte Eigentümer von Banken nicht wiederum von staatlichen und daher weisungsgebundenen Bankaufsichten kontrolliert werden können. Das stellt eine Selbstkontrolle der Politik über die Politik dar.

Wir haben einen weiteren Entschließungsantrag eingebracht, und zwar zur Änderung des Sparkassengesetzes, und wir stimmen heute Ihrem Entwurf des Sparkassengesetzes deswegen zu, weil einige unserer Forderungen damit erfüllt werden. Es sind nur wenige – das gebe ich zu –, aber es sind immerhin einige.

Wir haben damals sechs Punkte normiert. Der erste Punkt enthält den Wegfall der Haftung der Gemeinde für Gemeindesparkassen. Wenn die Umwandlung erfolgt, fällt die Haftung schrittweise weg.

Der zweite Punkt sieht die Entrichtung von Haftungsprämien an die Gemeinden vor, die nicht in eine Stiftung umwandeln, wo also Neuhaftungen nicht von der Gemeinde auf die Stiftung übergehen. Diese Forderung fehlt! Es ist ja in einem konkurrierenden Kreditapparat nicht einzusehen, daß der eine Sektor aufgrund der Gemeindehaftung, die entgeltlos erfolgt, eine andere Wettbewerbssituation hat als andere, die sehr wohl an ihre Eigentümer eine Haftungsprämie entrichten müssen. Ich glaube, daß man diese sektorspezifische Wettbewerbsverzerrung mit einer Kondition von fast einem Prozent angeben kann.

Drittens haben wir vorgeschlagen, die Eigentümerlosigkeit der Vereins- und Gemeindesparkassen in ein Eigentum der früheren Haftungs- und Sitzgemeinden umzuwandeln, um viertens dann die Privatisierung dieser Banken zu verlangen. Ich glaube nicht, daß zukunftsorientierte Strukturen mit Eigentümerlosigkeit von Vereins- und Gemeindesparkassen, wie sie in großen Bereichen bei all jenen Sparkassen, die sich nicht in eine AG umwandeln, auch weiterhin existieren werden, heute in die moderne Bankenlandschaft passen.

Wir werden aber trotzdem diesem Sparkassengesetz unsere Zustimmung geben, weil wir es für richtig halten, daß der Sektorenzusammenhalt gegeben ist. Sektorenzusammenhalt heißt, daß Sie eben ein Vorkaufsrecht für eine gewisse Zeit im Sektor weiter aufrechterhalten. Die Sekto-ren haben sich ja bewährt, wohingegen die Strukturen des Sparkassensektors mit der Eigentümerlosigkeit unserer Ansicht nach nicht mehr zeitgemäß sind.

Selbstverständlich muß, wenn die Eigentümerlosigkeit der Vereins- und Gemeindesparkassen dort, wo sie nicht in Stiftungen umgewandelt werden, aufgehoben wird und damit die Gemeinden Eigentümer werden, um die Sparkassen dann zu privatisieren, ein maximaler Veräußerungserlös für die Gemeinden das Ziel sein. Jene Gemeinden, die ihre Gemeindesparkassen veräußert haben, sind eigentlich sehr gut damit gefahren. Ein Beispiel dafür ist die Stadtgemeinde Villach.

Wir werden dieser Novelle des Sparkassengesetzes zustimmen, wohl wissend, daß sie nicht die Breite unserer Forderungen enthält, aber wir glauben, daß sie einen Schritt in die richtige Richtung darstellt.

Nun einige Bemerkungen zu dem Antrag des Kollegen Graf von den Freiheitlichen. Kollege Graf hat damit meiner Auffassung nach einen sehr kompetenten Änderungsvorschlag für das Bankwesengesetz gemacht. Dabei geht es ganz konkret um die Frage der Anonymität. Die Behandlung dieses Antrages haben die Regierungsparteien mittels ihrer Mehrheit im Ausschuß wieder vertagt.

Dieses Thema, Herr Bundesminister, werden wir nicht beliebig vor uns herschieben können. Was schieben wir noch alles vor uns her – weil wir uns vor der Entscheidung drücken und weil der Wahltag naht? (Abg. Böhacker: Die internationale Entwicklung abwarten!) – Ja, aber das kann ich, offen gestanden, schon nicht mehr hören. (Abg. Böhacker: Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag!) Dieses Argument wäre mir selbst auch eingefallen.

Mir geht es darum, daß wir eine wirkliche Verbesserung, eine strenge Handhabung des Bankgeheimnisses erreichen. Wir haben in Österreich, Herr Finanzminister, ein unbrauchbares, ein schlechtes, ein löchriges Bankgeheimnis. Bitte verbessern Sie dieses Bankgeheimnis gemäß dem europäischen Standard, und dann können wir uns von der Anonymität klammheimlich oder nicht klammheimlich verabschieden! Nur: Die Behandlung solch guter Anträge einer Oppositionsfraktion – wozu ich dem Herrn Dr. Graf gratuliere – einfach wieder zu vertagen und das Thema vor uns herzuschieben, halte ich weder für gute Politik, noch für sonderlich kreativ. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 9 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.50

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem kurzen Redebeitrag nur mit der Novelle zum Sparkassengesetz beschäftigen und möchte kein Hehl daraus machen, daß ich sehr froh darüber bin, daß wir nach monatelangen, zum Teil sehr schwierigen Verhandlungen heute diese für den Sparkassensektor so wichtige Gesetzesnovelle beschließen können.

Meine Damen und Herren! Es gab lange und schwierige Verhandlungen für einen Sektor unserer Kreditwirtschaft, der ungefähr ein Drittel Marktanteil hat, der ungefähr ein Drittel aller Spargelder unserer Bevölkerung verwaltet – das ist immerhin ein Betrag von 1 500 Milliarden Schilling –, für einen Sektor unserer Kreditwirtschaft, in welchem rund 25 000 Personen beschäftigt sind, für einen Sektor unserer Kreditwirtschaft, der heuer mit einer Bilanzsumme von 2 000 Milliarden Schilling gleichsam eine Schallmauer durchbrechen wird, also für einen unglaublich wichtigen Bereich unserer Geld- und Kreditwirtschaft. Daher war es sehr wichtig, daß wir für diesen Bereich das moderne Rechtsinstitut der Stiftung als Möglichkeit eröffnen.

Es ist bisher so gewesen, daß bei Sparkassen, die ihr operatives Geschäft etwa an eine AG ausgegliedert haben, der verbleibende formale Rest als Anteilsverwaltungssparkasse geführt wurde. Diese Rechtsform ist zwar international völlig unüblich, völlig unbekannt, sie ist aber mit weitreichenden Entscheidungskompetenzen, was die operative AG betrifft, verbunden.

Ich gebe zu, daß ich von den Sparkassen jahrelang mit Interventionen konfrontiert worden bin, bei denen man mich gebeten hat: Bitte eröffnet uns doch auch die Möglichkeit, das moderne Rechtsinstitut der Stiftung für uns in Anspruch zu nehmen! – Genau diese Möglichkeit schaffen wir jetzt mit dieser Novelle.

Meine Damen und Herren! Ich bin auch deshalb sehr froh darüber, daß wir heute diese Novelle beschließen können, weil die Sparkassen – und es ist kein Zufall, daß sogar die beiden größten Bankinstitute unseres Landes, nämlich die Bank Austria und die Erste AG, beide rechtlich gesehen eigentlich Sparkassen sind; auch das unterstreicht die Bedeutung dieses Sektors – ein Bereich unserer Wirtschaft sind, der sich durch unglaubliche Kundennähe, durch starke Einbindung in die regionale Wirtschaft auszeichnet, und eigentlich die Hauptfinanziers des gewerblichen Mittelstandes, aber auch des Handels und des Tourismus sind, also ein wirklich wichtiger Teilbereich unserer Wirtschaft.

Weil hier vom Kollegen Firlinger die Frage des Aufgriffsrechts kritisiert wurde, muß ich sagen: Das ist eine Frage der Grundphilosophie, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Firlinger: Nicht von mir, sondern von Experten!) Da stellt sich die Frage: Wollen wir einen einheitlichen starken Sparkassensektor: ja oder nein? Wenn wir ihn wollen, dann ist zwangsläufig ein Aufgriffsrecht vorzusehen.

Herr Kollege Firlinger! Du weißt es ja, daß wir es außerdem auf fünf Jahre befristet haben. Ich glaube, daß das durchaus zu rechtfertigen ist und dem überwiegenden Wunsch der Betroffenen entspricht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Firlinger: Wenn es fünf Jahr dauert, ...!)

Wir, Herr Kollege Firlinger, richten unsere Politik danach aus, was die Betroffenen brauchen und wünschen. Wir wollen sie weder zwangsbeglücken noch sonst etwas. Das war ein dringender Wunsch dieses Sektors. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger.) Ich bin daher sehr froh darüber, daß wir auch diesen Wunsch heute erfüllen und daß wir damit vor allem die Weichen dafür stellen, daß erstens dieser sehr wichtige Sektor unserer Geld- und Kreditwirtschaft – wie gesagt, Marktanteil ungefähr ein Drittel – die Möglichkeit erhält, das moderne Rechtsinstitut der Stiftung für sich zu nutzen, was eine strategische Entscheidung weit bis in das nächste Jahrhundert hinein bedeutet, und daß wir zweitens mit diesem fünfjährigen Aufgriffsrecht auch die Möglichkeit schaffen, daß sich dieser Sparkassensektor in den nächsten fünf Jahren so strukturiert und von den neuen Möglichkeiten so Gebrauch macht, daß wir auch im nächsten Jahrhundert, im nächsten Jahrtausend einen sehr leistungsfähigen Sparkassensektor haben, denn das ist ein Sektor, der ohnehin genauso wie alle anderen Bereiche unserer Wirtschaft unglaublich gefordert ist, und zwar durch die Globalisierung, durch den zum Teil brutalen internationalen Wettbewerb, durch veränderte Kundenwünsche, durch Einführung des Euro und und und.

Ich muß sagen, daß es ist für mich immer wieder erfreulich ist, zu sehen, daß trotz der vielen Megafusionen, von denen wir in der Zeitung lesen können – die "Welt AG" ist im Bereich der Geld- und Kreditwirtschaft schon fast eine gewisse Vision, wie man sieht –, regionale Sparkassen immer wieder beweisen, welche Chancen auch für die mittelständische Geld- und Kreditwirtschaft gegeben sind.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz bewußt ein Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen, und zwar die Waldviertler Sparkasse in Waidhofen an der Thaya. Sie ist heute eine der modernsten Sparkassen in ganz Österreich. Sie ist auch jene Sparkasse, die als erstes Geld- und Kreditinstitut Österreichs von Prag aus eine Filialgenehmigung für Tschechien erhalten hat. Sie ist unglaublich dynamisch und unglaublich vorwärts orientiert. Sie ist eine Einrichtung, die sich eigentlich von einer Sparkasse zu einem Beratungszentrum für die Wirtschaft, zu einem Problemlösungszentrum, in dem Komplettlösungen, Projektfinanzierung inklusive aller Möglichkeiten der EU-Förderung und ähnliches mehr angeboten werden, entwickelt hat.

Das ist moderne Sparkassenphilosophie: Kundennähe, Problemlösung, Dienstleistung. Das ist die Zukunft!

Wir werden heute mit diesem Gesetz die Weichen dafür stellen, daß auch in Zukunft solche Sparkassen – die Sparkassen mit ihren zirka 25 000 Mitarbeitern – die faire Chance haben, erfolgreich im weltweiten Wettbewerb zu bestehen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Van der Bellen. Er schaut auf die Uhr, ich auch. 5 Minuten Redezeit stünden zur Verfügung. Wollen Sie diese nützen? (Abg. Dr. Van der Bellen: Ja!) – Bitte. (Abg. Dr. Khol – zu dem in Richtung Rednerpult eilenden Abgeordneten Dr. Van der Bellen –: Carpe diem!)

14.55

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vielleicht stimmt das ja, Herr Kollege Stummvoll, was Sie über die Sparkasse Waidhofen an der Thaya gesagt haben. – Ich werde meinen Redebeitrag auch auf das Sparkassengesetz konzentrieren, dabei aber auf die Gemeindesparkassen Bezug nehmen, jedoch nicht auf die Sparkasse Waidhofen an der Thaya, sondern auf die AVZ und auf die Bank Austria.

Ich weiß nicht, warum die ÖVP diesem Gesetz zustimmt – ich komme später noch darauf zu sprechen –, aber ich stelle fest, daß das, was die SPÖ hier macht, ein interessanter – ich drücke mich jetzt zynisch aus; ich sage das gleich dazu – Mittelweg zwischen der früheren Kommunalisierung einer Bank und einer nicht stattgefunden habenden Privatisierung einer Bank ist, indem sie als dritten Weg die Feudalisierung einer Bank wählt.

Wie komme ich zu diesem Schluß? – Sie brauchen sich nur anzuschauen, was nach § 27a dieses Gesetzes mit den Organen der AVZ beziehungsweise der Privatstiftung passiert. Diese Organe werden eins zu eins aus der AVZ in die Privatstiftung übernommen. Der Vorstand der AVZ wird der Vorstand der Privatstiftung. Der Sparkassenrat der AVZ wird der Aufsichtsrat der Privatstiftung. Das heißt, daß im Augenblick die 9 : 2-Mehrheit der SPÖ in diesen Gremien zusammengenommen gesichert ist. Aber das ist nicht so sehr das Interessante – das wissen wir ja ohnehin –, sondern interessant ist vielmehr, daß diese SPÖ-Mehrheit in den relevanten Gremien ad infinitum, auf ewig gesichert wird, denn bei den nachfolgenden Besetzungen, dann, wenn einmal jemand stirbt oder aus welchen Gründen auch immer aus dem Vorstand beziehungsweise Aufsichtsrat der Privatstiftung ausscheidet, nominieren die Gremien selbst nach.

Das ist eine Personalisierung dieser Gremien. Sie werden keinerlei öffentlicher Kontrolle unterliegen, sei es durch den Gemeinderat, sei es durch den Nationalrat oder sonst irgendwelche gewählte Gremien. Das meine ich mit Feudalisierung einer Bank. Es wird mit diesem Gesetz einer Personengruppe eine Macht übertragen, die sie auf immer beibehalten wird. Durch das Selbstergänzungsrecht dieser Gremien bleibt das auch so erhalten.

Zu entscheiden, ob im Fall der AVZ überhaupt eine Privatstiftung errichtet wird, obliegt nicht dem Gemeinderat – das gilt für alle Gemeindesparkassen –, sondern dazu bedarf es eines Beschlusses des Vorstandes der AVZ, bekanntlich teilweise identisch mit dem Vorstand der Bank Austria, plus einer Zustimmung des Sparkassenrates der AVZ, wo wiederum die Betriebsräte ein Vetorecht haben. Eine Zustimmung des Gemeinderates, also jener Körperschaft, die immerhin für die Verbindlichkeiten dieser Sparkasse haftet, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Das obliegt einzig und allein den Gremien in den jetzigen Anteilsverwaltungen der Sparkassen, im Falle der Bank Austria der AVZ – und das, obwohl es da um große Beträge geht.

Ich weiß nicht, wie hoch Herr Kollege Trattner den Marktwert der AVZ-Anteile an der Bank Austria im Moment einschätzen würde. Das hängt natürlich auch vom Börsenkurs ab. Aber eine Größenordnung von 20 bis 30 Milliarden Schilling ist, meine ich, durchaus realistisch.

Dritter Punkt: Nicht allein, daß sich die Gremien im Anschluß an die Gründung der Privatstiftung selbst perpetuieren, und nicht allein, daß die Entscheidung, ob überhaupt eine Privatstiftung gemacht wird, eine rein private ist – paßt zum Namen "Privatstiftung" –, obliegt auch die Zweckbestimmung – eine Stiftung muß ja einen Zweck haben, die Erträge aus dem Stiftungsvermögen müssen bestimmten Zwecken zugeführt werden – einzig und allein den Gremien der Privatstiftung, obwohl es sich indirekt um Vermögen der Gemeinden handelt. Welche Zwecke das sein werden, wissen wir heute nicht. Das wissen auch Sie nicht, die Sie heute das Gesetz beschließen werden. Es ist im Gesetz nur von mildtätigen, kirchlichen, gemeinnützigen Zwecken die Rede, aber was das im Detail sein wird, ist eine Frage der sogenannten Stiftungserklärung und der späteren Politik der Privatstiftung.

Mit anderen Worten: Wer dann wirklich die Begünstigten sein werden, weiß man nicht. Es geht da immerhin um Beträge von 500 Millionen Schilling oder einer Milliarde Schilling pro Jahr, die als Erträgnisse aus dieser sogenannten Privatstiftung erzielt werden. Dazu muß ich sagen: Das kann doch nicht der Sinn der seinerzeitigen Gesetze über Privatstiftungen gewesen sein!

Daß die Haftungen bestehenbleiben, darauf hat Kollege Peter von den Liberalen schon hingewiesen, daß die Wettbewerbsverzerrung bestehenbleibt, ist nur ein Detail am Rande, und was das sogenannte Aufgriffsrecht des Zentralinstituts betrifft, Herr Kollege Stummvoll, bezweifle ich erstens, daß das EU-kompatibel ist, denn das ist ein schwerer Eingriff in die Eigentumsrechte der bisherigen Sparkassen, und zweitens – das ist auch nur ein Detail am Rande, aber es ist typisch dafür, wie hier gearbeitet wird – hätte nach dem Gesetz, wenn ich es nicht völlig falsch verstehe, die Erste ein Aufgriffsrecht bezüglich der Bank-Austria-Anteile, wenn die AVZ, die spätere Privatstiftung, später verkaufen will. – Nach dem Gesetz.

Der vorgestrigen Ausgabe des "Kurier" entnehme ich allerdings, daß es einen privatrechtlichen Vertrag zwischen Bank Austria und Erste gibt, daß das in dieser Form nicht vonstatten gehen wird. Jetzt frage ich mich: Wer ist stärker, i oder i?

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Kollege Van der Bellen! Es ist 15.01 Uhr. Wollen Sie weiter fortsetzen? (Abg. Dr. Van der Bellen: Später!) – Gut, Sie setzen dann weiter fort. Ihre Ausführungen sind hiermit unterbrochen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Van der Bellen.)

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Trattner und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bankenaufsicht und Riegerbank (5129/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage 5129/J auf.

Da diese Anfrage inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Österreichs Banken sind einer spezifischen Aufsicht und Kontrolle unterworfen, und zwar vor allem durch die Bankenaufsicht im Bundesministerium für Finanzen. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe wird die Bankenaufsicht durch die Oesterreichische Nationalbank unterstützt.

Hauptaufgabe der Bankenaufsicht ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bankwesens und insbesondere auch der Gläubigerschutz. Die Bankenaufsicht ist daher zum Eingreifen verpflichtet, falls für die Erfüllung der Verpflichtungen einer Bank gegenüber ihren Gläubigern Gefahr bestünde. Das Bankwesengesetz stellt der Bankenaufsicht neben der Konzessionserteilung, Maßnahmen gegenüber sogenannter Problembanken zur Abwendung möglicher Insolvenzen und unter anderem auch die Möglichkeit der Rücknahme der Konzession als Aufsichtsmittel zur Verfügung. Organe der Bankenaufsicht sind das Bundesministerium für Finanzen als Bankaufsichtsbehörde, Staatskommissär, Regierungskommissär, Bankprüfer, die OeNB und Sonderprüfer. Im Finanzministerium sind derzeit in der Gruppe Bankenaufsicht zwischen 25 und 30 Personen mit der Bankenaufsicht betraut. Darüber hinaus sind weitere rund 200 Bedienstete als Staatskommissäre bestellt, wobei die Bestellung nicht aufgrund fachspezifischer Vorkenntnisse erfolgt.

Bei einer Prüfung der Bankenaufsicht durch den Rechnungshof im Jahre 1993 wird heftige Kritik an der Bankenaufsicht geübt:

‚Die im Vergleich zum Aufgabengebiet sparsame Personalausstattung zwang dazu, nach einer Prioritätenreihung in erster Linie Problemfälle eingehend zu besichtigen. ... Eingehende Kontrollschritte setzten spät, häufig erst nach Eintritt einer Gefährdung ein. Für aufsichtsbehördliche Gegenmaßnahmen vor Ausbruch der Gefährdung fehlte auch ein einsatzbereites und aussagekräftiges Frühwarnsystem, an dessen Entwicklung das BMF allerdings arbeitete. ... Der Rechnungshof bemängelte, daß eingehende Kontrollhandlungen häufig verhältnismäßig spät einsetzten und weiterhin auf dem Zufallsprinzip beruhten. Die Kontrolle auf der Grundlage des Dritten Quartalsberichtes erfolge etwa im November, ..., so daß drohender Schaden nicht mehr rechtzeitig erkannt und bekämpft werden könne. Der Rechnungshof drängte daher auf die Fertigstellung eines funktionsfähigen Früherkennungssystems auf der Grundlage aussagefähiger Kennzahlen als wertvolles Hilfsmittel der Mißstandskontrolle. ... Der Rechnungshof bemängelte die zögernde und wenig zielstrebige Bearbeitung durch die Aufsichtsbehörde. ... Insbesondere beanstandete der Rechnungshof das Fehlen energischer Aufsichtsmaßnahmen, weil die überwiegend gehandhabte Einholung von Auskünften kaum erfolgversprechend war.‘

Quasi als Bestätigung der Rechnungshofkritik spielte die Bankenaufsicht im Zusammenhang mit der Insolvenz der Bank für Handel und Industrie (BHI) im Jahr 1995 eine unrühmliche Rolle. Schon in den Jahren zuvor stand das Verhalten der Bankenaufsicht regelmäßig im Schußfeld öffentlicher Kritik, wie zum Beispiel 1992 beim Bankhaus Rössler in Wien, 1993 bei der EffectInvest, der heutigen Diskont Bank, und 1994 bei den sogenannten ‚Karibik-Geschäften‘ der BAWAG.

Trotz der deutlichen Kritik durch den Rechnungshof und trotz oben angeführter Problemfälle hielt es der Bundesminister für Finanzen nicht notwendig, die Bankenaufsicht zu einem durchschlagskräftigen Kontrollorgan umzugestalten. Entsprechende Anträge der Freiheitlichen wurden immer mit den Stimmen der Regierungsparteien abgelehnt.

Als vorläufigen Höhepunkt für die Unfähigkeit der Bankenaufsicht muß nunmehr das Beispiel Riegerbank angesehen werden.

Bei der Vielzahl von Prüfungen – die Riegerbank wurde als die bestgeprüfte Bank bezeichnet – fiel keinem der Organe der Bankenaufsicht und auch nicht dem Aufsichtsrat auf, daß möglicherweise bereits seit 10 Jahren Bilanzen verfälscht, Außenstände falsch dargestellt, Bankguthaben praktisch erfunden oder nach oben revidiert wurden. Ebenso unbeachtet blieb die Tatsache, daß die Riegerbank wiederholt gegen das gesetzlich vorgeschriebene ‚Vier-Augen-Prinzip‘ verstoßen hat. Ohne den Argwohn der Bankenaufsicht zu wecken, wies die Riegerbank bei relativ geringem Geschäftsvolumen stets beträchtliche Ergebnisse aus der ordentlichen Geschäftstätigkeit aus. Dies, obwohl die Riegerbank in allen ihren Wechselstuben extrem hohe Bestände an Valuten hielt und somit dafür keine Erträgnisse abwerfen konnte.

Da der Masseverwalter Klemens Dallinger die Buchhaltung der Riegerbank nunmehr als ein einziges Chaos bezeichnet, erscheint es um so verwunderlicher, daß in den letzten Jahren kein Aufsichtsorgan mißtrauisch geworden ist. Auch für den Leiter des Alpenländischen Kreditorenverbandes, Otmar Koren, bleibt es ‚schleierhaft‘, daß die Malversationen die längste Zeit niemandem aufgefallen seien. ‚Unter einer gewissenhaften Prüfung muß man verstehen, daß auch Belege angeschaut werden‘ (‚Die Presse‘, 4.11.1998). Anerkannt von den Organen der Bankenaufsicht wurden jedoch gefälschte Saldenbestätigungen von Geschäftsbanken, bei denen die Originalvermerke ausgelackt und mittels Schreibmaschine Zahlen, die nicht der Realität entsprachen, eingesetzt worden sind (Format 3/98). Auch kreative Aktivposten in der Bilanz der Riegerbank, wie zum Beispiel ‚Gelder unterwegs‘, wurden von den Prüforganen nicht hinterfragt.

Obwohl die Bankenaufsicht im Frühjahr 1998 erstmals eine Anzeige wegen Bilanzfälschung erstattete, genehmigte sie den Verkauf der ‚Rieger-Anleihen‘ ohne Zweckbindung. Die hohe Verzinsung von 7,5 Prozent, eine kurze Laufzeit, ein Verkaufsprospekt mit einer Vielzahl von falschen Angaben und eine Vertriebsprovision von 15 Prozent für die Diskontbank hätten in der Bankenaufsicht oder der Wertpapieraufsicht die Alarmglocken schrillen lassen müssen. Die Tatsache, daß die Riegerbank eine riskante, nicht fundierte Anleihe zum Verkauf angeboten hat, hätte aus Gläubigerschutzinteressen zu einer unmittelbaren Überprüfung durch die Bankenaufsicht und zu einer freiwilligen Überprüfung durch die Wertpapieraufsicht führen müssen. Vor diesem Hintergrund erscheinen diverse Aussagen, wonach jeder Anleihezeichner über das enorme Risiko beim Kauf einer Riegerbank-Anleihe Bescheid hätte wissen müssen, mehr als eigenartig.

Die Tatsache, daß die bestellten Bankprüfer an der Riegerbank in einer solchen Größenordnung beteiligt waren, daß beinahe ein Ausschließungsgrund vorgelegen war, veranlaßte weder die restliche Bankenaufsicht noch den Aufsichtsrat zu einer sorgfältigeren Prüfung der durch die Bankprüfer vorgelegten Unterlagen.

Trotz dieser Vielzahl von Ungereimtheiten, die im Zuge einer ordnungsgemäßen Überprüfung zumindest ansatzweise hätten auffallen und zu Gegenmaßnahmen, wie zum Beispiel Einsetzen eines Regierungskommissärs, führen hätte müssen, lehnen die Organe der Bankaufsicht sowie die Aufsichtsräte jede Verantwortung für die Insolvenz der Riegerbank ab. Dabei stellte nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen gerade das Erkennen wirtschaftlicher Abläufe in ihrem Zusammenhang eine taugliche Grundlage für die Krisenfrüherkennung dar (Punkt 6.3 des Rechnungshofberichtes aus 1993). Außerdem verwies bereits 1993 das BMF auf die laufenden intensiven Arbeiten an einem Früherkennungssystem, mit dessen Einsatz in einigen Monaten gerechnet werden könne (Punkt 5.3 des Rechnungshofberichtes aus 1993).

Nach bisher bekannt gewordenen Informationen beträgt die Schadenshöhe bereits mehr als eine Milliarde Schilling, wovon auch über 1 000 private Anleihezeichner betroffen sind.

Dennoch beteuert die Bankenaufsicht im Bundesministerium für Finanzen, daß sie ‚immer richtig gehandelt habe und daß es für das offenbar gigantische Verbrechen keine Indizien gegeben habe‘. Auch die Nationalbank vertritt die Meinung, daß aus ihrer Sicht nichts schiefgelaufen sei.

Nach vorliegendem Sachverhalt ist eindeutig erwiesen, daß alle Aufsichtsorgane ihre gesetzmäßigen Aufgaben nicht erfüllt und daher versagt haben, wodurch sie wiederum zu einer Schädigung von Gläubigern beigetragen haben. Die Verantwortung dafür liegt bei der Untätigkeit des Bundesministers für Finanzen.

Aus gegebenem Anlaß stellen daher die unterzeichneten Abgeordneten gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR an den Bundesminister für Finanzen folgende

Dringliche Anfrage:

1. Halten Sie das derzeitige System der Bankenaufsicht für ausreichend?

Wenn nein, warum hat das Bundesministerium für Finanzen trotz der Kritik des Rechnungshofes und dem Versagen der Bankenaufsicht bei der BHI–Insolvenz nicht spätestens 1995 geeignete Reformen in die Wege geleitet?

2. Inwieweit ist das Bundesministerium für Finanzen den Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Jahre 1993 nachgekommen, und inwieweit hat das Bundesministerium für Finanzen die eigenen Ankündigungen umgesetzt?

3. Unterstützen Sie die Einrichtung einer ‚einheitlichen Kapitalmarktaufsicht‘, welche sich auf Banken, Versicherungen und freie Wertpapierdienstleistungsunternehmen erstreckt?

Wenn ja, wie und wann werden Sie diesbezügliche Maßnahmen ergreifen?

Wenn nein, welche sonstigen Reformen werden Sie setzen?

4. Um die Gewährung welcher Konzession hat Herr Rieger seinerzeit angesucht und welche Konzessionen wurden schließlich erteilt?

5. Hat Herr Rieger die jeweils dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt?

6. Welche Rolle hat der frühere Klubobmann der SPÖ Dr. Fuhrmann bei der Erteilung der Konzession gespielt?

7. In welcher Form ist der ehemalige Klubobmann der SPÖ Dr. Fuhrmann beziehungsweise sind sonstige der SPÖ nahestehende Personen in die Affäre Rieger verstrickt?

8. Hat die Bankenaufsicht dafür Sorge getragen, daß in der Riegerbank eine interne Revisionsabteilung aufgebaut wurde?

Wenn ja, wann und in welcher Art und Weise?

9. Wurde das im Rechnungshofbericht 1993 angekündigte computerisierte Frühwarnsystem im Falle Rieger angewendet?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wer war bei der Riegerbank in den letzten fünf Jahren als Bankprüfer tätig?

11. Waren beziehungsweise sind Bankprüfer an der Riegerbank beteiligt?

Wenn ja, zu wieviel Prozent und weshalb hat das Bundesministerium für Finanzen gegen die Bestellung dieser Bankprüfer keinen Widerruf erhoben?

12. Haben die Bankenaufsicht beziehungsweise die Bankprüfer die von der Riegerbank behaupteten Aktiva, insbesondere Guthaben bei anderen Kreditinstituten, überprüft?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

13. Wann sind der Bankenaufsicht erstmals Unregelmäßigkeiten in der Gebarung der Riegerbank aufgefallen und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

14. Hat die Bankenaufsicht aufgrund vorliegender Verdachtsmomente Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft oder anderen Behörden erstattet?

Wenn ja, wann, an wen, mit welchem Inhalt und mit welchem Ergebnis?

15. Hat das Bundesministerium für Finanzen Sonderprüfungen nach dem BWG beantragt?

Wenn ja, aufgrund welcher vorliegender Verdachtsmomente, wann, wer wurde damit beauftragt und welche Ergebnisse wurden hiebei erzielt?

16. Wann und aufgrund welcher Erwägungen wurde die Kanzlei Dr. Staribacher mit der Prüfung beauftragt?

17. Wie erklären Sie sich den Umstand, daß die Kanzlei Dr. Staribacher keinen Anlaß zur Beanstandung fand, obwohl laut Masseverwalter die Buchhaltung der Riegerbank ‚ein einziges Chaos‘ sei?

18. Welche Prüfungsaufträge hat die Kanzlei Dr. Staribacher in den letzten fünf Jahren vom Bund erhalten und welche Erwägungen waren dafür maßgebend?

19. Welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen, daß die Kanzlei Dr. Staribacher offensichtlich bei der Prüfung der Riegerbank überfordert war?

20. Haben Sie aufgrund der Kritik des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Androsch wegen des Vorliegens offensichtlicher Unregelmäßigkeiten einen Regierungskommissär gemäß BWG bestellt?

Wenn ja, wen?

Wenn nein, warum nicht?

21. In welchem Verhältnis steht beziehungsweise stand die Riegerbank zur EffectInvest/Diskont Bank?

22. Wer sind die Hauptaktionäre der EffectInvest/Diskont Bank und der Riegerbank?

23. In welcher Form hat die Bankenaufsicht und die Wertpapieraufsicht bei der Begebung der Riegerbank-Anleihe mitgewirkt?

24. Weshalb hat die Aufsichtsbehörde gegen die Begebung der Anleihe keinen Einwand erhoben, obwohl ein Provisionssatz von 15 Prozent für die Diskont Bank und eine Verzinsung von 7,5 Prozent vorgesehen war?

25. Ist es richtig, daß die Riegerbank, ohne die entsprechende Konzession dafür zu besitzen, eine Tranche im Volumen von 250 Millionen Schilling selbst plaziert hat?

Wenn ja, wann hat die Bankenaufsicht erstmals davon erfahren und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

26. Ist es richtig, daß der Vorstand der Diskont Bank Anleihen der Riegerbank zum Nominalwert von rund 81 Millionen Schilling um ‚unter einer Million Schilling‘ an die Euro-Invest Bank, welche 1991 Aktien der EffectInvest – der jetzigen Diskont Bank – an der Wiener Börse plaziert hat, verkauft hat?

Wenn ja, zu welchen Konsequenzen wird dies für den Vorstand der Diskont Bank führen?

27. Sind oder waren die Euro-Invest Bank oder deren Eigentümer an der Riegerbank beziehungsweise der Diskont Bank beteiligt?

28. Welche Konsequenzen werden Sie aus dem offensichtlichen Fehlverhalten der Bankenaufsicht und Wertpapieraufsicht ziehen?

29. In welcher Form und wann werden Sie die, durch das offensichtliche Versagen der Aufsichtsbehörden mitverursachte Schädigung der Kleinanleger wiedergutmachen?

30. Beabsichtigen Sie, zur Sicherung des Bankplatzes Österreich den Schutz der Kleinanleger sowohl der Höhe nach als auch auf andere Anlageformen auszuweiten?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

31. Wie beurteilen Sie Ihre politische Verantwortung aufgrund des Versagens der Aufsichtsbehörden, und welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR vor Eingang in die Tagesordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Mag. Trattner das Wort, und zwar zur ersten Fragestellung und zur Begründung, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder werden wir aufgerüttelt durch eine in die Insolvenz geschlitterte Bank. Wieder werden wir aufgerüttelt durch eine Insolvenzgefahr, die für eine andere Bank bereits knapp bevorsteht.

Wir haben in den letzten Jahren in Österreich eine Reihe von Bankenzusammenbrüchen erlebt. In der Nachkriegszeit war das die Krauland-Bank, viel geschildert, die Rössler-Bank, die BHI-Bank, jetzt die Riegerbank, und als nächste ist die Diskont Bank, die ehemalige EffectInvest, gefährdet.

Es gibt Probleme in den einzelnen Sektoren, die aber nicht unbedingt aufscheinen, denn wenn es bei irgendeiner kleinen Sparkasse, bei irgendeiner kleinen Raiffeisenkasse oder bei einer kleinen Volksbank einmal eng wird, dann wird das nicht offengelegt, sondern es wird praktisch vom Landesverband beziehungsweise von der Raiffeisenlandesbank übernommen. Es wird einfach eine Decke darübergelegt, und man hinterfragt gar nicht: Was haben die Aufsichtsorgane in diesen einzelnen kleinen Instituten überhaupt getan? Wie haben sie ihre Funktionen wahrgenommen, damit solche Dinge nicht passieren können?

Die größte Sache, die wir erlebt haben, die auch nicht schlagend geworden ist, weil sie sich nicht im Privatbankenbereich, sondern im Verstaatlichtenbereich abspielte, war die Länderbank. Auch bei der Länderbank das gleiche Bild: Riesengroße Verluste, der Steuerzahler hat dort Milliarden hineinzahlen müssen. Wir zahlen heute noch Millionenbeträge an Zinszahlungen an die jetzige Bank Austria. Es wurde damals ein eigenes Gesetz geschaffen, damit die Ausfälle nicht, wie es wirtschaftlich gerechtfertigt wäre, sofort im selben Jahr abgeschrieben werden mußten, sondern auf 15 Jahre weiter vorgetragen werden müssen.

Und bei all diesen Dingen wird dasselbe Muster sichtbar, nämlich das Versagen der Aufsichtsorgane. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das geht von der Bankenaufsicht über die Staats- und Regierungskommissäre, das geht über die Wirtschaftsprüfer, das geht über die Oesterreichische Nationalbank, das geht über die Sonderprüfungen, das geht über die Aufsichtsräte. Da sitzen Herrschaften drinnen, die offensichtlich überhaupt keine Qualifikation haben, die einfach nur dort hineingesetzt werden, weil es eben üblich ist, dort irgendwelche Leute hineinzusetzen. Ohne Qualifikation!

Wir haben am 11. Juli 1997 eine Anfrage gemacht. Darin wollten wir wissen, welche Organe in den Aufsichtsräten, in den Beiräten, als Kommissäre in den einzelnen Geldinstituten sitzen. Allein für die kleingeschriebenen Namen der Ressortbediensteten aus dem Finanzministerium benötigte man dreieinhalb Seiten! Da kommt man sicher auf eine Zahl von weit über 150. Das heißt, es werden einfach aus dem Finanzministerium Bedienstete, ganz gleich, was sie können, als Aufsichtsorgane dorthin entsandt, gleichgültig, ob sie auch die entsprechende Qualifikation haben, die sie befähigt, dort ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen.

Es geht wirklich um die Rolle der Bankenaufsicht. – Herr Finanzminister, Sie sind der oberste Chef der Bankenaufsicht, aber Sie haben noch immer nichts getan, obwohl Sie genau gewußt haben, was im Zuge nicht nur der Riegerbank, aber gerade jetzt bei der Riegerbank, passiert ist.

Rieger hat am 2. Dezember 1982 um eine Konzession für eine Devisen- und Wechselstube angesucht. Die hat er auch erhalten. Gleichzeitig mit der Registrierung ist aber das Wort "Bank" hineingerutscht. Das hat natürlich zu Irritationen geführt, und ich weiß jetzt nicht: War das gewünscht oder war das ein Irrtum? Ich glaube, da hat man alle Augen zugemacht, denn derjenige, der den Antrag beim Finanzministerium eingebracht hat, der damalige Rechtsberater des Herrn Rieger, dieser Rechtsanwalt ist Ihnen nicht ganz unbekannt: Dr. Willi Fuhrmann (Oh!-Rufe bei den Freiheitlichen), seinerzeit Klubobmann der Sozialistischen Partei, langjähriges Mitglied hier im Hohen Haus und jetzt oberster Richter beim Europäischen Gerichtshof.

Warum hat die Bankenaufsicht damals nicht reagiert? Sie hätten dort reagieren müssen, und Sie haben die Möglichkeit, zu reagieren. Sie haben insoferne die Möglichkeit zu reagieren, indem Sie eine Konzession wieder zurückziehen. Aber da ist nichts passiert. Man kann das aber nicht auf die Bankenaufsicht allein abladen, sondern auch die Oesterreichische Nationalbank wird bei der Erteilung einer Konzession angehört. Und auch die Nationalbank hat geschlafen. Unter welcher Leitung liegt das alles? Das liegt unter der Leitung einer Person unterhalb des Herrn Finanzministers – der Herr Stanzel wieder. (Abg. Edler: Der Kollege Haider ...!) – Ich komme auf das schon noch zu sprechen.

Es ist also jener berühmte Herr Stanzel, der auch das oberste Kontrollorgan des österreichischen Glücksspiels ist, jener Herr Stanzel, der sich als oberstes Kontrollorgan auch am Glücksspiel in Australien beteiligt hat. Wie läßt sich denn so etwas vereinbaren? Auf der einen Seite bin ich beteiligt, auf der anderen kontrolliere ich mich selber. Diesen Mißstand haben wir damals aufgegriffen, aber, Herr Finanzminister, Sie haben es bis heute nicht der Mühe wert gefunden, diesen Mißstand abzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Herr Stanzel hat stets behauptet, er habe die Nationalbank immer wieder prüfen lassen. Die letzte Prüfung war im September 1998. Es hat keinen Anlaß zu Beanstandungen gegeben, aber trotzdem hat die Bankenaufsicht mehrere Anzeigen erstattet. Die einen sagen, es waren drei Anzeigen, die anderen sagen, es waren 17 Anzeigen, aber eine entscheidende Anzeige betraf die Bilanz 1996. In dieser Bilanz 1996 hat man eben Unregelmäßigkeiten entdeckt, die Bankenaufsicht hat eine Überprüfung eingeleitet, aber wie bei allen vorangegangenen Prüfungen hat man eben wieder nur Pseudoprüfungen veranstaltet.

Warum hat man dort nur Pseudoprüfungen veranstaltet? Hat man Rücksicht genommen auf den Aufsichtsratsvorsitzenden, weil der auch Ihr Parteikollege ist? Worauf hat man denn Rücksicht genommen? Waren andere Rücksichtnahmen notwendig? – Man hat sich dort ja nicht einmal an die primitivsten Prüfungsgrundsätze gehalten. Man hat sich mit Saldobestätigungen zufriedengegeben, von denen sich jetzt herausgestellt hat, daß sie offensichtlich gefälscht waren oder seitens der saldobestätigenden Institute falsch hinausgeschickt worden sind, aber man hat die Saldobestätigungen nicht einmal aufgrund eines Kontoauszuges nachvollzogen, um zu sehen, wie dieser Saldo überhaupt zustande gekommen ist.

Diese Insolvenz hätte abgewendet werden können, wenn man rechtzeitig geprüft und rechtzeitig entsprechende Maßnahmen gesetzt hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn dieses Chaos war schon bekannt, und Sie hätten die Möglichkeit gehabt, zu prüfen, auch nach dem Bankwesengesetz.

Sie werden sagen, die Riegerbank hat eine Bilanzsumme unter 5 Milliarden Schilling, da kann man keinen Staatskommissär hineinsetzen. Aber den Regierungskommissär können Sie dort bestellen, und dieser hat laut BWG eine viel höhere Kompetenz als der Staatskommissär. Der Staatskommissär kann nämlich nur Einspruch erheben gegen Organbeschlüsse, der Regierungskommissär kann aber sehr wohl in die Geschäftsführung eingreifen. Darauf hat unsere Anfrage, die Anfrage der Abgeordneten Böhacker, Trattner, Firlinger im Mai 1998 abgezielt, nachdem nämlich bekannt geworden war, daß in der Bilanz 1996 Haftungen in der Größenordnung von 24,5 Millionen Schilling nicht verbucht worden sind, daß die gesamte Bilanz falsch war. Da haben wir an Sie eine Anfrage gestellt, worauf das zu begründen ist. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Wir fragten Sie damals: Um welche Art der Haftung handelt es sich im vorliegenden Fall? Standen diesen Haftungen Erträge in der Gewinn- und Verlustrechnung gegenüber? Wie werden solche Haftungen von anderen Banken in der Bilanz beurteilt? – Sie aber haben sich einfach zurückgezogen, und Ihre Antwort lautete: Über die laufenden Prüfungen der Bankenaufsicht kann wegen der Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 B-VG keine Auskunft erteilt werden. – Das war Ihre Antwort. Herr Finanzminister! Das war Ihre schriftliche Antwort. (Bundesminister Edlinger: Ich kann ja nichts anderes sagen! – Abg: Koppler: Trattner, das gibt es bei der niederösterreichischen FPÖ nicht!) Wenn Sie schon nicht antworten wollen, dann hätten bei Ihnen spätestens damals die Alarmglocken läuten müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Der Sumpf wird immer tiefer!) Sie waren nämlich laut § 70 Abs. 2 BWG zur Tätigkeit gezwungen. Bei Gefahr in Verzug, wenn die Bank ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann, für den Fall, daß Gläubiger geschädigt werden, müssen Sie handeln. Sie haben aber nichts getan! Sie haben sich immer nur auf die Amtsverschwiegenheit berufen oder den Standpunkt eingenommen, es sei ohnehin alles geprüft. Aber dort hat man sich nicht einmal die Kontoauszüge angeschaut.

Herr Finanzminister! Was sind denn das für Prüfungen? Wenn dort ein Kommissär gewesen wäre, der diese Aufgaben ernst genommen hätte, dann wäre vieles nicht passiert. Jetzt besteht aber die Gefahr, daß 175 Millionen Schilling Anleihen futsch sind!

Wie ist denn das alles entstanden? – Auch da hätten bei Ihnen die Alarmglocken läuten müssen. Da wurde eine Anleihe mit 7,5 Prozent mit einer sehr kurzen Laufzeit aufgelegt. Derartige Dinge allein sind schon sehr bedenklich und bergen ein großes Risiko in sich. Dazu kommt noch, daß 15 Prozent Provision an die Diskont Bank bezahlt werden mußten. Eine 7,5prozentige Refinanzierung, und zwar nicht von Kapital 100, sondern von Kapital 85, entspricht einer Verzinsung von 9 Prozent. Eine Verzinsung von 9 Prozent am Refinanzierungsmarkt ist absolut unüblich. Sie wissen ganz genau, daß man heute Dreimonatsgeld mit einem Drei-Monats-Vibor refinanziert, der derzeit in einer Größenordnung bei 3,65 Prozent liegt.

Sie haben wieder nicht reagiert! Wo war denn die vielgepriesene Wertpapieraufsicht? Einen Riesenbahöl haben wir gemacht: Wir müssen die Wertpapieraufsicht ausgliedern, weil da so viel passiert! Ich denke nur an die Tiroler Loden – Konsortialführer auch wieder Länderbank/Bank Austria – wo den gesetzlichen Regelungen einfach nicht Genüge getan wurde, den Anlegern eine entsprechende Prospektwahrheit zu vermitteln. Die Klagen haben es gezeigt: Die Bank Austria hat ja zahlen müssen, weil die Prospekte damals falsch waren.

Das war auch der Anlaß dafür, die Wertpapieraufsicht zu gründen. Aber was nützt eine Aufsicht, wenn sie zahnlos ist? Und Sie hätten, wenn Sie dort einen Regierungskommissär hineingesetzt hätten, auch verhindern können, daß – laut Bericht der Oesterreichischen Nationalbank – von der Riegerbank 550 Millionen Schilling ins Ausland verschoben werden können. Wenn Sie dort einen Regierungskommissär hineingesetzt hätten, dann hätte dieser auch verhindern können, daß Herr Rieger mit 107 Millionen Schilling Bargeld ins Ausland übersiedelt.

Das ist jetzt die entscheidende Frage: Warum haben Sie dort nicht reagiert? Die entscheidende Frage betrifft aber auch einen weiteren Punkt: Wenn die Bankprüfer, die Wirtschaftsprüfer der jeweiligen Bank es nicht der Mühe wert finden, dort eine effiziente Kontrolle durchzuführen, das heißt, daß sie die Kontrollmitteilungen mit den entsprechenden Kontoauszügen vergleichen, und Sie haben kein Vertrauen zu den Buchprüfern, dann haben Sie laut BWG auch die Möglichkeit, diese Buchprüfer zurückzuziehen. Jede Bank hat eine Meldepflicht, sie hat den Buchprüfer zu Beginn des Jahres zu melden, und Sie haben die Möglichkeit, den Buchprüfer zurückzuziehen.

Warum hat man das damals nicht gemacht seitens der Bankenaufsicht? Damals war ja bekannt, daß ein Buchprüfer an der Riegerbank selbst beteiligt war. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) Wie soll denn das zusammenpassen? Auf der einen Seite ist er beteiligt, auf der anderen Seite soll er das Unternehmen prüfen? Was soll denn der für ein Interesse an einer ordentlichen Prüfung haben? Natürlich wird er alles entgegennehmen, was ihm an Formularen beziehungsweise an Bestätigungen vorgelegt wird.

Nachdem diese Bank also von mehreren Stellen geprüft worden ist, entsteht einfach der Eindruck, daß es sich hier nur um sogenannte Pseudoprüfungen gehandelt hat, um Pseudoprüfungen in dem Sinne, daß hier ein Unternehmen besser dargestellt worden ist, als es tatsächlich ist, wodurch die kleinen Sparer in die Irre geführt worden sind und dort Anleihen gezeichnet haben, während Sie durch Ihre Nichttätigkeit gegen den Gläubigerschutz verstoßen haben, weshalb Sie natürlich seitens des Finanzministeriums beziehungsweise der Bankenaufsicht zur Haftung herangezogen werden müssen. Das ist ganz klar! Wenn Sie nicht dem Gesetz entsprechend handeln, müssen Sie haften! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie waren ja auch ganz klar davon informiert, daß die Oesterreichische Nationalbank dieser Riegerbank immer sehr kritisch gegenübergestanden ist. Wir haben ja damals eine Anfrage gemacht in bezug auf die Riegerbank, nicht auf Vermutung, sondern wir haben eine Anfrage gemacht in bezug auf die Riegerbank. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es kommt schon noch! (Abg. Koppler: Ihr dreht es, wie ihr’s braucht!)

Wir haben eine Anfrage deshalb gemacht, weil es ein oberstgerichtliches Urteil gegeben hat, das eben der Riegerbank damals in der Sache recht gegeben hat. Sie hatte um eine Devisenhandelsermächtigung angesucht. Sie haben das bekämpft bis zum Obersten Gerichtshof, und die Riegerbank hat recht bekommen. Wir haben in dieser Anfrage nur ganz normal gefragt: Wie ist der Stand der Dinge? (Ironische Heiterkeit und lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister! Da muß ich Sie auch ganz ehrlich fragen: Wie stehen Sie jetzt dazu, daß Ihr eigenes oberstes Aufsichtsorgan (Abg. Mag. Stadler: Ist der Androsch ein Freiheitlicher? Ist der Steiner ein Freiheitlicher? – Abg. Koppler: Der Rieger war doch der Informant der Freiheitlichen Partei! Das weiß man ja! – Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Anhaltende lebhafte Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen.), daß der oberste Chef der Bankenaufsicht, Herr Stanzel, mit Rieger sogar Vergleichsgespräche über die Höhe des Schadenersatzes anstrengen wollte? Also, auf der einen Seite ist er ein Gauner, auf der anderen Seite soll man doch über die Höhe des Schadenersatzes reden.

Und eines muß ich Ihnen auch ganz ehrlich sagen – und insofern verstehe ich auch den Masseverwalter nicht –: Da gibt es ein rechtsgültiges Urteil seitens des OGH. Die Höhe des Schadens ist zwar noch nicht ausjudiziert, aber der Masseverwalter hat als solcher sehr wohl die Klagslegitimation, damit der Masse etwas zukommt, damit die kleinen Gläubiger zumindest eine Quote bekommen und nicht leer ausgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie, Herr Koppler, aufgrund Ihrer Rechtsansicht glauben, daß man einfach über Urteile des Obersten Gerichtshofes hinweggehen kann (Abg. Dr. Nowotny: Vor allem nach dem, was Sie jetzt wissen!), dann zweifeln Sie unseren Rechtsstaat an. Das tun wir Freiheitliche ganz sicher nicht! Für uns gilt nach wie vor der gültige Instanzenzug. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wo waren Sie als Bankenaufsicht, nachdem es jetzt auch mit der Diskont Bank Probleme gibt? Die Diskont Bank ist Ihnen ja schon hinlänglich bekannt. Die Diskont Bank müßte Ihnen bekannt sein, Herr Finanzminister, denn sie war ja schon mehrmals unter Aufsicht. Am 7. Dezember 1993 wurde das Unternehmen wegen Gefährdung von Gläubigergeldern unter Aufsicht gestellt; der Betrieb wurde am 28. Feber 1994 wiederaufgenommen. Am 30. März 1994 kam es zur neuerlichen Verhängung einer Aufsicht; diese wurde am 5. April 1994 wieder aufgehoben. Am 7. Juni 1996 wurden die Aktien vom sonstigen Wertpapierhandel zurückgezogen, das Kapital wurde zur Verlustabdeckung um zirka 25 Millionen Schilling abgesenkt. Und diese Diskont Bank bietet jetzt hochverzinste Sparbücher an, und zwar in einer Größenordnung von 4,5 Prozent – auch in österreichischen Tageszeitungen. Diese hochverzinsten Anlagen werden nicht nur seitens einer Tageszeitung, sondern auch vom ORF in der Sendung "Schilling" propagiert, diese hochverzinslichen Sparbücher wurden auch von "GEWINN" und derlei Fachzeitschriften mehr propagiert. Die Diskont Bank sagt: Wir können euch hochverzinste Sparbücher bieten, täglich fällig mit 4,5 Prozent, denn im Hintergrund steht ja ohnedies die Einlagensicherung. – Und das akzeptieren Sie!

Da wird ein Inserat aufgegeben mit 4,5 Prozent, weil im Hintergrund die Einlagensicherung steht – bis 260 000 S kann man locker spekulieren! –, und Sie tun nichts, und auch die Einlagensicherung tut nichts, obwohl Sie genau wissen, welchen Ursprung diese Diskont Bank hat. Der Ursprung war nämlich die sogenannte EffectInvest, und diese EffectInvest ist in sehr starkem Zusammenhang gestanden mit dem European Kings Club. Es ist bekannt, daß dort sehr viele Anleger ihr Geld verloren haben, und Sie schauen diesen Dingen tatenlos zu!

Jetzt auf einmal passiert das mit der Riegerbank und mit der Diskont Bank, und dann kommt der Herr Finanzminister drauf und sagt: Die Bankenaufsicht ist ja wirklich zahnlos!

In der "Presse" vom 21. Oktober 1998 kündigen Sie eine Reform der Bankenaufsicht an: "Sie sei derzeit ,zahnlos’ und sollte schlagkräftiger werden. Es solle aber nicht der Eindruck einer ,Anlaßgesetzgebung’ entstehen, durch welche auf den Fall Rieger reagiert wird, sagte Edlinger."

Herr Finanzminister! Sie hätten schon viel früher reagieren müssen. Ich habe Ihnen am Anfang schon geschildert, welche Fälle wir in Österreich hatten, bei denen Gläubiger um ihr Geld umgefallen sind. Der letzte Fall war die BHI-Bank. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist leider traurig, daß Sie immer wieder einen Fall brauchen, um irgendwelche Gesetzesänderungen anzustrengen. Es geht nicht darum, irgendwelche Gesetzesänderungen anzustrengen, sondern Sie haben die Bankenaufsicht mit entsprechend qualifizierten Leuten zu besetzen, die in der Lage sind, die Kontrollfunktion in einzelnen Banken auszuüben. Die gesetzlichen Regelungen wären derzeit nach Bankwesengesetz ohneweiters gegeben. Sie sind schwer in Verzug. Sie haben nicht gehandelt und damit den Gläubigern einen riesengroßen Schaden zugefügt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und es kann nämlich noch etwas passieren: Daß sich die Einlagensicherung bei der Diskont Bank verabschiedet, und zwar insofern – und dazu möchte ich jetzt gerne Ihre Stellungnahme hören –, als da ein Zinsangebot gemacht wurde, das weit über den marktüblichen Zins hinausgeht, nämlich 4,5 Prozent. Normal bekommt man, wenn man verhandelt, bestenfalls 3 Prozent. Und es steht ganz eindeutig in der Einlagensicherung: Bei Geschäften, die ein hohes Risiko in sich bergen – und dazu gehört eben ein hoher Zinssatz, eine hohe Veranlagungsrendite –, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (fortsetzend): ... kann sich auch die Einlagensicherung zurückziehen. Wenn sich die Einlagensicherung zurückzieht, bin ich gespannt, was Sie tun werden. Werden Sie sich dann auch aus der Haftung hinausbegeben wollen oder werden Sie zu dem stehen, was Sie den kleinen Sparern immer zusagen: Das Geld in Österreich ist ihnen sicher! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem Herrn Bundesminister für Finanzen zum Thema der Dringlichen Anfrage das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß Frau Abgeordnete Dr. Madeleine Petrovic gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt hat, einen Untersuchungsausschuß zur Aufklärung der Vorgänge rund um das Gebäude des Salzburger Mozarteums, insbesondere zur Frage der Schadstoffkonzentration, und weiters zur Klärung der Frage, ob vergleichbare Schadstoffkonzentrationen und Gesundheitsgefährdungen auch in anderen Bundesgebäuden gegeben sind, einzusetzen.

Es liegt in diesem Zusammenhang das von fünf Abgeordneten nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung unterfertigte Verlangen auf Durchführung einer Debatte vor.

Die Debatte und die Abstimmung über diese Frage der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses werden nach Erledigung der Tagesordnung durchgeführt werden.

*****

Nunmehr erhält der Herr Bundesminister das Wort. – Bitte, Herr Finanzminister.

15.24

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist überhaupt keine Frage, daß ein funktionsfähiges Bankwesen für jede entwickelte Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung ist und daß es zur Ausübung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit eine Vielzahl von gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt, die international vergleichbar sind und sich auch laufend weiterzuentwickeln haben. Diese Regelungen sollen einerseits die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft erhalten und wirtschaftlich unvernünftiges Verhalten einzelner Marktteilnehmer verhindern.

Selbstverständlich ist in jedem modernen Wirtschaftssystem auch die Bankenaufsicht als System an die jeweils aktuelle Entwicklung anzupassen. Seit dem Frühjahr 1998 wird daher an einer Veränderung im Bereich der Bankenaufsicht mit dem Ziel der Ausgliederung gearbeitet. Diese Veränderungen sind auch vor dem Hintergrund der Verwaltungsreform zu sehen und sollen den geänderten Bedingungen am österreichischen Kapitalmarkt Rechnung tragen.

Es wurden aber auch – und die Anfrage richtet sich in einem Teil auch sehr konkret darauf – bereits laufend Verbesserungen vorgenommen. So wurden natürlich die Anregungen des Rechnungshofberichtes 1993 aufgegriffen. Auch die von mir veranlaßte Schaffung der Bundeswertpapieraufsicht hat die Finanzaufsicht in Österreich entscheidend verbessert.

Es ist aber nicht – und das möchte ich schon dezidiert sagen – die Bankenaufsicht alleine, die das Funktionieren der österreichischen Banken und damit den Anlegerschutz sicherstellen soll. Es kommt dabei auf das Zusammenspiel mehrerer Beteiligter an, die arbeitsteilig und in Zusammenarbeit die Systemsicherung zu gewährleisten haben. Dazu gehören natürlich die Geschäftsführung, die interne Revision der Banken, der Aufsichtsrat, die Wirtschaftsprüfer, die letztendlich die Bilanzen zu prüfen haben und den Bestätigungsvermerk erteilen, die Bankenaufsicht und natürlich auch die Gerichte, die allfällige Unregelmäßigkeiten zu verfolgen haben.

Die Bankenaufsicht ist eine Wirtschaftsaufsicht und keine Polizei- und Kriminalaufsicht. Wir wissen alle, daß selbst das beste Regelwerk kriminelles Verhalten von Marktteilnehmern letztendlich nie ausschließen kann. Der Fall Rieger – und ich glaube, das kann man ohne Probleme behaupten – ist ein Kriminalfall. Die Gläubiger der Bank sind nicht durch fehlgelaufene Bankgeschäfte geschädigt worden, sondern sie sind Opfer eines Verbrechens. Und es war die Bankenaufsicht – und das möchte ich schon auch in aller Deutlichkeit feststellen –, die letztendlich den Kriminalfall Rieger aufgedeckt hat. (Abg. Mag. Stadler: Der Androsch in der "Kronen-Zeitung" ...! – Abg. Haigermoser: Der "NEWS"-Reporter hat ihn zurückgebracht, den Herrn, von seiner Reise! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich habe Herrn Mag. Trattner sehr aufmerksam zugehört, wie das unter zivilisierten Menschen üblich ist. Sie fragen mich ja etwas. Ich habe mir eigentlich gedacht, daß es nicht zuviel verlangt ist, wenn Sie mir jetzt zuhören, und Sie können sich dann melden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wir wollen nur Irrungen verhindern!) Wenn Sie mich nämlich nicht antworten lassen, dann habe ich eher den Eindruck, daß Sie politisches Kleingeld wechseln wollen, und dafür ist das Parlament zu schade. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Herr Minister! Wir wollen bei Ihnen nur Irrungen vorbeugen! – Abg. Haigermoser: Eine Milliarde ist kein Kleingeld!) – Nein, durch Ihr Verhalten wollen Sie politisches Kleingeld einwechseln. Lassen Sie mich Ihre Fragen beantworten – oder sind Sie daran nicht interessiert? (Abg. Mag. Schweitzer: Nein, wir wollen nur Irrungen vorbeugen! – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: So, jetzt ist der Herr Bundesminister für Finanzen am Wort, denn die Geschäftsordnung schreibt vor, daß, wenn etwas gefragt wird, auch eine Antwort erfolgt. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger (fortsetzend): Ich bin gerne bereit, den Gedanken, warum ich der Meinung bin, daß die Bankenaufsicht den Kriminalfall aufgedeckt hat, auch auszuführen, wenn Sie mir gestatten, dies zu tun. (Abg. Mag. Schweitzer: Ich ersuche Sie höflich! – Abg. Marizzi: Geh, Schweitzer, sei einmal ruhig!)

Seit Juli 1997 hat nämlich die Bankenaufsicht eine Reihe von verschiedenen Anzeigen gegen die Riegerbank eingebracht – das ist dokumentiert, das ist klar, ich werde darauf auch noch zurückkommen –, die meisten davon seit dem Frühjahr 1998, als sich die Hinweise auf gravierende Unregelmäßigkeiten verdichteten. So hat die Bankenaufsicht bereits Anfang März 1998 eine Anzeige wegen Verdachtes auf Bilanzfälschung bei der Staatsanwaltschaft Wien erstattet. Leider findet die erste Hauptverhandlung, wie ich höre, erst am 9. November dieses Jahres statt.

Nach dem Aufkommen weiterer Verdachtsmomente hat die Bankenaufsicht Anfang August 1998 einen Wirtschaftsprüfer beauftragt, im Auftrag und auf Kosten des Bundes gleichzeitig in allen Geschäftsstellen der Riegerbank im In- und im Ausland eine physische Prüfung auch der Barbestände und der Bankguthaben durchzuführen. Zuletzt hat die Bankenaufsicht Rieger als Vorstand abberufen und ihm mit Konzessionsentzug gedroht. Sie hat ihn – und das kann man den Medien entnehmen, das sagt auch Rieger selbst – schließlich zur Flucht veranlaßt, womit faktisch die Situation, wie wir sie jetzt vorfinden, entstanden ist.

