Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 83

Klubobmannes Andreas Khol erweisen sich die SozialdemokratInnen mit ihrem Kniefall vor den Gewerkschaften erneut als die eigentlichen Bremser für eine Reform der Arbeitsmarktpolitik.

Wie wenig die Gewerkschaftsfunktionäre tatsächlich bereit sind, eine Reorganisation des AMS Wien mitzutragen, zeigt sich in einem gemeinsamen internen Schreiben von ÖGB und Arbeiterkammer vom 29.1.1999, in welchem sich die Arbeitnehmervertreter im AMS Wien ausdrücklich vom Reformkonzept der Landesgeschäftsführung distanzieren und die Beibehaltung der Fachstruktur einfordern. Damit ist ernsthaft zu befürchten, daß es erst recht wieder zu keiner Strukturreform des AMS Wien kommen wird. Dies macht nach Ansicht der unterfertigten liberalen Abgeordneten den Erklärungsbedarf seitens der Sozialministerin dringlich.

2. Die virtuelle Beschäftigungspolitik der Bundesregierung

Ich will Beschäftigungskanzler sein‘. Mit diesen Worten charakterisierte sich Viktor Klima am 1. Mai 1998, dem Tag der Arbeit, vor dem Wiener Rathaus. Die darauffolgenden Monate waren jedoch vor allem durch bloße Beschäftigungs-Ankündigungen gekennzeichnet. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang

der fehlgeschlagene Aktionismus der Bundesregierung in der Europäischen Beschäftigungspolitik während der Zeit der österreichischen Ratspräsidentschaft,

die Kurzzeitmaßnahmen im Bereich Lehrlingsbeschäftigung sowie

die zuletzt angekündigten Programme im Gefolge der Regierungsklausur in Bad Aussee.

Der Nationale Aktionsplan und die EU-Ratspräsidentschaft

Vor Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft hatte der Bundeskanzler noch erklärt, das vordringlichste Ziel seines Vorsitzes wäre die Beschäftigungspolitik sowie die Evaluierung der NAPs der einzelnen Mitgliedsländer. Noch knapp vor Beginn des Wiener Gipfels hatte die Bundesregierung einen vergeblichen Versuch unternommen, einige wenige Impulse für die Beschäftigungs-Leitlinien 1999 zu setzen. Zur großen Verwunderung vieler, aber ohne das Scheitern einzugestehen, blieb das Ergebnis des Gipfels dann alles schuldig, was über ein halbes Jahr lang vom Bundeskanzler versprochen worden war:

Weder gibt es neue ‚Beschäftigungspolitische Leitlinien 1999‘ – sondern die alten von 1998 wurden verlängert –,

noch wurden die NAPs der Mitgliedsländer evaluiert. Die Behandlung des diesbezüglichen Berichtes der Kommission wurde vielmehr auf Herbst 1999 verschoben, vielleicht auch deshalb, weil die Kommission selbst Bedenken an der Aussagekraft des Berichtes geäußert hatte, da die darin enthaltenen Daten und Statistiken nicht harmonisiert waren und eine Aussagekraft daher kaum gegeben war.

Nichts hatte der vor einem Jahr erstellte österreichische NAP ausgesagt über den dafür notwendigen Weg, nichts über die Zielvorgaben oder die Kosten, außer der Ankündigung, 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze bis 2001 zu schaffen: Peinlicherweise aber hatte das Wifo zu Jahresanfang 1998 – Monate vor dem NAP – eine Studie mit dem Titel ‚Szenario für das Jahr 2001‘ verfaßt, in welcher die Autoren aufgrund der zu erwartenden Wirtschaftsentwicklung von 100 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen für denselben Zeitraum ausgegangen waren – ohne die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht definierten ‚Maßnahmen‘ des NAP berücksichtigen zu können.

Der NAP hat auch nichts an der Tatsache geändert, daß Österreich unter den EU- Ländern eines der Schlußlichter ist, was die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft: Nicht einmal 0,5 Prozent des BIP werden für diese Aufgabe aufgewandt, die außerdem nur knapp 10 Prozent aller Arbeitslosen überhaupt zugute kommt (Deutschland: 1,5 Prozent des BIP).

Keine konkreten Pläne finden sich im NAP für eine größere Flexibilität der Arbeitsorganisation, durch Entbürokratisierung gerade bei Klein- und Mittelbetrieben oder durch die Förderung von


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