Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 85

finanzierten Arbeitslosenversicherung und überläßt die vorübergehend Beschäftigten nach Ablauf der Sonderaktion einer ungewissen Zukunft.

Ähnliches gilt für die ‚Neuerfindung‘ der alten Dallinger-‚Aktion 8000‘ (damals für die Integration 8 000 Beschäftigungsloser in den Arbeitsmarkt eingerichtet) durch Ministerin Hostasch – nimmt sich als ‚Aktion 800‘ allerdings wesentlich bescheidener aus, bekam dafür allerdings den klingenden Namen ‚NEW START‘ verpaßt.

‚Job-Coaching-Programm‘ für 40 000 ‚Kurzzeitarbeitslose‘, auch das ‚Klima-Zusatzprogramm‘ genannt:

Eine Variation des ‚Trick 17‘ des oberösterreichischen AMS-Landesgeschäftsführers Roman Obrovski, der damit zum Musterschüler bei der Senkung der Zahl der in der Statistik ausgewiesenen Langzeitarbeitslosen avancierte. Obrovski verkürzte die Mindestdauer der Schulungsmaßnahmen auf 29 Tage: Dadurch lassen sich einerseits mehr Beschäftigungslose in Maßnahmen unterbringen (statistische Schönung der Arbeitslosendaten), andererseits wird nach 29 Tagen ‚in einer Maßnahme‘ jeder Arbeitslose als Neuzugang gezählt, wodurch in Oberösterreich die Langzeitarbeitslosen-Rate ‚erfolgreich‘ gedrückt werden konnte.

Das ‚neue‘ Job-Coaching-Programm fügt sich nahtlos an die Klima-Ankündigung von der Verdoppelung der KursteilnehmerInnen an (siehe ‚Trick 17‘) und stellt zugleich den sozialdemokratischen Kotau vor der vom Bürgerblock rund um Andreas Khol und Jörg Haider stets beargwöhnten ‚Sozialen Hängematte‘ dar: Diese Schulungen (350 Millionen Schilling jährlich) werden verpflichtend sein – eine Ankündigung, die angesichts der unrealistischen Größe von 40 000 Personen (derzeit sind bundesweit pro Jahr 20 000 Menschen in Schulung) bei den Verantwortlichen im AMS bloß Kopfschütteln auslöst. Immerhin hat der Beschäftigungskanzler damit einen weiteren Nachweis erbracht, daß er nicht zahlenfixiert ist.

Frauen: Beihilfen zur Kinderbetreuung wurden angekündigt, um die Wiedereingliederung zu erleichtern. Derzeit stellt das AMS für die von der Sozialministerin so propagierte (aber kaum rezipierte) ‚Bildungskarenz‘ jedoch keinerlei Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung – einer der vielen Gründe, weshalb die Regierungsmaßnahmen zur freiwilligen Arbeitszeitreduzierung nicht gegriffen haben.

Andere Vorhaben wie der ‚Pakt für ältere Arbeitnehmer‘ (geförderte Teilzeitarbeit bei Aufrechterhaltung des vollen Abfertigungsanspruchs) oder der leichtere Zugang in die Gleitpension zeichnen sich rundweg dadurch aus, daß kein struktureller Reformgehalt zu erkennen ist. Vielmehr werden komplizierte und nutzlose Regelungen (Bonus-Malus-System, Bildungskarenz et cetera) weiter verkompliziert, wodurch neben den zusätzlichen Verwaltungskosten in Betrieben und Behörden ein verständliches Arbeits- und Sozialrecht ohnedies längst Schimäre geworden ist.

Anstatt sinnvolle Vorschläge aufzugreifen, wie Arbeitskräfte-Pools nach niederländischem Vorbild gerade für ältere Arbeitnehmer zu schaffen, werden weiterhin öffentliche Budgetmittel für nutzlose Aktionen ausgegeben. Der einzige Erfolg ist die Verschleierung der wahren Arbeitsmarkt-Verhältnisse (nach Berechnung der EU-Kommission 3,2 Prozent verdeckte Arbeitslosigkeit), womit sich die SPÖ-ÖVP-Koalition über die Wahlen retten will. Wie wäre es anders zu erklären, daß nicht nur die ‚nationale Kraftanstrengung Lehrlingsoffensive‘, sondern auch das ‚Sonderprogramm zur Absenkung der Arbeitslosigkeit in Wien‘ eine Laufzeit von Mai bis Oktober 1999 aufweist, mit dem Ziel, die Arbeitslosigkeit um 5 000 Personen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres abzusenken.

Der größte Hemmschuh neben dem aus gewerkschaftlichen Partikularinteressen heraus für Reformen blockierten AMS sind die Sozialversicherungsträger aufgrund der über Jahrzehnte fehlgelaufenen Sozialgesetzgebung durch die regierungsverantwortlichen Parteien SPÖ und ÖVP. Neben politischen Willkürakten wie beispielsweise der Schaffung von bereits fünf verschiedenen Werkvertragsreglungen innerhalb der vergangenen dreieinhalb Jahre sind es wiederum die entgegenlaufenden Machtinteressen in den ausschließlich proporzbesetzten Gremien des Sozialversicherungs-Verbandes, die für den Strukturkonservativismus verantwort


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