Das heißt, daß das Kontrollsystem an sich selbstverständlich funktioniert hat. Die Frage ist nur: Wie schnell kann es da zu realistischen Konsequenzen kommen? (Abg. Mag. Stadler: Weil er geflohen ist! – Abg. Aumayr: Das ist aber entscheidend!) – Das ist entscheidend. Darin gebe ich Ihnen völlig recht.

Die Bankenaufsicht kontrolliert in einem sehr sensiblen Bereich, und ich möchte doch auch feststellen, daß sie selbstverständlich im Gefolge mit anderen, vor allem mit Wirtschaftsprüfern, eine sehr essentielle Verantwortung und Aufgabe hat, aber ich kann eine Bankenaufsicht nicht so strukturieren, daß sie letztendlich in jeder Geschäftsführung einer Bank vorsätzlich kriminelle Machenschaften vermutet, sondern es muß ganz einfach auf dieses mehrschichtige System der Kontrolle, das ineinandergreift und bei dem der Wirtschaftsprüfer eine essentielle Bedeutung hat, Rücksicht genommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde auf weitere Details bei der Beantwortung der einzelnen Fragen eingehen. Ich bitte Sie aber um Verständnis dafür, daß ich dabei in ein laufenden gerichtliches Verfahren nicht eingreifen darf und auch nicht eingreifen will. Ich bitte Sie weiters auch um Verständnis dafür, daß der Bundesminister für Finanzen bei einer solchen Anfragebeantwortung selbstverständlich auch die Grenzen, die durch das Bankgeheimnis gesetzt sind, zu beachten hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Bevor ich auf die 31 Fragen im einzelnen eingehe, möchte ich gerne eine Frage beantworten, die zwar nicht dezidiert gestellt wurde, die mir aber wichtig zu sein scheint, nämlich die Frage, ob auf die Bankenaufsicht in irgendeiner Form politischer Druck ausgeübt wurde, ihre Kritik an der Riegerbank einzustellen.

Ich muß Ihnen mitteilen, daß es aus meiner subjektiven Einstellung solche Versuche gab. Im Mai 1997 wurde in einer Presseaussendung behauptet, daß die OeNB und die Bankenaufsicht im Zusammenhang mit den devisenrechtlichen Verfahren – ich zitiere – "keine Gelegenheit ausläßt, um die Vertrauenswürdigkeit der Riegerbank AG in Zweifel zu ziehen." In dieser Presseaussendung wurde die OeNB aufgefordert, alles daranzusetzen, um der Riegerbank das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit nicht zu verwehren. (Abg. Schwarzenberger: Wer war das?) Diese Zitate sind in der APA-Aussendung vom 14. Mai 1997 unter dem Suchbegriff "F", FPÖ/Haider, also als Presseaussendung der FPÖ, nachzulesen. (Oh-Rufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Wo ist denn Haider?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich überlasse es Ihrem weisen Urteil, welche Partei in den letzten Jahren immer wieder öffentlich als Fürsprecher der Riegerbank in Erscheinung getreten ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Bankenaufsicht ist FPÖ-Sache!)

Nun zu den konkreten Einzelfragen. (Abg. Mag. Stadler: Androsch ist ein Freiheitlicher! Türke ist ein Freiheitlicher! Fuhrmann ist ein Freiheitlicher! Steiner ist ein Freiheitlicher!) – Nein, ich habe Herrn Dr. Haider zitiert. Er dürfte noch ein Freiheitlicher sein, glaube ich. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Du bist ein verdeckter Freiheitlicher!) – Sie haben völlig recht: Ich bin ein freiheitsliebender Sozialdemokrat. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haigermoser: Da ist aber jetzt ein Widerspruch drinnen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wende mich nun den detaillierten Fragen, die Sie gestellt haben, zu und bitte zunächst einmal, die Fragen 1, 2, 28, 29 und 31 zusammenfassen zu dürfen.

Ich möchte zu diesem Fragenkomplex festhalten, daß der Kriminalfall Rieger von der Bankenaufsicht aufgedeckt wurde. Im Jahre 1993 wurde vom Rechnungshof insbesondere angeregt, mehr Personal einzusetzen, die Kontrollen zu verbessern und vor Ort Prüfungen durchzuführen. (Abg. Aumayr: 1993!) Diese Anregungen wurden auch aufgegriffen. Seit 1994 kann das Finanzministerium die Notenbank mit Vor-Ort-Prüfungen beauftragen. Die Nationalbank hat dazu ein Prüferteam von 25 Prüfern geschaffen. Schließlich wurde durch eine Novelle zum Bankwesengesetz die Nationalbank beauftragt, Risikomodelle zu erarbeiten. Dadurch wurden die Kontrolle und auch das Frühwarnsystem verbessert. Auch die Schaffung der Bundeswertpapieraufsicht hat die Finanzaufsicht in Österreich entscheidend verbessert.

Ich betone noch einmal, daß der Fall Rieger ein Kriminalfall ist. Die Aufgabe der Bankaufsicht ist es, für ein funktionsfähiges Bankwesen Sorge zu tragen. Die Bankenaufsicht ist daher eine Wirtschaftsaufsicht. Zur Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit von Banken gibt es eine Vielzahl von gesetzlichen Rahmenbedingungen, die international vergleichbar sind und sich laufend weiterentwickeln. Diese Normen sollen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft wirtschaftlich unvernünftiges Verhalten einzelner Marktteilnehmer verhindern.

Selbst – das möchte ich auch feststellen – das beste gesetzliche Regelwerk kann jedoch kriminelles Verhalten von Marktteilnehmern nicht ausschließen. Angesichts der Tatsache, daß sich der Hauptverdächtige in Haft befindet und bisher jede Mithilfe an der Aufklärung verweigert hat, kann aufgrund dieses Falles zurzeit keine wie immer geartete Aussage über allfällige Fehler im gesamten Aufsichtssystem getroffen werden. Über Schuldfragen und Haftungsfragen werden die Gerichte entscheiden. Ich kann in dieser Situation die Ergebnisse dieser Verfahren nicht durch Aussagen präjudizieren. Im übrigen verweise ich auf meine einleitenden Ausführungen.

Zur Frage 3:

Die Bankenaufsicht ist ein komplexes System, welches weiterhin laufend verbessert wird. Seit einem Jahr wird an einer kompletten Reform der Aufsicht über den Finanzbereich gearbeitet. Dies hat jedoch mit dem Anlaßfall Rieger nichts zu tun.

Zur Frage 4:

Auf Antrag von Gastberger und Rieger um Erteilung einer Wechselstubenkonzession vom 17. März 1981 wurden diesen mit Bescheid vom 2. Dezember 1981 die Genehmigung für den Betrieb des Devisen- und Wechselstubengeschäftes erteilt. Am 26. Mai 1986 ersuchte die Riegerbank um Konzessionserweiterung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 5. Februar 1987 abgewiesen, jedoch durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben. Aufgrund dieses Erkenntnisses mußte das anhängige Konzessionserweiterungsverfahren mit einer Konzessionserweiterung abgeschlossen werden. Mit Bescheid vom 2. September 1991 wurde daher die bisherige Konzession auf folgende Geschäfte erweitert: Diskontgeschäft, Effekten- und Depotgeschäft, Devisen- und Valutengeschäft, Wechselstubengeschäft, Vermittlungsgeschäft und als Hilfsgeschäfte für das Effekten- und Depotgeschäft das Einlagengeschäft – ausgenommen Spareinlagen, Girogeschäft und Kreditgeschäft.

Zur Frage 5:

Die Voraussetzungen werden beim Unternehmen geprüft. Zum damaligen Zeitpunkt hat das Unternehmen die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.

Zur Frage 6:

Über eine Funktion Dr. Fuhrmanns bei der Konzessionserteilung ist mir nichts bekannt. (Abg. Mag. Stadler: Aber geh, Herr Minister!) Sie fragen mich danach, und mir ist nichts bekannt. (Abg. Mag. Stadler: Sie lesen keine Zeitung, Herr Minister?) Ich lese viele Zeitungen, aber wenn ich alles glaube, was in den Zeitungen steht, dann würde ich alt werden. (Beifall bei der SPÖ.) Also mir ist nichts bekannt! (Abg. Mag. Stadler: Sie glauben nur Ihren eigenen Zeitungen!)

Zur Frage 7:

Diesbezüglich ist nichts aktenkundig und ist auch mir nichts bekannt.

Zur Frage 8:

Gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Bankwesengesetzes, § 42, müssen Kreditinstitute selbst eine interne Revision einrichten, was beim gegenständlichen Institut auch geschehen ist.

Zur Frage 9:

Das computerisierte Frühwarnsystem wird auf alle Kreditinstitute angewendet. Ein Computer kann allerdings nur das analysieren, was vorher eingegeben wurde. Das zugrundeliegende Datenmaterial wird von einem Wirtschaftsprüfer begutachtet. Fälschungen waren der Aufsicht nicht ersichtlich.

Zur Frage 10:

Von 1993 bis 1995 die Eurovision Internationale TreuhandgesmbH und von 1996 bis 1997 die Professoren Herbert Schuster, Dkfm. Walter Türke und Mag. Peter Grotschar. All diese Berichte sind jeweils von Dkfm. Walter Türke gezeichnet worden.

Zur Frage 11:

Aus den dem Bundesministerium für Finanzen vorliegenden Unterlagen ist keine Beteiligung ersichtlich.

Zur Frage 12:

Nach Vorliegen konkreter Verdachtsmomente erging umgehend der schriftliche Auftrag an Ernst & Young, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei, zur Durchführung einer Vor-Ort-Prüfung in der Zentrale und in allen Wechselstuben im In- und Ausland und gleichzeitig zur Feststellung des Kassenbestandes und der Bankguthaben. Der Wirtschaftsprüfer selbst hatte vorher keine Gründe erkannt, die zu einer solchen Überprüfung geführt hätten.

Zur Frage 13:

Die Gebarung selbst wurde unauffällig gestaltet. Verdachtsmomente auf kriminelles Verhalten tauchten erstmalig im Februar dieses Jahres auf, und es wurde umgehend eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft gemacht. Darüber hinaus wurde eine Reihe von aufsichtsbehördlichen Maßnahmen in die Wege geleitet.

Zur Frage 14:

Zunächst einmal ja. Persönlich halte ich folgende Anzeigen für wesentlich, und ich möchte sie hier auch mitteilen: am 2. März 1998 an die Staatsanwaltschaft Wien wegen § 255 Aktiengesetz Verdacht auf Bilanzfälschung, am 16. Juli 1998 an die Staatsanwaltschaft Wien wegen der Anleihe, Irreführungsabsichten, am 31. Juli an die EDOK wegen Geldwäsche, am 5. Feber 1998 wegen Geldwäsche in Verbindung mit Rieger, am 5. März 1998 bei der BWA wegen der Anleihe, am 13. Mai 1998 wieder bei der BWA wegen der Anleihe und am 7. Jänner wegen unbefugten Betriebes von Bankgeschäften.

Die sonstigen Anzeigen an die gleichen zuständigen Behörden betrafen den gleichen Sachverhalt beziehungsweise enthielten ergänzende Informationen. Die Verfahren laufen, daher kann ich dazu keine abschließende Aussage treffen.

Zu den Fragen 15 und 16:

Nachdem im Juli 1997 dem Bundesministerium für Finanzen bekannt wurde, daß die Bank Austria ihre Kreditforderungen gegenüber der Riegerbank fällig stellte und mit einer Klagseinbringung drohte, wurde die Riegerbank unverzüglich beauftragt, einen Vermögensstatus der Riegerbank vorzulegen. Dieser war von einem Wirtschaftsprüfer zu erstellen, welcher nicht identisch mit dem aktuellen Bankprüfer der Riegerbank AG war.

Der Bund hat an Dr. Staribacher keinen Prüfungsauftrag erteilt. Das Mandat zur Erstellung des angeforderten Gutachtens erteilte die Riegerbank selbst an die Centurion Wirtschaftsprüfungskanzlei Dr. Staribacher.

Unmittelbar nach Klagseinbringung der Bank Austria gegen die Riegerbank AG wurde die Riegerbank aufgefordert, das Gutachten Staribachers über den Vermögensstatus der Riegerbank für den Fall der Liquidation zu aktualisieren. Der von der Bankaufsicht an Ernst & Young vergebene Prüfantrag bewirkte schließlich das Aufdecken der kriminellen Handlungen Riegers.

Zur Frage 17:

Der Auftrag an die Riegerbank lautete dahin gehend, dem Bundesministerium für Finanzen einen Vermögensstatus auf Basis der vom Wirtschaftsprüfer für richtig befundenen Daten im Falle der Liquidation der Riegerbank per 31. Dezember 1996 zu erstellen. Der Auftrag umfaßte nicht die Prüfung der einzelnen Belege, weil zum damaligen Zeitpunkt kein Anlaß bestand, die vom Wirtschaftsprüfer gelieferten Daten anzuzweifeln.

Zu den Fragen 18 und 19:

Im Bereich der Bankenaufsicht hat Dr. Staribacher vom Bundesministerium für Finanzen keinen Prüfungsauftrag erhalten. Nach den mir vorliegenden Informationen war Dr. Staribacher als Prüfer bis 1994 bei der ATW, weiters bis 1995 und wieder seit 1997 bei der PSK sowie auf Beschluß der Bundesregierung bis 1994 bei der OeNB. Darüber hinaus ist Dr. Staribacher Prüfer für die Parteienförderungen an die SPÖ.

Zur Frage 20:

Nein. Der Regierungskommissär ist deswegen bestellt worden, weil durch die Flucht von Wolfgang Rieger und das spurlose Verschwinden sämtlicher Buchhaltungsunterlagen eine Gefährdung für die Gläubiger entstanden ist.

Zur Frage 21:

Über personelle Verflechtungen zwischen den Banken ist der Bankenaufsicht nichts bekannt. Die Diskont Bank hat im Jahre 1998 den Vertrieb der Rieger-Anleihe übernommen.

Zur Frage 22:

An der Diskont Bank AG besteht derzeit keine qualifizierte Beteiligung. Daher sind die Aktionäre dem Bundesministerium für Finanzen nicht bekanntzugeben. Sämtliche Aktien der Riegerbank AG sind von der Wolfgang Rieger Privatstiftung erworben worden.

Zu den Fragen 23 und 24:

Die Begebung von Anleihen ist seit 1. Jänner 1992 nicht mehr bewilligungspflichtig. Die Mitwirkung des Bundesministeriums für Finanzen oder der Bundeswertpapieraufsicht an der Begebung von Anleihen ist somit nicht vorgesehen. Dessen ungeachtet hat das Bundesministerium für Finanzen Anfang Juli 1998 Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien erstattet, da die Riegerbank AG mit ihrer Anleihe den Eindruck einer Bankanleihe erweckt hat und sohin der Verdacht einer Täuschung im strafrechtlichen Sinne nicht auszuschließen war.

Im Zuge der Anzeige wurde darauf hingewiesen, daß den Gläubigern dieser Anleihe eine Verzinsung in der Höhe von 7,5 Prozent und der mit dem Exklusivbetrieb dieser Anleihe betrauten Diskont Bank eine Verkaufsprovision eingeräumt wurden.

Zur Frage 25:

Die Begebung von Anleihen ist generell nicht an eine Bankkonzession gebunden. Auch Nichtbanken dürfen ebenfalls ohne eine gesonderte behördliche Bewilligung Anleihen begeben. Die Riegerbank AG benötigte für die Begebung keine Konzession, da diese Tätigkeit nicht als Bankgeschäft zu qualifizieren war.

Zur Frage 26:

Laufende Verfahren unterliegen dem Amtsgeheimnis. Das Bundesministerium für Finanzen führt die notwendigen Verfahren durch. Nach deren Abschluß werden die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen getroffen werden.

Zur Frage 27:

In den gesetzlich vorgesehenen Meldungen an das Bundesministerium für Finanzen wurde die Euro-Invest weder als Eigentümer der Riegerbank AG noch der Diskont Bank AG genannt. Bezüglich der Diskont Bank AG ist jedoch darauf hinzuweisen, daß eine gesetzliche Meldepflicht erst ab einer qualifizierten Beteiligung von 10 Prozent besteht, sodaß für darunterliegende Beteiligungen keine Meldungen an das Bundesministerium für Finanzen zu erstatten sind.

Zur Frage 30:

Der Bankplatz Österreich ist immer in Verbindung mit dem Bankplatz Europa zu sehen. Änderungen können daher nur im Gleichklang mit den anderen Staaten durchgeführt werden. Österreich hat immer darauf geachtet, mindestens den europäischen Standard zu haben. In diesem Zusammenhang sind derzeit die aufgrund der Anlegerentschädigungsrichtlinie notwendigen Anpassungen des BWG, des WAG und des Depotgesetzes im Begutachtungsverfahren. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir gehen in die Debatte ein. Die Redezeiten sind bekannt, auch die Klubredezeiten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

15.50

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich eingangs auf das polemische Statement des Herrn Finanzministers eingehen (ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), der meinte, die Freiheitliche Partei hätte zugunsten der Riegerbank interveniert.

Herr Bundesminister! Man braucht nur unsere Unterlagen genau nachzulesen, und wenn Sie zitieren, dann möchte ich auch etwas zitieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.) – Ja, Herr Kollege, das können Sie nachher sagen, ich habe nicht so viel Zeit für diesen Schmus. Hören Sie mir lieber zu!

Herr Bundesminister! Wir haben für Sie zitiert, was Höchstgerichte festgestellt haben, und das muß man einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und da Sie es nicht verlesen haben, lese ich es Ihnen vor:

"Es darf daher nicht überraschen, daß alle drei Instanzen, das Erstgericht am 11. Jänner 1994, das Berufungsgericht am 21. November 1994 und das Höchstgericht am 17. Oktober 1995, übereinstimmend feststellten, daß der Riegerbank durch den schuldhaft rechtswidrig zustande gekommenen Bescheid der OeNB die Möglichkeit entzogen wurde, aus dem Devisenhandel Gewinne zu erzielen."

Begründet wurde dieses Urteil damit ... (Abg. Dr. Nowotny: Sind Sie wirklich davon überzeugt? Glauben Sie das wirklich?) – Hören Sie einmal zu, Herr Kollege! (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Nein, Sie wollen nicht zuhören! (Abg. Dr. Khol: Warum sind Sie denn so nervös?) Sie wollen nicht zuhören, das ist das Problem. (Abg. Dr. Khol: Sprechen Sie zu uns!)

Begründet wurde dieses Urteil damit, daß das festgestellte Gesamtverhalten der Organe der OeNB als nicht mehr vertretbar beurteilt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das steht drin, Herr Bundesminister! Das haben Sie nicht verlesen, und das wollen auch Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, obwohl so viele Personen von Ihnen involviert sind, nicht zur Kenntnis nehmen. Selbst die ÖVP wirft Ihnen diesbezüglich einen kleinen Prügel hin und spricht von mindestens sechs Personen, die auf SPÖ-Seite in diesen Skandal verwickelt waren.

Aber kommen wir auf die anderen Punkte zurück. Herr Kollege Lukesch! Die österreichischen Anleger sind verunsichert, das ist das Problem. 59 Prozent der Österreicher glauben, daß die Sparer und Anleger durch die Affäre der bankrotten Riegerbank zu keinem Geld kommen werden. Das ist die neueste Umfrage, die heute veröffentlicht wurde, aber der Herr Finanzminister stellt sich her und sagt: Ja, mehr konnte man eigentlich nicht machen. (Abg. Dr. Krüger: Er lobt die Bankenaufsicht sogar!) – Ja, er lobt die Bankenaufsicht.

Herr Bundesminister! Das ist mir zu wenig! Mit Verlaub gesagt, Herr Bundesminister, das kann es wohl nicht sein. Wenn es so war, Herr Bundesminister (Abg. Koppler: Tust dir schon hart, Firlinger!), daß Sie bereits im Jahr 1994 die Weichen gestellt haben, damit dieser umfangreiche Prüfungsmechanismus in Gang gesetzt werden konnte, dann frage ich mich: Warum hat die Aufsicht erst frühestens Ende 1997 eingesetzt, warum nicht früher? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie das Instrument schon 1994 eingesetzt haben, warum wurde dann erst 1997 leicht und 1998 mit Akribie geprüft? – Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. (Abg. Dr. Haider: Zehn Jahre falsch bilanziert!)

Es geht mir auch noch um etwas anderes: Die Wirtschaftsjournalistin Bettina Schragl, die nicht irgendein Wald- und Wiesenblatt vertritt, sondern immerhin eine angesehene Wirtschaftszeitung, hat dieses Problem ganz zutreffend umschrieben. Sie hat gesagt: Wolfgang Rieger war auch ein Banker, gegen den das Finanzministerium im Sommer Anzeige wegen Verdachtsmomenten bei der begebenen Anleihe eingebracht hat und der trotzdem weiter am Markt nach Kapital für seine Bank suchen durfte. – Das ist das Kernproblem! Denn daraus resultiert, daß jetzt wahrscheinlich eine zweite Bank vor die Hunde geht und die Anleger Sturm bei der Einlagensicherung laufen, weil sie nicht wissen, ob sie ihre Wertpapierdispositionen herausbekommen. – Dabei handelt es sich immerhin um Milliardenbeträge.

So einfach kann man sich das jetzt nicht machen. Es wurden Versäumnisse begangen, und alles dreht sich plötzlich im Kreis. Die Bankenaufsicht sagt: Ja, wir haben eigentlich lange Zeit nichts vorgefunden. Die Oesterreichische Nationalbank, vertreten durch Herrn Wala, sagt im Radio: Ich habe nicht prüfen dürfen. Herr Androsch sagt (Abg. Mag. Stadler: Ich habe nichts gesehen!): Ich habe keine ausgelackten Zahlen festgestellt. – So dreht sich das im Kreis, und die Bankenaufsicht beruft sich wieder darauf, daß es einen Wirtschaftsprüfer gegeben hat.

Das Karussell geht nie zu Ende. (Abg. Mag. Stadler: Der war an der Bank beteiligt!) – Ja, der war auch noch mit ein paar Prozentlein an der Bank beteiligt, nur mit ein paar Prozenterln. Niemand hat es der Mühe wert gefunden, sofort – weil Gefahr im Verzug ist – zu intervenieren.

Herr Bundesminister! Da können Sie mir nicht erzählen, daß das System tätig war und gewerkt hat. – Es hat schon gewerkt, aber zu langsam und zu oberflächlich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: ... die kleinen Sparer und die kleinen Anleger!)

Dann wäre noch interessant, Herr Bundesminister, folgendes zu wissen: Es gibt einen Herrn Topolanek, der jetzt eine Firma betreibt, die Euro-Invest heißt. Dieser hat seinerzeit die Aktien an der EffektInvest auf den Markt gebracht und hat jetzt anscheinend ein Nominale in der Höhe von 81 Millionen Schilling um den Preis von 1 Million Schilling bekommen. Das ist Mitte Oktober in letzter Minute geschehen. Jetzt prüfen Ihre Organe, und Sie sagen: Das ist ein laufendes Verfahren, ich kann nicht eingreifen – das war sinngemäß Ihre Aussage –, ich kann nichts sagen. – Da geht es aber um etwas, da geht es nämlich darum, wie auch die Republik dazu beitragen kann, daß die Konkursquote höher und der Anleger entsprechend bessergestellt wird. Darum geht es, und da haben Sie sehr wohl die Pflicht einzugreifen, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Viele Fragen bleiben offen, viele Fragen wurden nicht behandelt, Herr Bundesminister! (Abg. Dr. Haider: Nur die Kleinen und Betroffenen wie bei der BHI-Bank!) Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß es Ihr Ministerium ist, das die Aufsicht hat, und bitte nehmen Sie auch die jetzt von wirklich kompetenter Seite geäußerten Vorschläge, wie man diese allumfassende Kapitalmarktaufsicht inszenieren und institutionalisieren kann, ernst. Sorgen Sie aber auch dafür, daß ein Herr Sellitsch nicht sagen kann, die Versicherungen sollen nicht in die "Allfinanzaufsicht" eingebunden werden, denn die hätten immer ihr Bestes gemacht.

Dazu müßten jetzt alle ja sagen, denn sonst wird eine Kapitalmarktaufsicht in diesem Lande nicht funktionieren, und das wäre schlecht für den Finanzplatz Österreich. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte.

15.57

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ, Sie wissen, wir sind manchmal sehr kritisch gegenüber Ihren Anfragen, aber heute möchte ich Ihnen meinen Respekt ausdrücken. (Abg. Haigermoser: Das ist gefährlich, bitte!) Sie haben mit Herrn Abgeordneten Trattner tatsächlich den richtigen Mann für diese Anfrage gefunden (Beifall bei der ÖVP), denn niemand in diesem Haus kennt Herrn Rieger so gut wie Herr Abgeordneter Trattner. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schließlich hat sich Herr Trattner mit Herrn Rieger oft genug getroffen. Wie das Journal "Format" beschreibt, haben Sie sich unter dem wohlwollenden Auge des Nachtklubkönigs Bachheimer in einer Bar mit dem schönen Namen "Claire-Bar" getroffen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Trattner, ich darf Sie zitieren: Trattner wörtlich: "Ich habe Wolfi mit einigen Kollegen aus dem Parlamentsklub in der ‚Claire‘ nur privat getroffen." – Dazu kann ich nur sagen: Viel Vergnügen, Herr Trattner! (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. – Weitere lebhafte Zwischenrufe. – Abg. Mag. Stadler: Schweinsbraten mit Spinat haben sie gegessen!) Waren Sie auch dabei? – Offensichtlich! Herr Stadler war auch dabei, er weiß all das.

Nun muß ich folgendes dazusagen: Es ist jedem überlassen, mit wem er sich trifft, wo er sich trifft, das muß man sich eben selbst aussuchen. (Abg. Haigermoser: Einen Schweinsbraten haben sie gegessen! Ein Gansl haben sie gegessen!) Herr Kollege Trattner! Ihr Freund Wolfi sei Ihnen vergönnt, problematisch wird es aber, wenn Sie diese Freundschaft in politische Aktionen umsetzen, und genau das haben Sie getan. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Eines ist bemerkenswert, und es ist witzig, daß Sie sich heute darauf berufen (Zwischenruf des Abg. Haigermoser): Am 15. Mai 1998, also noch gar nicht so lange her, haben die Abgeordneten Trattner, Böhacker und Firlinger, also sozusagen der Freundeskreis Rieger in der FPÖ, eine Entlastungsanfrage für Herrn Rieger und eine Anfrage gegen die Bankenaufsicht gestellt.

Heute stellt die FPÖ wieder eine Dringliche Anfrage und behauptet die Untätigkeit des Finanzministeriums. – Also dazu kann man nur sagen: Da schreit einer: Haltet den Dieb! Seriös ist das jedenfalls nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Trattner! Vielleicht haben Sie vergessen, was Sie in Ihrer Anfrage vom 15. Mai 1998 gefragt haben. Die Frage Nummer 8 hat zum Beispiel gelautet – denn Sie sagen, da gab es eine Anzeige; das ist eben eine Anzeige der Bankenaufsicht gewesen –: "Halten Sie die Anzeige der Bankenaufsicht für angemessen?" – Offensichtlich halten Sie sie nicht für angemessen. – Heute fragen Sie: Warum ist sie so spät gekommen? – Herr Kollege Trattner! Ihr Kurzzeitgedächtnis läßt sehr nach! (Beifall bei der SPÖ.)

Der nächste Punkt war – es kommt dann schon die Begründung –: Können Sie ausschließen, daß die Vorgangsweise der Bankenaufsicht in keinem Zusammenhang mit dem Verfahren der Riegerbank/Nationalbank betreffend die Erteilung der Devisenhandelsermächtigung steht? – Das heißt, Sie wollten sagen: All das ist nur eine böse Retourkutsche der Notenbank, das Finanzministerium hat falsch gehandelt. – Heute fragen Sie: Warum haben Sie nicht früher gehandelt? – Herr Kollege Trattner! Das ist, so glaube ich, ein klassisches Eigentor, das Sie sich hier geschossen haben.

Nun muß man natürlich schon dazusagen – das sagen Sie auch selbst –, Sie waren ja nicht allein in dem Freundeskreis Rieger, sondern da gibt es eine politische Vorgeschichte. Schon am 14. Mai 1997 gab es eine Dringliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Haider, in der er sich auch mit der Riegerbank beschäftigt – aber nicht so wie heute, wo Sie sagen, da gäbe es angeblich Versäumnisse, sondern – Sie haben all das vor sich – Titel dieser Anfrage in bezug auf die Riegerbank war: "Wettbewerbsverzerrung". Sie sagen, das Verhalten der OeNB in Zusammenhang mit der Riegerbank sei skandalös! (Ah!- und Oh!-Rufe bei der SPÖ.) Warum war es skandalös? – Ich zitiere wortwörtlich – man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen –: Wie die Leitung der OeNB vorgeht, zeigt das nun mehr als ein Jahrzehnt andauernde Bemühen, alles daranzusetzen, um der Riegerbank das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit zu verwehren. (Abg. Mag. Stadler: Sind Sie gegen Grundrechte?) – Milliardenbetrug ist also in Ihren Augen die Freiheit der Erwerbstätigkeit! Meine sehr geehrten Damen! Auf diese Freiheit im Sinne der FPÖ können wir verzichten! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Sind Sie Jurist, Herr Nowotny? Sind Sie Jurist? Dann werden Sie wohl wissen, was ein OGH-Erkenntnis ist!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein lieber Herr Stadler! Gegen diese Anfrage helfen alle juristischen Tricks nichts. Das ist die Freiheit der Erwerbstätigkeit, die Sie meinen, und diese müssen Sie beurteilen. Lieber Herr Stadler! Sie können vielleicht auch dem Freundeskreis Rieger beitreten (Abg. Mag. Stadler: Nein, will ich nicht, aber ich bin wenigstens soweit, daß ich weiß, was ein OGH-Erkenntnis ist!), aber es ist ein bißchen spät dazu. Da waren andere schon vorher da. Haider war viel früher beim Freundeskreis Rieger, das können Sie nicht mehr nachholen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit wir sozusagen versuchen, aus dieser Anfrage auch weitere Schlüsse zu ziehen, möchte ich doch auch einige Überlegungen zur grundsätzlichen Entwicklung der österreichischen Bankenaufsicht anstellen.

Erstens – das ist mir wichtig – möchte ich betonen: Das österreichische Bankensystem ist solid, das österreichische Bankensystem ist in Ordnung. Wenn es in den letzten Jahren Probleme gegeben hat, so waren das Randerscheinungen kleiner, problematischer Unternehmen. Wenn ein Reinigungsprozeß einsetzt, dann sage ich ganz offen, daß dieser Reinigungsprozeß für den österreichischen Kapitalmarkt nur gut ist und man ihn auch überhaupt nicht verhindern sollte. (Abg. Mag. Firlinger: Sagen Sie das den kleinen Anlegern heute, Herr Nowotny! Die haben kein Verständnis dafür!) – Dazu komme ich auch noch.

Herr Kollege Firlinger! Es ist richtig: Es gibt neben dem Betrüger – neben dem offensichtlichen Betrüger, er ist noch nicht verurteilt – auch unschuldige Opfer dieses Betrugs. Es ist im Interesse des Bankplatzes Österreich, daß streng nach den vereinbarten Spielregeln vorgegangen wird. Das heißt: Dort, wo es über die Einlagensicherung Entschädigungsansprüche gibt, sollen diese Ansprüche rasch und unbürokratisch erfüllt werden. Ich bin allerdings dagegen – ich sage das auch ganz offen –, nachträglich die Spielregeln auf Kosten der Steuerzahler und auf Kosten der übrigen Einleger zu ändern. Da haben wir sicherlich eine neue Dimension des Konsumentenschutzes, auch des Anlegerschutzes zu beachten. Mein Freund Jacky Maier, der in der Praxis große Erfahrung mit solchen Leuten aus Ihrem Freundeskreis hat, wird sich mit dieser Frage noch speziell beschäftigen. (Abg. Mag. Stadler: Staribacher, Fuhrmann, Steiner!)

Dritter Punkt: Der Fall Rieger hat zweifellos Problembereiche aufgezeigt. (Abg. Mag. Stadler: Herr Nowotny! Ihr Freundeskreis, nicht unserer!) – Herr Kollege! Es ist zu spät. Der Freundeskreis Rieger in Ihrer Partei ist wahrscheinlich geschlossen. Es werden keine Beitritte mehr akzeptiert.

Ich möchte jetzt noch ein paar Schlußfolgerungen ziehen. Ein weiterer Punkt – das ist ganz offensichtlich geworden – ist der Bereich der Wirtschaftsprüfer. Man muß klar sagen: Im österreichischen Aktienrecht kommt dem Wirtschaftsprüfer im Rahmen des Abschlußberichtes natürlich eine entscheidende Rolle zu. Ohne daß ich jetzt Untersuchungen vorwegnehmen kann, zeigt sich, daß offensichtlich Mißstände bestehen, wobei man schon dazusagen muß: Staribacher hat eine ganz andere Prüfungsaufgabe gehabt. Er mußte sich auf das verlassen, was ihm die Wirtschaftsprüfer testiert haben. Das heißt, es geht um die Frage der Testate. In der Frage der Testate kann man nicht genau genug sein. (Abg. Mag. Firlinger: Hindert ihn das, Belege anzuschauen?)

Ich begrüße, daß der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder erklärt hat, daß diesbezüglich vorgegangen werde – noch dazu, weil es sich um Prüfer handelt, die offensichtlich immer wieder in solche Situationen verwickelt waren. Ich vertraue auf die Selbstreinigungskraft auch der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

Hohes Haus! Im Rahmen meiner Redezeit ein letzter Punkt zur Oesterreichischen Nationalbank. Ich möchte ganz deutlich sagen: Die Oesterreichische Nationalbank hat eine positive Rolle gespielt! Der Ursprung des ganzen Konfliktes war die Verweigerung der Konzessionserteilung für den Devisenhandel. Ich möchte deutlich sagen: Generaldirektor Wala und auch Direktor Lachs haben richtig gehandelt, haben gegen alle Pressionen, die von Ihnen gekommen sind, Widerstand geleistet. Nur auf diese Weise ist es gelungen, daß letztlich dieser Sumpf zerplatzt ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger.)

Überlegen Sie: Wenn die Devisenhandelsbewilligung erteilt worden wäre, hätte der Fall Rieger heute auch eine internationale Dimension. Gott sei Dank wurde das verhindert. Daß es zu einem Urteil des Obersten Gerichtshofes gekommen ist, das macht mich – ich sage es ganz offen – nachdenklich. Es wird auch sicherlich noch über eine Revision dieses Urteils zu sprechen sein, denn es zeigt das Problem, daß wir in einer Situation sind, in der Leute, die sich offensichtlich exzellente Anwälte leisten können, die Möglichkeit bekommen, mit dem Rechtsstaat Unrecht zu tun. Das ist auch eine Entwicklung, die wir im Interesse aller Österreicher nicht wollen. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Fuhrmann war der Anwalt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt muß man zwei Dinge auseinanderhalten: Es gibt erstens den Kriminalfall Rieger; das ist eine eigene Welt. Es gibt zweitens das österreichische Kreditwesen. Dieses österreichische Kreditwesen ist in Ordnung, ist sauber, ist solide, und darauf können wir stolz sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Böhacker gemeldet. Ich ersuche, mit dem zu berichtigenden Sachverhalt zu beginnen. – Bitte.

16.07

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Nowotny hat behauptet, ich gehöre zum Freundeskreis des Herrn Rieger. (Abg. Mag. Stadler: Er hat dich mit dem Scheibner verwechselt!)  Herr Nowotny! Diese Aussage ist falsch!

Ich berichtige tatsächlich (Abg. Dr. Nowotny: Haben Sie die Anfrage unterzeichnet?):

Hören Sie bitte zu: Ich kenne Herrn Rieger weder persönlich, noch habe ich einmal mit ihm telefoniert oder bin mit ihm in einem Schriftverkehr gestanden. Herr Professor, nehmen Sie das zurück, daß ich zum Freundeskreis des Herrn Rieger gehöre!

Jetzt sieht man, wie seriös Sie recherchiert haben und was Sie – zynisch behauptet – unter "seriös" verbreitet haben. Das ist Unfug! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Da gehören nur Haider und Trattner dazu!)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

16.08

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Anders als Kollege Nowotny begrüßt die Österreichische Volkspartei diese Dringliche Anfrage in der Sache Riegerbank. Das sei einmal ganz klar gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben den politischen und schadensmäßigen Aufklärungsbedarf in unserer Interpellation bereits gestern artikuliert. Wir haben eine Anfrage an Sie, Herr Bundesminister, mit dem wesentlichen Inhalt gerichtet: Kann man der Funktion der Bankenaufsicht noch vertrauen? (Abg. Wabl: Gestern hat es noch ganz anders geklungen! Gestern war es noch ganz anders!)

Zweitens: Wie haben sich die Aufsichtsräte in der Riegerbank in dieser Angelegenheit tatsächlich verhalten, und welche Rolle spielten die mit der Prüfung betrauten Wirtschaftstreuhänder, einerseits im Rahmen des normalen Prüfungsprozesses, aber auch die Kanzlei des ehemaligen Herrn Finanzministers Staribacher, die mit der Sonderprüfung beauftragt war? – Die ÖVP hat rechtzeitig um Aufklärung ersucht, und wir haben das gestern auch in der Debatte über die Einwendung gegen die Tagesordnung zum Ausdruck gebracht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Kontrolle ja, aber bei den anderen!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich heute ergänzen: Die Öffentlichkeit hat nicht nur das volle Recht auf Aufklärung dieser Angelegenheit, so wie Sie, Herr Finanzminister, das zugesagt haben, sondern – das ist ganz wesentlich, Herr Kollege Nowotny; das ist in dieser Sache tatsächlich ganz wesentlich – die Öffentlichkeit hat auch ein Recht auf persönliche Haftung der Verantwortungsträger in dieser Bank und im Prüfungsprozeß. (Beifall bei der ÖVP.) Es sollte auch keine Mühe gescheut werden, die betreffenden Verantwortlichen zur Schadenswiedergutmachung heranzuziehen.

Drittens hat die Öffentlichkeit auch ein Recht auf Änderung der gesetzlichen Grundlagen, wenn man im Prüfungsverfahren, so wie Sie es angedeutet haben, zu dem Schluß kommt, daß in unserer Aufsichtsorganisation, Bankenaufsicht, Wertpapieraufsicht vielleicht nicht die internationale "best practice" verankert ist, und zwar bezüglich dieser sehr heiklen, sensiblen und das Vertrauen der Anleger in unserem Bankenapparat betreffenden Frage. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das gestern schon gesagt, und die FPÖ hat das schon mitbekommen: Irgendwie kommt mir Heinrich Kleists "Zerbrochener Krug" in den Sinn, wenn ich mir Ihre heutige Dringliche Anfrage anschaue. (Abg. Haigermoser: Die Sparschweine der Sparer sind zerbrochen, Herr Professor, nicht der Krug!) Da hat sich doch auch schließlich der Richter – es war der Dorfrichter Adam, nicht der Dorfrichter Trattner – als der Schuldige in dieser Angelegenheit herausgestellt. Da muß man die Tatsachen auf den Tisch legen, Kollege Trattner! (Abg. Haigermoser: Der Trattner ist der Schuldige?!) Warum sagen Sie das nicht? – Die FPÖ war ein starker Lobbyist für Herrn Wolfgang oder "Wolfi" Rieger, um Ihre eigene Diktion zu verwenden. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Tatsachen haben Kollege Nowotny und auch der Herr Bundesminister schon erwähnt. Sowohl in Presseaussendungen als auch in Dringlichen Anträgen haben Sie die Riegerbank, diese kleine, unabhängige Bank, sozusagen als das Opfer der Verfolgungen durch die Oesterreichische Nationalbank hingestellt, der ein Recht verwehrt wird, das die Oesterreichische Nationalbank als zweifelhaft angesehen hat. (Abg. Haigermoser: Deshalb haben sie nicht geprüft? Deshalb haben sie nicht geprüft? Deshalb haben sie nicht geprüft?) – Gott sei Dank hat die Nationalbank das als zweifelhaft angesehen. Das ist ja wohl klar! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie haben es noch als "skandalös" bezeichnet, wie sich die OeNB in dieser Sache verhalten habe, Herr Kollege Trattner! Sie haben es als "skandalös" bezeichnet, wie sie sich gegenüber dem "Wolfi", gegenüber Herrn Rieger verhalten habe.

Interessant ist, erst im Mai dieses Jahres schwenken Sie mit einer Anfrage an den Finanzminister wieder ein wenig um. Sie wissen verdammt viel um diese Riegerbank – für mich und für meinen Geschmack zu viel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich stelle mir die Frage: Was hat die Riegerbank in all diesen Jahren für die FPÖ getan (Abg. Achs: Das ist eine gute Frage!), daß die FPÖ ein so starker Lobbyist und Intervenist für die Interessen des "Wolfi" Rieger ist, den Sie heute als Gauner bezeichnen und als jemanden hinstellen, von dem Sie wieder nichts wissen? (Abg. Dr. Krüger: Intervenist! Das sagt ein Professor!) Da fällt mir gerade Rosenstingl ein. Das war auch auf einmal ein Gauner, der überhaupt nichts mit der FPÖ zu tun hat. Was war da eigentlich los? – Die Spur führt natürlich bis nach Tirol. Wenn ich den veröffentlichten Berichten der Medien vertrauen kann, dann waren Kollege Trattner und andere Kollegen zumindest Bekannte oder Vertraute – soweit Bekannte und Vertraute, daß man sich abends, daß man sich nachts in eine Wiener Bar begibt, um dort die freundschaftlichen Beziehungen zu pflegen. Herr Trattner! Sie haben selbst Aufklärungsbedarf, das ist ganz klar. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Da trifft man aber auch Kollegen Ihrer Fraktion!)

Aber ich sage, die letzte Minute meiner Redezeit nützend, auch noch etwas anderes: Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, daß Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer, die verwickelt sind, persönlich zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn es sich um "rotes Urgestein" wie Hannes Androsch handelt, der als Großunternehmer, ehemaliger Finanzminister, ehemaliger Chef der Bankenaufsicht ganz genau wissen mußte, was in dieser Bank eigentlich vorgeht, wenn er es hätte wissen wollen. Da führt kein Weg vorbei! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich selbst war Aufsichtsrat einer Bank, und ich habe mich jeden Abend gefragt: Freund, hast du deiner Aufsichtspflicht und deiner Prüfungspflicht auch tatsächlich entsprechend Rechnung getragen? – Denn so kann es nicht gehen, daß wir ein Aktiengesetz haben, ein BWG haben, und dann werden die persönlichen Konsequenzen nicht gezogen. (Abg. Haigermoser: Da hat es einen Staatssekretär im Finanzministerium gegeben! Johannes Ditz, der Täuscher! Johannes Ditz, der Postfuchs!) Das trifft – da gebe ich Herrn Kollegen Nowotny recht – auch die Wirtschaftsprüfer, die involviert sind, und zwar im Rahmen einer ganz persönlichen Verantwortung, im Rahmen der jetzt schon geltenden Gesetze. Diese müssen vollzogen werden.

Ich darf letztlich auch sagen: Die ÖVP erwartet, daß die Staatsanwaltschaft endlich einmal auf Trab kommt! Es kann nicht sein, daß Anzeige um Anzeige deponiert und dann nicht gehandelt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Finanzminister! Ich will nicht dramatisieren, aber bei dieser Sache geht es um das Vertrauen der österreichischen Anleger in die österreichischen Banken. Wir sollten es mit aller Macht verteidigen! (Beifall bei der ÖVP.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer persönlichen Erwiderung beziehungsweise Klarstellung an die Adresse des Herrn Abgeordneten Böhacker hat sich Herr Abgeordneter Dr. Nowotny zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.17

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Es hat Herr Abgeordneter Böhacker eine tatsächliche Berichtigung gemacht, weil ich ihn im Zusammenhang mit dem Freundeskreis Riegers genannt hatte. Das ist tatsächlich so, das könnte implizieren, daß eine persönliche Freundschaft mit Rieger besteht. (Zwischenruf der Abg. Aumayr.)

Ich möchte korrekt vorgehen: Richtig ist, daß Sie eine Anfrage mitunterschrieben haben; daraus geht aber nicht hervor, daß Sie eine persönliche Freundschaft mit Rieger haben. Ich bemühe mich immer, korrekt vorzugehen. Ich möchte das auch in diesem Fall tun. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Du unterscheidest dich von Herrn Khol! – Abg. Mag. Stadler: Wohltuend! – Beifall des Abg. Haigermoser.)

16.18

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist wohl schwierig, jetzt, nach dem rhetorischen Ausbruch des Herrn Lukesch, zu sprechen. Aber es ist ihm immerhin geglückt, aus der Causa Rieger eine Causa FPÖ zu machen. Ich muß sagen, das ist eine große Leistung. Es mag schon sein, daß einige FPÖ-Abgeordnete mit Herrn Rieger gut waren, aber deswegen zu sagen, die Causa Riegerbank sei eine Causa FPÖ, das halte ich für zu weit hergeholt. Das sollte man schon beweisen, bevor man es behauptet. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

In unserem Land muß immer etwas passieren, damit etwas geschieht. Seit Jahren finden wir die Riegerbank in der Zeitung. Deswegen könnte man die FPÖ angreifen, warum sie nicht rechtzeitig zu Herrn Rieger Distanz gewahrt hat. Wir lesen über alle möglichen Streitfälle, Rücktritte, Aufsichtsräte, dubiose Anleihen und was auch immer. Aber das alles war erstaunlicherweise für die Prüfungsverantwortlichen nicht Anlaß genug, tatsächlich zu handeln. Es ist nichts passiert! Der Herr Wirtschaftsprüfer hat weiter testiert, der Aufsichtsrat hat weiter genehmigt, und die Bankenaufsicht hat weiter gemächlich eine Anzeige nach der anderen geschrieben.

Herr Bundesminister! Sie fragen, was Sie machen sollen. Ich werde Ihnen das sagen: Es gibt im Falle von Gefahr in Verzug auch die Möglichkeit, mit den zuständigen Staatsanwaltschaften einen entsprechenden Druck auszuüben. Man hat die Anzeigen abgegeben, war aber offensichtlich ganz zufrieden damit, daß sie nicht behandelt werden, oder man hat es zumindest nicht betrieben. Das kann doch in einem Rechtsstaat nicht sein, Herr Finanzminister, daß eine Bankenaufsicht merkt, daß Gefahr in Verzug ist und fragt: Was sollen wir machen? 17 Anzeigen haben wir abgegeben, aber die Staatsanwaltschaft tut nichts! – Das darf es im Rechtsstaat Österreich doch nicht geben!

Wir erleben im Fall Rieger, daß alle wortreich ihre Unschuld erklären: Wir doch nicht! Und alle finden wunderbare Ausreden. Wenn alle ihr schlummerndes Kreativitätspotential, das sie jetzt für Ausreden nutzen, genutzt hätten, um gut zu prüfen, hätten wir diese Schlamastik heute nicht. Sich auf schlechte Gesetze, sich auf zuwenig Mitarbeiter, sich auf falsche Informationen, auf Testate auszureden, hilft überhaupt nicht. Die Ausrede, man könne sich nicht um alles kümmern, hilft auch nicht, sie exkulpiert nicht. Den Malversationen des Herrn Rieger stehen die Unzuverlässigkeit, die Schlamperei und die Verantwortungslosigkeit der Prüfungsorgane gegenüber. Das ist der Punkt, über den wir politisch diskutieren müssen.

Wir haben nicht die Aufgabe, darüber zu diskutieren, wie sehr und wieviel Herr Rieger Gauner ist. Das machen die Gerichte. Wir haben zu prüfen, was der Wirtschaftstreuhänder gemacht hat, was der Aufsichtsrat und was die Bankenaufsicht getan hat, die alle eine sehr gute gesetzliche Basis haben. Diese heute gültige gesetzliche Basis lese ich Ihnen ganz kurz vor, damit wir nicht darüber reden müssen, was denn alles nicht gehe.

Das alte gute Handelsgesetzbuch schlägt ganz klar die Pflicht zur Abschlußprüfung fest, legt auch ganz klar Gegenstand und Umfang der Prüfung fest. Es besagt, der Gegenstand und der Umfang der Prüfung haben der ordnungsgemäßen Buchführung zu entsprechen. Das heißt, der Wirtschaftsprüfer hat dem Gegenstand der Prüfung "ordnungsgemäße Prüfung der Buchführung" nicht entsprochen.

Wir gehen weiter: Auch im Aktiengesetz stehen im § 95 ganz klar die Rechte und Aufgaben des Aufsichtsrates, nämlich daß sich der Aufsichtsrat jederzeit über den Vorstand Informationen zu beschaffen hat und der Aufsichtsrat auch das Recht hat, jederzeit andere, eigene Rechtssachverständige, Wirtschaftssachverständige zu benamsen, die ihm, wenn er einen Verdacht hat, über den Vorstand die nötigen Unterlagen liefern.

Der Aufsichtsrat ist dafür verantwortlich, den Wirtschaftsprüfer zu bestellen. Herr Finanzminister! Ganz besonders im Fall der Banken – das regelt das Bankwesengesetz – können Sie der Bestellung eines Wirtschaftsprüfers widersprechen. Warum haben Sie der Bestellung der Wirtschaftsprüferkanzlei Türke und Konsorten nicht widersprochen? Wußten Sie, Herr Bundesfinanzminister, daß diese Kanzlei ... (Abg. Dr. Khol: Bundesminister für Finanzen!) Das wußte ich, Herr Khol! Sie sagen das immer so. (Abg. Dr. Khol: Der Bundesfinanzminister ist in Deutschland!) – Danke, Herr Khol. (Abg. Dr. Khol: Sie sind nicht in Deutschland!) – Herr Khol, vielen Dank! Das wußte ich nicht. (Abg. Dr. Khol: Den Eindruck hatte ich!) Aber ich weiß, daß ich Sie da habe, Herr Khol, und Sie helfen mir immer wieder über meine Unzulänglichkeiten hinweg. Ich bin Ihnen so dankbar. Soll ich jetzt fortsetzen? (Abg. Dr. Khol: Ja!) – Danke schön.

Das heißt, Sie, Herr Bundesminister für Finanzen – ist es jetzt richtig? (Abg. Dr. Khol: So ist es richtig!) –, haben ein Widerspruchsrecht. Das heißt, Sie können sagen, wenn ein Wirtschaftsprüfer laut Bankwesengesetz zur Prüfung einer Bank bestellt wird: Nein, diesen lehne ich ab; er hat zuwenig Erfahrung. – Das haben Sie nicht getan!

Weiter im Bankwesengesetz: Darin steht ganz klar, daß bei der Überwachung in einem funktionsfähigen Bankwesen auf die volkswirtschaftlichen Interessen Bedacht zu nehmen ist. Das kann sich nicht darin erschöpfen, daß Sie sich auf den Ausfluchtsweg zurückziehen und sagen, da werde nur Wirtschaftsaufsicht geübt. Natürlich sind das keine "Krimineser", das stellt auch keiner in Frage. Aber auch die Wirtschaftsaufsicht hat Inhalte und Verantwortungen zu erfüllen, die die Bankenaufsicht bei weitem nicht erfüllt hat. Es wird sich die Frage stellen, Herr Bundesminister, wie lange Sie diesen Leiter der Bankenaufsicht, Stanzel, noch halten werden, der schon mehrfach in den letzten drei, vier Jahren Anlaß zu Kritik gegeben hat und der offensichtlich dem Amt nicht gewachsen ist, das er bekleidet. Warum entziehen Sie seinem Stellvertreter den Fall Riegerbank? Ist er auch involviert? – Das müssen Sie wissen. Das ist Ihre politische Verantwortung. Sie haben beim Einsatz des Wirtschaftstreuhänders nicht widersprochen. Sie haben in der Kontrolle und Aufsicht nicht die nötige Sorgfalt angewandt, die Ihnen in Ihrem Ministerium im Rahmen einer Sektion untersteht.

Darüber hinaus steht darin noch einmal, daß die Bankprüfer und die Prüfer, die Wirtschaftstreuhänder, die die Banken prüfen, selbstverständlich Erfahrung in diesem Bereich haben müssen. Türke und Co. hatten das nicht!

Lassen Sie mich zusammenfassen: Es ist die Frage zu stellen, ob Türke und Co. überhaupt selbst geprüft haben. Jeder Prüfer in einer Bank muß selbstverständlich auch in anderen Bereichen, aber gerade bei der Bank, lückenlos alle Gläubiger bezüglich aller Forderungen, die die Bank hat, direkt anschreiben, alle anderen Geschäftspartner anschreiben, muß sich an seine eigene Adresse – nicht an die Adresse seines Vorstandes – die Bestätigung kommen lassen, ob die Kontostände stimmen. Das kann gar nicht geschehen sein. Ich behaupte daher nicht mehr und nicht weniger, als daß die Kanzlei Türke und Co. eigentlich gar keine Prüfung vorgenommen hat.

Damit kommt der Vorwurf des bedingten Vorsatzes des Abschlußprüfers. Dieser bedingte Vorsatz des Abschlußprüfers besagt klar, daß die Anleger damit das Recht haben, sich am Wirtschaftsprüfer ohne jede Haftungsbeschränkung schadlos zu halten. Ob sie weitergehen und eine Amtshaftungsklage gegen die Bankenaufsicht machen werden, wird wohl den Gläubigervertretern zu überlassen sein.

Die Bankenaufsicht hat in diesem Fall meiner Ansicht nach schmählich versagt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was wir daraus lernen sollten, meine Damen und Herren, ist, daß es nicht nur genügt, wie Nowotny zu sagen: Wir haben einen funktionierenden Kreditapparat. Da haben Sie recht, Herr Professor! Aber was wir brauchen, sind nicht in erster Linie neue Gesetze, sondern wir brauchen in erster Linie die klare Zuordnung von Verantwortung und die Durchführung der bestehenden Gesetze. Das ist jedoch nicht der Fall gewesen!

Die nächste Frage, die wir uns dann stellen können, ist, wieweit wir ohne Anlaßgesetzgebung das Kontrollsystem in unserem Bankenapparat reformieren und neu gestalten müssen. Im Moment geht es aber darum, daß die Einhaltung der bestehenden Gesetze schwer verfehlt wurde. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.26

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben heute wörtlich gesagt, daß Ihrer Meinung nach die Bankenaufsicht diesen Kriminalfall aufgedeckt hat. (Abg. Mag. Stadler: Er hat auch gesagt, zur Flucht veranlaßt!) Auch zur Flucht veranlaßt und dann aufgedeckt. Herr Bundesminister! Ich kann nur hoffen, daß Sie diese Aussage besser argumentieren können, als Sie es heute getan haben. Denn ich wiederhole, was ich gestern schon gesagt habe: Wenn man sich die fünf Institutionen anschaut, die in erster Linie tätig werden sollen und tätig werden müssen – das ist erstens der Aufsichtsrat, das sind zweitens die Wirtschaftsprüfer, drittens die Bankenaufsicht, viertens die Nationalbank und fünftens die Justiz (Abg. Smolle: Und die Finanzverwaltung! Finanzamt!); na ja, das ist noch das geringste Problem in diesem Zusammenhang, aber bitte; sechstens die Finanzämter –, dann kann ich von außen her nur sagen: Die einzige Institution, bei der man über die letzten 15 Jahre nachvollziehen kann, daß sie einen Kleinkrieg, wenn man so will, gegen die Riegerbank geführt hat, und zwar erfolglos, war die Nationalbank und nicht die Bankenaufsicht!

Sie werden das sicherlich noch besser begründen können, Herr Bundesminister, aber ich kann nur sagen, die alternative Interpretation würde bei heutigem Stand lauten – das könnte man für genauso plausibel halten –, daß die Bankenaufsicht diesem Kleinkrieg über all die Jahre amüsiert zugesehen und einmal gewartet hat, wer in diesem "interessanten" Spiel gewinnt. Hat die Bankenaufsicht das als Privatfehde zwischen einigen Leuten in der Nationalbank und Herrn Rieger betrachtet? – Ich stelle nur die Frage, denn es ist undenkbar, daß die Nationalbank nicht laufend – damit meine ich nicht jedes Jahr, sondern jeden Monat – die Bankenaufsicht über ihren Verdacht bezüglich Bilanzfälschungen, ihren Verdacht bezüglich Urkundenfälschung, Geldwäsche informiert hat.

Bezüglich ungefähr allem, was in diesem Zusammenhang nur vorkommen kann, hat die Nationalbank einen Verdacht gehabt; sie hat ihn nur nach Ansicht der Justiz nicht nachweisen können.

Wenn sich aber die Bankenaufsicht, die über diese Verdachtsmomente informiert gewesen sein muß, beispielsweise darauf zurückgezogen hat, daß die geltende Rechtslage momentan kein Einschreiten, welcher Art auch immer, erlaubt, dann muß man die Frage stellen, Herr Bundesminister: Hat denn der zuständige Sektionschef bei Ihnen und Ihren Vorgängern jedes Vierteljahr interveniert und gesagt: Wir haben dieses Problem, wir wissen nicht, wie wir es lösen, wir bräuchten noch diese oder jene Sanktionsmöglichkeit; die Justiz macht nie mit; wir brauchen mehr Instrumente!? – Hat er das? Oder hat er das nicht?

Einige Kollegen haben das schon angedeutet, aber ich möchte es doch noch einmal stärker herausstellen: Mindestens so sehr wie das Verhalten der Bankenaufsicht scheint mir in diesem Zusammenhang das Verhalten der Staatsanwälte, des Bundesministeriums der Justiz, der Gerichte bis hinauf zu den Höchstgerichten zu hinterfragen zu sein.

Meines Wissens ist bis heute nicht aufgeklärt, wieso der zuständige Staatsanwalt in Wien sagen kann: Es mag schon sein, daß 17 Anzeigen gemacht wurden; bei uns sind aber nur drei eingelangt. – Von denen waren seiner Meinung nach zwei irrelevant und wurden abgelegt, eine war sehr relevant, wurde aber im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz für zwei Monate zurückgehalten. Ich meine, das sind Zeitungsberichte an relativ unprominenter Stelle, das muß ich auch dazusagen. Es war, so glaube ich, vorgestern in der "Presse" irgendwo unter "Vermischtes". (Abg. Mag. Peter: Wie haben Sie es denn gefunden!) – In einem Augenblick der Langeweile habe ich es dort gefunden.

 

Oder die kuriose Geschichte mit dem 15. beziehungsweise 16. Sack, den die Freiheitlichen auch schon einmal in einem Dringlichen Antrag erwähnt haben. Die Riegerbank wird nach vielen, vielen Anläufen der Nationalbank einmal gezwungen, Belege und dergleichen auf Wunsch der Nationalbank abzuliefern, nur mit Hilfe der Gerichte, in dem Fall einmal erfolgreich. Nach längerer Zeit, nachdem es ihnen zuerst verwehrt worden war, diese Säcke zu öffnen, was an sich der Sinn ist, daß man sich auch anschaut, was angeliefert wird, ist es dann mit Hilfe der Anwälte gelungen, diese Säcke zu öffnen. Aber in diesen 15 Säcken – bitte, ich berichte das, was mir so zu Ohren gekommen ist – war nur Junk drinnen, also genau das nicht, was die Nationalbank wissen wollte. Daraufhin hat die Riegerbank oder Herr Rieger persönlich, das weiß ich nicht, erklärt: Ja, das stimmt schon, diese Belege waren nämlich im 16. Sack! und legte für diesen 16. Sack eine Empfangsbestätigung der Nationalbank vor.

Die Nationalbank erstattet natürlich Anzeige wegen Urkundenunterdrückung und Urkundenfälschung. Diese bleibt bei der Staatsanwaltschaft zwei Jahre liegen und wird dann als unlösbarer Fall wieder abgelegt. Für sich allein genommen erscheint das vielleicht unbedeutend, aber in der Menge dieser Dinge kommt es einem schon merkwürdig vor.

Herr Bundesminister! Die Bankenaufsicht sei 1998 nachweislich tätig geworden, haben Sie gesagt. Die Nationalbank hat versucht, der Riegerbank schon 1988 die Wechselstubenberechtigung zu entziehen. Kurios war – ich berichte wieder, was mir erzählt wird; keine Garantie auf Wahrheit, aber ich habe auch keinen Anlaß, daran zu zweifeln –, daß es wochenlang unmöglich war, einen Zustellungsbevollmächtigten in der Riegerbank zu erwischen, der dieses Schreiben mit dem Entzug der Wechselstubenbefugnis entgegengenommen hätte. Allein das muß man sich einmal vorstellen: Es gibt eine sogenannte Bank, und sei es auch nur eine aufgeblasene Wechselstube, die keinen Zustellungsbevollmächtigten hat, und deswegen kann man halt ein offizielles Schreiben leider nicht zustellen. Das geht so lange, bis eines Tages ein Angestellter oder Herr Rieger selbst in der Nationalbank erscheint, sagen wir um 9 Uhr früh, und sagt: Ich höre, ihr habt einen Brief für mich. Na gebt ihn doch her! Dann wurde ihm dieses Schreiben ausgehändigt – und eine Stunde später war der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes mit der aufschiebenden Wirkung bezüglich des Bescheides der Nationalbank da.

Wenn ich einmal Schwierigkeiten mit dem Gericht habe (Abg. Mag. Peter: Dann fragen Sie den Herrn Rieger!), geschweige denn mit dem Verwaltungsgerichtshof, dann wünsche ich mir, daß er binnen einer Stunde auf mein Begehren reagiert.

Der größte und wichtigste Fall in diesem Zusammenhang ist der Prozeß wegen der Devisenhandelsermächtigung. Er geht durch alle Instanzen, und die Notenbank verliert in allen Instanzen. Das wissen Sie vielleicht besser als ich: Hatte die Riegerbank den besseren Anwalt? Weiß der Kuckuck, warum, in der Sache hat die Nationalbank verloren. Aber heute müssen wir sagen, die Notenbank war doch offensichtlich im Recht. Die Bedenken der Nationalbank haben sich doch heute glänzend bestätigt.

Da muß man sich rückwirkend schon fragen, auch die Journalisten, die damals kommentiert haben, aber natürlich auch die Freiheitlichen, die sich auf diese Gerichtsurteile berufen haben ... (Abg. Mag. Stadler: Und das darf man nicht?) Ich sage das jetzt nicht so spöttisch wie ein Teil meiner Vorredner, aber OGH-Urteile, VwGH-Urteile von damals haben Sie zum Anlaß genommen, die Riegerbank gegenüber diesen bösen Leuten in der Nationalbank sozusagen zu verteidigen. Aus damaliger Sicht ist das ja verständlich. Aus heutiger Sicht ... (Abg. Mag. Stadler: Herr Kollege, auf den Rechtsstaat dürfen wir uns noch berufen, oder?) Ja, schon, aber stellen Sie sich einmal aus heutiger Sicht vor, die Riegerbank hätte die Ermächtigung zur Entgegennahme von Spareinlagen bekommen! Stellen Sie sich das einmal vor mit dem Wissen von heute! Dann wäre der Schaden nicht eine Milliarde gewesen, sondern ein Vielfaches. Deswegen würde ich Sie bitten ... (Abg. Mag. Stadler: Das verteidigt ja niemand von uns! Hat das jemand verteidigt?)

Nein, aber ich würde Sie um folgendes bitten: Sie können ja viel mehr Dringliche Anfragen als wir armen Grünen stellen, weil unsere Fraktion noch ein bißchen kleiner als die Ihre ist. Um diesen Verdacht des Lobbyismus gegenüber Herrn Rieger beziehungsweise seiner Bank nicht wegzukriegen, aber wenigstens zu entschärfen, stellen Sie doch bitte die nächste Dringliche Anfrage an das Bundesministerium für Justiz. (Abg. Mag. Stadler: Das ist schon vorbereitet! Da sind Sie schon der Zeit hinterher!) – Schon vorbereitet, super, ausgezeichnet. Darauf freue ich mich schon sehr. (Abg. Mag. Stadler: Wir gehen stufenweise vor! Wir zäumen das Pferd nicht beim Schwanz auf! Wir fangen beim Finanzminister an!)

Na ja, Herr Kollege! Trotzdem, so wie dem Kollegen Nowotny ist natürlich auch mir Ihr Dringlicher Antrag betreffend Postenschacher und Freunderlwirtschaft vom 14. Mai 1997 heute wieder in die Hände gekommen. Ein bißchen – wie soll ich sagen? – an der Nase nehmen ist schon angebracht. Denn hier nehmen Sie eindeutig ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Jetzt müssen wir die Uhr in die Hand nehmen, Herr Professor. (Heiterkeit.)

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): ... für die Riegerbank Stellung. Noch einmal: Aus der damaligen Sicht aufgrund der Justizurteile verständlich, aber heute muß es Ihnen doch etwas peinlich sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum sowie des Abg. Wurmitzer. – Abg. Mag. Stadler: Es verteidigt doch keiner!)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

16.36

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Nowotny hat heute ein beliebtes politisches Zitat strapaziert, nämlich die Methode "Haltet den Dieb!" – Herr Kollege Nowotny! Diesen Vorwurf kann ich Ihnen eins zu eins zurückgeben, und ich muß ihn für unsere Fraktion zurückweisen. Es ist doch geradezu lächerlich! Was soll denn eine Opposition mit ein paar Anfragen auslösen? Herr Kollege Nowotny! Wer ist denn verantwortlich für die Bankenaufsicht?

Herr Finanzminister Edlinger hat heute erklärt, die Bankenaufsicht habe den Rieger-Skandal aufgedeckt. Das oberste Organ der Bankenaufsicht sitzt hier in der Person des Herrn Bundesfinanzministers, und dieser sagt allen Ernstes, er hätte den Rieger-Skandal aufgeklärt. Bitte, der Herr Rieger hat in seine eigene Bank eingebrochen und ist geflohen. Dadurch ist das Ganze natürlich ruchbar geworden. Dadurch sind dann die Ermittlungen eingeleitet worden, und dadurch ist der Fall Rieger einer Aufklärung zugeführt worden. Das ist doch geradezu lachhaft! (Abg. Smolle: Warum war Ihnen denn der Rieger so ein Anliegen? Das müssen Sie uns erklären!)

Wer ist denn politisch verantwortlich? Wer hat denn oder hätte denn etwas zu sagen in einer Causa Rieger? (Abg. Dr. Khol: Der Prinzhorn!) Das sind die für die Nationalbank Verantwortlichen, das sind die für das Finanzministerium Verantwortlichen, das ist der Justizminister, und das ist allenfalls auch der Sicherheitsminister. So schaut es aus. Das sind die Personen, die in diesem Fall die politische Verantwortung tragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Eine kleine persönliche Bemerkung: Ich schätze durchaus Ihre Art der Anfragebeantwortung, weil sie von Ihnen immer mit einem gewissen Mutterwitz vorgetragen wird. Heute aber haben Sie meines Erachtens Ihr Pokerface zu sehr strapaziert. Denn wirklich allen Ernstes zu behaupten, Herr Finanzminister, daß die Bankenaufsicht den Rieger-Skandal aufgeklärt hätte, das ist ... (Bundesminister Edlinger: "Aufgeklärt" habe ich nicht gesagt!) Das haben Sie wortwörtlich gesagt, oder aufgedeckt hätte. Das ist schon ein starkes Stück!

Ich werde Ihnen jetzt sagen, wieso die Bankenaufsicht – und damit Ihr Ministerium und letztlich, wenn Sie sich verantwortlich fühlen, auch Sie – kläglich versagt hat. Sie hat kläglich versagt, weil nach dem Bankwesengesetz, wie Sie wissen, der Finanzminister oder die Bankenaufsicht bei Gefahr für die Erfüllung von Verpflichtungen eines Kreditinstitutes gegenüber seinen Gläubigern zur Abwendung dieser Gefahr Maßnahmen anordnen kann. So kann sie etwa einen Regierungskommissär einsetzen. Das wurde heute schon vom Herrn Kollegen Trattner doziert. Sie kann einen Regierungskommissär einsetzen – und das ist der springende Punkt.

Ich garantiere Ihnen eines heute schon: Das wird der Ansatzpunkt für die Amtshaftungsklage sein. Was wäre gewesen, wenn Sie rechtzeitig einen Regierungskommissär bestellt hätten? Dieser hätte die Unterlagen geprüft, und die Malversationen, die Auslackungen, die primitiven Fälschungen wären sofort aufgeflogen. Es wäre die Bank zugesperrt worden, und die Anleger wären nicht zu Schaden gekommen. Dieser Verzögerungsschaden, der darin bestanden hat, daß die Bankenaufsicht keinen Regierungskommissär eingesetzt hat, geht zu Lasten Ihres Ministeriums, geht zu Lasten der Republik und ist im Rahmen der Amtshaftung von der Republik zu bezahlen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich werde Ihnen auch sagen, Herr Finanzminister, worin die Gefahr in Verzug begründet lag, worin die Verdachtsmomente gelegen haben, die dafür ausschlaggebend sind, daß man einen Regierungskommissär zwingend im Interesse der Anleger zu bestellen hat.

Da gibt es nicht ein Indiz für Schwierigkeiten bei der Riegerbank, da gibt es Dutzende. Ich zähle Ihnen einige auf: Die Bank Austria stellt mit großem öffentlichen Getöse – es gab darüber eine Publikation in der Zeitschrift "NEWS" – schon vor einem Jahr einen Millionenkredit fällig. Bitte, das ist doch nicht normal, daß die Hauptbank, nämlich die Bank Austria, die die Geschäftsanteile der Rieger-Privatstiftung in das Pfand genommen hat, wie Sie auch wissen, einen Kredit in dreistelliger Millionenhöhe fällig stellt! – Die Bankenaufsicht schweigt, der Herr Finanzminister schweigt.

Dutzende Anzeigen werden eingebracht, auch von der Bankenaufsicht, das gebe ich durchaus zu, auch von der Nationalbank – aber einen Regierungskommissär, der alles aufdecken könnte, bestellen Sie nicht.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates Dr. Androsch, Minister außer Dienst, legt unter großem Getöse den Vorsitz im Aufsichtsrat nieder. Er beklagt sich heute selbst und fragt: Hat man denn das nicht als Zeichen verstehen können? – Die Bankenaufsicht schweigt, der Herr Minister schweigt. Es wird kein Regierungskommissär bestellt!

Man kommt darauf, daß die Wirtschaftsprüfer, die den Bestätigungsvermerk der Riegerbank attestieren, mehr als zulässig selbst beteiligt sind und sich daher selbst Vermögenswerte attestieren. – Die Bankenaufsicht schweigt. Es wird kein Regierungskommissär bestellt! (Abg. Mag. Trattner: Aber sie sind die großen "Aufdecker"!)

Oder: die Kreditlinien bei der Oesterreichischen Nationalbank, die die Großbanken melden müssen. Sie wissen alle, daß die Banken nicht alles melden. Das heißt, es ist in Wirklichkeit immer mehr, als sie melden. Das muß man sich einmal vorstellen: Die Großbanken meldeten offene Kreditlinien gegenüber der Riegerbank an die Nationalbank in einem wesentlich größeren Ausmaß, als in den Büchern der Riegerbank stand. – Der Herr Finanzminister macht nichts. Er schweigt. Ein Regierungskommissär wird nicht bestellt.

Da wird eine Anleihe mit 7,5 Prozent begeben, zu einer Zeit, wo die Zinsen von marktüblichen Anleihen von Prime-rate-Schuldnern bei 3,5, 3,75, 4 Prozent gelegen sind. Herr Finanzminister! Sie wissen, die Gesetze der Schwerkraft am Finanzmarkt – Professor Van der Bellen wird mir recht geben – kann man nicht außer Kraft setzen. Wenn heute jemand bei banküblichen Anleihezinsen von 3,75 oder 4 Prozent eine 7,5prozentige Anleihe begibt, dann ist das unseriös und hätte Ihnen auffallen müssen. – Wieder wurde kein Regierungskommissär bestellt!

Die dubiose Zusammenarbeit mit der Diskont Bank, der früheren EffectInvest, hätte Ihnen auch auffallen müssen. Die EffectInvest ist unrühmlich mit dem European Kings Club, offensichtlich mit Geldwäsche in Konnex, verbunden. – Wieder meldet sich niemand. Ein Regierungskommissär wird nicht bestellt!

500 Millionen Schilling werden letztlich ins Ausland verschoben, vor den Augen der Nationalbank, vor den Augen des Finanzministeriums und des Finanzministers!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und dann stellt sich der Finanzminister her und sagt, die Bankenaufsicht habe alles getan und alles aufgeklärt?! Ich frage Sie: Was hat die Bankenaufsicht gehindert, was hat Sie persönlich daran gehindert, einen Regierungskommissär zu bestellen? Ich habe Ihnen bereits ausgeführt, wenn Sie einen bestellt hätten, wäre die ganze Sache in Kürze aufgeflogen. Das kann ich Ihnen garantieren, weil die Fälschungen primitiv waren. Rieger sagt es ja selbst im Interview: Ich habe das primitivst ausgelackt, eine Null dazugegeben bei den Aktiva, ein paar Nullen abgezogen bei den Passiva. – Das wäre doch sofort aufgefallen!

Der Finanzminister steckt sich noch das Federl auf den Hut und sagt, die Bankenaufsicht habe alles aufgeklärt. Für wie naiv halten Sie denn eigentlich die Mitglieder des Hohen Hauses und die Öffentlichkeit? Die werden ja hier wirklich für dumm verkauft.

Jetzt sind wir bei der politischen Verantwortung. Die politische Verantwortung liegt in erster Linie bei Ihnen, sehr geehrter Herr Finanzminister, weil die Bankenaufsicht – auch Kollege Peter hat das sehr richtig ausgeführt – kläglich versagt hat und ein Regierungskommissär nicht bestellt worden ist.

Einer würde heute auch noch hierher gehören, damit er sich das anhört. Auch das Justizministerium hat eine höchst zweifelhafte Rolle. Jetzt werden Sie uns hoffentlich nicht unterstellen, daß wir bei der Justiz so einflußreich sind, daß wir Akten unterdrücken, daß wir verhindern, daß Anklagen eingebracht werden, daß Strafanträge ausgefertigt werden. Dutzende Anzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft eingebracht und nicht behandelt worden. Akten sind unterdrückt worden, sind zu Weisungsakten erklärt worden. Die kann man nicht einbringen, wie zu recherchieren und nachzulesen war. Da gab es schon eine fertige Anklage gegen den Herrn Rieger und gegen den Herrn Machatschek wegen Bilanzfälschung. Die ist fix und fertig zur Abfertigung gewesen, aber die wird unterdrückt, die wird zurückgehalten. Da wird der Oberstaatsanwaltschaft berichtet.

Da frage ich mich: Wer ist denn das Umfeld, wer bildet denn das Umfeld? Ein Kommentator hat ganz recht, wenn er schreibt, daß derjenige höchste Beziehungen haben muß. Und das kann nicht bei einer Opposition sein, die gar nichts bewegen kann, die bestenfalls ein paar Anfragen einbringen kann. Wer in diesem Dickicht, in diesem Filz, in diesem Biotop so kriminell gedeiht, der muß beste Beziehungen haben, daß überall Akten verschwinden, zurückgehalten werden und die Bankenaufsicht schweigt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maier. – Bitte.

16.46

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich begrüße ausdrücklich diese Dringliche Anfrage, weil sie zum einen die Möglichkeit gibt, grundsätzlich zur Finanzmarktproblematik Stellung zu nehmen, und weil wir uns zum anderen mit bestimmten Problemen, die die Riegerbank und die Diskont Bank betreffen, auseinandersetzen können, was wir auch tun müssen.

Nun zum Grundsätzlichen. Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit hat von einem Sittenbild gesprochen, von einem Umfeld, in dem derartige Geschäfte möglich sind. Gemeint waren damit Banken, Wirtschaftstreuhänder, Vermögensberater, Rechtsanwälte. Die Liste ließe sich fortführen.

Es geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf dem Kapitalmarkt um kriminelle Handlungen von Bankern, von Finanzdienstleistern, und wir reden hier konkret über den Kriminalfall Rieger. Auf der einen Seite haben wir diese kriminellen Anlagefirmen, Banken, Anlageberater und auf der anderen Seite Anleger – und das muß man hier mit aller Deutlichkeit sagen –, die die Risken, insbesondere wenn hohe Zinsen angeboten werden, nicht beachten. Ich spreche hier aus persönlicher Erfahrung. Wenn Konsumenten in eine Konsumentenberatungsstelle kommen und fragen, ob ein Geschäft seriös sei und ob man damit rechnen könne, einen bestimmten Zinssatz zu lukrieren, und der Berater rät ihnen von diesem Geschäft ab und belehrt sie über das Risiko, dann werden sie das Geschäft trotzdem abschließen. Und darin sehe ich ein Problem.

Gestatten Sie mir, daß ich einige Beispiele darstelle. Nach Aussage der Bundeswertpapieraufsicht in Österreich verschwinden jährlich zwischen 30 und 40 Milliarden Schilling in dubiosen Anlage- und Wertpapiergeschäften. Nach dem Gerlach-Report – den können Sie nachlesen – sind es in Deutschland zirka 70 Milliarden D-Mark. Diese Gelder von Anlegern verschwinden grenzüberschreitend, zumeist organisiert auf obskure Art und Weise. Treuhänder, die in diese Geschäfte eingeschaltet sind, sind den Namen nicht wert, wobei sich dieser Vorwurf auf alle Berufe bezieht, die sogenannte Veranlagungsgeschäfte vornehmen oder selbst daran beteiligt sind. Ich nenne sie auch beim Namen: Das sind Wirtschaftstreuhänder, Rechtsanwälte oder einschlägig tätige Gewerbetreibende.

Abgewickelt wird das alles über Banken. Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel bringen. (Abg. Böhacker: Nicht generalisieren! Das weise ich zurück!) – Ich habe nie generalisiert, ich habe nur eine Feststellung getroffen. – Nehmen wir die Firma Megawert aus Linz her. Kollege Krüger kennt die Megawert. Die Megawert hat Anlagemodelle verkauft, das Prime-invest-Programm. Da haben die Anleger einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen und dann einen Treuhandvertrag. Da war ein Wirtschaftstreuhänder dabei, und jeder hat geglaubt, es sei alles in Ordnung. Es war überhaupt nichts in Ordnung, die Gelder sind über eine Sefa AG in Liechtenstein in die Schweiz verschwunden. Die Anleger haben bis heute ihr Geld nicht erhalten. Die Anleger werden derzeit, zumindest in einigen Fällen, von der Arbeiterkammer vertreten, die Megawert von einer namhaften Linzer Rechtsanwaltskanzlei.

Ein anderes Problem: Vermögensverwaltungsgesellschaften organisieren oder inszenieren einen Anlagebetrug nach dem anderen. Da gibt es den Herrn Brunner in Gmunden – ich weiß nicht, wer von ihm gehört hat –, der Beteiligungen an Liegenschaften und Yachten vertreibt, meistens über Telefonmarketing aus dem Ausland, besser gesagt: er hat sie vertrieben, in der Zwischenzeit sitzt er in Untersuchungshaft. Es wurden steuerschonende Verlustmodelle im Ausland mit österreichischen Anlegern angeboten und enorme Zinsgewinne in Aussicht gestellt. Das Ganze wurde im Schneeballsystem abgewickelt. Da nach Ende der Laufzeit keine Gewinne erzielt werden, müssen sie als Liebhaberei deklariert werden – und, was klar ist, die Steuernachlässe werden zurückgefordert.

Oder ein anderer Problembereich: die grenzüberschreitenden Transaktionen in die Schweiz oder nach Liechtenstein. Liechtenstein, EWR-Mitglied, ist nicht einmal mehr bei der Internationalen Wertpapieraufsichtsbehörde dabei, und was die Schweiz betrifft, haben wir überhaupt keine Möglichkeiten, in diesem Land die Gelder aufzutreiben, weil es keine entsprechenden Abkommen mit der Europäischen Union beziehungsweise zwischen Österreich und der Schweiz gibt, weil die Schweiz eben auf ein bestimmtes Bankgeheimnis beharrt.

Nach Meinung des Vereins für Konsumenteninformation ist der österreichische Finanzdienstleistungsmarkt, den ich jetzt meine, nicht europareif, er ist ein Tummelplatz für Finanzscharlatane. Zweifelhafte Strukturvertriebe und Finanzexperten von eigenen Gnaden erschweren die Entwicklung einer seriösen Beraterstruktur.

Das ist das Problem, von dem wir ausgehen müssen, wenn wir über die Kontrolle des Finanzmarktes reden. Wir müssen darüber nachdenken: Wie soll dieser Finanzmarkt kontrolliert werden? Brauchen wir eine Bankenaufsicht auf der einen Seite und auf der anderen Seite noch dazu eine Wertpapieraufsicht oder vielleicht noch eine Aufsichtsbehörde? Oder bekennen wir uns zu einem einheitlichen Aufsichtsmodell?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf dem Markt wachsen die Banken, Versicherungs- und Wertpapierdienstleister zusammen. Warum soll dann nicht auch eine einheitliche Aufsicht geschaffen werden? Das schafft Effektivität und dient auch zur Kosteneinsparung. Das Gegenargument ist die Machtkonzentration. Darüber werden wir im Detail noch diskutieren müssen.

Ich persönlich bin ebenfalls der Meinung, daß die Tätigkeit der Bankenaufsicht absolut in Ordnung war. Die Bankenaufsicht hat Maßnahmen gesetzt, aber sie hat nicht – und sie konnte das auch nicht – die Rolle der Justiz übernommen. Die Rolle der Justiz halte ich persönlich für absolut aufklärungsbedürftig. Lassen Sie mich das mit aller Deutlichkeit sagen: Die Staatsanwaltschaft – und da gebe ich meinem Kollegen von der ÖVP recht – muß auf Trab kommen. Nur, Kollege Peter, wie soll das verstanden werden, man solle Anzeigen betreiben? Wollen Sie jetzt Weisungen verlangen, Weisungen, die Kollegin Schmidt immer ablehnt? Ich glaube, es muß sichergestellt werden, daß von der Justiz alle offenen Fragen aufgeklärt werden.

Zur FPÖ noch: Kollege Trattner! Schauen Sie sich § 3 Wertpapieraufsichtsgesetz an, dann sehen Sie, welche Möglichkeiten die Wertpapieraufsicht in dieser Frage hatte. Nämlich überhaupt keine! Denn Daueremissionen – und das können Sie nachlesen – unterliegen nicht der Prospektpflicht und müssen auch nicht geprüft werden. (Abg. Mag. Trattner: Eine "schöne" Lücke!)

Herr Bundesminister! Zum Abschluß folgendes: Das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz ist derzeit in Begutachtung; wir werden uns mit der Rolle und den Aufgaben der Wirtschaftstreuhänder auseinandersetzen müssen, insbesondere wenn Beteiligungen vorliegen oder wenn es um die Frage der treuhändigen Beteiligungen geht. Hier sind Maßnahmen notwendig!

Herr Bundesminister, Sie sind ja ein sportbegeisterter Politiker. Der Riegerbank-Skandal hat auch mit dem österreichischen Sport etwas zu tun. Das möchte ich hier ganz klar sagen. Solange derartige Scharlatane als Präsidenten auftreten können, die fremde Gelder in einen Verein stecken, verzerren sie einen nationalen Bewerb. Sie verzerren die Meisterschaft. Ich würde Sie ersuchen, auch in Ihrer Funktion als Finanzminister mit dem ÖFB Kontakt aufzunehmen und sicherzustellen, daß der ÖFB ein entsprechendes Controllingverfahren einführt.

Ganz zum Schluß möchte ich noch sagen: Wir sollten darüber nachdenken, wie es zu einer verbesserten Kontrolle des Finanzmarktes kommt. Ich glaube, es muß zu einer einheitlichen Aufsicht kommen, damit dem Vertrauen der Anleger in Österreich wieder Rechnung getragen wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

16.55

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei gibt mir namens der Österreichischen Volkspartei die Möglichkeit, im Zusammenhang mit der Causa Riegerbank drei Forderungen auf den Tisch zu legen.

Forderung Nummer eins von unserer Seite ist, daß der Sicherheit für die kleinen Anleger absoluter Vorrang eingeräumt werden muß. (Beifall bei der ÖVP.) Wir fordern die Untersuchungsbehörden, die Polizei und auch die Justiz auf, alles zu unternehmen, um die Geldflüsse nachzuvollziehen und allfällige Kontenstände sicherzustellen.

Was wir nicht haben wollen und was die breite Öffentlichkeit Österreichs unter keinen Umständen haben will, ist, daß sich die Täter nach der Verbüßung ihrer Strafe ein schönes und ruhiges Leben auf Kosten der Anleger machen können. Dies muß unter allen Umständen unterbunden werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Die zweite Forderung, die wir stellen, ist, daß die Entscheidungsträger der Riegerbank die volle Verantwortung und persönliche Haftung zu übernehmen haben. Das heißt, sowohl die Vorstandsmitglieder als auch die Aufsichtsratsmitglieder, insbesondere der Vorsitzende des Aufsichtsrates, müssen mit ihrem persönlichen Vermögen für den Schaden, den sie nicht verhindert haben, haften. (Beifall bei der ÖVP.) Die Haftungsbestimmungen sind voll anzuwenden, bevor andere Anleger und vor allem auch die Steuerzahler in Mitleidenschaft gezogen werden.

Die dritte Forderung, die wir stellen, ist, daß es zu einer deutlichen Verbesserung der Bankenaufsicht und zu einer Stärkung der Kontrollorgane kommen muß. Das Frühwarnsystem, das hier schon erwähnt wurde, hat offenbar nur einen alarmiert, das war der Dr. Androsch. Alle anderen haben das nicht zur Kenntnis genommen, und es ist auch auffallend, daß 17 Anzeigen durch die Oesterreichische Nationalbank an die Staatsanwaltschaft zu keinerlei Konsequenzen geführt haben! Da hätten alle Alarmklingeln läuten müssen, und man hätte eine Ausreise des Herrn Rieger, wenn man diese Signale beachtet hätte, jedenfalls verhindern können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Das sind schwere Vorwürfe, Herr Minister!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Volkspartei sind die Motive der Freiheitlichen Partei, heute hier als Fragesteller aufzutreten, mehr als durchsichtig. Sie möchten heute die Flucht nach vorne antreten. Wir haben aber noch nicht vergessen, was Sie am 14. Mai 1997 hier in diesem Hause gesprochen und welche Anträge Sie damals an dieses Haus gerichtet haben. Ich darf aus dem Dringlichen Antrag der Freiheitlichen vom 14. Mai 1997 zitieren: Sie schreiben in Ihrer Begründung: "... ist das Verhalten der Oesterreichischen Nationalbank im Zusammenhang mit der Riegerbank AG skandalös ..."

Und sie schreiben weiters: "... das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit zu verwehren. Sie läßt keine Gelegenheit aus," – gemeint ist die Oesterreichische Nationalbank – "um die Vertrauenswürdigkeit der Riegerbank AG in Zweifel zu ziehen."

Und weiter hinten schreiben Sie dann: "Die Nationalbank trat im Sommer 1996 an den ehemaligen LASK-Trainer Günther Kronsteiner heran, um Informationen über Malversationen des Herrn Rieger auszukundschaften, damit dessen Verläßlichkeit in Frage gestellt wird." – Es ist erstaunlich, was Sie damals alles zu sagen hatten.

Ich zitiere weiter: Und andererseits war es das Bestreben der Oesterreichischen Nationalbank, die Tätigkeit des Herrn Rieger als Banker zu unterbinden. – Zitatende. Vor einigen Jahren waren Sie der massivste Anwalt, den sich Herr Rieger überhaupt vorstellen hat können. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Das geht noch weiter, und es ist erstaunlich! Sie haben am 14. Mai 1997 auch den Antrag gestellt, die Oesterreichische Nationalbank aufzulösen. (Rufe des Erstaunens bei der ÖVP.) Sie wollten damals jene Stelle, die dem Herrn Rieger und dessen Bank kritisch gegenübergestanden ist, ausschalten. (Abg. Mag. Stadler: Nur deswegen!) – Ja, Sie haben andere Vorwände gefunden.

Herr Kollege Stadler! Bevor Sie hier so groß reden, sollten Sie zuerst den finanziellen Saustall der Freiheitlichen Partei Niederösterreich ausmisten – um bei den Worten Ihres Parteichefs zu bleiben! (Beifall bei der ÖVP.)

Es war Ihr Ziel, die Oesterreichische Nationalbank mundtot zu machen. Es war Ihr Ziel, die Kritik abzuschwächen. (Abg. Mag. Stadler: Herr Wurmitzer! Ich bin ertappt! Ich bin erwischt!) Sie wollten freie Bahn für die Riegerbank auf deren Fahrt in den Abgrund haben. Bei diesen Zielsetzungen waren Ihnen die Anlagen der Anständigen, der Fleißigen und der Tüchtigen völlig egal! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Stadler! Die Freiheitliche Partei hat schon mannigfache Erfahrung im Anstreifen an schillernde Personen in Österreich. Wenn irgendwo eine Grauzone ist, wenn irgendwo eine schillernde Person Österreichs Bühne betritt, dann ist die Freiheitliche Partei dabei. Ich habe genügend Beispiele dafür. Sie erinnern sich sicher noch an den Fall des Klaus Mair, als Kollege Meischberger Millionenbeträge "aufs Handerl" bekommen hat. Sie erinnern sich sicher noch an den Fall Peter Feiersinger, den Sie als den Unternehmer des Jahrhunderts hochgepriesen haben. Sein Ende ist Ihnen auch bekannt. Sie erinnern sich auch an Wilhelm Papst als Sanierer des Zellstoffwerkes Magdalen, der mit dem damaligen Landeshauptmann Haider in dubiose Geschäfte einsteigen wollte. (Abg. Mag. Stadler: Lassen Sie den Papst in Ruhe!)

Sie erinnern sich auch an Ihren Kollegen Rosenstingl und auch an den damaligen Finanzminister Hannes Androsch, zu dem Sie sehr intensive Kontakte aufrechterhalten haben. (Heiterkeit beim Abg. Mag. Stadler.) Und heute haben wir auch vernommen, daß es die freiheitliche Parlamentsriege war, die sich in der "Claire-Bar" aufgehalten hat. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es ist schon interessant zu lesen, daß die Abgeordneten Trattner und Scheibner – hier jedenfalls namentlich genannt – zu Riegers illustrer Runde gehören. Es ist dann auffallend, wenn dieselben Personen dann die Hauptvertreter von Dringlichen Anfragen hier im Hause sind. Wahrscheinlich glauben Sie mit diesem Doppelspiel, wie Sie es schon vor zehn Jahren praktiziert haben, durchzukommen. Vor zehn Jahren haben Sie öffentlich erklärt: Wir erstatten Strafanzeige gegen Dr. Androsch. – Mit gleicher Post haben Sie ihm Weihnachtsgrüße geschickt und mitgeteilt, daß Sie ihm viel Kraft wünschen, damit er diese schlimme Zeit durchsteht.

Ich hätte einen Vorschlag: Sie können auch Herrn Rieger Weihnachtsgrüße schicken und ihm mitteilen, daß Sie an seiner Seite stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.04

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die krausen Phantasien des Abgeordneten Wurmitzer finden jetzt wieder ihre Fortsetzung. Es geht um Pleitebanken in Österreich, aber er verknüpft das wieder mit Einzelpersonen. Ich weiß nicht, ob er vergessen hat, daß es einen Rabelbauer gibt, daß es einen Sauerzopf gibt, daß es einen Soronics gibt, der zu Hause Stapo-Akten für alle Fälle aufbewahrt, die man verwenden könnte, daß es einen Zimper gibt und daß es auch einen Minister gegeben hat, einen gewissen Krauland, der in einen Riesenbankenskandal verwickelt war? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Das ist hanebüchen!) Das sind alles sogenannte christlich-soziale Menschen. Den zweiten Teil spare ich mir noch auf.

Kollege Wurmitzer! Betreffend Änderung der Meinung: Es hat in Kärnten den Magdalen-Skandal gegeben. Da war deine Partei eine der Betreiberinnen, daß das fortgesetzt wird, und dann bist auch du draufgekommen, daß das ein Fehler war, und warst mit im Untersuchungsausschuß. Das ist die Linie der ÖVP. Lieber Freund! Hier geht es nicht um einen gewissen Herrn Rieger; um den geht es hier nicht. Es geht um die Kunden dieser Bank. Darum geht es! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Nowotny hat heute gesagt: Wir haben eine gute Bankenlandschaft. – Das mag schon sein, aber wir haben auch Pleitebanken. Jetzt frage ich, wie der normale Konsument, der Arbeiter, der Angestellte, differenzieren soll, wenn "Bank" auf einem Schild steht. Der geht hinein, veranlagt sein Geld, und niemand käme bei Verlustzuweisungen bei 50 Prozent Gewinnbeteiligung und ähnlichem mehr darauf ... (Zwischenruf des Abg. Edler.) – Was ist, Eisenbahner? (Abg. Dr. Graf – in Richtung des Abg. Edler –: Du mit deinen 300 000 S Monatsgage!) Du hast in nächster Zeit Gelegenheit, darüber nachzudenken, was ich jetzt den Herrn Bundesminister für Finanzen fragen werde.

Was wußten Staribacher und Androsch? – Staribacher wurde im Sommer 1997 gebeten, die Bilanz 1996 der Riegerbank zu prüfen. Diese wurde geprüft und hat einen Persilschein bekommen. Im Februar 1998 hat Herr Staribacher dieses Gutachten widerrufen. Im Februar dieses Jahres! Es muß doch einen Grund dafür geben, daß Herr Staribacher dieses widerrufen hat. Es muß auch einen Grund dafür geben, daß der ehemalige Finanzminister Androsch seinen Aufsichtsratsvorsitz zurückgelegt hat. Hätten denn nicht – verdammt noch einmal! – bei der Bankenaufsicht alle Alarmglocken läuten müssen, wenn sich qualifizierte Wirtschaftstreuhänder zurückziehen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage mich wirklich: Haben die nicht gewußt, was sich dort abspielt? – Die Bankenaufsicht hat versagt. Da stellt der Herr Generalsekretär der ÖVP, Ihr Regierungspartner, schon sehr treffend fest, daß sechs SP-Politiker mit involviert sind: Herr Lacina, Herr Staribacher, Herr Klima und der jetzige Finanzminister Edlinger; alle erwähnt er, bis hin zum Herrn Wala. – Das ist einer heutigen Presseaussendung der APA entnommen. Meine lieben Freunde! Denkt einmal nach über den größten ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Marizzi und Silhavy.)

Wie viele Mitwisser hatte Herr Rieger? – Herr Sika hat öffentlich erklärt: Einige werden schlecht schlafen während den Ermittlungen. – Dann werden sich bei Ihnen etliche Reihen lichten (Abg. Edler: Den Trattner fragen!), denn nur unter der Federführung des Finanzministers – des seinerzeitigen wie des heutigen – sind Ihre laxe Bankenaufsicht und diese Manipulationen denkbar. Heute wurde gesagt, die Bankenaufsicht müsse verbessert werden, nicht anlaßbezogen, aber sie werde verbessert. Ich würde mir wünschen, daß das die Banken beziehungsweise auch die Kunden merken, denn die Banken selbst schützen sich schon vor Ausfällen. Als es große Pleiten gab, haben sie sich gegenseitig versichert, daß, wenn es irgendeinen Ausfall gibt, man einander schützen wird. Aber die SPÖ war nicht und ist nicht in der Lage, dafür zu sorgen, daß der Konsument entsprechend geschützt wird. Das wäre Ihre Aufgabe, Herr Finanzminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. Soll ich 7 Minuten Redezeit einstellen? – Bitte.

17.07

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gaugg hat gemeint, es gehe in erster Linie um die Kunden der Bank. Das ist schon so ziemlich das einzig Richtige, denn wenn es um die Kunden der Bank geht, dann geht es in erster Linie nicht um die Bankenaufsicht und nicht um Herrn Staribacher et cetera, sondern es geht um drei andere Punkte, die ich anführen werde.

Es geht nicht um die Bankenaufsicht, die, wie Sie gemeint haben, viel zu lax gewesen sei. Vor einem halben Jahr haben Sie noch eine Anfrage gestellt, in der Ihre Meinung ganz klar zum Vorschein gekommen ist, nämlich die Meinung, diese Bankenaufsicht wäre gegenüber der Riegerbank zu streng. Denn Sie fragen darin ja den Finanzminister, ob die Bankenaufsicht angemessen reagiert hat und ob nicht möglicherweise eine zu strenge Handhabung bei dieser Bankenaufsicht gegeben war. (Abg. Edler – in Richtung der Freiheitlichen –: Peinlich!) Das war in Wirklichkeit der Tenor Ihrer Anfrage.

Es geht also meiner Meinung nach primär um andere Fragen, die in den Vordergrund zu rücken sind. Die erste Frage, die in den Vordergrund zu rücken ist, ist folgende: Wie steht es eigentlich mit der Haftung jener, die diese Anleihen verkaufen? Wie steht es mit der Haftung jener, die Beratungsgespräche führen? Wie steht es zum Beispiel mit der Haftung der Beratungsgespräche in der Diskont Bank?

Es gibt ein Flugblatt der Diskont Bank, auf dem – auf der ersten Seite groß gedruckt! – folgendes zu lesen ist: Ab sofort kann direkt bei der Diskont Bank exklusiv eine österreichische Bankenanleihe – von der Riegerbank ist überhaupt nicht die Rede – erworben werden, die wieder die höchsten Zinsen bietet. Die Rendite liegt bei 7,5 Prozent pro Jahr, und die Laufzeit des Papiers beträgt genau vier Jahre. Damit wird diese Anleihe um ein Drittel besser als andere mit vergleichbarer Laufzeit verzinst. Ein echter Renditenhit! – Zitatende.

Von Risiko ist in diesem Flugblatt – es ist kein Prospekt – weit und breit keine Rede. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger.) Wir haben in der Niederösterreichischen Arbeiterkammer derzeit 200 Anleger, die sehr genau und detailliert schildern, wie diese Beratungsgespräche ablaufen. Diese haben allesamt nicht den Eindruck, daß sie über das Risiko ausreichend informiert wurden. Wenn es also, Kollege Gaugg, um die Kunden geht, dann ist zunächst einmal die Frage zu stellen: Wie läuft das bei den Beratungsgesprächen der Banken – in diesem Fall der Diskont Bank –, und wie weit gibt es hier Schadenersatzansprüche? – Wir werden innerhalb der Niederösterreichischen Arbeiterkammer sehr genau prüfen, inwieweit wir in diesem Punkt nicht einen Musterprozeß führen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist auch eine Bank!) Zweiter Punkt: Wie ist es – in diesem Fall weniger, aber in vielen anderen Fällen – mit den Vermögensberatern, mit der Haftung der Vermögensberater, mit der Mindestversicherungssumme? Ich kann mich noch daran erinnern, daß wir im Ausschuß und auch hier im Plenum, Kollege Firlinger, in einen Disput geraten sind, weil Ihnen die Mindesthaftung zu hoch erschienen ist. (Abg. Mag. Firlinger: Das verwechseln Sie! Da haben Sie nicht aufgepaßt!) Ich weiß nicht, ob Sie das jetzt auch noch so meinen oder nicht. – Ich habe nur sehr wenig Redezeit.

Nächster Punkt: Wirtschaftsprüfer. Es gibt bei der Riegerbank einen Wirtschaftsprüfer, der ohnehin massiv kritisiert wird. Es ist aber wichtig, festzuhalten, daß dieser Wirtschaftsprüfer auch schon im Fall Beldomo die Bilanz geprüft hat. Beldomo ist eine Aktiengesellschaft, die Aktien verkauft hat, und kein Mensch weiß, wozu genau dieses Geld verwendet wurde. Einige führende Köpfe der Beldomo AG waren in Untersuchungshaft. Es sind noch immer Strafverfahren anhängig – genauer gesagt, eine Voruntersuchung. Derselbe Wirtschaftsprüfer, der Beldomo geprüft hat, hat auch die Riegerbank geprüft.

Meine Frage: Wie oft kann man sich irren? Kann man sich einmal, zweimal, dreimal irren? Wie ist das mit dem Schadenersatz der Wirtschaftsprüfer? Führt nicht die Kammer der Wirtschaftstreuhänder momentan ein Disziplinarverfahren beziehungsweise ein Prüfverfahren durch, das eigentlich auch schon im Fall Beldomo, der nicht diese Schlagzeilen hatte, durchgeführt werden hätte müssen? – Das ist eine weitere wichtige Frage, wenn es um die Kunden geht.

Dr. Staribacher war nicht Wirtschaftsprüfer der Riegerbank. Er hat die Bilanz der Riegerbank überhaupt nicht testiert, sondern seine Aufgabe war es ... (Abg. Dr. Graf: Er war "erfolgreicher" Finanzminister!) – Nein. Die Bilanz hat er nicht testiert, sondern er hatte den Vermögensstatus aufzustellen. Es war völlig klar, daß da nicht vom Beleg weg, sondern von der testierten Bilanz weg zu prüfen war. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Daher ist die Frage: Wer hat die Bilanz testiert? – Das war jener vorher zitierte Wirtschaftsprüfer Dkfm. Türke. (Abg. Dr. Graf: Wieviel hat er für das Gutachten kassiert?)

Ein weiterer Punkt, den ich unbedingt noch ausführen will, ist die Frage der Gutachter in Strafverfahren. Es dauert oft Jahre, bis ein wirkliches Gutachten erstellt ist, Strafverfahren abgeschlossen und danach die zivilen Verfahren angehängt und abgeschlossen werden können.

In diesem Zusammenhang komme ich noch einmal auf Beldomo zurück. Es hat von unserer Seite auch eine Anzeige gegeben, und es kam zur Einleitung eines Strafverfahrens, und zwar im August 1996, also vor mehr als zwei Jahren. Der Gutachter ist jetzt ausgetauscht und durch einen anderen ersetzt worden, der nun wieder den Fall Beldomo aufarbeitet. Wir haben die große Sorge, daß viele Menschen, die dort Aktien gekauft haben, um ihre Schadenersatzansprüche wegen Verjährung umfallen werden, weil eben dieses Strafverfahren so lange dauert.

Die Frage ist: Wie rasch handeln die Gerichte, und wie rasch agieren eigentlich die Gutachter, die eingesetzt werden, wenn es um die Kunden geht? – Ich sage noch einmal: Es geht wirklich um die Kunden. In dieser Hinsicht ist aber der Bankenaufsicht nichts vorzuwerfen, sondern da sind die Frage der Beratungsgespräche, der Wirtschaftsprüfer und ähnliche Fragen, auch der Versicherungssummen bei Vermögensberatern zu klären, wenn es um die Kunden geht. Das sollte man insbesondere in den Vordergrund rücken!

Neben den Kunden geht es auch um einen funktionierenden Kapitalmarkt in Österreich. Die Frage Beldomo, die Frage Riegerbank, diese Fragen, die wir hier diskutieren – auch die Vertriebsformen, die wir hier öfters kritisiert haben (Abg. Mag. Trattner: Sie sind schon für Gläubigerschutz?), Strukturbetriebe et cetera –, sind wirklich dazu angetan, dem Kapitalmarkt in Österreich zu schaden. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Daher ist der Gläubigerschutzgedanke noch mehr als bisher in den Vordergrund zu rücken. Wir haben das immer getan. Sie haben da fallweise, siehe Mindestversicherungssummen, gebremst. (Beifall bei der SPÖ.)

17.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Abgeordneter Dr. König zu Wort gemeldet. – Sie haben noch eine Redezeit von 9 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

17.15

Abgeordneter Dkfm.DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, das, was man aus der heutigen Debatte als Schlußfolgerung ziehen kann, ist, daß es im wesentlichen um zwei Dinge geht:

Erstens um die Schadensminimierung, Schadensminimierung für den Bankenplatz Wien, international und damit für den gesamten an sich ausgezeichneten österreichischen Bankenapparat.

Zweitens natürlich auch um die Schadensminimierung für die Kleinanleger. Auch diese – das hat Kollege Wurmitzer für die Volkspartei heute schon gesagt – müssen vor Schaden bewahrt werden.

Es geht aber noch um etwas anderes: Es geht um die Frage, ob wir in der Lage und bereit dazu sind, diesmal – es ist ja nicht der erste derartige Bankenkrach; das ist Gott sei Dank nicht so häufig, aber es ist nicht der erste Fall – die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Die richtigen Konsequenzen sind deshalb so wichtig, weil sie Folgewirkungen für die Zukunft haben. Es sollte ja aus dieser Debatte noch herauskommen, daß das Folgewirkungen für die Zukunft hat. Im Mittelpunkt des Interesses steht natürlich folgende Frage, die jetzt in den Medien strittig behandelt wird: Was ist die Verantwortung und die daraus entstehende Haftung der Wirtschaftsprüfer?

Es ist einfach unmöglich, daß der Masseverwalter erklärt, die Buchhaltung sei ein Chaos, und der zuständige Prüfer erklärt, er habe mit der branchenüblichen Sorgfalt geprüft. Ich muß sagen: Hut ab vor dem Präsidenten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, der gesagt hat: Das muß untersucht werden, da muß es ein Disziplinarverfahren geben, da besteht der Verdacht, daß zu salopp geprüft wurde, wenn zwei so grundsätzlich verschiedene Feststellungen getroffen werden.

Wenn man das nämlich nicht macht, dann wird es so weitergehen. Das ist branchenüblich. Dann ist niemand zur Verantwortung zu ziehen. Das gilt natürlich auch für die Sonderprüfung. Es wird nur dann wirklich Folgewirkungen für die Zukunft haben, und zwar positive – mehr Sorgfalt, mehr Wahrnehmung der Verantwortung –, wenn auch Konsequenzen gezogen und Haftungen eingefordert werden. Das auch im Interesse der Schadensminimierung bei den Kleinanlegern.

Der nächste Punkt betrifft die Frage der Aufsichtsräte. Es ist sicher so, daß ein Aufsichtsrat, wenn ihm der Wirtschaftsprüfer in seinem Bericht attestiert, daß alles in Ordnung sei und alles geprüft worden sei, nicht so leicht draufkommen kann, daß dem in Wirklichkeit nicht so ist. Aber es war ja eindeutig, daß zum Zeitpunkt des Rücktrittes des Aufsichtsratspräsidenten Dr. Androsch bereits bekannt war, daß die Bankenaufsicht den Rücktritt des Vorstandes verlangt hat. Es war bekannt, daß zu diesem Zeitpunkt die Nationalbank die Riegerbank bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat wegen 24,5 Millionen Schilling Eventualverpflichtungen, die nicht in der Bilanz aufgeschienen sind. Das war also bekannt.

Das heißt, spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die Aufsichtsräte handeln müssen, aber das haben sie nicht getan. Nun ist es in Österreich üblich, daß eigentlich noch nie Aufsichtsräte zur Verantwortung gezogen wurden und daß man sich daher immer in der Sicherheit wiegt, es passiert ohnehin nichts. Denn das ist nicht üblich. Der Aufsichtsrat muß sich ja auf die Informationen des Vorstandes verlassen können. Er muß sich auf den Prüfungsvermerk des Wirtschaftsprüfers verlassen können. Dennoch kann es aber nicht so sein, daß die Aufsichtsräte angesichts einer solchen Situation – Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, Forderung nach Rücktritt des Vorstandes – einfach zur Tagesordnung übergehen, den Rücktritt des Aufsichtsratspräsidenten zur Kenntnis nehmen, und weiter geschieht nichts.

Was hinsichtlich der Konsequenzen, auch im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht, noch geschehen muß, ist nicht nur die Frage einer neuerlichen Reorganisation, sondern im wesentlichen die Frage des raschen Zusammenwirkens mit der Justiz. Denn es ist unglaublich, daß man in der Justiz nicht in der Lage war, auf die verschiedenen Verdachtsmomente und Anzeigen so schnell zu reagieren, wie die Zivilprozesse vor den Gerichten zugunsten der Riegerbank entschieden wurden.

Ich möchte Herrn Professor Van der Bellen hier beipflichten: Die einzige, die wirklich von Haus aus versucht hat, etwas zu tun, war die Nationalbank. Denn die Nationalbank – wie sagten Sie in Ihrer Anfrage? – hat kein Vertrauen zur Riegerbank gehabt.

Herr Kollege Stadler! Ich glaube, es ist ein Problem, das in diesem Fall Sie trifft, aber es trifft sicher auch uns und andere – das möchte ich nicht bestreiten –, daß man viel zu leicht geneigt ist, einer Intervention nachzugeben, die vordergründig berechtigt erscheint, daß man aber damit, bitte, in Wirklichkeit natürlich etwas Bestimmtes bewirkt. Wenn Sie also mit dem Dringlichen Antrag durchgekommen wären, hätte das, wie Professor Van der Bellen zu Recht bemerkt hat, den Schaden gewaltig vergrößert.

Der Pawlowsche Reflex: Nationalbank, da muß man "drauf", weil sie an sich auch ein Lieblingskind anderer Attacken ist, ohne zu prüfen, ob das Anliegen überhaupt schutzwürdig ist, ob nicht die Nationalbank recht gehandelt hat, ob das, was man ihr vorwirft, nämlich daß sie keine Gelegenheit ausläßt, um die Vertrauenswürdigkeit der Riegerbank in Zweifel zu ziehen, richtig war oder nicht ... (Abg. Mag. Stadler: Es war Rechtens!) – Sie haben ja nicht zugehört. Ich habe vorhin gesagt: Eine verbesserte Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörde, der Bankenaufsicht mit der Justiz ist notwendig, damit die Strafjustiz schneller arbeitet. Dann wären nämlich nicht alle Instanzen im Zivilverfahren positiv ausgegangen und man müßte nicht jetzt erst versuchen, diese Urteile noch zu revidieren. Das wäre durch ein schnelleres Verfahren in der Strafjustiz sicher verhindert worden.

Ich glaube, wir müssen erkennen, daß die Nationalbank eigentlich mehrfach wesentlich dazu beigetragen hat, daß letzten Endes die Sache ins Rollen gekommen ist. Sie hat eine Anzeige bezüglich der nicht in der Bilanz aufscheinenden Eventualverpflichtungen gemacht, und sie hat darauf hingewiesen, daß 500 Millionen Schilling auf ausländische Banken verlagert wurden. Sie hat letzten Endes mit der Verweigerung und dem Kleinkrieg gegen die Genehmigung der Devisenhandelskonzession verhindert, daß es noch zu einem wesentlich größeren Schaden gekommen ist.

Ich bin der Meinung, wir wären allesamt gut beraten, wenn wir aus dieser Situation die positiven Konsequenzen zögen, und zwar Konsequenzen, die verhindern sollen, daß der Bankenplatz Wien noch einmal ins öffentliche Gerede kommt und daß Kleinanleger um ihre Gelder bangen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Diese Debatte neigt sich dem Ende zu. Jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter dieses Hauses hat die Möglichkeit, nach Schluß dieser Debatte all ihre beziehungsweise seine Interventionen und Bittgesuche beim Bundesminister unterzubringen und anzubringen – wenn ich mir erlauben darf, das so zu formulieren, Herr Minister. Aber während der Debatte sollte das nach Möglichkeit nicht stattfinden. (Abg. Mag. Stadler ist im Begriff, ans Rednerpult zu treten.) – Nein, Herr Abgeordneter Stadler, noch ist es nicht soweit.

Es folgt eine tatsächliche Berichtigung des Herrn Abgeordneten Mag. Firlinger. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. – Bitte.

17.24

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kaufmann hat die unrichtige Behauptung aufgestellt, ich hätte mich im Ausschuß für eine Absenkung der Mindesthaftungssummen ausgesprochen. – Das ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr, daß ich verlangt und zur Diskussion gestellt habe, anstelle eines überhöhten Eigenkapitals eine höhere Haftungssumme sozusagen im Austauschweg vorzunehmen. – Das ist ein Unterschied; ein Unterschied allerdings, den Herr Kollege Kaufmann nicht zur Kenntnis nehmen wollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Stadler! Jetzt gelangen Sie zu Wort. Sie haben noch eine Redezeit von 6 Minuten. – Bitte.

17.25

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Hohes Haus! Immer wenn Kollege Wurmitzer am Rednerpult steht, stramm, adrett, korrekt, wie er es in der Rednerschulung gelernt hat, dann merkt man, daß sein Vater Gauredner war. Aber er hat sich leider wie immer, meine Damen und Herren, im Thema vergriffen. An seiner Art merkt man ja buchstäblich, daß er die private Vergangenheitsbewältigung seiner Familie austrägt: immer gegen die Freiheitlichen, und die Freiheitlichen an allen Ecken und Enden der Welt sind die Bösen, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Kiss. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen. – Abg. Wurmitzer geht am Rednerpult vorbei.) – Herr Kollege, nehmen Sie jetzt endlich einmal die Hand aus der Hosentasche, wenn Sie mit uns reden! Die haben Sie nämlich auch ständig in der Hosentasche, wenn Sie am Rednerpult stehen, Herr Kollege Wurmitzer!

Der erste, der von den kleinen Anlegern in einem Nebensatz gesprochen hat, war Herr Wurmitzer. Auch der Herr Minister hat nicht von den kleinen Anlegern gesprochen. Den Sozialdemokraten sind die kleinen Anleger ja ohnehin egal, das haben wir ja gemerkt: Kein einziger hat von den Anliegen der kleinen Anleger gesprochen. Herr Minister, Sie leider auch nicht. Wir wissen schon, daß es die SPÖ – die ÖVP sowieso schon längst – verlernt hat, den "kleinen Mann" zu kennen. Herr Wurmitzer hat also mit der Inbrunst der Überzeugung, wie man es ihm in der Rednerschulung beigebracht hat – ich habe schon darauf hingewiesen, in welcher –, gesagt: Wir wollen den Schutz der Kleinanleger.

Diese Forderungen, Herr Kollege Wurmitzer, haben Sie zum xten Mal erhoben, zum Beispiel nach dem Zusammenbruch der BHI in der Steiermark. Dann haben Sie gemeinsam mit uns einen Vertrag paraphiert. Ihr damaliger Sekretär – wie hieß er gleich?; Herr Wögerbauer, glaube ich – hat im Auftrag des Klubobmannes Khol eine Paraphe unter einen Vertrag vom 7. Jänner 1997 gesetzt, als es beinahe zu Neuwahlen gekommen ist. Jetzt stehen wir wieder vor vorgezogenen Neuwahlen, wie man hört. In diesem Abkommen hat sich die ÖVP dazu verpflichtet – ich zitiere –, "den Schutz und die Rechte der Kleinanleger zu verbessern".

Ich wünsche mir, daß die Österreichische Volkspartei endlich in die Bundesregierung kommt, damit sie all das umsetzen kann, was Sie seit Jahren fordern, Herr Kollege Wurmitzer. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Schön vorgetragen, aber leider das Thema verfehlt.

Kollege Wurmitzer! Sie wollen die Komplizen ausfindig machen. Da wird im Nachtclub nachgeforscht, wer sich mit Herrn Rieger beim Knödelessen oder beim Biertrinken zusammengesetzt hat. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel und Dr. Lukesch.) – Ja, wir werden Ihnen genau mitteilen, was getrunken, was konsumiert und was versteuert wurde, meine Damen und Herren. Nur erklären Sie mir, wer die anderen Komplizen sind.

Herr Türke, ist das ein Freiheitlicher oder ist das ein Schwarzer? (Abg. Schwarzenberger: Ein Freiheitlicher!) – Ein Freiheitlicher, sagt der Oberpräsident der Landwirte. Staribacher, ist das ein Freiheitlicher? Der "erfolgreichste" Finanzminister dieser Republik, er war noch erfolgreicher als der derzeitige Finanzminister, er hat nämlich nie ein Budget zustande gebracht und hat damit der Volkswirtschaft dieses Landes viel Schaden erspart. Ist das ein Freiheitlicher? (Abg. Schwarzenberger: Das ist ein Roter!) Oder Herr Fuhrmann, der Rieger die Konzession verschafft hat. Ist das ein Freiheitlicher? Gestern hat Kollege Van der Bellen gesagt: Ein Würstelstand, bei dem man "Bank" draufschreiben durfte. Wer hat das beantragt? – Der Herr Fuhrmann. Ist das ein Freiheitlicher, Herr Kollege Schwarzenberger? (Abg. Schwarzenberger: Ein Roter!) – Ein Roter ist das. Wir sind aber nicht rot. Jetzt haben wir es zum ersten Mal, Zeuge Schwarzenberger! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und der Herr Androsch, ist das ein Freiheitlicher, Herr Schwarzenberger? – Ein Roter ist er! (Abg. Schwarzenberger: Der Haider hat den Androsch als seinen Wirtschaftsminister angekündigt!)

Herr Schwarzenberger, weil Sie so auskunftsfreudig sind: Der Herr Steiner, wer ist das? Ist das ein Freiheitlicher? – Das war derjenige, der Herrn Rieger zur Flucht verholfen hat. Das ist der Bruder des Kanzleipartners der Kanzlei Fuhrmann. Ist das ein Freiheitlicher, Herr Schwarzenberger? – Sie wissen es nicht, aber Sie behaupten es einfach – so sagt es jedenfalls Herr Wurmitzer. Und Frau Campregher, ist die eine Freiheitliche? (Abg. Haigermoser: LIF!) – Beim LIF ist sie, meine Damen und Herren! Dort hat sie ja fleißig hineingecasht und wäre gerne Spitzenkandidatin in Oberösterreich geworden. Sie hat sich nur nicht durchgesetzt, weil dort die Funktionärsklüngel zu hart und nicht mit Geld zu kaufen waren. So spielen sich die Dinge ab!

Meine Damen und Herren, hören Sie doch mit der Heuchelei auf! Wenn sich eine Partei dieses Hauses – und auch Sie, Herr Minister, haben sich da besonders hervorgetan – auf den OGH, auf das Oberlandesgericht Wien, auf das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien beruft, dann ist das Ihrer Ansicht nach eine Komplizenschaft mit Herrn Rieger. Das ist die Höhe, meine Damen und Herren! Die Gerichte dieses Landes, wenn sie ein Urteil fällen – und das gleich dreimal hintereinander im Instanzenweg –, sind dann die Komplizen des Herrn Rieger. Packen Sie das zusammen, Herr Minister! Packen Sie das zusammen! Damit können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben mutwillig Kleinanleger geschädigt. Sie haben diese Kleinanleger geschädigt – und nur um die geht es mir –, indem Sie säumig waren. Das ist nicht, wie Kollege Maier gemeint hat, ein Problem des Bankgeheimnisses, sondern das ist ein Problem der Untätigkeit, ein Problem der Ignoranz, ein Problem der Indolenz. Und diese sind nahezu sämtlich in Ihrem Ministerium angesiedelt, Herr Finanzminister! (Abg. Schwemlein: Und die Redezeit ist aus!)

Meine Damen und Herren! Die nächste Ignoranz, Indolenz und Untätigkeit ist natürlich beim Herrn Justizminister zu finden. Aber glauben Sie mir, der Justizminister wird uns auch noch von der Regierungsbank aus Rede und Antwort stehen müssen. Denn daß bei 16 Anzeigen – und ein paar davon haben Sie ja selber zugegeben – nichts geschieht in der Justiz, ist ja wohl einmalig. Das nenne ich Ignoranz! Das nenne ich Rechtsstaatverweigerung! Das haben aber Sie, die Bundesregierung, zu verantworten, nicht wir Freiheitlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Ihnen Herr Rieger über Ihre parteinahen Zeitungen wie die Zeitschrift "NEWS" – ein sozialistisches Parteiblatt, das nur von Ihnen lebt ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Nein, ich korrigiere mich, sie lebt auch von der FPÖ, denn wenn es die FPÖ nicht mehr gäbe, hätte "NEWS" kein Thema mehr und wäre nur mehr auf Verbrecher angewiesen, die sie jeweils vor der Polizei ausfindig macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Ihnen also Herr Rieger über "NEWS" ausrichten läßt, daß sich Ihre Herren gar nicht ausgekannt haben, dann wird er schon wissen, wovon er redet. Wenn Herr Androsch sagt: Als ich zurückgetreten bin ... (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Herr Präsident, ist die Redezeit vorbei? (Abg. Schwemlein: Stadler! Und Tschüs!) – Gut, Herr Präsident!

Diese Regierung hat Versäumnisse zu verantworten, für die sie noch in mehreren Dringlichen Anfragen wird geradestehen müssen! Auch Sie, Herr Finanzminister, werden nicht aus der Ziehung entlassen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wurmitzer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet.

Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit dem Sachverhalt, dem Sie Ihre Berichtigung gegenüberstellen wollen. – Bitte.

17.31

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat von dieser Stelle aus die Behauptung aufgestellt, mein Vater sei "Gauredner" gewesen. (Abg. Mag. Stadler: Er war also "nur" Nazi!)

Ich stelle richtig: Mein Vater war weder Gauredner noch jemals Mitglied der NSDAP. Mein Vater war vom 1. September 1939 bis zum 10. Mai 1945 als Soldat Angehöriger der Deutschen Wehrmacht – und kein Gauredner! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Koppler: Das ist dem Stadler Wurscht! – Abg. Dr. Khol: Das ist letztklassig!)

17.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt nun keine Wortmeldung mehr vor. Diese Debatte ist geschlossen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 4484/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4484/AB des Herrn Bundesministers für Landesverteidigung.

Die Anfragebeantwortung ist im Saal verteilt worden, eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Am Beginn der Debatte rufe ich die Bestimmungen der Geschäftsordnung über die Redezeitbeschränkung in Erinnerung: Jeder Redner darf nicht länger als 5 Minuten sprechen, der Erstredner hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten. Wortmeldungen der Regierungsmitglieder und Staatssekretäre sollen ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten.

Ich erteile nunmehr als erstem Redner, welcher der Antragsteller dieses Verlangens ist, Herrn Abgeordneten Scheibner, das Wort. Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.33

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Anfragebeantwortung, um deren Besprechung es heute geht, zu einer parlamentarischen Anfrage der Freiheitlichen bezüglich der angespannten Situation bei den Hubschrauberstaffeln reiht sich in eine ganze Serie von Beantwortungen des Herrn Bundesministers von Anfragen der Opposition – nicht nur von unserer Fraktion – in den letzten Monaten ein. Es ist dabei immer das gleiche Schauspiel zu beobachten:

Abgeordnete der Opposition, vor allem wir Freiheitliche, decken Mängel und Mißstände im Bereich Ihres Ressorts auf, stellen Ihnen entsprechende Fragen – und zwar schriftlich oder mündlich, ob im Plenum, im Wege von Parlamentsdebatten, in Ausschüssen oder, so wie gestern, im Landesverteidigungsrat – und hoffen, daß Sie uns, wie das Ihre Verpflichtung im Sinne des Interpellationsrechtes der Mandatare ist, entsprechende Antworten geben.

Aber, meine Damen und Herren und werte Kollegen, wenn Sie die Anfragebeantwortungen des Herrn Bundesministers nachlesen – und zwar nicht nur jene, die heute zur Debatte steht, sondern auch die meisten anderen –, dann werden Sie merken, mit welcher Lässigkeit, mit welcher Nonchalance das Ministerium über berechtigte Anfragen und Sorgen von Abgeordneten dieses Hauses hinweggeht und wie schönfärberisch und ungenau diese unsere Fragen beantwortet werden.

Herr Bundesminister! In der heute zur Diskussion stehenden Anfrage und Ihrer Beantwortung geht es um überaus wichtige Probleme! Wir haben in dieser Anfrage auf die problematische Situation der Hubschrauber im Heeresbereich hingewiesen. Gerade diese Hubschrauber stellen sowohl für das Bundesheer – vor allem, was die Lufttransportkapazität anbelangt – als auch auf zivilem Gebiet einen wichtigen Bereich dar. So sind wichtige Funktionen des Bundesheeres, etwa im Assistenzeinsatz an der burgenländischen Grenze, durch Hubschrauber zu gewährleisten, aber auch wichtige Bereiche des Zivilschutzes, wie etwa im Sanitäts- und Katastropheneinsatz, werden von den Hubschraubern des Bundesheeres mit unterstützt.

Und wir hören immer wieder – nicht nur durch Klagen aus der Truppe, sondern auch durch eigene Wahrnehmung und, wenn es wieder einmal einen Defekt oder, wie leider in der Vergangenheit passiert, einen Absturz eines Bundesheer-Hubschraubers gibt, durch Zeitungsberichte –, in welch prekärer Situation sich die Luftstreitkräfte und im besonderen die Hubschrauberflotte des österreichischen Bundesheeres befinden.

Wenn wir aber nun in einer Anfrage nach Ihren Konzepten zur Bereinigung dieser problematischen Situation fragen, bekommen wir nur lapidare Antworten wie etwa, daß im Prinzip alles in Ordnung sei oder – ich erinnere auch an andere Dinge, die die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres insgesamt betreffen – daß es vielleicht besser sein könnte, aber Sie seien ohnedies bereits darangegangen, das durch Nachbeschaffungen zu verbessern, und die Aufträge des Heeres seien trotz aller Schwierigkeiten zu erfüllen.

Sehen wir uns doch die Ausgangslage an, Herr Verteidigungsminister! Wie sieht denn die Situation bei den Hubschraubern aus? – Wir haben als "neuestes" Gerät 22 Stück des Typs Agusta Bell 212 seit 1980, also seit 18 Jahren, im österreichischen Bundesheer eingeführt – zwei dieser Hubschrauber sind bereits abgestürzt. Weiters gibt es zwölf Stück vom Typ Bell Kiowa, eingeführt im österreichischen Bundesheer 1976, also seit 22 Jahren im Dienste der österreichischen Armee, zwölf Stück des Typs Agusta Bell 206, eingeführt im österreichischen Bundesheer 1969, also seit 29 Jahren im Dienst des österreichischen Bundesheeres, 23 Stück Alouette III, eingeführt im österreichischen Bundesheer 1967, also schon 31 Jahre lang im Dienste der österreichischen Armee – ein Hubschrauber dieses Typs ist bereits abgestürzt –, und – als "Krönung" der Hubschrauberflotte – acht Stück des Typs Agusta Bell 204, die einen Hauptanteil der Transportkapazität im Bundesheer, vor allem was die Luftbeweglichkeit von Einheiten anbelangt, ausmacht, eingeführt im österreichischen Bundesheer 1965 – Herr Bundesminister, 1965! – und somit seit 33 Jahren im Dienst der österreichischen Landesverteidigung; sie muß vielleicht noch heuer, jedenfalls zwischen 1998 und 2000, außer Dienst gestellt werden.

Wir haben Sie nun in dieser parlamentarischen Anfrage gefragt, welche Einsatzmöglichkeiten die Luftlandetruppen der verschiedenen Waffengattungen mit diesem Gerät noch haben. In Ihrer lapidaren Antwort reden Sie allgemein vom Sicherungseinsatz, beantworten aber nicht konkret das, was wir gefragt haben. – Welche luftbeweglichen Einheiten können denn mit diesen Luftstreitkräften, mit dieser Kapazität noch ihre Aufträge und ihren Einsatz erfüllen?

In Punkt 4 geht es um die Frage, wie schnell diese Verlegung gehe, wie Sie die Lufttransportkapazität – das nennt man in der Fachsprache "Lifts" – bewerkstelligen können. Wir haben gefragt, wie hoch genau die Anzahl der Lifts sei, um die notwendige Transportkapazität bei Luftverlegungen erreichen zu können. – Sie haben nur lapidar geantwortet, das sei vom Klarstand der Hubschrauber abhängig, also, wie viele Hubschrauber gerade einsatzbereit beziehungsweise vorhanden seien.

Herr Verteidigungsminister und Herr Klubobmann Khol! Schauen wir uns doch Ihre eigenen Konzepte an: Sie gehen im Einsatzkonzept von einem Jägerbataillon, also etwa 600 bis 700 Mann, aus, die luftbeweglich organisiert werden sollen. In der Heeresgliederung ist aber vorgesehen, daß man drei oder vier Bataillone luftbeweglich einsetzen können soll – die Gebirgsjäger-Bataillone noch gar nicht miteinbezogen. Das wären aber insgesamt 23 Kompanien, also bis zu 4 000 Mann!

Wie schaut der Ist-Stand aus? – Sie können mit einem Lift gerade eine Kompanie, eine verstärkte Kompanie, 220 Mann, bewegen!

Was heißt das für jene, die sich nicht so intensiv mit der Landesverteidigung beschäftigen? Was ist denn der Sinn dieser luftbeweglichen Bataillone? – Sie sollen sehr rasch und vor allem sicher von einem bestimmten Punkt in den Einsatz geschickt werden können, dort einen Überraschungseffekt erzielen und damit im Gefecht einen Vorteil bewirken. Aber dieser Überraschungseffekt für – nach Ihren Vorgaben – ein Bataillon dauert drei bis vier Stunden, Herr Bundesminister. Es dauert drei bis vier Stunden, obwohl alles, was an Hubschraubern vorhanden ist – nicht nur, was wirklich sinnvoll einsetzbar ist, sondern alles: vom zweisitzigen bis zum achtsitzigen Hubschrauber –, alle zur Verfügung stehenden Hubschrauber eingesetzt werden, um dieses eine Bataillon zu verlegen! Das dauert drei bis vier Stunden! – Da brauchen die letzten gar nicht mehr in das Gefecht zu ziehen, denn das ist dann schon längst verloren.

Herr Bundesminister für Landesverteidigung! In der Praxis wird nur mehr simuliert! Wir selbst waren einmal vor, ich glaube, zwei Jahren bei einer Übung einer Panzergrenadierbrigade. Es wurde uns vorgeführt, wie eine Luftlandung von Panzerabwehrtruppen aussieht. Diese Luftlandung sollte theoretisch durch Kampfhubschrauber abgesichert werden. Das österreichische Bundesheer verfügt aber über keine Kampfhubschrauber, sondern nur über zwei mäßig bewaffnete Hubschrauber mit Maschinengewehren. Da man aber so tun mußte als ob, wurden diese beiden armen, mit Maschinengewehren ausgerüsteten Hubschrauber drohend in der Luft stehen gelassen und damit simuliert, was man theoretisch machen sollte. In der Praxis hätte diese ganze Luftlandung nicht stattfinden können, da alle abgeschossen worden wären, bevor sie noch dort angekommen wären, Herr Bundesminister.

Auch das zeigt wieder: Das Bundesheer ist mit diesem unzulänglichen Gerät für einen Einsatz ausgerüstet, den unsere Soldaten im Ernstfall nicht überleben können. Genau das werfen wir Ihnen seit Monaten und Jahren vor, bekommen aber nur lapidare Antworten und hören immer nur, es sei alles in Ordnung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie behaupten, es werde alles nachbeschafft. Ich frage Sie: Wann? Sie haben gesagt, die Hubschrauber kämen erst nach den Luftraumüberwachungsflugzeugen. Diese kommen aber erst in der nächsten Legislaturperiode. Das heißt, daß es vor dem Jahr 2006 keine Erneuerung dieses sowohl für das Bundesheer als auch für den zivilen Bereich so wichtigen Streitkräfteanteils geben wird.

Herr Bundesminister! Das ist unserer Armee und unserem Land gegenüber unverantwortlich! Aber genauso unverantwortlich sind Anfragebeantwortungen, wie Sie sie den Abgeordneten dieses Hauses gegeben haben.

Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Scheibner und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die schriftliche Anfragebeantwortung 4484/AB des Bundesministers für Landesverteidigung auf die schriftliche Anfrage 4823/J der Abgeordneten Scheibner und Kollegen betreffend "Die angespannte Situation bei den Hubschrauberstaffeln der Fliegerdivision" wird nicht zur Kenntnis genommen.

*****

So können Sie mit uns in diesem Haus nicht umgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.44

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe mir die sehr detaillierte Anfrage der FPÖ genau durchgelesen, kann aber in der von Herrn Bundesminister Fasslabend – wie ich meine – sehr ausführlich und informativ erfolgten Beantwortung keinen Grund für diese Debatte sehen. Das möchte ich vorausschicken.

Meine Damen und Herren! Die österreichischen Luftstreitkräfte befinden sich sicherlich nicht gerade in einer sehr beneidenswerten Situation, aber von einer dramatischen Zuspitzung, wie Sie, Kollege Scheibner, es heute genannt haben, kann wirklich nicht gesprochen werden. In Ihrem Bericht ist die Situation bewußt negativ dargestellt. Ich verstehe zwar Ihre Aufgeregtheit, die sicher mit anderen Ereignissen zu tun hat, aber Sie haben meiner Ansicht nach in Ihren Ausführungen überzeichnet. (Abg. Scheibner: Was ist los mit dir? Das darf doch nicht wahr sein! Er spricht gegen seine eigene Überzeugung!)

Ich möchte nur ein paar Bemerkungen zu den angesprochenen Hubschraubern, konkret zu dieser Anfragebeantwortung, machen. Wir haben, was die Analyse der sicherheitspolitischen Gegebenheiten anbelangt, sehr viele Gemeinsamkeiten. Aber diese Anfragebeantwortung ist – gerade was die Hubschrauber betrifft – wirklich nicht zu verstehen, wenn man sich kritisch und objektiv mit den Gegebenheiten des österreichischen Bundesheeres, im besonderen der Luftstreitkräfte, auseinandersetzt.

Zu den Hubschraubern muß ich sagen, daß abgesehen von den seit Jahrzehnten beim Bundesheer verwendeten Hubschraubern des Typs Agusta Bell 204, die ohnehin bis zum Jahr 2000 – das steht auch in der Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers – außer Dienst gestellt werden, ... (Abg. Dr. Graf: Das ist der Preis für die Koalitionstreue!) Nein, lieber Kollege! Gerade das Thema Bundesheer ist meiner Meinung nach verantwortungsvoll zu diskutieren und eignet sich für parteipolitisches Hickhack im wahrsten Sinne des Wortes nicht. (Abg. Dr. Graf: Richtig!) Diese Fragen haben wir ernst zu nehmen, und die Bundesregierung, die Koalitionsparteien tun dies auch. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Hubschrauber werden bis zum Jahre 2000 außer Dienst gestellt. Man kann also sehr wohl von einer sehr stabilen Einsatzsituation sprechen. Bei allen anderen Hubschraubertypen wurden die notwendigen Modernisierungen genau besehen bereits durchgeführt oder sind im Gange oder zumindest eingeleitet worden. Somit verfügt das Bundesheer sehr wohl über zeitgemäße, den Anforderungen eines modernen Flugbetriebes entsprechende Hubschrauber. Das bestätigen auch die zahlreichen Einsätze im In- und Ausland! Im Gegenteil: Man muß unseren Fliegern für die im Rahmen der Katastrophenhilfe, des Grenzeinsatzes, der Grenzüberwachung oder der Rettungseinsätze erbrachten, auch international anerkannten Leistungen meiner Ansicht nach Dank und Anerkennung aussprechen. (Abg. Jung: Das hat ja mit dem nichts zu tun!)

Die in der Anfrage aufgestellte Behauptung, die Strukturanpassung der Luftstreitkräfte sei gescheitert, stimmt nicht, denn die Luftstreitkräfte sind von dieser Bundesheerreform bis jetzt unberücksichtigt geblieben. – Herr Bundesminister! Es wäre daher zu prüfen, ob die Führungsstruktur, die vorhandene Infrastruktur und die Organisation des Betriebes den Kriterien der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit entsprechen. (Abg. Scheibner: Das hat sogar der Kostelka gefordert, daß wir neue Heeresstrukturen brauchen!) Bei den Luftstreitkräften werden wohl eine Straffung der Führung und eine Reduzierung der Infrastruktur erforderlich sein.

Es geht uns um die Weiterführung der beim Bundesheer eingeleiteten Strukturreform unter Einbeziehung der Luftstreitkräfte. Dazu wird die von dir geforderte Neubeschaffung bei den Hubschrauberstaffeln sicher notwendig sein. Sie ist ohnehin in einigen Bereichen vorgesehen. Es sind zwar noch viele Fragen im Detail zu klären, insgesamt jedoch kann nicht von einer dramatischen Zuspitzung der Situation im Bereich der Hubschrauber gesprochen werden.

Wir wollen auf der Grundlage der derzeitigen Gegebenheiten und der nun laufenden Strukturanpassung eine weitere Modernisierung der österreichischen Luftstreitkräfte. In den nächsten Monaten werden einige Fragen diesbezüglich zu klären sein. Es muß unser gemeinsames Anliegen sein, daß auch in diesem Bereich Glaubwürdigkeit und Effizienz gegeben sind. Ich glaube, wir können gemeinsam den richtigen Weg gehen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.48

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller berechtigten Sorge um die künftigen Entwicklungen im Bereich unserer Hubschrauberstaffeln ist die folgende Klarstellung von vornherein wichtig:

Die Hubschrauberstaffeln des Bundesheeres leisten in drei Bereichen ausgezeichnete Arbeit: in der Einsatzfähigkeit und -bereitschaft für militärische Aufgaben, bei Rettungseinsätzen nach Verkehrs- und Bergunfällen sowie bei Katastropheneinsätzen im In- und Ausland und bei Assistenzeinsätzen an der burgenländischen Grenze beziehungsweise an anderen Grenzabschnitten zum Schutz vor illegaler Einwanderung und dem Import organisierter Kriminalität. Diese Leistungen werden von besonders engagierten Soldaten mit den nach heutigem Stand 76 vorhandenen Hubschraubern des Bundesheeres erbracht. (Abg. Jung: Sie sind aber schlecht informiert!)

Jene Behauptung in der FPÖ-Anfrage, daß das Bundesheer keine den Anforderungen entsprechenden Hubschrauber habe, ist mit Entschiedenheit zurückzuweisen. Solche Ansagen können dazu führen, daß in der Bevölkerung Unsicherheit entsteht, und sind nicht dazu angetan, dem Bundesheer, seinem Ansehen und seinen Aufgaben zu nützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, daß in den kommenden Jahren bei den Luftstreitkräften in drei Bereichen Erneuerungsinvestitionen notwendig sind: die Draken-Nachfolge zum Schutz des österreichischen Luftraumes und zur Abwehr von möglichen Angriffen, Erpressungen oder terroristischen Aktionen aus der Luft, die Nachschaffung von Flächenflugzeugen als Transportmittel und selbstverständlich die Hubschrauber, die – wie vom Kollegen Scheibner bereits gesagt – in Teilen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, aber bei weitem noch nicht für einen Einsatz ungeeignet sind.

Das sind Investitionen für Jahrzehnte für die Sicherheit Österreichs. Dem Text des gestrigen Berichtes des Bundesministers im Landesverteidigungsrat zufolge, der dort zur Kenntnis genommen wurde, werden diese Beschaffungen, diese großen Investitionen für den Luftbereich Ende des Jahres 1999 zur Entscheidung anstehen.

Meine Damen und Herren! Ein leistungsfähiges Bundesheer ist ein wertvolles Instrument zur Erhaltung von Freiheit, Frieden und Sicherheit. Wir sollten, trotz des Wahlkampfklimas, das allenthalben erzeugt wird – Kollege Haider ist ja derzeit in Kärnten, um dort Werbung zu machen –, versuchen, sachlich damit umzugehen und gemeinsam eine gute Ausstattung des Heeres, auch bei knappen Finanzmitteln, zu erreichen. (Abg. Scheibner: Wo ist bei euch die Gemeinsamkeit?) Unterstellungen und Aggressionen wie zum Beispiel das Wort von den "Museumsfliegern" dienen diesem Ziel sicher nicht!

Kollegen Gaál möchte ich noch einen Satz sagen: Bei den Luftstreitkräften werden wir sicher nicht reduzieren, sondern eher ausbauen müssen, denn die wesentlichsten Bedrohungspotentiale, die es heute überhaupt gibt, kommen aus der Luft, und dort müssen wir daher zur Abwehr bereit sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaál: Wer bedroht uns aus der Luft? – Abg. Jung: Die Mythen vom Neusiedler See!)

17.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

17.53

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Gaál hat anscheinend soeben sein Damaskus erlebt. Sie sind doch vor nicht allzu langer Zeit mit uns hinausgefahren, um die Grenzsicherung zu beobachten, und haben den verantwortlichen Offizier auf die Schaufel genommen, weil wir nicht wie geplant mit Hubschraubern hinausfliegen konnten, weil schlechtes Wetter war, Herr Kollege.

Die Hubschrauber sind nicht tauglich für dieses Wetter. Glauben Sie denn, der Krieg oder ein Einsatz findet nur bei Schönwetter oder im Saal statt, Herr Kollege Gaál? Sie haben sich doch heute selber widersprochen! Oder ist das vielleicht das Heer, das Kanzler Klima, der heute in einer Presseaussendung sagt, er lege ein Bekenntnis zu einem einsatz- und leistungsfähigen Bundesheer ab, meint? Bis dorthin ist es noch ein weiter Weg, Herr Kollege Gaál. Und Ihre Partei verhindert am maßgeblichsten, weil sie das Geld nicht zur Verfügung stellt. So sieht die Realität aus, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Anfragebesprechung, Herr Bundesminister. Ihr Ministerium, vor allem Ihr Kabinett, ist leider für schnoddrige Anfragebeantwortungen bekannt. Wir haben in der Hubschrauberfrage ehrliche Besorgnis, es gab ja schließlich einen Toten. Unsere Anfrage dazu wurde in der üblichen Art beantwortet. Ich erinnere nur daran, daß beim LEOPARD vier Anfragen nötig waren, um die wahre Antwort zu bekommen.

Wir haben also nachgefragt, wie es wirklich ausschaut, und wieder die gleichen schnoddrigen Antworten bekommen. Schließlich sieht Ihre Heeresgliederung-Neu-Neu, die Supernova, wie es im Bundesheer heißt, manche sprechen auch vom Supergau, vor, daß es eine entsprechende Lufttransportkapazität gibt. Sie ist aber nicht vorhanden. Dann bekommen wir eine Antwort, die so ungefähr "schmeck´s" lautet und in der steht – wie haben die Herren sich auszudrücken geruht? –:

"Die Anzahl der Lifts ist grundsätzlich vom jeweiligen Klarstand der Hubschrauber, von der militärischen Lage und dem Einsatzraum (...) abhängig." – Natürlich!

Daß Ihre Herren das aber nicht immer so falsch verstehen, zeigt ein Papier Ihres Ministeriums über die Luftraumüberwachungsflugzeuge, in dem über die Transporthubschrauberbeschaffung steht: Die Lufttransportkapazität des Bundesheeres beträgt derzeit eine verstärkte Kompanie! – Von den Bataillonen ist keine Rede. – Nach dem Konzept wären mindestens drei vorgesehen. Für eine Aufstockung fehlt jedoch nicht nur das Gerät beziehungsweise dessen Finanzierung, sondern auch die Organisationsstrukturen und das Personal. – Zitatende.

Kollege Maitz meint, man solle gemeinsam eine gute Ausstattung des Heeres erreichen. – Herr Kollege, was tun Sie denn dazu, außer daß Sie immer schönfärben? Sie sind der klassische Schönfärber. Was ist denn beschafft worden, was ist denn gekauft worden? (Abg. Dr. Maitz: Eine lange Liste!) Teile dieser Hubschrauber! Ich bin zwar nicht gerade der Jüngste, in meinem Zweitberuf als Nebenerwerbsbrigadier habe ich Haare gelassen – ich bin zwar nicht ergraut, habe aber Haare gelassen –, aber diese Hubschrauber sind länger im Dienst als ich, Herr Kollege Maitz. Das ist die Realität auf diesem Sektor. Und wenn man nachfragt, wird zugedeckt und schöngefärbt! (Abg. Dr. Maitz: Sie müssen halt miesmachen!)

Sie wissen selbst – oder Sie sollten es zumindest wissen –, wie die Realität dort ausschaut. Man weiß nicht, was man mit dem Kaderpersonal der stillgelegten Staffel machen wird, da noch kein neues Gerät ins Haus steht, auf dem sie der Herr Minister angeblich beschäftigen will. Es wird wahrscheinlich eine Scheinbeschäftigung wie bei den Panzern sein, wo heute immer noch die Simulatoren für die Ausbildung fehlen. Aber das Bataillon ist in Ordnung, sagt der Herr Minister.

Gleichzeitig werden mindestens 3000 neue Flugstunden für den Grenzsicherungseinsatz abgegeben. Woher, glauben Sie, kommt denn das alles? Das Gerät ist am Ende, es ist veraltet und nicht mehr ausreichend, ja zum Teil schon nahe des Gefahrenbereiches. Dadurch gefährden Sie Menschenleben, und damit darf man nicht mehr spielen. So schaut die Situation aus!

Sie könnten die Transportkapazität vielleicht erhöhen. Ich entnehme dem heutigen Monitordienst: Osteuropa, russische Interfax, Bau von MIG-Flugzeugen in Österreich geplant – Rußland und Österreich wollen in einem österreichischen Werk russische Mehrzweckflugzeuge vom Typ MIG 110 A bauen. Während des Besuches der russischen Delegation wurde ein Protokoll dazu unterzeichnet.

Es wäre ganz interessant, zu wissen, ob Sie, da Sie in der gestrigen Sitzung des Landesverteidigungsrates darüber gesprochen haben, die Herren dort auch über diese Absichten informiert haben! Oder ist das auch wieder nur ein Scheingeschäft?

Herr Bundesminister, Sie werden demnächst den neuen Kommandanten der Fliegerdivision in den Dienst stellen. Es ist erstmals kein Flieger. Der Kommandant der Fliegerdivision ist also kein Flieger! Er hat aber einen unbeschreiblichen Vorteil: Er ist CVer. Ich weiß nicht, ob das genügt, um die fehlende Qualifikation in diesem Bereich zu ersetzen. Er ist vom Radar, und die Zukunft der Fliegerei im österreichischen Bundesheer scheint wirklich am Boden zu liegen. Dann kann er von unten beobachten, wie NATO-Maschinen, die es angeblich nicht gibt und von denen die SPÖ nichts wissen will oder darf, zu Hunderten über unser Land fliegen.

Das wird er tun können! Denn wenn Sie so weitermachen wie bisher, Herr Bundesminister, dann wird die Fliegertruppe des österreichischen Bundesheeres bald wirklich nur noch eine Luftflotte sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.58

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir diskutieren heute wiederum eine Anfragebeantwortung zum Thema Zustand des Bundesheeres. Ich halte auf der einen Seite die Anfrage über die Einsatzbereitschaft der Fliegerkräfte für sicherlich berechtigt und glaube, daß gerade wir, die politisch Verantwortlichen, uns über den Zustand und die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, im besonderen aber über die Einsatzbereitschaft der Luftstreitkräfte, Sorgen machen müssen.

Die Beantwortung dieser parlamentarischen Anfrage war bedauerlicherweise auch typisch. Seitens des verantwortlichen Ressortministers wurde wieder einmal die – ich möchte fast sagen – Chance vertan, dem Parlament reinen Wein einzuschenken, die Situation so darzustellen, wie sie wirklich ist, und damit die Bereitschaft zu erhöhen, daß für die Landesverteidigung und für die Fliegerkräfte auch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Die Beantwortung dieser parlamentarischen Anfrage geht, wie gesagt, nicht auf die tatsächliche Situation der Luftstreitkräfte ein, und eine ganz wichtige Frage wurde nicht wirklich beantwortet, nämlich jene hinsichtlich des Standes der Erfüllbarkeit der Friedensaufgabe, im besonderen, inwieweit unsere Luftstreitkräfte, vor allem die Hubschrauber, wirklich in der Lage sind, die Aufgaben, die sich aus einer Assistenzleistung ergeben, zu erfüllen.

Wenn es hier "Assistenzleistung" heißt, dann ist damit auf der einen Seite beispielsweise der Assistenzeinsatz zur Grenzraumüberwachung an der burgenländischen Grenze gemeint. Aber auch dort kennen wir die Probleme. Die andere Assistenzleistung ist beispielsweise die Hilfeleistung in einem Katastrophenfall. Dafür fehlt es an ausreichender Lufttransportkapazität, Herr Bundesminister. Mit unseren derzeitigen Einsatzmitteln sind wir nicht in der Lage, den Auftrag im erforderlichen Ausmaß zu erfüllen.

Dabei wirkt sich auch die Situation aus, daß die Fliegerkräfte veraltetes Gerät haben. Meine Damen und Herren! Wenn man sich das anschaut – einige meiner Vorredner sind bereits darauf eingegangen –, sieht man, daß wir Hubschrauber haben, die im Jahre 1965 eingeführt wurden. Wir haben Hubschrauber wie die Bell 206, eingeführt im Jahr 1969. Wir haben solche, die 1967 eingeführt wurden, wie die Alouette III. Wir haben die "OH-58", eingeführt 1976. Wir haben also veraltetes Gerät!

Herr Bundesminister! Auch aus Ihrer Beantwortung geht klar hervor, daß weit und breit keine Chance besteht, zu einer Modernisierung der Luftstreitkräfte zu kommen. Ich darf aus Ihrer Beantwortung zitieren. Sie antworten beispielsweise auf die Fragen 1 und 2, daß die Finanzierung "noch auszuverhandeln" sein wird. Zur Frage 5 heißt es, daß es "entsprechenden Ersatz" vielleicht "in naher Zukunft" geben wird. Zu den Fragen 9 bis 13 antworten Sie: "Im Hinblick auf die noch zu verhandelnde Finanzierung sind Aussagen über den Zeitpunkt der Entscheidung beziehungsweise die konkrete Nachfolgetype derzeit noch verfrüht".

Herr Bundesminister! Wie lange wollen wir mit der Modernisierung unseres Bundesheeres noch warten? (Abg. Wabl: Nur Geduld!) Wie lange wollen wir noch darauf warten, daß die Luftstreitkräfte jene Einsatzmittel bekommen, die sie zu einer ordnungsgemäßen Auftragserfüllung tatsächlich brauchen? (Abg. Wabl: Mit großer Geduld!)

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß die Beantwortung dieser parlamentarischen Anfrage nicht so war, wie es dem Hohen Haus gegenüber notwendig gewesen wäre. Ich bedauere, daß seitens des Ministeriums wieder nicht die Chance wahrgenommen worden ist, bewußtseinsbildend zu wirken, und auch, daß keine Hinweise darauf gegeben worden sind, wie man sich vorstellt, daß es in Zukunft mit den Luftstreitkräften weitergehen soll.

Wir meinen – da bin ich mit Kollegen Gaál einer Meinung –, daß eine umfassende Reform der Luftstreitkräfte ein Gebot der Stunde ist. Es wird vor allem darauf ankommen, die Strukturen zu straffen, die Führung zu straffen, und es wird auch darauf ankommen, den Betrieb an den Umfang der Luftstreitkräfte anzupassen.

Herr Bundesminister! Das österreichische Bundesheer hat weniger Flugzeuge, als beispielsweise auf einem einzigen amerikanischen Flugzeugträger stationiert sind. Wir betreiben fünf Flugplätze, bei anderen Luftstreitkräften hingegen ist der Betrieb der gleichen Anzahl von Flugzeugen von einer Basis aus möglich. Daher wird es notwendig sein, auch im Bereich des Betriebes zu einer Anpassung zu kommen. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluß. Ich denke, das ist ein Gebot der Stunde: Die Notwendigkeit zur Modernisierung ist absolut gegeben! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

18.03

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich gebe unumwunden zu, daß ich beim Thema Kampfhubschrauber überfragt bin. Ich bin kein Spezialist. Auch bei Transporthubschraubern kenne ich mich nicht aus. Aber eines kann ich dieser Anfragebeantwortung entnehmen: Sie ist so vage und so unbestimmt wie viele davor.

Eine solche Beantwortung erinnert mich an sehr viele Beantwortungen im Landesverteidigungsausschuß auf Anfragen im Landesverteidigungsrat. Sämtliche Entscheidungen, die anstehen und die notwendig wären – ganz gleich, in welche Richtung –, werden möglichst lange hinausgezögert, möglichst bis nach der Wahl 1999.

Herr Bundesminister! Ich hoffe, diese Rechnung geht nicht auf. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Frau Fekter, Sie werden Farbe bekennen müssen (Abg. Dr. Fekter: Schwarz!), ob Sie Geld ausgeben für Abfangjäger oder für andere Maßnahmen, die in der Republik notwendig sind. Sie werden sich um diese Frage nicht herumschwindeln können.

Herr Bundesminister! Aus diesem Grund werden auch wir diese Anfragebeantwortung zurückweisen. (Beifall bei den Grünen.)

18.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt hat sich Herr Bundesminister Dr. Fasslabend zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.04

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es wurde von der Opposition vorgebracht, daß eine Anfragebeantwortung von mir, was ihre Präzision anlangt, der Frage nicht gerecht geworden sein soll.

Ich habe auf die Frage, wie viele sogenannte "Lifts" – unter Anführungszeichen; das heißt, es ging dabei offensichtlich um einen unklaren Begriff (Abg. Scheibner: Der ist aber nur für Sie unklar!) – die Fliegerdivision benötigt, um mit allen zur Verfügung stehenden Hubschraubern eine Luftlandung der Kampfteile eines Jägerbataillons – drei Jägerkompanien, eine S-Kompanie und Teile der Stabskompanie – durchzuführen, geantwortet. Ich möchte dazu sagen, daß bereits aus der Art der Anfragestellung hervorgeht, daß damit offensichtlich bewußt versucht wird, einen bestimmten Eindruck hervorzurufen. (Abg. Scheibner: Sie haben das nicht zu beurteilen! Sie haben Fragen zu beantworten und sonst nichts!)

Das österreichische Bundesheer verfügt im Vergleich zu Armeen anderer Länder ähnlicher Größe über eine überdurchschnittlich große Hubschrauberflotte. Selbstverständlich muß man davon ausgehen, daß die Anzahl der Hubschrauber für eine bestimmte Aufgabenstellung noch nicht alles aussagt, sondern es ist auch zu beachten, daß wir darunter Hubschrauber haben, die schwerpunktmäßig für den Transport geeignet sind, und andere, die sich besser für Verbindungsflüge oder andere Tätigkeiten eignen.

Tatsache ist, daß es daher, schon allein aufgrund der Fragestellung, wenn man so vorgeht, wie Sie es tun – daß man alle Typen aufzählt und dann fragt, was man damit sozusagen in bezug auf den Transport eigentlich erfüllen kann –, selbstverständlich keine eindeutige Antwort geben kann, wenn nicht gleichzeitig bestimmte Bedingungen formuliert werden. Darauf habe ich hingewiesen. (Abg. Jung: Warum beantworten Sie nicht genau die Frage, wie ich sie vorgelesen habe?)

Selbstverständlich wäre darauf hinzuweisen, ob ein bestimmter Klarstand gegeben ist, ob eine bestimmte Feindlage gegeben ist oder ob es sich um einen ganz normalen Transport handelt. (Abg. Jung: Sie vernebeln ja schon wieder!) Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel sagen. (Abg. Scheibner: Interpretieren Sie nicht herum!)

Nach internationalen Maßstäben ist es im Durchschnitt so, daß der Klarstand einer Hubschrauberflotte zwischen 60 und 80 Prozent anzusetzen ist. Das gilt auch bei uns. Wenn man jetzt nur die zwei Transporttypen heranzieht – von der einen Type haben wir 23, von der anderen 8, also insgesamt 31 Stück –, dann ergibt sich selbstverständlich bereits je nach dem Klarstand entweder der Einsatz von 18 oder von 25 Hubschraubern.

Selbstverständlich kommt es weiters darauf an, ob man gefechtsmäßig in einen Einsatzraum hineingehen muß oder ob man ein Bataillon nur friedensmäßig dorthin verlegen und transportieren möchte. Der Unterschied besteht darin, daß man einmal nach Kampfgruppen gliedern muß – das heißt etwa, daß genau zwölf Hubschrauber mit Besatzung da sein werden – und daß man im anderen Fall durchaus auch andere Hubschrauber hinzuziehen kann, sodaß man daher unter Umständen mit einer wesentlich geringeren Anzahl von "Lifts" sein Auslangen finden kann. (Abg. Jung: Herr Minister! Wir haben nicht nach Plänen gefragt, wir haben nach den Transportmöglichkeiten gefragt! Lesen Sie Ihre eigenen Schriftstücke!)

Ersichtlich ist, daß es Ihnen offensichtlich nicht darum geht, eine Antwort auf diese technische Frage zu bekommen – diese gebe ich Ihnen sehr gerne –, sondern daß Sie damit politisch etwas stimulieren wollen. Dazu – das muß ich sagen – haben Sie gar keinen Anlaß. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Da muß ich Sie fragen, worin der Unterschied liegt!)

Wir können absolut stolz auf das sein, was unsere Hubschrauberstaffeln an Einsatzbereitschaft aufbringen, im täglichen Einsatz an der Grenze und auch international bei Katastrophenfällen. Fragen Sie die Bevölkerung! Sie kann Ihnen ein Beispiel dafür geben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Das bestreitet keiner!)

Wenn Sie dann noch mit absolut unfairen Mitteln versuchen, zwischen dem Alter der Hubschrauber und dem Ausfall innerhalb von Jahrzehnten eine Relation herzustellen (Abg. Jung: Das ist es ja!), dann muß ich Ihnen sagen: Das ist nicht nur unfair, sondern das geht sogar weit darüber hinaus. (Abg. Jung: Unfair ist es, wenn man es so macht, daß man eine Unwahrheit nicht mehr aufdecken kann!) Denn man muß sagen, daß die Unfallhäufigkeit im Luftbereich gerade bei uns weit unter dem internationalen Standard liegt, sodaß diese Frage von Ihnen in unverantwortlicher Weise in einen Konnex gebracht wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Die ÖVP beschönigt!)

Ich verurteile, daß Sie den Verantwortlichen im Bundesheer mehr oder weniger unterstellen, daß sie in leichtfertiger Art und Weise ihr Okay für das In-den-Dienst-Stellen einer Maschine geben. Für diese Aussage sind Sie verantwortlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie sind der Verantwortliche! Ihnen machen wir den Vorwurf! Sie sind der Schuldige! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Brigadier Jung degradieren! Sie verstehen nichts!)

Zum Schluß noch eines: Wenn es notwendig sein sollte, auf ein Problem hinzuweisen, dann können Sie sicher sein, sehr geehrter Herr Abgeordneter, daß meine Leute das in aller Form und auch rechtzeitig tun. (Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.) Außerdem habe ich selbst den Landesverteidigungsrat nicht nur einmal, sondern erst gestern wieder damit befaßt, daß es im Laufe des nächsten Jahrzehnts beziehungsweise während der nächsten Jahre selbstverständlich entsprechende Anschaffungen geben muß. (Abg. Jung: Dann sind sie wirklich pensionsfähig, die Hubschrauber!)

Ich bin davon ausgegangen, daß es nicht nur im Bereich des Luftraumüberwachungsflugzeuges, der Fläche, sondern auch im Bereich der Hubschrauber einen Ersatzbedarf gibt. Der Ersatzbedarf ist wie folgt zu definieren: Wir werden im Verlauf der nächsten zwei Jahre eine dieser Hubschraubertypen außer Dienst stellen, weil sie altersmäßig ausläuft. Wir werden einen Ersatzbedarf für die gesamte Flotte im Verlauf des nächsten Jahrzehntes haben – ich betone: des nächsten Jahrzehntes, darauf möchte ich Wert legen! Wir werden das in der Abfolge tun, in der wir es auch bei den anderen Gerätschaften getan haben, nämlich indem wir nicht nur versuchen, das aus einer Ho-ruck-Situation heraus – deshalb, weil es der Opposition einfällt – zu tun, sondern indem wir es plangemäß durchführen. Erste Priorität hat die Luftraumüberwachung. Zweite Priorität hat die Hubschrauber-Transportkapazität. Genauso werden wir dabei vorgehen und so weit vorsorgen, daß auch der Ersatz der außer Dienst zu stellenden Staffel – also der betroffenen Flugzeuge – so rechtzeitig erfolgt, daß die Staffel selbstverständlich unmittelbar von einem Gerät auf das andere umgestellt werden kann. Dafür stehe ich, und dafür sollten auch Sie sich einsetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluß eine weitere Bemerkung. Ich habe schon des öfteren darauf hingewiesen, daß es das österreichische Heer in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht einfach gehabt hat: aufgrund der strategischen Situation und insbesondere auch aufgrund der Tatsache, daß es von allem Anfang an im Vergleich zu den hochgerüsteten Armeen des Ostens, aber auch damals des Westens, einen Aufholbedarf gegeben hat. (Abg. Dr. Graf: Bei einer Anfragebeantwortung sich als letzter zu Wort zu melden und dann so zu sprechen, ist wirklich ...!) Wir haben gerade in den letzten Jahren sehr viel im Sinne dieses Aufholbedarfs getan. Wir haben sehr viel dafür getan, daß wesentliche Verbesserungen erreicht werden konnten. Ich habe erst gestern die konkreten Ziele dafür genannt und gesagt, wann wir soweit sein sollten – nämlich innerhalb oder bis zum Ende des nächsten Jahres –, um diesen Entscheidungsprozeß entsprechend durchführen zu können.

Sie sollten die Truppe nicht verunsichern, sondern Sie sollten aus staatspolitischer Verantwortung mit dazu beitragen, daß man den Menschen Sicherheit geben kann, aber nicht das Gegenteil. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Das ist ungeheuerlich, wenn Sie uns daran erinnern!)

18.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Scheibner: Zur Geschäftsordnung!)

Herr Abgeordneter Scheibner, zur Geschäftsordnung. – Bitte.

18.13

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir haben hier den Fall, daß sich der Herr Bundesminister entgegen den Usancen nicht nach dem Antragsteller zu Wort gemeldet hat, sondern erst am Schluß der Debatte, also dann, wenn es den Abgeordneten nicht mehr möglich ist, auf gewisse Dinge zu replizieren.

Ich beantrage daher, daß in der nächsten Präsidiale Richtlinien bestimmt werden, um derartige Dinge, wie sie heute passiert sind, in Zukunft zu verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Scheibner, es bleibt Ihnen selbstverständlich unbenommen, daß Ihre Fraktion dieses Thema in der nächsten Präsidiale zur Diskussion stellt.

Allerdings bitte ich, zu beachten, daß eine Usance, die bindend vorsieht, daß sich der Minister nach dem Erstredner zu Wort meldet, im allgemeinen Sinne nicht existiert, vor allem auch nicht in Debatten im Sinne des § 92 der Geschäftsordnung, die die Diskussion über die Antwort von schriftlichen Anfragen zum Gegenstand haben. Das möchte ich hier deponieren. Aber wir werden, wenn Sie es wollen, in der Präsidiale selbstverständlich darüber reden.

Meine Damen und Herren! Ich habe die Debatte geschlossen. Sie haben gehört, daß der Abgeordnete Scheibner im Rahmen seines Debattenbeitrages den Antrag gestellt hat, die Anfragebeantwortung 4484/AB nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dieser Antrag ist auch schriftlich überreicht worden.

Ich lasse jetzt darüber abstimmen.

Von Herrn Abgeordneten Scheibner wurde, wie gesagt, der Antrag gestellt, die Anfragebeantwortung 4484/AB nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag auf Nicht-Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Wir setzen jetzt mit der Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 bis 10 fort.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Insgesamt hätten Sie noch fast 14 Minuten Redezeit. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.15

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Es lichten sich die Reihen. (Abg. Dr. Khol: Weitermachen!) Weitermachen – wo wollen wir weitermachen? (Abg. Dr. Khol: Beim Vorkaufsrecht der Sparkassen!)

Wir haben vor der Dringlichen Anfrage mit dem Thema Sparkassengesetz, AVZ und so weiter aufgehört. Ich wiederhole ganz kurz: Erstens habe ich die "Feudalisierung" der Gemeindesparkassen, insbesondere der AVZ, kritisiert.

Zweitens habe ich aufgezeigt, daß die Gemeinden keinerlei Möglichkeit haben, den Beschluß der Gemeindesparkasse darüber, ob die Umwandlung in eine Privatstiftung erfolgen soll oder nicht, zu beeinflussen. Das ist einzig und allein Sache der Gemeindesparkasse – in diesem Fall der AVZ – selbst.

Ich habe drittens kritisiert, daß zwar nach dem Gesetz eine Stiftung selbstverständlich einen Zweck haben muß und daß deswegen die Stiftungserklärung zu klären hat, wofür die Erträge des Stiftungsvermögens einzusetzen sind, daß aber wir im Hohen Haus nichts darüber wissen, wie diese Stiftungserklärung aussehen wird, wer die Begünstigten sein werden, wer die begünstigten Bevölkerungskreise sein werden, und so weiter.

Viertens habe ich kritisiert, daß das alte Problem der Haftung der Gemeinden für die Verbindlichkeiten der Gemeindesparkassen – in diesem Fall der Bank Austria – nicht gelöst ist, sondern daß nach wie vor die Gemeinde für die Verbindlichkeiten haftet, allerdings auslaufend, das heißt, für die sogenannten Altschulden. Das zieht sich dann mindestens 10 Jahre lang hin.

Fünftens habe ich kritisiert, daß das sogenannte Aufgriffsrecht des Zentralinstituts – das heißt in diesem Fall, das Aufgriffsrecht der Ersten Österreichischen – im Zweifel nicht EU-kompatibel ist und daß eine Merkwürdigkeit darin besteht, daß die Erste einerseits ein Aufgriffsrecht gegenüber einem Verkauf von Anteilen durch die AVZ hätte, andererseits angeblich durch eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen diesen Banken genau das ausgeschlossen ist.

Sechstens – das ist fast schon der unwichtigste Punkt – steht das, was heute im Nationalrat beschlossen wird, in diametralem Widerspruch zu dem, was der Gemeinderat in Wien vor rund einem Jahr, am 27. Mai 1997, beschlossen hat. Damals wurde nämlich folgendes beschlossen: erstens die vollständige Privatisierung, zweitens, daß die Haftung erlischt, und drittens, daß das Kapital aus dem Verkauf dann der Gemeinde zur Verfügung stehen soll.

All das wird nicht erreicht. Es ist keine Zustimmung zur Umwandlung erforderlich. Es wird keinen offiziellen Einfluß des Gemeinderates auf die Organe der Privatstiftung geben. Es wird aber selbstverständlich einen Einfluß der SPÖ geben, das ist schon klar. Es wird ferner keinen Einfluß auf die Ausschüttungspolitik der Privatstiftung geben – wiederum keinen offiziellen Einfluß, aber daß es einen inoffiziellen Einfluß der SPÖ geben wird, ist auch klar. Quasi als Lohn dafür bleibt die Haftung der Gemeinde aufrecht.

Ob das verfassungsrechtlich einwandfrei ist, ist wieder eine ganz andere Frage. Der Nationalrat beschließt darüber, daß die Gemeinde auf verschiedene Rechte verzichtet, aber alle Pflichten bis auf weiteres behält. Aber darüber sollen die Juristen entscheiden.

Abschließend: Meines und unseres Erachtens liegt da eine "Feudalisierung" der Gemeindesparkassen vor, insbesondere der AVZ als wichtigstem Teil dieses Gesetzes. Das andere ist im Vergleich dazu Kleinkram. Die SPÖ immunisiert ihre Macht in diesen Institutionen – wiederum vor allem im Rahmen der AVZ, das heißt, der Bank Austria. Sie immunisiert ihre Macht gegen "demokratische Kleinigkeiten" wie künftige Wahlergebnisse, Zusammensetzung des Gemeinderates, Beschlüsse des Gemeinderates und so weiter. Das alles ist irrelevant.

Warum die ÖVP dem zustimmt, das werde ich heute mit Sicherheit nicht erfahren. Die ganze Materie wird seit mindestens einem Jahr verhandelt. Es ist denkunmöglich – wie die Juristen sagen –, daß die ÖVP dem nur zustimmt, weil es die SPÖ eben gerne möchte. Welche Art von Gegengeschäft auf politischer Ebene in diesem Fall vorliegt, bleibt vorläufig das Geheimnis der ÖVP.

Warum allerdings das Liberale Forum dem Ganzen zustimmt und warum es plötzlich seine Liebe zum Feudalstaat entdeckt hat, bleibt mir rätselhaft. Herr Kollege Peter! Ein Schritt in die richtige Richtung ist das wirklich nicht. Das ist ein Sprung – aber in die falsche Richtung! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Lackner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.21

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir heute über die tiefgreifende Novelle des Sparkassengesetzes sprechen, dann kann man das, wie ich glaube, in einer sinnvollen Art und Weise nicht ohne entsprechenden Rekurs auf die Vergangenheit tun.

Das Sparkassengesetz ging und geht in seiner derzeitigen Fassung noch davon aus, daß die einzelnen Gemeinden solche Kassen – untechnisch gesprochen – gründen, um damit sich und ihren Bürgern eine verläßliche, vertrauenerweckende und vor allem auch gemeinnützige Form von Finanzanlagen zu gewähren. Wesentliche Faktoren dieser vertrauensbildenden Form waren einerseits die beinahe eigentümerlose Stellung der Sparkassen auf der einen und die dennoch vorhandene Ausfallshaftung der Gemeinden auf der anderen Seite.

Dies alles hat den Bürgerinnen und Bürgern – zu Recht, wie ich meine – den Eindruck vermittelt, daß sie ihr Geld sicher angelegt haben und gleichzeitig ihre Gemeinde stützen. Dieser Urgedanke der Sparkassen wurde aber in den letzten Jahren immer weiter zurückgedrängt. Durch den internationalen Trend verstärkt, wurden größere Verbände und Zusammenschlüsse immer wichtiger, und die reale Bindung dieser Geldinstitute zu den tragenden Gemeinden wurde immer geringer.

Damit trat aber auch der Gedanke der Gemeinnützigkeit immer mehr in den Hintergrund. Außerdem hat das Sparkassengesetz dieser Entwicklung zumindest nicht in vollem Umfang, so wie es sein sollte, Rechnung getragen. Die Folge war ein oftmaliges Agieren im rechtsfreien Raum, insbesondere, was die Zusammenarbeit mit anderen Instituten oder aber der tragenden Gemeinde betraf, etwa im Bereich des – wie es so schön modern heißt – social sponsorings.

Oftmals kam es als direkte Folge dieser nicht mehr zeitgerechten gesetzlichen Regelung auch zu – ich möchte das jetzt sehr vornehm ausdrücken – suboptimalen Veräußerungen so mancher Institute. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Graf und Ing. Meischberger.) Um solche suboptimalen Geschehnisse in Zukunft hintanhalten zu können, war es nötig, das Sparkassengesetz aus seiner historischen Befangenheit herauszulösen und die Sparkassen unter Wahrung ihres öffentlichen Auftrages und ihrer grundsätzlich kleinen, bürgernahen Struktur ... (Abg. Aumayr  auf leere Sitzreihen der SPÖ weisend –: Wo sind die Sozialdemokraten? Was haben Sie mit Ihren Kollegen gemacht? Schauen Sie sich das an!) Ja, ich weiß, sie können mich nicht mehr reden hören, daher haben sie fluchtartig das Haus verlassen. Aber Spaß beiseite. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Graf: Eine verblüffende Ehrlichkeit! – Abg. Schwarzenberger: Wie schön, daß der Hunger so groß ist!) – Das kann auch sein, ja genau. (Abg. Gaugg: Die haben Sie schön allein gelassen!) – Das macht nichts. Ich komme jetzt wieder auf meine Rede zurück, Kollege Gaugg.

Es war nötig, den bürgernahen Strukturen, die die Sparkassen nach wie vor haben, eine neue gesetzliche Grundlage zu gewähren. (Abg. Aumayr: Die Rede ergeht schriftlich!) – Das macht nichts. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.) Nein, sicher nicht, Herr Kollege. – Meine Damen und Herren! Das ist uns mit diesem Gesetzentwurf meines Erachtens auch sehr gut gelungen. Denn es wurde auf der einen Seite die Idee der Gemeinnützigkeit, die hinter diesen Instituten steckt, konsequent weiterentwickelt, aber andererseits durch die neugeschaffene Möglichkeit der Stiftung ein mangelhaftes und nur kurzfristigen Interessen dienendes Verhalten der Eigentümer hintangehalten. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Dies führt nämlich auch dazu, daß erstmals klar definiert wird ... (Abg. Aumayr: Es wäre eine gute Rede, aber wo sind Ihre Kollegen?!) – Sehen Sie: Jetzt halte ich einmal eine wirklich gute Rede, und dann verlassen alle fluchtartig den Saal! Aber das ist das Schicksal so mancher Redner. Das macht nichts. (Abg. Dr. Graf: Aber wir bemühen uns! Wir zeigen die konstruktive Opposition und übernehmen das Klatschen!) – Das freut mich! Wenigstens einmal, daß Sie etwas Konstruktives beitragen! Das findet man sonst sehr selten, aber ich schätze es, daß wenigstens einmal etwas Positives von Ihnen kommt. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit.)

Dies führt nämlich auch dazu, meine Damen und Herren, daß erstmals klar definiert werden wird, wie, in welcher Höhe und zu welchen Zwecken Erträge der Sparkassen an die Gemeinden fließen können. Dies wurde mir auch von Vertretern der Sparkassen, aber auch von Eigentümervertretern in vielen Gesprächen immer wieder bestätigt, weshalb ich zutiefst davon überzeugt bin, daß mit dem vorliegenden Entwurf das alte Sparkassengesetz in einer hervorragenden Art und Weise an die Herausforderungen der Zukunft angepaßt wird.

Ich danke speziell auch der FPÖ für ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Tychtl: Gute Rede! Applaus von allen Seiten!)

18.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Abgeordneter.

Herr Abgeordneter Dr. Graf! Um Ihre Frage zu beantworten: Es sind derzeit 29 Abgeordnete im Saal. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.26

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über das Sparkassengesetz hat ja gerade eine "Lesung" des Herrn Kollegen Lackner stattgefunden. Herr Kollege Van der Bellen! Ich stimme mit Ihrer kritischen Auseinandersetzung voll überein, denn es gibt gravierende Ungerechtigkeiten in diesem Novellierungsvorschlag für das Sparkassengesetz. Es entspricht einfach nicht dem Grundsatz der Kapitalfreiheit.

Ein Beispiel: Es gibt bei einer Sparkasse drei Gesellschafter, die je 30 Prozent der Anteile halten. Der erste Gesellschafter kann seine 30 Prozent am Kapitalmarkt frei verkaufen, wem immer er das anbieten will. Der zweite Gesellschafter hat schon ein Problem. Er kann maximal nur mehr 19 Prozent frei verkaufen, denn für die restlichen 11 Prozent hat der Sektor ein Aufgriffsrecht.

Ich finde, daß das gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, denn derjenige, der als Erster verkauft, kommt in die Begünstigung, an Dritte verkaufen zu können, während den Zweiten das Aufgriffsrecht seitens des Sektors trifft und er nicht so frei verkaufen kann.

Ich meine, man hätte das Gesetz mit dem Aufgriffsrecht nicht so stark einschränken sollen, weil es sicherlich gerade angesichts der derzeitigen Fusionswelle, einer Zeit, in der laufend Bankenanteile und Stimmrechte veräußert oder verkauft werden, zu einer Klagswelle kommen wird. Diese Klagen werden wahrscheinlich bis zum Europäischen Gerichtshof gehen. Meiner Schätzung nach werden die Verfahren jeweils vier, fünf Jahre dauern. Das kann für die freie Marktwirtschaft sicherlich nicht von Interesse sein!

Der zweite Punkt, den ich ansprechen wollte, betrifft Punkt 8 der Tagesordnung. Es geht dabei um eine zusätzliche Kapitalaufstockung für die MIGA. Ich möchte mich mit dieser Sache kritisch auseinandersetzen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil es mittlerweile zahlreiche Kritiker beim Internationalen Währungsfonds gibt, die die Verwendung der Mittel aus Kapitalerhöhungen kritisieren. Die MIGA gehört zwar zur Weltbank und nicht zum IWF, ist aber in diesem Zusammenhang doch unter einem zu sehen.

Der IWF sagt – er kritisiert das sehr stark –, daß die Gelder in Länder kommen, in denen es praktisch keine Strukturen gibt, und daß diese Mittel der Bevölkerung, die dort in Not geraten ist, nicht zugute kommen, und daß sie den Unternehmen, die dort in Not geraten sind, nicht zugute kommen. Die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt ganz eindeutig, daß die Mittel nicht in diesen Ländern bleiben. Thailand hat zum Beispiel 18 Milliarden Dollar erhalten, Indonesien 43 Milliarden Dollar, Südkorea 57 Milliarden Dollar und Rußland 23 Milliarden Dollar. (Bundesminister Edlinger: Aber nicht von der MIGA!) – Nicht von der MIGA, sondern vom Währungsfonds; das habe ich schon gesagt.

Das Problem ist – und das wissen auch Sie ganz genau, Herr Finanzminister –, daß diese Beträge nicht im Land bleiben. Diese Mittel fließen wieder ins Ausland zurück und dienen nur dazu, Banken, die sich dort engagiert haben, schadlos zu halten. Aber der Bevölkerung kommt das nicht zugute.

Bei der MIGA ist folgende Situation gegeben: Die Kapitalaufstockung beträgt derzeit wieder 1 Milliarde Dollar. Und auch bei der MIGA gibt es keine entsprechenden Richtlinien, etwa in der Art, daß man sagt: Zuerst müssen die Strukturen in dem betreffenden Land geändert werden, bevor wir dort Garantien für sozusagen nicht kommerzielle Risken abgeben. – Da kann praktisch jeder daherkommen und sagen: Ich habe ein nicht kommerzielles Risiko. Es ist ganz gleich, in welches Projekt ich investiere, wohin ich mein Geld verschiebe – es ist egal, es wird ohnedies dafür garantiert.

Das ist der falsche Weg! Zuerst müssen dort die Strukturen geändert werden, damit gesicherte Rahmenbedingungen gegeben sind, um Investitionsvorhaben finanzieren zu können. Erst dann sollten wir bereit sein, über Entwicklungshilfe für das betreffende Land zu reden. Aber bevor die Strukturen dort nicht geändert werden, Herr Finanzminister, werden Sie bei uns keine Zustimmung dafür finden, daß wir Geld dorthin überweisen und nicht wissen, was damit passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.30

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einige Bemerkungen zum Sparkassengesetz machen.

Zweifellos war gerade der Geld- und Kreditsektor in den vergangenen Jahren einer sehr starken Entwicklung unterworfen. Wir haben das nicht nur international gesehen, sondern auch in Österreich. Und sicherlich ist der Sparkassensektor in Österreich einer der ganz großen und bedeutenden Sektoren.

Wenn diese Entwicklungen so rasch und so kräftig vor sich gehen, ist es notwendig, auch die entsprechenden gesetzlichen Anpassungen und Voraussetzungen zu schaffen.

Ich weiß, es hat einige Zeit in Anspruch genommen, bis es zu diesem Ergebnis, zu diesem Gesetzentwurf gekommen ist. Man kann nun damit zufrieden sein oder auch nicht. Ich glaube, eine vollkommene Zufriedenheit ist in diesem Ergebnis nicht reflektierbar, aber es ist eine neue Schiene geschaffen worden: Es ist nun die Möglichkeit einer Stiftung gegeben.

Es ist zum zweiten von den Betroffenen sehr stark der Erhalt des Sektorverbundes gewünscht worden. Wir haben dieser Möglichkeit die Chance eröffnet, allerdings das Aufgriffsrecht auf fünf Jahre limitiert.

Insgesamt glaube ich, sagen zu können, daß wir zumindest die Möglichkeiten für eine gedeihliche Fortentwicklung dieses wichtigen Sektors mit fast 25 000 Beschäftigten und rund einem Drittel des gesamten Kreditvolumens geschaffen haben. Ich hoffe, daß die Sparkassen das auch nützen werden und nicht, wie manche andere Institute in den vergangenen Jahren, in Schwierigkeiten geraten. Wenn das der Erfolg ist, dann hat dieses Gesetz auch eine wichtige Basis dafür geschaffen und unserer Intention Rechnung getragen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.33

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Aussagen meines Kollegen Trattner zum Sparkassengesetz unterstütze ich vehement und teile auch die Analyse von Professor Van der Bellen. Ich möchte mich daher in meinem kurzen Redebeitrag auf den Antrag zur Schaffung eines Privatisierungsgesetzes beziehen.

Die in den heutigen Redebeiträgen geäußerten Bedenken hinsichtlich der Regierungsvorlage zum Sparkassengesetz bestärken mich eigentlich in der Ansicht, daß ein Privatisierungsgesetz für den Bankensektor nötig ist. Ein solches Gesetz wird von uns Freiheitlichen schon seit langem gefordert, denn alle Schritte, die die Regierung in Richtung Privatisierung unternimmt, sind geprägt vom Wunsch nach Erhalt des politischen Einflusses. Wie sonst kann ich die Umwandlung der Anteilsverwaltungen in Stiftungen verstehen, wenn als Konsequenz – ich möchte nur als Beispiel hervorheben, was mit den Organen geschieht – der Vorstand und Sparkassenrat dann den Vorstand und Stiftungsrat bilden?

Durch die Möglichkeit der personellen Erneuerung, die unabhängig von Wahlen vor sich geht, wird die Macht der SPÖ – die im Augenblick möglicherweise andere Sorgen hat (der Redner deutet auf die leeren Sitzreihen der SPÖ) – eigentlich unabänderlich verankert. Irgendwo habe ich gelesen, daß es sich dabei um die Schaffung von sozialistischem Sondervermögen handelt. Ich denke, das wird schon so sein.

Es ist nur erstaunlich – und dabei denke ich an die AVZ –, daß die ÖVP das so einfach hinnimmt. Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie werden auch mit diesem neuen Sparkassengesetz von der SPÖ, und zwar mehrfach, über den Tisch gezogen und aufpoliert!

Umso wichtiger ist es, Privatisierungen so vorzunehmen, daß die unternehmerischen Entscheidungen nicht nur bei Unternehmensübernahmen, sondern auch im Bankenbereich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien getroffen werden, und nicht nach dem parteipolitischen Machterhalt, den ich bereits angeschnitten habe. Ich sehe sonst für den österreichischen Bankenbereich keine Chance, im internationalen Wettbewerb zu bestehen – auch wenn das Ihr Ziel ist, Herr Finanzminister, wie Sie heute im Rahmen der Dringlichen Anfrage ausgeführt haben –, geschweige denn, daß der österreichische Bankenbereich mit diesem Gesetz in die erste Reihe der Finanzwelt zu bringen ist.

Was dies bedeutet, ist wohl klar: Nicht wettbewerbsfähig zu sein, heißt für eine Bank, zur verlängerten Werkbank oder zum Filialbetrieb ausländischer Bankkonzerne zu werden. Die Frage, ob dann in Österreich noch immer so viele gutbezahlte Bankdirektoren wie jetzt notwendig sein werden, können Sie natürlich selbst beantworten.

Aber die Reduktion der Zahl der Bankdirektoren wäre ja noch zu verkraften. Die damit verbundene viel geringere Anzahl von Beschäftigten im Bankwesen wird wesentlich schmerzlicher sein! Und über die Sicherheit der Kunden wird hier überhaupt nicht gesprochen, genauso wenig wie über die Rechte der Kleinanleger. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb ist die alte Forderung der Freiheitlichen – die heute in besagtem Antrag des Abgeordneten Peter zum Ausdruck gekommen ist – nach einer echten Privatisierung des Bankensektors zu unterstützen beziehungsweise ist der diesbezügliche Bericht des Finanzausschusses abzulehnen.

Zum Schluß möchte ich noch ein Wort zu Herrn Abgeordnetem Peter sagen, aber er ist im Augenblick nicht da. Die Liberalen und mit ihnen Herr Abgeordneter Peter stimmen diesem Sparkassengesetz zu – das verstehe ich überhaupt nicht –, obwohl ihren Forderungen, ausgedrückt im vorliegenden Entschließungsantrag zur Novellierung des Sparkassengesetzes, in allen wesentlichen Punkten nicht Rechnung getragen wird. – Also das ist ein Punkt, den ich überhaupt nicht verstehe! (Abg. Dr. Gredler: Er wird es Ihnen persönlich noch erklären! – Abg. Böhacker: Ein Sprung in die falsche Richtung!)

Das ist wirklich ein Sprung in die falsche Richtung und wird das Problem überhaupt nicht lösen helfen! Es ist höchstens so, daß Sie, meine Damen und Herren vom Liberalen Forum, von den Sozialdemokraten dafür ausgelacht werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.38

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Trattner ist gerade nicht im Saal. Ich hätte ihm nämlich gern die Lektüre des MIGA-Jahresberichtes 1998 anempfohlen, denn diese Lektüre hätte vielleicht dazu beigetragen, daß die Einschätzung des nun vorliegenden Antrages auf eine Aufstockung der Kapitalanteile eine andere Art von Bewertung erfahren hätte, als die, die er hier vorgebracht hat.

Erstens handelt es sich bei dieser Agentur bekanntlich um ein Mitglied der Weltbankgruppe und nicht um einen Teil des Internationalen Währungsfonds. Zweitens geht es darum, daß dort Investitionsgarantien gegeben werden, die die wesentliche Grundlage für Investitionen in der südlichen Hemisphäre, in Entwicklungsländern und in den Reformländern Osteuropas darstellen.

Österreich ist ja erst sehr spät Mitglied der MIGA geworden – ich glaube, im Jahre 1997 –, und zwar aus dem wohlverstandenen eigenen Interesse heraus, daß nur mit einer Mitgliedschaft bei der MIGA auch österreichische Unternehmungen die Chance bekommen, diese Investitionsgarantien in Anspruch zu nehmen. Es ist ja bekannt, daß österreichische Firmen sehr stark auch im osteuropäischen Raum exponiert sind. Österreichs Mitgliedschaft bei der MIGA gibt diesen Firmen nun die Möglichkeit, diese MIGA-Garantien in Anspruch zu nehmen, die ein Beitrag dazu sind, die österreichische Exportwirtschaft und auch die Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft zu unterstützen.

Der zweite Punkt betrifft die Perspektive der Entwicklungsländer. Es gibt eine aktuelle Debatte darüber, daß die offizielle Entwicklungshilfe in den OECD-Staaten im Sinken begriffen ist. Eine These besagt, daß die sinkende Entwicklungshilfe durch steigende Investitionen in der Dritten Welt kompensiert wird.

Diese These ist nicht zu 100 Prozent haltbar. Auch wenn es zu einer enormen Ausweitung der Direktinvestitionen in der Dritten Welt gekommen ist, konzentrieren sich 75 Prozent all dieser Direktinvestitionen doch auf nur 15 Staaten, und 50 Prozent aller Direktinvestitionen auf ein einziges Land, nämlich auf China.

Das heißt, es gibt keine sehr große Diversifikation dieser Direktinvestitionen, und es gibt rund 85 Länder der Dritten Welt, die diese Investitionen viel stärker in Anspruch nehmen sollten und möchten, als das bisher der Fall ist.

Ich gebe Herrn Kollegen Trattner in einem Punkt recht: Natürlich haben auch die Entwicklungsländer durch Veränderungen der Rahmenbedingungen einen essentiellen Beitrag dazu zu leisten, daß Investitionen dort in einer vernünftigen Form stattfinden können.

Aber gleichzeitig bietet gerade ein solches Garantieinstrument wie die MIGA erst wirklich die Möglichkeit, in einer Startphase internationale Investoren dazu zu motivieren, in einzelnen Ländern zu investieren. Ich finde, gerade dann, wenn man eine relativ kritische Haltung zur Entwicklungshilfe hat, wie das bei der FPÖ der Fall ist, sollte man sich eigentlich dazu herablassen, privatwirtschaftliche Unterstützungsinstrumente, die teilweise an die Stelle der Entwicklungshilfe getreten sind, zu unterstützen.

Insofern meine ich, daß die Position der FPÖ oder zumindest des Kollegen Trattner in diesem Punkt keine sehr konsistente ist, denn entweder entschließt man sich dazu, daß man sagt: Wir wollen eine große Ausweitung der traditionellen Entwicklungshilfe, um diesen Staaten zu helfen!, oder man entschließt sich dazu, komplementär zur Entwicklungshilfe Schutzgarantien zu geben, die privates Investment entsprechend vorantreiben. Wenn man das will, dann muß man dieser Aufstockung der MIGA auch in dieser sehr bescheidenen Form zustimmen, weil es eigentlich im Rahmen der gesamten internationalen Finanzinstitutionen eines der erfolgreichsten Instrumente ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Gaugg. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten. – Bitte.

18.42

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wenn Banken ins Gerede kommen, dann ist das schlecht, aber wenn der staatliche Einfluß bei Banken zu groß ist, dann ist das schädlich. Es ist auch schlecht, wenn die Besetzung von Vorstandspositionen in Banken und Sparkassen in den Parteizentralen erfolgt.

Für die Kunden ist eine Unterscheidbarkeit zwischen Sparkassen, Raiffeisenbanken, CA, Bank Austria und ähnlichem mehr kaum mehr nachvollziehbar, weil alle Universalbanken geworden sind. Ob das besonders vernünftig ist, darf bezweifelt werden, und ob nicht die seinerzeitigen, eher restriktiven Maßnahmen zur Errichtung von Filialen und ähnlichem zu einer vernünftigeren Entwicklung geführt hätten, läßt sich heute nicht mehr überprüfen.

Faktum ist, daß durch diesen Wildwuchs eine Situation entstanden ist, die letztlich zu Lasten der Mitarbeiter geht. Die Leidtragenden bei Fusionierungen sind nicht die Vorstandsdirektoren, denn für diese bleiben dann schon irgendwo Posten übrig, und auch nicht die Aufsichtsräte, denn auch für diese wird gesorgt, auch sie dürfen auf einem guten Posten bleiben. Die Leidtragenden sind vor allem die Mitarbeiter.

So sehe ich die Situation auch im Zusammenhang mit den Sparkassengesetz. Wenn schon von Beginn an von anerkannten Professoren die Verfassungswidrigkeit aufgezeigt wird, dann würde ich doch meinen, daß man den Gesetzentwurf, noch bevor er zur Beschlußfassung ins Parlament gelangt, noch einmal überarbeitet und überlegt, ob es nicht doch besser wäre, einen freien Wettbewerb zuzulassen. Ich will damit noch gar nicht sagen, daß das ein "Parken" – wie hat das jemand in seiner Aussendung genannt? – eines gebundenen Vermögens der SPÖ ist.

In Wirklichkeit gibt es keine Wettbewerbsgleichheit, und ich meine, daß nur dann, wenn wir den Einfluß des Staates aus den Banken zurücknehmen, auch eine freiere Entwicklung im Rahmen der Privatisierung möglich wäre. Eine Erhaltung und ein Ausbau des Wettbewerbs wären im Interesse der Mitarbeiter und der Kunden notwendig.

Ich glaube, daß es kein vergleichbares zivilisiertes Land gibt, in dem es möglich ist, daß Bankvorstandsdirektoren einander immer gegenseitig in die jeweiligen Aufsichtsräte setzen. Man sollte dafür eine bessere Lösung finden, weil auch das Gefahren in sich birgt. Wenn der Herr Direktor von einem Aufsichtsrat und Vorstandsmitglied einer anderen Bank kontrolliert wird, in deren Aufsichtsrat er selber sitzt, dann kann die Kontrolle nicht funktionieren! Ich möchte Sie, Herr Finanzminister, daher bitten, Ihre Beamten einmal prüfen zu lassen, ob das rechtlich in Ordnung ist und ob es sehr sinnvoll ist, damit in die Zukunft zu gehen. Ich halte das für eine massive Bedrohung. (Bundesminister Edlinger: Eine private Firma?!)

Das ist eben die große Frage bei den privaten Firmen! Wenn Sie mir sagen, daß die Bank Austria eine private Firma ist (Bundesminister Edlinger: Selbstverständlich!), dann muß ich Ihnen sagen: Das mag legistisch wohl stimmen, aber Sie wissen genau, wie intensiv dort die Parteieinflüsse bis zum heutigen Tage noch sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Heutzutage werden Sie in den Vorstandsetagen der Großbanken niemanden finden, den Sie parteipolitisch nicht zuordnen können. Dort fängt das Dilemma oder Desaster bereits an. Die Sorge seinerzeit bei der Fusionierung der CA mit der Bank Austria war ja keine Sorge um die Mitarbeiter oder eine solche um die Geschäftsentwicklung, sondern besorgt war man vielmehr darum, den parteipolitischen Einfluß der ÖVP zurückzudrängen, und deshalb hat man das Ganze gemacht.

Daher sage ich: Wenn einmal der Beweis angetreten würde, daß in unserem schönen Österreich auch in den Vorstandsetagen die Entscheidungen parteifrei und parteilos getroffen werden, dann würde das einen Schub der Privatisierung und der Motivation für die Mitarbeiter und der Wettbewerbsfähigkeit für die Kunden bewirken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, ist ein gescheiterter Reformversuch. Es hätte die Chance gegeben, daß sich die Politik endlich reduziert auf das, wofür sie zuständig ist, nämlich die Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Banken und die Sparkassen sollte man aber frei arbeiten lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Stampler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.47

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Welle an Fusionen und Übernahmen ebbt nicht ab. Der damit verbundene Konzentrationsprozeß in Industrie und Geldwirtschaft geht weiter. Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten haben etwas in den Hintergrund treten lassen: daß dieser Tage gleich drei Fusionen historischen Zuschnitts in der amerikanischen Kreditwirtschaft vollzogen wurden.

Die neue Bank of America wird rund 5 000 Filialen in den USA und Geschäftsbeziehungen mit über 30 Millionen Haushalten haben. Die Aktiva werden sich auf zirka 6 650 Milliarden Schilling belaufen, auf mehr, als die Bilanzsumme aller unserer heimischen Banken ausmacht.

Auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft vollziehen sich derzeit beachtliche Konzentrationsprozesse im Bankensektor. Mit dieser Gesetzesvorlage läßt sich ideal demonstrieren, welche Aufgaben die Wirtschaftspolitik im System der sozialen Marktwirtschaft übernehmen soll und kann. Wirtschaftspolitik bedeutet unserer Meinung nach, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen und die richtigen Anreize zu geben, damit die heimische Wirtschaft im allgemeinen und im speziellen Fall die österreichischen Sparkassen für die Herausforderungen entsprechend gewappnet sind.

Der heute zum Beschluß vorliegende Gesetzentwurf ermöglicht es dem traditionsreichsten, bereits seit 190 Jahren bestehenden Sektor der heimischen Kreditwirtschaft, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und eine für das moderne Bankgeschäft zeitgemäße Form zu wählen.

Besonders betonen möchte ich, daß unserer Überzeugung nach der berühmte, ursprünglich rein an der Gemeinnützigkeit orientierte Sparkassengedanke und die Stiftungsphilosophie weitestgehend übereinstimmen. Um mit dieser Entwicklung im Bankenbereich Schritt zu halten, wurde durch die Novelle zum Kreditwesengesetz und die nunmehr geltenden Bestimmungen des Bankwesengesetzes den Sparkassen die Möglichkeit eröffnet, ihr Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln und durch das mobilere und flexiblere Instrument der Aktie neue Eigentümer und Kapitalgeber zu suchen.

Die rechtliche Umwandlung in eine Stiftung ist auch eine notwendige Voraussetzung, um den Sparkassen eine Rechtsform zu geben, die den internationalen Standards entspricht und somit unabdingbar für eine Internationalisierung des Sparkassensektors ist. "Stiftung" ist ein international gebräuchlicher und vor allem transparenter Begriff. Die Stiftungsebene und die Ebene der Sparkassenaktiengesellschaft sind damit klar getrennt. Für jeden dieser beiden Bereiche gelten eigene Organisationsvorschriften.

Die ÖVP geht davon aus, daß durch sehr gezielte, überlegte Organbesetzungen klare Verantwortungsstrukturen geschaffen werden.

Aufgrund der eingangs skizzierten Entwicklungen brauchen wir in Österreich leistungsfähige, international konkurrenzfähige Geldinstitute. Es muß in unser aller Interesse liegen, daß dieser für die Volkswirtschaft so wichtige Bereich über einen starken österreichischen Kern verfügt. Die Entscheidungen in diesem strategisch so wichtigen Wirtschaftszweig sollen auch in Zukunft in Österreich fallen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es wird mit dem heutigen Gesetzesbeschluß vom österreichischen Gesetzgeber ein deutliches Signal in Richtung Vermögenserhaltung gesetzt. Was dies für die österreichische Volkswirtschaft bedeutet, wird sich mittel- bis langfristig zeigen, wenn die Stiftungen Mittel angesammelt haben, um in österreichische Unternehmen zu investieren und den Stiftungszweck auch für die Allgemeinheit in Österreich zu erfüllen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

18.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.51

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte in meinem Redebeitrag ein paar kurze Worte zum Tabakmonopolgesetz sagen. Aber zunächst, replizierend auf die Ausführungen des Kollegen Peter, der leider nicht mehr da ist, möchte ich feststellen: Wir haben zur Kenntnis genommen, daß Kollege Peter fordert, daß das Vertriebsmonopol der Tabaktrafiken ersatzlos aufgehoben wird.

Es ist grundsätzlich so, daß Monopole in Zeiten der Globalisierung zu hinterfragen sind. Selbstverständlich! Nur: Das Vertriebsmonopol im Bereich der Trafikanten hat wohl eine ganz andere Aufgabe als die üblichen Monopole. Auch wenn es nur mehr rund 1 300 Behinderte oder Invalide sind (Bundesminister Edlinger: Steigend!) – die Zahl ist steigend –, die Trafikanten sind, so zeugt es von einer unglaublichen sozialen Kälte, wenn Herr Kollege Peter dieses Vertriebsmonopol sozusagen auf dem Altar der freien Marktwirtschaft opfern will.

Es stimmt schon, daß da einiges danebenläuft, daß sich ein grauer Markt, ein Ablösemarkt entwickelt hat, aber das muß man von einer anderen Seite her lösen und nicht mit einer Aufhebung dieses Vertriebsmonopols.

Selbstverständlich fordern auch wir, daß bei der Vergabe von Trafikberechtigungen Invalide, Behinderte verstärkt zu bevorzugen sind, und man muß dafür eintreten, daß da sehr wohl strenge Maßstäbe angelegt werden. Es kann wirklich nicht so sein, daß ehemalige Fußballprofis, nur deswegen, weil sie einen Meniskusschaden haben, als Invalide in diesem Sinne gelten.

Nun zum Gesetz selbst: Diese Novelle zum Tabakmonopolgesetz ist ein signifikantes Beispiel dafür, wie ein Gesetz in der Theorie ausschaut und sich dann in der Praxis darstellt: sinnvoll oder unsinnig.

Es ist doch so, daß der Anlaß für diese Novelle eine Mahnung der Europäischen Kommission war, daß die gesetzlichen Auflagen für die Zulassung als Großhändler für Tabakerzeugnisse in keinem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen und dieser Zweck auch durch gelindere Maßnahmen erreicht werden kann. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, daß die Verpflichtung zur Haltung von Lagerräumlichkeiten im Inland eine nach Artikel 30 EG-Vertrag verbotene Maßnahme darstellt. So weit, so gut – oder so weit, so schlecht.

Jetzt komme ich zur Praxis, Herr Bundesminister. Da nach tabaksteuerrechtlichen Vorschriften die Verbringung von Tabakerzeugnissen aus anderen EU-Mitgliedstaaten geregelt ist, wird in der Praxis ein Großhändler schon allein aus steuerlichen Gründen in Österreich über Lagerräumlichkeiten verfügen müssen. Sie beschließen also ein Gesetz, das etwas aufhebt, ohne das es in der Praxis überhaupt nicht geht. Ich finde da den vorauseilenden Gehorsam gegenüber der EU etwas überzogen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Marizzi. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.54

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Böhacker, natürlich haben Sie in einigen Punkten recht, aber Sie wissen ganz genau, daß von der Europäischen Union eine Punktation vorliegt, wonach wir diese Gesetze, also das Tabakmonopolgesetz und das Tabaksteuergesetz, anpassen müssen. Das entspricht den Erfordernissen der Europäischen Union, und es hat ja auch einen Sinn, daß sich die Europäischen Union in bestimmte Bereiche vertieft. Daher ist es notwendig, diese Anpassungen zu machen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil das mit Austria Tabak zusammenhängt, auch über die positiven Initiativen, die Herr Bundesfinanzminister Edlinger im Bereich der Privatisierung gesetzt hat, sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Privatisierungen der Jahre 1997 bis 1999 Revue passieren läßt, dann kann man feststellen, daß wir sehr große Brocken auf den Markt gebracht haben – zwar manchmal mit medialen Auswirkungen, die nicht angenehm waren, aber immerhin wurden dabei vom Herrn Bundesminister große Dinge gemeistert.

So hat allein die Privatisierung der Austria Tabak einen Erlös in Höhe von 5,2 Milliarden Schilling gebracht. Vom Jahre 1997 bis 1999 sind letztendlich ungefähr 53 Milliarden Schilling aus Privatisierungen erlöst worden. Es ist also erfolgreich privatisiert worden – und nicht populistisch!

Damit bin ich beim Thema "Populismus" angelangt. Gestern haben die Liberalen dem Herrn Bundesminister vorgeworfen, er sei ein Populist, weil er nicht zugestimmt hat beziehungsweise weil er nicht der Meinung ist, daß der 13. und der 14. Monatsgehalt ... (Abg. Dr. Gredler: Das ist eine verkürzte Darstellung!) – Ich habe auch nur vier Minuten Redezeit. Ich kann Ihnen die Einzelheiten später erzählen. (Abg. Dr. Gredler: Stellen Sie es richtig dar!) Daher sind die Liberalen böse und haben gesagt, der Herr Bundesminister sei ein Populist. (Abg. Dr. Gredler: Sie dürfen keine verkürzten Darstellungen geben!)

Wenn ich mir vergegenwärtige, was die Redner vom Liberalen Forum zur Frage des Tabakmonopols gesagt haben, wie sie einfach mit der Methode der Neoliberalisierung über alles drüberfahren wollen und was sie in diesem Zusammenhang in bezug auf die Behinderten ausgeführt haben, dann muß ich sagen: Da reden Sie vom Liberalen Forum mit zwei Zungen! Das hat Herr Kollege Böhacker auch richtig erkannt. Jedenfalls verstehe ich Sie vom Liberalen Forum in dieser Hinsicht nicht mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, daß diese Novelle eine gute ist, und wir werden daher dem Entwurf unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

18.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.57

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich finde ich es schade, daß das Sparkassengesetz ausgerechnet nach einer Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend die Malversationen der Riegerbank debattiert und beschlossen wird. Ich finde das deshalb schade, weil es notwendig wäre, gerade auch mit diesem Gesetz nach außen hin zu signalisieren, daß Banken vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen haben und daß derartige Einzelfälle – ich sage ausdrücklich "Einzelfälle" – von kriminellen Machenschaften, wie sie bei der Riegerbank passiert sind, nicht zur Tagesordnung in der Bankenlandschaft Österreichs gehören! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Dieses Sparkassengesetz, das nach monatelangen intensiven Verhandlungen heute beschlossen wird, ist ein erster, richtiger Schritt, wenngleich ich zugebe, daß die eine oder andere kritische Bemerkung der Opposition durchaus ihre Berechtigung hat. Dennoch darf ich festhalten: Daß dieser Schritt heute möglich ist, ist auf jene Initiative zurückzuführen, die die ÖVP 1993 mit dem Privatstiftungsgesetz gesetzt hat, das dann in der Folge auch zur Beschlußfassung gelangt ist. Damit ist uns etwas sehr Positives gelungen, nämlich die Kapitalflucht aus Österreich zu minimieren. Das sollten wir durchaus positiv festhalten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie gesagt: Dieses Gesetz ist ein erster, richtiger Schritt im Sparkassenbereich, und ich meine, daß dies ein positiver Schritt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

18.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.00

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf den Antrag des LIF zur Schaffung eines Privatisierungsgesetzes im Bankenbereich und möchte dazu folgendes anmerken:

Das Thema "Struktur des österreichischen Bankensektors" ist ja in den letzten Jahren wiederholt hier im Hohen Hause diskutiert worden; ich darf in diesem Zusammenhang etwa an die Fragen betreffend Bank Austria oder CA erinnern. Ich warne allerdings davor, Privatisierung als Allheilmittel anzusehen und damit angesehene Geld- und Kreditinstitute in das tagespolitische Hickhack einzubeziehen.

Für politisches Kleingeld wird die Seriosität unserer Geld- und Kreditapparate in Frage gestellt. Es ist für die österreichische Wirtschaft schlecht, wenn die österreichische Kreditwirtschaft und damit auch der österreichische Kapitalmarkt in relativ kurzen Abständen immer wieder ins tagespolitische Rampenlicht gezerrt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren vom Liberalen Forum! Ihrer Forderung nach Schaffung eines Privatisierungsgesetzes im Bankenbereich möchte ich auch die aktuellen Geschehnisse im Dunstkreis des rein privaten Bankhauses Rieger entgegenstellen. Daraus ist nämlich folgender Schluß zu ziehen: Ein privater Besitzer bedeutet noch lange nicht unternehmerischen Erfolg und Seriosität.

Im Fall Rieger wird es Untersuchungen geben, um zu klären, wie derartige Bilanzschwindeleien am Aufsichtsrat, an der Nationalbank und an der Bankenaufsicht vorbei überhaupt möglich waren. Es müssen – und ich bin sicher, daß das der Fall sein wird – auch die Schuldigen ermittelt werden, und es wird Konsequenzen geben müssen. Unsere Pflicht wird es aber auch sein, der Bevölkerung verstärkt zu sagen, daß das Versprechen hoher Zinsen natürlich auch mit einem wesentlich höheren Risiko verbunden ist, wie uns das die derzeitigen Bankpleiten leider wieder vor Augen führen.

Es ist derzeit offensichtlich modern, ja geradezu opportun, für eine rasche und bedingungslose Abgabe von öffentlichem Eigentum sowohl bei Kreditunternehmen als auch bei anderen staatlichen Unternehmungen einzutreten. Es gibt aber Unternehmen, die man im Interesse Österreichs auch weiterhin im staatlichen Eigentum belassen sollte.

Hohes Haus! Ich glaube, daß im Hinblick auf Privatisierungen der Plafond bereits erreicht wurde. Mit jeder weiteren Privatisierung verliert der Staat meiner Meinung nach auch Regelungs- und Lenkungsmechanismen, die sich auch auf die Angebots- und Arbeitsmarktsituation auswirken.

In manchen Bereichen sind staatliche Betriebe durchaus sinnvoll und wichtig. Wir werden daher vor weiteren Privatisierungen auch mit Rücksicht auf die Mitarbeiter sehr genau prüfen müssen, welche Auswirkungen, welche Konsequenzen zu erwarten sind. Ich betone neuerlich: Für eine Gewinnmaximierung auf Kosten der Arbeitnehmer, um die Brieftaschen der Aktionäre zu füllen, stehe ich nicht zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Zur Veräußerung zweier Grundstücke in Tirol und Wien möchte ich folgende kurze Anmerkung machen: Der Bund hat mangels eines zukünftigen Bedarfs und nach längeren Verhandlungen einen guten Erlös für die beiden Liegenschaften erzielt. Neben den erfreulichen Einnahmen von 207,5 Millionen Schilling ist meiner Ansicht nach auch der Hinweis auf die längerfristige Sicherung von Arbeitsplätzen besonders erfreulich. Daher werde ich dem vorliegenden Bericht des Finanzausschusses vollinhaltlich zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.04

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte so wie mein Vorredner kurz zum Antrag des LIF Stellung nehmen. Vorweg aber, Herr Kollege Müller, möchte ich feststellen, daß ich Ihnen in einigen Punkten leider nicht folgen kann. (Abg. Dr. Mertel: Wer macht jetzt den Intelligenztest: Der Müller oder Sie?)

Erstens: Den Bankendeal Bank Austria/CA als einen Akt der Privatisierung zu betrachten, ist doch etwas sehr weit hergeholt :

Zweitens: Den Skandal in der Riegerbank jetzt sozusagen als Argument dafür zu verwenden, für weitere Privatisierungen nicht zur Verfügung zu stehen, weil Privatunternehmer sozusagen automatisch eine Bank in die Pleite führen, ist vielleicht auch etwas kurz gegriffen. (Abg. Müller: Das habe ich nicht gesagt! – Abg. Marizzi: Da haben Sie wieder nicht aufgepaßt!)

Und schlußendlich bin ich nicht der Meinung, daß der Plafond an Privatisierungen bereits erreicht wurde.

Zurück zum Antrag des LIF. – Kurz die Genesis: Nachdem der Mega-Deal Bank Austria/CA stattgefunden hat, dem ja auch das LIF – darf ich es vielleicht so formulieren: freudig erregt – zugestimmt hat, hat dann Ihre Fraktion dieses Gesetz zur Bankenprivatisierung vorgeschlagen. Ich verstehe den Zusammenhang nicht, Herr Kollege Peter. Ich räume aber ein, daß das nicht Ihr Vorschlag war, sondern es war damals der Vorschlag des Kollegen Haselsteiner.

Wir werden, wie sich das ja auch schon bis zu Ihnen herumgesprochen hat, diesem Antrag nicht zustimmen. Wir sind zwar grundsätzlich für Privatisierungen, aber ich mag nicht einsehen, warum kleine Gemeindesparkassen, Hypothekenbanken et cetera zwangsprivatisiert werden sollen. Ganz im Gegenteil: Sie haben regional gesehen eine sehr wichtige Funktion. (Abg. Mag. Peter: Eigentumsverluste der ÖVP, das gebe ich gerne zu!) Abgesehen davon ist ein Privatisierungsgesetz gerade im Bankensektor absolut überflüssig, denn Sie sehen täglich die Fusionen und Beteiligungsvorgänge, die über unsere Grenzen hinausgehen, durchaus mit Hypothekenbanken der verschiedenen Länder.

Abschließend betone ich noch einmal: Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftssteuergesetz 1988 geändert werden, samt Titel und Eingang in 1392 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 1444 zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 1445 zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist zur Kenntnis genommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur samt Titel und Eingang in 1383 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Entwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden, samt Titel und Eingang in 1447 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses Zeichen erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ich lasse nun über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen samt Titel und Eingang in 1412 der Beilagen abstimmen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses Zeichen erfolgt mit Stimmeneinhelligkeit, daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls stimmeneinhellig. Der Gesetzentwurf ist daher in dritter Lesung angenommen.

11. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 784/A (E) der Abgeordneten Peter Schieder, Werner Amon, Dr. Martin Graf, Dr. Martina Gredler, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Menschenrechtsjahr 1998 (1434 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 253/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Menschenrechtssituation in Tibet (1435 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich sehe jetzt einmal nach, ob der Herr Berichterstatter im Saal ist. – Er ist nicht anwesend. (Abg. Schieder: Aber der Ausschußvorsitzende ist hier!) – Bitte. Gibt es einen Bericht des Ausschußvorsitzenden? – Keinen Bericht.

Wir treten sofort in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.11

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Es kommt nicht allzu oft vor, daß wir hier im Hause einen Fünf-Parteien-Antrag verhandeln, aber es ist in diesem Falle gelungen. Ich möchte auf der einen Seite mit einer gewissen Freude auf diese Entwicklung hinweisen, auf der anderen Seite möchte ich aber doch auch einen gewissen Beigeschmack nicht unerwähnt lassen. Mir ist schon klar: Die Genesis dieser Antragswerdung war natürlich so, daß man im "Jahr der Menschenrechte" und insbesondere auch im Jahr der österreichischen EU-Präsidentschaft eine gemeinsame parlamentarische Erklärung abgeben wollte, um auch gewisse Richtlinien hinsichtlich Außen- und Entwicklungspolitik des österreichischen Parlaments und damit auch eine Bindung des zuständigen Regierungsmitglieds zu erreichen.

Aber es gab auch einen zweiten Zugang zu dieser Problematik, und der hat sich im Februar dieses Jahres anläßlich einer Sitzung des Heimatpolitischen Beirates der Vertriebenenverbände ergeben, als sich Kollege Dietachmayr, Kollege Mühlbachler und meine Wenigkeit anläßlich dieser Sitzung gegenüber den Vertriebenenverbänden verpflichtet haben, zu versuchen, im Jahr unseres Vorsitzes in der EU beziehungsweise im "Jahr der Menschenrechte" und insbesondere auch im Hinblick auf die Vorsitztätigkeit einen gemeinsamen Menschenrechts-Antrag ins Parlament zu bekommen, der die Problematik der Vertriebenenverbände darzustellen beziehungsweise zu beleuchten versucht, um auch in dieser Frage eine Debatte hier im Hause durchzuführen und letztendlich auch einen weiteren Schritt setzen zu können.

In weiterer Folge – und das ist das Traurige an dieser Sache – ist aus dem Vertriebenen-Antrag – so möchte ich das nennen – leider nichts geworden, weil es außer diesem allgemeinen Menschenrechts-Antrag, den wir für gut halten und den wir selbstverständlich auch mittragen, letztendlich nichts gegeben hat. Leider Gottes stellt dieser Antrag den kleinsten gemeinsamen Nenner dar; mehr ist es nicht geworden.

Das Liberale Forum hat insofern reagiert – es war bei den Verhandlungen zu diesem Antrag auch vereinbart, daß es im Ausschuß Zusatzanträge gibt, aber auch im Plenum entsprechende Zusatzanträge verhandelt werden, um die Vielzahl der Menschenrechtsverletzungen, die in jüngster Vergangenheit, aber auch bereits länger zurück passiert sind, darzustellen und zu beleuchten –, das LIF hat also insofern reagiert, als es für ihre Zielgruppe, die Tibetaner – das ist gut und richtig, und das kann man durchaus auch unterstützen – einen Antrag eingebracht hat, und wir selbst haben uns natürlich stark gemacht für die Vertriebenenproblematik. Das ist ja auch in diesem Haus keine Neuigkeit mehr, und ich glaube, es überrascht Sie alle nicht, wenn wir auch heute einen Zusatzantrag einbringen, den ich gleich vorlesen möchte:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Dr. Graf und Kollegen zum Bericht des Außenpolitischen Ausschusses (1434 der Beilagen) über den Antrag 784/A(E) der Abgeordneten Schieder, Amon, Dr. Graf, Dr. Gredler, Mag. Stoisits und Genossen betreffend Menschenrechtsjahr 1998

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der dem Ausschußbericht 1434 der Beilagen beigedruckten Entschließung wird im fünften Absatz der Entschließung mit dem Wortlaut: ‘Die Bundesregierung wird ersucht, sowohl auf multilateraler wie auch auf bilateraler Ebene konsequent für den Schutz der Minderheiten einzutreten und insbesondere auf die Umsetzung der europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenkonvention des Europarates zum Minderheitenschutz zu drängen’, folgender Satz angefügt:

"Die Bundesregierung wird weiters ersucht, im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mit den Beitrittskandidatenländern sicherzustellen, daß bestehende menschen- und völkerrechtswidrige Bestimmungen beziehungsweise Dekrete aufgehoben werden."

*****

Hohes Haus! Wir haben hier im Hause diese Dekrete schon des öfteren diskutiert. Insbesondere vertreten ja das Außenministerium und der Außenminister die Linie, daß man alles auf bilateraler Ebene abzuhandeln habe. Es freut mich, daß in diesem Menschenrechts-Antrag immerhin bereits feststeht, daß auf multilateraler Ebene etwas geschehen soll in diese Richtung; es ist zwar allgemein gehalten, aber die Zielrichtung ist klar.

Herr Minister! Wir werden das heute beschließen, auch wenn es vielleicht ohne unseren Zusatzantrag angenommen wird. Es wird nämlich doch deutlich gemacht, daß auch Sie aufgefordert sind, in Zukunft auf multilateraler Ebene für die vertriebenen Volksdeutschen, im Sudetenland und so weiter, einzutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Punkt möchte ich nur die Begründung des Berichtes hernehmen, in der es heißt:

"Der Vertrag von Amsterdam bestätigte dann ausdrücklich, daß die Europäische Union auf die Grundsätze der Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Rechtstaatlichkeit gegründet ist. Die Achtung dieser Grundsätze wurde auch als Bedingung für jeden Beitritt zur Europäischen Union festgeschrieben. Dies entspricht auch den entsprechenden Forderungen in den österreichischen Grundsatzpositionen zur Regierungskonferenz. Mit diesen vertraglichen Grundlagen ergeben sich somit hinsichtlich der Menschenrechte auch Leitlinien für die gemeinsame Außen- und Entwicklungspolitik, die Österreich als EU-Präsidentschaft umzusetzen haben wird."

Herr Minister! Ich stelle fest: In Fragen der vertriebenen Sudetendeutschen, aber auch Slowenen sind Sie in diesem Punkt bis dato untätig gewesen, und jetzt erhalten Sie in Ihrer Amtsführung aufgrund dieses Antrages mehr oder weniger noch einen Stoß, jetzt, in den letzten verbleibenden Wochen und Monaten endlich Tätigkeiten zu entwickeln, so wie wir sie uns letztlich auch vorstellen.

Ich glaube, man muß aber noch einen zweiten Aspekt betrachten, weil ja auch hier der Internationale Strafgerichtshof angeführt ist. Herr Minister! Wir haben eine Anfrage an Sie gestellt, die Sie ganz klar und deutlich beantwortet haben: Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs erstreckt sich ausschließlich auf Delikte, die nach dem Inkrafttreten des Statuts begangen werden. – Wir wissen nicht, wann dieses Statut in Kraft treten wird – darin sind wir uns einig –, aber mit dieser Formulierung werden wir uns nicht auf Dauer anfreunden. Wir meinen, daß Verbrechen wider die Menschheit, aber auch Kriegsverbrechen niemals verjähren und dadurch auch einer gerechten Strafe zugeführt werden müssen.

Insbesondere auch im Zusammenhang mit Beitrittsländern muß man feststellen: Wenn Tschechien zum Beispiel der Europäischen Union beitreten wird und die Amnestiegesetze gefallen sein werden, müssen wir dann selbstverständlich immer und überall auch die verantwortlichen Verbrecher für die Unrechtstaten wider die Sudetendeutschen zur Verantwortung ziehen, denn Unrecht – und darin sind wir uns alle einig – verjährt nicht, und es muß letztendlich eine gerechte Strafe auch für diese Leute geben.

Folgendes möchte ich Ihnen abschließend ausdrücklich als Botschaft mitgeben: daß wir uns in diesem Punkt von Ihnen letztlich erwarten, daß Sie sich stark machen für die Interessen der vertriebenen Sudetendeutschen und endlich im Sinne unserer Bevölkerung handeln. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Zusatzantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.19

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich kurz mit diesen beiden Tagesordnungspunkten auseinandersetzen und darf gleich zum ersten sagen: Auch ich schätze es, daß alle fünf Fraktionen einen solchen Antrag eingebracht haben, aber ich schätze es nicht, wenn man glaubt, daß wir damit nur die Frage der Vertriebenen in der Vergangenheit gemeint haben, sondern wir wollten damit natürlich die Menschenrechte in umfassendem Sinn behandeln. Ich glaube, diesbezüglich sind wir der gleichen Meinung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Das steht ja im Antrag!)

Meiner Überzeugung nach ist entscheidend, was man auf dem Menschenrechtssektor auch in Zukunft tun kann, was wir verbessern können – denn jedes Jubiläum soll nicht Anlaß dafür sein, lediglich vergangene Erfolge zu feiern, die zweifellos da waren, sondern zu überlegen, was man tatsächlich für die nächsten Jahre einbringen kann.

Und da scheinen mir zwei Fragen von großer Bedeutung zu sein. Die eine betrifft das, was sich gerade bei uns in Europa in Richtung Menschenrechtssektor tut: Wir konnten vor zwei Tagen erleben, daß in Straßburg ein neuer Gerichtshof für Menschenrechte eröffnet wurde, der nunmehr ein anderes Verfahren vorsieht, das vor allem darin gipfelt, daß sich jeder Bürger unmittelbar an den Gerichtshof wenden kann und nicht mehr vorweg in einer Kommission eine Art Vorausscheidung erfolgt, wodurch das alles ja oft viele Jahre lang dauert.

Das halte ich für eine qualitätsmäßige Steigerung, wobei dabei aber sicherlich auch zu berücksichtigen ist, daß wir mit sehr vielen Fällen zu kämpfen haben und daher auch eine Art Regulativ geschaffen werden muß. – Wenn man vergleicht: 1985 gab es 2 800 und im letzten Jahr 12 500 Beschwerden, so erkennt man die ungeheure quantitative Mehrbelastung. Es können vielleicht nicht alle in ihrer Beschwerde beim Gerichtshof unmittelbar recht bekommen, und es werden sicherlich viele darunter sein, die, weil die nationalen Instanzen ausgeschöpft sind, jetzt noch in eine internationale Instanz gehen.

Dennoch halte ich es qualitativ für ganz wichtig, daß sich jeder Bürger, der sich in seinen Menschenrechten, die in der EMRK verankert sind, bedroht sieht, unmittelbar an einen internationalen Gerichtshof wenden kann.

Die zweite Frage, die damit in Zusammenhang steht, ist, daß wir Österreicher auch dazu verpflichtet sind, etwas Entscheidendes in Richtung Schutz des Kindes zu tun. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, daß die Bundesregierung jetzt in der Zeit der EU-Präsidentschaft diesem Schutz des Kindes auch international zu einem Durchbruch verhelfen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns ansehen, daß zwar beinahe alle Staaten der Welt die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben, aber dennoch der Mißbrauch des Kindes in Form von sexueller Ausbeutung, in Form von Kinderarbeit oder Mißbräuchen und auch in Form von Gewalt in Familien heute ein Ausmaß annimmt, das unbeschreiblich ist, dann ist es – würde ich wirklich sagen – auch eine Verpflichtung der Präsidentschaft Österreichs im Rahmen der Europäischen Union, diesbezüglich Maßnahmen zu setzen. Und diese Maßnahmen sind gesetzt worden. Ich bin zuversichtlich, daß die beiden Zusatzprotokolle zu dieser Kinderrechtskonvention jetzt wirklich auch wieder betrieben werden. Sie stecken fest in Verhandlungen, aber es wird gelingen, daß dieser Karren wieder flott wird. Das sind wir allen Kindern, die derzeit weltweit bedroht, ausgebeutet und mißbraucht werden, schuldig. Das halte ich für einen wesentlichen qualitativen Fortschritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch auf einen weiteren Punkt eingehen, der ebenfalls heute auf der Tagesordnung steht und der einen Antrag betreffend Tibet beinhaltet. Für mich ist auch klar, daß die österreichische Außenpolitik es als Interesse angesehen hat, Tibet im Rahmen der Menschenrechtssituation in China zu behandeln und zu versuchen, die Menschenrechte dort wieder zu verbessern: in Richtung einer gewissen Autonomie für Tibet, in Richtung einer Möglichkeit, daß Religion, Kunst und Kultur in Tibet erhalten bleiben.

Ich meine, daß der Herr Außenminister in diesem Jahr ganz entscheidende Schritte dazu gesetzt hat, die möglicherweise auch zu einem wirklich historischen Durchbruch in den nächsten Jahren beitragen können. Ich darf daran erinnern: Im März 1998 hat Dr. Schüssel als erster westlicher Außenminister nicht nur China, sondern auch Tibet besucht und ist dort in einen Dialog eingetreten, bei dem er die Frage Tibet ganz ernsthaft verhandelt hat.

Zum zweiten: Im Mai 1998 war auf Initiative Österreichs in der Präsidentschaft die EU-Troika in Tibet zu einer Mission und hat wichtige Ergebnisse, auch im Sinn eines Dialogs, mitgebracht.

Zum dritten: Als der Dalai Lama im Juni dieses Jahres in Wien war, hat ihn der Herr Außenminister nicht nur empfangen, sondern mit ihm auch Gespräche darüber geführt, wie man einen Dialog Chinas mit dem Dalai Lama vorantreiben kann. Nunmehr ist dieser Menschenrechtsdialog zwischen China und der EU mit diesem Rechtsseminar ein Stück weiter vorwärtsgekommen. Wie man nun hört – und ich bin sehr zuversichtlich, daß das nicht nur Gerüchte sind, sondern daß das tatsächlich eine Möglichkeit ist –, gibt es so etwas wie einen Dialog zwischen dem Dalai Lama und der chinesischen Führung, der in die Richtung einer gewissen Autonomie vorangetrieben wird, der in die Richtung einer Erhaltung der Identität der Kultur und der Religion in Tibet seine Auswirkungen haben wird.

Wenn diese Signale stimmen – und davon gehe ich aus –, möchte ich wirklich sagen, daß es eine österreichische Initiative unter unserer EU-Präsidentschaft war und auch ein Verdienst unseres Außenministers, daß in so einer Frage zu einem Ergebnis führen kann, das wir alle nicht vorhergesehen hätten. Dafür, Herr Bundesminister, darf ich Ihnen wirklich Anerkennung aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Da wir im Außenpolitischen Ausschuß diskutiert haben, ob es sinnvoll wäre, künftig stärker auf Einzelfragen einzugehen: Ich meine, daß da ein Beispiel gesetzt wurde, das beweist, daß nicht eine Resolution, daß nicht eine große Diskussion in einem nationalen Parlament zu einem Durchbruch verhelfen kann, sondern daß diese Werke und Taten, die dabei gesetzt wurden, ein viel wirksameres Mittel sind als alle großen Beschlüsse und große Worte. Ich glaube, wir sollten in dieser Richtung weitergehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP)

19.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.27

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte den letzten Punkt der Ausführungen meines Vorredners aufgreifen. Er hat in bezug auf die Resolution von Tibet gesagt, daß Werke und Taten viel wirksamer sind. Ich möchte auch gleich den Erstredner, Herrn Graf, korrigieren: Wir sind nicht erst aus Anlaß des "Jahres der Menschenrechte" aktiv geworden, sondern der Antrag, um den es geht, ist von den Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Frischenschlager und Motter eingebracht worden. Dr. Frischenschlager ist seit zwei Jahren nicht mehr hier im Hause, und das ist der Nachweis dafür, daß dieser Antrag seit über zwei Jahren im Plenum nicht behandelt wurde. Und das ist etwas, das uns schon sehr irritiert hat. Man hat es zwar geschafft, den Antrag einmal auf der Tagesordnung zu haben, aber eine Debatte, die eine Behandlung im Plenum zu einem früheren Zeitpunkt ermöglicht hätte, war nicht möglich. Und das halte ich für sehr bedauerlich. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Graf: Frau Kollegin, wissen Sie, wann das mit Tibet war? Das war 1946 bis 1948!)

Tibet ist ein Gebiet, an dem man wirklich festmachen kann, wo es Entwicklungen gibt. Es hat in der letzten Zeit bestimmte Entwicklungen gegeben, das gebe ich zu. Es hat Herr Jospin Herrn Jiang Zemin einen Brief des Dalai Lama übermittelt, in dem der Dalai Lama selbst sagt, daß er Gespräche mit Peking ohne Vorbedingungen anstrebt und daß er ausdrücklich nach Selbstverwaltung und nicht nach Unabhängigkeit strebt. (Abg. Dr. Graf: Sie haben von den Sudetendeutschen gelernt!)

Ich bin sehr froh darüber, daß es jetzt einen Dialog gegeben hat. Gleichzeitig muß man aber auch sagen, daß in den letzten neun Monaten 2 300 Flüchtlinge aus Tibet gezählt wurden, die aufgrund politischer Repression geflüchtet sind.

Man muß doch sehen, was dort passiert: Geburtenkontrolle, forcierte Ansiedlung von Chinesen, Diskriminierungen auf dem Bildungssektor, der Schutz der Umwelt wird mißachtet, es werden Wälder in großem Maße vernichtet, die Lagerung von toxischen und radioaktiven Substanzen erfolgt in Tibet, und die Mißachtung von Menschenrechten ist erst recht ein Thema.

Ich habe heute erfahren, daß ein Student der Ethnomusik verhaftet und zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, und zwar deswegen, weil er sich erlaubt hat, in Tibet Tänze und musikalische Darbietungen von Tibetanerinnen und Tibetern zu filmen. Ich frage mich wirklich, auf welcher Grundlage man jemanden verhaftet, der Filme dreht, weil er das aus einem wissenschaftlichen Interesse heraus macht. – Das sind Dinge, die man in diesem Zusammenhang wirklich auch besprechen muß.

Ich bin sehr froh darüber, daß der Herr Vizekanzler im Rahmen seiner Möglichkeiten Initiativen ergriffen hat, aber es ist uns völlig klar, daß dieses Volk seit langem darauf hofft und bangt, daß es Unterstützung seitens der westlichen Welt bekommt. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Plenum zur Kenntnis bringen, daß in den USA, und zwar sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus, zig Resolutionen in bezug auf Tibet verabschiedet wurden, daß in Deutschland, in Liechtenstein, in Italien, in Belgien, in Kanada, in nordischen europäischen Staaten mehrfach entsprechende Resolutionen eingebracht wurden, daß natürlich die Vereinten Nationen vieles auf diesem Sektor verabschiedet haben und daß das Europäische Parlament dem mit ungefähr zehn Resolutionen sicherlich nicht nachsteht.

Angesichts dessen kann ich den Äußerungen des Herrn Kollegen Spindelegger wirklich nicht folgen, wenn er meint, Werke und Taten seien viel wirksamer. Ich glaube, daß diese multiplen Resolutionen, die in Parlamenten verfaßt wurden, dazu gedient haben, daß es eine Öffnung gibt, daß daraus eine Dialogbereitschaft seitens Chinas resultiert. Und das halte ich für das Wichtige. Ich schäme mich eigentlich dafür, daß das österreichische Parlament erst 1998, und zwar Ende 1998, überhaupt eine solche Resolution auf der Tagesordnung hat.

Ich möchte nicht glauben, daß Sie diese Resolution ablehnen werden, aber ich fürchte es. Und das wäre wirklich sehr bedauerlich, da wir uns doch auf eine gute Resolution zum "Jahr der Menschenrechte" verständigt haben. Es ist das wirklich ein Bemühen über alle Grenzen hinweg gewesen, eine gemeinsame Resolution zu verfassen.

Meine Kritik geht in die Richtung, daß man es nicht geschafft hat, einzelne Länder tatsächlich beim Namen zu nennen. Wenn man über Mißachtung von Menschenrechten spricht, dann muß man auch bereit sein, Länder, Regionen, Bewegungen zu benennen, die auf Menschenrechten mit Füßen herumtrampeln. Und das fehlt mir eindeutig in dieser Resolution. Ich hätte mir gewünscht, daß wir über Fraktionsgrenzen hinweg Bereitschaft zeigen, uns zu trauen, solche Dinge beim Namen zu nennen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Petrovic.)

Es ist sozusagen eine Softversion der Menschenrechte und der Kritik an der Verletzung derselben, die wir haben. Es ist das homöopathisch verdünnt, und ich hoffe nur, daß es irgendeine Wirksamkeit bringen wird. Es ist vieles nicht vorhanden: Die "Kindersoldaten", ein gemeinsames Anliegen, das wir vielleicht demnächst behandeln werden können, sind explizit nicht in der Form enthalten, wie wir uns das wünschen würden. Es ist das Problem der Beschneidung überhaupt nicht berücksichtigt; ein Thema, das wir hoffentlich bald in Angriff nehmen werden. Es müßte dazu kommen, daß Frauen mit ihren Töchtern nach Österreich flüchten können und hier Asyl bekommen, weil die Mädchen oder die Frauen selbst von Beschneidungen bedroht sind. Ich hoffe, daß wir uns zumindest zu diesem Minimalkonsens hier im Hause finden können. Es ist doch wirklich nicht zuviel verlangt, daß wir einer Handvoll Frauen, die überhaupt die Möglichkeit hat zu flüchten, eine Heimat in Österreich bieten. Das ist wirklich nicht zuviel verlangt! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Petrovic.)

Folgendes möchte ich im Zusammenhang mit den Menschenrechten auch noch ventilieren: Wir brauchen so schnell wie möglich die Ratifikation des Gründungsstatutes des internationales Gerichtshofes. Ich glaube und hoffe, daß Sie, Herr Schieder, als Vorsitzender das so schnell wie möglich hier im Nationalrat behandeln lassen, damit es zur Ratifikation kommt und dieser internationale Strafgerichtshof wirklich in jenem Maße arbeiten kann, wie das vorgesehen ist.

In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister, würde ich mir wünschen, daß Sie auch in jenen Ländern, die für uns sehr wichtig sind, nämlich USA, China und Indien, einen Druck dahin gehend ausüben, daß auch diese das ratifizieren. Ich glaube nämlich, daß ein internationaler Strafgerichtshof nicht ohne diese populationsreichen Länder auskommen kann. Die muß man mit an Bord nehmen, und ich hoffe, daß Sie alles tun werden, um das zu erreichen.

Ein Wort noch zur Initiative H 8, also Humanitarian Eight. Das ist eine sehr gute Initiative, und ich bin froh darüber, daß Österreich Mitglied dieser Initiative ist. Diese Initiative resultiert aus einer Überlegung zwischen Kanada und Norwegen heraus, und zwar aus der Lysœn declaration, die am 11. Mai 1998 proklamiert wurde. Damals wurde zwischen diesen zwei Ländern eine Vereinbarung getroffen, daß es in puncto Menschenrechten, in puncto Beachtung der Sicherheitsstrukturen, die man für Menschen braucht – also etwa Konfliktprävention und ähnliches – Zusammenarbeit geben soll.

Ich glaube, daß das eine sehr wichtige Initiative ist. Ich würde mir nur wünschen, daß es nicht bei den H 8 bliebe, sondern daß alle Länder der Europäischen Union mittun, und zwar deswegen, weil derzeit unklar ist, ob diese H-8-Positionen, die eingenommen werden, den Beschlüssen, die in der Europäischen Union gefaßt werden, vorgeschaltet oder nachgeschaltet werden. Da würde ich mir wünschen, daß es während der österreichischen EU-Präsidentschaft zu einer Klärung käme, daß diese Gruppe erweitert werden kann.

Letztes Wort: Ich bin froh darüber, daß wir über die Menschenrechte in der letzten Periode des "Jahres der Menschenrechte" reden. Ich bedauere, daß wir das nicht im Jänner zustande gebracht haben, obwohl wir uns damals alle darauf geeinigt hatten. Immerhin haben wir es jetzt geschafft. Wenn Sie nun auch noch die Tibet-Resolution unterstützten, zeigten Sie damit, daß Sie wirklich auch bereit sind, dafür zu kämpfen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Dr. Petrovic und Mag. Posch.)

19.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.36

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses möchte ich bestätigen, daß tatsächlich alle Fraktionen ernsthaft an dieser Resolution interessiert waren, daß in dieser Frage eine gemeinsame Auffassung gegeben war. Es stimmt auch, daß der Impuls, es in diesem Jahr zu machen, von Kollegin Gredler ausgegangen ist. Ich stehe nicht an, hier auch öffentlich zu sagen, daß der Druck von ihr gekommen ist, daß aber die Bereitschaft von allen gegeben war, das gemeinsam zu machen. Und es stimmt auch, daß es noch darüber hinausgehende einzelne Wünsche gegeben hat, die eingebracht, behandelt, angenommen oder abgelehnt werden.

Ich glaube, es ist das eine gute Tradition, die wir in Menschenrechtsfragen auch hier im Hause pflegen. Es ist das eine Frage, hinsichtlich der es auch in der österreichischen Bundesregierung immer ein gemeinsames Auftreten gab. Es gab in wesentlichen Fragen ein sehr starkes Auftreten des Außenamtes, es gab gemeinsam mit dem Justizressort ein starkes Auftreten auch in den Europaratsfragen, und ich glaube, es ist gut, wenn unser Land deutlich sagt, wofür es steht und was es für richtig hält.

Ich möchte zweitens, da ich vorgestern ebenfalls beim Europarat bei der Einrichtung und beim Inkrafttreten des Ständigen Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte anwesend war, sagen, daß ich sehr froh darüber bin, daß es dazu gekommen ist. Das zeigt nämlich, daß die Worte, die in einer Entschließung enthalten sind, immer auch durch Taten umgesetzt werden müssen, und durch diesen einheitlichen Gerichtshof, durch den Monitoring-Prozeß und durch andere Maßnahmen ist im Europarat etwas geschaffen worden, womit er konkret und mit Druck Länder und Regierungen dazu anhält, sich analog den Grundsätzen, die wir aufgestellt haben, zu verhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, das ist gut, und ich bin sehr froh darüber, daß der Europarat in diesem Bemühen immer sehr deutlich unterstützt worden ist.

Ein bißchen traurig bin ich, Herr Minister – das möchte ich auch sagen –, daß es gerade unter den Augen der österreichischen Präsidentschaft passiert ist, daß in zwei wichtigen Bereichen, nämlich beim Agieren im Kosovo und bei der Frage "Friends of Albania", der Europarat ein bißchen vergessen wurde, indem er einmal ganz draußen gelassen und einmal in die zweite Reihe abgedrängt wurde. Ich weiß schon, man hat da sehr auf die Legionen geschaut, und der Europarat hat keine traditionellen Legionen. Aber genau Menschenrechte, Monitoring, das Verfahren, die Grundsätze – all das sind doch gerade auf diesem Gebiet auch Legionen, auf die es ankommt. Ich wäre daher sehr dankbar dafür, wenn das noch ausgebügelt, in Ordnung gebracht werden könnte, indem man auch den Europarat mit seiner Menschenrechtstradition in diesen Fragen entscheidend einbindet. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Dritte, was ich erwähnen möchte, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ist folgendes: Ich glaube, die Erklärung ist gut und abgerundet. Daher bin ich der Meinung, sie sollte jetzt nicht mit einzelnen Punkten Schwerpunkte setzen, die dann dazu führen, daß man sagt, andere Fragen würden nicht als gleich wichtig angesehen.

Ich glaube auch, daß Kollege Spindelegger sehr recht gehabt hat, nämlich erstens in der Darstellung, wie gut das ist, was in China hinter den Kulissen geschieht, und zweitens auch mit dem Hinweis, daß es gerade in den Menschenrechtsfragen bestimmte Momente gibt, da man Transparente tragen muß, und manchmal Momente, da man die Transparente bewußt nicht trägt, weil man gerade Verhandlungserfolge erzielen kann. Darum ist es, so glaube ich, richtig, Frau Kollegin Gredler, wenn wir hier nicht jene Maßnahmen setzen, die Sie zur Beschlußfassung vorschlagen, sondern wenn wir bei der Resolution in der vorbereiteten Form bleiben.

Kollege Ofner! Zu den Vorschlägen, die von Ihnen kommen, möchte ich sagen: Sie werden in der letzten Debatte schon bemerkt haben, daß in dieser Frage mit mir durchaus zu reden ist und ich auch bereit bin, hier Maßnahmen zu setzen. Ich glaube jedoch nicht, daß dieser Schwerpunkt heute gesetzt werden soll. Aber das soll keine Ausrede, kein Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag sein. Ich bin dafür, daß wir in dieser Angelegenheit etwas machen. (Beifall bei der SPÖ.)

In der Frage der furchtbaren Beschneidung von Frauen werden noch Initiativen gesetzt, und ich glaube, da können wir uns finden.

Ich bin auch sehr froh darüber, daß nun der Versuch läuft, zu einer Allparteienentschließung in der Frage der wirtschaftlichen Hilfe für Mittelamerika zu kommen. Die Menschenrechte sind ganz, ganz wichtig, es ist aber auch wichtig, daß die Menschen nicht der Chance beraubt werden, ihr Leben zu retten. – Ich danke sehr herzlich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.41

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Vier Minuten für die Menschenrechte – das ist symbolhaft wenig.

Es drängen sich mir einige Gedanken auf. Ich habe das Gefühl, daß zwar vielen Österreichern und allen hier im Saale Anwesenden, überhaupt allen Abgeordneten, die Menschenrechte mit allem, was dazugehört, sehr wichtig sind, daß man aber dazu neigt, sich eher um Menschenrechte am anderen Ende der Welt zu kümmern als unmittelbar vor der Haustür, zumal im eigenen Land. Da ist man ja überhaupt vorsichtig.

Wir werden – ich schicke es voraus – der Tibet-Resolution, dem Entschließungsantrag der Liberalen, zustimmen. Trotzdem scheint es mir symptomatisch zu sein, daß auch den Liberalen als Schwerpunkt ihrer diesbezüglichen Tätigkeit nichts in der Umgebung Österreichs einfällt, nichts in Europa überhaupt, sondern (Abg. Dr. Gredler: Das ist ein alter Antrag! Der ist drei Jahre alt, bitte!) – ich weiß es schon, und ich habe ja schon gesagt, wir stimmen dafür – Tibet fällt uns ein! Es gäbe sehr viele parallele Sachen in unserer Nähe (Abg. Dr. Gredler: Mir fällt vieles ein!), die wir auch zu Fahnenfragen machen sollten.

Ähnlich ist es mit den USA und mit Kanada. Bis vor ungefähr 100 Jahren haben sie dort mit von der Regierung ausgesetzten Kopfquoten pro Indianerskalp – und zwar 165 Dollar für jeden Männerskalp und 90 Dollar für jeden Frauen- und Kinderskalp – binnen weniger Jahrzehnte 13 Millionen Indianer ausgerottet. Aber um die noch verbliebenen Indianer kümmern sie sich nur im negativen Sinne: Die werden von einem Winkerl einer Reservation in die andere gejagt, wenn man irgendwo einen Bodenschatz zu finden glaubt, den man unbedingt brauchen muß, wie die Leute annehmen.

Aber an Tibet, da sind die US-Amerikaner und die Kanadier auch sehr interessiert. Das ist weit weg. Da kann man für alles sein. Man wird nie zur Nagelprobe gebeten, ob man wirklich etwas umsetzt. (Abg. Smolle: Es ist doch nichts Falsches, sich für die Menschenrechte einzusetzen!) Das ist viel besser, als in den USA selbst solche Dinge zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Damit bin ich bei den Problemen in Europa selbst. Ich glaube, daß die Chancen, auf dem Sektor der Menschenrechte weiterzukommen, so günstig sind wie kaum jemals zuvor und daß sie in Relation dazu nur recht bescheiden genützt werden. Denn noch immer ist es so, daß wir beobachten müssen, daß etwa Volksgruppenrechte keine wirklich populäre Sache sind. Noch immer ist das so, wir haben es vor etlichen Monaten hier im Hause erlebt, daß erfreulicherweise ein erstes gesamteuropäisches Volksgruppenpapier – ich weiß nicht, ob "ratifiziert" der richtige Ausdruck war – beschlossen werden konnte, aber es war der wirklich kleinste gemeinsame Nenner, den man sich vorstellen kann. Denn es gab hier ein paar Nationen, die überhaupt nichts von Volksgruppen wissen wollten. Die Negativliste ist rasch aufgezählt – sie soll es sein –: die Franzosen, die Bulgaren und die Türken.

Es gab andere, die sehr selektive Wahrnehmungsmöglichkeiten auf diesem Sektor zeigen, etwa die Slowenen. Bei denen gibt es nach wie vor nur die Italiener, die Roma und Sinti und die Ungarn, aber an die Altösterreicher erinnert man sich lieber nicht, denen läßt man nichts zukommen.

Und wir schauen da zu. Wir engagieren uns für alle möglichen Leute – zu Recht – in anderen Erdteilen, aber vor der eigenen Haustüre sind wir zu vornehm, um uns wirklich zu engagieren.

Bevor das rote Licht hier auf dauerndes Leuchten übergeht, möchte ich noch folgendes sagen: Wir Freiheitlichen sehen es als eines unserer vornehmsten Anliegen, mit dazu beizutragen, daß ein umfassendes Volksgruppenrecht für ganz Europa endlich Wirklichkeit wird, ein verbindliches Volksgruppenrecht und ein durchsetzbares Volksgruppenrecht (Beifall bei den Freiheitlichen), und nicht ein Wischiwaschi-Recht, das man zwar, weil nichts Besseres da ist, auch zur Kenntnis nimmt, das aber eigentlich nichts wirklich Substantielles enthält. Das muß uns ein Anliegen sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.45

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das "Jahr der Menschenrechte" macht irgendwie darauf aufmerksam, daß auch die Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind und daß es daher eines eigenen Gedenkjahres bedarf, obwohl so viele Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach der Gründung der Vereinten Nationen doch große Hoffnung bestand, daß zumindest die Einhaltung zentraler Freiheitsrechte, des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit eine Selbstverständlichkeit sein sollte. – Es ist das aber keine Selbstverständlichkeit, und deshalb sind auch solche Gedenkjahre und Resolutionen von Parlamenten notwendig, obwohl dort immer wieder Selbstverständlichkeiten, die in der Praxis dann eben doch keine sind, festgehalten werden.

Was ich für wichtig halte, ist, daß dieses Parlament offenbar – und ich teile diese Absicht – mit dieser Beschlußfassung auch klarstellt, daß Menschenrechtsverletzungen keine inneren Angelegenheiten sind. Sie können es nicht sein.

Ich finde es auch wichtig, hervorzuheben – und das soll man betonen, denn das ist nicht immer so klar –, daß ein Anprangern von Menschenrechtsverletzungen, eine Parteinahme für die Verletzten und deren Rechte sehr wohl und problemlos mit der österreichischen Neutralität in ihrer historischen Konzeption und in einem ganz aktuellen Verständnis vereinbar ist, ja vielleicht nicht nur vereinbar: Ich glaube sogar, daß die Neutralität eine Voraussetzung dafür ist, die Einhaltung der Menschenrechte besonders eindringlich zu monieren. (Abg. Dr. Mock: Das ist Ihre Interpretation!) Ich halte es auch für richtig, über internationale Strafsanktionen, über Gerichtsbarkeit zu reden, denn es soll den Tätern von heute und morgen klar sein, daß sie irgendwann einmal zur Verantwortung gezogen werden – oder zumindest gezogen werden können.

Freilich ist und wäre es besser, präventiv zu verhindern, daß diese Gerichte überhaupt tätig werden müssen. Ich glaube, daß es da sehr verschiedene Rollen im internationalen Kontext geben kann. Ich meine, daß die österreichische Rolle die eines Frühwarnsystems im Falle von Konflikten und Krisen sein und auch im Bereich der humanitären Hilfe liegen sollte.

Es wäre, glaube ich, zur Ausfüllung von Entschließungen des Parlamentes auch notwendig, daß wir im eigenen Lande kritischer beurteilen, wie es hier mit den Menschenrechten steht. Es ist nicht so, Herr Abgeordneter Ofner, daß die Situationen im eigenen Land nicht gesehen werden. Es ist nur leider oftmals kein politischer Konsens vorhanden, auch weil der Eindruck entsteht, die Administrationen handelten ohnedies korrekt. (Abg. Dr. Graf: Das hat aber Kollege Ofner gesagt!) Es ist aber nicht in allen Fällen so.

Ich weiß nicht, wie die österreichische Bevölkerung den folgenden Fall beurteilen würde: Es geht um ein Ehepaar aus Kosova. Der Mann ist seit 1991 in Österreich, arbeitet hier legal, hat eine durchaus ansprechende Wohnung. Er hat seit langem für seine Ehefrau ein Visum beantragt, damit sie nachkommen kann, aber die Antwort lautet: Die Quoten sind voll. Seit Jahren sind die Quoten voll für die Ehegattin eines seit 1991 hier arbeitenden Kosovo-Albaners. Pech gehabt!

Jetzt ist das Dorf dieser Frau dem Erdboden gleichgemacht worden. Sie ist natürlich in dieser Situation zu ihrem Mann nach Reichenau an der Rax gekommen. Überhaupt kein Problem! Sie wurde in dieser Gesellschaft von den Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit der größten Selbstverständlichkeit aufgenommen. Nur die österreichischen Behörden haben kein Einsehen. Es gibt eben auch für den Familiennachzug derzeit keine freien Plätze. So hat man am 10. Oktober diese Kosovo-Albanerin, deren Dorf dem Erdboden gleichgemacht ist, mit Befehls- und Zwangsgewalt von ihrem Mann weggeholt. Man hat gesagt, sie hätte ja in Kroatien um Asyl ansuchen können, sie hätte ja nicht nach Österreich kommen müssen, obwohl ihr Mann hier seit sieben Jahren arbeitet, Geld verdient und Steuern zahlt.

Die Frau hat dann gesagt, daß sie schwanger sei. Man hat ihr nicht geglaubt, man hat sie zwangsweise im Spital untersucht: Und sie ist schwanger. Das hat sie einstweilen vor der Abschiebung bewahrt – "einstweilen", wie die Behörde hinzugefügt hat, denn, wenn das Kind geboren ist, dann werden sie wohl gehen müssen.

Ich denke, wenn man so mit Menschenrechten umgeht, dann ist es zwar immer noch legitim, selbstverständlich die Situation überall, wo Menschenrechte dramatisch und notorisch verletzt werden, mit noch härteren Worten anzugreifen. Aber ich denke, auch solche kleinen und größeren Grausamkeiten sind gegen die Menschenrechte. Niemand, keine öffentliche Meinung zwingt das Land Österreich, so zu handeln. Sie hätten breiteste Akzeptanz für Fälle wie diesen, nur: Die Normen sind eben anders.

Herr Bundesminister! Ich weiß, daß Sie etwa im ehemaligen Jugoslawien etliche Entscheidungen getroffen haben, die ich persönlich für richtig halte und bei denen ich glaube, daß es wichtig war, diplomatische Vertretungen aufrechtzuerhalten oder auch sich für Beobachter in Kosova einzusetzen. Ich ersuche Sie wirklich, auch im Rahmen der Bundesregierung mit mehr Nachdruck zu verlangen, daß in Österreich auch seitens der Exekutive, seitens der Polizeibehörden nicht derartige Menschenrechtsverletzungen passieren.

Gerade an die Adresse der ÖVP gerichtet: Ich denke, in Krisen wie etwa der Krise in Kosova sollte man bei den Quoten für den Familiennachzug, so dieser überhaupt Quoten haben muß – ich glaube, Familie zu haben, ist ein Menschenrecht und darf nicht an Quoten gebunden sein –, Vorziehungen erlauben. Man sollte erlauben, daß Menschen aus diesen unmittelbaren Kriegs- und Kampfgebieten selbstverständlich zu ihren nächsten Angehörigen kommen, die dann ja auch für sie sorgen wollen und können. Ich denke, da passieren auch in unserem Land völlig unbillige Härten.

Wie gesagt: Ja zum Engagement in Tibet, ja zum Engagement für die indigenen Völker, wo immer sie in ihren Existenzrechten und ihrem ganz ureigensten Lebensstil bedroht sind, aber bitte auch etwas mehr Aufmerksamkeit im eigenen Land. Denn ich glaube, gerade in Zeiten des Wohlstandes, eines Wohlstandes, der in Österreich nicht zuletzt auch durch Migrationsbewegungen und durch internationalen Austausch miterwirtschaftet werden konnte, wäre es auch ein Gebot der Stunde, sich gerade in solchen Krisensituationen bei den betroffenen Menschen durch eine übergenaue Einhaltung der Menschenrechte zu bedanken. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

19.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.53

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den grundlegenden Menschenrechten gehört ohne Zweifel das Recht auf die Bewahrung und Erhaltung der ethnischen Identität und die Erhaltung der unterschiedlichen Kulturen der einzelnen Völker in aller Welt.

Was in Tibet seit Jahrzehnten vor sich geht, ist die systematische Verdrängung der Tibeter durch chinesische Zuwanderer. Das Recht auf nationale Selbstbestimmung wird dem tibetischen Volk seit der chinesischen Okkupation vorenthalten. Wir Freiheitlichen unterstützen deshalb alle Bestrebungen, die dem einzelnen mehr Individualrechte und den Völkern mehr Freiheit, sei es in diesem Fall auch im Rahmen einer Autonomie, sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Mit großer Sympathie haben wir deshalb auch vor einigen Jahren den Zusammenbruch der Sowjetunion und Jugoslawiens beobachtet, die mit Sicherheit größere Völkerkerker waren als etwa die alte österreichisch-ungarische Monarchie. Mit großem Unmut haben wir aber auch die jahrzehntelange Unterdrückung der Ungarn, nämlich der ungarischen Minderheit im Rumänien Ceauşescus oder auch in der Slowakei mitverfolgt.

Während sich Österreich aber häufig für die Menschenrechte anderer Völker sehr nachdrücklich eingesetzt hat, haben die österreichischen Bundesregierungen unsere Minderheiten in den Nachfolgestaaten der alten Monarchie eigentlich vergessen. Bei Hilfsfahrten in das rumänische Banat wurde ich immer wieder gefragt: Warum müssen Menschen aus Steierdorf,, dem rumänischen Anina, nach Deutschland auswandern, obwohl ihre Vorfahren doch aus dem alten Herzogtum Steiermark ausgewandert sind?

Die rassistischen und unmenschlichen Beneš-Dekrete der Tschechen und die AVNOJ-Gesetze Sloweniens, die in unserer Gegenwart noch immer fatale Folgen haben, wurden von meinen Vorrednern bereits erwähnt.

Im Gegensatz zu Italien, das die Interessen seiner Heimatvertriebenen massiv unterstützt hat, hat die österreichische Außenpolitik da ziemlich versagt. Um die völkerrechtlichen Konsequenzen einer Anerkennung einer deutschen Minderheit, die auch durch Stefan Karner und auch durch slowenische Professoren heute anerkannt ist, zu umgehen, wird seit einiger Zeit ein sogenanntes Kulturabkommen verhandelt. Dieses Abkommen kann aber natürlich kein Ersatz für die verfassungsrechtliche Absicherung unserer Minderheit als nationale Minderheit in Slowenien sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie uns, Herr Außenminister, wie eine tibetanische Gebetsmühle ständig erklären, daß dies bloß ein bilaterales Problem zwischen Laibach und Wien ist, dann müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß Sie zwar manchmal starke Sprüche wie den gegen Herrn Milošević von sich geben (Abg. Steibl: Sie machen starke Sprüche in den Zeitungen ...!), daß Sie sich aber gegen Slowenien nicht durchsetzen konnten, nämlich in der Beseitigung der Folgen der alten AVNOJ-Gesetze. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dr. Schüssel.)

Herr Bundesminister! Die Italiener haben dagegen die Auseinandersetzung, etwa den Erwerb (Zwischenruf des Abg. Smolle) – man spricht eigentlich "aunoj" – von Immobilien für heimatvertriebene Landsleute in Slowenien, auf die Ebene der EU gebracht. Sie erklären uns immer: Das geht nicht, wir können das nicht zum Thema der EU-Verhandlungen machen. Ich habe aber hier einen Bericht, nämlich den sogenannten spanischen Kompromiß zwischen der EU und Slowenien. (Abg. Smolle: Herr Kollege, das heißt "Avnoj", gesprochen mit "w"!) Ich hoffe, daß Sie auch den Weg dieser italienisch-slowenischen Verhandlung gehen und nicht diesen Sonderweg eines Kulturabkommens, dessen Inhalt wir heute noch immer nicht kennen, weiterverfolgen. (Neuerlicher Zwischenrufe des Abg. Smolle. – Abg. Mag. Schweitzer – auf die neben Abg. Smolle sitzende Abg. Dr. Gredler weisend –: Martina halten den Mund!)

Ein Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union, Herr Smolle, kommt für uns Freiheitliche nur dann in Frage, wenn die sogenannten bilateralen Probleme, also die Folgen der AVNOJ-Gesetze zwischen Österreich und Slowenien befriedigend gelöst sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Smolle, Mag. Schweitzer und Dr. Gredler.) Alles andere – das darf ich Ihnen wirklich sagen – wäre in unseren Augen ein Ausverkauf der österreichischen Interessen, für den wir nicht zur Verfügung stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer – in Richtung des Abg. Smolle –: Wer sagt denn "Avnoj"? Du hörst schlecht! Du! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Smolle und Mag. Schweitzer.)

19.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters ist Herr Abgeordneter Amon zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.58

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler und Außenminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute aus Anlaß des 50jährigen "Geburtstags" der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verabschiedet wurde, die Gelegenheit haben, eine Menschenrechtsdiskussion zu führen, so bietet das natürlich die Gelegenheit, auf der einen Seite ein wenig zurückzuschauen auf das, was gelungen ist. Hier kann ich nur sagen, ich bin froh darüber, daß nicht Herr Kurzmann für die österreichische Außenpolitik verantwortlich ist. Offensichtlich tun Erfolge in der Außenpolitik den Freiheitlichen ganz besonders weh, und jene Erfolge gibt es in der Tat zu verzeichnen. Ich werde noch darauf eingehen. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum?) – Nun, weil es notwendig ist, weil Sie, Herr Schweitzer, es offensichtlich nicht wahrhaben wollen, daß es diese Erfolge gibt. Darum werde ich Ihnen auch nachweisen, daß es sie gibt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Herr Kollege Amon, bei den Vorgesprächen waren Sie nie dabei!)

Natürlich ist es so, daß gerade in diesem Jubiläumsjahr ganz besondere Erwartungen an die Politik und an die Menschenrechtspolitik gestellt werden, nur glaube ich, daß Menschenrechtsarbeit nicht in einer Art "Hochamtspolitik" betrieben werden kann, nämlich in der Art und Weise, daß man sagt: Heuer sind sie ganz besonders wichtig und ansonsten eben weniger. Ganz im Gegenteil: Menschenrechtsarbeit ist eine permanente Arbeit, die man nicht nur in einem Jubiläumsjahr wie dem heurigen in besonderer Weise betreiben soll.

In den vergangenen 50 Jahren ist es sicherlich gelungen, die rechtliche und praktische Grundlage für den Menschenrechtsschutz zu schaffen. Jetzt geht es verstärkt darum, auf nationaler und lokaler Ebene diese Menschenrechte auch tatsächlich zu realisieren.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine Bemerkung zu den Ausführungen von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic anbringen, die hier versucht hat, daraus wieder eine innenpolitische Debatte zu machen. Ich glaube, daß man die Kirche im Dorf lassen soll. Wenn wir von Menschenrechtsverletzungen in Österreich sprechen, die es da und dort auch geben mag – ich will das gar nicht bestreiten: natürlich passieren, wo Menschen agieren, auch Fehler und auch inkorrekte Verhaltensweisen –, dann sage ich Ihnen aber auch, daß Österreich gerade in der Flüchtlingsfrage und in der Asylfrage einen derart gravierenden Anteil in Europa geleistet hat und daß wir verstärkt darauf hinarbeiten sollten – und Sie gerade bei Ihren grünen Kollegen in anderen Staaten Europas –, daß sich alle Länder in dieser Art und Weise solidarisch verhalten, wie die Österreicher es getan haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf – die aktuelle Abendausgabe des "Kurier" in die Höhe haltend –: Der Koalitionspartner sagt, daß der Vizekanzler scheinaktiv ist!)

Ich freue mich aber trotzdem, daß es gelungen ist, einen gemeinsamen Fünf-Parteien-Entschließungsantrag zustande zu bringen, der eine Reihe von sehr wesentlichen Forderungen enthält, wie etwa die Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofes, um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch völkerrechtlich systematisch ahnden zu können.

Ich möchte aber auch auf einige Punkte eingehen, die zum Teil schon von Vorrednern angesprochen wurden. Ich glaube sehr wohl, daß es Bereiche gibt, wo Handlungsbedarf besteht. (Abg. Jung: Erfolge aufzählen! Erfolge aufzählen!) Ich denke etwa – Kollegin Gredler hat es bereits angesprochen – an die Frage von Kindersoldaten. Ich glaube, daß da wirklich Handlungsbedarf gegeben ist, daß man auch international eine entsprechende Altersgrenze durchsetzen sollte.

Einer der sehr wesentlichen Erfolge, die gerade unserem Außenminister gelungen sind, war etwa der internationale Kampf gegen die Landminen. Ich erinnere an die Schaffung des Verbotsgesetzes für Landminen in Österreich, das weltweit das strengste Verbotsgesetz ist und das nunmehr die Grundlage für sämtliche internationale Vertragswerke bildet. (Abg. Dr. Ofner: Nur für die USA, Rußland und China nicht – die ganz "kleinen" Staaten!)

Weiters denke ich an die erfolgreiche China-Politik. Denn – und ich sage das bewußt sehr vorsichtig – es gelingt hier, tatsächlich Fortschritte in der Menschenrechtsfrage sicherzustellen. (Abg. Jung: Wo denn?) Es gelingt sehr wohl, in der Tibet-Frage Fortschritte zu erzielen. Sie wollen das ganz einfach nicht wahrhaben (Abg. Jung: Sagen Sie etwas Konkretes! Sagen Sie es!), Sie wollen das nicht anerkennen: Es ist ein Erfolg der österreichischen Außenpolitik und der österreichischen Präsidentschaft. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Kollege Amon, das trifft auf Sie auch zu: scheinaktiv!)

Als letzten Punkt möchte ich ein Problem ansprechen, bei dem es sich um ein besonderes Verbrechen an Frauen handelt – Kollege Posch und ich bringen hiezu heute einen Selbständigen Entschließungsantrag ein, der dem Ausschuß zugewiesen wird –: Es ist die Frage der Genitalbeschneidungen von Frauen. Wir haben das sehr ausführlich auch in der Vorbereitung zur SADC-Parlamentarierkonferenz diskutiert. Ich bin froh, daß es diese Initiative gibt.

Der 50. Jahrestag der Menschenrechte zeigt natürlich auf, daß es in Sachen Menschenrechte noch unendlich viel zu tun gibt. Aber dieser 50. Jahrestag soll auch Gelegenheit bieten, auf die Erfolge, die es gegeben hat, zu verweisen (Abg. Dr. Graf: Scheinaktiv!) und den Idealisten zu signalisieren, daß es sich auf jeden Fall lohnt, sich für Menschenrechte einzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.03

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! (Abg. Dr. Graf: Kollege Posch, sind Sie auch der Meinung, daß der Herr Vizekanzler scheinaktiv ist?) Ich begrüße, daß es diesen Entschließungsantrag im "Jahr der Menschenrechte" 1998 anläßlich des 50. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt, weil diese für die Entwicklung der internationalen Staatengemeinschaft sehr wichtig war, weil zum ersten Mal ein System von grundlegenden Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens in freier Entscheidung angenommen wurde, weil zum ersten Mal in der Geschichte ein Wertesystem faktisch formuliert wurde, wonach die Menschheit einige Werte teilt, und zwar universell teilt. Die Universalität der Menschenrechte ist nicht nur ein objektiver Tatbestand, sondern auch subjektiv von der Menschheit akzeptiert.

Am Ende dieses Prozesses sollten allerdings nicht nur anerkannte Menschenrechtsideale stehen, sondern vor allem wirkungsvolle Garantien gegen Staaten, die sie verletzen. Nur die Ausweitung des Schutzes der Menschenrechte auf alle Staaten bei gleichzeitiger Absicherung durch eine den Staaten übergeordnete Instanz, nämlich die Staatengemeinschaft, wird Besserungen bringen.

Noch gibt es leider auf internationaler Ebene kein Gewaltmonopol, wie es die Entstehung der modernen Staaten kennzeichnet. Trotzdem stellt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte einen positiven Ausgangspunkt für den Schutz der Menschenrechte auf der ganzen Welt, der Grundrechte des Menschen, wie sie eben den Unterzeichnern nach der Tragödie des Zweiten Weltkrieges vorgeschwebt sind, dar.

Trotzdem gibt es noch gewaltige Unterschiede – das wurde heute schon vielfach angesprochen – zwischen Theorie und Praxis, wie auch der gegenständliche Antrag zeigt. Viele der Forderungen sind nicht verwirklicht. Viele der Forderungen sind bis dato bloß Ideal.

Daher würde ich auch in diesem Zusammenhang anregen, im österreichischen Parlament einen Menschenrechtsausschuß einzusetzen, der quasi als Schnittstelle zwischen Regierung, Parlament und NGOs fungiert und wichtige Fragen nicht nur thematisiert, sondern auch Kontrollfunktionen ausübt, wenn es um internationale Menschenrechtsberichte et cetera geht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Punkte anführen, die teilweise auch schon angesprochen wurden, nämlich ein paar Dinge, die in der zivilisierten Welt völlig indiskutabel sind. Ich meine zum Beispiel die Todesstrafe. In China sind Amnesty International zufolge im vergangenen Jahr 3 152 Menschen zum Tode verurteilt und 1 876 auch tatsächlich hingerichtet worden. Es wurden damit zwar deutlich weniger Menschen hingerichtet als im Vorjahr, trotzdem hat China mehr Menschen hingerichtet als die gesamte zivilisierte Welt zusammen. (Abg. Dr. Ofner: Aber in Relation angeblich weniger als die USA!)

Aber auch in den USA hat die Zahl der Hinrichtungen seit der Wiedereinführung der Todesstrafe mit 74 im Jahr 1997 einen Höchststand erreicht, wobei man hinzufügen muß, daß fast überall, wo die Todesstrafe angewandt wird, dies in sozial oder rassisch diskriminierender Weise passiert.

Ein weiterer Punkt ist die Folter. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International werden in 152 Staaten Personen gefoltert oder ermordet. In 87 Staaten gibt es politische Gefangene, die nicht wegen Gewalttaten inhaftiert sind. Staatliche Morde durch Militärs, Polizei und Paramilitärs werden in 55 Staaten beklagt, und in 31 Staaten verschwinden Menschen – eine lateinamerikanische Spezialität. Einer der Spezialisten auf diesem Gebiet, der Diktator Pinochet, der derzeit noch in London festsitzt und für diese Spezialität bekannt ist, sollte einem Gericht zugeführt werden. Ich bitte Sie, Herr Vizekanzler, Ihren Einfluß auf die britische Regierung dahin gehend geltend zu machen, daß es zu einer Auslieferung an die spanische Justiz kommt. (Zwischenruf des Abg. Jung.)

Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist die Kinderarbeit, wobei sich der Vorwurf hier vor allem gegen asiatische Staaten wie China, Indien, Pakistan und die Philippinen richtet, aber auch gegen afrikanische Länder sowie gegen nahezu alle Staaten Süd- und Mittelamerikas. Es hat seitens vieler Länder bereits Boykotte von Produkten gegeben, sodaß diese Staaten ihre Produkte nicht mehr absetzen können. Ein Beispiel dafür ist etwa das Abkommen, welches die Internationale Arbeitsorganisation ILO mit dem Verband pakistanischer Teppichhersteller geschlossen hat und worin sich diese verpflichten, daß insgesamt 8 000 Kinder nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen müssen und statt dessen in die Schule gehen können.

Das ist nur ein erster Schritt in einem Programm, das alle 30 000 Kinder in der pakistanischen Teppichbranche – immerhin ein Fünftel der Angestellten in dieser Branche – umfaßt. Gerade diese Konsumentenboykotte bewirken, daß Kinderarbeit eingeschränkt oder verhindert werden kann.

Bei meinem letzten Punkt, der schon angesprochen wurde, geht es um die Gewalt gegen Frauen. Mein Kollege Amon hat schon gesagt, daß wir einen gemeinsamen Selbständigen Antrag gegen die genitale Verstümmelung von Frauen, der etwa zwei Millionen Mädchen pro Jahr zum Opfer fallen, wobei viele der Betroffenen aufgrund der unhygienischen Bedingungen auch das Leben verlieren, eingebracht haben. Diese Praxis ist in Ländern Ostafrikas und in einigen asiatischen Staaten üblich, wobei die Spitzenreiter Nigeria, Ägypten, Sierra Leone, Äthiopien, Somalia und Eritrea sind, wo etwa 90 Prozent der Frauen betroffen sind.

So hat es auch von der Organisation für Afrikanische Einheit OAU bereits eine Initiative gegeben, die diese Verstümmelung unter Strafe stellen soll. Trotzdem glaube ich, daß hier auch der Druck der zivilisierten Staaten der westlichen Welt notwendig ist, ein Druck, der auch in Richtung Weltbank und Währungsfonds geht. Ich hoffe, daß dieser gemeinsame Antrag im Außenpolitischen Ausschuß von Erfolg gekrönt sein wird, um diese Perversion endgültig der Vergangenheit angehören zu lassen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

20.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.10

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Herr Außenminister! Der morgigen Ausgabe des "Kurier" kann ich zweimal entnehmen, daß Ihnen vom Kanzler der Republik Attribute wie "eigenartig" – das will ich nicht beurteilen –, "unmodern" – auch das will ich nicht beurteilen – und "scheinaktiv" zugeordnet werden. Herr Vizekanzler! Ich habe mir jetzt die Rednerliste angesehen und habe festgestellt, daß Sie es bis jetzt vorgezogen haben, sich nicht an der Debatte zu beteiligen, was darauf schließen läßt, daß zumindest das dritte Attribut "scheinaktiv" in dieser Frage zutreffend ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Vizekanzler! Wir Freiheitlichen haben schon mehrfach Themen wie Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen angesprochen. Sie haben das immer wieder damit abgetan, daß man bilateral schon irgendwann irgend etwas machen werde. Wir haben Sie mehrfach ersucht, diese auch menschenrechtswidrigen Bestimmungen zum Thema zu machen, wenn es um Beitrittsverhandlungen geht. Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie im Rahmen dieser Debatte, die eben diese Thematik zum Gegenstand hat, einmal ganz klar und deutlich zu sagen, wie die weitere Vorgangsweise Österreichs in diesen Fragen sein wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich ersuche Sie, mitzuteilen, was Österreich tun wird, um diese menschenrechtswidrigen Bestimmungen, die in Tschechien nach wie vor Gültigkeit haben, zu beseitigen! Stellen Sie uns dar, welche Argumente Österreich auf den Tisch legen wird! Es wäre zu hinterfragen, ob die Tatsache der Vorsitzführung durch Österreich nicht besonders dazu geeignet wäre. Das gilt natürlich nicht nur für die Beneš-Dekrete, sondern auch für die AVNOJ-Bestimmungen. – Herr Bundesminister! Ich glaube, dazu sollten Sie sich erklären, denn hiebei handelt es sich wahrlich um kein Pimperlthema! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Graf: Setzen Sie Aktivitäten, nicht Scheinaktivitäten!)

20.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.14

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Schweitzer glaubt, hier den Herrn Außenminister in einer Art kritisieren zu müssen, die typisch ist für jemanden, der schnell gemeldet worden ist, damit er auch noch etwas vorlesen darf (Abg. Aumayr: So macht es Herr Klima immer!), dann darf ich ihm sagen: Herr Kollege Schweitzer! In der Zeit, in der der Vizekanzler als Außenminister die Außenpolitik Österreichs vertreten hat, kann sich die Menschenrechtspolitik Österreichs sehen lassen! Das muß bei einer Menschenrechtsdebatte auch gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.)

Sie von der FPÖ betreiben eine Menschenrechtspolitik mit Worten, Resolutionen und Anträgen, und diese Bundesregierung setzt Taten. (Abg. Aumayr: Welche?) Es wurde jegliche Möglichkeit genutzt, um sowohl mit den Slowenen als auch mit den Tschechen diese Probleme anzusprechen, während Sie nur laut schreien, aber nichts tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Aumayr: Blablabla! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Die Menschenrechtspolitik ist gerade für diese österreichische Zweite Republik ein Bereich der Politik, der immer hohe Priorität hatte, und zwar in dem Sinn, daß wir nicht nur Menschenrechtsverletzungen, wo immer sie vorgekommen sind, angeprangert haben, sondern auch initiativ unterwegs waren, nicht zuletzt beispielsweise der Außenminister in der UNO, erst in den vergangenen Wochen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wollen das nicht wahrhaben, weil es Ihnen nicht paßt. Das ist die richtige Antwort! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Menschenrechtspolitik ist eine Politik, bei der man nicht schweigen darf, wenn Verletzungen vorkommen. Aber man muß auch die nötige Ausdauer und das nötige Engagement haben, denn von heute auf morgen läßt sich eine Diktatur nicht beseitigen und nicht jegliche Verletzung tatsächlich wegbringen. Aber es ist in den letzten Jahren schon vieles erreicht worden! (Abg. Dr. Ofner: Was?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Ofner! Es bedeutet, auf einem Auge blind zu sein, wenn Sie hier herausgehen und sagen: Menschenrechtspolitik betreiben wir nur in fernen Ländern. Was war der Einsatz für Ungarn? Was war der Einsatz für Kroatien? Was war der Einsatz für Bosnien-Herzegowina? Was war der Einsatz für viele andere ehemalige kommunistische Staaten? – Das war jeweils praktischer Einsatz für die Verwirklichung von Menschenrechten, Herr Kollege Ofner! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Da Sie das aber nicht wollen, stellen Sie das Gegenteil davon fest. Daher sage ich: Sie sind einseitig und auf einem Auge blind. Das ist die politische Realität! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Zu der Frage, die ihr hier releviert habt, möchte ich feststellen: Wir von der Österreichischen Volkspartei teilen das Anliegen, das von euch eingebracht wurde. Wir sind ebenso wie Gott sei Dank viele andere in Österreich dafür, daß ein Unrecht, das 1945 und 1946 3,5 Millionen Sudetendeutschen zugefügt wurde, niemals Recht werden darf. (Abg. Dr. Ofner: Dann tut endlich etwas!) Aber: Wir tun etwas. Wir verhandeln, Sie schreien. Das ist die Tatsache! 241 000 Tote und 3,5 Millionen Vertriebene klagen an. Das ist eine dauernde Herausforderung! (Abg. Dr. Ofner: Reden Sie nicht nur, tun Sie etwas!)

Herr Kollege Ofner! Wir vertreten die Auffassung, daß diese Methode des lauten Schreiens nichts bringt, sondern nur konsequente Bemühungen und beharrliches Drängen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) Sie können noch so viel schreien, es wird nicht besser! Ich sage Ihnen: Menschenrechtspolitik heißt, daß man Überzeugungen hat, nie über Unrecht hinwegsieht und mit andauernden Bemühungen Zug um Zug versucht, Unrecht aus der Welt zu schaffen. (Abg. Dr. Ofner: Nichts tut ihr! Würden wir nicht schreien, würdet ihr gar nichts tun!) Wir wollen Unrecht aus der Welt schaffen: Das ist ein Grundsatz, den wir beibehalten werden, und wir lassen uns nicht von so manchen Schreiern in irgendein Eck drängen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Wir haben kein Mikrophon, wir müssen schreien!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist auch notwendig, unterschiedliche Methoden anzuwenden. Menschenrechtspolitik besteht nicht nur darin, zu verhandeln, in der Öffentlichkeit Erklärungen abzugeben, sondern sehr häufig auch darin, daß man den diplomatischen Weg einschlägt und jeweils die beste Methode wählt, die zum Ziel führt. Das ist die Form, wie Menschenrechtspolitik in Österreich gemacht wird. Und wir werden uns auch von jenen Bereichen nicht abwenden, die wir leider noch nicht erreichen konnten, in denen wir aber nicht allein die Möglichkeit haben zu verhandeln!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter habe ich noch die Aufgabe, zwei kurze Druckfehlerberichtigungen vorzunehmen:

Druckfehlerberichtigung

Im Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 784/A(E) der Abgeordneten Peter Schieder, Werner Amon, Dr. Martin Graf, Dr. Martina Gredler, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Menschenrechtsjahr 1998 ist die folgende Berichtigung festzuhalten:

Das am Ende des Berichtes ausgedruckte Datum "1998 06 30" ist durch das Datum "1998 10 20" zu ersetzen.

*****

Druckfehlerberichtigung

Im Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 253/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Menschenrechtssituation im Tibet ist die folgende Berichtigung festzuhalten:

Das am Ende des Berichtes ausgedruckte Datum "1998 06 30" ist durch das Datum "1998 10 20" zu ersetzen.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, daß wir in diesem 50. Jahr der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eine positive Bilanz Österreichs hier darlegen können. Unsere gemeinsame Absicht ist es, die Entwicklung der Menschenrechte auf keinen Fall ruhend zu sehen, sondern überall dort, wo wir die Chance dazu haben, weitere große Schritte für die Verwirklichung der Menschenrechte in allen Teilen der Welt, gemeinsam mit vielen anderen Staaten, zu setzen. Das ist der Auftrag freigewählter Abgeordneter. Das ist der Auftrag des österreichischen Parlaments, das sich der Menschenrechtspolitik aus Überzeugung verpflichtet fühlt! (Beifall bei der ÖVP.)

20.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Höchtl! Einen Teil Ihrer Wortmeldung interpretiere ich dahin gehend, daß Sie als Berichterstatter diese Druckfehlerberichtigung sozusagen vorgezogen vorgenommen haben, um am Schluß nicht noch einmal als Berichterstatter diese Druckfehlerberichtigung vortragen zu müssen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte Herr Abgeordneter.

20.21

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Höchtl, Sie sind heute irgendwie auf dem falschen Dampfer! (Abg. Dr. Graf: Nicht nur heute!) Oder haben Sie den morgigen "Kurier" noch nicht gelesen? – Dort steht nämlich über den Herrn Außenminister und Vizekanzler Schüssel, er sei "eigenartig", "unmodern" und "scheinaktiv". Herr Kollege Höchtl! Das hat aber nicht ein freiheitlicher Abgeordneter gesagt, wiewohl wir dem wenig entgegenzusetzen haben! (Abg. Dr. Höchtl: Soll ich Ihnen jeden Tag den "Kurier" vorlesen? – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.)

Herr Kollege Höchtl! Herr Bauernvertreter! Kanzler Klima sagt über seinen Koalitionspartner Schüssel, daß er "eigenartig", "unmodern" und vor allem "scheinaktiv" ist. Du hättest lesen sollen, lieber Kollege Höchtl, was ihr für ein Dilemma in der Koalition und in der Regierung habt! Und ich sage dir jetzt, lieber Kollege Höchtl, warum ich mich zu diesem Punkt zu Wort gemeldet habe: Um diese Doppelbödigkeit und Scheinheiligkeit, die gerade du hier an den Tag legst, aufzuzeigen! Denn uns vorzuwerfen, daß wir hier bezüglich der Rechte der Sudetendeutschen nur schreien und Forderungen stellen, ihr hingegen Taten setzt, ist wirklich der Gipfel der Ungeheuerlichkeit! (Abg. Dr. Höchtl: Das ist die Wahrheit: Wir setzen Taten!) Lieber Kollege Höchtl! Ich war dabei, als du am letzten Sudetendeutschen Tag in Klosterneuburg eine Brandrede für die Rechte der Sudetendeutschen gehalten hast, für die Aufhebung der Beneš-Dekrete, für die Aufhebung der Amnestie-Gesetze und dafür, daß diese Unrechtstatbestände aufgelöst werden. (Abg. Dr. Höchtl: Ich bekenne mich dazu!) Und selbstverständlich hast du auch für eine Verbindung im Rahmen der EU-Verhandlungen plädiert. (Abg. Dr. Höchtl: Nein!) Du hast eine Brandrede gehalten. Und du hast zugesichert, daß sich die Bundesregierung dafür einsetzen wird und daß auch du dich dafür einsetzen wirst. Das waren deine Worte! Wir haben alle gesagt: Großartig! Endlich ein ÖVP-Abgeordneter, der dafür klare Worte findet!

Dann waren wir im Parlament, und wie so oft hier im Hohen Hause hätten auf diese Worte die Taten eines Abgeordneten folgen sollen. Jetzt lassen wir einmal den Außenminister aus dem Spiel. Daß er nichts zusammengebracht hat, wissen wir. (Abg. Mag. Stadler: Das sagt auch sein Koalitionspartner!) Daß er auch nicht will, wissen wir zumindest seit der letzten Debatte, in der er die Vertreibung von 3 Millionen Menschen als "Denationalisierung" abgetan hat. Wir wissen, was wir von ihm zu erwarten haben. Aber wir Abgeordnete, wir zwei und wir 183, die wir hier sitzen, hätten den Worten Taten folgen lassen können. Wir können nicht direkte Verhandlungen mit der Tschechischen Republik aufnehmen. Aber wir können hier Anträge stellen und Beschlüsse fassen, daß auch nach außen klargelegt wird, daß sich das österreichische Parlament mit allen Mitteln dafür einsetzen wird, daß diese Unrechtstatbestände, die auch du in Klosterneuburg vor den Sudetendeutschen kritisiert hast, abgeschafft werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo war deine Stimme? Wo war die Stimme der ÖVP, als es darum ging, Taten zu setzen und zumindest eine eindeutige Meinung dieses Parlaments zum Ausdruck zu bringen? (Abg. Dr. Höchtl: Was hilft da ein Antrag?) Durch einen Antrag beziehungsweise Beschluß bringen wir zum Ausdruck, daß die Volksvertreter des österreichischen Hohen Hauses nicht mehr zuschauen werden, wie man hier die lange Nase gezeigt bekommt und wie nach wie vor Unrechtstatbestände Teil der tschechischen Rechtsordnung sind. Das wären die Taten gewesen, anstatt draußen, wo man sich Wählerstimmen erhofft, Brandreden zu halten und hier jedes Mal bei den Abstimmungen umzufallen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jäger. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.24

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute schon zum zweiten Mal bei einer Debatte so, daß die Freiheitlichen versuchen, mit polemischen Äußerungen den Ernst der Angelegenheit zu überspielen. Mir sind Menschenrechtsthemen zu ernst, um auf solch einer Ebene miteinander zu reden!

Ich begrüße grundsätzlich diesen Menschenrechtsantrag, weil ich meine, daß es anläßlich des 50-Jahr-Jubiläums der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen Zeit wird, daß wir dieses Bekenntnis zu den Menschenrechten wieder einmal erneuern und daß wir Politiker und die Regierung außerdem die Aufgaben wahrnehmen, in all unseren Beziehungen zu anderen Ländern, seien es wirtschaftliche Beziehungen, seien es politische Beziehungen, wirklich darauf zu achten, wie diese Länder mit Menschenrechtsfragen umgehen, und uns auch entsprechend zu äußern und zu handeln.

Gerade jetzt gibt es Entwicklungen, die sehr besorgniserregend sind. Aufgrund der Krise in den asiatischen Ländern fallen täglich eine Million Menschen unter die Armutsgrenze. Die Bekämpfung der Armut ist auch ein ganz wesentliches Ziel der Menschenrechtsdeklaration. Und wenn wir sehen, daß Menschen in zerfallenden Staaten Gewalt ausgesetzt sind wie zum Beispiel im Kosovo, dann möchte ich Kollegin Petrovic recht geben. Auch ich glaube, daß es ein Minimalkonsens ist, wenn wir jenen Menschen in Österreich Aufnahme gewähren, die schon Anträge auf Familienzusammenführung gestellt haben und deren Ehegatten schon seit vielen Jahren in Österreich ihren Wohnsitz haben. Das wäre nur recht und billig. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nun aber ein positives Beispiel in bezug auf die Menschenrechtsdebatte anführen: Erst vor einigen Wochen hat in Südafrika die "Truth Commission", die Wahrheitskommission, Ergebnisse vorgelegt, die sich darum bemüht hat, die Vergangenheit des Apartheidsystems aufzuarbeiten. Ich erinnere weiters an die Debatte, die wir heute in bezug auf unsere eigene Vergangenheitsbewältigung der Zeiten des Faschismus geführt haben. Dazu muß ich sagen: In diesem Zusammenhang werden neue Qualitäten der Versöhnung gesetzt. In Südafrika bemüht man sich, einerseits die Wahrheit nicht zu verschweigen, andererseits aber nicht auf Rache zu sinnen, sondern tatsächlich zu versuchen, das Volk miteinander zu versöhnen. Ich möchte der südafrikanischen Regierung wirklich große Reife zusprechen. Das ist, so glaube ich, einmalig in der Menschheitsgeschichte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Ich begrüße grundsätzlich auch die Forderung nach einem Internationalen Gerichtshof in diesem Antrag. Ich glaube, bei der Inhaftierung des Exgenerals Pinochet in England zeigt sich jetzt ganz genau, wie notwendig ein Internationaler Gerichtshof wäre, damit dieser General für die Verbrechen, die er begangen hat, auch vor Gericht gestellt wird, im Interesse der Gerechtigkeit und auch der Rechtfertigung der vielen Opfer, die zum Teil auch in Europa leben. Ich meine, die Menschen erwarten es von uns, daß wir auch diese Sache unterstützen, und ich möchte meiner Kollegin Bruni Fuchs gratulieren, denn sie hat im Haus 99 Unterschriften dafür zustande gebracht. Ich finde, das ist eine tolle Sache! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Ich meine, es geht in unseren Beziehungen zu den anderen Staaten darum, daß wir die diesbezüglichen Probleme wirklich immer wieder ansprechen, etwa – wie heute schon erwähnt wurde – in der Beziehung zu China die Menschenrechtsverfehlungen, seien es die Todesstrafe oder auch der Umgang mit den Minderheiten, die in China leben. Ich möchte grundsätzlich die Initiative des Vizekanzlers in Tibet begrüßen, daß er diese Menschenrechtsverletzung angesprochen hat.

Ich muß leider schon zum Schluß kommen und noch schnell einen Antrag einbringen. In den letzten Tagen hat es verheerende Unwetterkatastrophen in Mittelamerika gegeben. Aus diesem Grund möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Spindelegger, Dr. Ofner, Dr. Gredler, Mag. Kammerlander und Genossen betreffend Katastrophenhilfe für Nicaragua und Honduras

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, über den Katastrophenhilfsfonds der Bundesregierung rasche Hilfsmaßnahmen für Nicaragua und Honduras einzuleiten. Im Sinne einer effizienten Hilfe vor Ort sollen dabei nach Möglichkeit die bewährten Kooperationsstrukturen im Rahmen der österreichischen Katastrophenhilfe zur Anwendung kommen.

Die Bundesregierung wird ferner ersucht, sich im Rahmen der Europäischen Union für finanzielle Unterstützung und Hilfsmaßnahmen für die am stärksten von der Unwetterkatastrophe betroffenen Staaten Mittelamerikas einzusetzen."

*****

Zuletzt möchte ich mich noch bei allen Menschenrechtsorganisationen bedanken. Ich glaube, wir können nicht oft genug betonen, wie wichtig deren Aufgabe ist, wie wichtig es ist, daß sie uns immer wieder vor Augen führen, wie weit entfernt wir noch von einer Welt sind, in der Menschen tatsächlich leben können und die Möglichkeit haben, in einem Staat Arbeit, Wohnung, Nahrung und all das zu haben, was man für ein menschenwürdiges Leben braucht. Ich denke, daß die Menschenrechtsorganisationen dazu einen wirklich wichtigen Beitrag leisten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.31

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Vizekanzler, ich möchte meine 3 Minuten Redezeit jetzt nicht dazu nutzen, Ihnen vorzuwerfen, Sie seien in der Frage der Beneš-Dekrete und der Situation der Sudetendeutschen "scheinaktiv", so wie das Ihr Koalitionspartner tut. (Abg. Dr. Fekter: Erlauben Sie dem Kanzler doch auch einmal ein Fehlurteil!) Ich meine, diese Scheinaktivität haben Sie auch hier ein wenig zur Schau getragen, indem Sie demonstrativ ein Buch in das Parlament mitnehmen, um diese langweiligen und für Sie unangenehmen Debatten im Haus sozusagen mit Lektüre zu überbrücken.

Herr Vizekanzler! Mich interessiert auch etwas anderes im Zusammenhang mit der Situation der Politik in Österreich insgesamt, nämlich wie diese Koalition jetzt weiter vorgehen wird. Denn es wurde Ihnen heute nicht nur vom Bundeskanzler vorgeworfen, "eigenartig", "unmodern" und "scheinaktiv" zu sein – was bezüglich Menschenrechtssituation in dieser Debatte schon mehrfach betont wurde –, sondern im "Kurier" steht auch: "Mit Vollgas in die Sackgasse. Nichts geht derzeit in der Koalition".

Es werden da die Steuerreform, der Karenzgeld-Zwist, das Polizeigesetz und der Tatausgleich erwähnt, und es wird davon gesprochen, daß es sich hiebei möglicherweise um eine Gegenwehr der ÖVP handelt, weil sie weiß, daß die SPÖ es auf vorzeitige Neuwahlen anlegt. – Das stimmt, das wissen wir auch, daß Sie sich nicht provozieren lassen wollen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Kukacka und Dr. Fekter.)

Meine Damen und Herren! Wir fragen uns auch, warum der Herr Vizekanzler nicht nur nicht scheinaktiv ist, sondern inaktiv geworden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Offenbar ist er paralysiert durch die vorzeitigen Neuwahldebatten. Herr Vizekanzler! Legen Sie also klar, was sich hier in der Regierung abspielt, wieso Sie lahmgelegt werden und sich durch nichts mehr provozieren lassen wollen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.) Herr Kukacka! Ihr Kollege Stummvoll verhandelt draußen bereits darüber, ob der 17. Jänner der geeignete Wahltermin ist. Meine Damen und Herren! Kollege Stummvoll philosophiert bereits darüber, ob der 17. Jänner ein geeigneter Wahltermin ist. Die SPÖ beauftragt einen Mitarbeiter im Kabinett des Innenministers damit, bis Jänner des nächsten Jahres belastendes Material über die FPÖ-Spitze zu sammeln. (Abg. Dr. Fekter: Herr Präsident! Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Erklären Sie sich einmal, was sich hier abspielt! Warum macht das die SPÖ? Warum verhandelt Stummvoll? Warum sind Sie paralysiert? Warum bringen Sie nichts mehr zustande, auch in der Menschenrechtssituation, meine Damen und Herren? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Sie bringen nichts mehr zustande, weil Sie die Koalition in die Sackgasse geführt haben. Das sagt Ihr Koalitionspartner: Sie bringen nichts mehr zustande, weil Sie scheinaktiv sind. Wir sagen: Was die Menschenrechtssituation betrifft, sind Sie sogar inaktiv. Da bringen Sie überhaupt nichts mehr zustande. Warum, Herr Vizekanzler, lassen Sie sich paralysieren? Warum lassen Sie das zu? Was spielt sich in der Koalition in bezug auf vorgezogene Neuwahlen ab? (Abg. Mag. Kukacka: Kümmern Sie sich lieber um Ihre eigene Partei!) Das würde uns auch interessieren, weil wir den Sudetendeutschen gerne erklären wollen, warum Sie nichts für die Menschenrechtssituation der Sudetendeutschen in diesem Lande tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erklären Sie das! Auch die Sudetendeutschen haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, wann Ihre Koalition platzt und wann in der Regierung vielleicht wieder einmal jemand sitzt, der etwas für sie tut! Die SPÖ plant einen vorgezogenen Nationalratswahlkampf. Das wissen wir! Das ist nicht neu! Dazu dient ja der EU-Ratsvorsitz. Das ist sozusagen der Auftakt zum Wahlkampf. Daß Sie sich deswegen aber in der Koalition fesseln lassen, meine Damen und Herren, das haben sich etwa die Sudetendeutschen nicht verdient! Daher erklären Sie heute, wie Sie gedenken, aus dieser politisch verfahren Sackgassensituation herauszukommen! Jetzt haben Sie Gelegenheit dazu, Herr Vizekanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. König. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.36

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Stadler, wenn Sie zum Thema gesprochen hätten (Abg. Mag. Stadler: Das habe ich!), hätten Sie wahrscheinlich einen anderen Ton angeschlagen. Das Theater, das Sie hier zu der ernsten Frage der Menschenrechte aufgeführt haben, muß für jedermann, dem die Menschenrechte ein Anliegen sind, eine beschämende Sache sein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: War das alles? Ich habe geglaubt, es kommt noch etwas! Er ist auch scheinaktiv!)

Zum Antrag der Kollegin Gredler möchte ich folgendes sagen: Kollegin Gredler hat hier ein Anliegen vertreten, das wir eigentlich alle vertreten. Aber der Weg, den sie mit diesem Antrag vorschlägt, ist das Gegenteil dessen, was man sinnvollerweise zur jetzigen Zeit zur Förderung und Erreichung dieses Zieles tun kann. Kollege Schieder hat völlig recht, wenn er sagt: Es gibt Zeiten, in denen man diese Frage massiv und dynamisch in den Vordergrund rücken muß, und es gibt Zeiten, in denen man verhandeln kann, weil die Chance besteht, etwas zu erreichen.

Ich komme von einer Parlamentarierdelegation, die ich jetzt zwei Wochen lang nach China geführt habe. Ich muß Ihnen sagen: Was die EU und vor allem der Vorsitzende, Außenminister Dr. Schüssel, in China erreicht haben, ist ungeheuerlich. Das ist ja nicht zu glauben! (Zwischenrufe, ironische Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Lachen Sie nicht! Sie haben ja keine Ahnung von den Dingen!

In China hat die Regierung bereits die Deklaration über bürgerliche und politische, zivile, kulturelle und soziale Rechte, über die UNO-Menschenrechte, unterzeichnet und jetzt dem Ratifikationsprozeß zugeleitet. Bekanntlich ist das keine revolutionäre Entwicklung, die von selbst kommt, sondern diese wurde mühsam eingeleitet. Das kann man doch wohl als Erfolg bezeichnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im heurigen Jahr wird ein EU-Seminar über Menschenrechte in Wuhan mit internationaler Beteiligung durchgeführt. So etwas war früher undenkbar! Im Jahre 1976 gab es überhaupt keine ausgebildeten Juristen in China. Heute ist der Justizminister ein promovierter Jurist, und die Regierung selbst mit Staatspräsidenten Jiang Zemin an der Spitze hat ganz offen, wie am 21. Oktober in "China Daily" zu lesen ist, gesagt, daß sich China bei der UNO dafür einsetzen wird, daß die Menschenrechte progressiv weltweit weiterentwickelt werden. So etwas war früher nicht denkbar! In einer solchen Situation eine Verurteilung Chinas zu verlangen, wie es im Antrag steht, ist bei aller Gleichheit der Ziele wirklich der falsche Weg! Das ist kontraproduktiv und wird deshalb von uns abgelehnt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Lassen Sie mich nun ein ernstes Wort an die Freiheitliche Partei in der Frage der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen richten. Darin sind menschenrechtswidrige Passagen enthalten, die keinen Bestand haben können. Auch in diesem Zusammenhang kommt es darauf an, daß man in der Sache etwas erreicht. Es bringt jedoch nichts, wenn man lautstark protestiert, in der Sache aber nichts bewirken kann.

Wir müssen feststellen, daß die Osterweiterung mit der Annahme des Acquis Communautaire der EU verbunden wäre. Diese bricht nationales Recht, auch Verfassungsrecht, sodaß all diese Bestimmungen jedenfalls ab diesem Zeitpunkt pro futuro nicht mehr gelten. Und wenn sie nicht mehr gelten, besteht die Chance, daß man sie auch für die Vergangenheit beseitigen kann, weil sie dann nicht mehr jene Bedeutung haben, die sie jetzt noch für diese Länder haben. Aber das ist eine mühevolle Sache. Daher ist die Politik, die Außenminister Schüssel mit persönlichen Gesprächen und unter Bedachtnahme auf die dort herrschende Situation verfolgt, meiner Meinung nach viel zielführender, als lautstark eine Situation zu schaffen, bei der sich die Fronten so verhärten, daß letzten Endes nichts, aber auch gar nichts für die Betroffenen erreicht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Vizekanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Vizekanzler.

20.40

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich wollte am Beginn meiner Ausführungen eigentlich allen Fraktionen danken, weil es ja ungewöhnlich ist, daß bei einer so wichtigen Entschließung ein Fünf-Parteien-Beschluß zustande gekommen ist, und ich habe eigentlich auch gehofft, daß sich dieser Geist, der die Debatte und die Arbeit im Ausschuß geprägt hat, in der Plenardiskussion fortsetzen wird. Ich habe daher nicht die Absicht, jetzt auf Polemiken, die hier gegen mich oder gegen meine Politik gestartet wurden, oder auf Zeitungsmeldungen, die mit der Sache nichts zu tun haben, einzugehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich tue das deshalb – und ich sage das auch ganz offen –, weil ich weiß, daß in Österreich Zehntausende Menschen freiwillig, ehrenamtlich Menschenrechtsbasisarbeit leisten und es auch verdienen, daß alle fünf Fraktionen plus Regierung ihrer Arbeit auch durch die Qualität ihrer Diskussion hier Achtung und Wertschätzung zollen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich akzeptiere absolut, daß einzelne Fraktionen oder Parlamentarier in der einen oder anderen Frage der Meinung sind, die Bundesregierung oder im speziellen der verantwortliche Außenminister, der ja in Österreich koordinierend auch für die Menschenrechte zuständig ist, kann mehr machen oder hätte in dieser oder jener Frage aggressiver, aktiver auftreten können. Das akzeptiere ich alles, und das kann man ruhig auch sachlich austragen.

Nur eines sollte man doch außer Streit stellen: daß gerade die Menschenrechtsfrage eine der zentralen Prioritäten unserer Präsidentschaft darstellt, und in diesem Jahr – ich rechne es jetzt zusammen, denn im Rahmen der Troika spielen wir ja auch von Anfang an eine gewisse Rolle – ist wirklich etwas weitergegangen. Man muß blind sein, wenn man das nicht auch begreift und feststellt – bei aller kritischen Würdigung. Wenn hier das Wort "scheinaktiv" gebraucht worden ist, so darf ich einmal aufzählen, was alleine in diesem Bereich, im Bereich der Menschenrechte von der Bundesregierung, von der Staatssekretärin oder von mir ganz konkret gearbeitet wurde.

Zu China haben sowohl Peter Schieder als auch andere Redner und vor allem mein Vorredner Fritz König einiges gesagt. Ich war im März – das ist ein halbes Jahr her – in Peking und habe dort neben vielen anderen Gesprächen das erste wirklich offene Gespräch mit Qian Qichen, dem damaligen Vizepremierminister – das ist er noch immer – und Außenminister – das ist er heute nicht mehr – geführt. Zum ersten Mal war ein echter Dialog möglich, und es ist etwas weitergegangen. Damals hat er zum ersten Mal angekündigt, daß sie diese zwei wichtigen UNO-Konventionen ratifizieren beziehungsweise unterzeichnen werden.

Sie haben Taten verlangt, hier sind sie: China hat Wort gehalten. Ich bin der letzte, der sagt, die Situation ist deswegen schon perfekt, aber in diesen Tagen, in diesen Wochen – und da sprechen Sie von Scheinaktivität! – sind Strafrechtsjuristen aus ganz Europa in China. (Abg. Mag. Stadler: Weiß das der Bundeskanzler auch?) Herr Kollege, seien Sie doch ein bißchen ... (Abg. Mag. Stadler: Ich frage ja nur!) Nicht immer alles auf diese Primitivebene bringen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Weiß das der Bundeskanzler?)

Wichtiger ist doch, daß man weiß, was sich abspielt. Es sind jetzt Dutzende europäische Strafrechtler nach China eingeladen worden, um mit ihren chinesischen Widerparts darüber nachzudenken, wie man das chinesische Strafrecht auf einen internationalen Standard bringen kann. Es sind Experten da, die sich ansehen, wie man die Situation in den Gefängnissen, in Anstalten untersuchen kann. Es sind, gerade als Jacques Santer, der Präsident der Europäischen Kommission, in China war, Frauenorganisationen aus der ganzen Welt unter der Federführung der Union zusammengekommen, um die Rechte der Frau in China zu diskutieren. Das ist etwas!

Zweiter Punkt: Vor zwei Tagen fand die SADC-Konferenz statt, an der 14 Länder aus dem südlichen Afrika teilnahmen. Auch sie sind nicht alle Heilige – das ist überhaupt keine Frage. Aber daß jetzt die Mehrheit dieser Länder bereit ist, mit uns völlig offen über die Menschenrechtssituation in ganz Afrika zu diskutieren, uns um Rat fragt, wie wir unsere Konflikte und unsere Probleme gelöst haben, und wir eigentlich eine bewegende Dialogsitzung gehabt haben, das ist etwas wert!

Einen weiteren Erfolg haben wir mit Algerien zustande gebracht. Vielleicht erinnern sich noch einige an diesen sehr schwierigen Besuch der Staatssekretärin zu Anfang dieses Jahres, der in einem enorm aggressiven Klima stattfand und auf den dann auch noch ein Besuch der europäischen Parlamentarier folgte. Wir haben Angst gehabt, daß dort überhaupt nichts weitergeht. – Vor 14 Tagen war der algerische Außenminister in Österreich: Wir haben ein um 180 Grad verbessertes Gesprächsklima gehabt. Die Regierung war bereit, mit uns zu reden.

Wir haben es im Bereich der Golfstaaten – mit Ausnahme von Saudi-Arabien, das in einer Sondersituation ist – zum ersten Mal erlebt, daß völlig offen geredet wird, auch über ihre eigenen Defizite.

Wir haben auch in der Europakonferenz mit den mittel- und osteuropäischen Ländern offen darüber geredet, wie wir die Rechte der Kinder, den Kampf gegen das organisierte Verbrechertum, gerade gegen die Ausbeutung der Kinder, auf eine neue Qualitätsstufe heben können.

Ich lasse mir, und nicht nur mir, sondern all jenen, die sich tagaus, tagein einsetzen, den Beamten, die diesbezüglich wirklich unter unheimlicher Anstrengung etwas weitergebracht haben, nicht Scheinaktivität oder falsche Prioritäten vorwerfen. Das ist unfair und unverdient! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben es fertiggebracht – auch das war unter Schmerzen geboren, und ich weiß, daß das natürlich auch hier manche vielleicht kritischer sehen –, daß mit dem Iran erstmals wieder ein politischer Dialog, der offen und direkt die Probleme anspricht, stattfindet.

Nicht weitergekommen sind wir im Fall Myanmar. Aber es waren die Vertreter des kleinen Österreich, die weltweit die Aufmerksamkeit auch auf die Verletzungen der Menschenrechte in Burma, in Myanmar fokussiert haben. Und ich werde mich ganz einfach nicht davon abhalten lassen, dies weiter zu tun.

Ich verschließe aber auch nicht die Augen vor den Defiziten in den Nachbarstaaten. Gerade wir waren es, die die Letten bedrängt haben, das Referendum durchzuführen und der Bevölkerung russischen Ursprungs zu helfen. Diese Menschen haben genauso das Recht, ihre Bürgerrechte in Anspruch zu nehmen, wie die anderen. Gott sei Dank hat die Europäische Union dort etwas bewegt.

Ich sage Ihnen auch hier – ich habe dies ja schon mehrere Male wiederholt, es ist ja nichts Neues –: Auch unsere Nachbarstaaten werden ihre Geschichte aufarbeiten müssen, genauso wie wir unsere schmerzlichen Kapitel – bitter, aber ernst gemeint – aufgearbeitet haben. Das nimmt ihnen niemand ab. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Smolle: Wir arbeiten noch immer!) Aber – es ist mir wichtig, dies auch zu sagen – es soll in einem Geist der Versöhnung geschehen und nicht in einem Geist der Anklage.

Ich habe ein bißchen das Gefühl, daß hier manchmal mit Tremolo oder auch mit berechtigtem Pathos der Ton so gewählt wird, daß er genau den gegenteiligen Effekt hat. Natürlich, ich hätte auch lieber jetzt schon das Kulturabkommen mit Slowenien. Freund Smolle weiß das, er weiß aber auch – und viele, die sich wirklich mit der Sache beschäftigen, wissen –, daß es auch dort schmerzliche Berührungspunkte gibt und es eben nicht so einfach ist. Daher plädiere ich auch für Geduld und den Geist der Versöhnung, um Nachbarschaftsprobleme, Minderheitenfragen, Sprachprobleme, Vergangenheitsbewältigung zu sehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sie können sicher sein, daß wir diesbezüglich nicht matt oder müde werden!

Ich danke allen, die die Initiative unterstützt haben, die wir – einige Länder, zumal kleine Länder – gemeinsam im Rahmen der Vereinten Nationen gesetzt haben, indem wir eine Art "Gruppe der Humanitären" – bestehend aus acht, mittlerweile schon 13 Ländern – ins Leben gerufen haben. Natürlich ist die Tür offen. Jeder kann und soll sich anschließen, ob es um die Kindersoldaten oder die Genitalverstümmelung geht. All das sind Themen, die meiner Überzeugung nach von der großen Politik oft übersehen werden und für die vielleicht gerade die Initiative und das Engagement der Kleinen – der Politiker, aber natürlich auch der vielen NGOs – absolut wichtig ist.

Ich danke auch für den Entschließungsantrag zu "Mitch", zu den Folgeschäden des Hurrikans in Nicaragua, Honduras und anderswo. Wir haben heute auch schon im Kabinett darüber gesprochen. Wir werden da bilateral etwas tun, und ich verspreche Ihnen, daß wir am Montag dieses Thema auf die Tagesordnung des Allgemeinen Rates setzen werden, mit der Bitte – aber auch mit der Zusicherung –, daß die Union dort humanitär helfen wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.49

Präsident MMag. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Vizekanzler.

Zu Wort gemeldet ist nun noch Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

20.49

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch nachträglich gemeldet, um ein sehr ernstgemeintes Anliegen vorzubringen.

Vor 12 bis 15 Jahren, zur Zeit der Koalition mit Ihnen, ist jedem Regierungsmitglied noch von denen, die sich ausgekannt haben, beigebracht worden, was eine der Grundregeln hier im Haus zu sein gehabt hat: Du bist hier Gast! Paß darauf auf, daß du nicht das letzte Wort hast! Schau genau auf die Rednerliste, bevor du Regierungsmitglied dich meldest! Es muß hinter dir noch ein Abgeordneter gemeldet sein, noch wichtiger: ein Abgeordneter der Opposition! – Das ist ganz in Vergessenheit geraten! Heute hat man den Eindruck – und ich kreide das gar nicht Vizekanzler Schüssel an, ich beobachte das an jedem Plenartag, von früh bis abends –, daß das hier oben auf der Regierungsbank sitzende Regierungsmitglied wartet, bis ja niemand mehr hinter ihm ist, und dann meldet es sich, um nur ja das letzte Wort zu haben. (Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Man sollte wieder zu dieser Courtoisie zurückkehren. Das ist das Haus der Volksvertretung. Das Regierungsmitglied oder der Staatssekretär kommt hierher, um seinen Standpunkt zu vertreten, um Rede und Antwort zu stehen, aber nicht, um das letzte Wort zu haben. Das letzte Wort hat jemand aus dem Haus zu haben, und besonders vornehm ist es, wenn es jemand von der Opposition hat. – Das ist mir ein echtes Anliegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter hat sein Schlußwort mit seiner Wortmeldung verbunden und hat dort zwei Druckfehlerberichtigungen vorgetragen.

Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen, und ersuche die Mitarbeiter, die Räume zwischen den Sitzreihen zu verlassen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1434 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Hierzu haben die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und schließlich über die dem Ausschußbericht beigedruckte Entschließung abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf den fünften Absatz der genannten Entschließung bezieht.

Wer diesem Antrag beitreten möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1434 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. (Unruhe im Saal. – Abg. Schieder: Das habe ich jetzt nicht verstanden, bitte!) Es ist dies jetzt die Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1434 der Beilagen beigedruckte Entschließung. – Die Zustimmung erfolgt stimmeneinhellig. (E 144.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Spindelegger, Dr. Ofner, Dr. Gredler, Mag. Kammerlander und Genossen betreffend Katastrophenhilfe für Nicaragua und Honduras.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinhellig angenommen. (E 145.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 1435 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses Zeichen erfolgt durch die Mehrheit. Er ist damit angenommen.

13. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1190 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1436 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1387 der Beilagen): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (1437 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1382 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark (1438 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1144 der Beilagen): Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken (1439 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 13 bis 16 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Als erster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Vizekanzler! Ihre Arbeit ist ungeheuerlich – so hat es zumindest Ihr Fraktionskollege Dr. König gesagt.

Die Auflistung Ihrer Aktivitäten im Zusammenhang mit Menschenrechten in Afrika und China hat uns nicht überzeugt. Ich komme jetzt wieder nach Österreich zurück und befasse mich mit der Regierungsvorlage, mit dem Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation. Ein großer Wurf ist hier wohl nicht gelungen.

Worum geht es hierbei? – Es geht um das Einräumen einer Bevorzugung von Familienmitgliedern und Verwandten von Bediensteten der IAEO.

Herr Vizekanzler! Wir sehen keine Notwendigkeit für das Einräumen dieser Privilegien, und wir haben eine solche ja auch nicht im Zusammenhang mit der UNIDO, mit Joint Vienna und auch mit dem Europäischen Zentrum für lebende Sprachen gesehen. Hier wird, wie ich meine – ich beziehe mich hier auf eine Aussage des Herrn Bundeskanzlers, der Ihnen Scheinaktivität vorwirft –, mit Ihrer Scheinaktivität trotzdem eine Lawine losgetreten.

Welchen Grund, Herr Vizekanzler, gibt es für diese Bevorzugung, welchen Grund – in einer Situation, in der wir am Arbeitsmarkt einen Höchststand von über 300 000 Arbeitslosen in diesem Jahr vorfinden, wissend, daß die Tendenz steigend ist, wissend, daß im Monatsvergleich mit dem Vorjahr ebenfalls höhere Zahlen am Arbeitsmarkt, Arbeitslose betreffend, zu verzeichnen sind (Abg. Dr. Lukesch: Beschäftigte!) – Nichtbeschäftigte! (Abg. Dr. Lukesch: Beschäftigte! Das stimmt aber!) –, und wissend, daß diese Zahlen auch noch geschönt sind durch die Tatsache, daß es eine entsprechende Anzahl von Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten gibt? Welchen Grund, Herr Vizekanzler, gibt es für das Einräumen von Privilegien für eine internationale Organisation, von der wir wissen – es ist bekannt, wir wissen es –, daß sie atomenergiefreundlich ist?

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen "Presse"-Artikel, ein Interview mit dem Generaldirektor der IAEO vom Oktober 1997, aus dem das ganz klar hervorgeht, in dem er positive Stellungnahmen zur Atomenergie abgibt, in dem er wörtlich zwar einerseits äußert: "Wir sind eine Prüfbehörde." Auf der anderen Seite meint er aber: "Meines Erachtens muß die Atomenergie in Zukunft eine größere Rolle spielen, wegen der Energieunabhängigkeit und aus Umweltgründen – Stichwort: Treibhauseffekt." – Und letztlich kommt er zum Schluß, daß "die Atomenergie die Wahl für die nächsten 50 Jahre sein wird". (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Die IAEO ist jene internationale Organisation mit Sitz in Wien, die eine positive Stellungnahme zu Mochovce abgegeben hat, jene internationale Organisation, die quasi die Versprödung des Kernreaktors – also jenes wesentlichen Elements, das zur Besorgnis Anlaß gibt – in Abrede stellt, die sich klar dazu äußert, indem sie sagt, es bestünden keine Sicherheitsbedenken trotz eines fehlenden Containments. Ich weiß nicht, welche Ursache es tatsächlich geben kann, dieser Organisation solche Privilegien einzuräumen.

Herr Vizekanzler! Ich habe es eingangs erwähnt – und wahrscheinlich hat der Herr Bundeskanzler nicht so unrecht, wenn er Ihnen in der morgigen Ausgabe des "Kurier" Eigenart, Unmodernität und Scheinaktivität vorwirft –: Mit dieser Scheinaktivität sollten Sie diese Lawine, nämlich die des Einräumens von Privilegien, nicht lostreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.00

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten der Volkspartei unterstützen alle Initiativen, die die Arbeit des österreichischen Bundesheeres im Bereich der internationalen Friedensvorsorge wirksam werden lassen. In diesem Zusammenhang ist das Abkommen zwischen Österreich und Dänemark über den Status der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft, über das wir heute hier verhandeln und das wir beschließen werden, zu nennen.

Es geht dabei um die rechtliche Stellung, die Ausstattung und die Formen der Zusammenarbeit für jene Österreicher – künftig auch Österreicherinnen –, die zurzeit oder in der Zukunft an dieser Brigade mitarbeiten. Ziel ist es, für künftige friedenserhaltende Einsätze die Vorlaufzeit von acht Wochen auf etwa vier Wochen zu halbieren. Die Anregung dazu kam 1995 von dem damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Boutros Boutros-Ghali. Der dänische Verteidigungsminister Haekkerup hat diese Initiative aufgegriffen und sich für die Aufstellung der multinationalen schnellen Eingreiftruppe für friedensstiftende und -erhaltende Maßnahmen eingesetzt. Deshalb ist auch der Sitz des Brigadestabes in Dänemark, in Kopenhagen.

Österreich nimmt gemeinsam mit sieben weiteren Staaten an den Planungsarbeiten teil und wurde mit maßgeblichen Funktionen betraut, die ich nennen möchte.

Erstens: Oberstleutnant Gerald Hatzenbichler ist Verbindungsoffizier zwischen Militär, den zivilen Behörden und den nichtstaatlichen Organisationen – also eine diplomatisch hochwertige Aufgabe für einen begabten österreichischen Offizier.

Zweitens: Major Adolf Brückler ist für die Einsatzplanung verantwortlich. Er kommt aus dem Pionierbereich und ist daher ein besonders geeigneter Kandidat für diese Aufgabe. Ab Mitte des Jahres 2000 wird Österreich im Rahmen dieser SHIRBRIG, dieser Brigade, die rasch in friedenserhaltenden, friedensstiftenden, friedenssichernden Einsätzen zur Arbeit gerufen werden wird, den Leiter der Planungsabteilung stellen.

Angehörige des Bundesheeres stellen sich dieser Aufgabe, weil wir Erfahrungen aus 38 Jahren UN-Einsätzen für Frieden und Sicherheit in Europa und in der Welt einbringen können und weil unsere Positionen im internationalen Vergleich überprüft werden können. Wie stehen wir bei Ausbildung, Ausrüstung, Ablaufplanung und Organisation bei diesen Einsätzen? Bisher wurden die Leistungen des österreichischen Bundesheeres und seiner Soldaten in den Auslandseinsätzen stets positiv beurteilt. Das heißt aber nicht, daß wir nicht auch noch dazulernen sollen und können.

Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1960 sind in 38 Jahren 38 000 Angehörige des Heeres in Friedensmissionen im Rahmen internationaler Organisationen tätig gewesen. Wir sind überzeugt davon, daß die Teilnahme an diesen friedensunterstützenden Einsätzen auch im ureigensten Interesse der österreichischen Bevölkerung liegt, und werden deshalb dem gegenständlichen Abkommen zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wolfgang Jung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Er wird mich auch nicht überraschen! Er wird nicht zustimmen! Aber Jung hat ein gutes Niveau! – Abg. Auer: Teilweise! – Abg. Dr. Khol: Der Stadler-Effekt spielt auch bei ihm eine gewisse Rolle!)

21.04

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Maitz hat bereits erklärt, was SHIRBRIG darstellt. Es ist eine an sich gute Sache. Die Frage ist eben wie immer die der Umsetzung. Hier hapert es leider, denn der gegenwärtige Verteidigungsminister neigt, wie auch sein Generaltruppeninspektor kürzlich festgestellt hat, dazu, sich und die Möglichkeiten des Bundesheeres zu überschätzen. Das ist auch leicht nachweisbar.

Wo machen wir überall mit? – Grenzsicherung: 2 000 Mann; österreichisches Kontingent in Zypern; Golan; zahlreichere kleinere UN-Einsätze – es sind, glaube ich, noch mehr als zehn –; SFOR in Bosnien und Herzegowina; demnächst einzelne Leute im Kosovo; FOREIGN; "PfP"; MINURSO – wenn es zustande kommt, obwohl wir ja schon seit einem Jahr darauf warten – und jetzt dann auch noch SHIRBRIG.

Meine Damen und Herren! Was sollen wir denn da noch alles machen? Wir haben ständig 3 000 Leute im Auslandseinsatz beziehungsweise an der Grenze. Das wäre auf die Bundeswehr umgerechnet so viel, als würden 30 000 Mann draußen stehen. Am Balkan haben die USA ungefähr 8 000 Mann im Einsatz. Wir übernehmen uns bei der ganzen Sache. Das ist das Problem.

Und übrigens, weil Kollege Maitz vorhin von der schnellen Eingreiftruppe gesprochen hat und davon, daß die Zeiten auf vier Wochen heruntergekürzt werden: In den vier Wochen wären alle Bosnier schon längst ausgerottet, wenn die Serben zuschlagen. Das ist ja das Problem bei all diesen Einsätzen, daß so organisierte Truppen nicht funktionieren können. Vier Wochen sind zu lang, und in der Praxis wird es noch länger dauern. Denn wenn Sie sich die Nachrichten anhören, dann hören Sie, daß die OSZE mit ihren Beobachtern im Frühjahr wirksam werden wird. (Abg. Mag. Kammerlander: Das ist blanker Unsinn!) Das ist doch lächerlich! Mit so etwas kann man einem Herrn Milošević nicht imponieren!

Aber wir tanzen auf jedem Kirtag und verkaufen das wenige, das wir haben, gleich mehrfach. Die Salzburger Stierwascher waren geradezu harmlos im Vergleich zu dem, was unser Verteidigungsminister mit dem Bundesheer betreibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Hause fehlt uns dann das Gerät, und wir müssen die Busse mieten – das wissen Sie genauso gut wie ich –, damit die Einheiten zum Schießen fahren können. Es fehlen aber auch die Leute, und wenn sich die Bataillonskommandanten trauen, sich negativ darüber zu äußern, dann werden sie zum Ministerrapport oder – noch mehr – zu seinem Diabolus im Kabinett, zu seinem Kabinettschef, befohlen und abgekanzelt. So schaut die Realität in unserem Bundesheer aus.

Der Herr Minister weiß genauso wie ich und wie viele hier – ich nehme an, Herr Kollege Maitz, Sie haben sich auch schon einmal informiert (Abg. Hans Helmut Moser: Das weiß ich nicht, ob Kollege Maitz sich schon umfassend informiert hat!) –, daß für diese sogenannten schnell abrufbaren Einheiten viel zuwenig Leute gemeldet sind und daß, wenn Sie die gemeldeten Leute anrufen, von zehn höchstens zwei übrigbleiben. Das ist eine Tristesse, aber sie entspricht der Realität!

Man wollte das einmal ändern; auch der Verteidigungsminister wollte das tun. Er wollte eine andere gesetzliche Lage, die vorsieht, daß sich zumindest neueintretende Kaderleute verpflichten müssen oder daß Leute, die eine Verpflichtung abgegeben haben, es sich dann nicht zwei Tage vorher oder noch am Flugplatz vor dem Abflug überlegen können. – Dazu ist es nicht gekommen. Hier hat sich der Herr Minister nicht durchgesetzt. Heute hat er am Schluß große Sprüche geklopft, aber gegenüber dem Koalitionspartner ist er so klein, daß er in der Praxis unterm Tisch durchgeht. Und unser Bundesheer leidet darunter, Herr Kollege Maitz! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Maitz: Ungeheuer "sachlich", Ihre Bemerkungen!) Das ist die Realität! Auch bei MINURSO haben Sie die gleichen Probleme. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Maitz und Schwarzenberger.)

Truppen hoher Bereitschaft für eine internationale Brigade sollten es sein, Herr Kollege Maitz. Wie wollen Sie denn das machen mit der hohen Bereitschaft, wenn die Leute sich am Flugplatz abmelden? Diese Verbände sollten aufeinander eingespielt sein, sie sollten sich kennen, sie sollten sich aufeinander verlassen können. Mit der gesetzlichen Konstruktion, die wir haben, kann es nicht funktionieren. Aber unser Minister zeigt überall auf und spielt den Vorzugsschüler. Daheim hat er hingegen nichts zu reden und kann sich nicht durchsetzen. Dieser Minister agiert zu Lasten unseres Bundesheeres und vor allem zu Lasten seiner Soldaten. Wir haben das auch heute beim Hubschrauberproblem daran gesehen, wie die Gefährdung für die Piloten geringgeachtet wird. Es tut Ihnen weh, meine Damen und Herren gerade von der ÖVP, denn Sie wissen genau, wie die Realität ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch für SHIRBRIG besteht für den Einsatzfall die Gefahr, daß wir uns international blamieren, denn das Bundesheer ist längst schon bis an seine Grenzen gefordert. Aber das, meine Damen und Herren, hat Ihr Minister zu verantworten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Konrad. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.09

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In den Abkommen, die heute zur Beschlußfassung vorliegen, geht es vorwiegend um Abkommen zur Intensivierung und zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit. Mit dem Abkommen zwischen Österreich und der Russischen Föderation soll die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit, die es ja zwischen Hochschulen, Instituten und anderen Forschungseinrichtungen schon gibt, substantiell verstärkt und gefördert werden. Besonderes Gewicht wird dabei unter anderem auf den Austausch von WissenschaftlerInnen und ExpertInnen gelegt.

Ein besonderes Merkmal der neuen Vereinbarung ist einerseits die Gegenseitigkeit. Das heißt, die Beiträge der Vertragsstaaten sollen in Zukunft finanziell und inhaltlich ausgewogen sein. Wichtig und neu ist andererseits der ausdrücklich gewünschte Bezug zu EU-Forschungsprojekten und multilateralen Programmen. Das, was uns in der österreichischen Außenpolitik wichtig ist, wird in und mit diesem scheinbar unspektakulären Abkommen verwirklicht: Stabile, tragfähige Beziehungen zu anderen Staaten werden ganz wesentlich durch kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit, durch gemeinsame Projekte und durch die Entwicklung gemeinsamer Interessen aufgebaut und gefördert. Diese Zusammenarbeit ist auch Ausdruck der Überzeugung, daß wir das internationale Zusammenleben nur in gleichberechtigter Kooperation auf allen Ebenen des Lebens gestalten können.

Dieser Bereitschaft zur gleichberechtigten Kooperation entspricht auch das Zusatzabkommen über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation, mit dem die Chancen von Angehörigen der Bediensteten erhöht werden, einen besseren Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erhalten. Was mittlerweile für die meisten internationalen Organisationen gilt, soll ab nun auch für die Internationale Atomenergie-Organisation gelten. Aus meiner Sicht ist die vorliegende Ergänzung des Abkommens besonders im Interesse von Frauen begrüßenswert: Erstens sind mit dem scheinbar neutralen Begriff "Angehörige" vorwiegend Frauen gemeint, deren berufliche Mobilität, Karriere und wirtschaftliche Selbständigkeit durch die bislang geltenden Regeln doch eingeschränkt waren, und zweitens erleichtern gute Arbeitsbedingungen für Angehörige auch die Karrieren von Frauen in internationalen Organisationen, weil angehörige Männer nur ungern auf ihre eigenständige Berufstätigkeit zugunsten der Auslandskarriere ihrer Partnerinnen verzichten. – Auch so gesehen halte ich dieses Abkommen für wichtig.

Auf das Abkommen zwischen Österreich und Dänemark gehe ich jetzt nicht näher ein, denn es ist ohnedies schon intensiv besprochen worden.

Während bei den zuvor genannten Abkommen besonders die Intensivierung der Beziehung und die Verbesserung des Status von Menschen in einem fremden Land im Mittelpunkt steht, geht es bei der Vertragskündigung mit Südafrika um eine Vertragsänderung, die dem Schengen-Abkommen Rechnung trägt. Das heißt, für Österreich ergibt sich die Notwendigkeit, die Visums- und Einreisebestimmungen mit den Schengen-Partnern zu akkordieren beziehungsweise zu harmonisieren.

Aus meiner Sicht ist diese schematische Vorgangsweise quer über alle Staaten nicht ganz unproblematisch, und deshalb wird meine Kollegin Irmtraut Karlsson einen Entschließungsantrag einbringen, der eine differenzierte politische Behandlung der Frage der Visa anregt.

Mit dieser Ergänzung, also mit diesem Entschließungsantrag, stimmt meine Fraktion den gegenständlichen Regierungsvorlagen zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

21.14

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Auch ich möchte mich kurz mit der Aufstellung der SHIRBRIG, dieser angeblich schnellen Eingreiftruppe beschäftigen.

Wie schon mein Kollege Jung gesagt hat, ist es grundsätzlich von der Idee her eine positive Sache, daß vor allem auch der Zeitraum bis zum Eingreifen im Rahmen eines UNO-Einsatzes verkürzt werden soll. Nur, Herr Bundesminister – auch das hat mein Kollege Jung schon angeführt –, Sie haben jetzt schon eine ganze Reihe derartiger Aktivitäten in der Bundesregierung aktualisiert und beschlossen. Daher stellt sich mir jetzt langsam die Frage: Was ist das sicherheitspolitische Ziel Österreichs hinter all diesen Aktivitäten?

Wir nehmen an allen derartigen Dingen teil, bis hin zur sogenannten CENCOOP, der Zentraleuropäischen Initiative, die auf einer Idee des Herrn Verteidigungsministers beruht und von der Bundesregierung gutgeheißen wurde, im Rahmen welcher man mit der Slowakei in Kampfeinsätze zur Friedensschaffung gehen möchte. Ich frage Sie, Herr Außenminister, der Sie für die Außenpolitik und damit auch für die Außensicherheitspolitik zuständig sind: Welches sicherheitspolitische Konzept steht hinter diesen Beteiligungen? Denn andererseits haben Sie in Fragen, bei denen es wirklich darum geht, konkrete Vorteile für die österreichische Sicherheit zu lukrieren, etwa hinsichtlich Bündnismitgliedschaft im Rahmen der NATO, wenig anzubieten. Daher weiß man eigentlich nicht, was jetzt die Linie der Regierung, aber auch Ihrer Partei ist. Jüngst haben wir gehört, wie Klubobmann Khol plötzlich wieder von der bisher so hochgelobten Pro-NATO-Linie abgewichen ist. (Abg. Dr. Khol: Das ist nicht richtig! Ich habe klargestellt: Die NATO hat Priorität!) Offenbar kann man sich betreffend eine klare Ausrichtung der österreichischen Sicherheitspolitik nicht einigen, und man ist auch nicht bereit, das österreichische Bundesheer den Aufträgen entsprechend zu organisieren, Kollege Khol. (Abg. Dr. Khol: Nur Präsident Fischer hat mich mißverstanden!) Andererseits beteiligen sich die Österreicher an all diesen internationalen Initiativen, ohne daß man sich einmal überlegt, welchen Nutzen das für Österreich hat.

Herr Außenminister! Als Verantwortlicher in der Bundesregierung schaffen Sie damit eine Zweiklassen-Armee. Nach außen wird alles organisiert, und man versucht, das Beste zu geben. Man versucht, modernes Gerät anzuschaffen und das Gerät in Österreich so zu adaptieren, daß es international entsprechend verwendet werden kann. In Österreich selbst bricht jedoch alles zusammen. Höchste Militärs sagen, daß die Soldaten hier in Österreich für einen Einsatz ausgebildet werden, den sie im Ernstfall nicht überleben können.

Herr Außenminister! Von Ihnen als Regierungsmitglied, als Obmann der Österreichischen Volkspartei, die sich angeblich immer für die Sicherheitspolitik und die Landesverteidigung ausgesprochen hat, und als Vizekanzler würden wir uns erwarten, daß Sie nicht kommentarlos derartige internationale Initiativen – und zwar eine nach der anderen – beschließen, für die das österreichische Bundesheer auch noch Geldmittel freimachen muß, die dann im Inland fehlen, auf der anderen Seite aber nichts dagegen tun, daß das österreichische Bundesheer Schritt für Schritt dem Abgrund entgegengeht, sodaß Tausende und Abertausende Menschen beim Bundesheer die Motivation verlieren, obwohl sie es als ihre Berufung gewählt und sich zum Ziel gesetzt haben, für die Sicherheit und die Unabhängigkeit des Landes mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben einzustehen.

Diese Menschen hätten es sich verdient, daß sie auch die Unterstützung dieser Bundesregierung haben. Leider bekommen sie sie nicht! Aber ich kann Ihnen sagen, dieses Parlament wird sich noch öfter mit diesen Fragen zu beschäftigen haben, denn es ist unsere Verantwortung als Volksvertreter und vor allem auch als Oppositionsabgeordnete, wenn schon die Bundesregierung, der Außenminister und der Verteidigungsminister nichts für diese Menschen und damit auch für die Sicherheit dieses Landes tun, hier im Parlament immer wieder darauf zu sprechen zu kommen und Maßnahmen zu verlangen, damit diese mißliche Situation verbessert wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

21.18

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zu zwei Bereichen äußern.

Erstens zum Zusatzabkommen mit der Atomenergie-Organisation. Natürlich kann man das als Privileg betrachten und die Frage stellen: Ist es gerechtfertigt, daß Familienangehörige von Personen, die bei uns in internationalen Organisationen tätig sind, einen besonderen Zugang zum Arbeitsmarkt haben und bevorzugt werden? – Es handelt sich hiebei um Lebenspartner beziehungsweise die Kinder. Alle anderen Personen sind ausgeschlossen.

Ich bin der Meinung, man sollte über Privilegien und Immunitäten im allgemeinen einmal eine Diskussion führen, und zwar nicht nur in Österreich, denn wir würden uns damit einen Standortnachteil erwirtschaften, sondern mit allen betroffenen Ländern. Man sollte sich die Frage stellen, ob die Immunitäten, die wir gewähren, in der heutigen Zeit überhaupt noch notwendig sind. Früher einmal war das die richtige Vorgangsweise, um Diplomaten und anderes ähnliches Personal zu schützen. Ich wage jedoch zu bezweifeln, daß dieser Schutz heutzutage wirklich in diesem Ausmaß notwendig ist.

In diesem Zusammenhang denke ich im speziellen an die Angehörigen. Die meisten sind Frauen, die ihre Karrieren aufgeben müssen, damit sie ein Familienleben überhaupt noch zustande bringen, wenn der Gatte, wie es oftmals ist, in einer internationalen Organisation tätig ist und sie das Heimatland verlassen müssen. Ich hätte diese Bevorzugung sehr gerne auch für Ehegattinnen und Ehegatten von Diplomaten aus Österreich, die in anderen Ländern Arbeit suchen, damit sie nicht am Ende der Kette einsteigen müssen und erst nach vier Jahren eine Arbeitserlaubnis bekommen, sondern daß die schwierige Situation, in der sie sich befinden, wenn sie in ein anderes Land übersiedeln, gleich berücksichtigt wird.

Das halte ich nicht für unredlich. Aber noch einmal: Die gesamte Privilegien- und Immunitätendebatte sollte einmal weltweit geführt werden und insbesondere in den europäischen Ländern. Das wäre ein guter Ansatz.

Zu den Sichtvermerken und Südafrika: Ich bedaure es, daß die Interpretation des Schengener Vertrages in die Richtung geht, daß es notwendig ist, auf diese Weise Gelder zu lukrieren, das heißt, eine Gebühr einzuheben.

Der Artikel 9 im Schengener Vertrag lautet:

"Die Vertragsparteien verpflichten sich, eine gemeinsame Politik hinsichtlich des Personenverkehrs, insbesondere in bezug auf die Sichtvermerksregelung zu verfolgen. ... Die Vertragsparteien verpflichten sich, ihre Sichtvermerkspolitik im Einvernehmen weiter zu harmonisieren."

Ich würde meinen, daß dieser Textteil nicht Gebühren anspricht. Ich würde mir überhaupt wünschen, daß wir uns einmal den Kopf darüber zerbrechen, wie wir gebührenfrei in der ganzen Welt Visa erteilen können. Das wäre meiner Meinung nach in einer mobilen Welt der Kommunikation der richtige Ansatz! (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.22

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte auch ich auf die Aufkündigung des Abkommens zwischen Österreich und Südafrika beziehungsweise auf die Einführung von Visumgebühren zu sprechen kommen. Das ist heute schon öfters angesprochen worden, und auch ich möchte mit ein paar Worten noch darauf eingehen.

Wir haben im Ausschuß bereits darüber diskutiert, daß es natürlich kein gutes Bild macht, wenn das bilaterale Abkommen, das zwischen der Republik Südafrika und Österreich bestanden und eine gebührenfreie Bewegung zwischen diesen beiden Ländern gewährt hat, gerade jetzt aufgekündigt wird und wir gerade jetzt, da das Apartheidregime abgeschafft wurde und sich das Land auf einem demokratischen Weg befindet, die Bedingungen verschärfen.

Ich sehe das ähnlich wie meine Vorrednerin, Frau Kollegin Gredler. Auch ich kann beim besten Willen aus dem Schengener Abkommen nicht herauslesen, daß der Gleichschritt bei der Visaerteilung auch unbedingt der Gleichschritt bei den Gebühren sein muß.

Nun gibt es diesen gemeinsamen Antrag, der noch vorgestellt werden wird, dem wir uns anschließen. Ich meine, es ist ein gangbarer Weg, diese Frage im Schengener Exekutivausschuß zu diskutieren. Ich möchte nur soviel dazusagen: Ich würde mir wünschen, daß wir uns selbst eine Frist setzen, bis zu welcher der Bundesminister darüber Bericht erstatten möge, ob dieser Vorschlag eingebracht wurde, wie er aufgenommen wurde, wie die anderen darauf reagiert haben. Das fände ich im Hinblick auf diesen Antrag sinnvoll.

Ich freue mich, daß offensichtlich das, was wir im Ausschuß in bezug auf diesen Tagesordnungspunkt andiskutiert haben, insofern Gehör gefunden hat, daß es jetzt diesen gemeinsamen Antrag gibt. Daß es dann doch zu einem Antrag kommt, bestätigt mir, daß die eine oder andere Diskussion im Ausschuß doch nicht ganz umsonst ist.

Im zweiten Teil meiner Wortmeldung beziehe ich auf das SHIRBRIG-Abkommen, das auch schon angesprochen wurde. Dazu muß ich sagen, daß ich mich, als ich meinen Vorrednern, vor allem Maitz und Jung, gelauscht habe, gefragt habe, ob ich richtig liege mit meiner Meinung. Ich stimme selten mit diesen beiden Kollegen bezüglich Annahme eines Tagesordnungspunktes überein; in der Argumentation stimme ich ohnedies nicht mit ihnen überein, was mich wieder beruhigt. Trotzdem möchte ich einiges dazu sagen, weil ich das eben anders sehe und auch anders begründen möchte als meine beiden Vorredner.

Wir begrüßen und unterstützen es, daß es zu diesem Abkommen kommt. Das mag den einen oder anderen hier wundern, denn Sie haben, wie ich meine, nie wirklich erfaßt, was unsere friedenspolitischen Optionen für Europa beziehungsweise unsere globalen friedenspolitischen Optionen insgesamt sind. Wenn wir einerseits eindeutig für eine Abrüstung auch des österreichischen Bundesheeres sind und nach wie vor die Meinung vertreten, daß auch da noch eine Reduzierung verträglich und sogar notwendig ist, dann bedeutet das nicht, daß wir es andererseits nicht für notwendig erachten, zu solchen multinationalen Einsatztruppen und Brigaden zu kommen. Der wesentliche Unterschied zu all dem, was bisher in diesem Haus diskutiert wurde, besteht allerdings darin, daß das ganz klar im Rahmen der Vereinten Nationen zu erfolgen hat.

Das war immer unser Bestreben und unser Bemühen, klarzumachen: Wir brauchen so etwas, aber wir brauchen es im Rahmen der Vereinten Nationen. Dann schaut das nämlich ganz anders aus, und zwar nicht nur, weil es dann klare Beschlüsse und Aufträge – davon gehe ich zumindest aus – durch die Vereinten Nationen gibt, sondern weil die UNO unserer Meinung nach die einzige legitime internationale Einrichtung ist, die dafür zuständig ist.

Das, was wir bisher immer kritisiert haben, war, daß es oft zu einem Wildwuchs gekommen ist: Die NATO hat beschlossen, irgendwo zu intervenieren, teilweise gab es dann sehr wenig begründbare, ja teilweise gar keine Beschlüsse des Sicherheitsrates, zum Teil ist es dann nicht einmal zu NATO-Interventionen, sondern zu irgendwelchen länderübergreifenden Aktionen gekommen. Das, finden wir, ist kein guter Weg, vor allem dann nicht – und wir befinden uns ja jetzt in einer außenpolitischen Debatte –, wenn es um eine friedenserhaltende außenpolitische Perspektive geht. Wenn die Friedenserhaltung im Rahmen eines außenpolitischen Konzepts, einer außenpolitischen Vorgangsweise stattfindet, dann stellt das unserer Meinung nach eine wirklich grundsätzlich andere Herangehensweise dar. Insofern möchte ich mich da ganz klar von dem distanzieren, was meine schon zitierten Vorredner gesagt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht mir überhaupt nicht darum, die Arbeit des Bundesheeres zu erleichtern. Vielmehr ginge es mir darum, das Bundesheer durchaus in Frage zu stellen unter dem Aspekt, was international tatsächlich zu leisten ist und was wir tun oder nicht tun können. Ich weiß nicht, ob Österreich unbedingt das Bundesheer, so wie es jetzt ist, wie es sein könnte oder wie es nicht ist, einbringen müßte – das lassen wir einmal dahingestellt –, oder ob Österreich nicht eine ganz andere Leistung, eine ganz andere Logistik der Friedenserhaltung einbringen könnte, die sehr, sehr wesentlich wäre.

Ich kann Ihnen sagen, daß ich bei den verschiedensten internationalen Treffen, Seminaren oder Konferenzen immer wieder auf den Beitrag angeredet werde, den Österreich mit der Friedensuniversität in Schlaining und der dort stattfindenden Ausbildung leistet. Da spielen wir eine hervorragende Rolle – international betrachtet, international beachtet. Möglicherweise sind es also – und ich bin dieser Anschauung – ganz andere logistische Bereiche, die wir in solche internationale friedenserhaltende Operationen einbringen sollten.

Zur Friedenserhaltung möchte ich abschließend noch zwei, drei Worte sagen: Ich denke mir, daß wir keinesfalls aus den Augen verlieren dürfen, daß die klassischen Einsätze der Vereinten Nationen, wie sie in Zypern, auf den Golanhöhen und in anderen Bereichen stattfinden, nach wie vor ihre Wichtigkeit und ihre Bedeutung haben. Ich möchte hier und bei dieser Debatte sagen, daß ich alle Überlegungen, die im Landesverteidigungsministerium angestellt werden, dort die Kräfte abzuziehen und sich verstärkt an schnellen Interventionseingreiftruppen zu beteiligen, nicht unterstütze. Ich meine, wir haben gerade auch in diesem Bereich der Friedenserhaltung sehr gute Erfahrungen gemacht und gute Arbeit geleistet. Diese sollte jetzt nicht in Frage gestellt oder gar annulliert werden.

Zweitens möchte ich zur Friedenserhaltung noch sagen: Ich würde mir wünschen, daß wir mehr präventive Arbeit in diesem Bereich leisten könnten. Bezüglich der Bedeutung von präventiver Arbeit für mich möchte ich an einem konkreten Beispiel anknüpfen: Wenn wir heute, mit allen berechtigten Bedenken, darüber diskutieren, daß 2 000 OSZE-Beobachter demnächst im Kosovo stationiert sein werden, dann sollten wir heute meiner Meinung nach auch bereit sein, zu diskutieren und zu überlegen, ob es nicht dringend notwendig sein wird, in allernächster Zeit solche Beobachter zum Beispiel auch in Mazedonien zu stationieren, um Verständnis dafür zu werben, eine dort bestehende Mission sowohl der OSZE als auch der UNO entsprechend auszuweiten, um einer Situation, wie sie sich meiner Einschätzung nach nach den Wahlen in Mazedonien abzeichnet, vorweg präventiv zu begegnen. Denn die Situation, auf die ich noch ganz kurz eingehen möchte, geht meiner Meinung nach in eine Richtung, die sehr, sehr bedenklich ist. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dr. Schüssel.)

Ich weiß, daß dort sowohl die UNO als auch die OSZE sind. Die Frage ist nur, ob das ausreichen wird. Denn ich teile nicht Ihre Ansicht, Herr Bundesminister, und auch nicht die Ansicht der bürgerlichen Zeitung "Die Presse", daß das Wahlergebnis in Mazedonien eine Beruhigung der Lage mit sich bringen wird. Ich befürchte vielmehr, daß es zu einer sehr starken Beunruhigung der Lage kommen wird. Es haben dort zwei sehr radikale nationale Parteien einen Wahlsieg errungen, und es zeichnet sich eine Koalition zwischen der VRMO und der DPA ab. Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen: Wenn sich zwei radikale, sehr nationalistische Parteien zusammentun, dann ist die Option, daß jede der beiden Parteien vermutlich ihren Weg verfolgen wird, der nicht unbedingt zur Einheit Mazedoniens führen wird, wie wir aus der Vergangenheit wissen, sehr groß. (Abg. Smolle: Der Bericht in der "Wiener Zeitung", auf den Sie sich stützen, stellt das nicht richtig dar!) Das stimmt nicht! Ich kenne die Situation in Mazedonien und kann sie durchaus beurteilen! Und das in einem Gebiet, in dem ohnedies gerade eine sehr große Instabilität zu verzeichnen ist beziehungsweise ein sehr fragiler Waffenstillstand herrscht.

Um noch einmal auf das eigentliche Anliegen zurückzukommen: Für mich geht es im Bereich der Friedenserhaltung vielmehr darum, verstärkt auf diese präventiven Möglichkeiten oder Optionen zu setzen, um Schritt für Schritt von der Notwendigkeit schneller Eingreiftruppen wegzukommen, die ja dann immer nur das Schlimmste oder Allerschlimmste verhindern können, keinesfalls aber wirklich zu einer mittelfristigen oder längerfristigen Friedenslösung beitragen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Platter. – Bitte.

21.35

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte ebenfalls ganz kurz auf die Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Vertrages zwischen Österreich und Südafrika und die gebührenfreie Erteilung der Sichtvermerke eingehen.

Die Kündigung dieses Vertrages, geschätzte Frau Abgeordnete Kammerlander, ist deshalb notwendig, weil einerseits Österreich durch den Schengen-Vollbeitritt dazu verpflichtet ist und andererseits eine einvernehmliche Aufhebung dieses Vertrages mit Südafrika nicht möglich war.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute mit der Beschlußfassung unserer Verpflichtung zur Vertragskündigung nachkommen müssen, dann möchte ich, wenn wir schon über Schengen reden, die Gelegenheit wahrnehmen und ganz klar zum Ausdruck bringen, daß der Beitritt Österreichs zum Schengener Übereinkommen eine gewaltige sicherheitspolitische Errungenschaft war. Wenn Herr Innenminister Schlögl auch da oder dort noch seine Hausaufgaben im Bereich des Personals und der Ausrüstung der Exekutive zu erledigen hat, so hat sich doch seit unserem Vollbeitritt gezeigt, daß die rigorosen polizeilichen Maßnahmen entlang der 1 460 Kilometer langen Außengrenze und die Öffnung der Binnengrenze in Verbindung mit der Schleierfahndung die richtige sicherheitspolitische Entscheidung, die richtige sicherheitspolitische Antwort war.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die ständig steigende Zahl der Aufgriffe im Bereich der illegalen Grenzgänger, und ich erinnere an die Sicherstellung von 1,5 Tonnen Marihuana beim Karawanken-Tunnel. Ich erinnere weiters an die jüngsten Aussagen des bayrischen Innenministers Beckstein, der gesagt hat, daß die Schleierfahndung ein Erfolgsmodell ist. Und ich erinnere darüber hinaus, wenn ich über Schengen rede, an die Aussage unseres Vizekanzlers vor dem Beitritt: Wir von der Österreichische Volkspartei drängen auf Schengen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Von diesem Ausflug komme ich wieder zurück zu der in Verhandlung stehenden Regierungsvorlage. Es bestand nicht nur mit Südafrika, sondern mit 16 anderen Ländern die gegenseitige Praxis, daß gebührenfreie Sichtvermerke ausgegeben werden, aber lediglich mit Südafrika wurde ein Vertrag geschlossen, den es nun zu kündigen gilt. Freilich ist die Optik derzeit nicht gerade gut, daß Südafrika früher keine Gebühren bezahlen mußte und heute, da Südafrika eine demokratische Republik ist, diese Gebühreneinhebung notwendig ist. Daher bin ich froh darüber, daß Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und ÖVP diesen Fall zum Anlaß genommen und einen Entschließungsantrag eingebracht haben, daß der Schengener Exekutivausschuß die Politik im Bereich der gemeinsamen Sichtvermerksregelungen überprüfen soll.

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie daher, diesem Entschließungsantrag und selbstverständlich auch der Regierungsvorlage die Zustimmung zu erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Karlsson. – Bitte.

21.37

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Manchmal kommt es vor, daß im Getriebe der Politik eine gute Idee oder eine gute Maßnahme in der administrativen Geschäftigkeit nicht ganz im beabsichtigten Sinne umgesetzt wird. Das betrifft auch jene Regierungsvorlage zur Kündigung des bilateralen Abkommens mit Südafrika bezüglich der Gebührenfreiheit.

So gut – das hat mein Vorredner gesagt – die Idee eines großen Raums in Europa aufgrund des Abkommens von Schengen ist, in dem es keine Grenzen und keine Grenzkontrollen mehr gibt, so vorsichtig muß das Ganze gehandhabt werden, damit es nicht zu einer Festung Schengen kommt und wir einfach administrativ – und das dürfte hier der Fall gewesen sein – alles zumachen, aus, Schluß, der Exekutivrat hat beschlossen, sondern vielmehr eine politische, aber auch eine kulturelle – darauf möchte ich bestehen – Diskussion darüber stattfindet, welche Beziehungen zu manchen Ländern bestehen.

Ich möchte ein Beispiel aus der bilateralen Visageschichte Österreichs nennen: Österreich hatte mit dem kleinen Karibikstaat St. Lucia mit 200 000 Einwohnern Visafreiheit und Gebührenfreiheit. Warum? – Das Archäologische Institut der Universität Wien hat dort interessante ethnologische und archäologische Ausgrabungen durchgeführt, und es gab in gewissem Ausmaß auch Tourismus mit diesem Staat. Deshalb hat man zur gegenseitigen Erleichterung dieses Abkommen getroffen. Das war kein Vertrag – deshalb mußten wir ihn nicht kündigen –, sondern nur ein Notenwechsel, der Visafreiheit und Gebührenfreiheit vorsah.

Ähnliche Dinge sollten in diesem größeren Europa der Schengen-Staaten auch möglich sein, etwa – wie der Herr Vizekanzler im Ausschuß gesagt hat – betreffend die Beitrittswerber Estland oder die anderen zwei baltischen Staaten, die noch nicht Beitrittswerber sind. Auch diesbezüglich ist zu überlegen, ob wir die Schotten dichtmachen müssen. Deshalb ist es so wichtig, daß dieser Entschließungsantrag, den ich nun, nachdem er schon dreimal erwähnt wurde, einbringe, auch beschlossen wird. Er lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Karlsson, Platter, Leikam, Dr. Gredler, Mag. Kammerlander und Genossen betreffend die Überprüfung der Politik im Bereich der gemeinsamen Sichtvermerksregelung im Rahmen des Schengener Exekutivausschusses

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Bundesregierung/der zuständige Bundesminister wird ersucht, sich im Rahmen des Schengener Exekutivausschusses für eine Überprüfung der Politik im Bereich der gemeinsamen Sichtvermerksregelung und der Einhebung entsprechender Gebühren einzusetzen und insbesondere eine Diskussion über die Kriterien, auch unter politischen und kulturellen Aspekten, die den diesbezüglichen Entscheidungen des Exekutivausschusses zugrunde liegen, zu initiieren.

*****

Aber ich möchte diesen Tagesordnungspunkt nicht vorübergehen lassen – mein Vorredner hat gesagt, daß die Sicherheit Europas mit diesen polizeilichen Maßnahmen des Schengen-Abkommens gewährleistet ist –, ohne darauf hinzuweisen, daß die Polizei allein die Sicherheit nicht garantiert. Es mehren sich die Berichte und Gutachten, aus denen klar wird, daß sich in Europa Sicherheitsrisiken ganz anderer Art aufbauen, nämlich dadurch, daß die Atomwaffen teilweise vor sich hin rotten und das ganze System noch immer so aufgebaut ist, als hätten wir zwei Blöcke und den Kalten Krieg.

Nächste Woche wird bei der UNO ein Vertrag für eine atomwaffenfreie Welt und für die Aufstellung einer neuen Abrüstungsagenda im Hinblick darauf vorgelegt. Aus Europa sind Irland und Schweden federführend, weiters sind Neuseeland, die Republik Südafrika und mehrere lateinamerikanische Staaten daran beteiligt. Ich hoffe, da es uns um die Sicherheit dieser Welt geht, daß Österreich bei dieser Resolution nicht nur zustimmend tätig wird, sondern aktiv mittut. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Gredler und Mag. Stoisits.)

21.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag Karlsson, Platter, Leikam, Gredler, Kammerlander ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.42

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Drei kurze Anmerkungen zum Abkommen über die Teilnahme an SHIRBRIG:

Zunächst meine ich, daß es wichtig ist, daß Österreich sich an der Maßnahme der Vereinten Nationen, eine schnelle Eingreiftruppe aufzustellen, beteiligt und auch mit entsprechenden Kapazitäten, mit Personal im Planungsstab der SHIRBRIG in Dänemark vertreten ist. Daher werden wir diesem Abkommen unsere Zustimmung erteilen.

Ich glaube, daß diese aktive Mitarbeit im Rahmen der friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen ganz wichtig ist. Frau Kollegin Kammerlander, dieser Beitrag ist auch deshalb wichtig, weil er als eine Ergänzung zu den präventiven Maßnahmen zu sehen ist. Notwendig sind präventive Maßnahmen, eine präventive Diplomatie, um den Ausbruch von Krisen zu verhindern. Wenn dies bedauerlicherweise nicht möglich ist, dann ist es andererseits aber auch wichtig, daß es ein Element gibt, das die Beschlüsse der Vereinten Nationen entsprechend umsetzen und durchsetzen kann. Und zu diesem Zweck soll diese Eingreiftruppe aufgestellt werden.

Ich glaube aber, daß damit auch eine gewisse Gefahr verbunden ist, nämlich erstens, daß wir damit die eigentlichen Aufgaben des österreichischen Bundesheeres in Österreich aus den Augen verlieren, und zweitens, daß dies eine Überforderung des Heeres als solchem zur Folge hat. Es wurde von einigen Vorrednern ja schon angesprochen: Wir sind bereits an der Grenze der Leistungsfähigkeit des Bundesheeres angelangt.

Damit bin ich beim zweiten Punkt, nämlich bei der Frage, mit welchen Einheiten sich Österreich an dieser internationalen Eingreiftruppe beteiligen soll.

Herr Vizekanzler! Es ist ja vorgesehen, daß es die sogenannten vorbereitenden Einheiten gibt, und ich darf Sie auf einen Aspekt aufmerksam machen, nämlich auf die Tatsache, daß gerade der Generaltruppeninspektor darauf hingewiesen hat, daß wir in dieser Richtung nicht wirklich einsatzbereit sind. Ich darf zitieren, weil es mir wichtig erscheint, daß das Hohe Haus auch davon Kenntnis bekommt.

Er sagt, daß wir aufgrund der finanziellen Unterdotierung des Bundesheeres eingeschränkte Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten haben, und bezieht sich als Beispiel auf die Auslandseinsätze: Die Politik kann sich auf den Kopf stellen. Wir können nicht innerhalb von vier bis acht Wochen eine respektable Anzahl auf die Beine stellen. Wir können Beobachter als Einzelfiguren rekrutieren, aber nicht Einheiten oder gar Verbände bereitstellen.

Das, meine Damen und Herren, ist im Prinzip eine Bankrotterklärung der bisherigen Politik des Verteidigungsministers, der einen klaren Auftrag bekommen hat, die entsprechenden vorbereitenden Einheiten aufzustellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Mein dritter und letzter Punkt, Herr Vizekanzler – er ist leider nicht da (Abg. Dr. Schmidt – auf den neben dem Präsidium mit den Abgeordneten Dr. Mock und Mag. Mühlbachler sprechenden Vizekanzler Dr. Schüssel weisend –: Dort! Er schwätzt!); oder doch; ich werde es ihm nachher auch noch sagen –, ist der Hinweis auf die Tatsache, daß all diese internationalen Abkommen leider Gottes am Parlament vorbei abgeschlossen werden und daß immer wieder gesagt wird, das wäre kein Staatsvertrag nach Artikel 50 der österreichischen Bundesverfassung. Im nachhinein stellt sich dann heraus, weil ein gesetzesergänzender Beschluß im Nationalrat gefaßt werden muß, daß sehr wohl die Notwendigkeit bestanden hätte, die entsprechenden Abkommen dem Parlament zur Beschlußfassung vorzulegen. Das ist in diesem Fall verabsäumt worden.

Ich darf den Herrn Außenminister daher darauf hinweisen, daß dies in Zukunft unterlassen werden möge und daß all die internationalen Abkommen im Parlament einer Beschlußfassung zu unterziehen sind. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriela Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.46

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Lassen Sie mich die Gelegenheit – jetzt sind es nur mehr zwei Stunden, bis es Mitternacht ist und sich diese 20 Jahre Temelin dann sozusagen abgespult haben (Abg. Rauch-Kallat: Zwentendorf!) – wahrnehmen, doch noch im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt IAEO (Abg. Schwarzenberger: 20 Jahre Zwentendorf, nicht Temelin!) – ja, Zwentendorf, danke schön – auf die Dringlichkeit hinzuweisen, die ich Ihnen in der Früh mit diesem gelben Blatt signalisiert habe. (Die Rednerin hält ein Blatt in die Höhe.)

Herr Außenminister! Sie wissen genau, daß Sie jetzt noch die Möglichkeit haben – darf ich vieleicht doch um Aufmerksamkeit bitten –, im Rahmen eines Berichtes, einer Stellungnahme gegenüber der Tschechischen Republik deutlich zu signalisieren, daß wir Österreicherinnen und Österreicher massiv tangiert sind, wenn Temelin in Betrieb geht.

Bitte nehmen Sie diese Gelegenheit wahr, schreiben Sie einen Brief, schreiben Sie eine Note, legen Sie in einer Protestaktion klar, daß wir in Österreich mit der Inbetriebnahme nicht einverstanden sind! Jetzt ist die Chance gegeben. Bitte ergreifen Sie diese Gelegenheit!

Eine zweite Chance ist gegeben: Sie wissen seit heute, daß die EU keine Experten entsendet, daß aber wir als Nachbarstaat die Möglichkeit haben, Experten in eine Kommission zu nominieren. Bitte nehmen Sie auch diese Gelegenheit wahr und nominieren Sie einen Experten, der wirklich die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher vertritt!

Nehmen Sie heute abschließend noch die Möglichkeit wahr, hier überparteilich diesen Vertrag zu unterschreiben, der darauf abzielt, daß das Kraftwerk Temelin nicht in Betrieb gehen soll, daß die Punkte "Nichtnuklearer Einsatz des AKW Temelin" beachtet werden, daß die Punkte des Defizits klar werden, daß andere Alternativprojekte vorangetrieben werden, und vor allem, daß im Rahmen der Erweiterungsgespräche auch Temelin thematisiert wird. Ich bin gegen ein Junktim, aber ich bin dafür, daß die Atomkraftwerkspolitik unseres Nachbarlandes auch bei den Beitrittsverhandlungen unbedingt angesprochen werden muß.

Ich appelliere in diesem Sinn an Sie, Herr Außenminister, und an Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, daß Sie sich doch diese drei Sekunden Zeit nehmen, dieses gelbe Blatt, so Sie es noch haben, zu unterschreiben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Daher ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, und ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages mit der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit in 1190 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die bereit sind, diese Genehmigung zu erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, die Beschlußfassung über dieses Abkommen ist einstimmig erfolgt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation in 1387 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Auch hier darf ich im Falle der Genehmigung um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das Abkommen ist mit Mehrheit genehmigt worden.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages mit der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft in Dänemark in 1382 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Staatsvertrag einstimmig genehmigt wurde.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, der Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken die Genehmigung zu erteilen.

Auch hier darf ich für den Fall Ihrer Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Auch hier kann ich feststellen, daß dieser Antrag einstimmig angenommen wurde.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Karlsson, Platter, Gredler, Kammerlander betreffend die Überprüfung der Politik im Bereich der gemeinsamen Sichtvermerksregelung im Rahmen des Schengener Exekutivausschusses.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, ein Zeichen geben. – Ich stelle fest, dieser Entschließungsantrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen. (E 146.)

17. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 719/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend gründliche Vorbereitung der EU-Erweiterung (1440 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich rufe den 17. Punkt der Tagesordnung auf.

Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte.

21.52

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Ein wichtiger Punkt zu später Stunde – wichtig deshalb, weil eine ungenügende Vorbereitung, verbunden mit einer viel zu frühen Osterweiterung, ungeahnte, kaum bewältigbare Strukturprobleme, auch in Österreich, auslösen wird.

Ich weiß nicht, Herr Vizekanzler, ob Sie zu dieser Stunde und nach den Anschuldigungen oder Angriffen oder Untergriffen Ihres Koalitionspartners nicht andere Gedanken im Kopf haben, aber ich bitte Sie doch, diesen Ausführungen einigermaßen zu folgen.

Der Bericht des Außenpolitischen Ausschusses ist so mager, daß ich mich über die Zustimmung durch die Koalitionsabgeordneten nur wundern werde. Das ist kein Ergebnis einer intensiven Diskussion. Das muß festgehalten werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zunächst einmal hat die EU-Kommission auf eine freiheitliche Anfrage über die durch die Osterweiterung zu erwartenden Veränderungen in bezug auf die Lohnentwicklung, die Arbeitsmarktsituation, die Migrationsströme, den Einfluß auf Grenzregionen, innere Sicherheit und so weiter pro Staat und innerhalb der EU und je Beitrittswerber wirklich sehr lapidar mitgeteilt – ich zitiere –:

"Bezüglich der Auswirkungen der Erweiterung auf die sich dicht an der gegenwärtigen Ostgrenze der Gemeinschaft befindenden Regionen (...) hat die Kommission keine Analyse der in der Anfrage enthaltenen einzelnen Punkte vorgenommen. Es scheint äußerst schwierig, ernsthafte Vorausschätzungen über das Lohnniveau in den neuen Mitgliedstaaten vorzunehmen (...) oder über die Migrationsströme in den Grenzgebieten. (...) Auch (...) Voraussagen bezüglich der kriminellen Handlungen sind nicht mit annehmbarer Genauigkeit möglich." – Soweit die EU-Kommission.

Daß sich diese um die Interessen der Bürger keinen Dreck mehr schert, ist bekannt und mit dieser Aussage mehr als bewiesen. Bewiesen ist dies auch dadurch, daß sich Herr Kommissar Fischler mit seiner Agrarpolitik in einen echten Gegensatz zu Österreichs Interessen gestellt hat. (Abg. Dr. Graf: Das ist unglaublich! Unglaublich!)

Daß aber auch Österreichs Regierung keine Bereitschaft zeigt, darüber nachzudenken, welche Vorbereitungen zur Osterweiterung im Interesse der Bevölkerung notwendig sind, macht doch eher betroffen. Denn der Versuch der Regierung, dieses Problem durch ein EU-Grenzlandförderungsprogramm zu lösen, war falsch, das hat sich ja herausgestellt, und dieser Versuch ist auch von der Kommission kläglich abgeschmettert worden. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dr. Schüssel.) Sie können das ja dann berichtigen. Die EU-Kommission hat Ihnen jedenfalls mitgeteilt, daß hier keine Grenzlandförderung möglich ist.

Ich frage Sie daher: Wann, Herr Vizekanzler, werden Sie Studien vorlegen, die die Auswirkungen der Osterweiterung je Beitrittswerberland auf Österreich darstellen? Wann, Herr Vizekanzler, werden Sie jenes Maßnahmenpaket vorlegen, das aufzeigt, mit welchen Mitteln bei einer Osterweiterung ein Verlust des Wohlstandes, ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit, ein Abfall der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft verhindert wird?

Herr Vizekanzler, geben Sie doch Antwort auf die Frage: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Zerstörung der Grenzlandstrukturen zu verhindern? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Arbeitsmarktsituation stabil zu halten?

Geben Sie, Herr Vizekanzler, bitte auch Antwort auf die Fragen: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um bei freiem Personenverkehr den zu erwartenden Migrationsstrom zu verhindern? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den zu erwartenden Verkehr zu bewältigen? Gibt es verkehrstechnische Planungen? Wenn ja, wie sehen sie aus? Oder wie sonst lösen Sie die auch im sehr mageren Bericht erwähnten großen Probleme im Verkehrs- und Umweltbereich?

Ich habe gar keine Zeit, alle Fragen hiezu zu stellen. Glauben Sie, Herr Vizekanzler, wenn Sie keine Antworten haben, die Heinzelmännchen werden diese Fragen klären und gleich auch die Arbeiten dazu erledigen? Ich glaube es nicht, Herr Vizekanzler! Ich sage Ihnen eindringlich: Treffen Sie Ihre Vorbereitungen, denn unsere Ablehnung zur Osterweiterung kommt doch nicht von ungefähr! Unterschätzen Sie nicht die Auswirkungen, die diese Osterweiterung für die österreichische Bevölkerung, für die österreichische Wirtschaft, für die Beschäftigung der Österreicher haben wird! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.58

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte zur Erweiterung sagen: nichts Neues. Es gab immerhin schon dreimal Erweiterungsrunden. Das erste Mal um England, Dänemark und Irland, das zweite Mal um Spanien, Portugal und Griechenland, das dritte Mal um Österreich, Schweden und Finnland. Und doch ist viel Neues und auch Schwieriges dabei.

Zum ersten Mal sind Verhandlungen mit postkommunistischen Ländern zu führen. Warum ist das so schwierig? Hier geht es nicht nur um den Acquis communautaire, um den Rechtsbestand, den jeder übernehmen muß – vor allem auch in den Grundrechtsfragen, denn wenn wir hier keine Gemeinschaft sind, dann ist das nicht sehr sinnvoll –, sondern auch um die Wirtschaftsfragen und in viele andere Probleme.

Aber es kommt bei diesen Ländern noch die ideologische Gehirnwäsche hinzu. Jahre und Jahrzehnte hindurch wurden sie entwöhnt, den Freiheitsraum zu schätzen, um auch Entscheidungen fällen zu können. Es gibt doch immer wieder jene Beispiele aus der Praxis, daß jemand etwa sagt: Ich möchte haben, daß das Exportministerium meine Exportquote festlegt, nicht ich als Manager. Das kann man nicht von heute auf morgen ändern. Die Bewußtseinsfrage ist eine langfristige Frage, und sie wird uns innerhalb der Europäischen Union lange belasten.

Wir haben die Schwierigkeit, das kommunistische Erbe überhaupt zu übernehmen, sei dies nun Tschernobyl, seien es die katastrophalen ökologischen Zustände in gewissen Bereichen der postkommunistischen Länder oder die vielen anderen Probleme, wie etwa die geringe Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. All das macht die Frage noch viel schwieriger. Man kann hier nicht sagen: Auch Portugal lag weit unter dem Durchschnitt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Europäischen Union.

Es wäre aber falsch, immer nur die Schwierigkeiten zu sehen. Man muß sie jedoch realistisch sehen, man muß sie bewältigen.

Meine Damen und Herren! Warum sind wir dafür? – Weil wir Interesse haben an einem Europa, das keine Bruchlinien hat, und daran, daß wir Grenzen haben mit Nachbarn, die ebenso stabil sind wie wir. Die Stabilität der Ungarn, der Slowenen und der anderen Nachbarn ist teilweise auch unsere Stabilität. Frieden verlangt Stabilität, und daher wollen wir, daß auch diese Länder dabei sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie müssen genau die gleichen strukturellen Änderungen durchführen, die wir durchführen mußten, und aufgrund ihrer Vorgeschichte noch viele weitere. Nur dann werden sie wirtschaftlich und sozial leistungsfähige Einheiten bilden. Dann wird es zwischen uns zwar diese schärfere Konkurrenz geben, aber auch die Stabilität, von der ich vorhin gesprochen habe.

Meine Damen und Herren, ich glaube, das muß unser Ziel sein, vor allem Österreichs Ziel.

Es bestand immer schon eine unserer Funktionen darin, eine Brücke zu bilden. Man braucht hier gar nicht erst über die Neutralität zu streiten, denn ich glaube, unsere geographische Position verlangt, daß wir auch eine Brücke zu diesen Ländern bilden. Nicht zuletzt ist die Erwartungshaltung bei diesen Ländern sehr groß. Es war nicht nur aus besonderer Freundlichkeit, daß die Europäische Union beziehungsweise die Europäische Kommission als das damals maßgebliche Organ im Gutachten zu unserem Ansuchen festgestellt hat, daß es eine andere Europapolitik im Südosten Europas gäbe, wenn ein Land wie Österreich Mitglied wäre, das immerhin Erfahrung im Zusammenleben mit diesen Menschen, mit diesen Völkern hat, das sie gut kennt, das dort gut bekannt ist – trotz aller Schwierigkeiten, die auch die Geschichte aufgezeigt hat. Ich glaube, wir sollten diesen Weg in unserem Interesse gehen, auch wenn die Voraussetzungen – ich betone dies nochmals – sehr schwierig sein können.

Da wäre etwa die Änderung der gemeinsamen Agrarpolitik – es gibt wenige Dinge, die schwieriger sind als die Lösung dieser Frage –, die Steuerpolitik, die Institutionenreform. Es kann nicht nur ein "widening" geben. Das quantitative Denken allein führt nie zu Qualität in der Gesellschaft. Wir brauchen auch das "deepening", die verstärkte politische Integration, um sie leistungsfähig zu erhalten.

Offen gesagt, das einzige Argument, das für mich dagegen sprechen würde, wäre eine Ausrichtung nur auf "widening", nur auf Vermehren, ohne eine Verbesserung der Leistungs- und Entscheidungsfähigkeit. Das kann nicht unser Ziel sein, die wir ein gemeinsames Europa ernst nehmen. Das kann auch und wird hier auch zu Diskussionen führen. Aber denken wir doch ein bißchen zurück: Das alles gab es auch in den letzten Jahren. Es wird eine Katastrophe, wenn wir Mitglied werden, hat es geheißen. Es wird eine Katastrophe für unsere Goldreserven. Es wird eine Katastrophe, wenn wir der Währungsunion beitreten. – Wir alle haben es gemeistert, wenn es auch gelegentlich Schwierigkeiten gab.

Ich bleibe bei meiner Überzeugung: Die Österreicher sind besser, als sie dies gelegentlich von sich aus annehmen. Man braucht nur die Geschichte zu betrachten. Das ist, glaube ich, der einzige Weg, wo wir auch in der Erweiterungsfrage einen glaubwürdigen Beitrag leisten können, der unseren Interessen entspricht, der den Nachbarn und ihren Interessen entspricht und der dem europäischen Frieden dient, den wir alle anstreben. (Beifall bei der ÖVP.)

22.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gredler. – Bitte.

22.04

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Mit diesem Entschließungsantrag möchte ich eigentlich bewirken, daß uns im Hohen Haus alle Unterlagen, alle wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit der Erweiterungsproblematik oder mit der Erweiterungsdiskussion befassen, zur Verfügung gestellt werden.

Es gab von Kollegen Schieder die Anregung, daß diese Unterlagen dem Rat für Integration zur Verfügung gestellt werden. Wir sind der Meinung, daß diese Diskussion im Hohen Haus stattzufinden hat, und zwar mit einer möglichst breiten Öffentlichkeit. Herr Kollege Nußbaumer, ich kann Ihre Argumentation hier überhaupt nicht verstehen. Ich habe den Eindruck, Sie sind wirklich mit Scheuklappen durch Europa gegangen. Ich habe Sie damals, als Sie mit mir im Europäischen Parlament waren, völlig anders gesehen. Was jetzt passiert ist, kann ich mir nicht erklären. Offensichtlich haben Sie ein gewisses Shampoo verwenden müssen, das Tiefenwirkung gehabt hat. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Anpassen muß er sich!)

Ich möchte hier in aller Kürze nur einmal die anderen Aspekte der Erweiterung beleuchten. Es ist die beste Politik zur Verringerung des Auswanderungsdruckes, wenn Reformländer im Aufbau ihrer Wirtschaft unterstützt werden. Es macht ja Sinn, daß die Wirtschaft in diesen Ländern aufgebaut wird, damit kein Immigrationsdruck entsteht. (Abg. Dr. Graf: Sie könnten sich auch ein bißchen mit der Regierung auseinandersetzen, nicht nur immer mit uns!) Wenn man Grenzlandförderungen verlangt, dann ist es völlig klar, daß diese dorthin gehen müssen, wo die Situation schlechter ist als bei uns. (Abg. Dr. Graf: Ihre Europapolitik erschöpft sich im Hinhageln auf die Freiheitlichen!) Genau das aber wollen Sie gar nicht. Sie wollen das Umgekehrte, nämlich daß die Differenz bestehen bleibt! Das ist völlig unlogisch! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Wir wollen, daß es keine Differenz gibt. Deshalb wollen wir aus einer Wirtschaftsrandlage, in der wir uns eigentlich befunden haben, heraus, um im Herzen Europas zu sein. Dies ist nur möglich, wenn wir keine Barrieren in Richtung Osten haben, und deshalb wollen wir die Osterweiterung haben. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Aumayr: Wenn die Barrieren aber bestehen, Frau Kollegin! Wenn die Barrieren bestehen!)

Es geht weiter: Wenn man sich auf die Situation der Grenzregionen und darauf, was in dieser Ostöffnungsphase passiert ist, bezieht, dann kann man nur sagen, daß die Beschäftigung in diesen Gebieten (Abg. Dr. Graf: Sie schaffen es noch, daß wir anders abstimmen werden!) – ich werde Ihre Zwischenrufe nachlesen, ich habe jetzt keine Zeit, mich damit zu befassen – um 12,6 Prozent gestiegen ist, während die Beschäftigung im restlichen Österreich um 6,3 Prozent gestiegen ist. Die Osterweiterung wird die Grenzregionen beleben, die sonst tote Regionen sind!

Die Handelsbilanz mit Mittel- und Osteuropa erreichte 1997 einen Überschuß von 20,3 Milliarden Schilling. Sie werden mir doch zugestehen, daß das Zahlen sind, die Ihnen auch zur Verfügung stehen. (Zwischenruf des Abg. Ing. Nußbaumer.) Die Exporte nach Ungarn, Tschechien, in die Slowakei und nach Polen sind zwischen 1989 und 1997 von 18,9 auf 77,4 Milliarden Schilling gestiegen. Der Anteil an den gesamten Exporten ist im selben Zeitraum von 4,4 auf 10,9 Prozent gestiegen. Das sind doch Zahlen, die Ihnen als "Wirtschaftsmann" irgendwie zu denken geben müssen. (Abg. Ing. Nußbaumer: Das ist alles ohne Erweiterung geschehen, bitte! Allein durch die bestehenden Verträge!) Dann lesen Sie die Studien von Breuss, Keuschnigg und Baldwin!

Das Wirtschaftswachstum, das wir zusätzlich durch die Ostöffnung erreicht haben, reicht von 0,9 bis 2,6 Prozent. Sie können doch wohl nicht behaupten, daß das ein Rückschritt wäre, wenn man dann die Osterweiterung erwirken würde. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Nußbaumer: Dazu brauchen wir doch die Osterweiterung nicht!)

Weiters gibt es Studien, die sehr interessant sind und die ich Ihnen auch ans Herz legen möchte (Abg. Dr. Graf: Ihre Europapolitik erschöpft sich im Kritisieren der Freiheitlichen!), die nämlich die Entwicklung der Arbeitskräfte analysieren und den dramatischen Rückgang des Anteils der erwerbstätigen Bevölkerung aufzeigen (Abg. Dr. Graf: Die ÖVP und die SPÖ lehnen Ihren Antrag ab, und Sie hacken auf uns herum! Das soll noch jemand verstehen! Wir stimmen Ihrem Antrag zu – ich verstehe das nicht!), den es in Österreich zwischen dem Jahr 2015 und dem Jahr 2030 geben würde. Dieser Rückgang ist in der Studie von Walterskirchen mit 650 000 beziffert, und deshalb brauchen wir Einwanderer. Wir brauchen Einwanderer, um unser Sozialsystem zu erhalten (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – Beifall beim Liberalen Forum), und wir sind der Meinung, daß unsere osteuropäischen Nachbarn uns dabei helfen werden und daß sie willkommen sind. (Abg. Mag. Stadler: Das ist eine Einwanderungsstrategie!)

Ich finde, daß die Regierungsparteien eine gute Grundlage zur Diskussion in Österreich erarbeiten sollten. Das ist das Ziel, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

22.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

22.09

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich würde anregen, daß wir diese Diskussion ganz pragmatisch führen. Ich bin der Auffassung, es wird in der gesamteuropäischen Debatte ohnedies eine Fülle an Diskussionen und eine Fülle an Informationen geben. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Beitrittskandidaten erreichen im Moment einen Schnitt von rund 32 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistungen der EU. Gefordert sind 70 bis 80 Prozent.

Gibt es eine entsprechende wirtschaftliche Entwicklung, dann ist das positiv, dann wird das natürlich auch zu einem Ausbau der Infrastruktur führen, dann wird das dort zu einem Lohnanstieg führen. Wir alle wollen nicht, daß es durch eine übereilte Öffnung oder Erweiterung zu einem Lohndruck kommt. Wir alle wollen nicht, daß es zu einem Immigrationsdruck und damit zu einem Lohndruck und zu einer verschärften Situation auf dem Wohnungs- und auf dem Arbeitsmarkt kommt. Die Voraussetzung für den Beitritt ist, daß der Acquis communautaire erfüllt wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Diese Entwicklung wird in Zeiträumen stattfinden, die wir schwer abschätzen können, denn das hängt unter anderem vom Tempo ab, in dem die Länder dieses EU-Recht übernehmen, vom Tempo und von der Qualität der wirtschaftlichen Entwicklung. Daher brauchen wir hier keine Glaubensdiskussionen zu führen. Was Sie glauben und was ich glaube, das ist unbedeutend, denn wenn die Entwicklung in diese Richtung geht, dann wird es zu dieser Verflechtung und zu dieser ökonomischen Integration kommen. Dann ist das aber auch positiv, denn dann wird das natürlich auch zur Erschließung neuer Märkte führen, dann wird es zusätzliche Wachstumsimpulse und Beschäftigungsimpulse geben, und darauf sollte man sich konzentrieren. (Abg. Ing. Nußbaumer: Die Märkte sind doch schon offen!)

Herr Abgeordneter! Mich interessieren nur die Fakten, nicht aber Ihr monotones Gesabber von der rechten Seite her! Sie hätten sich nur die Aussendungen der Austria Presse Agentur vom 4. November ausheben lassen sollen. Sie werden wissen, daß es eine Pressekonferenz der Kommission gegeben hat, in welcher dargestellt wurde, daß man keine Kommissionsempfehlung für eine Ausweitung der Beitrittsverhandlungen geben will. Es wurde ein Bericht über die Fortschritte der EU-Beitrittskandidaten gegeben. Man hat Kritik geübt. Diese Kritik sollte man jedoch weder dazu verwenden, um gegen die Osterweiterung zu argumentieren, noch sollte man sonst irgendwie damit polemisieren, sondern man sollte sie simpel als ein Faktum, das auf dem Tisch liegt, betrachten.

Die Kommission sagt beispielsweise, daß es "in Osteuropa in den vergangenen 18 Monaten teilweise zu wenig Fortschritte" gab. – Ich zitiere jetzt aus dieser APA-Aussendung. – Es wird von einer "beängstigenden Verlangsamung bei der Übernahme von EU-Recht" gesprochen. "Tschechien, Polen, Ungarn, Estland und Slowenien hätten weiter funktionierende Marktwirtschaften, die mit dem Wettbewerbsdruck der EU fertig werden könnten. Allerdings hätten Tschechien und Slowenien ihre Anstrengungen verringert, EU-Recht zu übernehmen."

Kommissar Fischler sagt – Sie brauchen sich nur die APA-Aussendung auszuheben! –: "Tschechien und Slowenien hätten die Erwartungen nicht voll erfüllt. Beide Staaten hätten bei der Privatisierung Nachholbedarf, Tschechien besonders im Bankensektor. Auch die Übernahme der EU-Wettbewerbsregeln sei noch nicht zufriedenstellend. Slowenien tut nichts bei der Abschaffung von Staatsmonopolen. Am weitesten bei der Übernahme der EU-Bestimmungen seien Polen und Ungarn." (Abg. Ing. Nußbaumer: Sie geben meinen Argumenten recht!) – Überhaupt nicht!

Wissen Sie, warum ich das zitiere? – Um darzustellen, daß es hier Öffentlichkeit gibt und daß Information weitergegeben wird, und um darzustellen, daß die Kommission sehr kritisch ist und daß das Auswirkungen auf den Zeitrahmen haben wird. All das sind jedoch keine Argumente, um gegen die EU-Erweiterung aufzutreten, sondern das zeigt nur, daß hier sehr gründlich gearbeitet wird.

Es wird sogar gesagt, daß die Reformen der "Agenda 2000" bisher kaum vorangekommen sind. Man übt also sogar Selbstkritik! Man ist sich auch der Notwendigkeit bewußt, über Reformen im Agrarbudgetbereich nachzudenken. Und man weiß auch, daß es Institutionenreformen geben muß. – Da muß man sich halt am Riemen reißen und dafür auch etwas tun. Das Herumreden, Herumsabbern oder Ängste zu verbreiten ist hingegen völlig nutzlos, völlig sinnlos, nützt ökonomisch niemandem, nützt sozial niemandem und nützt politisch niemandem! Vielmehr muß man einfach die Informationen, die Statistiken, die Daten, die Entwicklungen, die Fakten zur Kenntnis nehmen und aufgrund dieser Faktenlage den Entwicklungsprozeß, der sich aufgetan hat und den wir mittragen, mitvollziehen und sinnvoll umsetzen und sonst gar nichts! (Abg. Dr. Graf: Eine Debatte ist aber zulässig, oder?) Nicht glauben, daß daraus populistisches Kleinkapital geschlagen werden kann, mit dem Sie irgendwelche Ängste wecken und irgendwelche Wahlen gewinnen zu können glauben. Auf diese Weise werden Sie mit Sicherheit den kürzeren ziehen! Die Geschichte ist zumindest nicht auf Ihrer Seite! (Beifall bei der SPÖ.)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte.

22.14

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Visoki Dom! Gospod minister! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Präsident! Ich glaube, es sind der Argumente genug gefallen. Danke, Herr Kollege Nußbaumer, daß Sie sich in die erste Reihe gesetzt haben, denn dann können wir uns jetzt vielleicht doch noch verständigen!

Was ist der Sinn der Osterweiterung? – Drei Aspekte sind zentral hervorzuheben: Die Sicherheit in Europa ist zu erhöhen, daher sagen wir zur Südosterweiterung ja. (Zwischenruf des Abg. Ing. Nußbaumer.) Die wirtschaftliche Entwicklung in Gesamteuropa ist zu stärken, daher sagen wir zur Osterweiterung ja. Die kulturelle Buntheit in Europa ist zu erhalten und zu festigen, daher sagen wir zur Osterweiterung ja. Demokratie bei uns und auch anderswo, auch im Osten und im Südosten, ist zu stärken, daher sagen wir abermals ja. (Abg. Ing. Nußbaumer: All das wird ja gemacht!)

Ich verstehe die Freiheitliche Partei nicht. Wir wissen ganz genau: Wenn diese Staaten das bestehende europäische Recht annehmen, dann müssen sie manche Veränderungen auch in ihren eigenen Ländern durchführen. Das heißt: Das ist der beste Reformschub, den wir bewirken können! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Ing. Nußbaumer.)

Öffnung jetzt! – Opening now! Odprt je zdaj! Das sollte unser Slogan sein. Dann könnten wir vorangehen, und das umso mehr, als wir ja jetzt bereits in einem Ausmaß profitieren ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Nußbaumer.) Kollege Nußbaumer! Sie sind ein anständiger, redlicher Mensch! Schauen Sie sich die Statistiken an! Schon jetzt leben wir besser, gerade wegen der Osterweiterung, weil es uns gelungen ist, mit dem Osten wirtschaftliche Projekte zu realisieren, und weil wir menschlich gute Beziehungen zu den Menschen dort haben. Deshalb bin ich der Auffassung, daß wir hier rasch vorgehen sollen!

Gerade die Berichte zum Beispiel aus Polen, aus Slowenien und auch aus Tschechien zeigen, daß man dort bereits beginnt, das Reformtempo ein bißchen zurückzunehmen. Daher sind es falsche Signale, die aus Pörtschach gekommen sind, anstatt zu sagen: Ja, wir gehen den raschen Schritt nach Europa, und zwar gemeinsam, wir nehmen euch mit, wir haben Mut, diesen Schritt mit euch zu machen, weil wir wissen, daß ihr mitkommen wollt, daß ihr reformieren wollt, daß ihr manches von dem annehmen wollt, was für uns schon gilt, und auch zu sagen: Wir brauchen euch in Europa auch als Bereicherung und als starke wirtschaftliche Partner. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wer heute weiterhin seine Produkte herstellen möchte, braucht kaufkräftige, starke Käufer, und er braucht vor allem auch die starken und gut ausgebildeten Freunde aus unseren Nachbarländern, um auch bei uns Arbeitsplätze zu sichern. Das ist doch die ganz einfache Formel, die man in der ersten Proseminarstunde lernt: Arbeitsplätze im Nachbarstaat bedeuten Wohlstand auch bei uns. (Abg. Ing. Nußbaumer: All das wissen wir!) Nach dieser Formel handelt die Schweiz täglich, deshalb geht es der Schweiz soviel besser. Die Wirtschaftsdaten stimmen, wenn die Grundhaltungen stimmen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

In der Frühdebatte haben Sie wieder versucht, die Geschichte aufzuwärmen. Ich sage jetzt bewußt "aufwärmen", denn Sie mißbrauchen Fragen der Menschenrechte und auch Fragen der Rechte der Sudetendeutschen für Ihren ganz privaten politischen Wahlkampf, den Sie auch hier im Hause immer führen wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist aber nicht das Thema. Das Thema sind die Menschen in Europa und die Menschen hier bei uns, die die Wirtschaft und die Kultur betreiben, die Menschen, die bereit sind, ein gemeinsames Europa zu schaffen. Schreiben Sie sich das bitte ins Stammbuch! (Abg. Ing. Nußbaumer: Das Thema ist die Vorbereitung Österreichs darauf, nicht die Vorbereitung der anderen!)

In der Früh gab es einen kleinen Zwischenruf – ich weiß nicht, ob er von Ihnen oder von der ÖVP kam –: "Wie hältst es denn du mit der Nachbarschaftshilfe?" – Da hat wieder einmal einer nicht begriffen, daß es mir nur dann gutgeht, wenn es auch dem Nachbarn gutgeht! Wer das nicht begreift, der ist wirklich nicht reif für dieses Europa! Aber zockeln Sie nur hinterdrein; es wird aber einige geben, die vorne sein werden – Sie sicher nicht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

22.19

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bedauere, daß diese Diskussion so spät und – unter Anführungszeichen – "nur" im Zuge eines Antrages stattfindet und daß es sich hiebei nicht um eine wirklich umfangreiche parlamentarische Debatte handelt, die zunächst im Ausschuß und dann im Plenum oder im Hauptausschuß geführt wird, wo sie wahrscheinlich hingehört.

Auch ich bin der Auffassung, daß es die parlamentarische Auseinandersetzung über die Erweiterung der Union eigentlich nicht gibt. – Das einmal vorweg. Die Haltung der FPÖ kenne ich, auf die mag ich mich jetzt gar nicht mehr einlassen! (Abg. Böhacker: Jetzt sind Sie schon wieder bei uns!) Das, was mich viel mehr interessiert, ist die Haltung der ÖVP und der SPÖ, denn mir kommt vor, daß es da eine allgemeine, vordergründige Zustimmung gibt. (Abg. Dr. Graf: Die haben keine Haltung, die setzen nur Scheinaktivitäten!) Daher meine ich, daß die Frage erlaubt ist: Wieso stimmen Sie dem Antrag nicht zu, der vorliegt? Das würde niemandem wehtun und kostet sozusagen nicht einmal etwas.

Viel beachtenswerter ist allerdings das, was hinter dieser allgemeinen Zustimmung steht, wenn man auf die Zwischentöne hört und darauf achtet, was zwischen den Zeilen steht.

Kollege Cap hat ausgeführt, was alles ohnehin so gut ist. Er hat gesagt: Die Kommission prüft, es wurde ohnehin alles kritisch festgestellt, und das kann man nachlesen. Etwas ist aber völlig untergegangen: All das ist natürlich viel zuwenig! (Abg. Ing. Nußbaumer: Das ist zuwenig! Da gebe ich Ihnen recht!)

Es genügt nicht zu sagen: Es ist alles auf den Schienen und läuft, jetzt schauen wir einmal, was die Länder zusammenbringen, die Kommission wird das schon prüfen, und dann sehen wir, in welchem Zeitraum das möglich ist. – So wird es nicht gehen, sage ich, denn es werden ganz bestimmte Maßnahmen notwendig sein, angefangen von der Ermittlung des Spektrums an Förderungen, die möglich sind und die in Erarbeitung sind, bis hin zur klaren Formulierung der Erkenntnis, die mir allgemein noch fehlt, daß die Erweiterung der Union etwas kosten wird. Das traut sich momentan weder die Kommission noch die Bundesregierung, noch sonst irgend jemand auszusprechen. Dabei ist noch gar nicht gesagt, ob sie den einzelnen Steuerzahler wirklich etwas kosten wird beziehungsweise wie sich diese Kosten dann verteilen werden. Das wäre interessant zu diskutieren, und da gäbe es durchaus noch mehr Möglichkeiten und Optionen. So sehe ich das zumindest.

Tatsache ist, daß es einfach eins zu eins, wie der EU-Haushalt bisher gelaufen ist, nicht gehen wird. Das ist meine Überzeugung. Das sieht man bereits jetzt, wenn man sich anschaut, wie an diesem Förderinstrumentarium herumgebastelt und prognostiziert wird, wie es in Zukunft ausschauen kann. Dabei wird am auffälligsten augenscheinlich, daß man versucht, mit den bisherigen Mitteln halt irgendwie Dinge abzudecken, die bisher nicht abgedeckt wurden. Das wird sich aber nicht ausgehen. Dieser Diskussion müßten wir uns meiner Meinung nach stellen. Es müßte erörtert werden, welche Maßnahmen zusätzlich noch zu setzen sind. Denn sonst wird es, wie ich befürchte, zu folgender Entwicklung kommen: Alle werden sagen, daß sie für die Erweiterung der Union sind. Diese wird aber nicht in den nächsten fünf, sieben oder acht Jahren stattfinden, sondern wahrscheinlich erst in den nächsten zehn bis 15 Jahren, wenn nicht noch später. Das wird jedoch weder für uns noch für die Länder, die beitreten, von Vorteil sein. Denn die verschiedensten Untersuchungen zeigen bereits, daß es wesentlich besser für beide Seiten ist, wenn der Zeitraum der Übernahme insgesamt, nicht nur der Normen und der ganzen Logistik, möglichst kurz ist.

Daher bemerke ich nun an die Adresse der Bundesregierung: Es gibt ein paar Debatten, die kontraproduktiv sind. So ist etwa die Debatte über die Nettozahler im Zusammenhang mit der Erweiterung der Union absolut kontraproduktiv. Weiters ist die Debatte darüber, daß die Länder des Ostens schon Schengen-Mitglieder sein müssen, bevor sie überhaupt beitreten, meiner Meinung nach kontraproduktiv, wenn nicht einmal alle jetzigen Mitgliedsländer der Union Schengen-Mitglieder sind. Selbst die Debatte darüber, ob Länder, die Mitglieder in der Wirtschafts- und Währungsunion sind, weiterhin Mittel aus dem Kohäsionsfonds beziehen sollen, ist kontraproduktiv, weil sie den Blick auf innovative Lösungen für eine Erweiterung verstellt, die über die unmittelbare Osterweiterung hinausgeht und einen Ausgleich der Disparitäten innerhalb der Union schaffen könnte. Wenn man die Diskussion so beginnt, verstellt man sich den Blick für längerfristige Perspektiven.

Ich komme zu meinem letzten Satz: Am meisten bestürzend dabei finde ich, daß Sie heute diesen Antrag nicht annehmen, denn das empfinde ich als eine Überheblichkeit der Koalition. Anstatt darüber zu diskutieren, wie wir diese Erweiterung möglichst positiv unterstützen und politisch begleiten können, legen Sie die Überheblichkeit an den Tag und sagen: Das brauchen wir nicht, das haben wir schon, danke, das wollen wir nicht annehmen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

22.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Firlinger. Er hat eine Redezeit von einer Minute. – Bitte.

22.25

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sosehr es begrüßenswert wäre, wenn man über dieses Thema zu einer ordentlichen Tageszeit ausführlich diskutieren könnte, so sehr fällt mir auf, daß diese Diskussion jetzt zu überhaupt nichts mehr führt.

Wir Freiheitlichen tragen den Antrag der Liberalen mit, weil auch wir der Meinung sind, daß eine entsprechende, eine langfristige Vorbereitung für diese Erweiterung notwendig ist. Die Mitglieder dieser Fraktion machen jedoch nichts anderes, als flegelhaft über uns herzufallen und undifferenzierte, niedrige Kritik zu üben. Das ist offenbar Ihr Auftrag, und mehr haben Sie nicht zu sagen. Das ist eine Schande! Schämen Sie sich für diese Vorgangsweise! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich ersuche Sie, das Wort "flegelhaft" zurückzunehmen. Ich glaube, beim Wort "flegelhaft" haben Sie sich geirrt. Nehmen Sie es zurück? (Abg. Mag. Firlinger: Ich nehme das Wort "flegelhaft" zurück und ersetze es durch das Wort "ungebührlich"!) – Ich danke Ihnen dafür!

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. König. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

22.26

Abgeordneter Dkfm.DDr. Friedrich König (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die grüne Fraktion und auch die Liberalen haben die Frage gestellt, warum wir diesem Antrag nicht zustimmen werden. – Die Antwort ist ganz einfach: Die Koalitionsparteien haben bei der gesamten Europapolitik immer eine Politik mit Augenmaß betrieben, sowohl beim Euro wie auch jetzt bei der Osterweiterung.

Übrigens möchte ich gleich klarstellen: Wenn Sie sagen, daß Ihnen die Unterlagen und die Studien darüber fehlen, welche Vorbereitungen getroffen werden, dann kann ich Ihnen mitteilen, daß all das über Internet abrufbar ist. Das wird von der Bundesregierung bereitgestellt, man muß es nur abrufen! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Gredler! Mit den Aussagen, die Sie und auch die Grünen hier treffen, setzen Sie das falsche Signal im Hinblick auf den erstrebten Zweck. Sie sagen, daß ein rascher Beitritt nur mit Übergangsfristen anzustreben ist und daß ein berechtigter Anspruch auf die rasche Erlangung der Mitgliedschaft besteht. – Das trifft nicht zu! Vielmehr hängt es, wie Sie selbst aus den Kopenhagener Beschlüssen erkennen können, vom Tempo der Verwirklichung des Acquis communautaire ab: nicht nur der Übernahme, sondern der Verwirklichung! Es geht nicht nur um das Beschließen von Gesetzen, sondern es geht darum, daß die entsprechenden Institutionen vorhanden sind, daß die Gesetze ausgeführt werden, daß die Reformen durchgeführt werden und daß der Acquis communautaire, das heißt der Rechtsbestand der Europäischen Union, in diesen Ländern, mit Ausnahme jener Bereiche, für welche man ausdrücklich Übergangslösungen vereinbart hat, umgesetzt wird.

Jede Erwartung, daß man einfach beitreten und erst nachträglich die Anforderungen erfüllen kann, ist falsch. Damit erwecken Sie falsche Hoffnungen, weil das einfach nicht möglich ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler.) In Spanien und Portugal war eine lange Vorbereitungsphase notwendig, obwohl dort marktwirtschaftliche Strukturen bestanden, die es in den Ostländern nicht gibt! In diesen Staaten bedarf es auch eines gewissen Reifungsprozesses, bis die Leute umdenken, daß die soziale Marktwirtschaft andere Anforderungen an sie stellt als die Planwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Wort noch zu dem Nein, das Abgeordneter Nußbaumer dankenswerterweise einmal ganz klar formuliert hat. Sie haben gesagt: Das ist der Grund für unsere Ablehnung der Osterweiterung. – Bisher haben wir immer gehört, daß die Freiheitlichen diese eigentlich nicht ablehnen, sondern nur der Meinung sind, daß es so nicht geht. Sie sagen es jedoch ganz klar. Sie waren beim Euro dagegen, und Sie sind jetzt wieder dagegen. Damit nehmen Sie eine Position ein, über die die Geschichte hinweggehen wird. Es wäre doch viel vernünftiger, auch von Ihrer Seite mitzuwirken, daß die Bedingungen erfüllt werden, die wir erfüllen müssen, damit die Osterweiterung durchführbar ist. Dazu gehört gemäß Programm die Vorbereitungshilfe durch die EU, damit in diesen Ländern das Gefälle abgebaut und eine entsprechende Struktur geschaffen werden kann. (Abg. Ing. Nußbaumer: Es geht darum, welche Vorbereitungen die österreichische Bundesregierung für diese Osterweiterung trifft!) Sie finden das im Internet, Sie brauchen nur nachzuschauen! (Abg. Ing. Nußbaumer: Wir lehnen die Osterweiterung deshalb ab, weil es keine Vorbereitungen gibt!) Diese Behauptung stimmt nicht! Ich habe Ihnen gesagt: Sie können die entsprechenden Informationen sogar über Internet abrufen!

Diese Vorbereitungsstrategie ist die einzig mögliche, denn man muß das Gefälle senken, damit das Andocken ohne Erschütterungen in den neuen Beitrittsländern vor sich geht, damit ihre Wirtschaft nicht gleich durch die Konkurrenz kaputtgeht und damit alles auch ohne Erschütterungen bei uns bewerkstelligt werden kann.

Kollege Cap hat völlig recht: Wir in der Koalition sind für eine Osterweiterung, weil diese notwendig ist. Diese Wiedervereinigung dieses Kontinents, diese Sicherheitsgemeinschaft und Friedensgemeinschaft von ganz Europa, muß aber mit Augenmaß und mit Verantwortung verwirklicht werden. Sowohl das Wecken von Hoffnungen, daß es sozusagen im Galopp gehen kann, ohne daß die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden, als auch die grundsätzliche Ablehnung, das Spekulieren mit Ängsten und das Schüren von Ängsten sind hingegen kontraproduktiv. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, nicht für Europa, aber auch nicht für Österreich! (Beifall bei der ÖVP.)

22.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

22.31

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, zur Osterweiterung sollte die zentrale politische Zielsetzung außer Streit gestellt werden, daß der beste Beitrag zur Stabilisierung des gesamteuropäischen Kontinents natürlich die Erweiterung der Europäischen Union ist. Ich meine, wenn wir von diesem Bekenntnis ausgehen, können wir darüber diskutieren, unter welchen Bedingungen diese Osterweiterung stattfinden soll. Diesbezüglich hat sich die Europäische Union zu einer realistischen Vorgangsweise entschlossen, die auch darin zum Ausdruck kommt, daß nicht abgewartet wird, bis alle Teile des Acquis-Screenings fertig sind, sondern daß etwa bereits am 10. November in Wien Verhandlungen zu den ersten konkreten Kapiteln unter österreichischer Präsidentschaft begonnen werden. Damit entsteht kein Zeitverlust, und man kann ganz konkret die Probleme diskutieren, die in diesem Zusammenhang auf der Tagesordnung stehen.

Ein weiterer Punkt, der, glaube ich, ganz wesentlich ist: Es wird immer über die Frage globaler Wirtschaftsvergleiche gesprochen. Ich halte diese Herangehensweise, offen gestanden, für zu kurz gegriffen. Denn es ist nicht entscheidend, ob ganz Polen, ganz Ungarn oder ganz Tschechien dieselben oder ähnliche Wirtschaftsdaten wie Österreich oder Deutschland haben. Vielmehr ist entscheidend, ob es an den Grenzen eine regionale Wirtschaftsentwicklung gibt, die den Übergang von einem Land zum anderen harmonischer macht.

Was meine ich zum Beispiel? – Es tut der europäischen Integration keinen Abbruch, daß zum Beispiel in Südspanien die Arbeitslosenrate leider nach wie vor 20 Prozent beträgt. Viel wichtiger war, daß es im Norden Spaniens, in Katalonien, eine Wirtschaftsentwicklung gegeben hat, die dazu geführt hat, daß zwischen Südfrankreich und dem Norden Spaniens heute de facto keine ökonomischen Unterschiede mehr bestehen und damit ein Zusammenwachsen mit all den positiven Konsequenzen möglich war. Es hat keine Wanderungsbewegung beziehungsweise keine Flucht hin an den Platz gegeben, wo es höhere Löhne geben würde oder ähnliches.

Wenn man das differenziert betrachtet, dann sieht man, daß in der Vorbereitung der Osterweiterung bereits heute sehr unterschiedliche Entwicklungen in den osteuropäischen Staaten vor sich gehen. Sehen Sie sich zum Beispiel die ökonomische Lage in Westungarn an: Diese unterscheidet sich bedeutend von der Entwicklung jener Gebiete, die weiter entfernt sind vom bisherigen Bereich der Europäischen Union. Ich glaube daher, daß es notwendig ist, viel mehr darüber nachzudenken, wie die neuen grenzüberschreitenden Räume gestaltet werden können.

In diesem Zusammenhang sage ich auch ganz offen etwas zur Frage der bisherigen Grenzregionen Österreichs. (Abg. Ing. Nußbaumer: Es würde auch zu kurz greifen, wenn Sie die Landwirtschaft nicht einbinden!) Herr Kollege Nußbaumer! Reden wir ganz offen! Wir haben doch jahrzehntelang argumentiert, daß der Entwicklungsnachteil zum Beispiel des Wald- und des Weinviertels darin besteht, daß es an der toten Grenze, am Eisernen Vorhang liegt und daher kein ökonomisches Hinterland vorhanden ist. Wenn jetzt die Frage der Osterweiterung auf der Tagesordnung steht, dann müssen wir uns dessen bewußt sein, daß erst durch die Osterweiterung die Möglichkeit besteht, daß auch die bisherigen Grenzbereiche Österreichs die Chance bekommen, gemeinsam mit den stärksten Wachstumspolen des Ostens zu Zonen grenzübergreifenden Wirtschaftswachstums zu werden.

Daher bin ich der Meinung, daß manchmal auf Basis falscher Unterstellungen Ängste geschürt werden, die in Wirklichkeit nicht im wohlverstandenen Interesse Österreichs gelegen sind. Denn bei aller politischen Bedeutung der Osterweiterung für Gesamteuropa muß völlig klar sein, daß einer der Hauptprofiteure politisch, ökonomisch und langfristig auch sozial Österreich sein wird. Österreich wird in Zukunft im Herzen eines zusammenwachsenden Europa mit allen ökonomischen Vorteilen liegen, und diesen Kernpunkt sollte man in der politischen Debatte außer Streit stellen! (Beifall bei der SPÖ.)

22.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Smolle zu Wort gemeldet.

Ich bitte, den zu berichtigenden Tatbestand zu definieren und diesem den tatsächlichen gegenüberzustellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.36

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter König hat behauptet, daß die Liberalen – Frau Gredler oder ich – gesagt hätten, daß wir dafür seien, daß die Osterweiterung ohne Erfüllung der Voraussetzungen erfolgt.

Ich stelle hiermit klar fest: Wir sind der Auffassung, daß die Voraussetzungen, Acquis communautaire und auch die Kopenhagener Erklärung, von diesen Staaten zu erfüllen sind. Daß ich das so gesagt habe, beweist auch die Tatsache, daß die FPÖ nunmehr mitgeht, weil sie verstanden hat, daß auch Menschenrechte und Volksgruppenrechte damit gemeint sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hiermit ist, da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 1440 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Außenpolitischen Ausschusses zustimmen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist mit Mehrheit so beschlossen.

Ich danke dem Herrn Außenminister und Vizekanzler.

18. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes Wiener Neustadt (40E Vr 1101/98, Hv 200/98) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider (1474 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum letzten Punkt der Tagesordnung.

Es liegen mir keine Wortmeldungen dazu vor.

Daher kommen wir sogleich zu den beiden Abstimmungen, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Immunitätsausschusses, folgendes zu beschließen:

Erstens: In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 28. September um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider wird im Sinne des Artikels 57 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz festgestellt, daß ein Zusammenhang zwischen der vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider besteht.

Zweitens: Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider wird zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Immunitätsausschusses zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Dies ist mit Mehrheit so beschlossen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Petrovic auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorgänge um das Gebäude der Salzburger Musikhochschule "Mozarteum", insbesondere zur Klärung der Frage der Schadstoffkonzentrationen und auch zur Klärung der Frage, ob vergleichbare Schadstoffkonzentrationen und damit Gesundheitsgefährdungen auch in anderen Bundesgebäuden gegeben sind.

Dieser Antrag ist schriftlich verteilt worden; eine Verlesung erübrigt sich daher.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Petrovic, Freunde und Freundinnen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgender Gegenstände wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

1. Aufklärung der Vorgänge um das Gebäude der Salzburger Musikhochschule Mozarteum, insbesondere zur Klärung der Frage, zu welchem Zeitpunkt Organe der Verwaltung des Bundes erstmals von den erhöhten Schadstoffkonzentrationen erfahren haben und warum Gegenmaßnahmen unterlassen wurden.

2. Klärung der Frage, ob vergleichbare Schadstoffkonzentrationen und damit Gesundheitsgefährdungen auch in anderen Bundesgebäuden gegeben sind.

Zusammensetzung: 5 SPÖ, 4 ÖVP, 3 FPÖ, 1 LIF, 1 GRÜNE

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

22.40

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Das Salzburger Mozarteum wurde aufgrund zahlreicher ungeklärter Todesfälle unter den Angehörigen dieser Universität vor wenigen Tagen geschlossen. Die "Salzburger Nachrichten" vom 24./25. Oktober schreiben in einem Artikel unter der Überschrift "Das Mozarteum und die Ähnlichkeiten mit dem Fall Lassing" unter anderem, daß es sehr merkwürdig ist, daß in internationalen Medien das Mozarteum im Mittelpunkt der Betrachtungen steht – hier sei die Rede vom "Todeshaus in Salzburg", von der "Krebshochschule" –, allein das österreichische Parlament hat bisher keine Anstalten gemacht, sich mit der Ernsthaftigkeit dieser Situation in einem offenbar dramatisch belasteten Bundesgebäude zu beschäftigen.

Es gilt mittlerweile als erwiesen, daß der Giftcocktail, der dort in der Luft ist, den die Menschen dort eingeatmet haben, erbgutverändernd und krebserregend ist. Eine statistisch nicht erklärbare Häufung von Todesfällen ist eingetreten, weitere Menschen sind bereits schwer erkrankt. Die "Salzburger Nachrichten" setzen in ihrem Vergleich mit der Causa Lassing fort mit der Feststellung: Es besteht eine ähnliche Desinformationspolitik. Sie kommen dann zu dem Befund: Noch viel schlimmer aber ist die amtliche Nichtbeachtung der Betroffenen. Die Mitarbeiter des Hauses bleiben allein mit ihren Ängsten vor Krankheit und Tod. Die Angehörigen bereits Verstorbener verlangen Aufklärung, bekommen sie aber nirgends.

Der Artikel schließt mit einer wirklich skandalösen Feststellung, nämlich daß das Gebäude wegen Kompetenzstreitereien 18 Jahre lang nicht kollaudiert wurde. Das heißt, es lag niemals eine ordnungsgemäße Benutzungsbewilligung für dieses 600-Millionen-Schilling-Projekt vor. Der Bund, und zwar Bundesgebäudeverwaltung und Hochschulverwaltung, hat es geduldet, daß junge Menschen, daß Studierende, Lehrende sich Tag für Tag in einem Gebäude befinden, von dem wir heute wissen, daß es krank macht, schwer krank macht, daß es sogar das Leben verkürzen kann.

Und was passiert dann politisch? Es ist wieder einmal ein Sittenbild dieser Republik. Der Landtag kann ja gar nicht anders, er befaßt sich damit. Die Bürgerliste, die Salzburger Grünen, stellt einen Antrag auf Untersuchung dieses Vorfalles, auch auf Entschädigung der Opfer, ihrer Angehörigen und auf Überprüfung ähnlicher Gebäude aus dieser Bauepoche. Es gilt ja vor allem auch, weitere Opfer zu vermeiden. Wie viele Gebäude haben denn eine ähnlich belastete Raumluft?

Der Salzburger Landtag beschäftigt sich damit. Es sind alle Fraktionen – alle Fraktionen: lesen Sie es nach in den Presseaussendungen! – einhellig der Meinung, daß es im Mozarteum Vorfälle gibt, die aufzuklären sind. Andererseits – so der Salzburger Landtag in seiner Mehrheit – dürfe man doch nicht die Verfassung beugen. Das ist ja ein Bundesgebäude, hier ist eine Bundeszuständigkeit gegeben. Der Salzburger Landtag appelliert an die Bundeshauptstadt, an das Parlament: Bitte untersucht doch! Ihr seid zuständig! (Ruf: Unglaublich!) Ja, es ist wirklich unglaublich, daß für ein Gebäude über 18 Jahre hinweg keine Genehmigung vorliegt! Es ist noch unglaublicher, daß in den Medien zumindest seit dem Jahr 1990 gewarnt wurde, daß die Raumluft in diesem Gebäude krank macht. Niemand kann sagen: Wir haben es nicht gewußt. "Dicke Luft im Mozarteum", "Die Raumluft macht krank" – das haben die "Salzburger Nachrichten" im Sommer 1990 bereits eindeutig geschrieben.

Spätestens seit 1991 lagen dem Rektorat und auch den zuständigen Bundesbehörden Untersuchungen vor, die diese medialen Vermutungen und Befürchtungen bestätigt haben, schwarz auf weiß bestätigt haben! Zumindest seit 1991 weiß man es! Und was ist passiert? Wer hat die Menschen dort geschützt? Wer hat regelmäßige Untersuchungen der Raumluft einerseits, der Menschen andererseits angeordnet? – Es ist typischerweise nichts, gar nichts passiert!

Es muß doch irgendwo einen Punkt geben, wo Sie bereit sind zu sagen, das wollen wir jetzt wirklich aufklären. Wann hat wer von diesen Umständen gewußt? Was wurde dann gemacht? (Abg. Dr. Mertel: Wer wird das aufklären? Sie? Wer wird das aufklären?) Dieses Haus soll es aufklären, nicht ich! Ich gehe davon aus, daß Sie auch ein Interesse daran haben. Es geht um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, es geht um Studierende, es geht wahrscheinlich auch um viele andere Gebäude. Man weiß ja nicht einmal, was die genauen Ursachen sind: Sind es die Bodenbeläge? Sind es die Wandverkleidungen? Ist es die Klimaanlage? Ist es ein Mix aus all diesen Faktoren? – Wir wissen nur, daß die Konzentration absolut gesundheitsschädigend ist.

Jetzt frage ich Sie: Gehen die Behörden in anderen Gebäuden, in denen die Menschen auch klagen, auch so mit den Vermutungen und mit den Befürchtungen um? – 18 Jahre lang keine Baukollaudierung: Finden Sie das korrekt, Frau Abgeordnete? Und vor allem: Was sagen Sie denn Ihren Salzburger Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion? Diese sind einhellig der Meinung, es muß aufgeklärt werden: aber bitte nicht in Salzburg, bitte doch in Wien!

Was sagen Sie den Kolleginnen und Kollegen, die sagen, der Bund ist zuständig? Kommen Sie nicht wieder mit der Aussage, das möge der Staatsanwalt untersuchen. Ich glaube, den Betroffenen ist nicht damit geholfen, wenn wir vielleicht in einigen Jahren wissen, daß irgend jemand fahrlässig derartige Berichte nicht ernst genommen, ignoriert, auf die leichte Schulter genommen hat. Es geht uns nicht – nicht primär – um die Klärung der strafrechtlichen Verantwortung, sondern es geht jetzt in erster Linie einmal um die Hilfe für die schon Betroffenen, und es geht mit derselben Brisanz und derselben Dringlichkeit um die Klärung der Frage: Wo gibt es vielleicht noch ähnliche Schlampereien oder Verschleppungen? (Abg. Schieder: Das werden die Gesundheitsleute und Bautechniker wahrscheinlich besser zusammenbringen als Sie! – Abg. Schwarzenberger: Die Petrovic macht das mit der Nase!)

Wahrscheinlich werden sie das, nur, Herr Abgeordneter Schieder, wissen Sie, welche Gebäude jetzt untersucht werden? (Abg. Schieder: Nein!) Nein! Glauben Sie nicht, daß es einige an Leukämie gestorbene Menschen verdient hätten, daß man die Frage klärt, wer politisch dafür die Verantwortung trägt (Abg. Schieder: Sicher, sicher! Nur, ob Sie das gut können?), daß dort nicht kollaudiert wurde, daß dort nicht untersucht wird? (Abg. Schieder: Sicher muß das geschehen, ...!)

Herr Abgeordneter Schieder! In welchem Fall gibt es dann noch politische Verantwortung? Was ist politische Verantwortung? Sehen Sie nicht die Ähnlichkeiten mit dem Fall Lassing? (Abg. Schieder: Sie haben davon geredet, daß man in anderen Gebäuden ...!) Was muß denn noch passieren? Hier haben Sie Menschen, die gestorben sind, und ein eindeutiges Behördenversa-gen! Ich frage Sie wirklich: In welchem Fall wäre Ihrer Ansicht nach noch eine parlamentarische Untersuchung angesagt? Sagen Sie mir irgendeinen Fall! Gibt es das überhaupt noch in dieser Republik? – Wenn nicht, dann sage ich Ihnen eines: Dann schminken Sie sich das Wort "Kontrolle" ab, dann schminken Sie sich das Wort vom "Verfassungsbogen" ab, denn in der Verfassung steht auch etwas davon, daß die Vollziehung zu kontrollieren ist! Wenn das über 18 Jahre hinweg nicht passiert ist und Sie sagen: Was schert uns das?, dann haben Sie in diesem Punkt eindeutig die Verfassung dieser Republik verlassen! (Beifall bei den Grünen.)

22.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach der Begründung dieses Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betragen die Redezeiten in der Debatte jeweils 5 Minuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maier. – Bitte.

22.49

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Anteilnahme im Falle der Hochschule Mozarteum gilt – und das sage ich als Salzburger Abgeordneter – den Erkrankten sowie den Angehörigen der Verstorbenen. Ich halte ausdrücklich fest, daß alle Betroffenen Anspruch darauf haben, daß es zu einer möglichst raschen Klärung kommt.

Den Antrag der Grünen sehe ich als Vorwahlgeplänkel, ich kann ihn nicht ernst nehmen. (Abg. Scheibner: Wollen Sie vielleicht schon wählen?) Man braucht sich nur die Begründung des Antrags durchzulesen, in der beispielsweise gesagt wird, daß allein deshalb, weil polychlorierte Biphenyle und Phtalate festgestellt worden sind, eine Schließung erfolgt wäre.

Kollegin Petrovic hat davon gesprochen, daß aufgrund zahlreicher Todesfälle das Mozarteum geschlossen worden wäre. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht richtig. Das Mozarteum wurde mit Bescheid deswegen geschlossen, weil in der Innenluft erbgutverändernde Stoffe festgestellt wurden. Nicht festgestellt und nicht bewiesen wurde bisher die Kausalität. Man weiß bis heute noch nicht, woher diese Substanzen kommen.

Frau Kollegin Petrovic, ich halte auch den Vergleich mit Lassing für nicht zulässig, weil die Salzburger Landesregierung sofort reagiert hat. Lassen Sie mich ganz kurz den Ablauf erklären:

Das nicht zuständige Ressort, nämlich das Gesundheitsressort, hat am 16. Juli dieses Jahres erstmals von diesen Schadstoffbelastungen erfahren. Einen Tag später wurde dem Rektor ein Kooperationsangebot übermittelt, dem entsprochen wurde. Am 8. Oktober lagen die ersten konkreten Untersuchungen vor. Es wurde nachgewiesen, daß mutagene Stoffe in der Innenraumluft des Mozarteums vorliegen. Daraufhin hat die Salzburger Landesregierung sofort reagiert und in einer Regierungssitzung klare Festlegungen getroffen. Es wurde zum einen ein Steuerungsgremium eingerichtet, bestehend aus Vertretern der Landessanitätsdirektion, der Umweltabteilung, der Universität Mozarteum, des Landespressebüros, des Wirtschaftsministeriums und des Wissenschaftsministeriums, um die Ursachen für die mögliche Gefährdung der Angestellten und der Studierenden in den Räumlichkeiten der Musikuniversität zu klären sowie die Kausalität der festgestellten Schadstoffe im Hinblick auf möglicherweise dadurch ausgelöste Krankheiten zu überprüfen. Darüber hinaus wurde auch noch eine internationale Expertenkommission eingerichtet.

Frau Kollegin Petrovic! Die Fragen, um die es jetzt geht – also Fragen der Haftung –, kann kein Untersuchungsausschuß klären, sondern diese können nur auf einer sachlichen Ebene geklärt werden. Wir meinen daher, daß es keinen Sinn hat, hier und jetzt einen Untersuchungsausschuß zu beschließen.

Es geht darum, daß wir das Mozarteum als ein nationales Anliegen sehen, daß wir uns darum bemühen, daß diese offenen Fragen jetzt geklärt werden, und daß der Bund auch die entsprechenden Unterstützungen dazu leistet. Die sozialdemokratische Fraktion wird also Ihrem Antrag nicht folgen können. Die sozialdemokratische Fraktion wird die weitere Entwicklung verfolgen und gegebenenfalls auch entsprechende Anfragen an die zuständigen Minister stellen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

22.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

22.54

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die renommierte Salzburger Kunstuniversität Mozarteum, eine der Salzburger Institutionen, 1841 gegründet, 1970 zur Kunsthochschule erhoben, steht seit Wochen im Brennpunkt medialen und öffentlichen Interesses. Am 15. Oktober 1998 wurde die Kunsthochschule Mozarteum mit all ihren Abteilungen geschlossen. Die Schließung war notwendig, nachdem bei einer Reihe von umweltmedizinischen Untersuchungen des Landessanitätsdirektors in der Luft polychlorierte Biphenyle und mutagene, erbgutverändernde Stoffe gefunden worden sind, deren Wirkung in der Kombination bis heute unklar ist. Ich möchte das feststellen, weil hier immer wieder behauptet wird, daß diese Zusammenhänge eindeutig nachgewiesen sind, was nicht der Fall ist.

Schwierig stellt sich die Ursachenforschung deshalb dar, weil es so gut wie keine Aufzeichnungen über die vor 20 Jahren verwendeten Materialien oder Werkstoffe gibt und die eingesetzten Baufirmen meines Wissens heute gar nicht mehr existieren. Bedenklich ist, daß täglich nicht nur neue Gerüchte über die möglichen Ursachen für die Krankheitsgeschichten auftauchen, sondern – was viel trauriger ist – daß täglich neue Gerüchte über mysteriöse Todesfälle auftauchen. Panikmache ist in diesem Fall sicherlich nicht das Gebot der Stunde!

Das Gebot der Stunde ist aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, konsequent, schnell und mit der notwendigen Sorgfalt die entsprechenden Aufklärungen durchzuführen (Beifall bei der ÖVP), ohne den untadeligen Ruf dieser Weltbildungseinrichtung zu gefährden.

Rechtsstreitigkeiten über die Zuständigkeiten sind wohl am heutigen Tage nicht gefragt. Sinnvoll wäre es, daß sich die hierbei beteiligten Ministerien – das Sozialministerium, das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium und das Wissenschaftsministerium – an einen Tisch setzen und so schnell wie möglich im Interesse der Hochschule, aber vor allem im Interesse der Schüler, der Professoren, der Angehörigen, der Mitarbeiter und letzten Endes auch im Interesse der nächsten Generationen Klarstellungen in medizinischer, technischer und rechtlicher Hinsicht treffen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Salzburger Landtag hat am Mittwoch, den 28. Oktober 1998 einstimmig beschlossen, das Mozarteum auf eventuelle gesundheitsschädliche Wirkungen prüfen zu lassen. Die Landesregierung wurde ersucht, nach Vorliegen der endgültigen Prüfungsergebnisse der Universität Mozarteum auch andere landeseigene Gebäude eingehend wegen eventueller schädlicher Wirkungen der dort verwendeten Materialien zu untersuchen. Es ist also unrichtig, daß diese Untersuchungen nur auf ein Gebäude beschränkt sind. Es sollen alle Gebäude überprüft werden, bei denen sich aufgrund der Ergebnisse des Mozarteums entsprechende Verdachtsmomente ergeben. Landesbaudirektor Axel Wagner und Umweltmediziner Christoph König berichteten, daß der Bauzustand des 1979 errichteten Mozarteums den siebziger Jahren standardmäßig entsprechend und in Salzburg zum Beispiel nur ein einziges Gebäude dementsprechend gebaut worden ist, und zwar das ORF-Landesstudio. (Abg. Mag. Posch: Oje! Oje!)

Es wurde zur Überprüfung des Mozarteums auch eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die heute vor einer Woche ihre Arbeit aufnahm. Die Ergebnisse der Untersuchungen über das Mozarteum müssen unserer Meinung nach abgewartet werden. Wir haben uns nach den Ergebnissen zu richten und werden dann die entsprechenden Schritte veranlassen. Deshalb werden wir einem Untersuchungsausschuß derzeit nicht zustimmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist besser, in Salzburg zu handeln, als hier im Parlament Emotionen hochgehen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

22.59

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die freiheitliche Parlamentsfraktion wird dem Antrag der Grünen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Vorgänge in der Causa Mozarteum sehr wohl die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich finde es absolut notwendig, daß ein derartiger Untersuchungsausschuß eingesetzt wird. (Abg. Oberhaidinger: Das haben wir uns gedacht!)

Der Neubau des sogenannten Mozarteums war von Anfang an bautechnisch, städtebaulich, funktionell eine Totgeburt. (Abg. Dr. Leiner: Bist du ein Baumeister?) Bist du ein Baumeister? – Du bist ein Arzt! Also bleib bei deinem Leisten!

Tatsache ist – und das hat Frau Kollegin Petrovic schon erklärt –, daß bereits im Jahr 1990 erstmals öffentlich kundgetan wurde, daß es sich hier um gesundheitliche Problematiken handelt. 1996 gab es die ersten Todesfälle. Wenn Sie heute hier glauben, es gibt nichts zu untersuchen, dann ist das, ich möchte fast sagen, zynisch.

Da gibt es einen Professor Hubertus Boese, der gesagt hat: "Ich bin gesund hineingegangen, und nach zehn Jahren war ich k. o." Vor acht Jahren wurde er schwerkrank pensioniert und so weiter. Heute ist er ein todkrankes Wrack.

Weiters gibt es den Fall von Professor Steinschaden – bitte hören Sie zu, was ich Ihnen jetzt vorlese –:

Gift im Mozarteum, Studenten flüchten. Krebsgefahr war schon seit Jahren bekannt und wurde trotz Todesfällen vertuscht. Professor Georg Steinschaden, der derzeit gerade wieder eine Chemotherapie gegen die Leukämie, den Blutkrebs, durchmacht, ... eigentlich bedarf es hier gar keiner Untersuchungen. Dreimal tief eingeatmet, und man weiß, was los ist. Das ist offensichtlich. – Zitatende.

Und da sehen Sie zu? Da wollen Sie abwarten? Ist das wirklich Ihre Einstellung?

Auch der Umweltmediziner des Landes Salzburg, Dr. König, hat sich damit befaßt: "Neuer Test entlarvt den giftigen Cocktail". – Welche Untersuchungen brauchen Sie denn noch? (Abg. Dr. Puttinger: In Salzburg handeln, und nicht hier reden! Sie reden, wir handeln!)

Meine Damen und Herren! Es geht hier nicht allein um die medizinischen Untersuchungen (Abg. Dr. Puttinger: In Salzburg handeln!), es geht auch um die politische Verantwortung, Herr Kollege Puttinger, um die Klärung der Verantwortung für die Tatsache, daß diese menschenverachtenden Versäumnisse überhaupt eingetreten sind! Wer trägt hiefür die politische Verantwortung? Da wurde das Mozarteum überfallsartig geschlossen, es herrschte ein absolutes "Chaoskrisenmanagement" (Beifall bei den Freiheitlichen), und Sie wollen weiterhin zudecken, Sie wollen die schwerwiegenden Fälle von Untätigkeit der Verantwortlichen einfach unter den Teppich kehren! (Rufe bei der ÖVP: Handeln! Handeln!)

Gerade Sie, Herr Kollege Puttinger, sollten das wissen: Jedes private Unternehmen wäre längst geschlossen gewesen, der Unternehmer angezeigt, verurteilt und bestraft worden. Aber nur deshalb, weil es sich um ein öffentliches Gebäude handelt, passiert nichts, wird zugedeckt.

Meine Damen und Herren! Es ist schon richtig, daß durch eine parlamentarische Untersuchung die gesundheitlichen Schäden nicht mehr repariert werden können. Aber – und das sage ich mit allem Nachdruck – die politisch Verantwortlichen sind dingfest zu machen und haben die Konsequenzen zu ziehen. (Abg. Schwarzenberger: Was haben Sie denn für eine Befähigung, daß Sie ...?) – Geh, Schwarzenberger, sei ruhig! (Ruf bei der ÖVP: Wer sind Sie denn?)

Es wird auch darum gehen, die entsprechenden Haftungsfragen zu klären. Ich habe eine Bekannte, die seit Jahren in diesem Haus tätig ist. Seit sie weiß, daß dieser Giftcocktail erbgutverändernd ist, hat sie Angst davor und getraut sich nicht, sich ein Baby "anzuschaffen".

Meine Damen und Herren! Das sollten Sie bedenken, und nicht hier drüberfahren und sagen, wir brauchen nichts zu untersuchen. Herr Kollege Puttinger, die menschliche Gesundheit kann man nicht nach Kostengründen abwägen.

Es geht auch um die Reputation, um das Weltkulturerbe Salzburg. Gerade du als einer, der in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft tätig ist (Abg. Dr. Puttinger: Dann sag nicht, daß alles hier schlecht ist!), sollte größtes Interesse daran haben, daß dort rasch, unbürokratisch und ohne zuzudecken aufgeklärt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: Du hast nicht zugehört, was ich gesagt habe! Du hast nicht verstanden!) Nur so, Herr Kollege Puttinger, kann es ermöglicht werden, daß entsprechende bauliche Maßnahmen gesetzt werden. Wollen Sie wirklich zehn Jahre lang warten, bis ein eventueller Neubau errichtet werden kann? Jetzt werden wir zwei Jahre lang untersuchen. Wo aber gehen Sie mit den Studenten hin? – Du müßtest das als Salzburger ja kennen. Aber nein, du schaust weg und wirst diesem Untersuchungsausschuß nicht zustimmen. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme schon zum Schlußsatz, Herr Präsident.

Im Salzburger Landtag wurde ein Entschließungsantrag der Bürgerliste eingebracht, in dem die Fraktionen im Nationalrat ersucht werden (Rufe bei der SPÖ: Den Schlußsatz!), alle in den Kompetenzbereich des Bundes fallenden Umstände im Zusammenhang mit dem Gebäude des Salzburger Mozarteums zu untersuchen. ÖVP und SPÖ haben diesen Antrag abgelehnt, und das ist eine Schande! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Mach dir das mit dem Schnell daheim aus!)

23.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

23.05

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kann die Aufgeregtheit der Regierungsparteien schon verstehen, denn es sind mindestens drei Regierungsmitglieder, die wir in diesem Untersuchungsausschuß vorzuladen haben werden:

Zunächst wäre dies der für das Gebäude Verantwortliche – es handelt sich um einen Bundesbau, daher ist es eben nicht Landessache, sondern es dürfte in die Zuständigkeit der Bundesgebäudeverwaltung fallen, habe ich einmal gehört –, und dies könnte vielleicht der wirklich glücklose Bundesminister Farnleitner sein. (Abg. Schieder: Nein, damals war es der andere!)

Für den Betrieb in der Sache würde ich gefühlsmäßig gerne den Wissenschaftsminister ins Gespräch nehmen. (Abg. Schwarzenberger: Das Gebäude wurde 1979 errichtet! – Abg. Dr. Mertel: Damals hat Farnleitner die Baustoffe ausgesucht, nicht?)

Darüber hinaus wäre noch der Aspekt des Bundesbediensteten-Arbeitsinspektorates zu nennen, der in der Diskussion bisher noch gar nicht erwähnt wurde. Ich frage mich: Wozu haben wir diese wertvolle Einrichtung, die Gebäude und Arbeitsstätten regelmäßig zu begutachten hat, wenn sie nicht bemerkt, daß das Gebäude nicht kollaudiert ist, wenn sie offenbar mit den dort ein- und ausgehenden Menschen keine Gespräche führt und ihr daher die Beschwerden, die ja einige der Vorredner schon erwähnt haben, die Tatsache, daß die Leute sich dort seit den neunziger Jahren über die Luftverhältnisse et cetera beschweren, nicht zur Kenntnis gelangt sind?

Man fragt sich: Was ist hier noch durch Kommissionen zu untersuchen? Die politischen Versagensabläufe liegen bereits in ihrer Struktur vor, und es ist nur noch festzustellen: Welches dieser drei Regierungsmitglieder trägt die politische Letztverantwortung? – Dies zu klären wäre eine exquisite Aufgabe für einen Untersuchungsausschuß.

Ich bin daher der gesicherten Meinung, daß man, da von der Wahrscheinlichkeitsrechnung her eine Treffermöglichkeit von zwei zu eins – zwei rote Minister, ein schwarzer – besteht, durch Münzabwurf die Koalition vielleicht doch dazu gewinnen könnte. (Abg. Schwarzenberger: Zum Zeitpunkt des Baus war nämlich Steger zuständig!) Vielleicht stimmen Sie doch zu, Herr Klubobmann Khol. Die Wahrscheinlichkeit, daß es den für das Gebäude Verantwortlichen trifft, ist gering. Sollte dies doch der Fall sein, nun ja, dann hat er eben einen Ausschuß zu gewärtigen. Dann kann man Lassing gleich mit abhandeln. Stimmen Sie doch einfach zu! Machen Sie uns die Freude! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen und der Freiheitlichen.)

23.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

23.07

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon spannend, wenn Kollege Puttinger davon spricht, daß jetzt "schnell", "konsequent" Aufklärung betrieben werden soll.

Herr Kollege Puttinger! Sie wissen hoffentlich, daß die Tatsache, daß dieses Gebäude nicht genehmigt wurde, 18 Jahre lang im Raum gestanden ist. 18 Jahre lang hat der Bund, der die Verantwortung trägt, nicht gehandelt! (Abg. Dr. Puttinger: 18 Jahre lang haben Sie nichts gesagt! Jetzt sagen Sie etwas!) Und Sie getrauen sich hier noch zu sagen: Schnell muß es gehen! – 18 Jahre lang haben die verantwortlichen Behörden – das zuständige Ministerium, die Bundesgebäudeverwaltung, das Zentralarbeitsinspektorat – gewußt, daß eine Genehmigung schon längst erbracht werden hätte müssen. 18 Jahre lang haben die zuständigen Behörden sich gedacht: Nun ja, das kann ja noch kommen, wird ja noch kommen!

Herr Kollege Kier! Der einzige Punkt meiner Anmerkung zu deiner Rede lautet: Das zentrale Arbeitsinspektorat hat geprüft, und zwar Anfang der neunziger Jahre, und hat festgestellt: Die Betriebsgenehmigung fehlt, hier dürften eigentlich keine Studenten unterrichtet werden – dies steht im Prüfbericht! –, die Betriebsgenehmigung ist sofort zu erbringen.

Was macht das Wirtschaftsministerium, was macht das Wissenschaftsministerium? –"Kommt schon! Kommt schon!", so heißt es.

Im Jahre 1997, meine Damen und Herren von der ÖVP, ist genehmigt worden! – Wo bleibt da Ihre politische Verantwortung oder die des Ministers? Zuständig ist in allen diesen Angelegenheiten, nicht nur für die Errichtung, sondern auch für die Überprüfung – und da haben Sie vermutlich ein Problem, würde ich meinen –, derselbe Wirtschaftsminister, der auch andere Belange – leider – unzureichend geprüft hat und sich allzusehr auf seine ihm untergebenen Behörden verlassen hat.

Mich interessiert das gar nicht im besonderen, sondern mich interessiert in diesem Zusammenhang die Frage: Was ist es, das diese Behörden dazu bringt, 18 Jahre lang angesichts der Tatsache, daß nichts genehmigt wird, zuzusehen und sich zu denken, naja, das ist eben einfach so? Da wird einfach weitergebaut: Das Mozarteum ist in den 18 Jahren umgebaut worden, obwohl es nicht einmal errichtet oder betrieben werden hätte dürfen! – Macht nichts, ist ja eine Bundesstelle! Die kann ja tun und lassen, was sie will! – Das ist der erste Punkt.

Zweiter Punkt: Es gibt nicht nur zwei Kategorien von Bauten – die für normale Menschen, und die, bei denen es um Bundesbauten geht –, sondern es gibt auch zwei Kategorien von Menschen: die Bundesbediensteten und die normalen Bediensteten. Für die einen gilt der normale Arbeitnehmerschutz – der prüft, einigermaßen korrekt –, und bei den Bundesbediensteten, da darf dann das zentrale Arbeitsinspektorat Empfehlungen geben: Ja, ist nicht genehmigt worden. Bitte genehmigt – vielleicht in den nächsten fünf Jahren. – Genau so ist es gekommen.

Dritter Punkt: Herr Kollege Maier! Das Kausalitätsprinzip steht auf einmal ganz zentral im Raum: Wir können leider nicht untersuchen, denn es ist ja noch nicht einmal erwiesen, daß der Tod jener Menschen, die im Mozarteum beschäftigt waren und an bestimmten Krebsarten verstorben sind, in einem kausalen Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Mozarteum stehen, beziehungsweise können wir im anderen Fall – denn es gibt ja nicht nur verstorbene Menschen, sondern auch viele, die Krankheitssymptome gehabt haben und diese auch gemeldet haben, und zwar an die Bundesgebäudeverwaltung und schon Anfang der neunziger Jahre! – nicht sagen, daß diese Krankheitssymptome ursächlich, kausal in einem Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt, mit ihrer Arbeit im Mozarteum stehen. Kollege Maier! Bitte entschuldige, aber das ist etwas zu billig! Das Kausalitätsprinzip kann im besonderen bei Krebserkrankungen nicht angewendet werden. Die Kausalität nachzuweisen, das ist unmöglich, auch wenn Sie das hier verlangen. Jede moderne Erkenntnis besagt, daß eher das Finalitätsprinzip anzuwenden ist. Tatsache ist, daß Menschen daran gestorben sind, Tatsache ist, daß soundso viele Menschen Beschwerden haben – ich will mich gar nicht auf die Verstorbenen beziehen –, diese Beschwerden seit Jahren beziehungsweise seit Jahrzehnten geltend gemacht haben, aber niemand gehandelt hat. Alle zucken mit der Schulter und sagen: Es könnte auch etwas anderes sein, vielleicht hat er sich zu Hause verkühlt, das könnte ja auch sein.

Meine Damen und Herren! Zu prüfen ist die Verantwortung des zuständigen Ministeriums. Zu prüfen ist aber auch die Verantwortung der zu prüfenden Behörden und der zugrunde liegenden Gesetze! Und da setzen Sie sich ganz beruhigt hin und sagen: All das geht uns nichts an! – Es sind aber Ihre Gesetze, die Sie erlassen haben, die dazu führen, daß es zwei Kategorien von Bauten und zwei Kategorien von Menschen gibt und daß niemand imstande ist, irgend etwas zu prüfen, weil alles in dieser Republik seine Ordnung und seine Richtigkeit haben muß. Irgendwie wird es schon funktioniert haben, es ist eben Pech, daß irgendwelche Leute verstorben sind.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Sache ernst nehmen, können Sie es sich nicht so einfach machen! (Beifall bei den Grünen.)

23.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Petrovic auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Diejenigen Damen und Herren, die dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ihre Zustimmung geben, mögen dies durch ein Zeichen bekunden. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Schmidt, dem Justizausschuß zur Berichterstattung über die Petition Nr. 48 betreffend drei Forderungen zur rechtlichen Verankerung von PartnerInnenschaften, überreicht von den Abgeordneten Mag. Stoistis, Dr. Kier und Dr. Karlsson, eine Frist bis 19. Jänner 1999 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 925/A bis 941/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 5129/J bis 5185/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates betreffend geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen berufe ich für 23.16 Uhr, das heißt gleich im Anschluß an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 23.15 Uhr